BGE 139 III 195 |
27. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. und Z. gegen Y. Limited (Beschwerde in Zivilsachen) |
5A_492/2012 / 5A_493/2012 vom 13. März 2013 |
Regeste |
Art. 49 Abs. 1 BV, Art. 91, 96 und 251 ZPO, GebV SchKG; Entscheide des Arrestgerichts. |
Sachverhalt |
A. Am 22. Februar 2011 verlangte die Y. Limited beim Bezirksgericht Zürich die Verarrestierung von Guthaben von X. und dessen Ehefrau Z., in Südafrika, bei der Bank W. AG mit Sitz in Zürich. Mit Arrestbefehlen vom 24. Februar 2011 des Einzelgerichts (Audienz) wurden sämtliche Guthaben der Arrestschuldner, insbesondere (näher bestimmte) Konten bei der betreffenden Bank für eine Forderung von (umgerechnet) Fr. 5'890'153.- aus unerlaubter Handlung verarrestiert. Am 28. Februar 2011 wurden die Arrestbefehle vom Betreibungsamt Zürich 1 vollzogen. Gegen die Arrestbefehle erhoben X. und Z. Einsprache. Mit Urteilen vom 3. Februar 2012 hiess das Arrestgericht die Einsprachen gut und hob die Arrestbefehle auf. |
B. Gegen die Arresteinspracheentscheide erhob die Y. Limited Beschwerde. Mit Urteilen vom 25. Mai 2012 hiess das Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, die Beschwerden gut und wies die Arresteinsprachen ab. Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr wurde gestützt auf die kantonale Gebührenverordnung des Obergerichts vom 8. September 2010 (GebV OG/ZH) auf jeweils Fr. 16'500.- festgesetzt und den Arrestschuldnern auferlegt (Dispositivziffer 3). Die Arrestschuldner wurden jeweils verpflichtet, der Arrestgläubigerin Parteientschädigungen von ingesamt Fr. 32'000.- (Fr. 20'000.- für das erstinstanzliche und Fr. 12'000.- für das zweitinstanzliche Verfahren) zu bezahlen (Dispositivziffer 4). |
C. Mit Eingaben vom 29. Juni 2012 haben X. und Z. Beschwerde in Zivilsachen erhoben. Die Beschwerdeführer beantragen jeweils, es sei Dispositivziffer 3 des Urteils des Obergerichts aufzuheben und die zweitinstanzliche Entscheidgebühr gestützt auf die Gebührenverordnung zum Bundesgesetz vom 23. September 1996 über Schuldbetreibung und Konkurs (GebV SchKG; SR 281.35) festzusetzen. Eventualiter sei die Entscheidgebühr in Anwendung der kantonalen Gebührenverordnung (in näher bestimmter Weise) neu festzusetzen. Weiter beantragen die Beschwerdeführer, es sei Dispositivziffer 4 des Urteils des Obergerichts aufzuheben und die Parteientschädigung für das erst- und zweitinstanzliche Verfahren gestützt auf den berichtigten Streitwert von Fr. 920'870.- auf insgesamt Fr. 9'598.-, evtl. angemessen festzusetzen bzw. durch die Vorinstanz festsetzen zu lassen. (...)
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerden teilweise gut.
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(Auszug)
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Aus den Erwägungen: |
4.1 Die Beschwerdeführer wenden sich zunächst gegen die Auffassung des Obergerichts, dass nach Inkrafttreten der ZPO für die Gerichtsgebühren in den gerichtlichen Summarsachen des SchKG nicht mehr Art. 48 ff. GebV SchKG, sondern der kantonale Tarif massgebend sein soll. Sie stützen sich auf die von D. RÜETSCHI, Bundesamt für Justiz, geäusserte Kritik an der Praxis der Vorinstanz (Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 23. Februar 2011, in: BlSchK 2011 S. 68 ff., mit Anmerkung). Es wird zu Recht nicht behauptet, dass die kantonalen oder eidgenössischen Aufsichtsbehörden in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen in Gebührenfragen gestützt auf die Aufsichtsbefugnis zuständig seien, Anweisungen über die gerichtliche Anwendung der GebV SchKG zu geben (BGE 81 III 36 S. 37). Die Beschwerdeführer berufen sich auf verfassungsmässige Rechte (Art. 98 BGG) und machen geltend, das Obergericht verletze insbesondere den Vorrang des Bundesrechts (Art. 49 Abs. 1 BV), wenn es kantonales Recht angewendet habe. |
4.2.1 Das Bundesgericht hat sich bereits im Jahre 1928 eingehend mit Zweifeln befasst, welche gegen die in Art. 16 SchKG getroffene Ausscheidung der Kompetenzen erhoben wurden. Gemäss BGE 54 I 161 besteht für die gerichtlichen Summarverfahren (vgl. aArt. 25 SchKG) - als richterliche Inzidente des Zwangsvollstreckungsverfahrens - das Bedürfnis nach einheitlicher Festsetzung der Gebühren in einer Höhe, die der Natur und dem Zweck des Betreibungs- und Konkursverfahrens angemessen ist. Danach bezweckt die Regelung nach Art. 16 SchKG, in einheitlicher Weise für das ganze Gebiet der Schweiz die Abgabe zu bestimmen, welche die Partei in einem Summarverfahren des SchKG für die Inanspruchnahme der richterlichen Behörden zu entrichten hat, und zwar in einer Weise, die für dieses Verfahren als Zwischenakt des Zwangsvollstreckungsverfahrens als angemessen erscheint und eine zu grosse Verteuerung verhindert (BGE 54 I 161 E. 2 S. 163 f.). Diese Auffassung war in der Lehre anerkannt und ist in der Folge bestätigt worden (vgl. BLUMENSTEIN, Handbuch des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 1911, S. 127; GILLIERON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, Bd. I, 1999, N. 8 zu Art. 16 SchKG, mit Hinweis auf die Rechtsprechung). Zu prüfen ist, ob die Vereinheitlichung des Zivilprozessrechts die Tragweite von Art. 16 SchKG verändert hat. |
