BGE 123 II 385
 
42. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 15. Mai 1997 i.S. X. AG gegen Eidgenössische Steuerverwaltung und Eidgenössische Steuerrekurskommission (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
 
Regeste
Art. 8 Abs. 2 ÜBbest. BV und Art. 3 ÜbBest. BV, Art. 84 MWSTV; übergangsrechtliche Behandlung von Abonnementsverträgen.
Anwendbare Bestimmungen (E. 5 und 6).
Art. 8 Abs. 3 ÜbBest. BV räumt dem Bundesrat bei der Ausgestaltung der Übergangsordnung einen relativ grossen Entscheidungsspielraum ein (E. 7).
Aus der Verfassung ergibt sich kein Anspruch des Steuerpflichtigen, von der Steuer befreit zu werden, wenn er sie nicht auf seine Kunden überwälzen kann (E. 8).
Die fraglichen Übergangsbestimmungen verstossen nicht gegen die Prinzipien, welche das Übergangsrecht zu respektieren hat (E. 9).
Grundsatz von Treu und Glauben; ein in die Vernehmlassung gegebener Verordnungsentwurf bildet keine Vertrauensgrundlage in dem Sinne, dass die Rechtsunterworfenen sich darauf berufen können (E. 10).
Die in Frage stehende Übergangsordnung verletzt auch nicht den Grundsatz der rechtsgleichen Behandlung und der Wettbewerbsneutralität der Steuer (E. 11).
 
Sachverhalt


BGE 123 II 385 (386):

Die X. AG ist im Verlagswesen tätig. Sie war bis 31. Dezember 1994 als Grossistin im Register der Steuerpflichtigen bei der Eidgenössischen Steuerverwaltung eingetragen (gemäss Art. 9bis des Bundesratsbeschlusses vom 29. Juli 1941 über die Warenumsatzsteuer,

BGE 123 II 385 (387):

WUStB) und wird seit 1. Januar 1995 im Register der Mehrwertsteuerpflichtigen geführt. Als Verlegerin von Zeitungen und Zeitschriften schliesst sie mit ihren Kunden Abonnementsverträge ab, deren Dauer üblicherweise ein Jahr beträgt und für die sie das Entgelt im voraus einnimmt.
Mit Eingabe vom 11. Mai 1995 ersuchte die X. AG die Eidgenössische Steuerverwaltung um einen Feststellungsentscheid in dem Sinn, dass sie für Lieferungen und Dienstleistungen aufgrund von Abonnementsverträgen für Zeitungen und Zeitschriften, die sie vor dem 1. Oktober 1994 abgeschlossen hat, im Jahre 1995 der Mehrwertsteuerpflicht nicht unterstehe. Mit Entscheid vom 8. Juni 1995 stellte die Eidgenössische Steuerverwaltung fest, dass "Lieferungen und Dienstleistungen, welche von der X. AG aufgrund eines vor dem 31. Dezember 1994 abgeschlossenen Abonnementsvertrages für Zeitungen oder Zeitschriften im Jahre 1995 erbracht werden, ... der Mehrwertsteuer (unterliegen)."
Eine Einsprache wies die Eidgenössische Steuerverwaltung ab und hielt im wesentlichen fest, dass Lieferungen und Dienstleistungen, welche von der X. AG aufgrund eines vor dem 1. Oktober 1994 abgeschlossenen Abonnementsvertrages für Zeitungen oder Zeitschriften im Jahre 1995 erbracht werden, der Mehrwertsteuer unterliegen.
Gegen den Einspracheentscheid führte die X. AG Beschwerde bei der Eidgenössischen Steuerrekurskommission. Diese wies mit Urteil vom 11. Juli 1996 die Beschwerde ab und stellte fest:
"..., dass die Beschwerdeführerin für Umsätze aus von ihr ab dem 28. November 1993 abgeschlossenen, nicht länger als ein Jahr dauernden Abonnementsverträgen, welche nach dem 1. Januar 1995 enden, die Mehrwertsteuer nach Massgabe von Art. 84 Abs. 1, 3 und 4 MWSTV schuldet."
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die X. AG, der Entscheid der Eidgenössischen Steuerrekurskommission vom 11. Juli 1996 sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass sie für Verträge, die sie vom 1. Januar bis 30. September 1994 mit ihren Abonnenten abgeschlossen habe und die nach dem 1. Januar 1995 enden bzw. geendet haben, die Mehrwertsteuer nicht schulde. Sie macht geltend, dass die Eidgenössische Steuerrekurskommission ihre Kognition in unzulässiger Weise beschränkt habe, die Überwälzung der Mehrwertsteuer für die Beschwerdeführerin unmöglich und unzumutbar sei und weitere systemtragende Prinzipien der Mehrwertsteuer verletzt seien.


