3. Beruht ein Urteil auf einer solchen Terminsanberaumung, so verstößt es selbst gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Das Urteil beruht auf der Terminsanberaumung, wenn nicht auszuschließen ist, daß das Gericht bei verfassungsmäßiger Terminsanberaumung anders besetzt gewesen wäre.
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Urteil | |
des Ersten Senats vom 20. März 1956
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-- 1 BvR 479/55 -- | |
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde des Landesrabbiners Dr. O. gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 21. Dezember 1954 - 2 KLs 1/52 -.
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Entscheidungsformel:
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Die in der Strafsache gegen den Beschwerdeführer - 2 KLs 1 /52 des Landgerichts München I - am 8. Dezember 1954 ergangene Verfügung über die Anberaumung eines Hauptverhandlungstermins auf den 20. Dezember 1954 und das auf Grund dieser Hauptverhandlung ergangene Urteil des Landgerichts München I vom 21. Dezember 1954 verletzen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
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Das Urteil sowie das auf die Revision des Beschwerdeführers in dieser Sache ergangene Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13. Dezember 1955 - 1 StR 354/55 - werden aufgehoben.
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Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionen, an das Landgericht Augsburg verwiesen.
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Gründe: | |
A. | |
1. Der Beschwerdeführer wurde durch Urteil der 1. Strafkammer des Landgerichts München I vom 14. August 1952 - 2 KLs 1/52 - wegen Betruges in Mittäterschaft zu einem Jahr Gefängnis und 10 000 DM Geldstrafe, ersatzweise weiteren 100 Tagen Gefängnis, verurteilt. Auf seine Revision hob der Bundesgerichtshof am 9. Juli 1954 dieses Urteil im Strafausspruch mit den hierzu getroffenen Feststellungen auf und verwies die Sache in diesem Umfange zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurück. Auf Grund der Hauptverhandlung am 20. und 21. Dezember 1954 wurde der Beschwerdeführer zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Mit seiner erneuten Revision rügte der Beschwerdeführer u. a., er sei seinem gesetzlichen Richter entzogen worden, weil die Landgerichtsräte Dr. R. und O. bei der Entscheidung nicht mitgewirkt hätten und der Hauptverhandlungstermin auf eine Verfügung des in dieser Sache ausgeschlossenen geschäftsplanmäßigen Vorsitzenden der 1. Strafkammer, Landgerichtsdirektor Dr. M., zurückgehe; außerdem sei der Termin von dem dazu nicht berufenen Landgerichtsrat Dr. L. unter Übergehung der Landgerichtsräte Dr. R. und O. anberaumt worden.
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Der Bundesgerichtshof verwarf die Revision mit Urteil vom 13. Dezember 1955 - 1 StR 354/55 -. Zur Begründung führte er aus, das erkennende Gericht sei ordnungsgemäß besetzt gewesen und der Beschwerdeführer daher nicht seinem gesetzlichen Richter entzogen worden. Das ergebe sich aus den dienstlichen Erklärungen des Landgerichtspräsidenten, wonach die Landgerichtsräte Dr. R. und O. an der Mitwirkung in der Hauptverhandlung verhindert gewesen seien. An diese Stellungnahme sei das Revisionsgericht gebunden, weil das Ergebnis der Ermittlungen des Landgerichtspräsidenten die tatsächliche Grundlage für seine Entscheidung bilde. Es könne nur nachprüfen, ob der Rechtsbegriff der Verhinderung verkannt sei, nicht aber, ob die tatsächlichen Voraussetzungen einer Verhinderung vorgelegen hätten.
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Auch die Anberaumung des Termins zur Hauptverhandlung sei aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Dr. L. sei dazu berufen gewesen, weil sowohl Dr. R. als auch Landgerichtsrat O. verhindert gewesen seien, den Termin anzuberaumen. Das Hinwirken Dr. M's auf beschleunigte Erledigung des Verfahrens in dem vor seinem Abschluß stehenden Geschäftsjahr stelle keinen unzulässigen Eingriff in das Verfahren dar, sondern sei eine Verwaltungsmaßnahme, zu der Dr. M. als Kammervorsitzender befugt gewesen sei.
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2. Mit der am 24. Dezember 1955 eingegangenen Verfassungsbeschwerde beantragt der Beschwerdeführer, das Urteil des Landgerichts München I vom 21. Dezember 1954 mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zu anderweitiger Verhandlung und Entscheidung an ein anderes Landgericht zurückzuverweisen.
