BVerfGE 7, 111 - Bayerische Flugblätter | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: A. Tschentscher, Marcel Schröer | |||
Beschluß |
des Ersten Senats vom 3. Oktober 1957 |
- 1 BvR 194/52 - |
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde des Rentners Paul H. |
Entscheidungsformel: |
Das Urteil des Amtsgerichts Straubing vom 26. Juli 1951 - Csc 1924 a - d/51 - und der Beschluß des 1. Strafsenats des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 11. März 1952 - RevReg. Nr. III 915/1951 - verletzen das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art.2 Abs.1 GG und werden insoweit aufgehoben. |
Die Sache wird an das Bayerische Oberste Landesgericht zurückverwiesen. |
Die §§ 1 und 2 der bayerischen Oberpolizeilichen Vorschriften über die öffentliche Verbreitung von Plakaten, Flugblättern und Flugschriften in der Fassung vom 8. Mai 1929 (GVBl. S. 58) waren vom 7. September 1949 an unwirksam, soweit sie sich auf das Verhalten von Teilnehmern am Straßenverkehr bezogen. |
Gründe: | |
I. | |
1. Der Beschwerdeführer ist durch Urteil des Amtsgerichts Straubing vom 26. Juli 1951 - Csc 1924 a - d/51- wegen einer mit drei anderen gemeinschaftlich begangenen Übertretung nach § 366 Ziff. 10 StGB und Art. 2 Ziff. 6 PolStGB in Verbindung mit "oberpolizeilicher Vorschrift vom 8. Mai 1929, betreffend die öffentliche Verbreitung von Plakaten, Flugblättern und Flugschriften (GVBl. S. 58)", zu einer Geldstrafe von 50 DM, ersatzweise 5 Tagen Haft, verurteilt worden.
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Nach den Feststellungen des Amtsgerichts hatten die Angeklagten in der Nacht vom 26. zum 27. Mai 1951 in verschiedenen Ortschaften des Landkreises Straubing von einem Kraftwagen aus Flugblätter politischen Inhalts auf die Straße geworfen, um sie so unter die Bevölkerung zu verteilen. Die Flugblätter waren vorher der Bezirkspolizeibehörde nicht vorgelegt worden.
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In dem auf Antrag des Verteidigers der Angeklagten eingeleiteten Verfahren nach Art. 98 Satz 4 der bayerischen Verfassung hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof durch Urteil vom 1. Februar 1952 (Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes N. F. Band 5 Teil II S. 13) entschieden, daß § 2 der Oberpolizeilichen Vorschriften über die öffentliche Verbreitung von Plakaten, Flugblättern und Flugschriften in der Fassung der Bekanntgabe vom 8. Mai 1929 (im folgenden: Oberpolizeiliche Vorschriften) durch die Verfassung des Freistaates Bayern vom 2. Dezember 1946 nicht aufgehoben worden sei.
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Die Revisionen des Beschwerdeführers und der übrigen Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Straubing wurden durch Beschluß des 1. Strafsenats des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 11. März 1952 - RevReg. Nr. III 915/1951 unter Hinweis auf die Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes als offensichtlich unbegründet verworfen. Dieser Beschluß ist dem Beschwerdeführer und seinem Verteidiger am 9. April 1952 zugestellt worden.
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Mit Schriftsatz vom 19. April 1952, eingegangen am 23. April 1952, erhob der Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde. Er macht im wesentlichen geltend, die der Verurteilung zugrunde liegenden Oberpolizeilichen Vorschriften verstießen gegen das Grundrecht des Art. 5 GG, da sie in § 1 ein generelles Verbreitungsverbot von Flugschriften und in § 2 eine unzulässige Vorzensur enthielten.
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Die Oberpolizeilichen Vorschriften sind durch § 4 Abs. 2 der bayerischen Verordnung über die öffentliche Verbreitung von Plakaten, Flugblättern und Flugschriften vom 7. November 1951 (GVBl. S. 214) mit Wirkung vom 1. November 1951 an aufgehoben worden.
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2. Das Bundesverfassungsgericht hat nach § 94 BVerfGG dem Bundesminister der Justiz und dem Bayerischen Staatsministerium der Justiz Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Der Bundesminister der Justiz hat von einer Stellungnahme abgesehen.
