BGE 123 IV 236 - FACTS |
36. Auszug aus dem Urteil der Anklagekammer |
vom 4. November 1997 |
i.S. A., B., C. und TA-Media AG gegen Schweizerische Bundesanwaltschaft |
Regeste |
Art. 66 BStP, 105bis Abs. 2 BStP und 214 BStP; Art. 10 EMRK. Überwachung des Fernmeldeverkehrs von Journalisten. |
Die durch die Bundesanwaltschaft bzw. den Eidg. Untersuchungsrichter angeordnete und nachträglich dem Betroffenen mitgeteilte Überwachung des Fernmeldeverkehrs unterliegt der Beschwerde an die Anklagekammer (E. 2). |
Ausstand des Präsidenten der Anklagekammer, der die Überwachung genehmigte (E. 1). |
Zur Beschwerde legitimiert sind auch abgehörte tatsächliche Mitbenützer des überwachten Anschlusses und der Abonnent (E. 3). |
Bejahung eines aktuellen Rechtsschutzinteresses (E. 4). |
Abgrenzung Beschuldigter/Dritter: Beschuldigter im Sinne von Art. 66 Abs. 1 BStP ist allein die Person, deren strafbare Handlung als Anlasstat für die Zwangsmassnahme angerufen wird und in Betracht fällt (E. 6). |
Der Fernmeldeverkehr von Journalisten als Dritten darf aufgrund des sich unmittelbar aus Art. 10 EMRK für diese ergebenden Rechts, über ihre Informationsquellen die Auskunft zu verweigern, grundsätzlich nicht überwacht werden, wenn dieser Quellenschutz dadurch illusorisch würde (E. 8a). |
Die in Frage stehende Amtsgeheimnisverletzung weist nicht die ausserordentliche Bedeutung auf, die erlaubte, ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Überwachung zu bejahen (E. 8b und c). |
Die über das Ergebnis der unzulässigen Überwachung vorhandenen Unterlagen sind aus den Untersuchungsakten zu entfernen und gesondert aufzubewahren (E. 10). |
Sachverhalt |
A. |
In der Ausgabe Nr. 22 vom 1. Juni 1995 berichtete das Wochenmagazin FACTS unter dem Titel "Dreifuss vs. Ogi/Ruth weist Dölf in die Bahnschranken" über gegensätzliche Auffassungen zwischen dem Vorsteher des Eidg. Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartementes (EVED) und der Vorsteherin des Eidg. Departementes des Innern (EDI) über das "Politische Leitbild für die Schweizerischen Bundesbahnen", das an der Bundesratssitzung vom 17. Mai 1995 genehmigt worden war. Im vom FACTS-Bundeshausredaktor A. verfassten Artikel waren unter anderem fotografische Auszüge aus dem Mitbericht des EDI vom 15. Mai 1995 sowie aus der Stellungnahme des EVED vom 16. Mai 1995 zu diesem abgedruckt. Im Text des Artikels wurden die gegensätzlichen Auffassungen der beiden Departemente dahin kommentiert, dass sie einen neuen Graben in der Landesregierung freilegten.
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B. |
Am 6. Juni 1995 reichte der Bundeskanzler im Auftrag des Bundesrates wegen der Veröffentlichung besagter Dokumente bei der Bundesanwaltschaft Strafanzeige ein.
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Gleichentags eröffnete die Bundesanwaltschaft gegen "Unbekannt (Bundesbeamter) und A." ein gerichtspolizeiliches Ermittlungsverfahren wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses (Art. 320 StGB) und Veröffentlichung amtlicher geheimer Verhandlungen (Art. 293 StGB).