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Er rügt die Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG und begründet seine Verfassungsbeschwerde wie folgt:
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Der ordentliche Vorsitzende der zuständigen 1. Strafkammer des Landgerichts München I, Landgerichtsdirektor Dr. M., sei in dieser Sache ausgeschlossen gewesen; dennoch habe er maßgeblichen Einfluß auf das Verfahren genommen. Der Termin am 20. Dezember 1954 sei auf sein Drängen hin, übrigens durch den wegen Übergehung der Landgerichtsräte Dr. R. und O. dazu nicht berufenen Landgerichtsrat Dr. L, anberaumt worden. Schon durch die von Dr. M. getroffene Auswahl des Termins sei die Besetzung des Gerichts maßgeblich festgelegt worden. Darüber hinaus habe Dr. M. unmittelbar die Gerichtsbesetzung vorgeschrieben, und dem sei entsprochen worden. Auch hierbei habe man wieder die Landgerichtsräte Dr. R. und O. übergangen. Ohne das Eingreifen Dr. M.'s wäre das erkennende Gericht anders zusammengesetzt gewesen. Daher sei der Beschwerdeführer seinem gesetzlichen Richter entzogen worden.
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Das Bayerische Staatsministerium der Justiz hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet, da sie die gleichen Einwände wie die vom Bundesgerichtshof bereits verworfene Revision erhebe.
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3. In der mündlichen Verhandlung, in welcher der Beschwerdeführer vertreten war, wurden Landgerichtsdirektor Dr. M. und die Landgerichtsräte Dr. R., Dr. L. und O. als Zeugen gehört. Die Akten 2 KLs 1152 des Landgerichts München I und 1 StR 354/55 des Bundesgerichtshofs sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
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Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Sie ist auch begründet.
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I.
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Die Entscheidung beruht auf folgenden rechtlichen Erwägungen:
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1. Das Gebot: "Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden" soll ebenso wie die Gewährleistung der Unabhängigkeit der Gerichte Eingriffe Unbefugter in die Rechtspflege verhindern und das Vertrauen der Rechtsuchenden und der Öffentlichkeit in die Unparteilichkeit und Sachlichkeit der Gerichte schützen; das geschichtlich damit verbundene Verbot von Ausnahmegerichten soll einer Umgehung dieses Gebots entgegenwirken. Da diese Bestimmungen im wesentlichen das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit auf dem Gebiet der Gerichtsverfassung verwirklichen, wurden sie schon in die meisten deutschen Landesverfassungen des 19. Jahrhunderts aufgenommen und ihnen damit der Rang eines Verfassungssatzes gegeben. Art. 105 der Weimarer Reichsverfassung setzte diese Überlieferung fort. In dem Maße, in dem sich die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und Gewaltentrennung verfeinerten, wurden auch die Vorschriften über den gesetzlichen Richter vervollkommnet. Das Gerichtsverfassungsgesetz, die Prozeßordnungen und die Geschäftsverteilungspläne der Gerichte bestimmten deren örtliche und sachliche Zuständigkeit, die Geschäftsverteilung und die Besetzung der einzelnen Abteilungen, Kammern und Senate. War ursprünglich das Gebot, "niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden", vor allem nach außen, insbesondere gegen jede Art von "Kabinettsjustiz" gerichtet, so erstreckte sich nunmehr seine Schutzfunktion auch darauf, daß niemand durch Maßnahmen innerhalb der Gerichtsorganisation dem in seiner Sache gesetzlich berufenen Richter entzogen werde.
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2. Das bedeutet allerdings nicht, daß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG in jedem Falle verletzt wäre, in dem ein anderer als der "gesetzliche Richter" tätig wird. Beruht die Maßnahme eines Richters, die eine solche Folge herbeiführt, auf einem Verfahrensirrtum (error in procedendo), so scheidet eine Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG aus (BVerfGE 3, 359 [364]). Wie "Verfahrensirrtum" und "Entziehung des gesetzlichen Richters" von einander abzugrenzen sind, kann hier dahingestellt bleiben, denn jedenfalls ist ein Verfahrensirrtum schon begrifflich ausgeschlossen, wenn es sich um das Einwirken einer außerhalb der Gerichte stehenden Person oder Stelle handelt. Nichts anderes aber kann für die Personen innerhalb der Gerichtsorganisation gelten, die allgemein oder in einer bestimmten Sache - etwa als ausgeschlossener Richter - keine richterliche Funktionen wahrnehmen dürfen.
