BGE 123 IV 29 - Schiesserei in Brunnen |
5. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes |
vom 10. Januar 1997 |
i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz |
(Nichtigkeitsbeschwerde) |
Regeste |
Art. 102 Ziff. 8 BV und Art. 10 BV; Art. 1, 2, 4 und 11 der Verordnung über den Erwerb und das Tragen von Schusswaffen durch jugoslawische Staatsangehörige; Art. 1 StGB; Art. 269 BStP. |
Der Kassationshof prüft im Verfahren der Nichtigkeitsbeschwerde vorfrageweise, ob die Bestimmungen einer selbständigen Verordnung des Bundesrates den Anforderungen an eine verfassungsunmittelbare Polizeiverordnung genügen und somit rechtsbeständig sind (E. 2). |
Das Verbot des Tragens und Mitführens von Schusswaffen in der öffentlichkeit durch jugoslawische Staatsangehörige und die Androhung von Gefängnis alternativ zu Busse für dessen Missachtung genügten jedenfalls im April 1994 (Tatzeit) diesen Anforderungen (E. 3 und 4). |
Sachverhalt |
A. In der Nacht vom 8. auf den 9. April 1994, kurz nach Mitternacht, richtete der in der Schweiz wohnhafte X., Staatsangehöriger des ehemaligen Jugoslawien (Mazedonien), in Brunnen/SZ von seinem Personenwagen aus eine geladene Pistole gegen mehrere, rund 7 bis 8 m entfernt stehende Landsleute. Er zog den Abspannhahnen durch, doch löste sich kein Schuss, da die Waffe gesichert war. Daraufhin schossen einige Männer, gegen die X. seine Waffe gerichtet hatte, in Richtung des Wagens von X., der davonfuhr. Das Fahrzeug konnte wenig später von der Kantonspolizei Zug in einer Strassensperre gestoppt werden. X. wurde verhaftet.
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Bei der Schiesserei, der eine Auseinandersetzung wegen finanzieller Angelegenheiten vorangegangen war, wurde niemand verletzt.
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B. Mit Verfügung vom 1. Dezember 1994 stellte die Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz die Strafuntersuchung gegen X. wegen Gefährdung des Lebens und wegen Widerhandlung gegen das Kriegsmaterialgesetz ein.
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C. Am 8. November 1995 verurteilte der Einzelrichter des Bezirkes Schwyz X. wegen Tragens und Mitführens einer Schusswaffe (Art. 11 Abs. 1 al. 2 i.V.m. Art. 4 der Verordnung über den Erwerb und das Tragen von Schusswaffen durch jugoslawische Staatsangehörige) zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von 30 Tagen, unter Anrechnung der Untersuchungshaft von 14 Tagen, und zu 1'500 Franken Busse. Die sichergestellte Pistole und sämtliche Munition wurden eingezogen.
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Das Kantonsgericht des Kantons Schwyz bestätigte am 25. Juni 1996 den erstinstanzlichen Entscheid mit der Abweichung, dass es auf die Ausfällung einer Busse zusätzlich zur Freiheitsstrafe verzichtete.