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C. |
Am 12. Juni 1995 ersuchte die Bundesanwaltschaft zur Ermittlung der Täterschaft der Amtsgeheimnisverletzung die Rechtsabteilung der Generaldirektion PTT um Abhörung bzw. Erfassung des gesamten über die Telefonnummer 031/320 28 20 und die Telefaxnummer 031/320 28 28 geführten Fernmeldeverkehrs der Bundeshausredaktion des Wochenmagazins FACTS, ausgenommen Gespräche und Faxmitteilungen, welche offensichtlich nicht aus der Bundesverwaltung in Bern stammten oder nicht an diese gerichtet seien. Gleichzeitig ersuchte die Bundesanwaltschaft um eine rückwirkende Teilnehmeridentifikation, d.h. um nachträgliche Auskunft darüber, ab welchen Telefon-/Telefaxanschlüssen bzw. an welche Telefon-/Telefaxanschlüsse der Bundesverwaltung in Bern in der Zeit vom 14. bis und mit 31. Mai 1995 Gespräche bzw. Mitteilungen an die beiden zu überwachenden Anschlüsse bzw. ab diesen erfolgten; den Anschlüssen der Bundesverwaltung seien die Namen der Bundesbediensteten zuzuordnen, denen sie zugeteilt seien; bei nicht persönlich zugeteilten Anschlüssen sei die betreffende Dienststelle des Bundes zu bezeichnen.
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Gleichentags richtete die Bundesanwaltschaft die entsprechenden Gesuche um Genehmigung der beiden Überwachungsmassnahmen an den Präsidenten der Anklagekammer des Bundesgerichts, welcher diese am 13. Juni 1995 erteilte, für die Abhörung der Telefongespräche und die Erfassung der Faxmitteilungen bis am 12. September 1995. |
D. |
Die Überwachung blieb erfolglos. Das gerichtspolizeiliche Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt und A. wurde jedoch weitergeführt.
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Am 24. Februar 1997 teilte die Bundesanwaltschaft der Bundeshausredaktion FACTS mit, dass sie in bezug auf deren Anschlüsse, Telefonnummer 031/320 28 20 und Telefaxnummer 031/320 28 28, für den Zeitraum vom 14.-31. Mai 1995 eine rückwirkende Teilnehmeridentifikation durchgeführt habe, beschränkt auf den Fernmeldeverkehr mit der Bundesverwaltung in Bern sowie ohne Erfassung der Gesprächs- oder Telefaxinhalte; mitgeteilt wurde auch die Abhörung bzw. Erfassung des über diese Anschlüsse abgewickelten Fernmeldeverkehrs vom 12. Juni bis 12. September 1995, beschränkt auf den Fernmeldeverkehr mit der Bundesverwaltung in Bern, wobei aus technischen Gründen bis anfangs Juli 1995 nur eine Teilnehmeridentifikation habe durchgeführt werden können.
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Am 1. März 1997 liessen A., B. und C. sowie die TA-Media AG als Herausgeberin des Nachrichtenmagazins FACTS durch ihre gemeinsamen Rechtsvertreter bei der Bundesanwaltschaft ein Begehren um Akteneinsicht stellen. Am 12. März 1997 hiess die Bundesanwaltschaft das Begehren von A. in dem Sinne gut, dass ihm "Akteneinsicht betreffend die rückwirkende Teilnehmeridentifikation und Überwachung des Fernmeldeverkehrs" gewährt wurde; es wurde dazu ein besonderes "Einsichtsdossier A." erstellt. Dem Begehren der übrigen Gesuchsteller wurde nicht stattgegeben.
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E. |
Mit Beschwerde vom 6. März 1997 beantragen die FACTS-Bundeshausredaktoren A., B. und C. sowie die TA-Media AG der Anklagekammer des Bundesgerichts, die Verfassungswidrigkeit und Widerrechtlichkeit der von der Bundesanwaltschaft angeordneten Überwachung ihres Fernmeldeverkehrs im Zeitraum vom 14. Mai 1995 bis 12. September 1995 festzustellen und die mit der Massnahme produzierten Akten aus dem Recht zu weisen.
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Die Bundesanwaltschaft beantragt, die Beschwerde abzuweisen, sofern und soweit darauf eingetreten werden könne.
