BVerfGE 10, 200 - Friedensrichter Baden-Württemberg | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: A. Tschentscher, Marcel Schröer | |||
1. Die Ausübung staatlicher Gerichtsbarkeit durch Gemeinden auf Grund landesrechtlicher Übertragung widerspricht Art. 92 GG nicht. |
2. Wird die Jurisdiktion bundesrechtlich vorgesehener Gerichte ausgeschlossen durch Einrichtung landesrechtlicher Sondergerichte, die den Anforderungen des Grundgesetzes nicht genügen, so wird das Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt. |
Beschluß |
des Ersten Senats vom 17. November 1959 |
-- 1 BvR 88/56, 59/57, 212/59 -- |
Entscheidungsformel: |
I. Die Verfassungsbeschwerden werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden. |
II. 1. Die Urteile des Friedensgerichts der Stadt Stuttgart vom 11. August 1955 - 1 Cs (F) 12059/55 - und des Friedensobergerichts beim Amtsgericht Stuttgart vom 1. Februar 1956 - FNs 121/55 -, |
2. die Urteile des staatlichen Friedensgerichts beim Amtsgericht Mosbach vom 23. Juli 1956 - FCs 25/56 - und des Friedensobergerichts beim Amtsgericht Mosbach vom 11. Janaur 1957 - FNs 3/56 -, |
3. der Freidensspruch des Friedensgerichts der Stadt Mosbach vom 18. November 1957 - Bs (F) 16/57 - und das Urteil des Friedensobergerichts beim Amtsgericht Mosbach vom 20. Februar 1959 FPs 4/57 - |
verletzen Art. 101 Abs.1 Satz 2 GG; sie werden aufgehoben. |
III. Das württemberg-badische Gesetz Nr. 241 über die Friedensgerichtsbarkeit vom 29. März 1949 (RegBl. 47) ist nichtig. |
IV. Das unter II 1 genannte Verfahren wird an das Amtsgericht Stuttgart, die unter II 2 und 3 genannten Verfahren werden an das Amtsgericht Mosbach verwiesen. |
Gründe: | |
A. | |
Die Beschwerdeführer sind durch Entscheidungen von Friedensgerichten und Friedensobergerichten im Lande Baden- Württemberg verurteilt worden. Ihre Verfassungsbeschwerden wenden sich gegen diese Verurteilungen im wesentlichen mit der Begründung, die Friedensgerichtsbarkeit sei mit dem Grundgesetz unvereinbar.
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I. | |
Die Friedensgerichtsbarkeit des früheren Landes Württemberg- Baden wurde durch das Gesetz Nr. 241 über die Friedensgerichtsbarkeit vom 29. März 1949 (RegBl. S. 47) -- im folgenden: GFG -- geschaffen. Dieses Gesetz legt grundsätzlich die erstinstanzliche Entscheidung in Zivil- und Strafsachen von geringerer Bedeutung in die Hände von Friedensgerichten bei den Gemeinden, die mit Laien, zum Teil mit Gemeindebeamten besetzt sind.
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1. Das Gesetz knüpft bewußt an das in den früheren Ländern Baden und Württemberg von lange her bestehende "besondere Rechtsklima" an; infolge der sozialen Struktur dieser Länder sei hier die Rechtspflege "formloser als anderswo, aber sachhaltiger und volksnaher" gewesen und "nie ganz den akademischen Juristen überlassen" worden (Küster/Leibfried/Greiner, Die Friedensgerichtsbarkeit in Württemberg-Baden, Stuttgart 1949, Vorwort). Bei Schaffung der Reichsjustizgesetze im Jahre 1877 hatte man dieser Tradition in gewissem Umfang dadurch Rechnung getragen, daß § 14 Nr. 3 GVG zur Verhandlung und Entscheidung vermögensrechtlicher Streitigkeiten, deren Wert 60 M nicht überstieg, Gemeindegerichte als besondere Gerichte zuließ; jedoch mußte den Beteiligten gegen die Entscheidungen der Gemeindegerichte binnen einer gesetzlich zu bestimmenden Frist die "Berufung auf den ordentlichen Rechtsweg" zustehen, auch durfte der Gemeindegerichtsbarkeit als Kläger oder Beklagter nur unterworfen werden, wer in der Gemeinde Wohnsitz, Niederlassung oder Aufenthalt hatte. Von dieser Ermächtigung -- die als 14 Nr. 2 GVG mit der Wertgrenze von 100 DM noch heute in Kraft ist -- machten nur die Länder Baden und Württemberg in ihren Ausführungsbestimmungen zu den Reichsjustizgesetzen Gebrauch; Gemeindegericht war in Württemberg der Gemeinderat oder ein Ausschuß desselben, in Baden der Ortsvorsteher. Die Übertragung strafrechtlicher Aufgaben auf die Gemeindegerichte ließ das Reichsrecht nicht zu.
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2. Nach dem Zusammenbruch regte die amerikanische Militärregierung im Zusammenhang mit der Abschaffung der polizeilichen Strafverfügungen die Einführung einer -- der Gemeindegerichtsbarkeit gegenüber erheblich erweiterten -- Friedensgerichtsbarkeit an. Demgemäß beschloß der Länderrat der amerikanischen Besatzungszone nach Anhörung des Parlamentarischen Rates dieser Zone ein Gesetz, welches in das GVG einen 13 a folgenden Wortlauts einfügte:
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"Die Verhandlung und Entscheidung von bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, deren Streitwert 150 DM nicht übersteigt, und von Strafsachen einschließlich Privatklagesachen kann, soweit die Sachen zur Zuständigkeit der Amtsgerichte gehören, durch die Landesgesetzgebung auf Friedensrichter oder Friedensgerichte übertragen werden."