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Das Bayerische Staatsministerium der Justiz führt aus, die §§ 1 und 2 der Oberpolizeilichen Vorschriften hätten zwar - was im einzelnen näher dargelegt wird- nicht gegen Art. 5 GG verstoßen, jedoch sei zweifelhaft, ob und inwieweit sie mit der vom 7. September 1949 an nach Art. 125 i.V. m. Art. 74 Nr. 2 GG als Bundesrecht weitergeltenden Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) vereinbar gewesen seien.
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Gegen die Vereinbarkeit spreche die vom Bayerischen Obersten Landesgericht in späteren Entscheidungen, insbesondere in der Entscheidung vom 22. Oktober 1952 (BayObLGSt. 1952 S. 211), vertretene Ansicht. Danach sei § 2 der Verordnung vom 7. November 1951 insoweit mit § 42 StVO unvereinbar, als diese Vorschrift das Verbreiten von Flugblättern und Flugschriften durch Teilnehmer am Straßenverkehr unter der Voraussetzung mit Strafe bedrohe, daß die Flugblätter und Flugschriften nicht mindestens 24 Stunden vorher der Kreisverwaltung zur Kenntnisnahme vorgelegt worden seien. Nach dieser Entscheidung habe § 42 i.V. m. § 1 StVO das hier in Betracht kommende Gebiet erschöpfend geregelt mit der Folge, daß eine landesrechtliche Vorschrift außer Kraft trete, die auf Grund des § 366 Nr. 10 StGB zur Aufrechterhaltung der Sicherheit, Bequemlichkeit und Ruhe auf den öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen ergangen sei.
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Folge man dieser Entscheidung, so müsse auch § 2 der Oberpolizeilichen Vorschriften als mit der StVO unvereinbar angesehen werden. Das gleiche gelte dann aber auch für § 1 der Oberpolizeilichen Vorschriften, der die Verbreitung von Plakaten, Flugblättern und Flugschriften einschränke.
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Sollte aus diesem Grunde für die Verurteilung des Beschwerdeführers keine gesetzliche Grundlage bestehen, so bestünden dennoch Bedenken gegen eine Aufhebung des Beschlusses des Bayerischen Obersten Landesgerichts. Mit der Verfassungsbeschwerde werde die Überprüfung der Gesetzesauslegung des Revisionsgerichts gefordert. Im vorliegenden Falle seien über die Anwendung der in Betracht kommenden Vorschriften verschiedene rechtliche Meinungen möglich, wie gerade der Wandel der Rechtsprechung des Bayerischen Obersten Landesgerichts gezeigt habe. Anhaltspunkte für eine willkürliche Entscheidung des Gerichts seien nicht vorhanden. Anders wäre der Fall zu beurteilen, wenn das Revisionsgericht seiner Entscheidung ein ausdrücklich aufgehobenes Gesetz zugrunde gelegt hätte. Nur wenn eine solche offenkundig falsche Gesetzesauslegung vorliege, dürfe das Bundesverfassungsgericht die angegriffene Entscheidung aufheben.
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Der Beschwerdeführer hat auf mündliche Verhandlung verzichtet.
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II. | |
1. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Ihr Gegenstand ist das Urteil des Amtsgerichts Straubing vom 26. Juli 1951 und der dieses bestätigende Beschluß des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 11. März 1952.
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Es ist unschädlich, daß der Beschwerdeführer es unterlassen hat, die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zu beantragen. Ein solcher Antrag ist vom Gesetz nicht vorgeschrieben (§ 92 BVerfGG). Es genügt, daß das mit der Verfassungsbeschwerde verfolgte Ziel des Beschwerdeführers aus dem Zusammenhang seines Vorbringens ersichtlich ist.
