![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server, A. Tschentscher | |||
![]() | ![]() |
51. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung |
vom 9. November 1983 |
i.S. Hans Vest und Demokratische Juristen der Schweiz, Regionalgruppe Basel, gegen Kanton Basel-Stadt |
(staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Überwachung des Post-, Telefon- und Telegrafenverkehrs und Einsatz technischer Überwachungsgeräte; Änderung der Strafprozessordnung des Kantons Basel-Stadt. |
Art. 4 und Art. 36 Abs. 4 BV, persönliche Freiheit, Art. 8 und Art. 13 EMRK. |
1. Der Umstand, dass der Bundesgesetzgeber eine Materie für seinen Kompetenzbereich gleich oder ähnlich wie ein Kanton ordnet, schränkt die Befugnis des Bundesgerichts zur Überprüfung eines kantonalen Erlasses nicht ein (E. 2b). |
2. Geltungsbereich von Art. 36 Abs. 4 BV, des verfassungsmässigen Rechts auf persönliche Freiheit und von Art. 8 EMRK; Einschränkungen dieser Freiheitsrechte (E. 4a). |
3. Anforderungen an die Bestimmtheit von grundrechtsbeschränkenden Normen (E. 4d). |
4. Voraussetzungen zur Überwachung des Post-, Telefon- und Telegrafenverkehrs (E. 6). |
5. Einsatz von technischen Überwachungsgeräten (E. 7). |
6. Überwachung von Drittpersonen (E. 8). |
7. Überwachung zur Verhütung von Verbrechen und Vergehen (E. 9). |
8. Verfahren zur Anordnung von Überwachungsmassnahmen; richterliche Genehmigung (E. 10). |
9. Keine Verletzung der aus Art. 4 BV abgeleiteten Verteidigungsrechte von Angeschuldigten (E. 11). |
10. Ein genereller Ausschluss der nachträglichen Benachrichtigung von Betroffenen verletzt den Grundsatz der Verhältnismässigkeit und verstösst gegen Art. 13 EMRK; ausnahmsweise kann die Benachrichtigung unterbleiben, soweit eine solche den Zweck der Überwachung gefährdet (E. 12a und 12b). |
11. Das Bundesgericht hebt eine kantonale Vorschrift im abstrakten Normkontrollverfahren nur auf, sofern sie sich jeder verfassungs- und konventionskonformen Auslegung entzieht (E. 2a); Kriterien für die verfassungskonforme Auslegung und Anwendung im vorliegenden Fall (E. 12c). | |
![]() | |
A. | |
Der Grosse Rat des Kantons Basel-Stadt beschloss am 10. Juni 1982 eine Änderung der Strafprozessordnung des Kantons Basel-Stadt (StPO/BS) und fügte neu die §§ 71a bis 71c ein. Diese betreffen unter dem Titel "Überwachung" die Überwachung des Post-, Telefon- und Telegrafenverkehrs von angeschuldigten und verdächtigten Personen sowie den Einsatz von technischen Überwachungsgeräten. Die Bestimmungen haben folgenden Wortlaut:
| 1 |
"1. Voraussetzungen
| 2 |
§ 71a. Der Staatsanwalt kann den Post-, Telephon- und Telegraphenverkehr des Angeschuldigten oder Verdächtigen überwachen lassen oder technische Überwachungsgeräte einsetzen, wenn
| 3 |
a) ein Verbrechen oder Vergehen, dessen Schwere oder Eigenart den Eingriff rechtfertigt, oder eine mit Hilfe des Telephons begangene Straftat verfolgt wird und
| 4 |
b) bestimmte Tatsachen die zu überwachende Person als Täter oder Teilnehmer verdächtig machen und wenn
| 5 |
c) die notwendigen Ermittlungen ohne die Überwachung wesentlich erschwert würden oder andere Untersuchungshandlungen erfolglos geblieben sind.
| 6 |
2 Sind die Voraussetzungen beim Angeschuldigten oder Verdächtigen erfüllt, so können Drittpersonen überwacht werden, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen angenommen werden muss, dass sie für ihn bestimmte oder von ihm herrührende Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben. Ausgenommen sind Personen, die nach §§ 39 und 41 das Zeugnis verweigern dürfen. Der Telephonanschluss von Drittpersonen kann stets überwacht werden, wenn der Verdacht begründet ist, dass der Angeschuldigte ihn benutzt.
| 7 |
3 Unter den gleichen Voraussetzungen kann der Vorsteher des Polizei- und Militärdepartements zur Verhinderung eines Verbrechens oder Vergehens den Post-, Telephon- und Telegraphenverkehr überwachen oder technische Überwachungsgeräte einsetzen lassen. ![]() | 8 |
![]() | 9 |
2. Verfahren
| 10 |
§ 71b. Der Staatsanwalt oder der Vorsteher des Polizei- und Militärdepartements reichen innert 24 Stunden dem Vorsitzenden der Überweisungsbehörde eine Abschrift ihrer Verfügung samt den Akten und einer kurzen Begründung zur Genehmigung ein.
| 11 |
2 Der Vorsitzende der Überweisungsbehörde prüft die Verfügung anhand der Begründung und der Akten. Stellt er eine Rechtsverletzung einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens fest, so hebt er die Verfügung auf.
| 12 |
3 Der Vorsitzende der Überweisungsbehörde kann die Überwachung auch vorläufig genehmigen; in diesem Fall setzt er dem Staatsanwalt oder dem Vorsteher des Polizei- und Militärdepartements eine Frist zur Rechtfertigung der Massnahme durch Ergänzung der Akten oder in mündlicher Verhandlung.
| 13 |
4 Der Vorsitzende der Überweisungsbehörde begründet seinen Entscheid summarisch und eröffnet ihn dem Staatsanwalt bzw. dem Vorsteher des Polizei- und Militärdepartements innert fünf Tagen seit Beginn der Überwachung.