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3. Solche Personen können Eingriffe in die Rechtspflege, die Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzen, nicht nur dadurch vornehmen, daß sie sich richterliche Funktionen anmaßen, sondern auch dadurch, daß sie durch ihre Autorität richterliche Handlungen in ihrem konkreten Inhalt maßgeblich beeinflussen. Nur wenn Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG auch hiergegen schützt, kann er seine rechtsstaatliche Schutzfunktion erfüllen.
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4. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gilt nicht nur für den erkennenden Richter, sondern auch für den Richter, der einen Termin zur Hauptverhandlung anberaumt. Das folgt daraus, daß die Zuständigkeit und personelle Besetzung der Gerichte durch Gesetz und Geschäftsverteilungsplan nicht nur für die Entscheidung selbst, sondern auch für die sie vorbereitenden richterlichen Handlungen geregelt sind. Der einer Terminbestimmung anhaftende Mangel ergreift das Urteil allerdings nur, wenn es darauf beruht, d. h. wenn zwischen Verfahrensmangel und Urteil ein ursächlicher Zusammenhang besteht.
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Nach ständiger Rechtsprechung ist ein solcher zur Aufhebung eines Urteils führender Zusammenhang bei Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften schon dann gegeben, wenn die Möglichkeit besteht, daß der Verfahrensverstoß den Inhalt des Urteils beeinflußt hat (vgl. Löwe-Rosenberg, 18. u. 20. Aufl. § 337 Anm. 7 a u. b). Die Anwendung dieses Rechtsgedankens auf Fälle, in denen bei der Terminsanberaumung gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßen worden ist, entspricht der Funktion dieser Norm, das Vertrauen in die Unparteilichkeit und Sachlichkeit der Gerichte zu schützen; ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG bei der Terminsanberaumung führt also schon dann zur Aufhebung des Urteils, wenn dieser Verstoß möglicherweise das Urteil beeinflußt hat. Diese Möglichkeit ist aber wegen der Bedeutung der Besetzung des erkennenden Gerichts für die Urteilsfindung nicht auszuschließen, wenn das Gericht bei fehlerfreier Terminsanberaumung möglicherweise anders besetzt gewesen wäre.
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II.
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Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze verstößt das gegen den Beschwerdeführer am 21. Dezember 1954 ergangene Urteil des Landgerichts München gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, da nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme
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1. feststeht, daß die Anberaumung des Hauptverhandlungstermins vom 20. Dezember 1954 durch den in dieser Sache ausgeschlossenen Vorsitzenden der 1. Strafkammer, Landgerichtsdirektor Dr. M. in ihrem konkreten Inhalt maßgeblich beeinflußt worden ist,
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2. nicht ausgeschlossen ist, daß die Hauptverhandlung gegen den Beschwerdeführer ohne das Eingreifen des ausgeschlossenen Richters in einer anderen Besetzung stattgefunden hätte.
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Ad 1. Für die erneute Hauptverhandlung gegen den Beschwerdeführer war nach dem Geschäftsverteilungsplan die 1. Strafkammer des Landgerichts München I zuständig. Sie bestand aus dem Landgerichtsdirektor Dr. M. als Vorsitzendem und den Landgerichtsräten Ro. und Dr. R. sowie dem Gerichtsassessor Ri. Die Mitglieder der Kammer wurden geschäftsplanmäßig durch die der 2. Strafkammer vertreten, wobei der jeweils Dienstjüngere zuerst einzutreten hatte. Landgerichtsdirektor Dr. M. und Landgerichtsrat Ro. erklärten sich für befangen. Ihre Selbstablehnung wurde durch Kammerbeschluß vom 15. September 1954 für begründet erklärt. Damit ging der Vorsitz in dieser Sache auf das nächstälteste nicht ausgeschlossene ständige Mitglied der 1. Strafkammer, Landgerichtsrat Dr. R., über.
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Dieser Richter war als ständiger Vorsitzender der 1. Kleinen Strafkammer dienstlich stark belastet. Dr. M. hielt sich andererseits als Kammervorsitzender trotz seines Ausschlusses als Richter in dieser Sache für berechtigt und verpflichtet, sich um den weiteren Fortgang der Sache zu kümmern. Er befürchtete, daß die ohnehin starke Geschäftslast der Kammer bei der relativ schwachen personellen Besetzung starke Verzögerungen im Geschäftsablauf nach sich ziehen könne. Dies wollte er aber unter allen Umständen vermeiden, zumal alle Kammervorsitzenden auf Grund einer innerdienstlichen Anweisung regelmäßig über Rückstände in ihren Kammern berichten mußten.