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2. Der Beschwerdeführer führt aus, er fühle sich "in seinen Grundrechten" verletzt. Ausdrücklich benennt er nur das Grundrecht der freien Meinungsäußerung; damit zielt er aber nicht so sehr gegen die gerichtliche Entscheidung als solche, als vielmehr gegen die ihr zugrunde liegenden Oberpolizeilichen Vorschriften. Würdigt man jedoch sein Vorbringen im Zusammenhang, so ergibt sich, daß er geltend machen will, er sei ohne gesetzliche Grundlage, nämlich auf Grund einer nichtigen oder nicht mehr gültigen Norm, bestraft worden. Er rügt also im Grunde eine Verletzung des Art. 2 Abs. 1 GG durch die strafrichterliche Entscheidung. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob die der Entscheidung zugrunde liegende Vorschrift gerade wegen eines Verstoßes gegen das Grundrecht der freien Meinungsäußerung nichtig ist oder aus anderen Gründen.
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III. | |
Die Verfassungsbeschwerde ist begründet.
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Die der Verurteilung des Beschwerdeführers zugrunde liegenden §§ 1 und 2 der Oberpolizeilichen Vorschriften lauteten:
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"§ 1. Plakate, Flugblätter und Flugschriften dürfen an und auf öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen nur dann angeschlagen, ausgestellt, verbreitet oder sonst der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, wenn sie lediglich Ankündigungen über nicht verbotene Versammlungen oder in geschäftsüblicher Form gehaltene wirtschaftliche oder Vergnügungsanzeigen enthalten.
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Diese Bestimmung bezieht sich nicht auf amtliche Bekanntmachungen öffentlicher Behörden.
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Plakate, Flugblätter und Flugschriften aus Anlaß von Versammlungen dürfen hierbei nur die zur Bekanntgabe der Versammlungen und Einladungen hierzu erforderlichen rein sachlichen Angaben über Veranstalter, Ort und Zeit der Versammlung, Redner, Tagesordnung, Aussprache und Bedingungen des Eintritts enthalten.
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§ 2. Plakate, Flugblätter und Flugschriften sind mindestens 24 Stunden, ehe sie an und auf öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen angeschlagen, ausgestellt, verbreitet oder sonst der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, der Bezirkspolizeibehörde, in Städten mit Polizeidirektionen der Polizeidirektion, zur Kenntnisnahme vorzulegen. Dies gilt nicht für Plakate, die lediglich Ankündigungen über gestohlene, verlorene oder gefundene Sachen enthalten.
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Plakate, Flugblätter und Flugschriften, die in mehreren Bezirken oder kreisunmittelbaren Städten eines Regierungsbezirks der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollen, können der Regierung, Kammer des Innern, zur Kenntnisnahme vorgelegt werden. Der Vorlage sind so viele Stücke beizugeben, als Bezirke und kreisunmittelbare Städte in Betracht kommen. Die Regierungen, Kammern des Innern, sind befugt, diese Zuständigkeit ganz oder teilweise auf die im Regierungsbezirk bestehenden Polizeidirektionen zu übertragen."
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Nach § 4 a.a.O. waren Zuwiderhandlungen mit Geldstrafe bis zu 150 DM oder Haft bis zu 14 Tagen bedroht.
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B. | |
Der Beschwerdeführer meint, diese Vorschriften hätten in unzulässiger Weise das Grundrecht der freien Meinungsäußerung (Art. 5 GG) beschränkt. Sie waren aber schon deshalb rechtsungültig, weil sie gegen bundesrechtliche Vorschriften zur Regelung des Straßenverkehrs verstießen.