| 14 |
5 Das Verfahren ist auch gegenüber dem Betroffenen geheim.
| 15 |
3. Dauer der Überwachung und Verlängerung
| 16 |
§ 71c. Die Verfügung des Staatsanwalts oder des Vorstehers des Polizei- und Militärdepartements bleibt höchstens drei Monate in Kraft; sie kann jeweils um weitere drei Monate verlängert werden.
| 17 |
2 Die Verlängerungsverfügung ist der Überweisungsbehörde mit Akten und Begründung zehn Tage vor Ablauf der Frist zur Genehmigung einzureichen. Die Überweisungsbehörde eröffnet ihren Entscheid vor Beginn der Verlängerung. Für das Verlängerungsverfahren vor der Überweisungsbehörde sind im übrigen die Bestimmungen von § 71b Abs. 2, 3 und 4 sinngemäss anwendbar.
| 18 |
3 Der Vorsitzende der Überweisungsbehörde achtet darauf, dass die Überwachung nach Ablauf der Frist eingestellt wird.
| 19 |
4 Der Staatsanwalt oder der Vorsteher des Polizei- und Militärdepartements stellen die Überwachung ein, sobald sie nicht mehr notwendig ist, ihre Verfügung aufgehoben wird oder die Frist abgelaufen ist."
| 20 |
Gegen diese Gesetzesänderung ist das Referendum ergriffen worden. Die Stimmbürger des Kantons Basel-Stadt nahmen sie in der Volksabstimmung vom 26.-28. November 1981 an.
| 21 |
Hans Vest und die Demokratischen Juristen der Schweiz (Regionalgruppe Basel) reichten gegen diese Änderung der Strafprozessordnung beim Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde ein und verlangten die Aufhebung der §§ 71a bis 71c StPO/BS. ![]() ![]() | 22 |
Auszug aus den Erwägungen: | |
Erwägungen:
| 23 |
Erwägung 2 | |
24 | |
b) Das Bundesgesetz über die Bundesstrafrechtspflege (BStP) in der Fassung gemäss Bundesgesetz über den Schutz der persönlichen Geheimsphäre vom 23. März 1979 enthält Bestimmungen, die sich mit denjenigen des angefochtenen Erlasses des Kantons Basel-Stadt teilweise decken oder ihnen sehr nahekommen: Nach Art. 66 BStP kann der Post-, Telefon- und Telegrafenverkehr von Beschuldigten oder Verdächtigten unter gewissen Voraussetzungen überwacht werden; Art. 72 BStP erlaubt die Überwachung dieses Verkehrs sowie den Einsatz von technischen Überwachungsgeräten bereits vor der Einleitung der Voruntersuchung. Der Umstand, dass der Bundesgesetzgeber die Überwachung für den Kompetenzbereich der Bundesbehörden in einem Bundesgesetz in ähnlicher Weise ordnete wie der kantonale Gesetzgeber für den kantonalen Bereich, vermag die Befugnis des Bundesgerichts ![]() ![]() | 25 |
Erwägung 3 | |
26 | |
![]() | 27 |
Erwägung 4 | |
4.- a) Art. 36 Abs. 4 BV gewährleistet die Unverletzlichkeit des Post- und Telegrafengeheimnisses. Nach unbestrittener Lehre und Rechtsprechung gehört zum Schutzbereich dieser Verfassungsbestimmung auch das Telefongeheimnis (BGE 101 IV 351 E. 2; HANS HUBER, Das Post-, Telegraphen- und Telephongeheimnis und seine Beschränkung für Zwecke der Strafrechtspflege, in: SJZ 51/1955 S. 165; ANTOINE FAVRE, Droit constitutionnel suisse, 2. Aufl. 1970, S. 342; JEAN-FRANÇOIS AUBERT, Traité de droit constitutionnel suisse, Neuchâtel 1967, Nr. 2010; PETER NOLL, Technische Methoden zur Überwachung verdächtigter Personen im Strafverfahren, in: ZStrR 91/1975 S. 59; PETER HUBER, Der Schutz der persönlichen Geheimsphäre gemäss Bundesgesetz vom 23. März 1979, in: ZStrR 97/1980 S. 291). Die Verfassungsgarantie verbürgt den am Post-, Telefon- und Telegrafenverkehr beteiligten Personen eine Privat- und Geheimsphäre und schützt damit ihre individuelle Freiheit und Persönlichkeit (HANS HUBER, a.a.O., S. 167; AUBERT, a.a.O., Nr. 2010). Die von der Basler Strafprozessordnung vorgesehene Überwachung des Post-, Telefon- und Telegrafenverkehrs berührt damit ohne Zweifel die Garantie von Art. 36 Abs. 4 BV. Die Beschwerdeführer berufen sich weiter auch auf die persönliche Freiheit. Nach der Rechtsprechung schützt das ungeschriebene Verfassungsrecht der persönlichen Freiheit als zentrales Freiheitsrecht nicht nur die Bewegungsfreiheit und die körperliche Integrität, sondern darüber hinaus alle Freiheiten, die elementare Erscheinungen der Persönlichkeitsentfaltung darstellen (BGE 108 Ia 60 E. 4a, 107 Ia 55 E. 3a, 106 Ia 280 E. 3a, nicht publizierte E. 3a von BGE 109 Ia 146, mit Hinweisen). Hierzu zählt auch der Anspruch auf eine persönliche Geheimsphäre (BGE 109 Ia 158 E. 8b, 106 Ia 280 E. 3a, vgl. auch BGE 107 Ia 151). Für einen speziellen Fall des Briefverkehrs von Untersuchungsgefangenen behandelte das Bundesgericht auch das Briefgeheimnis unter dem Gesichtswinkel der persönlichen Freiheit (BGE 107 Ia 149 ff.; PETER SALADIN, Grundrechte im Wandel, 3. Aufl. 1982, S. XXXI). Soweit indessen wie im vorliegenden Fall ein Eingriff in das Post-, ![]() ![]() | 28 |
Die Unverletzlichkeit des Post-, Telefon- und Telegrafengeheimnisses ist nach dem Text von Art. 36 Abs. 4 BV ohne Vorbehalt gewährleistet. Dennoch ist nach Lehre und Rechtsprechung unbestritten, dass dieses Verfassungsrecht eingeschränkt werden kann, soweit dies auf gesetzlicher Grundlage, im öffentlichen Interesse und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit erfolgt (vgl. BGE 101 IV 351 E. 1; HANS HUBER, a.a.O., S. 165 und S. 168 ff.; YVO HANGARTNER, Grundzüge des schweizerischen Staatsrechts, Bd. II, Zürich 1982, S. 81). In gleicher Weise gilt auch ![]() ![]() | 29 |