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F. |
Mit Verfügung vom 21. Mai 1997 wies der Vizepräsident der Anklagekammer die Bundesanwaltschaft an, alle Akten des gerichtspolizeilichen Ermittlungsverfahrens gegen Unbekannt und A. einzureichen. Ferner wurden die Akten des Präsidenten der Anklagekammer betreffend die Genehmigung der angefochtenen Überwachungsmassnahmen beigezogen. |
G. |
Im angeordneten zweiten Schriftenwechsel halten die Parteien an ihren Anträgen fest.
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Auszug aus den Erwägungen: |
Aus den Erwägungen:
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Erwägung 1 |
Erwägung 2 |
aa) Die Überwachung des Fernmeldeverkehrs erfolgt geheim (Art. 66quater BStP). Weil der Betroffene von der überwachungsmassnahme nichts erfährt, kann er sich auch in keiner Weise dagegen zur Wehr setzen.
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bb) Die Art. 66bis bis Art. 66quater wurden erst mit dem Bundesgesetz über den Schutz der persönlichen Geheimsphäre in das Bundesgesetz über die Bundesstrafrechtspflege (BStP) eingefügt; sie sollten neben den in Art. 66 BStP nun gesetzlich umschriebenen sachlichen Voraussetzungen der Überwachung insbesondere ein Rechtsschutzsystem schaffen, welches das von der Natur der Sache her nicht mögliche Beschwerderecht des Betroffenen ersetze. Mit der Genehmigung der Überwachungsmassnahme durch den Präsidenten der Anklagekammer des Bundesgerichts wurde ein solches "Ersatzverfahren" geschaffen, wobei davon ausgegangen wurde, es müsse auf eine Mitteilung der erfolgten Überwachung an den Betroffenen verzichtet werden und diese könne auch nachträglich unterbleiben (Bericht der Kommission des Nationalrates zur parlamentarischen Initiative über den Schutz der persönlichen Geheimsphäre, BBl 1976 I 529 ff., insbes. S. 556/7, 559/60 und 567/8).
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Später entschied das Bundesgericht im Zusammenhang mit der Überprüfung einer kantonalen Regelung der Überwachung des Fernmeldeverkehrs, die Massnahme müsse den Betroffenen nachträglich mitgeteilt werden, ausser die Benachrichtigung würde den Zweck der Überwachung gefährden; die Ausnahmen seien allerdings streng anzuwenden (BGE 109 Ia 273 E. 12b S. 300 f.). Im Rahmen der Änderung des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege (OG) vom 4. Oktober 1991 wurde mit Art. 66quinquies BStP (in Kraft seit 15. Februar 1992) die nachträgliche Mitteilungspflicht eingeführt (Botschaft vom 18. März 1991 betreffend die OG-Revision, BBl 1991 II 510 ff.). Die Frage einer allfälligen Beschwerdemöglichkeit blieb dabei unerörtert.
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cc) Bei seinem Entscheid, dem Betroffenen müsse die Tatsache der Überwachung in der Regel nachträglich mitgeteilt werden, hatte sich das Bundesgericht von Art. 13 EMRK leiten lassen. Danach muss demjenigen, der sich durch den Eingriff in seine Privatsphäre verletzt fühlt, ein Beschwerdeverfahren geöffnet werden, in welchem die angeordnete Massnahme richterlich überprüft wird (BGE 109 Ia 273 E. 12a in fine). Es genügt daher nicht, den Betroffenen eine Überwachung des Fernmeldeverkehrs nachträglich mitzuteilen; vielmehr muss gegen die erfolgte Überwachung gemäss Art. 13 EMRK auch eine Beschwerde an eine richterliche Instanz zur Verfügung stehen. |
Im bei der Änderung des BStP vom 19. Juni 1992 eingefügten neuen Art. 105bis (in Kraft getreten am 1. Juli 1993) stellte der Bundesgesetzgeber dies denn auch klar. Nach dessen Absatz 2 kann gegen Amtshandlungen, die die Bundesanwaltschaft angeordnet oder bestätigt hat, Beschwerde bei der Anklagekammer geführt werden. In der entsprechenden bundesrätlichen Botschaft wurde gerade die Überwachung des Fernmeldeverkehrs als Beispiel einer durch die Bundesanwaltschaft verfügten Zwangsmassnahme angeführt, gegen die aufgrund der neuen Gesetzesbestimmung bei der Anklagekammer des Bundesgerichts Beschwerde müsse geführt werden können (Zusatzbotschaft zum Datenschutzgesetz, BBl 1990 III 1225 ff., insbes. S. 1235).
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dd) Die durch die Bundesanwaltschaft angeordnete und nachträglich mitgeteilte Überwachung des Fernmeldeverkehrs unterliegt danach der Beschwerde gemäss Art. 105bis Abs. 2 BStP an die Anklagekammer des Bundesgerichts (so auch NIKLAUS SCHMID, Strafprozessrecht, Zürich 1993, N. 770 Anm. 191). Der Bundesrat tritt aus dem gleichen Grunde denn auch auf Aufsichtsbeschwerden gegen die Mitteilung der eingestellten Überwachung, soweit diese durch den Präsidenten der Anklagekammer des Bundesgerichts genehmigt wurde, nicht ein (VPB 1994 Nr. 64 E. B.4 und D.25).
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Die Überwachung des Fernmeldeverkehrs unterliegt in analoger Weise der Beschwerde gemäss Art. 215 BStP, wenn der Eidg. Untersuchungsrichter sie anordnete.
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c) Dass der Präsident der Anklagekammer die nachträglich mitgeteilte Überwachung des Fernmeldeverkehrs zuvor genehmigte, steht einer Überprüfung derselben durch die Anklagekammer des Bundesgerichts auf Beschwerde hin nicht entgegen. Die Überprüfung durch den Präsidenten der Anklagekammer erfolgt insbesondere nicht in einem kontradiktorischen Verfahren und vermag daher wegen der fehlenden Mitwirkungsrechte des von der Überwachungsmassnahme Betroffenen eine wirksame Beschwerde im Sinne von Art. 13 EMRK (vgl. dazu näher BGE 121 I 87 E. 2b mit Hinweisen) nicht zu ersetzen. Es kann aus den gleichen Gründen auch nicht gesagt werden, der Genehmigungsentscheid des Präsidenten der Anklagekammer trete an die Stelle der Verfügung der Bundesanwaltschaft oder des Eidg. Untersuchungsrichters, weshalb die nur gegen Zwangsmassnahmen der Bundesanwaltschaft oder des Eidg. Untersuchungsrichters vorgesehene Beschwerde nach Art. 105bis Abs. 2 oder Art. 215 BStP nicht gegeben sei. Vielmehr stellte der Bundesgesetzgeber, wie sich aus den oben angeführten Materialien ergibt, im Bewusstsein, dass die Überwachung des Fernmeldeverkehrs durch den Präsidenten der Anklagekammer genehmigt werden muss, dagegen die Beschwerde an die Anklagekammer zur Verfügung (vgl. auch die gleich oder ähnlich lautenden Regelungen in verschiedenen Kantonen, so Art. 114g Abs. 3 StPO/SG; § 127 StPO/TG; § 21quinquies Abs. 3 StPO/ZG; § 88 Abs. 5 StPO/AG; § 76 Abs. 3 StPO/NW). Die Beschwerde ist demzufolge zulässig. |
Erwägung 3 |
Die geheime Telefonüberwachung stellt einen schweren Eingriff in das durch Art. 36 Abs. 4 BV und Art. 8 Ziff. 1 EMRK geschützte Telefongeheimnis und in die individuelle Freiheit und Persönlichkeit der am Telefonverkehr beteiligten Personen dar. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts haben neben dem Beschuldigten auch dessen Gesprächspartner einen eigenständigen verfassungsmässigen Anspruch darauf, die Rechtmässigkeit der Abhörung nachträglich gerichtlich überprüfen zu lassen; einen solchen Anspruch haben neben den Gesprächspartnern auch alle Mitbenützer eines überwachten Anschlusses (z.B. Familienangehörige des überwachten Beschuldigten oder mit diesem zusammenlebende Drittpersonen). Auch tatsächliche Mitbenützer eines überwachten Anschlusses sind daher - sofern auch von ihnen geführte Gespräche überwacht wurden - als Betroffene gemäss Art. 66quinquies Abs. 1 BStP zu betrachten, denen nach Abschluss des Verfahrens Grund, Art und Dauer der Überwachung mitzuteilen ist. Da der Zweck der Mitteilung gerade darin besteht, den Betroffenen eine Beschwerde zu ermöglichen, sind sie auch als legitimiert zu betrachten, eine solche zu erheben (BGE 122 I 182 E. 3a und 4c). Selbst wenn die Überwachungsmassnahmen gemäss dem Gesuch der Bundesanwaltschaft und dem Genehmigungsentscheid des Präsidenten der Anklagekammer als nicht gegen die heutigen Beschwerdeführer oder nur als gegen einzelne von ihnen gerichtet betrachtet werden wollten, wären diese somit als tatsächliche Mitbenützer der überwachten Fernmeldeanschlüsse Betroffene und zur Beschwerde berechtigt. |
Erwägung 4 |
4.- Die in Frage stehende Überwachung ist zwar abgeschlossen und kann nicht mehr rückgängig gemacht werden. Der Eingriff in die verfassungsmässigen und die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen wird indessen mit der Protokollierung und Aufbewahrung der Aufzeichnungen sowie mit deren Verwendung und allfälligen Verbreitung aufrechterhalten und zusätzlich noch verschärft, weshalb diese auch während einer laufenden Untersuchung aufgrund des Persönlichkeitsschutzes ein schutzwürdiges Bedürfnis an der Beurteilung der behaupteten Persönlichkeitsverletzung haben; sie haben gegebenenfalls insbesondere ein Interesse daran, dass die aufgenommenen Gespräche grundsätzlich von keinen weiteren Personen zur Kenntnis genommen werden können (BGE 122 I 182 E. 4c). Die Beschwerdeführer beantragen denn auch - neben der Feststellung der Verfassungswidrigkeit und Widerrechtlichkeit, die aber keine selbständige Bedeutung hat (dazu unten) -, die "mit der Massnahme produzierten Akten seien aus dem Recht zu weisen". |
Unter diesen Umständen ist auch nach Abschluss der eigentlichen Überwachungsmassnahmen ein aktuelles Rechtsschutzinteresse der Beschwerdeführer zu bejahen. Auf die Beschwerde ist daher einzutreten.
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Erwägung 6 |
Um A. als Gehilfen einer Amtsgeheimnisverletzung zu überführen, bedurfte es keiner Überwachung des Fernmeldeverkehrs der FACTS-Redaktion, weil mit der unter seiner Verantwortung erfolgten Veröffentlichung der in Frage stehenden Dokumente alle für die Beurteilung seiner allfälligen Strafbarkeit wesentlichen Tatsachen bereits bekannt waren. Die Massnahme wäre in diesem Fall nach Art. 66 Abs. 1 lit. c BStP unzulässig. Die Bundesanwaltschaft begründete die Überwachung indessen nicht damit. |
Soweit A. der Veröffentlichung amtlicher geheimer Verhandlungen beschuldigt wird, ist eine Überwachung von vornherein unzulässig, da es sich bei diesem Tatbestand um eine blosse Übertretung handelt (Art. 66 Abs. 1 lit. a BStP). Davon geht auch die Bundesanwaltschaft aus.
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Unter diesen Umständen ist A. jedoch - trotz seiner Eigenschaft als Beschuldigter (Teilnehmer) im gerichtspolizeilichen Ermittlungsverfahren - in bezug auf die angefochtenen Überwachungsmassnahmen nicht als Beschuldigter, sondern als Dritter zu betrachten. Als Beschuldigter im Sinne von Art. 66 Abs. 1 BStP ist allein die unbekannte und daher noch zu ermittelnde Person anzusehen, deren in Frage stehende Amtsgeheimnisverletzung auch allein als Anlasstat für die Rechtfertigung der Zwangsmassnahmen angerufen wird und in Betracht fällt.
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Erwägung 7 |
Es ist fraglich, ob genügend bestimmte Tatsachen vorlagen, um anzunehmen, der Täter der Amtsgeheimnisverletzung habe seine Indiskretion per Telefon oder Telefax begangen oder werde weiter auf diese Weise mit der Bundeshausredaktion von FACTS, die die fraglichen Dokumente über Meinungsverschiedenheiten innerhalb des Bundesrates zum SBB-Leitbild in ihrem Nachrichtenmagazin veröffentlichte, in Verbindung treten. Ein solches argloses Verhalten des Täters ist eher unwahrscheinlich. Wie es sich damit verhält, kann jedoch offenbleiben, da die Beschwerde aus einem anderen Grunde gutzuheissen ist. |
Erwägung 8 |
aa) Nach der neuesten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (Urteil vom 27. März 1996 i.S. William Goodwin gegen Grossbritannien; Recueil des arrêts et décisions, 1996 S. 483) verletzt ein Zwang gegenüber einem Journalisten, die Identität seines Informanten bekanntzugeben, und ihn im Weigerungsfall mit einer Busse zu belegen, Art. 10 Ziff. 1 EMRK (Ziffer 28 des erwähnten Urteils). Der Gerichtshof betont, dass der Schutz der Quelle des Journalisten in einer demokratischen Gesellschaft einen Eckpfeiler der Pressefreiheit darstelle, deren Beschränkung nur bei einem überwiegenden Interesse gerechtfertigt erscheine; bei der dabei erforderlichen Interessenabwägung sei bei der Prüfung der Verhältnismässigkeit der Pressefreiheit grosses Gewicht beizumessen (Ziffer 39). Nur ausserordentliche Umstände, die öffentliche oder private Interessen gefährdeten, vermöchten daher eine Offenbarungspflicht des Journalisten zu begründen (Ziffer 40). Das Interesse der in jenem Fall betroffenen Gesellschaft, u.a. etwa einen unredlichen Mitarbeiter zu entlarven, vermöge das eminente öffentliche Interesse am Schutz der Informationsquellen des Journalisten nicht zu überwiegen (Ziffer 45). Der Zwang gegenüber einem Journalisten, seine Quellen offenzulegen, stellt demnach - sofern keine ausserordentlichen Umstände vorliegen - einen Verstoss gegen Art. 10 EMRK wegen Unverhältnismässigkeit dar (FROWEIN/PEUKERT, EMRK-Kommentar, 2. Auflage, Art. 10, N. 15 Anm. 48). Davon ist zufolge der unmittelbaren Anwendbarkeit von Art. 10 EMRK (vgl. VILLIGER, Handbuch der Europäischen Menschenrechtskonvention, Zürich 1993, N. 50 f.) auch für das schweizerische Recht auszugehen. |
In BGE 115 IV 75 erkannte die Anklagekammer zwar gestützt auf Art. 55 BV - indessen ohne Berücksichtigung von Art. 10 EMRK -, ausserhalb der eigentlichen Pressedelikte ergebe sich nach geltendem Recht kein umfassendes Recht des Journalisten auf Geheimhaltung der Quelle einer durch eine strafbare Handlung erlangten Information, welches einer strafprozessualen Zwangsmassnahme im Rahmen eines Strafverfahrens wegen Amtsgeheimnisverletzung entgegengehalten werden könnte. Daran kann, jedenfalls in dieser allgemeinen Form, nicht festgehalten werden. Die Anklagekammer des Bundesgerichts führte denn auch bereits in einem unveröffentlichten Urteil vom 13. Januar 1995 i.S. Schweiz. Bundesanwaltschaft gegen F. und M. (publiziert in Medialex 1/95, 51 ff.) im Zusammenhang mit einem Entsiegelungsgesuch unter Bezugnahme auf BGE 115 IV 75 aus, aufgrund der verfassungsrechtlich gewährleisteten Pressefreiheit sei bei Zwangsmassnahmen gegenüber der Presse mit der gebotenen Zurückhaltung vorzugehen.
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bb) Aus Art. 10 Ziff. 1 EMRK ergibt sich nach dem Gesagten unmittelbar ein Recht des Journalisten, über seine Informationsquelle die Auskunft zu verweigern. Dieses darf nur in den durch Art. 10 Ziff. 2 EMRK gesetzten Grenzen eingeschränkt werden. Eine sich aus der allgemeinen Zeugnispflicht ergebende Verpflichtung des Journalisten zur Offenlegung seiner Quellen ist angesichts der besonderen Bedeutung des Schutzes journalistischer Quellen für die Pressefreiheit mit Art. 10 EMRK nur vereinbar, wenn dies ein überwiegendes öffentliches (oder privates) Interesse gebietet (so auch die Botschaft des Bundesrates zum Medienstraf- und Verfahrensrecht [BBl 1996 IV 544 und 572] sowie die parlamentarische Beratung dazu [Sten.Bull. 1997 NR 401 und 404, SR 573, 576 und 582 ff., insb. 584]; vgl. auch Urteil des Bezirksgerichts Zürich, Einzelrichterin in Strafsachen, vom 4. Oktober 1996, auszugsweise wiedergegeben in SJZ 1997, S. 137 ff.).
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cc) Art. 66 Abs. 1bis BStP ist konventionskonform dahin auszulegen, dass der Fernmeldeverkehr von Journalisten als Dritten nicht überwacht werden darf, wenn ihnen ein aus der Meinungsäusserungs- und Pressefreiheit herzuleitendes und damit durch diese Grundrechte gewährleistetes Recht zusteht, Angaben über ihre Informationsquellen zu verweigern, und dieses mit der Überwachungsmassnahme illusorisch würde. Ausnahmen davon vermögen angesichts der besonderen Bedeutung des Quellenschutzes für die Pressefreiheit nur ausserordentliche Umstände zu begründen, die öffentliche oder private Interessen gefährden. |
aa) Bei der Voraussetzung von Art. 66 Abs. 1 lit. a BStP handelt es sich um eine Ausprägung des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes, wonach der strafprozessuale Eingriff in einem vernünftigen Verhältnis zur begangenen Rechtsgutverletzung stehen muss, um überhaupt gerechtfertigt zu sein. Die Schwere der Tat ist dabei nach den einzelnen Umständen des Falles objektiv zu beurteilen.
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bb) In der Lehre werden als objektiv schwere Delikte, die eine Überwachung rechtfertigen können, etwa bezeichnet: Schwere Delikte gegen den Staat, Kapitalverbrechen, schwere Drogen- und Wirtschaftsdelikte (SCHMID, a.a.O., N. 763); Delikte gegen Leib und Leben, Verfolgung von Tätergruppen im Bereich des organisierten Verbrechens oder der Betäubungsmittelkriminalität (Oberholzer, Grundzüge des Strafprozessrechts, Bern 1994, S. 392). Hinsichtlich einer Falschaussage zweifelte das Bundesgericht an der Zulässigkeit einer Überwachung, liess indes die Frage offen (BGE 117 Ia 10 E. 4d); die Lehre betrachtet diese Voraussetzung bei einem falschen Zeugnis etwa in einem Mordfall als erfüllt (SCHMID, a.a.O., N. 763 Anm. 170, mit weiteren Hinweisen). Verneint wird die Zulässigkeit der Überwachung für die Verfolgung anderer, weniger schwerer Delikte, so bei einfachen Vermögensdelikten, etwa bei Ladendiebstahl oder geringfügigem Betrug (JÜRG NEUMANN, Überwachungsmassnahmen im Sinne von Art. 179octies StGB, in: ZStrR 1996, S. 401; OBERHOLZER, a.a.O., S. 392).