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D. X. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Kantonsgerichts sei aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Auszug aus den Erwägungen: |
Aus den Erwägungen:
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Erwägung 1 |
1.- Die Verordnung über den Erwerb und das Tragen von Schusswaffen durch jugoslawische Staatsangehörige vom 18. Dezember 1991 (SR 514.545), in Kraft seit 19. Dezember 1991, war ursprünglich bis längstens 31. Dezember 1994 befristet. Ihre Geltungsdauer ist durch Verordnung vom 5. Dezember 1994 (AS 1994, 2996) bis zum 31. Dezember 1996 verlängert worden. Die Geltungsdauer ist durch Verordnung vom 2. Dezember 1996 (AS 1996, 3118) nochmals bis zum 31. Dezember 1998 verlängert worden, soweit die Verordnung die Veräusserung von Schusswaffen an und den Erwerb sowie das Tragen und Mitführen von Schusswaffen durch Staatsangehörige des ehemaligen Jugoslawien betrifft. Es handelt sich um eine selbständige Verordnung des Bundesrates, die sich gemäss Ingress auf Art. 102 Ziff. 8 BV stützt. Danach wahrt der Bundesrat die Interessen der Eidgenossenschaft nach aussen, wie namentlich ihre völkerrechtlichen Beziehungen, und besorgt er die auswärtigen Angelegenheiten überhaupt. |
Die Verordnung hat nach ihrem Art. 1 den Zweck, den Handel von Schusswaffen zwischen dem Schweizerischen Staatsgebiet und dem Staatsgebiet der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien in den am 1. Januar 1990 gültigen Grenzen zu unterbinden (lit. a) und gewalttätige Handlungen zwischen jugoslawischen Staatsangehörigen in der Schweiz zu verhindern (lit. b). Gemäss Art. 4 der Verordnung ist es jugoslawischen Staatsangehörigen verboten, in der Öffentlichkeit Schusswaffen zu tragen oder mit sich zu führen. Nach Art. 2 der Verordnung gelten als jugoslawische Staatsangehörige alle Personen, die am 1. Januar 1990 die Saatsangehörigkeit der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien hatten oder die sie nach diesem Zeitpunkt erworben haben und die nicht die schweizerische Staatsangehörigkeit besitzen (lit. a), und gelten als Schusswaffen alle Geräte, mit denen durch Treibladung Geschosse abgegeben werden können (lit. c). Gemäss Art. 11 Abs. 1 al. 2 der Verordnung wird bestraft, wer als jugoslawischer Staatsbürger in der Öffentlichkeit eine Schusswaffe trägt oder mit sich führt. Die Strafe ist, sofern nicht strengere gesetzliche Bestimmungen zur Anwendung kommen, bei vorsätzlichem Handeln Gefängnis oder Busse bis zu 100'000 Franken (Art. 11 Abs. 1 am Ende der Verordnung), bei fahrlässigem Handeln Gefängnis bis zu sechs Monaten oder Busse (Art. 11 Abs. 3 der Verordnung).
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a) Gemäss den Ausführungen im angefochtenen Entscheid machte sich der Beschwerdeführer dadurch nach Art. 11 Abs. 1 al. 2 i.V.m. Art. 4 der Verordnung schuldig, dass er in der Nacht vom 8. auf den 9. April 1994 als Staatsangehöriger des ehemaligen Jugoslawien (Mazedonien) in der Öffentlichkeit eine Pistole auf sich trug bzw. in seinem Wagen mitführte. Das in Art. 4 der Verordnung unmittelbar gestützt auf Art. 102 Ziff. 8 und 10 BV erlassene Verbot des Tragens und Mitführens von Schusswaffen in der Öffentlichkeit durch Staatsangehörige des ehemaligen Jugoslawien sei sowohl im Zeitpunkt seines Erlasses als auch noch zur Zeit der inkriminierten Handlung, im April 1994, gerechtfertigt gewesen, da angesichts der Kriege im ehemaligen Jugoslawien die Gefahr bestanden habe, dass es auch in der Schweiz zu gewalttätigen Handlungen zwischen Staatsangehörigen des ehemaligen Jugoslawien kommen könnte. Zur Durchsetzung dieses verfassungskonform festgelegten Verbotes sei die Androhung von Gefängnisstrafe alternativ zu Busse in Art. 11 der Verordnung notwendig gewesen. |
b) Der Beschwerdeführer macht wie bereits im kantonalen Verfahren geltend, das in Art. 4 der Verordnung festgelegte Verbot sei überflüssig. Das Waffentragen werde bereits durch das Interkantonale Konkordat über den Handel mit Waffen und Munition bzw. durch kantonale Waffenverordnungen, beispielsweise die Schwyzer Waffenverordnung vom 9. September 1970 und die Zuger Verordnung betreffend das Tragen von Schuss- und Stichwaffen vom 20. November 1936, unter Androhung von Haft oder Busse verboten. Der Beschwerdeführer macht sodann geltend, dass das in Art. 4 der Verordnung festgelegte Verbot nicht durch Art. 102 Ziff. 8 und 10 BV gedeckt sei. Die Gefahr von Gewalttätigkeiten zwischen jugoslawischen Staatsangehörigen in der Schweiz sei bereits im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung und auch zur Zeit der inkriminierten Handlung nicht derart erheblich gewesen, dass ein generelles Verbot des Tragens und Mitführens von Schusswaffen zum Schutze der inneren Sicherheit der Schweiz notwendig, zeitlich dringlich und verhältnismässig gewesen sei. Zudem hätte zur Zeit der inkriminierten Handlung, rund zwei Jahre und vier Monate nach dem Inkrafttreten der Verordnung, längst eine Grundlage in einem formellen Gesetz geschaffen worden sein müssen. Ausserdem habe sich die Lage nach der Aufhebung des internationalen Waffenembargos gegen das ehemalige Jugoslawien vollständig verändert. Im weiteren vertritt der Beschwerdeführer die Ansicht, dass die Androhung von Gefängnis alternativ zu Busse in Art. 11 der Verordnung bzw. die Ausfällung einer Gefängnisstrafe im konkreten Einzelfall mangels der erforderlichen Grundlage in einem formellen Gesetz gegen den unter anderem in Art. 1 StGB verankerten Grundsatz "nulla poena sine lege" verstosse. Nach herrschender Lehre könne in einer Verordnung nur Busse angedroht werden. Jedenfalls dürften in einer Verordnung nicht Gefängnisstrafen angedroht werden. Art. 11 der Verordnung sei verfassungs- und gesetzeskonform in dem Sinne einschränkend auszulegen, dass darin nur eine Übertretungsstrafe, also Busse und allenfalls Haft, angedroht werde. Als blosse Übertretung, die mangels einer abweichenden gesetzlichen Regelung relativ in einem Jahr und absolut in zwei Jahren verjähre (Art. 109 und Art. 72 Ziff. 2 Abs. 2 StGB), sei aber die von ihm am 8./9. April 1994 begangene Widerhandlung im Zeitpunkt der Ausfällung des angefochtenen Urteils vom 25. Juni 1996 bereits absolut verjährt gewesen. |
Erwägung 2 |
2.- Der Beschwerdeführer ist in Anwendung von Art. 11 der Verordnung über den Erwerb und das Tragen von Schusswaffen durch jugoslawische Staatsangehörige verurteilt worden. Der angefochtene Entscheid betrifft damit eine Bundesstrafsache. Dagegen ist die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde zulässig. Der Kassationshof kann im Verfahren der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde vorfrageweise die Gesetzmässigkeit und die Verfassungsmässigkeit einer in einer bundesrätlichen Verordnung enthaltenen Strafbestimmung überprüfen, die Verfassungsmässigkeit allerdings nur insoweit, als nicht ein formelles Gesetz den Verordnungsgeber zum Abweichen von der Verfassung ermächtigt (vgl. BGE 119 IV 260 E. 2; 118 IV 192 E. 1, je mit Hinweisen). Der Kassationshof kann demzufolge im Verfahren der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde auch vorfrageweise prüfen, ob die in einer selbständigen Verordnung des Bundesrates enthaltene Strafbestimmung, nach welcher der Beschwerdeführer verurteilt worden ist, verfassungsmässig sei, ob mit andern Worten der Bundesrat gestützt auf Art. 102 Ziff. 8 bis 10 BV zum Erlass des in der Strafbestimmung enthaltenen Verbots und zur Androhung der darin vorgesehenen Strafe für dessen Missachtung befugt sei (siehe bereits BGE 64 I 365 ff. und das Urteil des Kassationshofes vom 5. Februar 1940, zusammenfassend wiedergegeben in ZBl 41/1940 S. 216 ff.; grundsätzlich anderer Auffassung hinsichtlich der vorfrageweisen Überprüfung der Verfassungsmässigkeit von bundesrätlichen Verordnungen im Verfahren der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde Bernhard Sträuli, Pourvoi en nullité et recours de droit public au Tribunal fédéral, thèse Genève 1995, p. 215 n. 472). Wohl bleibt gemäss Art. 269 Abs. 2 BStP die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte vorbehalten. Der Kassationshof muss indessen im Verfahren der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde vorfrageweise die Rechtsbeständigkeit der in einer bundesrätlichen Verordnung enthaltenen Bestimmungen, nach denen der Beschwerdeführer verurteilt worden ist, auch insoweit prüfen können, als die sich dabei stellenden Fragen verfassungsrechtlicher Natur sind. Im übrigen betrifft auch die Frage, ob eine Verordnungsbestimmung gesetzmässig sei, d.h. sich im Rahmen der gesetzlichen Delegationsnorm bewege, genaugenommen die verfassungsrechtliche Frage der Gewaltentrennung (siehe ROBERT HAUSER, Kurzlehrbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, 2. Aufl. 1984, S. 312; CORBOZ, Le pourvoi en nullité, SJ 1991, p. 76). In einem nicht publizierten Urteil vom 19. Juni 1981 i.S. P. gegen BS (zusammenfassend wiedergegeben bei SCHUBARTH, Nichtigkeitsbeschwerde in Strafsachen, Eine Einführung anhand von 20 Fällen, Bern 1995, S. 53) hat denn auch die II. öffentlichrechtliche Abteilung des Bundesgerichts nach einem Meinungsaustausch mit dem Kassationshof erkannt, dass die Kompetenz, die Rechtsbeständigkeit (Gesetz- und Verfassungsmässigkeit) einer bundesrätlichen Verordnungsbestimmung vorfrageweise zu prüfen, beim Sachrichter liege und dass die Rüge der Ungültigkeit des Erlasses mit dem der Materie nach anwendbaren Rechtsmittel vorzubringen sei, in Bundesstrafsachen also mit der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde. Aus Art. 269 Abs. 2 BStP lasse sich nicht ableiten, dass die Normenkontrolle im strafrechtlichen Bereich in eine Gesetzmässigkeitskontrolle im Verfahren der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde durch den Kassationshof und eine Verfassungsmässigkeitskontrolle im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde durch eine öffentlichrechtliche Abteilung aufzuspalten sei. Sofern in einer Strafsache die Gültigkeit einer Verordnungsvorschrift des Bundesrates angefochten werde, habe dies mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde zu erfolgen; dem Kassationshof obliege dabei die gesamte Normenkontrolle, soweit sie gemäss Art. 113 Abs. 3 BV zulässig sei. Das ergebe sich auch aus Art. 96 Abs. 3 OG, wonach die Bundesbehörde, die in der Hauptsache kompetent ist, auch alle Vor- und Zwischenfragen zu erledigen hat. |
Erwägung 3 |
3.- a) Der Bundesrat kann unmittelbar gestützt auf die Bundesverfassung, also ohne entsprechende Grundlage in einem formellen Gesetz, insbesondere im Rahmen seiner in Art. 102 Ziff. 8 bis 10 BV festgelegten Obliegenheiten (betreffend die auswärtigen Angelegenheiten sowie die äussere und die innere Sicherheit der Eidgenossenschaft) unter gewissen Voraussetzungen gesetzesvertretende und gesetzesergänzende Verordnungen erlassen. Die darin enthaltenen Anordnungen müssen notwendig, zeitlich dringlich, durch überwiegende öffentliche Interessen gerechtfertigt und verhältnismässig sein. Sie dürfen nicht im Widerspruch zu Erlassen der Bundesversammlung stehen, und sie müssen die Grundsätze der Rechtsgleichheit und von Treu und Glauben etc. respektieren. Sie müssen grundsätzlich zeitlich befristet sein, und bei Andauern der regelungsbedürftigen Situation ist eine ausreichende Grundlage in einem formellen Gesetz zu schaffen (siehe zum Ganzen BGE 64 I 365 ff.; DIETRICH SCHINDLER in Kommentar BV, Art. 102 Ziff. 8 Rz. 110 ff., Art. 102 Ziff. 9 Rz. 127 ff.; KURT EICHENBERGER in Kommentar BV, Art. 102 Ziff. 10 Rz. 163 ff.; JEAN-FRAN7OIS AUBERT, Bundesstaatsrecht der Schweiz, Fassung von 1967, Neubearbeiteter Nachtrag bis 1994, Bd. II, 1995, Nrn. 1528 f., S. 225 f. und S. 1051 f.; BEAT SCHELBERT, Die rechtliche Bewältigung ausserordentlicher Lagen im Bund, Diss. Bern 1986, S. 198 ff.; Gutachten des Bundesamtes für Justiz vom 6. März 1989 in VPB 53/1989 Nr. 52 S. 363 ff.). |
b) Angesichts der Ereignisse im ehemaligen Jugoslawien war Ende 1991 ernsthaft zu befürchten, dass es auch in der Schweiz zu politisch/ethnisch motivierten gewalttätigen Auseinandersetzungen grösseren Ausmasses zwischen Staatsangehörigen des ehemaligen Jugoslawien kommen könnte. Auch wenn sich diese Gefahr in der Folge nicht realisierte, bestand sie doch weiterhin und jedenfalls auch noch im Zeitpunkt der inkriminierten Handlung, im April 1994, da ungewiss war und blieb, in welche Richtung sich die kriegerischen Konflikte in weiten Teilen des ehemaligen Jugoslawien entwickeln würden. Zur Verminderung der Gefahr von gewalttätigen Auseinandersetzungen in der Schweiz war ein generelles Verbot des Tragens und Mitführens von Schusswaffen in der Öffentlichkeit durch jugoslawische Staatsangehörige, das im übrigen, wenn überhaupt, nur eine sehr geringfügige Beschränkung von Freiheitsrechten darstellt (siehe dazu BGE 103 Ia 169 E. 2), gerechtfertigt. Weil es sowohl Ende 1991 als auch noch im April 1994, zur Zeit der inkriminierten Handlung, ungewiss war und blieb, in welche Richtung sich die Konflikte im ehemaligen Jugoslawien entwickeln und welche Folgen sie auch in der Schweiz zeitigen würden, war es gerechtfertigt, ausnahmslos jedem Staatsangehörigen des ehemaligen Jugoslawien (im Sinne von Art. 2 lit. a der Verordnung) das Tragen und Mitführen von Schusswaffen in der Öffentlichkeit zu verbieten, unabhängig davon, aus welchem Teil des ehemaligen Jugoslawien er stammte, welcher Ethnie er angehörte, unter welchem Status und seit wie langer Zeit er in der Schweiz lebte. Die Entscheidung, ob das Tragen von Schusswaffen durch jugoslawische Staatsangehörige in der Öffentlichkeit von Bundesrechts wegen ohne Erlaubnisvorbehalt generell zu verbieten oder statt dessen bloss einer Bewilligungspflicht zu unterstellen sei, fällt unter das weite gesetzgeberische Ermessen des Bundesrates als Verordnungsgeber, in welches das Bundesgericht nicht eingreift, zumal das Verbot des Tragens und Mitführens von Schusswaffen in der Öffentlichkeit, wie erwähnt, höchstens einen geringfügigen Eingriff in Freiheitsrechte darstellt. |
Das generelle Verbot des Tragens und Mitführens von Schusswaffen durch jugoslawische Staatsangehörige ist im übrigen auch geeignet, den spontanen Verkauf und Erwerb von Schusswaffen unter jugoslawischen Staatsangehörigen auf der Strasse zu verhindern. Es vermindert damit indirekt die Häufigkeit von Handwechseln und somit das Risiko, dass die Schusswaffen in die Hände von jugoslawischen Staatsangehörigen gelangen, welche sie in das Konfliktgebiet ausführen könnten. Das Verbot des Mitführens und Tragens von Schusswaffen durch jugoslawische Staatsangehörige in der Öffentlichkeit dient damit indirekt, wenn auch nicht in erster Linie, dem vom Bundesrat gestützt auf Art. 102 Ziff. 8 BV in Art. 1 lit. a der Verordnung festgelegten Zweck, den Handel von Schusswaffen zwischen dem Schweizerischen Staatsgebiet und dem Staatsgebiet der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien in den am 1. Januar 1990 gültigen Grenzen zu unterbinden, was zur Zeit der inkriminierten Handlung, im April 1994, nach wie vor geboten war.
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Die Verordnung über den Erwerb und das Tragen von Schusswaffen durch jugoslawische Staatsangehörige genügte somit zur Zeit der inkriminierten Handlung, im April 1994, den vorstehend (E. 3a) umschriebenen Anforderungen an eine verfassungsunmittelbare Polizeiverordnung des Bundesrates, soweit sie in Art. 4 den jugoslawischen Staatsangehörigen das Tragen und Mitführen von Schusswaffen in der Öffentlichkeit generell verbietet.
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Erwägung 4 |
a) In BGE 112 Ia 107 E. 3b S. 112 f. und 118 Ia 305 E. 7a S. 318 f. wurde entschieden, dass jede Strafe, welche einen Freiheitsentzug mit sich bringt, als schwerer Eingriff in die persönliche Freiheit einer klaren Grundlage in einem formellen Gesetz bedarf, während für andere Strafen eine Verordnung, die sich im Rahmen von Verfassung und Gesetz hält, genügt. Diese Rechtsprechung wird von der strafrechtlichen Doktrin in dem Sinne verstanden, dass in Verordnungen ohne entsprechende Grundlage in einem formellen Gesetz überhaupt keine Freiheitsstrafen - auch keine Haftstrafen - mehr angedroht werden dürfen (TRECHSEL, Kurzkommentar, Art. 1 StGB N. 13; STRATENWERTH, Schweiz. Strafrecht Allg. Teil I, 2. Aufl. 1996, § 4 N. 7; TRECHSEL/NOLL, Schweiz. Strafrecht Allg. Teil I, 4. Aufl. 1994, S. 45; PHILIPPE GRAVEN, L'infraction pénale punissable, Deuxième édition, 1995, p. 25 n. 15; JOS9 HURTADO POZO, Droit pénal, Partie générale 1, 1991, p. 79 s, n. 125 s). Bis anhin konnten nach weit verbreiteter Auffassung in einer Verordnung, die sich im Rahmen von Verfassung und Gesetz hält, auch ohne entsprechende ausdrückliche Delegationsnorm in einem formellen Gesetz polizeistrafrechtliche Bestimmungen erlassen, d.h. jedenfalls Übertretungstatbestände geschaffen und hiefür Haftstrafen (bis zu drei Monaten) angedroht werden (siehe BGE 96 I 24 E. 4a S. 28 f.; Gutachten des Bundesamtes für Justiz vom 23. September 1980, 19. Mai 1981 und 5. Januar 1982 in VPB 46/1982 Nr. 50 S. 268 ff., mit zahlreichen Hinweisen; O.A. GERMANN, Kommentar zum Schweizerischen Strafgesetzbuch, Bd. 1, 1. Lieferung, 1953, Art. 1 N. 3 ff.; vgl. auch THOMAS COTTIER, Die Verfassung und das Erfordernis der gesetzlichen Grundlage, 2. Aufl. 1991, S. 61 ff.). |
Die Frage muss vorliegend entschieden werden, weil die Vorinstanz den Beschwerdeführer wegen einer Widerhandlung im Sinne von Art. 11 Abs. 1 al. 2 der Verordnung, ausgehend von der in dieser Bestimmung enthaltenen Strafandrohung von Gefängnis oder Busse, zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von 30 Tagen verurteilt hat. |
c) Die Frage, welche Strafen der Bundesrat in unmittelbar gestützt auf Art. 102 Ziff. 8 bis 10 BV erlassenen Polizeiverordnungen androhen darf, wird in den zitierten BGE 112 Ia 107 E. 3b S. 112 f. und 118 Ia 305 E. 7a S. 318 f. nicht berührt. Der Bundesrat kann in solchen Verordnungen, die (vorübergehend) an die Stelle von formellen Gesetzen treten, diejenigen Strafen androhen, welche dem Unwert angemessen sind, das in der Missachtung der von ihm erlassenen Anordnungen und Verbote liegt, nötigenfalls also auch Gefängnisstrafen. Das generelle Verbot des Tragens und Mitführens von Schusswaffen in der Öffentlichkeit durch jugoslawische Staatsangehörige soll in erster Linie zum Schutz der inneren Sicherheit der Eidgenossenschaft die angesichts der Konflikte im ehemaligen Jugoslawien sowie der relativ hohen Zahl von in der Schweiz lebenden Jugoslawen erhöhte und unberechenbare Gefahr von gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen jugoslawischen Staatsangehörigen in der Schweiz vermindern. In Anbetracht der zu schützenden Rechtsgüter, welche durch das verbotene Mitführen und Tragen von Schusswaffen in der Öffentlichkeit gefährdet werden, ist die Androhung von Gefängnisstrafe alternativ zu Busse angemessen. Das Verbot des Mitführens und Tragens von Schusswaffen könnte im übrigen gerade gegenüber zu Gewalttätigkeiten bereiten Personen durch die Androhung von Busse oder Haft allein von vornherein nicht durchgesetzt werden (ebenso GILBERT KOLLY, Selbständige Verordnungen als Grundlage für Freiheitsstrafen, SJZ 89/1993 S. 352 ff., 354).
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d) Indessen muss gerade bei Androhung von Gefängnisstrafen in einer verfassungsunmittelbaren Verordnung des Bundesrates möglichst rasch eine Grundlage in einem formellen Gesetz geschaffen werden (vgl. auch BGE 64 I 365 E. 5 S. 375 f.). Auch diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Schon lange vor dem Ausbruch der Kriege im ehemaligen Jugoslawien sind die Arbeiten zu einem eidgenössischen Waffengesetz in Angriff genommen worden (siehe dazu und zum nachfolgenden den Bericht der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrates vom 16. Oktober 1992 zur parlamentarischen Initiative "Handel mit Waffen. Aufsicht des Bundes", BBl 1993 I 625 ff., sowie die Botschaft des Bundesrats zum Bundesgesetz über Waffen, Waffenzubehör und Munition vom 24. Januar 1996, BBl 1996 I 1053 ff.). Diese Arbeiten sind inzwischen relativ weit fortgeschritten. Art. 40bis BV, wonach der Bund Vorschriften gegen den Missbrauch von Waffen, Waffenzubehör und Munition erlässt, wurde am 26. September 1993 von allen Ständen und vom Volk mit überwältigender Mehrheit (86% Ja-Stimmen) angenommen. Am 23. Februar 1994 setzte das EJPD eine Expertenkommission zur Ausarbeitung eines Vorentwurfs ein. Im Vernehmlassungsverfahren begrüssten über 90 Prozent der zahlreichen eingegangenen Stellungnahmen grundsätzlich die Schaffung eines einheitlichen schweizerischen Waffengesetzes. Der bundesrätliche Entwurf eines Bundesgesetzes über Waffen, Waffenzubehör und Munition ermächtigt in Art. 7 ("Einschränkungen in besonderen Situationen") den Bundesrat, den Erwerb von Waffen etc. sowie das Tragen von Waffen durch Angehörige bestimmter Staaten zu verbieten, wenn eine erhebliche Gefahr des Missbrauchs besteht oder um den Beschlüssen der internationalen Gemeinschaft oder den Grundsätzen der schweizerischen Aussenpolitik Rechnung zu tragen. In der Botschaft wird zu Art. 7 des Entwurfs ausgeführt, der Kriegsausbruch in Ex-Jugoslawien habe 1991 eine stark steigende Nachfrage nach Waffen zur Folge gehabt. Zum einen habe die Zunahme der Waffenkäufe durch Personen aus Ex-Jugoslawien ein Sicherheitsrisiko in der Schweiz selbst bedeutet, zum andern habe verhindert werden müssen, dass in der Schweiz gekaufte Waffen ins Kriegsgebiet transportiert und dort eingesetzt würden. Mit der Kompetenzdelegation in Art. 7 des Entwurfs erhalte der Bundesrat das Instrument, um in Zukunft ähnlichen Situationen umgehend auf dem ordentlichen Verordnungsweg begegnen zu können (BBl 1996 I 1053 ff., 1061). Gemäss Art. 33 Abs. 1 lit. a des bundesrätlichen Entwurfs wird mit Gefängnis oder Busse unter anderen bestraft, wer vorsätzlich ohne Berechtigung eine Waffe erwirbt oder trägt. Demnach können gemäss Entwurf die Angehörigen von Staaten, die in Missachtung eines vom Bundesrat gesetzeskonform erlassenen Verbots Waffen tragen, mit Gefängnis oder mit Busse bestraft werden. Sowohl Art. 7 als auch Art. 33 des bundesrätlichen Entwurfs sind vom Ständerat als Erstrat in der Sommersession 1996 insoweit diskussionslos angenommen worden (Amtl.Bull. StR 1996 S. 506 ff., 517, 526). Soweit sich gegen den Entwurf eines schweizerischen Waffengesetzes Opposition geregt hat, richtet sich diese jedenfalls nicht gegen die genannten Vorschriften. |
e) Allerdings ist nach verschiedenen kantonalen Waffenverordnungen das Tragen von Waffen durch Privatpersonen in der Öffentlichkeit unter Vorbehalt gewisser Ausnahmen (freiwillige und obligatorische militärische Übungen, Ausübung der Jagd) bewilligungspflichtig und wird das Waffentragen ohne diese Bewilligung mit Haft oder Busse bestraft, so etwa auch nach der Schwyzer Verordnung über das Waffentragen vom 9. September 1970 (Schwyzer Gesetzessammlung, 527c) und nach der Zuger Verordnung betreffend das Tragen von Schuss- und Stichwaffen vom 20. November 1936 (Bereinigte Gesetzessammlung des Kantons Zug, 514.3). Das bedeutet aber entgegen einer Bemerkung in der Beschwerde nicht, dass die Verordnung über den Erwerb und das Tragen von Schusswaffen durch jugoslawische Staatsangehörige jedenfalls insoweit nicht notwendig sei, als sie das Tragen und Mitführen von Schusswaffen in der Öffentlichkeit verbietet und mit Strafe bedroht. Das Tragen (und Mitführen) von Schusswaffen, das im Konkordat über den Handel mit Waffen und Munition (SR 514.542) nicht geregelt wird (siehe auch BGE 103 Ia 169 E. 3 S. 172), ist in mehreren Kantonen ohne Bewilligung erlaubt (vgl. dazu WALTER RUDOLF HÄBERLING, Waffenhandel, Erwerb, Besitz und Tragen von Waffen aus der Sicht des Nebenstrafrechts, Diss. Zürich 1990, S. 203 Fn. 5). Angesichts der Konflikte im ehemaligen Jugoslawien und der sich daraus ergebenden erhöhten und unberechenbaren Gefahr von gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen jugoslawischen Staatsangehörigen in der Schweiz ist eine einheitliche gesamtschweizerische Regelung geboten, welche für das verbotene Tragen und Mitführen von Schusswaffen durch jugoslawische Staatsangehörige in der Öffentlichkeit nicht nur Haft, sondern Gefängnis alternativ zu Busse androht. |
h) Die Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von 30 Tagen wegen Mitführens und Tragens einer Schusswaffe in der Öffentlichkeit (Art. 11 Abs. 1 al. 2 i.V.m. Art. 4 der Verordnung) verstösst demnach nicht gegen Bundesrecht. Die Nichtigkeitsbeschwerde ist daher abzuweisen. |
Erwägung 5 |