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Ein ursprünglich auf den 4. November 1954 anberaumter Termin wurde auf Antrag des Beschwerdeführers aufgehoben und später auf den 22. November 1954 neu bestimmt. An diesem Tage verhandelte die Strafkammer gegen den Beschwerdeführer unter dem Vorsitz von Landgerichtsrat Dr. L., der ordentliches Mitglied der 2. Strafkammer war; Beisitzer waren Amtsgerichtsrat Dr. W. (gleichfalls 2. Strafkammer) und Gerichtsassessor Ri., letzterer als Berichterstatter. Mit Rücksicht auf ein bei Beginn dieser Hauptverhandlung von dem Beschwerdeführer eingereichtes Wiederaufnahmegesuch wurde die Verhandlung zunächst auf den Nachmittag vertagt und dann der Termin abgesetzt. Am folgenden Tage lehnte die 1. Strafkammer in derselben Besetzung wie am Vortage das Wiederaufnahmegesuch als unzulässig ab. Gegen diesen Beschluß legte der Beschwerdeführer am 3. Dezember 1954 sofortige Beschwerde ein. Am 8. Dezember 1954 beraumte Dr. L. neuen Hauptverhandlungstermin auf den 20. Dezember 1954 an; gleichzeitig leitete er die Akten der Staatsanwaltschaft weiter zur Ladung der Beteiligten und zur Vorlage der Akten an das Oberlandesgericht zwecks Entscheidung über die sofortige Beschwerde. Nach Rücksprache des Sachbearbeiters beim Generalstaatsanwalt mit einem Richter des Oberlandesgerichts wurden die Akten am 9. Dezember 1954 dem Vorsitzenden der 1. Strafkammer zurückgegeben, damit zunächst die Hauptverhandlung durchgeführt werde. Dies geschah am 20. und 21. Dezember 1954 unter Mitwirkung derselben Richter wie in dem Termin vom 22. November 1954.
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Obwohl als Richter ausgeschlossen, hatte Landgerichtsdirektor Dr. M. bereits die Terminsverfügung auf den 4. November und ebenso die Terminsanberaumung auf den 22. November 1954 vorbereitet; die vorbereiteten Verfügungen hatte er jeweils Dr. R. übergeben, der sie unterzeichnete. Ebenso hatte er auf die sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung des Wiederaufnahmegesuchs am 4. Dezember eine Verfügung "Akten beifügen" vorbereitet, die er wiederum von Dr. R. unterzeichnen ließ.
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Zu der Terminsanberaumung auf den 20. Dezember 1954 kam es wie folgt:
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Nach seiner dienstlichen Erklärung gegenüber dem Landgerichtspräsidenten und nach seinen eigenen Angaben bei seiner Vernehmung als Zeuge vor dem Bundesverfassungsgericht traf Dr. M. am 7. Dezember mittags im Justizgebäude den an der Bearbeitung des Falles des Beschwerdeführers beteiligten Oberstaatsanwalt Dr. H. Von ihm erfuhr er, daß als Hauptverhandlungstermin nur der 21. Dez. 1954 in Betracht komme, wenn die Sache noch im Jahre 1954 verhandelt werden solle. Da Dr. M. eine weitere Verzögerung für unerträglich hielt, diktierte er am Spätnachmittag folgendes Schriftstück:
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"München, den 7. Dezember 1954
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V e r f ü g u n g:
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1. Ich bitte unbedingt in dieser Sache Termin anzuberaumen und zwar noch vor Weihnachten und zwar wenn irgend möglich am 21. Dez. 1954 vorm. 9 Uhr.
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2. Besetzung: Landgerichtsrat L.; Amtsgerichtsrat W.; Gerichtsassessor Ri.
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3. Nach Terminsanberaumung bitte Akt sofort von Hand zu Hand an Herrn Oberstaatsanwalt H.
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Der Vorsitzende der 1. Strafkammer
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des Landgerichts München I:
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M.
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Landgerichtsdirektor."
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Dieses Schriftstück wurde von Dr. M. handschriftlich rot mit "Eilt" und "Bitte sofort, M. 7.12. 54" besonders auffällig gekennzeichnet und - wie sich aus seiner dienstlichen Äußerung vom 7. April 1955 ergibt - noch am Abend des 7. Dezember 1954 von ihm persönlich auf den Schreibtisch des Landgerichtsrats Dr. L. gelegt. Daraufhin beraumte dieser am 8. Dezember 1954 Hauptverhandlungstermin auf den 20. Dezember 1954 an, der zu dem mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Urteil führte.