b) Die angefochtene Regelung der Basler Strafprozessordnung sieht vor, dass die Überwachung des Post-, Telefon- und Telegrafenverkehrs sowie der Einsatz technischer Überwachungsgeräte geheim erfolgt. Die Beschwerdeführer rügen in diesem Zusammenhang eine Verletzung der Verteidigungsrechte des Angeschuldigten sowie von Art. 6 Ziff. 2 und 3 und Art. 13 EMRK. Soweit durch die Geheimhaltung der Überwachungsmassnahmen die Verteidigungsrechte der Angeschuldigten im Strafprozess beeinträchtigt werden sollten, können die angefochtenen Bestimmungen die aus Art. 4 BV abgeleiteten Grundsätze wie insbesondere den Anspruch auf rechtliches Gehör sowie die Garantien nach Art. 6 Ziff. 3 EMRK berühren. Inwiefern in diesem Zusammenhang aber die Unschuldsvermutung nach Art. 6 Ziff. 2 EMRK betroffen sein soll, ist nicht ersichtlich. Von Bedeutung ist hingegen Art. 13 EMRK, wonach jede in seinen Konventionsrechten verletzte Person eine wirksame Beschwerde bei einer nationalen Instanz einlegen kann. Diese Konventionsgarantie ist dabei dahingehend zu interpretieren, dass sie jedem, der eine Verletzung seiner durch die ![]() ![]() | 30 |
31 | |
d) Die Beschwerdeführer machen in verschiedenem Zusammenhang geltend, die angefochtene Regelung verstosse mangels genügender Bestimmtheit gegen das Legalitätsprinzip und gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit. Diese Rüge kann nach der Rechtsprechung im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle erhoben werden (BGE 108 Ia 143 E. c, Urteil vom 31. März 1965, in: ZBl 66/1965 S. 322 ff.). Das Bundesgericht hat zur Frage der Bestimmtheit von rechtlichen Normen in einigen wenigen Entscheiden Stellung genommen: Im zitierten Urteil aus dem Jahre 1965 hat es ein aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit fliessendes Gebot der hinreichend bestimmten Umschreibung und Umgrenzung der gesetzlichen Tatbestände (Tatbestandsbestimmtheit) anerkannt und eine Landschaftsschutzverordnung unter diesem Gesichtswinkel geprüft. Ähnlich äusserte sich das Bundesgericht in einem Urteil aus dem Jahre 1970 (Urteil vom 9. Juni 1970 i.S. Romang und Reichenbach). Im Zusammenhang mit der Prüfung einer Gesetzesinitiative führte das Bundesgericht im Jahre 1976 aus, Rechtssätze, d.h. allgemeine Normen, die verbindlich und auf Verwirklichung ausgerichtet sind, müssten in ihrem Inhalt zumindest minimal bestimmt sein; andernfalls hielten sie, gerade weil ihnen mehr als bloss programmatische Bedeutung zukommt, vor dem Gebote der Rechtssicherheit nicht stand (BGE 102 Ia 138, 141). In einem neuen Entscheid schliesslich prüfte das Bundesgericht im abstrakten Normkontrollverfahren ein Verbot ideeller Immissionen, ohne aber zur Problematik des Bestimmtheitserfordernisses ausdrücklich Stellung zu nehmen (BGE 108 Ia 143 E. c). Ähnliche Anforderungen an die gesetzliche Grundlage zur ![]() ![]() ![]() ![]() | 32 |
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts darf das Gebot nach Bestimmtheit rechtlicher Normen nicht in absoluter Weise verstanden werden. Es hat im zitierten Urteil aus dem Jahre 1965 ausgeführt, der Gesetz- und Verordnungsgeber könne nicht völlig darauf verzichten, allgemeine Begriffe zu verwenden, die formal nicht eindeutig generell umschrieben werden können und die an die Auslegung durch die Behörde besondere Anforderungen stellen; ohne die Verwendung solcher Begriffe wäre der Gesetzgeber nicht in der Lage, der Vielgestaltigkeit der Verhältnisse Herr zu werden (ZBl 66/1965 S. 324 f.). Angesichts der Unmöglichkeit allzu grosser Bestimmtheit und der damit verbundenen Gefahr der Starrheit hat auch der Europäische Gerichtshof anerkannt, dass viele Gesetze unvermeidlich in mehr oder weniger vage Begriffe gefasst werden und ihre Auslegung und Anwendung der Praxis zu überlassen sind (zitierte Urteile im Fall Sunday Times, § 49 und im Fall Silver, § 88). Darüber hinaus sprechen die Komplexität der im Einzelfall erforderlichen Entscheidung, die Notwendigkeit einer erst bei der Konkretisierung möglichen Wahl, die nicht abstrakt erfassbare Vielfalt der zu ordnenden Sachverhalte und das Bedürfnis nach einer sachgerechten Entscheidung im Einzelfall für eine gewisse Unbestimmtheit der Normen (DUBS, a.a.O., S. 241; COTTIER, a.a.O., S. 171 ff. und 201 f.). Für die Frage, welchen Bestimmtheitsgrad eine Norm für Eingriffe in Grundrechte aufweisen muss, differenziert die Lehre insbesondere danach, an wen sich die Norm wendet und ob sie Eingriffe in Verfassungsrechte erlaubt; darüber hinaus ist die Unbestimmtheit durch verfahrensrechtliche Garantien gewissermassen zu kompensieren (DUBS, a.a.O., S. 241 ff.; RENÉ A. RHINOW, Rechtssetzung und Methodik, Basel und Stuttgart 1979, S. 262 ff.; GEORG MÜLLER, Inhalt und Formen der Rechtssetzung als Problem der demokratischen Kompetenzordnung, Basel und Stuttgart 1979, S. 90 ff.; COTTIER, a.a.O., S. 206 ff.).