BGE 123 II 385 (388):

Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab und bestätigt den Entscheid der Eidgenössischen Steuerrekurskommission im Sinne der folgenden
 
Erwägungen:
a) Bei der Mehrwertsteuerverordnung handelt es sich um eine selbständige, d.h. direkt auf der Verfassung beruhende Verordnung des Bundesrates. Sie stützt sich auf Art. 8 Abs. 1 ÜbBest. BV und stellt gesetzesvertretendes Recht dar, bis der Gesetzgeber das Mehrwertsteuerrecht geregelt hat.
In BGE 123 II 16 E. 3 und 295 E. 3, hat das Bundesgericht die Grundsätze aufgestellt, nach denen es die Mehrwertsteuerverordnung überprüft. Selbständige Verordnungen des Bundesrates sind daraufhin zu kontrollieren, ob sie mit den sachbezogenen Vorgaben der Verfassungsvorschrift, auf welcher sie beruhen, harmonieren. Bei der Mehrwertsteuerverordnung ist somit zu prüfen, ob der Bundesrat die in Art. 8 ÜbBest. BV (und Art. 41ter Abs. 1 lit. a und Abs. 3 BV) enthaltenen Grundsätze beachtet und sich an Gegenstand, Zweck und Umfang der ihm eingeräumten Kompetenz gehalten hat. Darüber hinaus ist zu untersuchen, ob die Verordnung nicht mit sonstigen Verfassungsnormen, besonders den Grundrechtsgarantien, kollidiert, soweit die ermächtigende Verfassungsnorm nicht selbst Abweichungen anordnet oder bewusst in Kauf nimmt.
Zu beachten ist, dass dem Bundesrat - im Rahmen der ihm vom Verfassungsgeber übertragenen Kompetenz - der gleiche politische Entscheidungsspielraum zusteht wie dem Gesetzgeber. Diesen Entscheidungsspielraum darf das Gericht nicht durch eigene Ordnungsvorstellungen schmälern. Es hat sich vielmehr auf die

BGE 123 II 385 (389):

Prüfung der Verfassungsmässigkeit der in Frage stehenden Regelung zu beschränken. Eine vom Bundesrat getroffene Lösung, welche sich im Rahmen des ihm zustehenden gesetzgeberischen Ermessens hält, die in der Verfassung enthaltenen mehrwertsteuerrechtlichen Grundsätze beachtet und die weiteren Verfassungsrechte respektiert, darf deshalb durch das Bundesgericht nicht korrigiert werden. Einschreiten darf dieses nur, wenn der Bundesrat die ihm eingeräumte Kompetenz überschritten hat, wobei das Bundesgericht auch den Umfang dieser Kompetenz zu ermitteln hat.
b) Im übrigen überprüft das Bundesgericht die Anwendung des Bundesrechts frei. In diesem Rahmen befindet es auch über die Auslegung der Vorschriften der bundesrätlichen Verordnung durch die Vorinstanzen und darüber, ob das Auslegungsergebnis mit den sachbezogenen Vorgaben der Verfassung übereinstimmt.
a) Bei der Eidgenössischen Steuerrekurskommission handelt es sich um eine verwaltungsunabhängige richterliche Behörde (Botschaft des Bundesrates vom 18. März 1991, BBl 1991 II 480, 538, 539 f.). Ihre Richter sind in ihrer Tätigkeit unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen (Art. 71c Abs. 1 VwVG). Beschwerdegründe, die der Rekurskommission unterbreitet werden können, sind die Verletzung von Bundesrecht, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des Sachverhalts und Unangemessenheit (Art. 49 VwVG). Die Rügegründe für die Beschwerde sind somit ähnlich umschrieben wie diejenigen nach Art. 104 OG für die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht. Es folgt aus dieser Regelung, dass die Eidgenössische Steuerrekurskommission das Bundesrecht - zu dem auch die Bundesverfassung gehört - von Amtes wegen anzuwenden hat und wie das Bundesgericht an die Bundesgesetzgebung gebunden ist (Art. 114bis Abs. 3 BV). Da jedoch die Mehrwertsteuerverordnung - anders als etwa der Warenumsatzsteuerbeschluss oder der Bundesratsbeschluss über die direkte Bundessteuer, die durch den alten Art. 8 Abs. 1 ÜbBest. BV unter

BGE 123 II 385 (390):

Vorbehalt von Bundesgesetzen in Kraft belassen und damit auf Gesetzesstufe erhoben wurden (BGE 100 Ib 166 E. 1; BGE 117 Ib 367 E. 1a) - nicht zur Bundesgesetzgebung gehört, ist sie auf ihre Verfassungsmässigkeit zu prüfen (BGE 123 II 433 E. 11a S. 451). In dieser Hinsicht ist jedoch zu beachten, dass dem Bundesrat das gleiche politische Ermessen zusteht wie dem Gesetzgeber. Einer vom Bundesrat in der Mehrwertsteuerverordnung getroffenen Lösung, die sich im Rahmen des ihm zustehenden gesetzgeberischen Ermessens hält, die in der Verfassung enthaltenen mehrwertsteuerrechtlichen Grundsätze beachtet und die weiteren Verfassungsrechte respektiert (vorn E. 3a), darf deshalb die Eidgenössische Steuerrekurskommission die Anwendung nicht versagen.
b) Im angefochtenen Entscheid hat die Vorinstanz ausgeführt, dass es sich bei der Mehrwertsteuerverordnung um eine selbständige Verordnung des Bundesrates handelt, deren Verfassungsmässigkeit sie zu überprüfen habe, auch wenn sie sich eine gewisse Zurückhaltung auferlege, wo politische Fragen zu entscheiden sind. Im Rahmen einer konkreten Normenkontrolle prüfe sie daher, ob die zur Anwendung gelangenden Normen mit der Verfassung übereinstimmen. Diese Prüfung könne ergeben, dass sich eine Bestimmung in einem Fall als verfassungswidrig erweise, weshalb ihr die Anwendung zu versagen sei, in einem anderen Fall jedoch nicht. Die Vorinstanz hat damit ihre Überprüfungsbefugnis zutreffend umschrieben und davon auch richtig Gebrauch gemacht. Dass sie ihr Ermessen nicht an Stelle desjenigen des Gesetzgebers oder des Bundesrates setzen will, bedeutet nicht, dass sie darauf verzichtet hat, die Verfassungsmässigkeit der in Frage stehenden Verordnungsbestimmungen zu prüfen, sondern nur, dass sie nicht in den Ermessensbereich, den die Bundesverfassung dem Bundesrat einräumt, eingreifen kann. Die Rüge, die Steuerrekurskommission habe ihre Kognition nicht voll ausgeschöpft, ist offensichtlich unbegründet.
Art. 8 Abs. 1 ÜbBest. BV beauftragt den Bundesrat, abweichend von Art. 41ter Abs. 6 BV die Ausführungsbestimmungen für die Umsatzsteuer im Sinne von Art. 41ter Abs. 1 lit. a und Abs. 3 BV zu