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1. Zur Zeit der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Tat galten die Verordnung über das Verhalten im Straßenverkehr (Straßenverkehrs-Ordnung - StVO) vom 13. November 1937 (RGBl. I S. 1179) und die Verordnung über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Straßenverkehr (Straßenverkehrs-Zulassungs- Ordnung - StVZO) vom 13. November 1937 (RGBl. I S. 1215) in der Fassung der Verordnung zur Änderung der Straßenverkehrs-Ordnung vom 28. Januar 1944 (RGBl. I S. 48) und des Gesetzes des Wirtschaftsrats des Vereinigten Wirtschaftsgebietes zur Ergänzung der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung vom 3. September 1948 (WiGBl. S. 89). Beide Verordnungen sind nach Art. 125, 74 Nr. 22 GG Bundesrecht geworden. Sie enthielten (zusammen mit den Rechtsvorschriften zu ihrer Durchführung und einigen besonders aufgeführten, hier nicht einschlägigen Bestimmungen) die "ausschließliche Regelung des Straßenverkehrs" (§ 45 StVO, § 69 StVZO), die gleiches oder entgegenstehendes Landesrecht verdrängte. Es war - auch schon zur Zeit der Tat- stets einhellige Meinung, daß hierdurch auch die Zuständigkeit des Landesgesetzgebers zum Erlaß der in § 366 Ziff. 10 StGB bezeichneten Anordnungen insoweit aufgehoben worden ist, als diese Anordnungen der Erhaltung der Sicherheit und Ruhe auf den öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen zu dienen bestimmt sind, und daß die bereits erlassenen einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften im gleichen Umfange außer Kraft getreten oder jedenfalls unanwendbar geworden sind (vgl. etwa Ebermayer-Lobe-Rosenberg, Kommentar zum StGB, 6. und 7. Aufl. 1951, Anm. X zu § 366; Schönke, StGB, Kommentar, 6. Aufl. 1952, Anm. X zu § 366; Müller, Straßenverkehrsrecht, 17. Aufl. 1953, Anm. 1 zu § 45 StVO, Anm. 5 zu § 69 StVZO; Floegel-Hartung, Straßenverkehrsrecht, 8. Aufl. 1953, Anm. 4 zu § 45 StVO).
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2. Die Oberpolizeilichen Vorschriften waren, wie es in ihrem einleitenden Satze heißt, "auf Grund des § 366 Ziff. 10 RStGB und Art. 2 Ziff. 6 PStGB... zur Erhaltung der Sicherheit und Ruhe auf den öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen" ergangen. Freilich enthält nicht jede diesen Zwecken dienende Vorschrift schon eine Regelung des Straßenverkehrs, denn die Erhaltung der Sicherheit und Ruhe auf den öffentlichen Straßen und Plätzen kann auch durch Vorschriften gesichert werden, die mit dem Ablauf des Verkehrs, insbesondere dem Verhalten der Verkehrsteilnehmer, nichts zu tun haben. Die Oberpolizeilichen Vorschriften regelten jedoch insofern auch den Straßenverkehr, als sie "zur Erhaltung der Sicherheit und Ruhe auf den öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen", also unter verkehrspolizeilichen Gesichtspunkten, den Verkehrsteilnehmern ein bestimmtes Verhalten vorschrieben oder untersagten oder aber ein bestimmtes Verhalten der Verkehrsteilnehmer von einschränkenden Voraussetzungen abhängig machten. Insoweit aber konnten sie neben der bundesrechtlichen Regelung des Straßenverkehrs in der StVO und der StVZO nicht bestehen. Die Oberpolizeilichen Vorschriften waren mit dieser bundesrechtlichen Regelung zwar nicht schlechthin, wohl aber insoweit unvereinbar, als sie das Verbreiten von Flugblättern und Flugschriften auch durch Teilnehmer am Straßenverkehr verboten oder einschränkten.
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Diese Auffassung hat das Bayerische Oberste Landesgericht selbst in einigen nach dem angegriffenen Revisionsbeschluß ergangenen Entscheidungen vertreten. So ist im Urteil vom 22. Oktober 1952 (BayObLGSt. 1952 S. 211) ausgesprochen, daß § 2 der Verordnung vom 7. November 1951 jedenfalls insoweit mit Bundesrecht unvereinbar und darum unanwendbar sei, als er das Verbreiten von Flugblättern und Flugschriften durch Straßenverkehrsteilnehmer unter der Voraussetzung mit Strafe bedrohe, daß die Flugblätter und Flugschriften nicht mindestens 24 Stunden vorher der Kreisverwaltungsbehörde zur Kenntnisnahme vorgelegt worden seien. Dies folge daraus, daß § 42 i.V. m. § 1 StVO das hier in Betracht kommende Gebiet erschöpfend geregelt habe. Im Urteil vom gleichen Tage - RevReg. 1 St. 274/ 1952 - führt das Oberste Landesgericht aus, daß diese Grundsätze auch für § 2 der Oberpolizeilichen Vorschriften gelten müßten. Am 17. Dezember 1952 hat das Gericht mit gleicher Begründung entschieden, daß auch § 1 der Verordnung vom 7. November 1951 insoweit mit Bundesrecht unvereinbar sei, als er das Verbreiten von Flugblättern und Flugschriften, deren Inhalt gegen die Strafgesetze oder gegen die verfassungsmäßige Ordnung verstößt, schlechthin mit Strafe bedrohe (BayObLGSt. 1952 S. 266). Schließlich wird in einer Entscheidung vom 25. Februar 1953 (BayObLGSt. 1953 S. 36) gesagt, daß auch die §§ 1 und 4 der Oberpolizeilichen Vorschriften durch die §§ 1 und 42 StVO überholt seien. Das Bayerische Oberste Landesgericht hat somit inzwischen selbst in ständiger Rechtsprechung die §§ 1 und 2 der Oberpolizeilichen Vorschriften, soweit sie das Verhalten im Straßenverkehr regeln wollten, im Hinblick auf das einschlägige Bundesrecht als nicht mehr anwendbar angesehen.
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3. Der Beschwerdeführer hat als Teilnehmer am Straßenverkehr, nämlich als Benutzer eines Kraftfahrzeuges, Flugblätter auf die Straße geworfen. Soweit er deshalb auf Grund der Oberpolizeilichen Vorschriften verurteilt worden ist, entbehrt die Verurteilung nach dem Gesagten der rechtlichen Grundlage. Ob das Verhalten des Beschwerdeführers nach anderen Bestimmungen bestraft werden kann, ist in diesem Zusammenhang belanglos. Das Urteil des Amtsgerichts Straubing und damit auch der dieses Urteil bestätigende Beschluß des Bayerischen Obersten Landesgerichts (vgl. hierzu BVerfGE 4, 412 [424]) verletzen das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 1 GG; denn die der Verurteilung zugrunde gelegten Rechtsvorschriften sind ungültig, bilden daher keinen Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung und können sein Recht auf Handlungsfreiheit nicht wirksam beschränken (BVerfGE 6, 32 [37 f., 41]).
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Das Recht des Beschwerdeführers aus Art. 103 Abs. 2 GG ist nicht als verletzt anzusehen. Die Vorschrift enthält das verfassungsrechtliche Verbot der Rückwirkung eines Strafgesetzes; sie verbietet, jemanden auf Grund eines Gesetzes zu bestrafen, das zur Zeit der Tat noch nicht in Kraft war, dem Täter also nicht bekannt sein konnte. Dieser Vorwurf trifft die Oberpolizeilichen Vorschriften nicht; sie bezogen sich von Anfang an nur auf Handlungen, die nach ihrem formellen Inkrafttreten begangen waren. Durch ihre spätere Kollision mit übergeordnetem Bundesrecht schieden sie (teilweise) aus der verfassungsrechtlichen Ordnung aus; soweit sie bis zur Klarstellung der Rechtslage noch angewendet wurden, ist darin zwar eine Grundrechtsverletzung, nicht aber ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG zu erblicken (vgl. auch BayVerfGH in VGHE N. F. Band 1 II S. 101).
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4. Die angefochtenen Entscheidungen sind aufzuheben. Die Unwirksamkeit der Oberpolizeilichen Vorschriften ist mit Wirkung von dem Zeitpunkt an festzustellen, an dem die StVO und die StVZO Bundesrecht geworden sind, d. i. der 7. September 1949 (BVerfGE 4, 178 [ 184] ). Diese Entscheidungen hat das Bundesverfassungsgericht nach § 95 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 BVerfGG zu treffen. Sie können nicht deshalb unterbleiben, weil die Vereinbarkeit der Oberpolizeilichen Vorschriften mit der StVO und StVZO eine Frage der Gesetzesauslegung durch die Gerichte sei, die das Bundesverfassungsgericht nicht nachzuprüfen habe. Es handelt sich vielmehr um die Vereinbarkeit von Landesrecht mit Bundesrecht, also eine Frage, zu deren Entscheidung das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der Normenkontrolle gerade berufen ist (vgl. auch Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 und Art. 100 Abs. 1 GG)
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Da die Oberpolizeilichen Vorschriften schon aus diesem Grunde nicht mehr galten, kann es zur Prüfung der Frage, ob sie gegen Art. 5 GG verstoßen haben, nicht mehr kommen.
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