| 33 |
Nach diesen Grundsätzen wird bei der Beurteilung der von den Beschwerdeführern beanstandeten Regelungen zu prüfen sein, ob sie auch unter diesem Gesichtswinkel vor der Verfassung standhalten.
| 34 |
Erwägung 5 | |
35 | |
![]() | 36 |
Erwägung 6 | |
6.- a) Die Beschwerdeführer beanstanden vorerst, dass die Voraussetzungen für die Überwachung des Post-, Telefon- und Telegrafenverkehrs sowie für den Einsatz technischer Überwachungsgeräte im Gesetz zu unbestimmt und zu weit umschrieben seien. Der Gesetzgeber habe sich nicht darum bemüht, die Eingriffe in verfassungsmässige Rechte durch einen Deliktskatalog - ähnlich der deutschen Regelung (§ 2 Abs. 1 G 10 und § 100a StPO/BRD) - zu begrenzen. In Anbetracht der Zuständigkeit der Kantone zur Strafverfolgung habe die Formulierung, derartige Überwachungsmassnahmen könnten angeordnet werden, "wenn ein Verbrechen oder Vergehen, dessen Schwere oder Eigenart den Eingriff rechtfertigt" (§ 71a Abs. 1 lit. a StPO/BS), zur Folge, dass auch in ausgesprochenen Bagatellfällen eine Überwachung möglich sei (vgl. hierzu DETLEF KRAUSS, Zur Reform der baselstädtischen Strafprozessordnung, in: Festschrift für Kurt Eichenberger, Basel-Frankfurt 1982, S. 768 f.). Eine derart weite Ausdehnung sei indessen nicht notwendig. Der Bund habe für seinen Kompetenzbereich nach der Bundesstrafprozessordnung die Möglichkeit zu entsprechenden Überwachungsmassnahmen. Die Praxis zeige denn auch, dass die Kantone - abgesehen allenfalls von Fällen von Delikten gegen das Betäubungsmittelgesetz - auf eine entsprechende Überwachungskompetenz nicht angewiesen seien. Aus diesen Gründen erweise sich die Regelung in der Basler ![]() ![]() | 37 |
b) Nach Art. 340 StGB untersteht der Bundesgerichtsbarkeit eine verhältnismässig kleine Gruppe von Delikten, wie insbesondere Staatsschutzdelikte, Straftaten gegen den Bund und Sprengstoffdelikte. Es kann nicht übersehen werden, dass nicht nur solche Straftaten den demokratischen Rechtsstaat auf das Schwerste gefährden können, sondern darüber hinaus auch zahlreiche andere Rechtsverletzungen, die der kantonalen Gerichtsbarkeit unterstehen. Straftaten von politischen Überzeugungstätern etwa können nach der schweizerischen Gesetzgebung gemeinrechtliche Tatbestände darstellen und sind daher von den Kantonen zu verfolgen. Man denke an die durch Personen mit Verbindungen zu terroristischen Gruppen begangenen Tötungsdelikte, die in den letzten Jahren in der Schweiz zu beurteilen waren. Selbst wenn einzig auf den Begriff des Terrorismus im Sinne des Europäischen Übereinkommens zur Bekämpfung des Terrorismus vom 27. Januar 1977 (AS 1983 S. 1040) abgestellt würde, fielen darunter eine Reihe von Delikten, für deren Verfolgung die Kantone zuständig sind. Aber auch andere Straftaten wie etwa der Drogenhandel sind geeignet, den demokratischen Rechtsstaat und die öffentliche Ruhe und Ordnung schwer zu gefährden. Weiter ist zu beachten, dass die an sich der Bundesgerichtsbarkeit unterstehenden Strafsachen aufgrund von Art. 344 StGB zur Verfolgung den kantonalen Behörden delegiert werden können, so dass nach Art. 247 Abs. 3 BStP auch auf diesen Gebieten kantonales Strafprozessrecht zur Anwendung gelangt (Martin Schubarth, Kommentar zum schweizerischen Strafrecht, Besonderer Teil, Bd. 3, Bern 1984, N. 17 zu Art. 179octies/Art. 400bis). Aus diesen Gründen erscheint es unter diesem Gesichtswinkel nicht als unverhältnismässig, zur Verbrechensbekämpfung in Bereichen, die über die Bundesgerichtsbarkeit hinausgehen, die Überwachung des Post-, Telefon- und Telegrafenverkehrs sowie den Einsatz von technischen Überwachungsgeräten vorzusehen. Es kann darin auch kein Verstoss gegen Art. 8 EMRK erblickt werden, der in Ziff. 2 Einschränkungen der Konventionsgarantie nicht auf Gründe des Staatsschutzes beschränkt. Der Europäische Gerichtshof hat denn auch Überwachungsmassnahmen nicht nur zum Schutz der nationalen Sicherheit, sondern auch zur Sicherung der Ordnung sowie zur Verhütung von strafbaren Handlungen als zulässig erklärt (Urteil Klass, § 48). c) Es stellt sich weiter die Frage, ob ohne Verletzung des Grundsatzes ![]() ![]() | 38 |
d) Zur Beurteilung der Voraussetzungen, unter denen Überwachungsmassnahmen angeordnet werden können, sind über den Vorbehalt von § 71a Abs. 1 lit. a StPO/BS hinaus die weitern Anforderungen für die Überwachung in Betracht zu ziehen. Nach § 71a Abs. 1 lit. b StPO ist für die Anordnung von Überwachungsmassnahmen weiter notwendig, dass "bestimmte Tatsachen die zu überwachende Person als Täter oder Teilnehmer verdächtig machen". Es wird demnach gefordert, dass - analog zur Anordnung von Untersuchungshaft - konkrete Umstände und Erkenntnisse den dringenden Verdacht begründen, dass die zu überwachende Person eine strafbare Handlung ausführt oder begangen hat. Die ![]() ![]() | 39 |