BGE 123 II 385 (391):

erlassen, die bis zum Inkrafttreten des Bundesgesetzes gelten sollen. Art. 8 Abs. 2 ÜbBest. BV enthält sodann die für die Ausführungsbestimmungen geltenden "Grundsätze" und Abs. 3 erteilt dem Bundesrat den Auftrag, den Übergang von der Warenumsatzsteuer zur Mehrwertsteuer zu regeln. Diese Bestimmung lautet wie folgt:
3 Der Bundesrat regelt den Übergang von der Warenumsatzsteuer zur neuen Umsatzsteuer. Er kann auch für die erste Zeit nach deren Inkrafttreten den Vorsteuerabzug für Anlagegüter einschränken oder zeitlich vorverlegen.
b) Gestützt auf Art. 8 ÜbBest. BV hat der Bundesrat am 22. Juni 1994 mit Wirkung ab 1. Januar 1995 die Verordnung über die Mehrwertsteuer erlassen. Für die steuerliche Behandlung der Abonnementsverträge beim Übergang von der Warenumsatzsteuer zur Mehrwertsteuer fallen insbesondere folgende Bestimmungen in Betracht:
Art. 84 Anwendung des neuen Rechts
1 Das neue Recht gilt für Umsätze, die ab Inkrafttreten dieser Verordnung getätigt werden, sowie für Einfuhren von Gegenständen, die nicht vorher provisorisch verzollt wurden und die ab Inkrafttreten dieser Verordnung endgültig zur Einfuhr abgefertigt werden.
3 Auf Lieferungen, die ab Inkrafttreten dieser Verordnung ausgeführt werden, für die aber das Entgelt vorher vereinnahmt wurde, wird die Warenumsatzsteuer nicht mehr erhoben. Für solche Lieferungen bereits entrichtete Warenumsatzsteuer wird an die nach dieser Verordnung geschuldete Steuer angerechnet. Vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung vereinnahmte Vorauszahlungen für erst nachher erbrachte Lieferungen und Dienstleistungen unterliegen der Steuer nach dieser Verordnung.
4 Lieferungen und Dienstleistungen, die teilweise vor Inkrafttreten dieser Verordnung erbracht wurden, sind nach altem Recht zu versteuern und müssen auch per 31. Dezember 1994 verbucht werden. Für Lieferungen und Dienstleistungen, die teilweise ab Inkrafttreten dieser Verordnung erbracht werden, gilt das neue Recht. Für Raten-, Teil- und Akontozahlungen, welche noch vor Inkrafttreten dieser Verordnung vereinnahmt und verbucht wurden, gilt das alte Recht, sofern die Lieferungen und Dienstleistungen auch vor Inkrafttreten dieser Verordnung erbracht und verbucht wurden.
8 Ist eine Lieferung oder Dienstleistung, für die das Entgelt vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung und nach dem bisherigen Recht vereinbart wurde, nach den Bestimmungen dieser Verordnung zu versteuern, so kann von jedem der Beteiligten eine Anpassung des Entgelts um den Betrag verlangt werden, um den die Steuer nach dieser Verordnung höher oder niedriger ist als nach den Bestimmungen des Bundesratsbeschlusses vom 29. Juli 1941 über die Warenumsatzsteuer, sofern nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart wurde.


BGE 123 II 385 (392):

6. Unter der Mehrwertsteuer sind unter anderem steuerbar die im Inland gegen Entgelt erbrachten Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen (Art. 4 lit. a und b MWSTV; SR 641.201). Die Lieferung eines Gegenstandes liegt namentlich vor, wenn dem Empfänger die Befähigung verschafft wird, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Art. 5 Abs. 1 MWSTV). Darunter fällt auch die Lieferung von Zeitungen oder Zeitschriften aufgrund eines Abonnementsvertrages. Anders als unter der Warenumsatzsteuer (Art. 14 Abs. 1 lit. b WUStB) sind Zeitungen und Zeitschriften im neuen Recht von der Mehrwertsteuer nicht befreit. Diese beträgt bei Lieferung von Zeitungen und Zeitschriften zwei Prozent (Art. 27 Abs. 1 lit. a Ziff. 1 MWSTV) und wird berechnet vom Entgelt (Art. 26 Abs. 1 MWSTV). Der Steuerpflichtige kann aber in seiner Steuerabrechnung von der von ihm geschuldeten Steuer die Steuern abziehen, die ihm von anderen Steuerpflichtigen in Rechnung gestellt worden sind (sog. Vorsteuerabzug, Art. 29 Abs. 1 lit. a und 2 lit. a MWSTV).
Gegen diese Ordnung wendet die Beschwerdeführerin an sich nichts ein. Sie bestreitet auch nicht, dass sie auf den Lieferungen von Zeitungen und Zeitschriften ab 1. Januar 1995 grundsätzlich die Mehrwertsteuer zu entrichten hat, und zwar auch dann, wenn die Lieferung aufgrund eines Abonnementsvertrages erfolgt, der vor dem 1. Januar 1995 abgeschlossen worden ist. Art. 84 Abs. 3 und 4 MWSTV bestimmt ausdrücklich, dass Lieferungen und Teillieferungen, die ab Inkrafttreten der Verordnung ausgeführt werden, der Mehrwertsteuer unterliegen, auch wenn das Entgelt vor diesem Zeitpunkt vereinnahmt worden ist. Die Beschwerdeführerin macht indessen geltend, diese Vorschrift könne in ihrem Fall erst auf Lieferungen Anwendung finden, die ihren Rechtsgrund in einem nach dem 30. September 1994 abgeschlossenen Abonnementsvertrag haben. Vorher sei es ihr nicht möglich gewesen, die künftige Steuer auf ihre Abonnenten zu überwälzen. Die Anwendung von Art. 84 MWSTV in diesem Fall verstosse gegen das Prinzip der Überwälzbarkeit der Steuer. Überdies würden der Grundsatz von Treu und Glauben, das Verbot der Rückwirkung von Steuererlassen, das Gleichbehandlungsgebot sowie der Grundsatz der Wettbewerbsneutralität der Steuer verletzt. Wie es sich damit im einzelnen verhält, ist im folgenden zu prüfen.