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Dieses Länderratsgesetz wurde als württemberg-badisches Gesetz Nr. 930 vom 21. Oktober 1948 im Regierungsblatt von Württemberg-Baden (S. 153) verkündet. Von der darin enthaltenen Ermächtigung machte dieses Land durch das GFG Gebrauch; zu seiner Ergänzung erließ das Landesjustizministerium am 8. Juni 1949 eine "Vorläufige Verordnung über das Verfahren vor den Friedensgerichten" (RegBl. S. 120; im folgenden "VVVFG"). Die anderen Länder der amerikanischen Besatzungszone haben ein Gesetz auf Grund des 13 a GVG nicht erlassen.
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3. Der Referentenentwurf für das Rechtsvereinheitlichungsgesetz des Bundes von 1950 wollte die württemberg-badische Friedensgerichtsbarkeit beseitigen. Auf Vorstellungen der Landesregierung kam es zu einem Kompromiß; das Gesetz zur Wiederherstellung der Rechtseinheit auf dem Gebiete der Gerichtsverfassung, der bürgerlichen Rechtspflege, des Strafverfahrens und des Kostenrechts vom 12. September 1950 (BGBl. S. 455; Rechtsvereinheitlichungsgesetz) hob zwar den 13 a GVG auf, bestimmte aber in seinen Übergangsvorschriften (Art. 8 III Nr. 93):
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"Unberührt bleiben Gesetze eines Landes, die auf Grund des im Artikel 1 Nr. 11 aufgehobenen 13 a des Gerichtsverfassungsgesetzes ergangen sind.
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Das Land kann künftig diese Gesetze ändern, aber die Zuständigkeit der Friedensgerichte nicht erweitern."
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Eine Bestimmung, wonach die Friedensgerichtsbarkeit auf weitere Gebiete hätte ausgedehnt werden können, lehnte der Bundestag ab. Daher war das mit Wirkung vom 25. April 1952 aus den Ländern Württemberg-Baden, Baden und Württemberg-Hohenzollern neu gebildete Land Baden-Württemberg gehindert, in den Gebieten der früheren Länder Baden und Württemberg-Hohenzollern die Friedensgerichtsbarkeit einzuführen. Dort bestehen -- mit Ausnahme der früheren preußischen Hohenzollernschen Lande -- noch heute die Gemeindegerichte mit einer Zuständigkeit nur für Zivilsachen bis zu 100 DM Streitwert; es herrscht also innerhalb des Landes Baden-Württemberg keine Rechtseinheit. Ein 1954 von der Landesregierung eingebrachter Gesetzesvorschlag, die Friedensgerichtsbarkeit durch eine für das ganze Land einheitliche Gemeindegerichtsbarkeit (mit Entscheidungsbefugnis nur in Zivilsachen) zu ersetzen, fand nicht die Billigung des Landtags. Ein im Dezember 1958 eingebrachter neuer Gesetzentwurf ähnlichen Inhaltes ist noch nicht verabschiedet; seine Begründung betont neben dem Gedanken der Rechtseinheit im Lande auch die Notwendigkeit einer Beseitigung der bei der Friedensgerichtsbarkeit aufgetretenen Mängel.
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II. | |
Der Gemeindegerichtsbarkeit und der Friedensgerichtsbarkeit ist gemeinsam, daß ein Teil der "niederen" Gerichtsbarkeit auf Gerichte bei den Gemeinden übertragen wird. Im Gegensatz zu dem auf bürgerliche Rechtsstreitigkeiten beschränkten Gemeindegericht ist aber dem Friedensgericht auch die Aburteilung von Übertretungen und die Entscheidung in Privatklageverfahren übertragen. Eine zweite Besonderheit der Friedensgerichtsbarkeit besteht darin, daß sie den ordentlichen Gerichten nicht nur vorgeschaltet ist, ohne an deren Zuständigkeit und Rechtsmittelzug etwas zu ändern, sondern an die Stelle der ordentlichen Gerichtsbarkeit tritt, diese also ausschließt.
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1. Die Friedensgerichtsbarkeit wird in erster Instanz von Friedensgerichten ausgeübt, in zweiter Instanz von Friedensobergerichten. Ein Friedensgericht besteht als Gemeindebehörde in jeder Gemeinde, daneben als "ergänzende staatliche Behörde" bei jedem Amtsgericht. Ein Friedensobergericht besteht bei jedem Amtsgericht (§ 1 GFG).
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a) Der Verschiedenheit der Größe der Gemeinden und ihrer Bedürfnisse sucht das GFG dadurch Rechnung zu tragen, daß es verschiedene Formen von Friedensgerichten erster Instanz vorsieht:
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Grundsätzlich sind die Friedensgerichte Gemeindebehörden ("Gemeindefriedensgerichte"). Gemeindefriedensgericht ist entweder ein Kollegium von drei Mitgliedern oder ein Gemeindebeamter als Einzelrichter. Im ersten Fall -- von dem das Gesetz als Regelfall ausgeht -- ist der Bürgermeister Vorsitzender; sein Stellvertreter, die übrigen Friedensrichter und ihre Stellvertreter werden vom Gemeinderat aus seiner Mitte oder aus dem Kreise der zum Gemeinderat wählbaren Einwohner auf drei Jahre gewählt. Ist der Bürgermeister aus besonderen Gründen am Vorsitz verhindert, so kann auf die gleiche Art ein anderer Vorsitzender gewählt werden. -- Die Übertragung des Friedensgerichts auf einen Gemeindebeamten als Einzelrichter erfolgt durch Beschluß des Gemeinderats; der Beamte muß entweder zum gehobenen Justiz- oder Verwaltungsdienst befähigt sein oder seine Eignung anderweit, namentlich in öffentlicher Tätigkeit, erwiesen haben. Die Amtsdauer beträgt drei Jahre; wird das Amt des Friedensrichter einem Gemeindebeamten neben einem Hauptamt übertragen, so dauert die Übertragung nicht länger als das Hauptamt ( 1 und 2 GFG).