40 | |
Erwägung 7 | |
7.- Die Beschwerdeführer halten neben der Überwachung des Post-, Telefon- und Telegrafenverkehrs insbesondere den Einsatz ![]() ![]() | 41 |
Es kann in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Europäischen Gerichtshofes nicht übersehen werden, dass Spionage, Terrorismus und Kriminalität mit der Entwicklung der Technik auch in diesem Bereich sich sehr verfeinerter Formen bedienen und die Möglichkeit haben, technische Mittel in der Art von akustischen oder optischen Überwachungsgeräten einzusetzen. Dem Rechtsstaat kann daher nicht verwehrt sein, dem mit entsprechenden Massnahmen zu begegnen; denn es kann nicht der Sinn einer freiheitlichen, demokratischen Staatsordnung sein, dass sie sich ohne gleichwertige Verteidigungsmöglichkeiten ihren Gegnern ausliefert. Auf der andern Seite verlangt aber gerade auch die Aufrechterhaltung einer solchen freiheitlichen Ordnung, die Mittel und Eingriffe zu beschränken. Der Rechtsstaat unterscheidet sich dadurch von seinen Gegnern, dass er sich nicht derselben Methoden bedient wie diese (NOLL, a.a.O., S. 47). So vermag der Umstand, dass Terroristen vor der Folter nicht zurückschrecken, deren Anwendung durch den Rechtsstaat nicht zu rechtfertigen; sie ist denn auch durch die Garantie der persönlichen Freiheit und durch Art. 3 EMRK ausgeschlossen. In gleicher Weise ist der Einsatz von Lügendetektoren, der Narkoanalyse oder von Wahrheitsseren als Methode der Wahrheitsermittlung verfassungsrechtlich unzulässig (ROBERT HAUSER, Kurzlehrbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, 1. Aufl. 1978, S. 83 f.). Solche Untersuchungsmethoden bedeuteten einen Einbruch in den seelischen Eigenraum des Menschen (JÖRG PAUL MÜLLER, Die Grundrechte der Verfassung und der Persönlichkeitsschutz des Privatrechts, Bern 1964, S. 158 f.). Dem Betroffenen würden dadurch gegen seinen Willen oder unter Umgehung seines Willens Aussagen entlockt, oder seine Willensbildung würde überhaupt ausgeschaltet (MARKUS MEYER, Der Schutz der persönlichen Freiheit im rechtsstaatlichen Strafprozess, Diss. Zürich 1961, S. 257 und 266; PHILIPPE MASTRONARDI, Der Verfassungsgrundsatz der Menschenwürde in der Schweiz, Berlin 1978, S. 255 und 236 f.). Solche Methoden ![]() ![]() | 42 |
Erwägung 8 | |
43 | |
Die Überwachung des Telefonanschlusses eines Verdächtigten oder Angeschuldigten bringt es immer mit sich, dass neben diesem auch eine Drittperson, mit der dieser spricht, abgehört wird. Diese Beeinträchtigung des Gesprächspartners ist als unvermeidliche Nebenfolge jeder Telefonabhörung in Kauf zu nehmen (BVerfGE 30 S. 22; NOLL, a.a.O., S. 68).
| 44 |
Über den Kreis der Angeschuldigten und Verdächtigten können nach § 71a Abs. 2 StPO/BS auch Drittpersonen überwacht werden, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen angenommen werden muss, ![]() ![]() ![]() ![]() | 45 |
Darüber hinaus kann nach § 71a Abs. 2 StPO/BS der Telefonanschluss von Dritten stets überwacht werden, wenn der Verdacht begründet ist, dass der Angeschuldigte ihn benutzt. Soll die Überwachung eines Angeschuldigten überhaupt einen Sinn haben, dann muss auch diese Form der Überwachung zugelassen werden. Andernfalls wäre derjenige, der über keinen eigenen Telefonanschluss verfügt, ohne ersichtlichen Grund besser gestellt als ein Angeschuldigter mit eigenem Anschluss. Ein Angeschuldigter könnte sich auch ohne weiteres einer Telefonüberwachung entziehen, indem er ausschliesslich das Telefon von Angehörigen und Freunden oder öffentliche Sprechstellen benützt. Im Sinne einer wirkungsvollen Verbrechensbekämpfung ist diese Telefonüberwachung unter dem Gesichtswinkel des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit haltbar und verstösst nicht gegen die Verfassung. Sie entspricht weitgehend auch dem zitierten deutschen Recht (vgl. BVerfGE 30 S. 22; NOLL, a.a.O., S. 69). Die Beschwerdeführer beanstanden in diesem Zusammenhang aber insbesondere, dass auch der Anschluss von zeugnisverweigerungsberechtigten Personen wie von Verwandten oder von Ärzten, Anwälten und Geistlichen überwacht werden könne. Dabei geht es nur um die Telefonüberwachung; der Post- und Telegrafenverkehr von zeugnisverweigerungsberechtigten Personen darf nach § 71a Abs. 2 Satz 2 StPO/BS in keinem Falle kontrolliert werden. Aus den oben dargelegten Gründen ist aber auch diese Form der Telefonüberwachung zu billigen. Demnach ergibt sich gesamthaft, dass die angefochtene Überwachung des Post-, Telefon- und Telegrafenverkehrs auch insofern vor der Verfassung standhält, als sie Drittpersonen betrifft.