BGE 123 II 385 (393):

Art. 8 Abs. 3 ÜbBest. BV beauftragt den Bundesrat, den Übergang von der Warenumsatzsteuer zur Mehrwertsteuer zu regeln. Die Vorschrift legt jedoch die Grundsätze nicht fest, die für das Übergangsrecht gelten sollen. Satz 2 von Absatz 3 bestimmt nur, dass der Bundesrat den Vorsteuerabzug für Anlagegüter nach Inkrafttreten der Mehrwertsteuer für eine gewisse Zeit einschränken oder auch vorverlegen kann. Bei der Beratung des Art. 8 Abs. 3 ÜbBest. BV im Parlament standen drei Massnahmen übergangsrechtlicher Natur im Vordergrund (Amtl.Bull. N 1993 337 bzw. 345): Einerseits sollte die auf Vorräten von Handelswaren und Werkstoffen lastende Warenumsatzsteuer wie Vorsteuern abgezogen werden können. Diesem Anliegen hat der Bundesrat in Art. 85 MWSTV Rechnung getragen. Andererseits war vorgesehen, dass die vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Mehrwertsteuer vereinbarten Preise an die neue Steuer angepasst werden dürfen (vgl. jetzt Art. 84 Abs. 8 MWSTV). Schliesslich sollte der Bundesrat den Vorsteuerabzug für Anlagegüter vorübergehend einschränken (oder auch vorverlegen) können. Weitere Massnahmen übergangsrechtlicher Natur wurden nicht diskutiert und ergeben sich nicht aus den Materialien. Vielmehr sollte der Bundesrat den Übergang von der Warenumsatzsteuer zur Mehrwertsteuer regeln. Unter diesen Umständen kann die Beschwerdeführerin nicht ernsthaft behaupten, der Verfassungsgeber habe dem Bundesrat keinen erheblichen Beurteilungsspielraum einräumen wollen (vgl. BGE 123 II 433 E. 8 S. 443).
Die Feststellung, dass dem Bundesrat beim Erlass des Übergangsrechts ein relativ grosser Gestaltungsspielraum zusteht, bedeutet indessen nicht, dass er dabei völlig freie Hand hätte. Vielmehr ist auch er an die Verfassung gebunden. So hat er insbesondere die sich aus Art. 4 BV ergebenden Grundrechte wie das Gleichbehandlungsgebot und das Willkürverbot, ferner das Verbot der Rückwirkung von Steuererlassen oder den Grundsatz der Wettbewerbsneutralität zu respektieren. Fraglich erscheint jedoch, inwieweit der Bundesrat die in Art. 8 Abs. 2 ÜbBest. BV enthaltenen mehrwertsteuerrechtlichen Grundsätze bereits bei der Regelung des Übergangsrecht zu beachten hat. Für eine sachgemässe Regelung intertemporaler Sachverhalte kann es sich für den Gesetzgeber unter Umständen als erforderlich erweisen, eine von der definitiven Ordnung abweichende Regelung zu wählen. So wurde denn auch der Bundesrat in Art. 8 Abs. 3 Satz 2 ÜbBest. BV ermächtigt, den Vorsteuerabzug auf Anlagegütern für eine gewisse Zeit nach dem Inkrafttreten der

BGE 123 II 385 (394):

Mehrwertsteuerverordnung einzuschränken, obschon dies dem Prinzip des Vorsteuerabzugs (Art. 8 Abs. 2 lit. h ÜbBest. BV) widerspricht. Die Frage, inwieweit die in Art. 8 Abs. 2 ÜbBest. BV enthaltenen mehrwertsteuerrechtlichen Grundsätze bei der Ausgestaltung des Übergangsrechts beachtet werden müssen, braucht hier jedoch nicht abschliessend entschieden zu werden, weil die in Frage stehenden Übergangsbestimmungen, wie im folgenden darzulegen ist, nicht gegen solche Grundsätze verstossen.
Richtig ist, dass es sich bei der Mehrwertsteuer, wie sie in Art. 41ter Abs. 1 lit. a und Abs. 3 BV vorgesehen und in Art. 8 Abs. 2 ÜbBest. BV in den Grundsätzen festgelegt ist, um eine allgemeine Verbrauchssteuer handelt. Besteuert wird zwar der Umsatz beim steuerpflichtigen Unternehmen, doch soll nach dem Plan des Verfassungsgebers der Endverbrauch belastet werden. Das setzt voraus, dass die Mehrwertsteuer vom steuerpflichtigen Unternehmen auf den Abnehmer überwälzt werden kann (MARKUS REICH, Grundzüge der Mehrwertsteuerordnung in der Schweiz und in der EU, Der Schweizer Treuhänder, 69/1995 S. 329; vgl. auch BGE 123 II 295 E. 5; Bericht der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats vom 28. August 1996 zur parlamentarischen Initiative Dettling: Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer, BBl 1996 V 725, 726 [Ziff. 22]).
Weder aus Art. 8 Abs. 2 lit. h ÜbBest. BV über den Vorsteuerabzug noch aus einer anderen Verfassungsbestimmung ergibt sich jedoch ein Anspruch des Steuerpflichtigen, von der Steuer befreit zu werden, wenn er diese nicht auf seinen Abnehmer überwälzen kann. Unter dem Titel Vorsteuerabzug kann der Steuerpflichtige die Steuern, die ihm von seinen Lieferanten in Rechnung gestellt worden sind, in seiner Steuerabrechnung in Abzug bringen. Er hat Anspruch auf diesen Abzug, sofern er die gesetzlichen Voraussetzungen

BGE 123 II 385 (395):

erfüllt (vgl. Kommentar des Eidgenössischen Finanzdepartements zur Verordnung über die Mehrwertsteuer, S. 32 ff.; BGE 123 II 295 E. 5 und 6). Daraus folgt indessen nicht, dass der Steuerpflichtige ein verfassungsmässiges Recht darauf hat, die Steuer auf seine Kunden zu überwälzen bzw. von der Steuer befreit zu werden, sofern ihm dies nicht gelingt. Aus den parlamentarischen Debatten geht vielmehr klar hervor, dass der Steuerpflichtige nur insoweit von der ihn belastenden Steuer befreit wird, als es ihm gelingt, die Steuer auf die Preise und damit auf seine Kunden zu überwälzen (Bericht Matthey, Amtl.Bull. N 1993 329 f. bzw. 337 f.). Ob dies möglich ist, entscheidet der Markt. Insofern verhält es sich bei der Mehrwertsteuer nicht anders als bei der Warenumsatzsteuer (vgl. DIETER METZGER, Handbuch der Warenumsatzsteuer, N. 1084). Ein Anspruch auf Überwälzung der Steuer ergibt sich auch nicht aus Art. 84 Abs. 8 MWSTV, der die Parteien unter bestimmten Voraussetzungen ermächtigt, den Preis an die nach neuem Recht geschuldete Steuer anzupassen. Der Bundesrat verletzt daher die Verfassung nicht, wenn er bei der Regelung des Übergangsrechts die Überwälzung der Steuer weder vorschreibt noch verbietet. Zu prüfen bleibt, ob diese Übergangsordnung im vorliegenden Fall andere Grundsätze oder Grundrechte der Verfassung verletzt.
9. Eine Übergangsordnung soll die Einführung des neuen Rechts ermöglichen oder erleichtern und den Übergang zwischen altem und neuem Recht mildern. Sie schafft mit dem Erlass technisch-organisatorischer Bestimmungen die Voraussetzungen für die Anwendung des neuen Rechts. Sie trägt allfälligen Härten der Betroffenen unter anderem dadurch Rechnung, dass sie gewisse Bestimmungen der Neuregelung früher oder später in Kraft treten lässt als den übrigen Erlass, Anpassungsfristen gewährt oder auf andere Weise für eine stufenweise Einführung strengerer Vorschriften sorgt (BGE 106 Ia 254 E. 2b, S. 257). Auf welchen Zeitpunkt eine Neuregelung in Kraft gesetzt werden soll, ist dem pflichtgemässem Ermessen des Gesetzgebers anheimgestellt und hängt vom angestrebten Zweck ab. Eine rasche Einführung drängt sich in der Regel im Wirtschaftsrecht auf, wo die staatlichen Massnahmen häufig in den Wirtschaftsablauf eingreifen und der damit verfolgte Zweck schnell durchgesetzt werden muss, um Missbräuchen vorzubeugen (BGE 104 Ib 205 E. 5b). Neben dem öffentlichen Interesse, das hinter jeder Rechtsänderung stehen muss, sprechen im übrigen Erwägungen der Rechtsgleichheit und der Rechtseinheit dafür, dass altrechtliche Rechtsverhältnisse möglichst rasch mit dem neuen

BGE 123 II 385 (396):

Recht in Einklang gebracht werden. Nur wenn schützenswerte Interessen es gebieten, kann in einem gewissen Mass bei der Anpassung an das neue Recht auf bestehende Rechtsverhältnisse Rücksicht genommen werden (FRITZ GYGI, Verwaltungsrecht, Bern 1986, S. 109, 115 ff.; BLAISE KNAPP, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, 4. Aufl. 1992, N. 578 ff.). Doch ist von Härtemilderungs- oder Ausnahmeklauseln auch in solchen Fällen zurückhaltend Gebrauch zu machen (Alfred Kölz, Intertemporales Verwaltungsrecht, ZSR 102/1983 II 245, 246, 249).
Bei der Wahl des Übergangsrechts hat der Gesetzgeber die Vorschriften der Verfassung und, wenn keine ausdrücklichen Vorschriften bestehen, die allgemeinen Grundsätze, z.B. der Verhältnismässigkeit, und das Willkürverbot zu beachten. Auch die allenfalls gewählte Übergangslösung muss verfassungs- oder gesetzmässig sein (BGE 104 Ib 205 E. 5b, S. 216). Ob die hier angewendeten übergangsrechtlichen Bestimmungen der Mehrwertsteuerverordnung diesen Grundsätzen genügen, ist im folgenden zu prüfen.
a) Art. 84 MWSTV steht unter dem Titel Anwendung des neuen Rechts. Gemäss Absatz 1 findet das neue Recht auf alle Umsätze Anwendung, die ab Inkrafttreten der Mehrwertsteuerverordnung getätigt werden. Massgebendes Kriterium ist somit der Umsatz, das heisst die Lieferung oder Dienstleistung. Das gilt auch dann, wenn eine Lieferung oder Dienstleistung, für welche die Zahlung vor dem Inkrafttreten der Verordnung vereinnahmt worden ist, erst nach diesem Zeitpunkt ausgeführt wird (Absatz 3). Werden Lieferungen und Dienstleistungen teilweise vor und teilweise nach dem Inkrafttreten der Verordnung erbracht, so gilt das neue Recht für denjenigen Teil des Umsatzes, der ab Inkrafttreten der Verordnung erbracht wird (Art. 84 Abs. 4 Satz 2 MWSTV; vgl. KUHN/SPINNLER, Mehrwertsteuer, Ergänzungsband, S. 63). Art. 84 MWSTV stellt somit für die Anwendung des neuen Rechts auf den Zeitpunkt des Umsatzes ab.
Diese Übergangsbestimmung unterscheidet sich sowohl von der Regelung im Warenumsatzsteuerrecht wie auch der definitiven Regelung in der Mehrwertsteuerverordnung: Massgebend für die Fälligkeit der Steuerforderung bei der Warenumsatzsteuer war grundsätzlich der Zeitpunkt, wo das Entgelt eingenommen wurde (Art. 24 lit. a WUStB). Bei der Mehrwertsteuer entsteht die Steuerforderung bei Lieferungen und Dienstleistungen je nach Abrechnungsart entweder mit der Rechnungsstellung oder mit der Einnahme des Entgelts (Art. 34 MWSTV; vgl. KUHN/SPINNLER, a.a.O., Ergänzungsband S. 51): Hauptabrechnungsart bildet die Abrechnung

BGE 123 II 385 (397):

nach dem vereinbarten Entgelt (Art. 35 Abs. 1 MWSTV); in diesem Fall entsteht die Steuerforderung grundsätzlich im Zeitpunkt, wo die Rechnung oder Teilrechnung gestellt wird (Art. 34 lit. a Ziff. 1 Sätze 1 und 2 MWSTV). Massgebend im Regelfall ist somit bei der Warenumsatzsteuer der Zeitpunkt der Vereinnahmung des Entgelts, bei der Mehrwertsteuer der Zeitpunkt der Rechnungsstellung.
Es ist offensichtlich, dass diese unterschiedlichen Regelungen eine Anpassung beim Übergang von der alten zur neuen Ordnung erfordern. Indem Art. 84 MWSTV für intertemporale Sachverhalte auf den Zeitpunkt des Umsatzes abstellt und diese Regel auch für Teilumsätze anwendbar erklärt, verwendet er ein einfach zu handhabendes Merkmal. Besteuerungslücken werden dadurch verhindert, dass bei Lieferungen und Dienstleistungen vor dem 1. Januar 1995 das alte Recht als anwendbar erklärt wird (Art. 84 Abs. 4 Satz 1 und 3 MWSTV). Massgebender Zeitpunkt ist in diesem Fall die Einnahme des Entgelts. Eine Doppelbesteuerung entsteht ebenfalls nicht, weil bei Lieferungen ab 1. Januar 1995 die Warenumsatzsteuer nicht mehr geschuldet und die bereits entrichtete Warenumsatzsteuer an die Mehrwertsteuer angerechnet wird, sofern die Zahlung unter dem alten Recht vereinnahmt und verbucht worden ist (Art. 84 Abs. 3 Satz 1 und 2 MWSTV). Diese Ordnung gewährleistet einen gleichmässigen und damit schonenden Übergang von der alten zur neuen Steuer. Sie stellt zudem auf steuerrechtliche Kriterien ab (Lieferung, Dienstleistung), so dass alle Dauerschuldverhältnisse ungeachtet ihrer zivilrechtlichen Qualifikation als Abonnementsverträge, Sukzessivlieferungsverträge usw. übergangsrechtlich gleich behandelt werden. Art. 84 MWSTV ist insofern nicht zu beanstanden.
b) Die Beschwerdeführerin macht geltend, das Verbot der Rückwirkung von Steuererlassen sei verletzt. Gemäss Art. 34 lit. a Ziff. 1 und 2 MWSTV entstehe die Steuerforderung im Falle von Vorauszahlung mit der Einnahme des Entgelts. Die Zahlungen für die hier in Frage stehenden Abonnementsverträge seien im Jahre 1994 erfolgt. Das neue Recht, welches nicht nur für die Bemessung der Steuerforderung, sondern auch für ihre Entstehung auf einen Sachverhalt abstelle, der vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Mehrwertsteuerverordnung eingetreten sei, habe eine unzulässige - weil echte (vgl. BGE 104 Ib 205 E. 6; BGE 101 Ia 82 E. 2) - Rückwirkung zur Folge.
Dieser Einwand dringt nicht durch. Art. 34 MWSTV, der die Entstehung der Steuerforderung regelt, stellt nicht Übergangsrecht,

BGE 123 II 385 (398):

sondern definitives Recht dar. Er schliesst nicht aus, dass für die Übergangsperiode eine davon abweichende Ordnung getroffen werden kann. Von dieser Möglichkeit hat der Bundesrat Gebrauch gemacht. Art. 84 MWSTV stellt auf den Umsatz ab, der ab dem 1. Januar 1995 erfolgt sein muss, damit die Lieferung oder Dienstleistung der Mehrwertsteuer unterliegt. Das Übergangsrecht knüpft somit für die Entstehung der Steuerforderung an Tatsachen an, die sich unter der Herrschaft des neuen Rechts verwirklicht haben. Vor diesem Zeitpunkt eingenommene Zahlungen und Teilzahlungen dienen lediglich als Bemessungsgrundlage für die Steuer (Art. 84 Abs. 3 und 4 MWSTV). Eine unzulässige (echte) Rückwirkung kann darin nicht erblickt werden.
c) Die Beschwerdeführerin kritisiert auch die Raschheit, mit welcher der Bundesrat die neue Regelung in Kraft gesetzt habe. Es sei ihr nicht möglich gewesen, zeitgerecht zu reagieren und insbesondere ihr EDV-System anzupassen. Auf diese Weise habe sie die neue Steuer, zumindest was die vor dem 1. Oktober 1994 abgeschlossenen Verträge betreffe, nicht auf die Abonnenten überwälzen können.
Der Bundesbeschluss vom 18. Juni 1993 über die Finanzordnung, mit dem Art. 8 ÜbBest. BV geändert worden ist, wurde an der Volksabstimmung vom 28. November 1993 angenommen. Deren Ergebnis wurde am 15. Februar 1994 publiziert (AS 1994 258). Bereits vor diesem Zeitpunkt war indessen vorauszusehen, dass die Mehrwertsteuer im Falle der Annahme durch Volk und Stände auf den 1. Januar 1995 in Kraft gesetzt würde: Einerseits endete die Kompetenz des Bundes zur Erhebung der Warenumsatzsteuer und der direkten Bundessteuer Ende 1994. Andererseits wollte das Parlament die Mehrwertsteuer auf den 1. Januar 1995 in Kraft setzen (Amtl.Bull. N 1993 329, 399 ff., 1246). Darauf wurde übrigens in den Erläuterungen des Bundesrates zur Volksabstimmung vom 28. November 1993 (S. 9) hingewiesen. Die Beschwerdeführerin musste somit damit rechnen, dass ihre Zeitungs- und Zeitschriftenabonnemente ab 1. Januar 1995 der Mehrwertsteuer unterliegen würden. Wohl konnte sie damals noch nicht wissen, wie Abonnementsverträge in der Übergangsperiode behandelt würden. Die Mehrwertsteuerverordnung in ihrer heute geltenden Form wurde am 12. Juli 1994 publiziert (AS 1994 1464). Die Frage wurde indessen zwischen der Eidgenössischen Steuerverwaltung und dem Schweizerischen Verband der Zeitungs- und Zeitschriftenverleger, dem die Beschwerdeführerin als bedeutendes Mitglied angehört, an einer

BGE 123 II 385 (399):

Besprechung vom 13. Januar 1994 und erneut anlässlich einer Tagung vom 20. Februar 1994 diskutiert. In seiner Stellungnahme vom 31. Januar 1994 zum Entwurf zur Verordnung über die Mehrwertsteuer ging der Schweizerische Verband der Zeitungs- und Zeitschriftenverleger denn auch davon aus, dass ab Februar 1994 abgeschlossene Jahresabonnemente teilweise der Mehrwertsteuer unterliegen würden. Das wird auch von der Beschwerdeführerin nicht grundsätzlich bestritten.
Die Beschwerdeführerin konnte somit elf Monate im voraus wissen, dass ihre Abonnementsverträge ab 1. Januar 1995 der Mehrwertsteuer unterstehen, und die nötigen Vorkehren treffen. Sie hätte die Steuer überwälzen oder eine Preisanpassung vertraglich vorbehalten können. Auch ohne solchen Vorbehalt räumt Art. 84 Abs. 8 MWSTV die Möglichkeit einer Preisanpassung ein. Dass die Abonnementspreise für das Jahr 1994 bereits seit Oktober 1993 bekanntgegeben und publiziert worden sind (zitierte Stellungnahme des Schweizerischen Verbandes der Zeitungs- und Zeitschriftenverleger), kann nicht zu einem anderen Ergebnis führen. Bei derart weit im voraus festgelegten Preisen kann es nicht dem Staat angelastet werden, wenn der Steuerpflichtige sich faktisch in die Unmöglichkeit versetzt, die Steuer zu überwälzen.
d) Die beanstandete Übergangsregelung hat für die Beschwerdeführerin auch keine übertriebene Härte zur Folge.
Unter der Herrschaft der Warenumsatzsteuer konnte die Beschwerdeführerin als Grossistin Wiederverkaufswaren und Werkstoffe für die Herstellung von Zeitungen und Zeitschriften gegen Grossistenerklärung steuerfrei beziehen (Art. 14 Abs. 1 lit. a und Abs. 2, 15 Abs. 3 WUStB). Sie selbst bezahlte keine Warenumsatzsteuer auf den von ihr hergestellten Zeitungen, Zeitschriften und Büchern, da diese Umsätze von der Steuer befreit waren (Art. 14 Abs. 1 lit. b WUStB). Hingegen musste sie die auf ihren Anlagegütern und Betriebsmitteln lastende Warenumsatzsteuer selbst tragen bzw. auf ihre Abnehmer überwälzen, weil auch Grossisten diese Güter nicht steuerfrei erwerben konnten (Art. 14 Abs. 1 lit. a, 15 Abs. 3 WUStB e contrario). Diese Taxe occulte belief sich, wie ein Experte aufgrund von Erhebungen des Schweizerischen Verbandes der Zeitungs- und Zeitschriftenverleger berechnet hat, für die Branche auf durchschnittlich 0,91 Prozent der Gesamtumsätze. Ab 1. Januar 1995 hat die Beschwerdeführerin als Mehrwertsteuerpflichtige auf ihren Lieferungen und Dienstleistungen aus Abonnementsverträgen, einschliesslich denjenigen, die vor 1995 zu laufen

BGE 123 II 385 (400):

begonnen haben, zwei Prozent Mehrwertsteuer zu entrichten (Art. 27 Abs. 1 lit. a MWSTV). Sie kann aber ab 1. Januar 1995 in ihren Steuerabrechnungen unter dem Titel Vorsteuerabzug die Steuern, die ihr von anderen Steuerpflichtigen für Lieferungen und Dienstleistungen in Rechnung gestellt worden sind, abziehen (Art. 29 MWSTV). Selbst wenn daraus eine etwas höhere Steuerbelastung für die Beschwerdeführerin entstehen sollte - was nicht erwiesen ist -, kann nicht von einem Härtefall gesprochen werden.
Die Rüge ist nicht berechtigt. Das Prinzip des Vertrauensschutzes hat seine Bedeutung vor allem im Bereich der Rechtsanwendung; es bindet den Gesetzgeber insoweit, als er in wohlerworbene Rechte eingreift oder sich ohne zureichenden Grund über frühere Zusicherungen hinwegsetzt (BGE 102 Ia 331 E. 3c; BEATRICE WEBER-DÜRLER, Vertrauensschutz im öffentlichen Recht, Basel/Frankfurt a. M. 1983, S. 276 ff.). Es gewährt aber grundsätzlich keinen Schutz gegen eine Änderung der Rechtsordnung (BGE 122 II 113 E. 3b/cc; BGE 118 Ia 245 E. 4a, b). Am 28. Oktober 1993 hat das Eidgenössische Finanzdepartement den Entwurf zur Mehrwertsteuerverordnung in das Vernehmlassungsverfahren gegeben. Die interessierten Kreise, darunter auch der Schweizerische Verband der Zeitungs- und Zeitschriftenverleger, konnten dazu Stellung nehmen. Ein in die Vernehmlassung gegebener Verordnungsentwurf schafft indessen keine Vertrauensgrundlage in dem Sinne, dass die Rechtsunterworfenen sich darauf berufen können, weil der Entwurf vermutungsweise noch Änderungen unterworfen ist (BGE 123 II 433 E. 8b S. 444). Es wäre im übrigen auch fraglich, ob ein Entwurf des Departements, den der Bundesrat noch nicht beraten und genehmigt hat, diesen binden kann. Die Beschwerdeführerin durfte somit die im Entwurf vorgesehene Übergangsregelung nicht als verbindlich ansehen. Sie behauptet

BGE 123 II 385 (401):

auch nicht, dass ihr seitens der Steuerbehörden eine konkrete, individuelle Zusicherung abgegeben worden wäre. Hingegen geht aus den Akten zur Genüge hervor, dass der Schweizerische Verband der Zeitungs- und Zeitschriftenverleger seit Januar 1994 Kenntnis hatte, dass der Entwurf zur Mehrwertsteuerverordnung in diesem Punkt geändert wird. Unter diesen Umständen kann keine Rede davon sein, dass die Beschwerdeführerin in ihrem berechtigten Vertrauen verletzt worden ist.
Nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung von Gewerbegenossen, wie er nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichts aus Art. 31 BV folgt, sind Massnahmen verboten, die den Wettbewerb unter direkten Konkurrenten verzerren bzw. nicht wettbewerbsneutral sind (BGE 123 II 16 E. 10). Ob die Beschwerdeführerin im direkten Wettbewerb steht zu Verlagshäusern, die ihre Erzeugnisse vorwiegend oder ausschliesslich über den Einzelverkauf an Kiosken vertreiben, ist indessen fraglich. Die Kundschaft solcher Unternehmen unterscheidet sich deutlich von derjenigen der Beschwerdeführerin. Der gelegentliche Kauf einer Zeitung oder Zeitschrift am Kiosk unterscheidet sich auch wesentlich vom Abonnieren einer solchen, so dass die beiden Produkte - Verkauf einer Einzelnummer einerseits bzw. Angebot einer Zeitung oder Zeitschrift im Abonnement andererseits - nicht direkt konkurrieren. Unter dem Gesichtswinkel der Wettbewerbsneutralität ist wesentlich, dass die Beschwerdeführerin gleich behandelt wird wie andere Verlagshäuser, die Zeitungen und Zeitschriften im Abonnement vertreiben. Diese waren im Hinblick auf die Einführung der Mehrwertsteuer mit gleichen oder ähnlichen organisatorischen, technischen und administrativen Schwierigkeiten konfrontiert. Die Beschwerdeführerin verfügte zudem als Mitglied des Schweizerischen Verbandes der Zeitungs- und Zeitschriftenverleger über die gleichen Informationen wie ihre Konkurrenten und konnte sich rechtzeitig auf die neue Steuer umstellen. Das Gebot der Wettbewerbsneutralität ist daher nicht verletzt.