2. §§ 421 Abs. 2, 445 und 447 Abs. 1 AO vom 13. Dezember 1919 in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Mai 1931 (RGBl. I 161, 218), nach denen die FA Kriminalstrafen verhängen können, sind deshalb mit dem GG unvereinbar und daher nichtig.
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Urteil | |
des Zweiten Senats vom 6. Juni 1967 auf die mündliche Verhandlung vom 7. und 8. März 1967
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- 2 BvR 375, 53/60 und 18/65 - | |
in dem Verfahren über die verbundenen Verfassungsbeschwerden 1. des Herrn Dr. G. - Bevollmächtigte: Rechtsanwalt ... und Rechtsanwalt ... - gegen das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 26. Oktober 1959 - III KMs 12/57 - und den Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 12. Februar 1960 - 1 StR 54/60 - 2 BvR 375/60 - 2. der kaufmännischen Angestellten Frau M. - Bevollmächtigte: Rechtsanwälte ... - gegen den Strafbescheid der Gemeinsamen Strafsachenstelle beim Finanzamt Konstanz vom 16. August 1957 - Strafliste Nr. 10/1957 - und den Beschwerdebescheid der Oberfinanzdirektion Freiburg vom 1. September 1958 - S 1266 B - 5/57 - St 17 b - sowie das Urteil des Amtsgerichts Konstanz vom 7. März 1961 - Ds 120/60 - und das Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 12. Oktober 1961 - 2 Ss 131/61 - 2 BvR 53/60 - 3. des Herrn Dr. P. - Bevollmächtigter: Prof... - gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 23. Oktober 1964 - 3 Ss 149/64 - und die vorangegangenen Urteile des Amts- und Landgerichts Oldenburg sowie die Unterwerfungsverhandlung des Finanzamts Wilhelmshaven vom 21. Dezember 1953 - StrL. 70/53 - 2 BvR 18/65 -. | |
Entscheidungsformel:
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1. Der Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 12. Februar 1960 - 1 StR 54/60 -, das Urteil der III. großen Strafkammer des Landgerichts Heilbronn vom 26. Oktober 1959 - III KMs 12/57 -, das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 21. April 1959 - 1 StR 504/58 -, das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 17. März 1958 - III KMs 12/57 -, das Urteil des Finanzgerichts Stuttgart vom 30. April 1957 - II 135/57 - FG 21 -, der Beschwerdebescheid der Oberfinanzdirektion Stuttgart vom 10. Januar 1957 - S 1266 B - 465 - St 54 - und der Strafbescheid des Finanzamts Heilbronn vom 20. März 1956 - Strafliste Nr. 76/1955 - verletzen das Recht des Beschwerdeführers Dr. G. aus Artikel 101 Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 92 des Grundgesetzes. Sie werden aufgehoben.
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2. Das Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 12. Oktober 1961 - 2 Ss 131/61 -, das Urteil des Amtsgerichts Konstanz vom 7. März 1961 - Ds 120/60 -, der Beschwerdebescheid der Oberfinanzdirektion Freiburg vom 1. September 1958 - S 1266 B - 5/57 - St 17 b - und der Strafbescheid der Gemeinsamen Strafsachenstelle beim Finanzamt Konstanz vom 16. August 1957 - Strafliste Nr. 10/1957 - verletzen das Recht der Beschwerdeführerin M. aus Artikel 101 Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 92 des Grundgesetzes. Sie werden aufgehoben.
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3. Das Urteil des Oberlandesgerichtes Oldenburg vom 23. Oktober 1964 - 3 Ss 149/64 -, das Urteil der 1. Kleinen Strafkammer des Landgerichts Oldenburg vom 13. Juli 1962 - 13 Ns 8/61 -, das Urteil des Amtsgerichts Oldenburg vom 23. Februar 1961 - 13 Ds 491/59 - und die Unterwerfungsverhandlung des Finanzamts Wilhelmshaven vom 21. Dezember 1953 - Strafliste Nr. 70/53 - verletzen das Recht des Beschwerdeführers Dr. P. aus Artikel 101 Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 92 des Grundgesetzes. Sie werden aufgehoben.
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4. § 421 Absatz 2, § 445 und § 447 Absatz 1 der Abgabenordnung vom 13. Dezember 1919 in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Mai 1931 (RGBl. I S. 161 [218]) sind mit dem Grundgesetz unvereinbar und daher nichtig.
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A. - I. | |
Die Befugnis der Finanzämter, bei allen Steuervergehen den Sachverhalt zu erforschen und in leichteren Fällen Strafen festzusetzen, wurde in ihrer heutigen, im wesentlichen seither unveränderten Form durch die von der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung beschlossene Reichsabgabenordnung vom 13. Dezember 1919 (RGBl. S. 1993) geregelt.
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Die Reichsabgabenordnung knüpfte damit an eine seit langem bestehende Rechtstradition an. Sie legte im wesentlichen das bis dahin geltende Recht zugrunde und führte es nur in Einzelheiten weiter (vgl. Amtliche Begründung zum Entwurf der Reichsabgabenordnung, Verhandlungen der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung Band 338, Aktenstück Nr. 759, S. 599).
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Alle deutschen Länder kannten seit langer Zeit eine zum Teil recht weitgehende Untersuchungs- und Strafbefugnis der Finanz- und Zollbehörden. Das in den einzelnen Ländern zunächst recht verschieden geordnete Verfahren hatte durch die Rahmenbestimmungen der §§ 459-469 der Reichsstrafprozeßordnung vom 1. Februar 1877 (RGBl. S. 253) eine erhebliche Vereinheitlichung erfahren. Die Strafgewalt der Verwaltungsbehörden war auf Zuwiderhandlungen beschränkt worden, die mit Geldstrafe allein oder in Verbindung mit Konfiskation bedroht waren. Inhalt und Wirkung der Strafbescheide, das gerichtliche Verfahren bei Antrag auf gerichtliche Entscheidung und die Umwandlung nicht beizutreibender Geldstrafen in Freiheitsstrafen waren reichseinheitlich geregelt worden. Im übrigen blieben die landesrechtlichen Vorschriften über das Verfahren unberührt (§ 6 Abs. 2 Ziff. 3 EGStPO vom 1. Februar 1877 [RGBl. S. 346]).
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Im einzelnen gestaltete sich die Rechtslage in den Ländern wie folgt:
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§ 45 der Preußischen Verordnung wegen verbesserter Einrichtung der Provinzialpolizei und Finanzbehörden vom 26. Dezember 1808 (GS S. 464 [476 f.]) sah die Ahndung von Steuerdelikten durch Finanzbehörden vor. Preußen führte dann 1818 ein besonderes Steuerstrafverfahren ein (§ 155 der Zoll- und Verbrauchs-Steuer-Ordnung vom 26. Mai 1818 [GS S. 102, 138]). 1838 folgte eine entsprechende Regelung des Verfahrens bei Zollvergehen (Gesetz wegen Untersuchung und Bestrafung der Zollvergehen vom 23. Januar 1838 [GS S. 78, 86]). Die Strafkompetenz war auf die Verhängung von Geldstrafen beschränkt. Dem Beschuldigten stand das Recht zu, jederzeit "auf rechtliches Gehör anzutragen" und damit die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte herbeizuführen. Diese Vorschriften wurden abgelöst durch das Gesetz betreffend das Verwaltungsstrafverfahren wegen Zuwiderhandlungen gegen die Zollgesetze und die sonstigen Vorschriften über indirekte Reichs- und Landesabgaben vom 26. Juli 1897 (GS S. 237), das später der Reichsabgabenordnung als Vorbild diente und mit ihr in allen wesentlichen Punkten übereinstimmt.
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In Baden konnte der Beschuldigte ursprünglich nach dem Gesetz, das Verfahren in Steuerstrafsachen betreffend, vom 22. Juni 1837 (RegBl. S. 131) jederzeit "die Untersuchung und Aburteilung in gerichtlichem Wege" verlangen (Art. 4). Die Strafkompetenz der Behörden umfaßte festbestimmte Geldstrafen und solche bis zum Betrag von 25 fl. (Art. 1; vgl. auch Verordnung, das Verfahren in Steuer- und Zollstrafsachen betreffend, vom 22. September 1864 [RegBl. S. 669]). Das Gesetz zur Einführung der Reichs-Justizgesetze vom 3. März 1879 (GVBl. S. 91) glich dann das Verfahren an die Bestimmungen der Reichsstrafprozeßordnung an (§§ 136-143).
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In Württemberg verlieh das Verwaltungsedikt für die Gemeinden, Oberämter und Stiftungen vom 1. März 1822 (RegBl. S. 131) den allgemeinen Verwaltungsbehörden eine Strafgewalt in allgemeinen und Steuerstrafsachen, die auch kleinere Freiheitsstrafen umfaßte (§§ 98 f.). Das Zoll-Strafgesetz vom 15. Mai 1838 (RegBl. S. 291) führte bei Zollvergehen die Möglichkeit einer freiwilligen Unterwerfung unter eine vom Hauptzollamt festgesetzte Geldstrafe oder Konfiskation ein (Art. 34). Das Gesetz, betreffend das Verfahren der Verwaltungsbehörden bei Zuwiderhandlungen gegen die Zoll- und Steuergesetze, vom 25. August 1879 (RegBl. S. 259) beseitigte dann die Befugnis der Verwaltungsbehörden, Freiheitsstrafen zu verhängen, und übertrug die Untersuchung und Ahndung der leichteren Zoll- und Steuerdelikte den Zoll- und Steuerbehörden. Das Gesetz entsprach in seinen wesentlichen Zügen dem Verfahren der Reichsabgabenordnung.
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Bayern, das seit 1856 Strafbeschlüsse der Steuerausschüsse gekannt hatte, ordnete das Verfahren neu in den Art. 98 ff. des Gesetzes zur Ausführung der Reichs-Strafprozeßordnung vom 18. August 1879 (GVBl. S. 781) in Anlehnung an die §§ 459-469 RStPO.
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In Sachsen begrenzte das Gesetz, das Verfahren in Verwaltungsstrafsachen betreffend, vom 22. April 1873 (GVBl. S. 291) die bis dahin wesentlich weitergehende allgemeine Strafbefugnis von Verwaltungsbehörden auf Haftstrafen bis zu drei Monaten. Das Gesetz, das Verfahren in Verwaltungsstrafsachen betreffend, vom 8. März 1879 (GVBl. S. 87) übertrug die nunmehr auf Geldstrafen beschränkte Strafkompetenz in Abgabensachen auf die Steuerbehörden und nahm hinsichtlich des Verfahrens Bezug auf die Bestimmungen der Reichs-Strafprozeßordnung.
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Auch die kleineren Länder Hessen, beide Mecklenburg, Oldenburg, Anhalt, Braunschweig, Waldeck, Schaumburg-Lippe, Lippe, die thüringischen Staaten und die Hansestädte kannten - zum Teil schon seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts - ein besonderes Verwaltungsstrafverfahren bei Zuwiderhandlungen gegen die Zoll- und Steuergesetze mit eigener Strafgewalt der Verwaltungsbehörden (vgl. die Zusammenstellung der einschlägigen Vorschriften dieser Länder bei Ernst Löbe, Deutsches Zollstrafrecht, 4. Aufl. 1912, S. 229 ff.).
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Das Steuerstrafverfahren ist in der Abgabenordnung wie folgt geregelt:
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Nach § 421 Abs. 1 AO haben die Finanzämter bei allen Steuervergehen den Sachverhalt zu erforschen, es sei denn, daß der Beschuldigte festgenommen und dem Richter vorgeführt ist. Liegt Tateinheit mit einer anderen Straftat vor, so sind die Finanzämter zur Untersuchung berufen, wenn die Strafe aus dem Steuergesetz zu entnehmen ist (§ 422). In anderen Fällen kann die Staatsanwaltschaft sie ersuchen, den Sachverhalt eines Steuervergehens zu ermitteln (§ 426 Abs. 3).
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Die funktionelle Zuständigkeit der Finanzämter ist ausschließlich, solange sie eine Untersuchung selbst durchführen (§ 426 Abs. 1). Sie sind jedoch befugt, die Sache jederzeit zur weiteren Untersuchung an die zuständige Staatsanwaltschaft abzugeben (§ 425). Mit der Abgabe begeben sich die Finanzämter der weiteren Verfügung über das Verfahren. Sie können allerdings, falls die Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Verfolgung eines Steuervergehens ablehnt, selbst die öffentliche Klage erheben (§ 472).
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Das bei der Untersuchung einzuhaltende Verfahren ist eingehend geregelt:
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Für die Finanzämter besteht grundsätzlich Verfolgungszwang (§§ 440, 441 Abs. 1), der nur bei bestimmten Fällen geringfügiger Schuld durchbrochen ist (§ 477 Abs. 2). Ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus den §§ 424 und 428. Die Einleitung der Untersuchung ist aktenkundig zu machen (§ 441 Abs. 2). Über jede Ermittlung ist eine Niederschrift aufzunehmen (§ 441 Abs. 5). Bei der Durchführung der Ermittlungen können sich die Finanzämter der Hilfe der Polizeibehörden bedienen (§ 424 Abs. 2). In den §§ 430-439 sind die Befugnisse der Finanzämter bei Beschlagnahme, Durchsuchung und vorläufiger Festnahme geregelt. Spätestens nach Abschluß der Untersuchung ist dem Beschuldigten Gelegenheit zur Äußerung zu geben (§ 442). Er hat das Recht, sich durch einen Beauftragten vertreten zu lassen (§ 444).
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Ergibt die Untersuchung, daß der Verdacht nicht begründet ist, so stellt das Finanzamt das Verfahren in allen ihm zur Untersuchung übertragenen Fällen ein.
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Erscheint der Verdacht begründet und reicht die Strafgewalt des Finanzamts zur Ahndung der Tat aus, so kann es im Wege der Unterwerfungsverhandlung oder durch Strafbescheid selbst entscheiden. Es kann jedoch auch das Verfahren in jedem Fall an die Staatsanwaltschaft abgeben. Reicht seine Strafgewalt nicht aus, so ist es zur Abgabe an die Staatsanwaltschaft verpflichtet (§ 446 Abs. 1 Satz 2).
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Die Unterwerfungsverhandlung kann stattfinden, wenn der Beschuldigte das Steuervergehen vorbehaltlos einräumt und sich der in einer Niederschrift festzusetzenden Strafe unter Verzicht auf Erlaß eines Strafbescheids sofort unterwirft. Die Unterwerfung steht einer rechtskräftigen Verurteilung gleich (§ 445). Das Verfahren bei der Unterwerfung ist in der Verordnung über die Unterwerfung im Strafverfahren gemäß § 410 AO vom 1. November 1921 (RGBl. I S. 1328) näher geregelt. Danach muß die Niederschrift über die Unterwerfungsverhandlung u. a. enthalten: die Bezeichnung der Straftat und des anzuwendenden Strafgesetzes, die vorbehaltlose Einräumung des Steuervergehens durch den Beschuldigten, den Verzicht auf Erlaß eines Strafbescheides, die festzusetzende Strafe und die Unterwerfung unter diese Straffestsetzung und die Unterschrift des Beschuldigten. Die Unterwerfung bedarf der Genehmigung durch den Vorsteher des Finanzamts. Sie ist für den Beschuldigten drei Monate lang oder bis zur Versagung dieser Genehmigung bindend. Ferner sind ausführliche Verwaltungsrichtlinien in im wesentlichen gleichlautenden Erlassen der Finanzminister der Länder und des Bundesministers der Finanzen (BStBl. 1960 Teil II S. 122 und BZBl. 1960 S. 324; früher: BZBl. 1956 S. 570 und 668) ergangen, die insbesondere Anweisungen an die Finanzämter enthalten, den Beschuldigten ausreichend Bedenkzeit zu gewähren und sie über den Charakter, die in der Regel eintretende Unwiderruflichkeit und die Folgen der Unterwerfung sowie über die Möglichkeit, einen Berater beizuziehen, zu belehren. Die Verhandlung soll grundsätzlich von einem Beamten, der die Befähigung zum Richteramt oder zum höheren Verwaltungsdienst besitzt, aufgenommen werden.
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Findet keine Unterwerfung statt, kann und will das Finanzamt trotzdem selbst entscheiden, so erläßt es einen Strafbescheid. Der Strafbescheid ist zu begründen und mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen (§ 447). Wird er vollstreckbar, so wirkt er wie ein rechtskräftiges Urteil (§ 458). Die Vollstreckung obliegt dem Finanzamt (§ 459). Kann eine Geldstrafe nicht beigetrieben werden, so hat das Gericht auf Antrag des Finanzamts die Strafe in eine Freiheitsstrafe umzuwandeln (§ 470).
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Gegen einen Strafbescheid kann der Beschuldigte nach seiner Wahl Beschwerde einlegen oder auf gerichtliche Entscheidung antragen. Ein Rechtsmittel schließt das andere aus. Über die Beschwerde entscheidet die Oberfinanzdirektion (§§ 450-452). Nach der grundsätzlichen Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 7. April 1954 (BStBl. 1954 III S. 165 = BFH 58, 664), der sich der Bundesgerichtshof angeschlossen hat (BGHSt 13, 102 [113 ff.]), kann die Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion im Hinblick auf die Gewährleistung des Rechtswegs in Art. 19 Abs. 4 GG wiederum gerichtlich angefochten und von den Gerichten in vollem Umfang überprüft werden. Nach anfänglichem Schwanken (vgl. BFH, BStBl. 1954 III S. 165) erachten nunmehr der Bundesfinanzhof und der Bundesgerichtshof übereinstimmend den ordentlichen Rechtsweg für gegeben (BFH, Großer Senat, BStBl. 1958 III S. 198; BGHSt 13, 102 [120]).
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Wird auf gerichtliche Entscheidung angetragen, so entscheidet das ordentliche Gericht auf Grund einer Hauptverhandlung, falls nicht das Finanzamt den Strafbescheid zurücknimmt. Im gerichtlichen Verfahren vertritt die Staatsanwaltschaft die Anklage. Das Finanzamt hat die Rechte eines Nebenklägers. Das Gericht ist bei seiner Entscheidung an den Strafbescheid nicht gebunden. Ein Verbot der reformatio in peius besteht nicht (§§ 461-469). Das weitere Verfahren richtet sich nach der Strafprozeßordnung, die auch für das vorangehende Verwaltungsverfahren subsidiär neben den Bestimmungen der Steuergesetze gilt (§ 420).
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III.
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Die überwiegende Mehrzahl der von den Finanzbehörden eingeleiteten Steuerstrafverfahren wird nicht an die Staatsanwaltschaft abgegeben, sondern von den Strafsachenstellen der Finanzverwaltung erledigt. In der Regel ist für den Bezirk mehrerer Finanzämter eine gemeinsame Strafsachenstelle eingerichtet. Soweit eine Bestrafung erfolgt, geschieht das in den weitaus meisten Fällen im Wege der Unterwerfungsverhandlung. Anträge auf gerichtliche Entscheidung werden nur in einem geringen Bruchteil der zur Bestrafung führenden Fälle gestellt.
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Aus der Steuerstrafsachen-Statistik des Bundesministers der Finanzen ergeben sich folgende Zahlen:
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Besitz- und Verkehrsteuervergehen - 1961; 1962; 1963; 1964; 1965; 1966 a) Unterwerfungsverhandlungen: 13.395; 11.994; 10.781; 11.419; 10.842; 10.404 b) Strafbescheide: 1.450; 1.650; 1.546; 1.470; 1.438; 1.622 c) Abgaben der Finanzbehörden an die Staatsanwaltschaft: 514; 567; 537; 490; 574; 648 d) Anträge der Beschuldigten auf gerichtliche Entscheidungen: 244; 200; 192; 173; 129; 151 e) gerichtliche Urteile: 422; 421; 372; 333; 462; 374 | |
Im Durchschnitt der sechs Jahre 1961 bis 1966 wurden demnach ca. 85,15% dieser Sachen durch Unterwerfungsverhandlung, weitere ca. 11,70% durch Strafbescheid und restliche ca. 3,15% durch Gerichtsentscheid erledigt.
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IV.
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Nachdem in den letzten Jahren Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des Verwaltungsstrafverfahrens geltend gemacht worden waren, kamen Bestrebungen zu einer Reform des Verfahrens in Gang.
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Anläßlich der Beratung des Rechtsvereinheitlichungsgesetzes wurde in der Sitzung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages vom 17. Mai 1950 erstmals erörtert, ob das Verfahren der Abgabenordnung bei Finanzdelikten noch ganz mit dem Grundgesetz vereinbar sei (BT, 1. WP, Verhandlungen des Rechtsausschusses über das Rechtsvereinheitlichungsgesetz, 40. Sitzung vom 17. Mai 1956, S. 84 ff. des Prot. der 36.-42. Sitzung). Die Mehrheit des Ausschusses entschloß sich jedoch, die Fassung des § 6 EGStPO des Entwurfs beizubehalten, wonach die auf das Verwaltungsstrafverfahren der Abgabenordnung verweisenden landesrechtlichen Bestimmungen aufrechterhalten bleiben sollten.
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Bei der Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des 3. Teils der Abgabenordnung, der auch geringfügige Änderungen des Verwaltungsstrafverfahrens vorsah, wurden in der Sitzung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages vom 11. Januar 1956 verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Strafgewalt der Finanzämter geltend gemacht. Die Bedenken wurden jedoch zurückgestellt, weil die beabsichtigte Kleine Reform nicht geeignet sei, diese grundsätzliche Frage aufzurollen (BT, 2. WP, Prot. der 95. Sitzung des Rechtsausschusses vom 11. Januar 1956, S. 2 ff.). In seiner 136. Sitzung nahm der 2. Deutsche Bundestag aber einen Entschließungsantrag der Fraktion der FDP an, in dem die Bundesregierung ersucht wurde, das Steuerstrafrecht und vor allem das Steuerstrafverfahrensrecht darauf hin zu überprüfen, ob es mit rechtsstaatlichen Prinzipien vereinbar sei, und dem Bundestag einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorzulegen (Verhandlungen des 2. BT, Bd. 28, 136. Sitzung vom 21. März 1956, S. 7046 C und 7062 [Anlage 18]). Einem weiteren inhaltlich gleichen Entschließungsantrag des Rechtsausschusses stimmte der 2. Bundestag in seiner 227. Sitzung vom 29. August 1957 zu (Verhandlungen des 2. BT, Bd. 38, 227. Sitzung, S. 13 521 C und 13 540 B [Anlage 13]; vgl. auch BT-Drucks. II/3650).
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Auf eine mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Arndt, wann die Bundesregierung diesen Entschließungsanträgen zu entsprechen gedenke, antwortete der Bundesjustizminister in der 59. Sitzung des 3. Deutschen Bundestages vom 29. Januar 1959, die Bundesregierung halte das derzeitige Verwaltungsstrafverfahren nicht für verfassungswidrig, erachte jedoch eine allgemeine Überprüfung des Verfahrens für zweckmäßig (Verhandlungen des BT 3. WP, Bd. 42, 59. Sitzung, S. 3259 f.).
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Ein gegen Ende der 4. Wahlperiode von der Bundesregierung beim Bundestag eingebrachter Entwurf eines Gesetzes zur Änderung strafrechtlicher Vorschriften der Reichsabgabenordnung sowie zur Änderung der Strafprozeßordnung und anderer Gesetze (BT-Drucks. IV/2476) wurde von dessen Ausschüssen nicht mehr behandelt.
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Die Bundesregierung hat am 17. März 1967 dem Bundesrat erneut den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung strafrechtlicher Vorschriften der Reichsabgabenordnung und anderer Gesetze (Bundesrats-Drucksache 161/67) zugeleitet. Nach dem Entwurf sollen die Finanzämter lediglich die Ermittlungen in Steuerstrafsachen führen, während die Aburteilung insgesamt den Gerichten übertragen werden soll; das Unterwerfungsverfahren soll abgeschafft werden. Der Bundesrat hat den Entwurf in seiner Sitzung am 7. April 1967 behandelt; er hat eine Entschließung angenommen, wonach das Unterwerfungsverfahren beibehalten werden soll (StenBer. über die 307. Sitzung des Bundesrats vom 7. April 1967, S. 43 ff.).
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Den drei zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbundenen Verfassungsbeschwerden liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
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I.
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2 BvR 375/60:
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1. Das Finanzamt Heilbronn setzte durch Strafbescheid vom 20. März 1956 gegen den Beschwerdeführer Dr. G. wegen eines fortgesetzten Vergehens der Steuerordnungswidrigkeit nach § 413 in Verbindung mit § 107 a AO eine Geldstrafe von 100 DM fest, weil er als Wirtschaftstreuhänder geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen geleistet habe, ohne die hierzu erforderliche Erlaubnis des Finanzamts zu besitzen. Er war wegen des gleichen Delikts bereits zweimal bestraft worden.
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Seine Beschwerde verwarf die Oberfinanzdirektion Stuttgart durch Bescheid vom 10. Januar 1957 und wies in einer Rechtsmittelbelehrung darauf hin, gegen die Entscheidung sei Berufung zum Finanzgericht statthaft. Das Finanzgericht Stuttgart hielt den Rechtsweg zu den Finanzgerichten jedoch für nicht gegeben und verwarf die Berufung durch Urteil vom 30. April 1957 mit der Maßgabe als unzulässig, daß die Oberfinanzdirektion das Rechtsmittel als Antrag auf gerichtliche Entscheidung in sinngemäßer Anwendung von § 450 und §§ 461 ff. AO zu behandeln habe. Das Landgericht Heilbronn gewährte dem Beschwerdeführer zunächst Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Antragsfrist, verwarf aber dann am 17. März 1958 den Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unzulässig. Das Landgericht bejahte zwar in seinem Urteil grundsätzlich die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den ordentlichen Gerichten, hielt aber nach vorausgegangener Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion ein Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag auf gerichtliche Entscheidung nur dann für gegeben, wenn der Beschwerdebescheid eine neue selbständige Beschwer schaffe.
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Der Bundesgerichtshof erörterte zunächst, ob die Strafgewalt der Finanzbehörden mit dem Grundgesetz vereinbar sei, und kam zu dem Ergebnis, das Steuerstrafverfahren stehe weder zum Grundgesetz noch zur Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte in Widerspruch.
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Das Finanzamt übe zwar bei Erlaß eines Strafbescheides der Sache nach rechtsprechende Gewalt aus, wenn die Entscheidung auch in Form eines Verwaltungsaktes ergehe, und nehme damit eine von Natur aus richterliche Aufgabe wahr. Die Strafbefugnis des Finanzamts gehöre also ihrem Wesen nach zur rechtsprechenden Gewalt. Die staatliche Strafgewalt stehe andererseits nach Art. 92 GG als Ausübung rechtsprechender Gewalt den Richtern zu, sei ausschließlich in ihre Hände gelegt. Indessen ergebe sich zwingend hieraus nur, daß sie den Gerichten nicht entzogen und keinem anderen Staatsorgan an ihrer Stelle überantwortet werden dürfe. Dagegen schließe Art. 92 GG nicht aus, daß dem gerichtlichen Verfahren ein Verwaltungsverfahren vorgeschaltet werde, so daß auf Verlangen des Beschuldigten endgültig erst der Richter ausspreche, was Rechtens sei. Daß die Sache nur auf Antrag des Beschuldigten zur richterlichen Entscheidung komme, laufe rechtsstaatlichen Forderungen nicht zuwider. Wer sich bescheide, dem geschehe kein Unrecht.
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Zur Frage der Anfechtbarkeit führte der Bundesgerichtshof sodann aus: Da Strafbescheide und Beschwerdebescheide der Finanzbehörden Verwaltungsakte seien, stehe gegen sie nach Art. 19 Abs. 4 GG der Weg zu den ordentlichen Gerichten offen. Die verfassungskonforme Auslegung des § 450 Abs. 1 Satz 1 AO ergebe, daß auch ein Beschwerdebescheid der Oberfinanzdirektion in jedem Fall und in vollem Umfang richterlich nachprüfbar sein müsse, auch wenn er keine neue selbständige Beschwer enthalte.
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In der erneuten Hauptverhandlung vom 26. Oktober 1959 verurteilte das Landgericht Heilbronn den Beschwerdeführer wegen unerlaubter Hilfeleistung in Steuersachen zu einer Geldstrafe von 100 DM, ersatzweise zu 5 Tagen Gefängnis. Die hiergegen eingelegte Revision verwarf der Bundesgerichtshof durch Beschluß vom 12. Februar 1960 als offensichtlich unbegründet.
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2. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung der Art. 101 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 92 und 20 und der Art. 103 Abs. 1 und Art. 104 Abs. 2 GG. Er hält die Strafkompetenz der Finanzämter für verfassungswidrig, da nach Art. 92 GG nur der Richter Kriminalstrafen verhängen dürfe. Erkenne man die Verfassungswidrigkeit des gegen ihn ergangenen Strafbescheides an, so sei seine Straftat verjährt.
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Seine Auffassung begründet er folgendermaßen:
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Im Gegensatz zur Weimarer Reichsverfassung gehöre der unantastbare Grundsatz der Gewaltenteilung und in Zusammenhang damit die Entwicklung der rechtsprechenden Staatsfunktion zu einer besondersartigen Gewalt mit Selbständigkeit und Ranggleichheit gegenüber der vollziehenden und der gesetzgebenden Gewalt zu den Leitprinzipien des Grundgesetzes.
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Art. 92 GG bliebe jedoch inhaltsleer und enthielte keinerlei Bindung der gesetzgebenden Organe, ließe sich nicht - materiell oder funktionell - bestimmen, welche Art der Staatstätigkeit nach dem Grundgesetz Rechtsprechung sei. Die Verfassung müsse so verstanden werden, daß ihre Bestimmungen ein Höchstmaß an Bindungskraft entfalteten. Art. 92 GG müsse daher als Grundwertentscheidung bedeuten, daß es eine Staatsfunktion gebe, die ihrem Wesen nach von Verfassungs wegen als rechtsprechende Gewalt qualifiziert sei, und daß die Verfassung selbst die Aufgabe, eine solche Staatsgewalt auszuüben, ausnahmslos den Richtern vorbehalten und zugewiesen habe. Es gebe demnach einen materiellen Begriff der Rechtsprechung. Der materielle Rechtsprechungsbegriff unterscheide Rechtsprechung und Verwaltung nicht nach Materien, sondern nach Funktionen (Aufgaben, Wirkungsweisen). Aufgabe der Rechtsprechung sei es, Rechtsungewißheit durch Rechtskraft zu beheben. Das müsse der Gesetzgeber beachten.
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Soweit der Staat einem Berechtigten die Selbsthilfe versage, müsse er als Rechtsstaat den rechtskraftwirkenden Gerichtsschutz als präventive Rechtskontrolle gewähren. Die repressive Rechtskontrolle aller Akten der öffentlichen Gewalt sei durch Art. 19 Abs. 4 und Art. 92 GG geboten. Eine Sonderstellung nehme die Strafkompetenz ein. Die Wahrheitsfrage spiele beim Strafen eine so überragende Rolle, daß das Gesetz nicht zulassen dürfe, daß der Bürger sich ohne richterliche Prüfung einer Strafe unterwerfe. Der strafrichterliche Urteilsspruch sei nicht allein Rechtsanwendung, sondern zugleich Rechtsschöpfung, weil die im Einzelfall verwirkte Strafe sich nicht allein aus dem Gesetz ergebe und weil er zugleich Wahrspruch sei. Der Strafrichter müsse sich daher in besonderem Maße auch an der Idee der Gerechtigkeit orientieren. Schon daraus ergebe sich, daß das Strafen nicht vollziehende Gewalt sein könne. Das Strafen lasse sich nicht verwalten, es sei keine bloße Gesetzesausführung.
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Die Intensität des Eingriffs sei beim wertend vorwerfenden Straferkenntnis ungleich größer als beim wertneutralen Verwaltungsakt. Es sei wesentliches Merkmal der Strafe, daß der Verurteilte mit dem Makel einer kriminellen Schuld behaftet und in der Achtung der Gesellschaft herabgesetzt werde. Es sei rechtsstaatlich unzulässig, die Verwaltung zu diesem Eingriff vorab zu ermächtigen und eine lediglich repressive Kontrolle durch die Gerichte nachfolgen zu lassen.
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Die Strafgewalt der Finanzämter könne auch nicht damit gerechtfertigt werden, es handle sich nur um ein Vorverfahren. Tatsächlich wolle das Finanzamt durch seine eigene Entscheidung das richterliche Verfahren ersetzen. Das werde besonders deutlich beim Unterwerfungsverfahren, das darauf abziele, die Gerichtsbarkeit auszuschließen. Das sogenannte Vorschaltverfahren sei in Wahrheit ein verfassungswidriges Verfahren, um den Bürger seinem gesetzlichen Richter zu entziehen. Niemand dürfe richten, auch nicht scheinbar vorläufig, der nicht im Sinn der Verfassung ein gesetzlicher Richter sei.
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das Urteil der III. großen Strafkammer des Landgerichts Heilbronn vom 26. Oktober 1959 - III KMs 12/57 - und den Beschluß des Ersten Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 12. Februar 1960 - 1 StR 54/60 - aufzuheben.
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Die Begründung der Verfassungsbeschwerde ergibt, daß der Beschwerdeführer auch die gegen ihn ergangenen Verwaltungsentscheidungen angreifen will.
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3. Namens der Bundesregierung hat sich der Bundesminister der Finanzen wie folgt geäußert:
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Die Verfassungsbeschwerde sei unzulässig, da der Beschwerdeführer durch den Strafbescheid des Finanzamts Heilbronn nicht mehr beschwert sei. Der Strafausspruch dieser Entscheidung sei durch den Antrag auf gerichtliche Entscheidung beseitigt worden. Der Strafbescheid habe nach § 462 AO im gerichtlichen Verfahren nur noch insoweit Bedeutung, als er die Anklageschrift ersetze.
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In diesem Zusammenhang sei ohne Bedeutung, daß der Erlaß des Strafbescheids die Strafverjährung unterbrochen habe. Denn aus dem Grundgesetz folge nicht, daß eine Unterbrechung der Verjährung nur durch richterliche Handlung geschehen könne.
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Die Verfassungsbeschwerde sei auch unbegründet. Das Steuerstrafverfahren sei mit dem Grundgesetz vereinbar. Art. 92 GG lege nur die Organisation der Rechtsprechung fest, beantworte aber nicht die Frage nach dem Inhalt und Umfang der rechtsprechenden Gewalt im einzelnen. Der Vorschrift liege nicht ein materieller, sondern ein formeller Rechtsprechungsbegriff zugrunde. Diese Auslegung entspreche dem traditionellen Verständnis des Rechtsprechungsbegriffs und ergebe sich auch daraus, daß es an eindeutigen materiellen Kriterien für den Begriff der rechtsprechenden Gewalt fehle.
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Daß die Rechtsprechung den Richtern anvertraut sei, zwinge daher nicht zu der Annahme, nur Richter könnten Strafen aussprechen. Der Gesetzgeber sei vielmehr im Rahmen der grundgesetzlichen Ordnung befugt, durch Zuweisung oder Entziehung von Sachgebieten den Umfang der rechtsprechenden Gewalt näher zu bestimmen. Er könne einer Verwaltungsbehörde die Kompetenz zuerkennen, Geldstrafen zu verhängen, vorausgesetzt, daß dies in einem rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechenden Verfahren geschehe und nicht gegen den Willen des Betroffenen die Anrufung der Gerichte ausgeschlossen sei.
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Selbst wenn man aber bei der Auslegung des Art. 92 GG einen materiellen Rechtsprechungsbegriff zugrunde lege, widerspreche die Strafbefugnis der Finanzämter nicht der Verfassung. Die rechtsprechende Gewalt werde dem Richter nicht entzogen, da es sich bei dem Steuerstrafverfahren nur um ein Vorschaltverfahren handele, während die endgültige Entscheidung dem Richter obliege.
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Die Bundesregierung hat ferner zwei Gutachten zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Steuerstrafverfahren vorgelegt. Beide Gutachter, Professor Dr. K. und Oberlandesgerichtsrat i. R. W., kommen zu dem Ergebnis, die Strafgewalt der Finanzämter sei mit dem Grundgesetz vereinbar.
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II.
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2 BvR 53/60:
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1. Die Gemeinsame Strafsachenstelle beim Finanzamt Konstanz setzte durch Strafbescheid vom 16. August 1957 gegen die Beschwerdeführerin M. eine Geldstrafe von 350 DM wegen fortgesetzter vorsätzlicher Verkürzung der Umsatzsteuer fest. Die Beschwerdeführerin habe als Beauftragte ihrer Mutter die Umsatzsteuervoranmeldungen der Monate Dezember 1953 bis April 1954 für deren Elektrogeschäft bis zur Einleitung eines Strafverfahrens nicht abgegeben und die fälligen Umsatzsteuervorauszahlungen nicht entrichtet und dadurch eine "zeitliche Verkürzung" der Steuer bewirkt. Auf ihre Beschwerde hin ermäßigte die Oberfinanzdirektion die Strafe durch Beschwerdebescheid vom 1. September 1958 auf einen Betrag von 100 DM. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Verfassungsbeschwerde, stellte dann aber auf Belehrung beim Amtsgericht Konstanz Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Das Amtsgericht erkannte durch Urteil vom 7. März 1961 wegen vorsätzlicher Steuerhinterziehung auf eine Geldstrafe von 100 DM, ersatzweise 10 Tage Gefängnis. Die hiergegen eingelegte Revision verwarf das Oberlandesgericht Karlsruhe durch Urteil vom 12. Oktober 1961 als unbegründet. Es wies die Verfahrensrüge der Revision, es fehle an einer Anklageschrift, da der Strafbescheid des Finanzamts verfassungswidrig und nichtig sei, zurück, bejahte die verfassungsrechtliche Zulässigkeit des Verwaltungsstrafverfahrens und bezog sich dabei zur Begründung im wesentlichen auf das im Fall Dr. G. ergangene Urteil des Bundesgerichtshofs (BGHSt 13, 102).
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2. Mit der nach Erlaß des Revisionsurteils erneuerten Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 92 GG. Sie meint, Art. 92 GG, der in einem materiellen Sinn verstanden werden müsse, lege ein richterliches Entscheidungsmonopol in Strafsachen fest, da jedenfalls die Entscheidung von Strafsachen der rechtsprechenden Gewalt zuzurechnen sei. Das Finanzamt habe demnach beim Erlaß der Strafbescheide eine Funktion der Rechtsprechung wahrgenommen, die ihm nicht zukomme. Dadurch sei sie ihrem gesetzlichen Richter entzogen worden.
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Die Beschwerdeführerin M. beantragt,
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den Strafbescheid der Gemeinsamen Strafsachenstelle beim Finanzamt Konstanz - Strafliste 10/57 - vom 16. August 1957 in der Fassung der Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion Freiburg vom 1. September 1958, das Urteil des Amtsgerichts Konstanz vom 7. März 1961 - Az: Ds 120/60 - und das Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 12. Oktober 1961 - Az: 2 Ss 131/61 - aufzuheben.
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3. Der Bundesminister der Finanzen hält die Verfassungsbeschwerde für unzulässig. Der Strafbescheid der Gemeinsamen Strafsachenstelle und der Beschwerdebescheid der Oberfinanzdirektion seien durch den Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegenstandslos geworden. Das Amtsgericht habe nicht über den Strafbescheid, sondern neu und unabhängig vom Inhalt des Strafbescheids in der Sache selbst zu entscheiden gehabt. Die Beschwerdeführerin sei daher durch den Strafbescheid nicht mehr beschwert. Jedenfalls sei die Verfassungsbeschwerde aber, wie sich aus seiner Äußerung im Verfahren 2 BvR 375/60 (Verfassungsbeschwerde Dr. G.) ergebe, nicht begründet.
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III.
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2 BvR 18/65:
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1. Das Finanzamt Wilhelmshaven setzte am 21. Dezember 1953 in einer Unterwerfungsverhandlung gegen den Beschwerdeführer Dr. P. wegen fortgesetzter Hinterziehung der Umsatz- und der Einkommensteuer Geldstrafen von zusammen 30 000 DM fest und ordnete die öffentliche Bekanntmachung der Bestrafung an. Der Beschwerdeführer soll als freiberuflicher Interessenvertreter der Stadt X. und verschiedener Wirtschaftsunternehmen in seinen Steuererklärungen in größerem Umfang vereinnahmte Provisionen verschwiegen und fingierte Betriebsausgaben geltend gemacht haben. Der Beschwerdeführer hatte nach einer Haussuchung durch die Steuerfahndungsstelle die ihm vorgeworfene Steuerhinterziehung zunächst weitgehend zugegeben, das Geständnis bei einer späteren Vernehmung widerrufen und, nachdem er wegen Verdunkelungsgefahr vorläufig festgenommen worden war, vor dem Finanzamt und vor dem Haftrichter nach einer Besprechung mit seinem Verteidiger und seinem Steuerberater erneut ein volles Geständnis abgelegt und sich mit der Unterwerfung einverstanden erklärt. Die einige Tage darauf vollzogene Unterwerfungsverhandlung genehmigte die Oberfinanzdirektion Hannover am 26. Februar 1954.
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Am 24. Juni 1954 beantragte der Beschwerdeführer die Wiederaufnahme des Verfahrens. Die Finanzbehörden hielten diesen Antrag, das Finanzgericht in Hannover die Berufung gegen den ablehnenden Bescheid für unzulässig. Der Bundesfinanzhof verwies die Sache durch Urteil vom 24. September 1958 zur Entscheidung an das Amtsgericht in Oldenburg.
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Inzwischen hatte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 5. Juli 1957 beantragt, die Unterwerfungsverhandlung wegen schwerer Verfahrensmängel für nichtig zu erklären, und hatte gegen den diesen Antrag zurückweisenden Bescheid der Oberfinanzdirektion das "zulässige Rechtsmittel" eingelegt. Das Amtsgericht Oldenburg ließ durch Beschluß vom 1. Juli 1960 die Wiederaufnahme zu und verwarf den Feststellungsantrag. Das Landgericht Oldenburg hob diesen Beschluß auf, setzte das Wiederaufnahmeverfahren vorläufig aus und verwies das Nichtigkeitsbeschwerdeverfahren zur mündlichen Verhandlung und Entscheidung durch Urteil an das Amtsgericht Oldenburg zurück.
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Das Amtsgericht verwarf nun den Feststellungsantrag durch Urteil vom 23. Februar 1961 als unbegründet. Auf Berufung hin hob die 2. Kleine Strafkammer des Landgerichts Oldenburg das Urteil auf und verwies die Sache an das Schöffengericht beim Amtsgericht Oldenburg, weil nicht der Amtsrichter als Einzelrichter, sondern das Schöffengericht zuständig sei.
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Das Oberlandesgericht Oldenburg als Revisionsinstanz stellte das amtsrichterliche Urteil wieder her und verwies die Sache zur Durchführung der Berufung an das Landgericht Oldenburg zurück.
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Nach mehrwöchiger Beweisaufnahme verwarf die 1. Kleine Strafkammer des Landgerichts die Berufung am 13. Juli 1962 als unbegründet. In dem Urteil heißt es, die Unterwerfungsverhandlung sei weder aus formellen Gründen nichtig noch seien die Behauptungen des Beschwerdeführers bestätigt worden, daß der Inhalt der Unterwerfung durch unzulässigen Druck beeinflußt worden und seine Willensfreiheit durch unzulässige Maßnahmen eingeschränkt gewesen sei.
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Die Revision des Beschwerdeführers verwarf das Oberlandesgericht Oldenburg durch Urteil vom 23. Oktober 1964. Das Oberlandesgericht hält unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHSt 13, 102) Straffestsetzungen durch die Finanzbehörden für zulässig und folgert weiter, es müsse dann auch ein Verzicht auf die Anrufung der Gerichte möglich sein, wenn es sich um die tatsächliche und rechtliche Würdigung des Sachverhalts und die Strafzumessungsgründe handele. Nur soweit danach kein wirksamer Verzicht auf richterliche Nachprüfung vorliege, eröffne Art. 19 Abs. 4 GG die Möglichkeit einer gerichtlichen Anfechtung. Das Unterwerfungsverfahren nach der Abgabenordnung sei also mit dem Grundgesetz vereinbar und könne gerichtlich nur auf schwere Verfahrensmängel, die hier nicht vorlägen, überprüft werden.
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2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt Dr. P., das Unterwerfungsverfahren verstoße gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 104 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 und Art. 92 GG. Im Unterwerfungsverfahren werde materiell Strafrechtspflege ausgeübt. Rechtsprechung im materiellen Sinn sei aber nach Art. 20 Abs. 2 und Art. 92 GG ausschließlich den Richtern vorbehalten. Unabhängig davon verbiete auch schon die rechtsstaatliche Grundkonzeption des Grundgesetzes die Übertragung von Strafgewalt auf Verwaltungsorgane, da diesen die Unabhängigkeit fehle und die Anlage des Unterwerfungsverfahrens der rechtsstaatlichen Ordnung widerspreche. Der in diesem Verfahren geforderte vorgängige Rechtsmittelverzicht verstoße gegen elementare Regeln des Strafverfahrens. Eine richtige Entscheidung sei nicht gewährleistet, zumal der Betroffene oft unter Druck gesetzt werde. Es sei rechtsstaatlich untragbar, daß die Unterwerfungsbehörde Geschädigter, Strafverfolgungsorgan und Richter in einer Person sei.
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Das Unterwerfungsverfahren sei kein Vorschaltverfahren. Da die gerichtliche Nachprüfung eng begrenzt sei, träten die Finanzbehörden in der Ausübung der Rechtsprechungsfunktion an die Stelle der Gerichte.
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Zumindest widerspreche aber die Beschränkung der gerichtlichen Nachprüfung auf das Vorliegen von Nichtigkeitsgründen dem Art. 19 Abs. 4 GG, der einen vollen gerichtlichen Rechtsschutz gewähren wolle. Die Gerichte hätten also die Schuld- und Straffrage in vollem Umfang nachprüfen müssen. Dabei hätte sich dann herausgestellt, daß bei einem erheblichen Teil der ihm vorgeworfenen Steuerhinterziehungen nicht er, sondern sein inzwischen verstorbener Vater als Täter in Frage komme.
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Der Beschwerdeführer rügt ferner eine Reihe von weiteren Grundrechtsverstößen bei der Durchführung des Ausgangsverfahrens. Er beantragt:
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1. festzustellen, daß die Unterwerfungsverhandlung des Finanzamts Wilhelmshaven vom 21. Dezember 1953 - StrL 70/53 -, das Urteil des Amtsgerichts Oldenburg vom 23. Februar 1961 - 13 Ds 491/59 -, das Urteil der 1. Kleinen Strafkammer des Landgerichts Oldenburg vom 13. Juli 1962 - 13 Ns 8/61 - sowie das Urteil des 3. Strafsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 23. Oktober 1964 - 3 Ss 149/64 - u. a. gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 92 des Grundgesetzes verstoßen, und sie deshalb aufzuheben;
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2. festzustellen, daß §§ 445, 470 AO nichtig sind;
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3. auszusprechen, daß das Finanzamt Wilhelmshaven (Land Niedersachsen) dem Beschwerdeführer gemäß § 34 Abs. 3 BVerfGG dessen Auslagen zu ersetzen hat, und zwar einschließlich der Verfahren vor dem Finanzamt Wilhelmshaven, der Oberfinanzdirektion Hannover, den Steuergerichten und den ordentlichen Gerichten, welche mit diesem Verfahren befaßt waren.
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Außerdem stellt er Hilfsanträge.
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3. Namens der Bundesregierung hat sich der Bundesminister der Finanzen wie folgt geäußert:
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Die Verfassungsbeschwerde sei zwar zulässig, aber sachlich nicht begründet. Grundsätzlich sei eine Strafbefugnis von Finanzbehörden verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Soweit die Unterwerfung eines Beschuldigten einer rechtskräftigen Verurteilung gleichstehe, unterscheide sie sich von einem Strafbescheid nur in der Form, nicht in der Wirkung, könne also nicht anders als ein Strafbescheid beurteilt werden. Eine Besonderheit der Unterwerfung bestehe allerdings darin, daß sie darauf angelegt sei, eine Steuerstrafsache endgültig zu erledigen. Es entspreche dieser Tendenz, daß die nach Art. 19 Abs. 4 GG angerufenen Gerichte ihre Nachprüfung auf die Nichtigkeit oder Aufhebbarkeit der Unterwerfungsverhandlung beschränkten. Darin liege kein Widerspruch zu der Rechtsschutzgarantie des Art 19 Abs. 4 GG. Ein lückenloser Rechtsschutz müsse nicht in jedem beliebigen Stadium eines Verfahrens gewährt werden. Namentlich stehe Art. 19 Abs. 4 GG der gesetzlichen Befristung eines Rechtsweges nicht entgegen. Das gleiche gelte für den Verzicht auf den Rechtsweg. Der vorgängige Verzicht auf einen Rechtsbehelf werde zwar im Verwaltungs- und im Strafprozeßrecht allgemein als unwirksam erachtet. Das habe seinen Grund jedoch nur darin, daß der Betroffene sich nicht entschließen solle, bevor er nicht den vollständigen Inhalt einer gegen ihn ergangenen Entscheidung kenne. Kenne der Betroffene aber - wie beim Unterwerfungsverfahren - die zu erwartende Entscheidung genau und könne er sich über die Wirkungen seiner Erklärung nicht im unklaren sein, so müsse der vorweggenommene Verzicht auf einen Rechtsbehelf zulässig sein.
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Der Niedersächsische Minister der Justiz und der Niedersächsische Minister der Finanzen haben sich in der mündlichen Verhandlung zu Einzelheiten des Ausgangsverfahrens gegen den Beschwerdeführer Dr. P. geäußert.
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Die Verfassungsbeschwerden sind zulässig.
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1. Die Beschwerdeführer Dr. G. und M. haben form- und fristgerecht die Verletzung ihrer Rechte aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gerügt. Sie haben den gesetzlich vorgesehenen Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten erfolglos beschritten und damit dem Erfordernis des § 90 Abs. 2 BVerfGG Genüge getan. Ihre Beschwer ist nicht dadurch entfallen, daß die Strafbescheide der Finanzbehörden durch die nachfolgenden richterlichen Verurteilungen gegenstandslos geworden sind. Die Beschwerdeführer rügen, sie seien ihrem gesetzlichen Richter entzogen worden; denn sie seien genötigt gewesen, zunächst in einem verfassungswidrigen Verfahren Recht zu suchen; dies bedeute einen so empfindlichen Eingriff in ihre Grundrechte, daß er durch die nachträgliche, verfassungsrechtlich an sich nicht zu beanstandende richterliche Verurteilung im weiteren Verlauf des Verfahrens nicht geheilt werde. Mit dem Vorbringen, sie seien durch das verfassungswidrige Strafverfahren vor einer Finanzbehörde ihrem gesetzlichen Richter entzogen worden, haben die Beschwerdeführer ihre Beschwer hinreichend dargetan.
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2. Die gegen eine Unterwerfungsverhandlung gerichtete Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers Dr. P. ist gleichfalls zulässig. Wesentliches Element und Zweck der Unterwerfung ist die Festsetzung einer Strafe. Die Unterwerfung steht insoweit einer rechtskräftigen Verurteilung gleich. Die Einwilligung des Betroffenen ist zwar erforderlich; sie enthält aber im Kern nur die Hinnahme des als unvermeidlich erkannten Strafübels in einem vereinfachten Verfahren. Trotz der Einwilligung steht also die Bestrafung, somit ein hoheitlicher Eingriff, im Vordergrund. Da dieser Eingriff Grundrechte des Betroffenen verletzen kann, sind die Voraussetzungen des § 90 BVerfGG gegeben.
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In der Unterwerfung liegt kein Verzicht auf die Erschöpfung des Rechtswegs im Sinn des § 90 BVerfGG. Während ein Prozeßbeteiligter beim Rechtsmittelverzicht einen gesetzlich vorgesehenen, ihm offenstehenden Instanzenweg nicht beschreitet, wählt er bei der Einwilligung zur Unterwerfung eine besondere Verfahrensart, die keinen regulären Instanzenzug, sondern nur die von der Rechtsprechung im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG zugelassene gerichtliche Überprüfung auf schwere Verfahrensmängel vorsieht (vgl. BGHSt 15, 73 [77]).
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Diesen außerordentlichen Rechtsweg hat der Beschwerdeführer Dr. P. erfolglos beschritten; er hat insbesondere die nach seiner Auffassung verfassungswidrige Prozedur der Finanzbehörde erfolglos gerügt. Gegen das letztinstanzliche Urteil des Oberlandesgerichts Oldenburg hat er somit rechtzeitig Verfassungsbeschwerde erhoben.
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Die Verfassungsbeschwerden sind begründet. Gegen die Beschwerdeführer wurden von Finanzbehörden Kriminalstrafen verhängt. Die Verhängung von Kriminalstrafen ist Ausübung rechtsprechender Gewalt im Sinn des Art. 92 GG. Nach dieser Vorschrift können nur Richter Kriminalstrafen verhängen. Die Vorschriften der Abgabenordnung, welche die Finanzbehörden zur Ahndung von Steuerstraftaten ermächtigen, sind deshalb mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Daher verletzen die Strafbescheide dieser Behörden und die Unterwerfungsverhandlung vor ihnen das Recht der Beschwerdeführer auf den gesetzlichen Richter.
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I.
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Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG soll zwar in erster Linie Eingriffe der Exekutive in die gesetzlich vorgeschriebene Organisation und Zuständigkeit der Gerichte abwehren. Das Gebot, daß niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden darf, richtet sich aber auch an den Gesetzgeber (BVerfGE 6, 45 [50 ff.]; 9, 223 [226]; 10, 200 [213]). Es schließt aus, daß Zuständigkeiten, welche die Verfassung den Richtern vorbehält, durch Gesetz Verwaltungsbehörden zugewiesen werden (vgl. BVerfGE 20, 365 [369 f.]). Die Verhängung einer Strafe durch eine Verwaltungsbehörde auf Grund einer solchen verfassungswidrigen Zuständigkeitsregelung bedeutet eine Entziehung des gesetzlichen Richters.
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II.
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Die Verurteilung zu Kriminalstrafe ist nach Art. 92 erster Halbsatz GG ausschließlich den Richtern vorbehalten.
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1. Art. 92 GG geht von einem materiellen Begriff der rechtsprechenden Gewalt aus.
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a) Die Weimarer Reichsverfassung verwandte in der dem Art. 92 GG entsprechenden Vorschrift des Art. 103 den Begriff der "ordentlichen Gerichtsbarkeit", die durch das Reichsgericht und die Gerichte der Länder ausgeübt werde. Nach ganz überwiegender Auffassung war dieser Begriff in einem formellen Sinn so zu verstehen, daß sich der Umfang der Gerichtsbarkeit durch die gesetzliche Zuweisung von Aufgaben ergebe, daß die Verfassung selbst aber keine bestimmten Aufgaben der Justiz vorbehalte (vgl. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, 14. Aufl., Art. 103 Anm. 1; RGZ 107, 320 [323 f.]).
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b) Im Gegensatz zu dieser überlieferten Auffassung wird der Begriff "rechtsprechende Gewalt" in Art. 92 GG in der Literatur fast einhellig in einem materiellen Sinn oder doch jedenfalls so ausgelegt, daß materielle Elemente mitenthalten sind (vgl. Dernedde, ZJBl. 1949, 101 [102]; v. Mangoldt, Bonner Grundgesetz, 1. Aufl., Vorbem. 3 a zu Art. 92; Rumpf, VVdStRL Bd. 14 S. 136 [149]; Bachof, ebenda S. 174 [178]; Niese, ZStrW Bd. 70 S. 337 [352]; Holtkotten in Bonner Kommentar, Art. 92 Anm. II 1 b und viele andere).
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Das Bundesverfassungsgericht hat es bei der Prüfung des Bußgeldverfahrens nach dem Wirtschaftsstrafgesetz zwar offengelassen, ob es eindeutige materielle Kriterien für den Begriff der rechtsprechenden Gewalt im Sinn des Art. 92 GG gebe; es hat jedoch die Ausübung der Strafgerichtsbarkeit als sicher zu den Funktionen der Dritten Gewalt gehörend bezeichnet und damit bereits eine teilweise Abgrenzung zur Exekutive nach materiellen Gesichtspunkten vorgenommen (BVerfGE 8, 197 [207]; ähnlich: 12, 264 [274]).
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Nur ein materielles Verständnis des Rechtsprechungsbegriffs wird dem Sinn des Art. 92 GG gerecht. Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift läßt zwar keine sicheren Schlüsse auf ihre Bedeutung zu (vgl. Art. 128 des Herrenchiemseer Entwurfs und 50. Sitzung des Hauptausschusses des Parlamentarischen Rats vom 10. Februar 1949, Verhandlungen S. 665). In zahlreichen Einzelvorschriften des Grundgesetzes (Art. 13 Abs. 2; 14 Abs. 3 Satz 4; 15 Satz 2; 18; 19 Abs. 4; 21 Abs. 2; 34 Satz 3; 41 Abs. 2; 61; 93; 95; 96; 96 a; 98; 100; 104 Abs. 2 und 3; 126; 132 Abs. 3) sind den Gerichten aber bestimmt umrissene Aufgaben von Verfassungs wegen zugewiesen. Diese Aufgaben sind bei der begrifflichen Zusammenfassung der gerichtlichen Tätigkeit als der rechtsprechenden Gewalt zu Beginn des IX. Abschnitts des Grundgesetzes über die Rechtsprechung mitumfaßt. Sie machen bereits einen sehr wesentlichen Teil der Tätigkeit der Gerichte aus. Die Sorgfalt, die das Grundgesetz der Hervorhebung der rechtsprechenden Gewalt als Institution und als Kontrollorgan der übrigen Gewalten widmet, wäre schwer verständlich, sollte ihr Umfang schlechthin dem einfachen Gesetzesvorbehalt unterliegen. Die Schöpfer des Grundgesetzes haben der rechtsprechenden Gewalt diese besondere Sorgfalt gewidmet, weil sie sich bewußt waren, wie die Rechtsprechung unter dem nationalsozialistischen Regime ausgehöhlt und pervertiert worden war. Die Konstituierung einer eigenständigen und unabhängigen rechtsprechenden Gewalt gehörte danach zu den besonderen Zielen des Verfassungsgebers. Die Hervorhebung der rechtsprechenden Gewalt in Art. 92 erster Halbsatz GG, der Zusammenhang mit den übrigen die Rechtsprechung betreffenden Vorschriften des Grundgesetzes und der historische Hintergrund der Entstehung ergeben daher, daß die Vorschrift gegenüber den nur formalen Kriterien des Art. 103 WRV ein Mehr an verfassungsrechtlichen Garantien der rechtsprechenden Gewalt enthält.
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2. In der Rechtslehre ist die Diskussion darüber, was unter dem Begriff "rechtsprechende Gewalt" zu verstehen ist, noch nicht abgeschlossen. Goldschmidts Theorie, Prozeß sei das auf die Herbeiführung von Rechtskraft gerichtete Verfahren (Der Prozeß als Rechtslage, 1925, S. 151 ff.), führt zu der Frage, welche Rechtssachen der Verleihung der Rechtskraft bedürfen und deshalb zur rechtsprechenden Gewalt gehören. Auch Arndts daran anschließende These, rechtsprechende Gewalt heiße rechtskraftwirkende Entscheidung durch Wahrheits- und Rechtsprüfung um der Gewißheit willen (Festgabe für Carlo Schmid, S. 5 [10 bis 15]), läßt offen, in welchen Fällen diese Prüfung notwendig ist. Die Definition von Thoma, Rechtsprechung sei der "verselbständigte Ausspruch dessen, was in Anwendung des geltenden Rechtes auf einen konkreten Tatbestand im Einzelfalle Rechtens ist, durch eine staatliche Autorität" (Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Bd. 2 S. 108 [129]), begegnet dem Einwand, daß im Rechtsstaat auch die Verwaltung an die Gesetze gebunden ist. Thoma selbst verkennt nicht, daß seiner Begriffsbestimmung deshalb zur Abgrenzung die Ordnung in einem gesonderten Verfahren zugefügt werden muß. Friesenhahns Erkenntnis, Rechtsprechung sei Rechtsanwendung zur Entscheidung eines Rechtsstreits durch einen unbeteiligten Dritten mit obrigkeitlicher Gewalt (Festschrift für Thoma, S. 21 f.), umfaßt nicht alle Gebiete, die herkömmlicherweise zur Rechtsprechung gezählt werden wie die Strafgerichtsbarkeit, Teile der freiwilligen Gerichtsbarkeit, die Normenkontrolle; andererseits gibt es auch Rechtsstreitigkeiten, die durch Verwaltungsbehörden entscheiden werden.
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Diese und andere Thesen klären zwar wesentliche Elemente des Begriffs der Rechtsprechung im materiellen Sinn. Sie umfassen indessen entweder nicht den ganzen Inhalt dieses Begriffs oder sie ziehen keine klaren Grenzen gegenüber der nicht rechtsprechenden Staatstätigkeit, nach denen hinreichend sicher bestimmt werden könnte, was den Gerichten als Rechtsprechung im materiellen Sinn übertragen und belassen werden muß. Daher kann aus ihnen allein die hier zu entscheidende Frage, was den Richtern durch Art. 92 GG als "rechtsprechende Gewalt" anvertraut ist, nicht beantwortet werden. Entscheidend kommt es darauf an, was das Grundgesetz unter "rechtsprechender Gewalt" versteht. Diese Frage kann nur unter Beachtung des Sinnzusammenhangs der Vorschrift des Art. 92 im Verfassungsgefüge beantwortet werden.
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Art. 92 steht zu Beginn des IX. Abschnitts des Grundgesetzes über die Rechtsprechung, der Vorschriften organisatorischen und materiellen Charakters enthält und das Prinzip der Gewaltenteilung für die Dritte Gewalt konkretisiert. Dementsprechend ist Art. 92 zwar auch Organisationsnorm, hat aber vor allem materielle Bedeutung in dem Sinn, daß damit bereits eine Zuweisung bestimmter Aufgaben an die rechtsprechende Gewalt vollzogen ist. Ihr sind durch Art. 92 alle diejenigen Aufgaben zugewiesen, die die Verfassung selbst an anderer Stelle den Gerichten überträgt: die fast vollzählige Aufzählung der Zuständigkeiten des Bundesverfassungsgerichts in den Art. 93, 99 und 100 sowie 18, 21 Abs. 2, 41 Satz 2, 61, 84 Abs. 4, 98, 126, die ausnahmslose repressive Rechtskontrolle bei Eingriffen der öffentlichen Gewalt nach Art. 19 Abs. 4; die alleinige gerichtliche Zuständigkeit zur Anordnung von Freiheitsentziehungen nach Art. 104 Abs. 2 und 3, ferner eine Reihe von einzelnen Zuweisungen in Art. 13 Abs. 2 (Durchsuchungen), 14 Abs. 3 Satz 4 (Enteignungsentschädigung), 15 Satz 2 (Entschädigung für Sozialisierung), 34 Satz 3 (Amtshaftung), 95 (Oberstes Bundesgericht) und 132 Abs. 3 (vorläufige Aufhebung von Beamtenrechten). Damit ist nahezu der ganze Katalog der Kompetenzen des Bundesverfassungsgerichts, fast die gesamte Tätigkeit der allgemeinen und besonderen Verwaltungsgerichte (repressive Rechtskontrolle nach Art. 19 Abs. 4), die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte zur Nachprüfung von Bußgeldbescheiden der Verwaltung (ebenfalls Art. 19 Abs. 4), der bedeutsamere, zu Freiheitsstrafen oder Ersatzfreiheitsstrafen führende Teil der Strafgewalt (Art. 104), jede sonstige Freiheitsentziehung (Art. 104 Abs. 2) und ein Teil der den ordentlichen Gerichten zugewiesenen Rechtsstreitigkeiten, nämlich Enteignungs- und Amtshaftungssachen, als ausschließlich den Gerichten vorbehalten und als Rechtsprechung im materiellen Sinn charakterisiert. Die herkömmlicherweise wichtigsten Aufgaben der Gerichte, die Aufgaben, die wegen der Schwere des Eingriffs und ihrer Bedeutung für die Rechtsstellung des Staatsbürgers am ehesten der Sicherungen eines gerichtlichen Verfahrens bedürfen, sind also bereits an anderer Stelle von Verfassungs wegen der rechtsprechenden Gewalt zugeordnet.
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Über den Kreis der in der Verfassung ausdrücklich genannten Aufgaben hinaus gehören nach Art. 92 GG noch weitere Aufgaben zur Rechtsprechung. Mag auch die exakte Grenzziehung in Einzelfällen schwierig sein, so kann doch nicht bezweifelt werden, daß der Verfassungsgeber die traditionellen Kernbereiche der Rechtsprechung - bürgerliche Rechtspflege und Strafgerichtsbarkeit - der rechtsprechenden Gewalt zugerechnet hat, auch wenn sie im Grundgesetz nicht besonders aufgeführt sind. Bekräftigt wird diese Auffassung durch die Aufzählung der einzelnen Gerichtsbarkeiten in den Art. 96 und 96 a GG. Diese Vorschriften enthalten nicht nur Bestimmungen über die obligatorische (Art. 96) und fakultative (Art. 96 a) Errichtung von Bundesgerichten. Sie knüpfen an die herkömmlichen Aufgabenbereiche der einzelnen Gerichtsbarkeiten an. Das ist aber nur sinnvoll, wenn zumindest der Kernbereich der herkömmlicherweise den einzelnen Gerichtsbarkeiten übertragenen Aufgaben als Rechtsprechung im materiellen Sinn angesehen wird.
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3. Jedoch nicht alles, was zur Zeit zu den Aufgaben der Gerichte gehört, ist materielle Rechtsprechung, die nach Art. 92 GG den Richtern vorzubehalten ist. Abgesehen von den gerichtlichen Zuständigkeiten, die von vornherein nicht materielle Rechtsprechung zum Gegenstand haben, kann der Gesetzgeber in gewissem Umfang den Bereich der materiellen Rechtsprechung dadurch verändern, daß er beispielsweise die Materie Strafrecht reduziert oder in einer rechtspolitisch anderen Wertung des Unrechtsgehalts bisherige Straftatbestände ersetzt durch die Qualifizierung einer Verhaltensweise als bloße Ordnungswidrigkeit. Hat sich der Gesetzgeber jedoch entschlossen, eine gerichtliche Zuständigkeit zu begründen, so muß das Verfahren mit allen verfassungsrechtlichen Garantien des gerichtlichen Verfahrens ausgestattet sein. Art. 92 garantiert deshalb in jedem vom Gesetzgeber als Rechtsprechung eingeführten Verfahren, auch wenn der Gesetzgeber zur Zuweisung gerade dieser Materie zur rechtsprechenden Gewalt verfassungsrechtlich nicht verpflichtet gewesen wäre, den gesetzlichen und unabhängigen Richter und das rechtsstaatliche Gerichtsverfahren des IX. Abschnitts des Grundgesetzes.
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4. a) Das Verwaltungsstrafverfahren nach der Abgabenordnung ist als Verwaltungsverfahren und nicht als gerichtliches Verfahren gestaltet. Die Abgabenordnung unterscheidet streng zwischen dem Verwaltungsverfahren bei der Unterwerfung und beim Erlaß eines Strafbescheids und dem durch Abgabe an die Staatsanwaltschaft oder auf Antrag des Betroffenen in Gang kommenden gerichtlichen Verfahren. Die zur Entscheidung berufenen Beamten sind Verwaltungsbeamte, die weder sachliche noch persönliche Unabhängigkeit genießen. Das nichtöffentliche, nicht notwendig unmittelbare und weithin formlose Verfahren ist nicht dem gerichtlichen Verfahren nachgebildet.
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b) Der Sache nach geht es um die Ausübung staatlicher Strafgewalt. Die Rechtsordnung unterscheidet seit geraumer Zeit zwischen Kriminalstrafen und Bußen als staatlicher Reaktion auf Ordnungswidrigkeiten. Nur die Kriminalstrafe ist echte Strafe. Nur sie ist mit einem ethischen Schuldvorwurf verbunden. Sie wird regelmäßig ins Strafregister eingetragen und gilt als "Vorstrafe". Der Buße im Ordnungswidrigkeitsverfahren fehlt dagegen der "Ernst der staatlichen Strafe" (BVerfGE 9, 167 [171]). Der Gesetzgeber hat die der Strafgewalt der Finanzämter überantworteten Steuerstraftatbestände der §§ 391 ff. AO als Kriminalunrecht ausgestaltet. Die angedrohten Strafmaßnahmen unterscheiden sich in nichts von denen anderer Kriminaldelikte. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Steuervergehen oder doch ein Teil der Steuervergehen ihrer Natur nach zum Verwaltungsunrecht, zu den Ordnungswidrigkeitstatbeständen, gerechnet werden können. Der Beurteilung unterliegt hier das geltende Steuerstrafverfahren so, wie es vom Gesetzgeber ausgestaltet ist, nicht wie es ausgestaltet werden könnte oder sollte.
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c) Zwar ist in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten, ob die Strafkompetenz der Finanzbehörden gegen Art. 92 GG verstößt
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verneinend: BGHSt 13, 102; Friesenhahn, Festschrift für Thoma, S. 21 (45); Bender, Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des Verwaltungsstrafverfahrens nach der Abgabenordnung; Prugger, Die Strafbefugnis der Finanzämter (Diss.); Löwe-Rosenberg, StPO, 21. Aufl., § 13 GVG Anm. 2 a; und andere).
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Nach dem Grundgesetz stellt sich jedoch die Verhängung einer Kriminalstrafe als ein so schwerwiegender Eingriff in die Rechtssphäre des Staatsbürgers dar, daß sie unter allen Umständen nur durch den Richter vorgenommen werden darf. Für die Verurteilung zu Freiheitsstrafe ist das im Grundgesetz in Art. 104 Abs. 2 ausdrücklich ausgesprochen. Das gleiche gilt aber auch für die Verurteilung zu Geldstrafe als Sühne für kriminelle Straftaten.
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Dabei fällt nicht entscheidend ins Gewicht, daß die Geldstrafe in das Vermögensrecht des Betroffenen eingreift. Wesentlich ist das mit der Festsetzung einer Geldstrafe als Kriminalstrafe notwendig verbundene Unwerturteil, der Vorwurf einer Auflehnung gegen die Rechtsordnung und die Feststellung der Berechtigung dieses Vorwurfs. Dieses autoritative Unwerturteil wiegt so schwer, daß es nach der grundgesetzlichen Ordnung nur vom Richter ausgesprochen werden kann.
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Das Grundgesetz garantiert in einem bis dahin nicht gekannten Maß dem Staatsbürger Rechtsschutz durch die Gerichte gegen Eingriffe der staatlichen Gewalt in seinen Lebensbereich. Mit dieser Grundentscheidung der Verfassung ist es nicht vereinbar, daß eine Verwaltungsbehörde eine Strafe verhängt, die als Vorstrafe ins Strafregister eingetragen und im Falle der Uneinbringlichkeit in eine Freiheitsstrafe umgewandelt wird. Diese der Kriminalstrafe eigentümlichen Merkmale und Wirkungen heben sie so stark von der Buße als staatlicher Reaktion auf eine Ordnungswidrigkeit ab, daß die verschiedene Beurteilung von Kriminalstrafe und Buße gerechtfertigt ist.
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5. Im Kernbereich des Strafrechts sind die Richter durch Art. 92 erster Halbsatz GG ausnahmslos und ausschließlich zur präventiven Rechtskontrolle berufen. Ein "Vorverfahren" oder "Vorschaltverfahren" der Verwaltungsbehörden ist in diesem Bereich auch dann unzulässig, wenn es auf Antrag in ein gerichtliches Verfahren übergeleitet werden kann. Zum Kernbereich des Strafrechts gehören alle bedeutsamen Unrechtstatbestände; diese können der Rechtsprechung vom Gesetzgeber nicht entzogen werden. Zu der den Richtern nach Art. 92 übertragenen Strafjustiz gehören außerdem auch alle anderen minder gewichtigen strafrechtlichen Unrechtstatbestände, wenn und solange sie durch Kriminalstrafe geahndet werden. Solche minder gewichtigen strafrechtlichen Tatbestände kann der Gesetzgeber aber - wie schon oben ausgeführt - in Ordnungswidrigkeiten, die durch Buße geahndet werden, umwandeln. Nur wenn dies geschehen ist, kommt bei ihnen ein Verwaltungsvorverfahren in Betracht, das erst nachträglicher richterlicher Prüfung unterliegt. Die den Beschwerdeführern zur Last gelegten Taten sind mit Kriminalstrafe bedroht und können deshalb nicht in einem Verwaltungsvorverfahren geahndet werden.
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6. Nach den vorstehenden Ausführungen ist sowohl das Strafbescheidsverfahren als auch das Unterwerfungsverfahren verfassungswidrig. Außerdem verstößt § 445 AO, der das Unterwerfungsverfahren regelt, auch gegen Art. 19 Abs. 4 GG.
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Die Unterwerfung zielt im Interesse einer Verfahrensvereinfachung darauf ab, gerichtlichen Rechtsschutz auszuschließen. Schon diese Zweckrichtung läuft dem Rechtsschutzgedanken des Art. 19 Abs. 4 GG zuwider. Es handelt sich hier nicht um eine formale Voraussetzung, von deren Erfüllung die Beschreitung des Rechtswegs abhängig ist und die nur im Ergebnis zu einer Erschwerung des Rechtswegs führt (so: BVerfGE 10, 264 [267]). Nicht die Erschwerung, sondern der Ausschluß des Rechtsweges ist vielmehr das Ziel des Unterwerfungsverfahrens. Das verstößt gegen die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG, ohne daß es darauf ankommt, ob die bisherige Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte, nach der nur eine beschränkte Nachprüfung der Unterwerfung möglich war, verfassungsrechtlich unbedenklich ist.
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III.
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1. Die Verfassungsbeschwerden sind demnach in vollem Umfang begründet. Auf die sonstigen Rügen der Beschwerdeführer, insbesondere auf die Rügen des Beschwerdeführers Dr. P., welche die Besonderheiten seines Verfahrens betreffen, kommt es für die Entscheidung deshalb nicht weiter an. Die angefochtenen Verwaltungsstrafentscheidungen und die diese Entscheidungen bestätigenden gerichtlichen Urteile sind gemäß § 95 Abs. 2 Halbsatz 1 BVerfGG aufzuheben. Die zuständigen Behörden werden zu entscheiden haben, ob und in welcher Weise die Verfahren fortzusetzen sind.
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2. Die §§ 421 Abs. 2, 445 und 447 Abs. 1 AO, die die Finanzbehörden ermächtigen, in eigener Zuständigkeit Strafen zu verhängen, sind nach § 95 Abs. 3 Satz 2 BVerfGG als verfassungswidrig für nichtig zu erklären. Diejenigen Vorschriften der Abgabenordnung, die sich auf diese nichtigen Bestimmungen beziehen, vorab § 470 AO, werden damit gegenstandslos.
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IV.
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Besondere Umstände, welche die Anordnung der Erstattung der den Beschwerdeführern erwachsenen Auslagen rechtfertigen könnten, sind weder von den Beschwerdeführern vorgetragen noch sonst ersichtlich. Es besteht daher keine Veranlassung, von der Ausnahmevorschrift des § 34 Abs. 3 BVerfGG Gebrauch zu machen (vgl. BVerfGE 8, 195 [196]).
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Soweit sich die Entscheidung auf das Strafbescheidsverfahren bezieht, ist sie mit 4 gegen 3 Stimmen, soweit sie das Unterwerfungsverfahren betrifft, ist sie einstimmig ergangen.
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