| 46 |
Erwägung 9 | |
47 | |
Wie der Regierungsrat in seiner Vernehmlassung zutreffend ausführt, ist die Verbrechensverhütung durch die Polizei mindestens ebenso wichtig wie die Verfolgung und Abwendung begangener Straftaten durch die Strafjustiz. Es wäre in der Tat wenig ![]() ![]() | 48 |
b) Die Beschwerdeführer bringen in diesem Zusammenhang unter Hinweis auf die Literatur vorerst vor, dass Normen, die der Vorbeugung von Straftaten dienen, nicht ins Strafprozessrecht, sondern allenfalls in ein ausgebautes Polizeirecht gehören (vgl. NOLL, a.a.O., S. 62 f.; KRAUSS, a.a.O., S. 769). Es mag zutreffen, dass die vom Basler Gesetzgeber gewählte Systematik nicht befriedigt. Doch kann in diesem Umstand allein keine Verfassungsverletzung erblickt werden. Gewichtiger ist der Einwand der Beschwerdeführer, die präventive Überwachung sei unnötig und bedeute daher einen unverhältnismässigen Eingriff in verfassungsmässige Garantien, weil nach Art. 260bis StGB und Art. 18 Ziff. 1 des Bundesgesetzes über die Betäubungsmittel (BetmG) für schwere Delikte bereits Vorbereitungshandlungen strafbar sind und demnach schon in dieser Phase die Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft gegeben ist. Zudem mache die Zuständigkeit der Bundesbehörden auf dem Gebiet des Staatsschutzes die repressive Überwachung verdächtigter Personen durch den Kanton überflüssig (vgl. NOLL, a.a.O., S. 65). Es ist den Beschwerdeführern unter diesem Gesichtswinkel durchaus einzuräumen, dass in Anbetracht der erwähnten Strafbestimmungen die präventive Überwachung auf kantonaler Ebene nur eine eingeschränkte Bedeutung haben kann. Dennoch ist sie nicht überflüssig und zur Verhütung von gewichtigen Verbrechen und Vergehen gegen die Öffentlichkeit gerechtfertigt. Die Vorverlegung der Strafbarkeit auf Vorbereitungshandlungen nach Art. 260bis StGB und Art. 19 Ziff. 1 BetmG schliesst es nicht aus, dass sich in andern Fällen aus dem Bereich der kantonalen Strafhoheit Eingriffe zur Verhinderung von Straftaten als notwendig erweisen. Zu erinnern ist etwa an Delikte aus ![]() ![]() | 49 |
50 | |
Es trifft in der Tat zu, dass die Voraussetzungen für die präventive Überwachung mit der Verweisung auf die repressive Überwachung wenig präzise umschrieben sind. Die Anforderungen nach § 71a Abs. 1 StPO/BS gelten sinngemäss aber auch für die Überwachung nach § 71a Abs. 3 StPO/BS. Das heisst zum einen, dass die Überwachung lediglich zur Verhinderung einer Straftat eingesetzt wird, die den Eingriff tatsächlich rechtfertigt. Es wäre vor dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit nicht haltbar, die Überwachung zur Verhinderung von minder schweren Straftaten anzuordnen; nur soweit es sich um schwere Delikte gegen die Öffentlichkeit wie die oben erwähnten handelt, kann die Überwachung gerechtfertigt sein. Die ausdrückliche Bestimmung von Art. 72 Abs. 2 BStP hat daher auch für die Regelung von § 71a Abs. 3 StPO/BS zu gelten, um vor der Verfassung standzuhalten. Ferner müssen bestimmte Umstände darauf schliessen lassen, dass eine bestimmte Person tatsächlich gewisse Straftaten vorbereitet (vgl. auch Art. 72 Abs. 2 BStP). Die Überwachung darf nicht dazu dienen, einen solchen Verdacht überhaupt erst zu begründen (PETER, a.a.O., S. 307). Schliesslich darf die vorgesehene Überwachung auch im Bereiche der Prävention nur subsidiär zu andern polizeilichen Ermittlungen angewendet werden.
| 51 |
Mit diesen Anforderungen wird die Anwendung der präventiven Überwachungsmassnahmen bereits wesentlich, wenn auch nicht in absolut bestimmter Weise eingeschränkt. Die nicht abstrakt erfassbare ![]() ![]() | 52 |
Erwägung 10 | |
10.- Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil Klass eingeräumt, dass die geheime Überwachung des Post- und Telefonverkehrs in einer demokratischen Gesellschaft bei einer ausserordentlichen Situation zum Schutze der nationalen Sicherheit und zur Sicherung der Ordnung sowie zur Verhütung von strafbaren Handlungen notwendig sein kann (Urteil Klass, § 48). Er betonte indessen, die Demokratie dürfe nicht mit der Begründung, sie zu verteidigen, untergraben oder zerstört werden (Urteil Klass, § 49). Es müssten daher angemessene und wirksame Garantien gegen Missbräuche vorhanden sein (Urteil Klass, § 50). Der Grundsatz der Vorherrschaft des Rechts verlange, dass Eingriffe in die Rechte des Einzelnen einer wirksamen Kontrolle unterliegen, die normalerweise von der rechtsprechenden Gewalt sichergestellt werden müsse (Urteil Klass, § 55). Aus diesen Gründen sei es wünschenswert, dass auf einem Gebiet, in dem Missbräuche in Einzelfällen so leicht möglich sind und derart schädliche Folgen für die demokratische Gesellschaft haben können, ein Richter mit der Kontrolle betraut werde (Urteil Klass, § 56).