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An der Terminsbestimmung durch Dr. L. hat der Beschwerdeführer zunächst beanstandet, daß sie nicht von dem in erster Linie berufenen stellvertretenden Vorsitzenden der 1. Strafkammer Dr. R. ausging. Dr. M. hat hierzu erklärt, Dr. R. sei am 7. Dezember abends nicht mehr erreichbar gewesen und am 8. Dezember 1954 wegen eines katholischen Feiertags nicht in das Dienstgebäude gekommen. Am 9. Dezember habe Dr. R. als Vorsitzender der Kleinen Strafkammer eine größere Verhandlung zu leiten gehabt. Deswegen habe er Dr. R. für verhindert gehalten, da die Terminsanberaumung geeilt habe. In diesem Sinne hat sich auch der Landgerichtspräsident dienstlich geäußert.
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Es kann dahingestellt bleiben, ob Dr. R. und der zunächst zu seiner Vertretung berufene Landgerichtsrat O. verhindert waren und ob daher Dr. L. zur Terminsbestimmung zuständig war. Auch wenn dies der Fall war, war die Verfügung fehlerhaft. Denn sowohl durch die Tatsache wie insbesondere durch die Form seines Schreibens vom 7. Dezember hat Dr. M. in unzulässiger Weise auf die Terminsanberaumung Einfluß genommen; nachdem er als Richter ausgeschlossen war, mußte er sich nicht nur selbst jeder richterlichen Handlung enthalten, er mußte auch davon absehen, die richterliche Tätigkeit der an seiner Stelle eintretenden Richter in ihrem konkreten Inhalt maßgebend zu beeinflussen. Unter diesem Gesichtspunkt ist schon die Einflußnahme auf die Termine vom 4. und 22. November 1954 bedenklich. Das Eingreifen Dr. M.'s am 7. Dezember 1954 verstößt aber auf alle Fälle gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Dr. M. hält zwar das von ihm verfaßte Schriftstück nicht für eine Verfügung, sondern nur für eine Bitte, und hat bekundet, seines Wissens habe er die Überschrift "Verfügung" nicht diktiert. Das ändert aber nichts an der Tatsache, daß er es in dieser Form unterzeichnete, und daß diese Form dem Schreiben erhöhte Bedeutung gegenüber Dr. L. und den anderen beteiligten Richtern zu verleihen geeignet war, zumal es auf die Stellung Dr. M.'s als Kammervorsitzender ausdrücklich hinwies.
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Formell überließ zwar diese "Verfügung" Dr. L. die Entscheidung über den Termin. Der Bundesgerichtshof hat deshalb das Verhalten Dr. M.'s lediglich als eine auch einem ausgeschlossenen Richter nicht verwehrte Justizverwaltungstätigkeit gekennzeichnet. Sicherlich hat der Kammervorsitzende ein legitimes Interesse an der Überwachung des Geschäftsganges in seiner Kammer, und es kann ihm daher nicht verwehrt sein, auch in Sachen, in denen er als Richter nicht mitwirken darf, auf die Erledigung binnen angemessener Zeit hinzuwirken. Er muß sich aber dabei auf eine allgemein gehaltene Einwirkung beschränken; diese ihm durch Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gezogene Schranke überschreitet er, wenn er, wie hier, als ausgeschlossener Kammervorsitzender den Termin de facto selbst bestimmt.
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Der Bundesgerichtshof mißt dem Umstand Bedeutung bei, daß Dr. L. den Termin nicht - wie Dr. M. gewünscht hatte - auf den 21. Dezember, sondern auf den 20. Dezember 1954 angesetzt hat. Das geschah aber nur, weil Dr. L. mit einer zweitägigen Verhandlung rechnete und am 22. Dezember 1954 durch anderweitige Inanspruchnahme verhindert war. Diese Abweichung ergibt also nicht, daß Dr. L. unabhängig von dem durch die Verfügung Dr. M.'s ausgehenden Willensimpuls gehandelt hat.
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Somit verstieß die Terminsanberaumung vom 8. Dezember 1954 gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Ad 2. Die Möglichkeit, daß die 1. Strafkammer in dem Verfahren gegen den Beschwerdeführer ohne das Eingreifen Dr. M.'s in anderer Besetzung entschieden hätte, entfiele, wenn feststände, daß die Hauptverhandlung auch ohne die Einflußnahme Dr. M.'s auf einen Termin anberaumt worden wäre, in dem das Gericht in derselben Besetzung wie am 20. und 21. Dezember 1954 getagt hätte. Einer solchen Feststellung steht das Ergebnis der Beweisaufnahme entgegen:
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Dr. R., der in erster Linie zur Vertretung von Dr. M. berufene Richter, hat als Zeuge bekundet, daß er vor dem Eingreifen Dr. M.'s zwar die Möglichkeit einer Terminsanberaumung erwogen, aber noch keinen bestimmten Entschluß gefaßt gehabt habe. Es läßt sich deshalb keine sichere Feststellung treffen, ob Dr. R. noch einen Termin im alten Geschäftsjahr anberaumt hätte.
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Daß Landgerichtsrat Dr. O., der im Falle einer Verhinderung von Dr. R. als Dienstjüngerer vor Dr. L. als Vertreter einzutreten hatte, von sich aus nichts unternommen hätte, steht nach der Beweisaufnahme fest.
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Auch hinsichtlich des mutmaßlichen Verhaltens Dr. L.'s lassen sich keine eindeutigen Feststellungen treffen. Er hat einerseits bekundet, den Anstoß zur Terminsanberaumung habe ihm das Schreiben Dr. M.'s vom 7. Dezember 1954 gegeben; andererseits will er ohnehin die Absicht gehabt haben, Termin anzuberaumen, und zwar noch im Dezember. Ob er dies tatsächlich vor der Entscheidung des Oberlandesgerichts über die sofortige Beschwerde im Wiederaufnahmeverfahren noch getan hätte, muß schon deshalb zweifelhaft bleiben, weil er selbst den Hauptverhandlungstermin am 22. November 1954 wegen des Wiederaufnahmegesuchs des Beschwerdeführers abgesetzt hat, dem dadurch anhängig gewordenen Wiederaufnahmeverfahren also gegenüber dem Hauptverfahren den Vorrang einräumte und nach Ablehnung des Wiederaufnahmegesuchs keinen neuen Termin zur Hauptverhandlung anberaumte. Jedenfalls läßt sich unter diesen Umständen nicht sicher feststellen, auf welchen Zeitpunkt Dr. L. Termin anberaumt hätte, wenn Dr. M. nicht eingegriffen hätte, und in welcher Besetzung das Gericht alsdann getagt hätte.
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Unter diesen Umständen ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß die Hauptverhandlung erst im neuen Geschäftsjahr stattgefunden hätte. Dann aber hätte das Gericht schon deshalb eine andere Besetzung gehabt, weil sowohl Landgerichtsrat Dr. L. als auch Amtsgerichtsrat Dr. W. wegen Änderungen des Geschäftsverteilungsplanes für die Teilnahme an einer Hauptverhandlung gegen den Beschwerdeführer nicht mehr in Betracht gekommen wären. Somit beruht die Besetzung des erkennenden Gerichts auf der fehlerhaften Terminsanberaumung vom 8. Dezember 1954.
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Es ist also festzustellen, daß das gegen den Beschwerdeführer ergangene Urteil des Landgerichts München I vom 21. Dezember 1954 auf einem Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG bei der Terminsanberaumung beruht. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob - wie der Beschwerdeführer weiter geltend macht - die Besetzung des Gerichts in der Hauptverhandlung unmittelbar auf die Angaben Dr. M.'s in seinem Schreiben vom 7. Dezember 1954 über die mitwirkenden Richter zurückgeht. Ebensowenig braucht geprüft zu werden, ob das Gericht - abgesehen von der Einwirkung Dr. M.'s - am 20./21. Dezember 1954 ordnungsgemäß besetzt war.
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III.
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Das Urteil des Landgerichts München I vom 21. Dezember 1954 ist als mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG unvereinbar aufzuheben. Diese Aufhebung erstreckt sich notwendig auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13. Dezember 1955, weil es jene Entscheidung bestätigt. Damit werden auch die diesen Urteilen zugrunde liegenden Feststellungen hinfällig.
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Die Verweisung an das Landgericht Augsburg beruht auf § 95 Abs. 2 BVerfGG. Zuständiges Gericht im Sinne dieser Vorschrift ist jedes Gericht, das sachlich zuständig ist, im Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer tätig zu werden. Auf die örtliche Zuständigkeit kommt es ebensowenig an wie bei einer Zurückverweisung durch ein Revisionsgericht nach § 354 Abs. 2 StPO.
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