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c) Das öffentliche Interesse an der Aufklärung und Bestrafung der hier in Frage stehenden Amtsgeheimnisverletzung vermag das Interesse an der Gewährleistung der Meinungsäusserungs- und Pressefreiheit, d.h. am daraus fliessenden Quellenschutz für Journalisten wegen der ausserordentlich grossen Bedeutung des Grundrechts der Pressefreiheit in einem demokratischen Rechtsstaat nicht zu überwiegen. Bei den auszugsweise veröffentlichten Dokumenten handelt es sich um Begründungen und Meinungsäusserungen einer Bundesrätin und eines Bundesrates bzw. von deren Departementen zu Anträgen zuhanden des Gesamtbundesrates im Zusammenhang mit dem politischen Leitbild für die Schweizerischen Bundesbahnen. Diese waren nur einem beschränkten Personenkreis bekannt. Zweifellos besteht ein berechtigtes Interesse der Mitglieder des Bundesrates und des Gesamtbundesrates als Geheimnisherren an der Geheimhaltung des internen Meinungsbildungsprozesses zu den im Bundesrat zu behandelnden Geschäften, weshalb es sich beim Inhalt der veröffentlichten Dokumente ohne weiteres um ein Geheimnis handelt (vgl. zum insoweit geltenden materiellen Geheimnisbegriff BGE 114 IV 44 E. 2 und 116 IV 56 E. II/1 sowie STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, BT II S. 355/6). |
Dieses Amtsgeheimnis weist jedoch vorliegend nicht die ausserordentliche Bedeutung auf, die vorausgesetzt ist, um in die Meinungsäusserungsfreiheit der Journalisten und die Pressefreiheit einzugreifen und den Quellenschutz der Journalisten aufzuheben. Entgegen der Auffassung der Bundesanwaltschaft gefährdete die Offenbarung des Inhalts der fraglichen Dokumente keine wichtigen nationalen Interessen. Die Veröffentlichung von Meinungsverschiedenheiten, die unter den Mitgliedern des Bundesrates vor einer wichtigen Beschlussfassung bestanden, ist zwar keinesfalls unbedenklich. Sie stellte jedoch die Glaubwürdigkeit der Landesregierung nicht in Frage; dass auch beim Meinungsbildungsprozess im Bundesrat Meinungsverschiedenheiten auftreten, ist nicht etwas Unerwartetes oder Aussergewöhnliches.
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Die Schwere der in Frage stehenden Amtsgeheimnisverletzung, deren Aufklärung und Verfolgung die streitigen Zwangsmassnahmen dienten, rechtfertigte daher nicht die Annahme eines öffentlichen Interesses, welches das den Beschwerdeführern als Journalisten unmittelbar aufgrund von Art. 10 EMRK zukommende Recht, über ihre Informationsquelle die Auskunft zu verweigern, ausnahmsweise zu überwiegen vermag. Die angefochtene Überwachung des Fernmeldeverkehrs der Beschwerdeführer erweist sich daher als unverhältnismässig, womit sie Art. 66 BStP in Verbindung mit Art. 10 EMRK verletzte.
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Erwägung 9 |
9.- Die Beschwerdeführer beantragen, die Verfassungswidrigkeit und Widerrechtlichkeit der beanstandeten Überwachung festzustellen. Diesem Feststellungsbegehren kommt indessen keine selbständige Bedeutung zu. Die beantragte Feststellung der Widerrechtlichkeit ist vielmehr Voraussetzung für das zweite Rechtsbegehren, die mit der Massnahme produzierten Akten aus dem Recht zu weisen. Die Beschwerdeführer legen jedenfalls nicht dar, inwieweit sie ein selbständiges Feststellungsinteresse haben. Insoweit ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. |
Erwägung 10 |
Erwägung 11 |