| 53 |
Es ist zu prüfen, ob die angefochtene Regelung der Basler Strafprozessordnung diesen Anforderungen des Europäischen Gerichtshofes genügt. Nach § 71b Abs. 1 StPO/BS ist die Verfügung, mit der die Überwachung angeordnet wird, innert 24 Stunden dem Vorsitzenden der Überweisungsbehörde zur Genehmigung einzureichen. Dieser prüft die Verfügung und hebt sie auf, falls er eine ![]() ![]() | 54 |
Bei der Beurteilung dieses Verfahrens ist insbesondere in Betracht zu ziehen, dass eine richterliche Behörde die Überwachung genehmigen muss - im Gegensatz zum deutschen Recht, das in § 7 Abs. 1 G 10 lediglich die Aufsicht durch einen zum Richteramt befähigten Beamten vorsieht. Die erstmalige Überwachung ist durch den Präsidenten der Überweisungsbehörde, Verlängerungen sind durch die Überweisungsbehörde als Kollegium zu genehmigen. Diese richterliche Behörde ist nicht an Weisungen der Exekutive oder der Verfolgungsbehörden gebunden und demnach unabhängig (vgl. § 1, 11 und 33 des Gesetzes betreffend Wahl und Organisation der Gerichte und der richterlichen Beamtungen vom 27. Juni 1895). Es kommt ihr eine volle Rechtskontrolle zu, und sie kann prüfen, ob das Ermessen überschritten oder missbraucht worden ist. Sie hat die Anordnung der Überwachung insbesondere auf die erwähnten strengen Anforderungen hin zu überprüfen. Darüber hinaus hat sie darauf zu achten, dass die Überwachung eingestellt wird, wenn die Frist abgelaufen ist oder die Verfügung aufgehoben wird. Es ist auch zu berücksichtigen, dass die Überwachung mit einer Dauer von drei Monaten und der Möglichkeit der Verlängerung um je weitere drei Monate nicht masslos ist. Bei dieser Sachlage ergibt sich, dass das vom Basler Gesetzgeber gewählte System den Anforderungen des Europäischen Gerichtshofes genügt und geeignet ist, Missbräuchen zu begegnen. Diese weitgehende obligatorische Kontrolle durch eine richterliche Behörde bietet dem Betroffenen angesichts der Eigenart der Überwachungsmassnahmen einen hinreichenden Schutz, auch wenn dieser kein eigentliches Rechtsmittel ergreifen kann. Die von den Beschwerdeführern gerügte Unbestimmtheit in der Formulierung der Eingriffsvoraussetzungen erfährt damit trotz der Tragweite der Grundrechtseingriffe eine genügende verfahrensmässige Kompensation im Sinne der obenstehenden Erwägungen (E. 4d).
| 55 |
Erwägung 11 | |
56 | |
Diese Verletzung erblicken sie zum einen darin, dass nach § 71a Abs. 4 StPO/BS Aufzeichnungen, die für die Untersuchung nicht notwendig sind, gesondert unter Verschluss gehalten und nach Abschluss des Verfahrens vernichtet werden. Es ist nicht ersichtlich, wie diese dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit dienende Bestimmung die Verteidigungsrechte des Angeschuldigten beeinträchtigen könnte. Von einer Verletzung von Art. 4 BV und Art. 6 Ziff. 3 EMRK kann unter diesem Gesichtswinkel nicht die Rede sein.
| 57 |
Zum andern erachten die Beschwerdeführer die Verteidigungsrechte dadurch beeinträchtigt, dass auch im Falle der Durchführung eines Strafverfahrens den Angeschuldigten keine Kenntnis von der Überwachung gegeben werde. Diese Befürchtung erweist sich im Lichte der aus Art. 4 BV abgeleiteten Grundsätze als unbegründet. Danach hat der Angeschuldigte im Strafverfahren unter anderem Anspruch darauf, an den Beweiserhebungen teilzunehmen, vom Ergebnis eines Beweisverfahrens Kenntnis zu nehmen und dazu Stellung zu beziehen; hierfür ist ihm Gelegenheit zur Einsicht in die entsprechenden Akten zu gewähren (BGE 101 Ia 296, mit Hinweisen). Es versteht sich angesichts der Eigenart der Überwachungsmassnahmen von selbst, dass den Angeschuldigten keine Gelegenheit eingeräumt werden kann, an der Beweiserhebung selbst teilzunehmen (vgl. BGE 104 Ia 71, mit Hinweisen). Doch verlangt Art. 4 BV, dass ihm von der Beweiserhebung Kenntnis gegeben wird und er Gelegenheit erhält, sich dazu zu äussern. Das Bundesgericht hat denn auch ausdrücklich anerkannt, dass es nie zu einer Verurteilung aufgrund von dem Angeklagten unbekannten Akten kommen kann (BGE 101 Ia 18). Eine Verletzung der aus Art. 4 BV abgeleiteten Grundsätze oder von Art. 6 Ziff. 3 EMRK ist daher nicht ersichtlich. Eine solche kann auch nicht darin erblickt werden, dass der Angeschuldigte erst in einem späteren Zeitpunkt von der Beweiserhebung Kenntnis erhält, sofern er sich im Hinblick auf die gerichtliche Verhandlung hinreichend vorbereiten kann (vgl. BGE 106 Ia 224, 105 Ia 380). Die Beschwerdeführer verweisen in diesem Zusammenhang darüber hinaus ausdrücklich auf § 71b Abs. 5 StPO/BS, wonach das Verfahren auch gegenüber dem Betroffenen geheimbleibt. Diese Bestimmung ist indessen unter Berücksichtigung der oben erwähnten Grundsätze verfassungskonform so auszulegen, dass die ![]() ![]() | 58 |
Erwägung 12 | |
12.- Schliesslich wird in der Beschwerde § 71b Abs. 5 StPO/BS beanstandet, wonach das Verfahren auch gegenüber den Betroffenen geheimbleibt. Die Beschwerdeführer erblicken im Umstand, dass den überwachten Personen nachträglich von den Massnahmen keine Kenntnis gegeben werden soll, eine Verletzung der persönlichen Freiheit, von Art. 36 Abs. 4 BV und von Art. 8 EMRK. Ferner erachten sie dadurch Art. 13 EMRK als verletzt. Wie sich aus der vorangehenden Erwägung (E. 11) ergibt, hat diese Rüge nur Bedeutung für diejenigen Fälle, die nicht zu einem Strafverfahren führen.