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Tatsächlich finden sich kollegiale Friedensgerichte nur auf kleinen Dörfern, während mittlere und größere Gemeinden in der Regel einen Gemeindebeamten zum Friedensrichter bestellt haben. Außer in den größeren Städten, wo der Geschäftsanfall hauptamtliche Friedensrichter rechtfertigt, ist das Amt des Friedensrichters durchweg einem Gemeindebeamten -- häufig dem Bürgermeister -- im Nebenamt übertragen.
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Auch für die Zuständigkeit des Friedensgerichts ist es von Bedeutung, ob es kollegial oder mit einem Einzelrichter besetzt ist. Zwar ist das Friedensgericht ohne Rücksicht hierauf stets zuständig zur Entscheidung von bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten bis zu einem Streitwert von 150 DM, zur Abrügung von Übertretungen durch Strafverfügung und zur Vornahme des Sühneversuchs in Privatklagesachen ( 4, 5 Abs. I GFG). Ist das Gemeindefriedensgericht aber mit einem Gemeindebeamten als Einzelrichter besetzt, so hat es in Strafsachen die sogenannte "erweiterte Zuständigkeit" ( 5 Abs. 2 GFG), d. h. es entscheidet -- und zwar durch Urteil auf Grund mündlicher Verhandlung -- auch über den Einspruch gegen eine Strafverfügung und bei Mißlingen des Sühneversuchs über Privatklagen. Dem kollegial besetzten Friedensgericht fehlt diese "erweiterte Zuständigkeit"; sie kann ihm jedoch auf Antrag des Gemeinderats durch den Landgerichtspräsidenten verliehen werden, wenn der Vorsitzende oder sein Stellvertreter auf Grund ihrer Vorbildung oder besonderer Bewährung in öffentlicher Tätigkeit dieser Aufgabe gewachsen erscheint (§ 2 Abs. 4 GFG).
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b) Die Lücke, die entsteht, wenn ein Gemeindefriedensgericht die erweiterte Zuständigkeit nicht besitzt, wird durch das staatliche Friedensgericht ausgefüllt, das bei jedem Amtsgericht für die Gemeinden des Amtsgerichtsbezirks als "aushelfendes Organ" (§ 31 Abs. 1 VVVFG) besteht. Die staatlichen Friedensgerichte sind mit einem vom Justizminister auf drei Jahre bestellten Rechtspfleger des Amtsgerichts besetzt ( 3 Abs. 1 und 3 GFG).
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c) Die bei jedem Amtsgericht eingerichteten Friedensobergerichte werden von einem oder mehreren Richtern des Amtsgerichts als Einzelrichtern versehen. Die Friedensoberrichter werden gleichfalls vom Justizminister, jedoch für die Dauer ihres Hauptamtes bestellt (§ 3 Abs. 2 und 3 GFG).
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2. a) In bürgerlichen Rechtssachen sind die Friedensgerichte zuständig (§ 4 Abs. 1 GFG):
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1. Streitigkeiten jeder Art gütlich beizulegen und einen Vergleich darüber zu beurkunden; 2. bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten, falls eine gütliche Beilegung nicht möglich ist und der Streitwert 150 DM nicht übersteigt, durch Urteil zu entscheiden und einstweilige Verfügungen zu erlassen. | 20 |
Allgemein ausgenommen von der Entscheidungsbefugnis der Friedensgerichte sind gewisse Kategorien von Streitigkeiten (vgl. das Nähere § 4 Abs. 2 GFG).
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Die Gemeindeansässigkeit (Wohnsitz, Niederlassung, gewöhnlicher Aufenthalt) beider Parteien ist Voraussetzung der Zuständigkeit der Friedensgerichte (§ 4 Abs. 1 GFG). Ist auch nur eine Partei nicht gemeindeansässig, so ist das Gemeindefriedensgericht nicht zuständig. Es tritt aber auch nicht das staatliche Friedensgericht an seine Stelle; es bleibt vielmehr bei der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte, ohne daß es darauf ankäme, ob der nicht gemeindeansässige Teil in einer Gemeinde ansässig ist, in der das GFG gilt, oder anderswo.
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b) In Strafsachen entscheidet nicht die personelle Anknüpfung, sondern der Begehungsort. Sofern die Tat auf der Gemeindemarkung begangen worden ist, ist das Friedensgericht zuständig (§ 5 Abs. 1 GFG):
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1. Übertretungen eines Reichs- oder Landesgesetzes oder der Verordnung einer Verwaltungsbehörde durch Strafverfügung abzurügen,
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25 | |
Da die Gemeindefriedensgerichte mit erweiterter Zuständigkeit auch über den Einspruch gegen eine Strafverfügung und ebenso nach Mißlingen des Sühneversuchs in Privatklagesachen durch Urteil entscheiden und da für das Gemeindefriedensgericht ohne erweiterte Zuständigkeit insoweit das staatliche Friedensgericht beim Amtsgericht eintritt, ist für Übertretungen wie für Privatklagesachen die ordentliche Gerichtsbarkeit immer ausgeschlossen. Dabei umfaßt die Zuständigkeit für Privatklagesachen den ganzen materiellen Bereich des Privatklageverfahrens einschließlich der Privatklagen aus dem Gebiet des unlauteren Wettbewerbs und des literarischen, künstlerischen oder gewerblichen Urheberrechts; nur wenn die Tat durch die Presse begangen ist, bleiben die ordentlichen Gerichte zuständig (§ 5 Abs. 3 GFG).
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Eine Höchstgrenze für die zu verhängende Strafe besteht nicht; die Friedensgerichte können den jeweiligen Strafrahmen voll ausschöpfen, also u. U. in Privatklagesachen auf Gefängnis bis zu fünf Jahren erkennen. Andererseits können sie im Privatklageverfahren statt eine Strafe zu verhängen, einen Friedensspruch erlassen, wenn "die Tat nicht so ernst ist, daß ihre strafrechtliche Ahndung unerläßlich ist"; der Friedensspruch kann auf Verwarnung, Friedensbuße oder Friedensbürgschaft lauten (vgl. im einzelnen 6 GFG).
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c) Gegen die Entscheidungen der Friedensgerichte sind ohne Rücksicht auf den Wert des Beschwerdegegenstandes diejenigen Rechtsmittel zu den Friedensobergerichten gegeben, die gegen die entsprechende Entscheidung des Amtsgerichts gegeben wären, also gegen Urteile die Berufung (diese auch, soweit die Strafprozeßordnung gegen ein Urteil des Amtsrichters nur Revision zuläßt), sonst die einfache oder die sofortige Beschwerde. -- Die Entscheidungen der Friedensobergerichte sind stets endgültig (§ 11 GFG).
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d) Die Friedensgerichte entscheiden nicht nach Billigkeit, haben vielmehr das allgemein geltende materielle Recht anzuwenden. Auch ihr Verfahren ist durch die VVVFG in Anlehnung an die allgemeinen Verfahrensordnungen geregelt. Die Friedensobergerichte wenden die Zivilprozeßordnung und die Strafprozeßordnung sinngemäß an.
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Die Schwierigkeit der Rechtsprechung durch Laiengerichte hat einige besondere Aushilfsmittel veranlaßt. So ist das Friedensobergericht befugt, den Friedensgerichten rechtliche Anleitung allgemein oder im Einzelfalle -- zu gewähren, freilich unbeschadet ihres Rechts zu selbständiger Entscheidung ( 10 Nr. 2 GFG). Darüber hinaus sind die Gemeindefriedensgerichte befugt, beim Friedensobergericht um Abnahme einer Rechtssache wegen ihrer Schwierigkeit nachzusuchen; das Friedensobergericht ist zuständig, Rechtssachen, in denen das Gemeindefriedensgericht ein solches Ersuchen gestellt oder die es verzögerlich behandelt hat, ihm abzunehmen und dem staatlichen Friedensgericht zuzuweisen (§ 8 Nr. 2, 10 Nr. 3 GFG).
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III. | |
Den einzelnen Verfassungsbeschwerden liegt folgendes zugrunde:
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1. Der Beschwerdeführer D. ... wurde durch Urteil des Gemeindefriedensgerichts der Stadt Stuttgart vom 11. August 1955 auf Grund der 3 Abs. 1, 49 StVO mit einer Geldstrafe von 6 DM bestraft, weil er ein durch die Stadt Stuttgart im Zusammenhang mit der Aufstellung von Parkuhren erlassenes Halteverbot mißachtet hatte; seine Berufung wurde durch Urteil des Friedensobergerichts beim Amtsgericht Stuttgart vom 1. Februar 1956 verworfen. Mit der Verfassungsbeschwerde greift er dieses Urteil an; er bestreitet die Rechtmäßigkeit des Halteverbots, vor allem aber auch die Verfassungsmäßigkeit der Friedensgerichte. Daß im früheren Lande Württemberg-Baden Verkehrsübertretungen nur vom Friedensgericht und allenfalls noch vom Friedensobergericht abgeurteilt würden, während im übrigen Bundesgebiet dieselbe Sache durch drei, unter Umständen sogar durch vier Instanzen gebracht werden könne, verletze den Gleichheitssatz. Die Friedensgerichtsbarkeit entspreche auch nicht den Anforderungen, die das Grundgesetz an die Gerichte stelle, daher sei er durch das GFG seinem gesetzlichen Richter entzogen worden.
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2. Der Beschwerdeführer W. ... wurde beschuldigt, auf nordbadischem Gebiet nahe der bayerischen Landesgrenze einen Verkehrsunfall mitverursacht zu haben. Das kollegiale Friedensgericht der Gemeinde Lohrbach verhängte gegen ihn wegen Übertretung verschiedener Vorschriften der Straßenverkehrsordnung durch Strafverfügung vom 27. März 1956 eine Geldstrafe von 10 DM. Auf seinen Einspruch fand am 23. Juli 1956 Hauptverhandlung vor dem staatlichen Friedensgericht beim Amtsgericht Mosbach statt; er wurde zu einer Geldstrafe von 40 DM, im Falle der Uneinbringlichkeit zu 8 Tagen Haft verurteilt. Seine Berufung wurde durch Urteil des Friedensobergerichts beim Amtsgericht Mosbach vom 11. Januar 1957 verworfen. Auch er rügt mit der Verfassungsbeschwerde eine Verletzung des Art. 3 GG, da er sich mit dem Urteil eines Amtsrichters abfinden müsse, während er mindestens bis zum Oberlandesgericht hätte gehen können, wenn sich der Unfall auf derselben Straße jenseits der Landesgrenze auf bayerischem Gebiet ereignet hätte. Weiter macht er geltend, die Friedensgerichte seien als Ausnahmegerichte nach Art. 101 Abs. 1 Satz 1 GG verfassungswidrig. Daher sei er seinem gesetzlichen Richter entzogen worden (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG).
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3. Die Beschwerdeführerin Z. ... wurde in einem Privatklageverfahren durch Friedensspruch des mit dem Bürgermeister als Einzelfriedensrichter besetzten Friedensgerichts der Stadt Mosbach vom 18. November 1957 zu einer an die Stadtkasse Mosbach zu zahlenden Friedensbuße von 20 DM verurteilt. Ihre Berufung wurde durch Urteil des Friedensobergerichts beim Amtsgericht Mosbach vom 20. Februar 1959 als unbegründet verworfen. Die Verfassungsbeschwerde rügt ebenfalls eine Verletzung der Art. 3 Abs. 1 und Art. 101 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG durch das Urteil des Friedensobergerichts.
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IV. | |
Der Bundesminister der Justiz und das Justizministerium des Landes Baden-Württemberg sind gehört worden.
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1. Das Justizministerium Baden-Württemberg ist den Verfassungsbeschwerden entgegengetreten. Es hat ausgeführt: die Friedensgerichte seien für besondere Sachgebiete im Sinne des Art. 101 Abs. 2 GG errichtet worden; deshalb seien sie keine Ausnahmegerichte. Die Geltung des Gleichheitssatzes werde durch die Vorschriften des Grundgesetzes über die Kompetenzabgrenzung zwischen Bund und Ländern eingeschränkt. Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung, zu der das Recht der Gerichtsverfassung gehöre, seien nach dem ausdrücklichen Willen des Grundgesetzes die Länder befugt, Sonderregelungen zu treffen, soweit ihnen der Bund hierzu freie Hand lasse. Dies sei hier durch den Vorbehalt im Rechtsvereinheitlichungsgesetz geschehen. Selbst wenn man aber eine solche landesrechtliche Besonderheit an Art. Abs. 1 GG messen wollte, sei die Friedensgerichtsbarkeit nicht willkürlich eingeführt worden.
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2. Der Bundesminister der Justiz hat die Entstehungsgeschichte des Art. 8 III Nr. 93 Rechtsvereinheitlichungsgesetz dargelegt und mitgeteilt, damals seien zwar rechtspolitische. nicht aber verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Friedensgerichtsbarkeit geäußert worden. Jedenfalls die Friedensobergerichte müßten als Gerichte im Sinne des Art. 92 GG angesehen werden, weil ihre Besetzung derjenigen der Amtsgerichte entspreche.
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B. -- I. | |
Die Verfassungsbeschwerden richten sich nach ihrem Wortlaut nur gegen die Berufungsurteile der Friedensobergerichte, nicht auch gegen die vorangegangenen erstinstanzlichen Entscheidungen der Friedensgerichte. Die Begründung, die die Beschwerdeführer ihren Anträgen geben und die die Verfassungsmäßigkeit der Friedensgerichtsbarkeit als Ganzes in Zweifel zieht, ergibt aber, daß die Beschwerdeführer auch die Entscheidungen der Friedensgerichte aufgehoben wissen wollen, weil diese Gerichte nicht als Gerichte im Sinne des Grundgesetzes anerkannt werden könnten. Demgemäß sind die Verfassungsbeschwerden dahin zu verstehen, daß sie sich auch gegen die Entscheidungen der Friedensgerichte erster Instanz richten.
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II. | |
Die Verfassungsbeschwerden sind zulässig. Der nach dem GFG gegebene Rechtsweg zu den Friedensobergerichten ist erschöpft; das Gesetz schließt weitere Rechtsmittel gegen ihre Entscheidungen aus. Der Vorschrift des 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG genügt die Erschöpfung des im GFG vorgesehenen Rechtszuges (vgl. BVerfGE 4, 193 [198]).
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C. | |
Die Verfassungsbeschwerden sind begründet. Die Gerichte, die die angegriffenen Entscheidungen erlassen haben, sind auf Grund des GFG errichtet worden; dieses Gesetz ist mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Daher verletzen die Entscheidungen dieser Gerichte das Recht der Beschwerdeführer auf den gesetzlichen Richter.
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I. | |
Die Gerichte der Friedensgerichtsbarkeit sind allerdings keine Ausnahmegerichte. Nur Gerichte, die "in Abweichung von der gesetzlichen Zuständigkeit besonders gebildet und zur Entscheidung einzelner konkreter oder individuell bestimmter Fälle berufen" sind, fallen unter den Begriff des Ausnahmegerichts (BVerfGE 3, 213 [223]; 8, 174 [182]). Die Gerichte der Friedensgerichtsbarkeit treten zwar im Rahmen ihrer Zuständigkeit an die Stelle der ordentlichen Gerichte, sind aber gesetzlich im voraus für bestimmte Sachgebiete abstrakt und generell zur Entscheidung berufen. Sie sind also besondere Gerichte im Sinne des Art. 101 Abs. 2 GG. Sondergerichte des Bundes sind zwar nach dem Grundgesetz nicht zulässig, da Art. 92 GG den Kreis der Bundesgerichte abschließend bestimmt; die Errichtung von Sondergerichten durch die Länder läßt das Grundgesetz dagegen zu. Der Vorbehalt des Rechtsvereinheitlichungsgesetzes zugunsten der Friedensgerichte ermöglichte den Fortbestand dieser Sondergerichte.
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II. | |
Die Einrichtung der Friedensgerichte verletzt das Recht auf den gesetzlichen Richter. Dieses Recht soll zwar in erster Linie Eingriffe der Exekutive in die gesetzlich vorgeschriebene Organisation und Zuständigkeit der Gerichte abwehren (vgl. BVerfGE 4, 412 [416]). Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG bindet aber auch den Gesetzgeber, wie das Bundesverfassungsgericht in anderem Zusammenhang bereits ausgesprochen hat (BVerfGE 6, 45 [50 ff.]; 9, 223 [226]). Diese Norm setzt voraus, daß nur Gerichte bestehen, die in jeder Hinsicht den Anforderungen des Grundgesetzes entsprechen. Wird die Jurisdiktion bundesrechtlich vorgesehener Gerichte ausgeschlossen durch Einrichtung von Sondergerichten des Landesrechts, die diesen Anforderungen nicht genügen, so wird das Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt. Nichts anderes gilt, wenn dieses Ergebnis dadurch zustandekommt, daß derartige Sondergerichte aus der vorkonstitutionellen Zeit bestehenbleiben.
| 42 |
1. Die durch das GFG geschaffenen Gerichte sind als echte Gerichte gedacht, nicht als bloße Schlichtungsstellen ohne richterliche Eigenschaft. Das ergibt nicht nur der durchgängige Sprachgebrauch des GFG; es folgt vor allem aus der Gestaltung ihrer Organisation und ihres Verfahrens und aus der Tatsache, daß die Friedensgerichte im Rahmen ihrer Zuständigkeit an die Stelle der ordentlichen Gerichte treten und sie ausschließen.
| 43 |
2. Da nach 1 GFG Friedensgerichte als "Gemeindebehörde" in jeder Gemeinde zu errichten sind, liegt das Bedenken nahe, sie verstießen gegen das in Art. 92 GG (2. Halbsatz) statuierte Rechtsprechungsmonopol des Bundes und der Länder (Bettermann in Bettermann/Nipperdey/Scheuner, Die Grundrechte, Bd. III 2. Halbband S. 632). Diese Ansicht trifft indessen nicht zu. Der Wortlaut des 1 GFG ist nicht entscheidend.
| 44 |
Der Grundsatz, daß alle Gerichtsbarkeit staatliche Gerichtsbarkeit sei, ist schon im 19. Jahrhundert in Deutschland überall durchgedrungen. Er galt insbesondere auch in Württemberg und Baden (vgl. 92 der württembergischen Verfassung von 1819, für Baden schon das Großherzogliche Organisationsreskript vom 26. November 1809 in Ziff. 2 [RegBl. S. 395]). Die in diesen beiden Ländern bestehenden Gemeindegerichte sind aber immer mit dem Prinzip der ausschließlichen Gerichtsbarkeit des Staates für vereinbar gehalten worden (vgl. Hegler, Das Gemeindegerichtsverfahren in Baden und Württemberg [1910] S. 20). Auf diesem Standpunkt stand insbesondere auch die Reichsgesetzgebung. Wenn 15 Abs. 1 GVG aussprach: "Die Gerichte sind Staatsgerichte", so verstand er als solche offensichtlich auch die unmittelbar vorher -- in 14 GVG -- zugelassenen Gemeindegerichte. Auch die ehemaligen Gewerbe- und Kaufmannsgerichte wurden als staatliche Gerichte angesehen, obwohl sie durch Ortsstatut errichtet wurden und die Gemeinde den Vorsitzenden wählte (Hellwig, Lehrbuch des Deutschen Zivilprozeßrechts [1903] I S. 72). Es kam also schon damals nicht darauf an, daß der Staat unmittelbar Träger der gesamten Gerichtsorganisation war, insbesondere die Personalhoheit selbst ausübte; entscheidend war, daß alle Gerichte Rechtsprechungsgewalt des Staates ausübten.
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Ebenso steht es bei den Gemeindefriedensgerichten. 13 a GVG ermächtigte die Länder, Gerichtsbarkeit auf Friedensgerichte zu übertragen; bei der Einrichtung solcher Gerichte konnte das GFG an die alten Gemeindegerichte anknüpfen, denn 13 a GVG wollte -- bei Kenntnis der badischen und württembergischen Tradition -- eine solche Organisationsform nicht ausschließen. Im übrigen beruht selbst in organisatorischer Hinsicht das System der Friedensgerichte auf engem Zusammenwirken von Staat und Gemeinde: Zwei der drei Typen der Friedensgerichte -- das staatliche Friedensgericht beim Amtsgericht und das Friedensobergericht -- sind unmittelbare staatliche Behörden; die staatliche Justizverwaltung entscheidet über die Verleihung der "erweiterten Zuständigkeit" an das kollegiale Gemeindefriedensgericht; die Gemeindefriedensgerichte unterstehen ihrer Dienstaufsicht. Sie üben staatliche Rechtsprechungsgewalt aus.
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Die Ausübung staatlicher Gerichtsbarkeit durch die Gemeinde steht nicht im Widerspruch zu Art. 92 GG. Dieser schließt sich an Art. 103 WRV an, wonach "die ordentliche Gerichtsbarkeit ... durch das Reichsgericht und durch die Gerichte der Länder ausgeübt" wurde. Die Abweichungen des Wortlauts gehen im wesentlichen darauf zurück, daß Art. 92 GG nicht nur die ordentlichen Gerichte, sondern alle Gerichtsbarkeit umfassen sollte. Art. 103 WRV wollte nicht aussprechen, daß die "Gerichte der Länder" nur in Form unmittelbarer Landesbehörden errichtet werden dürften; infolgedessen wurden landesrechtliche Sondergerichte nach 14 GVG, auch soweit diese Gerichtsbarkeit durch die Gemeinden ausgeübt wurde, nach wie vor als zulässig angesehen. Es fehlt jeder Anhalt dafür, daß Art. 92 GG hieran etwas hätte ändern wollen.
| 47 |
3. Keiner Entscheidung bedarf die Frage, ob durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken sich daraus ergeben, daß die Friedensgerichte erster Instanz reine Laiengerichte und deshalb überfordert sind (vgl. Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 30. November 1957 -- III KLs 47/57 -). Die hierin liegende Gefahr hat der Gesetzgeber selbst erkannt, indem er mehrere Aushilfen schuf, darunter auch die bemerkenswerte Möglichkeit einer Ratserholung bei den Friedensobergerichten (§ 10 Nr. 2 GFG) und die Abnahme einer Sache durch Anordnung des Friedensobergerichts wegen ihrer Schwierigkeit ( 10 Nr. 3 GFG). Ob diese ganze Regelung den rechtsstaatlichen Forderungen des Grundgesetzes noch entspricht, kann offen bleiben, da sich die Verfassungswidrigkeit des GFG aus anderen Erwägungen ergibt.
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Aus dem gleichen Grund braucht das Bundesverfassungsgericht Bedenken gegen die Unabhängigkeit der Gemeindefriedensgerichte nicht nachzugehen. Sie erscheint zwar durch die gesetzlichen Vorschriften (insbesondere § 2 Abs. 2 und 3, 12 C-FG) rechtlich einigermaßen gesichert; doch ist zweifelhaft, ob die enge strukturelle Verflechtung dieser Gerichte in örtliche Verhältnisse und damit zwangsläufig auch in örtliche Interessen nicht geradezu institutionell der inneren Unabhängigkeit entgegenwirkt, auf die jene Vorschriften abzielen (vgl. etwa Urteil des Landgerichts Ellwangen vom 2. Dezember 1958 -- KLs 10/58 -).
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4. Die strikte personelle Bindung der Gemeindefriedensgerichte an die Gemeindeverwaltung ist mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung unvereinbar.
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a) Durch das GFG sollten Kräfte der Demokratie gerade in der kleineren Gemeinschaft der Gemeinde, wo sie von jeher besonders lebendig gewesen waren, für die Rechtspflege nutzbar gemacht werden; die Teilnahme des Volkes an der Rechtspflege sollte zugleich das demokratische Leben befruchten. Von diesem Grundgedanken aus konnte sich eine personelle Verbindung zwischen Gemeindeamt und Friedensrichteramt geradezu empfehlen. Diese Lösung ist aber mit dem grundgesetzlichen Prinzip der Gewaltenteilung nicht vereinbar. Mag dieser Grundsatz auch im allgemeinen näherer Ausgestaltung durch Gesetz zugänglich sein, so stellt das Grundgesetz doch an die Trennung der Justiz von der Verwaltung strengere Anforderungen. Es setzt damit eine andere verfassungsrechtliche Entwicklung, die im 19. Jahrhundert begonnene Lösung der Rechtspflege von der Verwaltung, fort. Wenn es auch nicht jede Verbindung zwischen Ämtern der Rechtspflege und der Verwaltung ausschließt, so ist doch die enge personelle Bindung der Gemeindefriedensgerichte an die Gemeindeverwaltung mit ihm unvereinbar.
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b) Eindeutig verfassungswidrig ist es hiernach, daß der Bürgermeister kraft seines Amtes Vorsitzender des kollegialen Friedensgerichtes ist und daß ihm das Amt des Einzelfriedensrichters übertragen werden kann. Verfassungswidrig ist auch, daß Einzelfriedensrichter nur ein Gemeindebeamter (einschließlich des Bürgermeisters) sein darf, denn nach der Vorstellung des Gesetzes soll dies ein bereits vorhandener Gemeindebeamter sein, der regelmäßig weiter in der Verwaltung tätig bleibt. Diese Fälle bestimmen aber das Bild der Gemeindefriedensgerichtsbarkeit in der Praxis; nach einer amtlichen Statistik von Mitte 1959 bekleideten an 1428 von 1472 Gemeindefriedensgerichten Bürgermeister das Amt eines Friedensrichters. Gemeindebürger, die nicht der Gemeindeverwaltung angehören, sind nach einer Übersicht der Landesjustizverwaltung nur in geringem Umfang in Gemeindefriedensgerichten tätig gewesen.
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c) Diese Verletzungen des Grundsatzes der Gewaltenteilung haben nicht nur organisatorische Bedeutung; ihr materielles Gewicht zeigt sich besonders dort, wo die Gemeindefriedensgerichte in Übertretungssachen entscheiden. Die Aufgaben des Bürgermeisters als Ortspolizeibehörde und seine Befugnis, auch dem staatlichen Polizeivollzugsdienst fachliche Weisungen zu erteilen, müssen immer wieder zu Kollisionen mit seinen Pflichten als Friedensrichter führen. Selbst in den Fällen, in denen er noch nicht als Verwaltungsbehörde tätig war und infolgedessen nicht als Richter gesetzlich ausgeschlossen ist, muß schon seine Eigenschaft als Leiter der Gemeindeverwaltung und besonders als Ortspolizeibehörde eine objektive, spezifisch richterliche Einstellung erschweren, wenn nicht unmöglich machen. Die Gemeindeverwaltung und damit der Bürgermeister haben ein selbstverständliches Interesse an den Entscheidungen der Gemeindefriedensgerichte in Übertretungssachen; das Gesetz selbst unterstreicht dies dadurch, daß nach 11 Abs. 2 GFG das Bürgermeisteramt in Übertretungssachen zur Einhegung von Rechtsmitteln gegen Entscheidungen des Friedensgerichts befugt ist. Besonders schwerwiegend sind jene Pflichtenkollisionen, wenn vom Bürgermeister als Friedensrichter eine objektive Auslegung oder gar eine Prüfung der Rechtmäßigkeit der von ihm selbst erlassenen Anordnungen verlangt werden muß.
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d) Unter dem Gesichtspunkt der Gewaltenteilung verfassungsrechtlich unbedenklich sind nur Gemeindefriedensgerichte, die ausschließlich mit Bürgern besetzt sind, die an der Gemeindeverwaltung nicht beteiligt sind, oder die mit einem hauptamtlichen Friedensrichter besetzt sind, dem auch keine ins Gewicht fallende Nebentätigkeit in der Verwaltung übertragen ist. Diese Fälle sind jedoch selten, für die Beurteilung des Systems als Ganzen kommt ihnen keine entscheidende Bedeutung zu. Bedenken bestehen dagegen wieder, wenn Mitglieder des Gemeinderats als Friedensrichter tätig sind, wie es nach 2 Abs. 1 und 2 GFG für den stellvertretenden Vorsitzenden und die Beisitzer des kollegialen Friedensgerichts vom Gesetz nahegelegt wird. Denn der Gemeinderat ist das "Hauptorgan der Gemeinde", das die Grundsätze für die Verwaltung der Gemeinde festlegt und über alle Angelegenheiten der Gemeinde entscheidet, soweit nicht der Bürgermeister zuständig ist; seiner Zustimmung bedürfen auch Polizeiverordnungen des Bürgermeisters, die länger als einen Monat gelten sollen.
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e) Dieser verfassungsrechtliche Mangel der Gemeindefriedensgerichte wird nicht dadurch "geheilt", daß ihre Entscheidungen beim Friedensobergericht mit Berufung oder Beschwerde angefochten werden können. Zwar sind die Friedensobergerichte Abteilungen der Amtsgerichte und deshalb zweifellos Gerichte im Sinne des Art. 92 GG. Die Möglichkeit, sie mit einem Rechtsmittel anzurufen, ändert aber nichts daran, daß die Rechtsunterworfenen zunächst genötigt sind, vor einem im Regelfall verfassungswidrigen erstinstanzlichen Gericht Recht zu nehmen. Im übrigen ist auch das Verfahren vor den Friedensobergerichten selbst nicht in jeder Hinsicht bedenkenfrei, da das Friedensobergericht nach 10 Nr. 2 GFG den Friedensgerichten rechtliche Anleitung -- auch im Einzelfall -- gewähren kann. Ist dies geschehen, so tritt das Friedensobergericht dem Rechtsmittel nicht mehr unbefangen gegenüber. Dies wiegt um so schwerer, als die Beteiligten von der Gewährung rechtlicher Anleitung nicht unterrichtet zu sein brauchen.
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5. Ein anderes verfassungsrechtliches Bedenken ergibt sich aus der Abgrenzung der zivilrechtlichen Zuständigkeit der Friedensgerichtsbarkeit. Ebenso wie die in dem Gebiet der früheren Länder Baden und Württemberg-Hohenzollern bestehenden Gemeindegerichte sind auch die Friedensgerichte im Gebiete des früheren Landes Württemberg-Baden für Zivilsachen nur dann zuständig, wenn beide Parteien in derselben Gemeinde ansässig sind. Während aber bei den Gemeindegerichten die Parteien durch Berufung auf den ordentlichen Rechtsweg stets an das ordentliche Gericht gelangen können, ergeben sich bei den Friedensgerichten je nach dem Zufall des Wohnorts des Beklagten andere Zuständigkeiten und ein anderer Rechtsmittelzug.
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Daß kleine Zivilprozesse zwischen Gemeindeeinwohnern an Ort und Stelle ausgetragen werden, ist nicht nur bei nachbarrechtlichen und ähnlichen ortsbedingten Streitigkeiten, sondern in kleinen Gemeinden dörflichen Charakters- schon im Interesse der Erhaltung des Gemeindefriedens -- allgemein berechtigt. In Städten läßt sich dagegen eine Sonderbehandlung der Streitigkeiten zwischen Gemeindeansässigen schwerlich rechtfertigen, namentlich nicht in Großstädten, wo auch die Orts- und Sachverbundenheit der Friedensrichter und die leichtere Erreichbarkeit des Gerichts keine Rolle spielen. Auch sonst fehlt für die Zuweisung aller Bagatellstreitigkeiten zwischen Ortseinwohnern an ein solches Gericht ein einleuchtender Grund; hier ist die Gemeindeansässigkeit beider Parteien ein rein zufälliger Umstand. Bei dem starken Anteil der städtischen Bevölkerung an der Gesamtbevölkerung gerade in den nördlichen Teilen des Landes, wo nach Mitteilung der Landesjustizverwaltung sogar 76% aller Zivilprozesse vor den Gemeindefriedensgerichten auf neun größere Städte entfielen, können diese Bedenken nicht durch die Erwägung entkräftet werden, daß es sich um atypische Sonderfälle handle.
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6. Das Bild der Friedensgerichtsbarkeit wird durch das Gemeindefriedensgericht bestimmt und hier wieder durch das Friedensgericht, in dem der Bürgermeister als Vorsitzender oder ein Gemeindebeamter -- auch der Bürgermeister -- im Nebenamt als Einzelfriedensrichter wirkt. Ist diese Form des Friedensgerichts verfassungswidrig, so muß das Gesetz als Ganzes für nichtig erklärt werden. Es ist nicht möglich, die anders besetzten Friedensgerichte mit den auf sie sich beziehenden Vorschriften des GFG allein bestehen zu lassen -- selbst dann nicht, wenn sich bei näherer Prüfung ergeben sollte, daß die oben nur angedeuteten, auch gegen sie zu erhebenden verfassungsrechtlichen Bedenken schließlich doch nicht durchgreifen. Eine solche teilweise Aufrechterhaltung des Gesetzes würde nicht nur die innere Ausgewogenheit des Systems der Friedensgerichtsbarkeit stören, das der Gesetzgeber verwirklichen wollte; sie würde dieses System vielmehr so verändern, daß geradezu von einer Verfälschung der gesetzgeberischen Idee gesprochen werden müßte. Von der Regelung des GFG würden vor allem die staatlichen Friedensgerichte übrig bleiben. Aus der Idee der Friedensgerichtsbarkeit als eines Versuchs grundsätzlicher Art, wie er oben charakterisiert worden ist, würde ein Versuch ganz anderer Art, nämlich der einer Entlastung des (staatlichen) Amtsrichters von der Bagatellgerichtsbarkeit durch den (staatlichen) Rechtspfleger. Auch solche Pläne sind mehrfach erörtert, bisher aber noch nirgends verwirklicht worden. Es ist offensichtlich, daß der Gesetzgeber des GFG eine solche Regelung für sich allein nicht getroffen haben würde, da er die staatlichen Friedensgerichte nur als Aushilfen bereitstellt, um das System der Gemeindefriedensgerichte dort zu ergänzen, wo es ihm sonst nicht durchführbar erschien. Das Gesetz, das in seinem Kernbestand als verfassungswidrig erkannt worden ist, muß daher als Ganzes beseitigt werden (vgl. BVerfGE 8, 274 [300 f.]; 9, 305 [333]).
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