4.2.4 Nach dem Dargelegten ist mit dem Vorrang des eidgenössischen vor dem kantonalen Recht nicht vereinbar (Art. 49 Abs. 1 BV; vgl. BGE 54 I 161 E. 2 S. 162; zum Grundsatz BGE 138 I 410 E. 3.1 S. 414), wenn das Obergericht die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr in Anwendung des kantonalen Rechts auf Fr. 16'500.- festgesetzt hat. Nach dem massgebenden Bundesrecht bzw. Art. 48 i.V.m. Art. 61 Abs. 1 GebV SchKG kann das Obergericht in einer Arrestsache eine Gerichtsgebühr erheben, die höchstens das Anderthalbfache der für die Erstinstanz zulässigen Gebühr beträgt, d.h. selbst bei Streitwerten über 1 Mio. Fr. höchstens Fr. 180.- bis 3'000.-. In diesem Punkt ist die Beschwerde in Zivilsachen begründet, und das Obergericht hat über die Gerichtsgebühr in Ausübung seines Ermessens neu zu entscheiden. |
4.3.2 Die kantonalrechtliche Praxis zur Festsetzung des Streitwertes für Arrestsachen war uneinheitlich (vgl. EUGSTER, in: Kommentar SchKG Gebührenverordnung, 2008, N. 3 zu Art. 48 GebV SchKG, mit Hinweisen). In ebenso unterschiedlicher Weise äussert sich die Lehre zu Art. 91 ZPO. Nach der einen Auffassung entspricht der Streitwert der zu sichernden Forderung des Arrestgläubigers (VOCK/MÜLLER, SchKG-Klagen nach der Schweizerischen ZPO, 2012, S. 299). Nach anderer Meinung ist auf den Schätzwert des Arrestobjektes abzustellen, da nur der Bestand des Arrestbeschlages Streitgegenstand bildet (STERCHI, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Bd. I, 2012, N. 20a zu Art. 91 ZPO; MEIER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 2010, S. 480 Fn. 869; ferner EUGSTER, a.a.O.), was POUDRET in Anwendung von Bundesrecht (OG) vertreten hat (Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire [...], Bd. I, 1990, N. 9.9.9 zu Art. 36 OG S. 291). In diese Richtung hat das Bundesgericht gestützt auf das BGG entschieden (Urteil 5A_789/2010 vom 29. Juni 2011 E. 1.2, betreffend Arresteinsprache eines Dritten). Die Frage braucht nicht abschliessend erörtert zu werden. Im konkreten Fall hat das Obergericht - wie sich aus dem Folgenden ergibt - nicht auf ein unhaltbares Kriterium abgestellt, wenn es den Streitwert nach der Arrestforderung gerichtet hat. |
4.3.3 Geht es - wie hier - um die Verarrestierung von Bankkonten, so ist nicht bekannt, in welchem Umfang Guthaben verarrestiert worden sind, da die Bank den Zwangsvollstreckungsbehörden vor rechtskräftiger Erledigung der Arresteinsprache keine Auskunft geben muss (vgl. BGE 125 III 391 E. 2 S. 392; Urteil 5A_672/2010 vom 17. Januar 2011 E. 3.2). Die Beschwerdeführer machen jedoch geltend, die Beschwerdegegnerin (Arrestgläubigerin) habe im Einspracheverfahren festgehalten, gemäss einem Schreiben der Bank vom 14. April 2011 (nach Arrestvollzug) an die Bundesanwaltschaft würden sich die Guthaben auf (umgerechnet) Fr. 920'870.- belaufen. Damit sei das tatsächlich verarrestierte Vermögen "aktenkundig" und die Vorinstanz habe davon "Kenntnis gehabt". Dieses Vorbringen ist unbehelflich:
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Die Beschwerdeführer legen nicht dar, dass sich die Parteien im kantonalen Verfahren auf das erwähnte Schreiben bzw. dessen Inhalt zur Festlegung des Streitwertes berufen hätten und dieses Dokument trotz Vorbringen im kantonalen Verfahren vom Obergericht zur Streitwertfestlegung in Verletzung verfassungsmässiger Rechte übergangen worden sei. Im Übrigen konnten die Beschwerdeführer bereits aus den ihnen mitgeteilten Kostenvorschussverfügungen des Obergerichts vom 19. März 2012 ersehen, dass auf den Streitwert von Fr. 5'890'153.- abgestellt wird. Neue tatsächliche Vorbringen sind im bundesgerichtlichen Verfahren unzulässig (Art. 99 Abs. 1 BGG), weshalb sich die Beschwerdeführer vergeblich auf das von der Beschwerdegegnerin dem Arrestgericht eingereichte Schreiben berufen. Unter diesen Umständen kann dem Obergericht keine Willkür in der Anwendung von Art. 91 ZPO vorgeworfen werden, wenn es für den Streitwert auf die zu sichernde Forderung der Arrestgläubigerin abgestellt und damit im Ergebnis verarrestierte Guthaben in der Höhe von knapp 5,9 Mio. Fr. angenommen hat. Schliesslich behaupten die Beschwerdeführer nicht, dass die Parteientschädigungen gemäss kantonaler Verordnung über die Anwaltsgebühren bei einem Streitwert in der erwähnten Höhe willkürlich seien. |