| 59 |
a) Angesichts der Eigenart der Überwachung des Post-, Telefon- und Telegrafenverkehrs und des Einsatzes von technischen Überwachungsgeräten, welche sinnvollerweise nur geheim erfolgen können, ist eine nachträgliche Mitteilung für den Betroffenen insofern nur von geringem unmittelbaren Nutzen, als die bereits durchgeführten Massnahmen nachträglich nicht rückgängig gemacht werden können. Dieser Umstand allein spricht indessen keineswegs dafür, eine nachträgliche Mitteilung generell auszuschliessen. Es ist vielmehr zu beachten, dass die von der Basler Strafprozessordnung vorgesehenen Überwachungsmassnahmen schwere Eingriffe in die genannten Verfassungsrechte bedeuten, die nur unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden können. Dieser Grundsatz verbietet es aber, dass von einer nachträglichen Bekanntgabe generell in jedem Fall abgesehen wird. Wegen der Eigenart der hier streitigen Überwachungsmassnahmen wird mit deren Durchführung bereits heimlich in die Sphäre des Bürgers eingegriffen. Wird die nachträgliche Benachrichtigung ganz allgemein ausgeschlossen, würde die Geheimhaltung der durchgeführten Überwachungsmassnahmen darüber hinaus stets aufrechterhalten. Dies aber ist mit dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit nicht vereinbar und in einem demokratischen Rechtsstaat nicht haltbar. Demnach ist vielmehr zu fordern, dass den Betroffenen grundsätzlich von den durchgeführten Überwachungsmassnahmen nachträglich Kenntnis gegeben wird. Dies hat für die präventive und die repressive ![]() ![]() | 60 |
Diese Folgerung ergibt sich auch unter dem Gesichtswinkel von Art. 13 EMRK. Danach hat jede Person, welche eine Verletzung eines Konventionsrechts behauptet, Anspruch auf eine wirksame Beschwerde bei einer nationalen Instanz (Urteil Klass, § 64; zitiertes Urteil im Fall Silver, § 113; Bericht der Europäischen Menschenrechtskommission i.S. Kaplan vom 17. Juli 1980, E. 172 ff., in: Décisions et Rapports, Bd. 21, S. 35/70; TRECHSEL, a.a.O., S. 154). Es ist oben dargelegt worden, dass die hier streitigen Überwachungsmassnahmen die Garantien nach Art. 8 EMRK berühren. Soll eine wirksame Beschwerde im Sinne von Art. 13 ![]() ![]() | 61 |
62 | |
Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat in seinem zitierten Entscheid für den Bereich der präventiven Überwachung Ausnahmen von der nachträglichen Mitteilung vorbehalten für die Fälle, in denen eine Bekanntgabe eine Gefährdung des Zweckes der Überwachungsmassnahme mit sich bringen würde (BVerfGE 30 S. 21 und S. 31 f.; vgl. den neuen § 5 Abs. 5 G 10, wonach die Überwachung mitzuteilen ist, wenn eine Gefährdung des Zweckes der Beschränkung ausgeschlossen werden kann).
| 63 |
Der Europäische Gerichtshof hat hiezu ausgeführt, dass eine nachträgliche Bekanntgabe gegenüber jeder überwachten Person den langfristigen Zweck sehr wohl gefährden könne, der seinerzeit die Anordnung ausgelöst hat. Da die Wirksamkeit der geheimen Überwachung gerade im Umstand liegen kann, dass der Betroffene nicht unterrichtet wird, sei darin kein Verstoss gegen Art. 8 EMRK zu erblicken (Urteil Klass, § 58). Der Ausschluss der nachträglichen Benachrichtigung, soweit er durch die Gefährdung des Zweckes der Überwachungsmassnahme gerechtfertigt ist, stelle demnach auch keinen Verstoss gegen Art. 13 EMRK dar (Urteil Klass, § 68).
| 64 |
Gleiche Überlegungen haben auch für die angefochtenen Bestimmungen der Basler Strafprozessordnung Gültigkeit. Es kann ![]() ![]() | 65 |
66 | |
Das Bundesgericht hebt im abstrakten Normkontrollverfahren eine kantonale Vorschrift nur auf, wenn sie sich jeder verfassungs- und konventionskonformen Auslegung entzieht, nicht jedoch, wenn sie einer solchen in vertretbarer Weise zugänglich ist (oben E. 2a). Bei dieser Beurteilung ist grundsätzlich vom Wortlaut der ![]() ![]() | 67 |
Nach § 71b Abs. 5 StPO/BS ist das Verfahren gegenüber dem Betroffenen geheim. Die Bestimmung findet sich im Kapitel "Verfahren", das die obligatorische Überprüfung durch eine richterliche Behörde ordnet. Aus dem Wortlaut und der Systematik ist demnach ersichtlich, dass sich die Geheimhaltung von § 71b Abs. 5 StPO/BS auf das richterliche Überprüfungsverfahren bezieht; die Bestimmung enthält keine Vorschrift über die nachträgliche ![]() ![]() ![]() | 68 |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |