Abruf und Rang:
RTF-Version (SeitenLinien), Druckversion (Seiten)
Rang:  91% (656)

Zitiert durch:
BVerfGE 159, 355 - Schulschließungen
BVerfGE 159, 223 - Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen
BVerfGE 156, 354 - Vermögensabschöpfung
BVerfGE 148, 40 - Lebensmittelpranger
BVerfGE 143, 246 - Atomausstieg
BVerfGE 140, 317 - Identitätskontrolle
BVerfGE 133, 168 - Verständigungsgesetz
BVerfGE 130, 1 - Verwertungsverbot Wohnraumüberwachung
BVerfGE 112, 50 - Opferentschädigungsgesetz


Zitiert selbst:
BGHZ 55, 128 - Bereicherungsanspruch trotz fehlender Ausgabenersparnis
BVerfGE 100, 226 - Denkmalschutz
BVerfGE 100, 138 - Rentenüberleitung IV
BVerfGE 96, 315 - Wohngeld bei Begleitstudium
BVerfGE 96, 10 - Räumliche Aufenthaltsbeschränkung
BVerfGE 95, 267 - Altschulden
BVerfGE 95, 163 - DSF
BVerfGE 95, 96 - Mauerschützen
BVerfGE 91, 1 - Entziehungsanstalt
BVerfGE 90, 263 - Ehelichkeitsanfechtung
BVerfGE 86, 288 - Strafaussetzung bei lebenslanger Freiheitsstrafe
BVerfGE 83, 201 - Bundesberggesetz
BVerfGE 81, 208 - Kunsturheberrecht als Eigentum
BVerfGE 74, 358 - Unschuldsvermutung
BVerfGE 71, 81 - Arbeitnehmerkammern Bremen
BVerfGE 70, 191 - Fischereibezirke
BVerfGE 67, 157 - G 10
BVerfGE 62, 169 - Devisenbewirtschaftung
BVerfGE 60, 348 - Auslieferung III
BVerfGE 58, 300 - Naßauskiesung
BVerfGE 58, 137 - Pflichtexemplar
BVerfGE 54, 277 - Ablehnung der Revision
BVerfGE 52, 1 - Kleingarten
BVerfGE 50, 205 - Strafbarkeit von Bagatelldelikten
BVerfGE 49, 148 - Ermessen bei Revisionsannahme
BVerfGE 45, 187 - Lebenslange Freiheitsstrafe
BVerfGE 33, 171 - Honorarverteilung
BVerfGE 30, 292 - Erdölbevorratung
BVerfGE 25, 112 - Niedersächsisches Deichgesetz
BVerfGE 23, 113 - Blankettstrafrecht
BVerfGE 22, 49 - Verwaltungsstrafverfahren
BVerfGE 21, 378 - Wehrdisziplin
BVerfGE 20, 351 - Tollwut
BVerfGE 20, 323 - 'nulla poena sine culpa'
BVerfGE 19, 342 - Wencker
BVerfGE 18, 121 - Fiskusprivileg
BVerfGE 18, 85 - Spezifisches Verfassungsrecht
BVerfGE 14, 263 - Feldmühle-Urteil
BVerfGE 9, 167 - Wirtschaftsstrafgesetz
BVerfGE 9, 137 - Einfuhrgenehmigung
BVerfGE 8, 71 - Bestimmtheit einer Rechtsverordnung
BVerfGE 8, 28 - Besoldungsrecht
BGHSt 41, 278 - Vermögensstrafe II


A.
I.
II.
1. Der Beschwerdeführer wurde am 11. Mai 1994 vom Landgerich ...
2. Die vom Beschwerdeführer gegen das Urteil mit der Rü ...
III.
IV.
1. Nach Auffassung des Bundesministeriums der Justiz widerspricht ...
2. Das Bayerische Staatsministerium der Justiz hat keine verfassu ...
3. Nach Ansicht des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofs ist die ...
4. Der Generalbundesanwalt hält § 73d StGB in der verfa ...
B.
C.
I.
1. § 73d StGB verstößt nicht gegen den Schuldgrun ...
2. § 73d StGB ist mit der Unschuldsvermutung vereinbar. ...
3. Die Vorschrift des § 73d StGB verstößt in der  ...
II.
1. Die Rüge des Beschwerdeführers, das landgerichtliche ...
2. Damit erweist sich auch der Einwand des Beschwerdeführers ...
Bearbeitung, zuletzt am 02.02.2023, durch: A. Tschentscher, Engin Kunter
BVerfGE 110, 1 (1)1. Der erweiterte Verfall (§ 73d StGB) verfolgt nicht repressiv-vergeltende, sondern präventiv-ordnende Ziele und ist daher keine dem Schuldgrundsatz unterliegende strafähnliche Maßnahme.
 
2. § 73d StGB verletzt die Unschuldsvermutung nicht.
 
3. Die Annahme der deliktischen Herkunft eines Gegenstands im Sinne des § 73d Abs. 1 Satz1 StGB ist gerechtfertigt, wenn sich der Tatrichter durch Ausschöpfung der vorhandenen Beweismittel von ihr überzeugt hat.
 
 
Beschluss
 
des Zweiten Senats vom 14. Januar 2004
 
-- 2 BvR 564/95 --  
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde des Herrn M ... -- Bevollmächtigter: Rechtsanwalt Christoph Prasse, Friedrich-Ebert-Straße 120, 48153 Münster -- gegen a) den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 22. November 1994 -- 4 StR 516/94 --, b) das Urteil des Landgerichts Bochum vom 11. Mai 1994 -- 22 KLs 47 Js 159/93 -- I 4/94 --, c) mittelbar § 73d StGB und Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
 
Entscheidungsformel:
 
Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
 
 
Gründe:
 
 
A.
 
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Vereinbarkeit des § 73d StGB (Erweiterter Verfall) mit dem Grundgesetz. Sie richtet sich zugleich gegen die Anwendung dieser Vorschrift in der Auslegung durch den Bundesgerichtshof.
I.
 
Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität (OrgKG) vom 15. Juli 1992 (BGBl. I S. 1302) hat die Vorschrift des § 73d über den erweiterten Verfall in den Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs eingefügt. Sie ergänzt die Regelung des § 73 StGB über den (einfachen) Verfall, wonach das Gericht, wenn der Täter oder Teilnehmer etwas aus einer rechtswidrigen Tat oder für sie erlangt hat, den Verfall des Erlangten anordnet. Die AnordBVerfGE 110, 1 (1) BVerfGE 110, 1 (2)nung des Verfalls erstreckt sich gemäß § 73 Abs. 2 StGB auf Nutzungen und Surrogate, ferner gemäß § 73a StGB auf den Geldwert nicht oder nicht mehr entziehbarer Vermögensvorteile. Sie unterbleibt, soweit dem Verletzten aus der Tat ein Anspruch erwachsen ist, dessen Erfüllung dem Täter oder Teilnehmer den Wert des aus der Tat Erlangten entziehen würde (§ 73 Abs. 1 Satz 2 StGB), oder wenn sie für den Betroffenen eine unbillige Härte wäre (§ 73c StGB). Die rechtskräftige Anordnung des Verfalls bewirkt gemäß § 73e StGB, dass das Eigentum an der Sache oder das verfallene Recht auf den Staat übergeht, wenn es dem von der Anordnung Betroffenen zu dieser Zeit zusteht.
Die Vorschriften lauten:
    § 73 Voraussetzungen des Verfalls
    (1) Ist eine rechtswidrige Tat begangen worden und hat der Täter oder Teilnehmer für die Tat oder aus ihr etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Verfall an. Dies gilt nicht, soweit dem Verletzten aus der Tat ein Anspruch erwachsen ist, dessen Erfüllung dem Täter oder Teilnehmer den Wert des aus der Tat Erlangten entziehen würde.
    (2) Die Anordnung des Verfalls erstreckt sich auf die gezogenen Nutzungen. Sie kann sich auch auf die Gegenstände erstrecken, die der Täter oder Teilnehmer durch die Veräußerung eines erlangten Gegenstandes oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung oder auf Grund eines erlangten Rechts erworben hat.
    (3) Hat der Täter oder Teilnehmer für einen anderen gehandelt und hat dadurch dieser etwas erlangt, so richtet sich die Anordnung des Verfalls nach den Absätzen 1 und 2 gegen ihn.
    (4) Der Verfall eines Gegenstandes wird auch angeordnet, wenn er einem Dritten gehört oder zusteht, der ihn für die Tat oder sonst in Kenntnis der Tatumstände gewährt hat.
    § 73a Verfall des Wertersatzes
    Soweit der Verfall eines bestimmten Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grunde nicht möglich ist oder von dem Verfall eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Abs. 2 Satz 2 abgesehen wird, ordnet das Gericht den Verfall eines Geldbetrags an, der dem Wert des Erlangten entspricht. Eine solche Anordnung trifft das Gericht auch neben dem Verfall eines Gegenstandes, soweit dessen Wert hinter dem Wert des zunächst Erlangten zurückbleibt.BVerfGE 110, 1 (2)
    BVerfGE 110, 1 (3)§ 73c Härtevorschriften
    (1) Der Verfall wird nicht angeordnet, soweit er für den Betroffenen eine unbillige Härte wäre. Die Anordnung kann unterbleiben, soweit der Wert des Erlangten zur Zeit der Anordnung in dem Vermögen des Betroffenen nicht mehr vorhanden ist oder wenn das Erlangte nur einen geringen Wert hat.
    (2) Für die Bewilligung von Zahlungserleichterungen gilt § 42 entsprechend.
    § 73e Wirkung des Verfalls
    (1) Wird der Verfall eines Gegenstandes angeordnet, so geht das Eigentum an der Sache oder das verfallene Recht mit der Rechtskraft der Entscheidung auf den Staat über, wenn es dem von der Anordnung Betroffenen zu dieser Zeit zusteht. Rechte Dritter an dem Gegenstand bleiben bestehen.
    (2) Vor der Rechtskraft wirkt die Anordnung als Veräußerungsverbot im Sinne des § 136 des Bürgerlichen Gesetzbuches; das Verbot umfaßt auch andere Verfügungen als Veräußerungen.
Nach § 73d Abs. 1 Satz 1 StGB ist, wenn eine rechtswidrige Tat nach einem auf diese Vorschrift verweisenden Gesetz begangen worden ist, der Verfall von Gegenständen des Täters oder Teilnehmers auch dann anzuordnen, wenn die Umstände die Annahme rechtfertigen, dass diese Gegenstände für (andere) rechtswidrige Taten oder aus ihnen erlangt worden sind. § 73d Abs. 1 Satz 2 StGB sieht die Anordnung des erweiterten Verfalls auch dann vor, wenn der Gegenstand dem Täter oder Teilnehmer nur deshalb nicht gehört oder zusteht, weil dieser ihn für eine rechtswidrige Tat oder aus ihr erlangt hat.
§ 73d StGB erweitert somit den Anwendungsbereich des Verfalls zum einen auf Vermögensgegenstände, die nicht aus dem abgeurteilten Delikt, sondern aus anderen rechtswidrigen Taten stammen; einen Nachweis der konkreten Umstände dieser Taten verlangt die Vorschrift ebenso wenig wie die schuldhafte Begehung und die strafrechtliche Verfolgbarkeit. Zum anderen erfasst sie auch solche Vermögenswerte, die der Täter oder Teilnehmer wegen eines Verstoßes gegen strafrechtliche Vorschriften zivilrechtlich nicht wirksam erwerben konnte (Nichtigkeit auch des Verfügungsgeschäfts gemäß § 134 BGB, vgl. die Begründung des Entwurfs eines ... StrafrechtsBVerfGE 110, 1 (3) BVerfGE 110, 1 (4)änderungsgesetzes -- Erweiterter Verfall -- [... StrÄndG] vom 9. März 1990, BTDrucks 11/6623, S. 7/8). Zivilrechtliche Ersatzansprüche des durch die rechtswidrige Tat Verletzten hindern die Anordnung des erweiterten Verfalls ebenfalls nicht (vgl. BTDrucks 11/6623, S. 7).
§ 73d StGB hat folgenden Wortlaut:
    § 73d Erweiterter Verfall
    (1) Ist eine rechtswidrige Tat nach einem Gesetz begangen worden, das auf diese Vorschrift verweist, so ordnet das Gericht den Verfall von Gegenständen des Täters oder Teilnehmers auch dann an, wenn die Umstände die Annahme rechtfertigen, daß diese Gegenstände für rechtswidrige Taten oder aus ihnen erlangt worden sind. Satz 1 ist auch anzuwenden, wenn ein Gegenstand dem Täter oder Teilnehmer nur deshalb nicht gehört oder zusteht, weil er den Gegenstand für eine rechtswidrige Tat oder aus ihr erlangt hat. § 73 Abs. 2 gilt entsprechend.
    (2) Ist der Verfall eines bestimmten Gegenstandes nach der Tat ganz oder teilweise unmöglich geworden, so finden insoweit die §§ 73a und 73b sinngemäß Anwendung.
    (3) Ist nach Anordnung des Verfalls nach Absatz 1 wegen einer anderen rechtswidrigen Tat, die der Täter oder Teilnehmer vor der Anordnung begangen hat, erneut über den Verfall von Gegenständen des Täters oder Teilnehmers zu entscheiden, so berücksichtigt das Gericht hierbei die bereits ergangene Anordnung.
    (4) § 73c gilt entsprechend.
Verweisungen auf § 73d StGB finden sich im Besonderen Teil des Strafgesetzbuchs, und zwar jeweils für den Fall der banden- oder gewerbsmäßigen Begehung, in den Abschnitten Geld- und Wertzeichenfälschung (§ 150 Abs. 1), Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§ 181c, § 184 Abs. 7 Satz 1), Diebstahl und Unterschlagung (§ 244 Abs. 3, § 244a Abs. 3), Raub und Erpressung (§ 256 Abs. 2), Begünstigung und Hehlerei (§ 260 Abs. 3, § 260a Abs. 3, § 261 Abs. 7 Satz 3 und 4), Betrug und Untreue (§ 263 Abs. 7), Urkundenfälschung (§ 282 Abs. 1), Strafbarer Eigennutz (§ 286 Abs. 1), Straftaten gegen den Wettbewerb (§ 302) und Straftaten im Amt (§ 338). Im Bereich des Nebenstrafrechts verweisen vor allem die Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes (§ 33 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BtMG) auf § 73d StGB, außerdem § 84 Abs. 5,BVerfGE 110, 1 (4) BVerfGE 110, 1 (5)§ 84a Abs. 3 des Asylverfahrensgesetzes, § 92a Abs. 5, § 92b Abs. 3 des Ausländergesetzes, § 24 Abs. 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen, § 54 Abs. 3 Satz 2 des Waffengesetzes, § 36 Abs. 3 des Außenwirtschaftsgesetzes und § 19 Abs. 3 des Ausführungsgesetzes zum Chemiewaffenübereinkommen.
Verfahrensrechtliche Vorschriften über den erweiterten Verfall, der unter den Voraussetzungen des § 76a StGB auch selbständig angeordnet werden kann, enthalten § 442, §§ 430 ff. StPO. Die Regelungen der §§ 111b ff. StPO ermöglichen eine vorläufige Beschlagnahme von beim Beschuldigten vorgefundenen Vermögensgegenständen, um die Durchsetzung einer späteren Anordnung des Verfalls oder von Ersatzansprüchen Tatgeschädigter sicherzustellen.
II.
 
1. Der Beschwerdeführer wurde am 11. Mai 1994 vom Landgericht wegen gemeinschaftlich begangenen gewerbsmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt, weil er (jeweils zusammen mit einem Mitangeklagten) am 15. Oktober 1992 telefonisch den Ankauf von drei Kilogramm Heroin vereinbart und am 1. August 1993 ein Kilogramm Heroin entgegen genommen hatte. Daneben verhängte das Landgericht gegen den Beschwerdeführer Maßregeln gemäß § 69, § 69a StGB und bestimmte außerdem, dass ein auf seinem Sparkonto vorhandenes Guthaben in Höhe von 42. 520, 18 DM dem erweiterten Verfall unterliege und eingezogen werde.
Die Kammer war zu der Überzeugung gelangt, dass dieses Geld aus anderen, ihr nicht bekannten Rauschgiftgeschäften des Beschwerdeführers stamme. Er habe es angesichts seines dauerhaft geringen Durchschnittseinkommens von 850 DM monatlich und der von ihm neben seinen allgemeinen Lebenshaltungskosten und den laufenden Kosten eines Autos zu bestreitenden monatlichen Miete von zuletzt 600 DM nicht aus legalen Mitteln ersparen können; also komme nur ein strafbarer Erwerb in Betracht. Die beiden abgeurteilten, jeweils gewerbsmäßig begangenen BtM-Straftaten zeigten -- auch wenn aus ihnen kein Gewinn erzielt worden sei (in dem einenBVerfGE 110, 1 (5) BVerfGE 110, 1 (6)Fall, weil das Geschäft nicht zu Stande kam, in dem anderen Fall, weil das erworbene Rauschgift beschlagnahmt wurde) --, dass er mit Drogen gehandelt habe, während es an Anhaltspunkten für irgendwelche anderen strafbaren Verhaltensweisen des Beschwerdeführers fehle. Nach Überzeugung der Kammer konnte er das Geld daher nur aus anderen Betäubungsmittelstraftaten erlangt haben.
2. Die vom Beschwerdeführer gegen das Urteil mit der Rüge einer Verletzung formellen und materiellen Rechts eingelegte Revision verwarf der Bundesgerichtshof unter Hinweis auf die als zutreffend erachteten Ausführungen des Generalbundesanwalts gemäß § 349 Abs. 2 StPO (BGHSt 40, 371). Die gegen den Beschwerdeführer ergangene Anordnung des erweiterten Verfalls beruhe auf einer wirksamen Rechtsgrundlage. Im Schrifttum erhobene Bedenken gegen die Vereinbarkeit des § 73d StGB mit der Unschuldsvermutung und der Eigentumsgarantie könnten durch eine verfassungskonforme Auslegung vermieden werden:
Die in § 73d Abs. 1 Satz 1 StGB für die Anordnung des erweiterten Verfalls (nur) verlangte "ganz hohe Wahrscheinlichkeit", dass "Gegenstände für rechtswidrige Taten oder aus ihnen erlangt worden sind", setze das Institut des erweiterten Verfalls dem verfassungsrechtlichen Bedenken aus, es beruhe auf einer Unterstellung von Straftaten. Deshalb sei das normativ wertende Element "wenn die Umstände die Annahme rechtfertigen" in § 73d Abs. 1 Satz 1 StGB -- dem nach dem Willen des Gesetzgebers die Aufgabe zukomme, bei der Gesamtbewertung des Sachverhalts auch die Grundrechtsverbürgungen zu berücksichtigen -- verfassungskonform einengend auszulegen. Die Anordnung des erweiterten Verfalls komme nur in Betracht, wenn der Tatrichter auf Grund erschöpfender Beweiserhebung und -würdigung die uneingeschränkte Überzeugung gewonnen habe, dass der Angeklagte die von der Anordnung erfassten Gegenstände aus rechtswidrigen Taten erlangt habe. Ermittlungen und Feststellungen zu diesen Taten im Einzelnen seien jedoch nicht erforderlich. An die Überzeugungsbildung dürften keine überspannten Anforderungen gestellt werden. Vor allem sei das Gericht nicht gehindert, sondern vielmehr gehalten, die festgestellten Anlasstaten in seine Überzeugungsbildung mit einzubeziehen --BVerfGE 110, 1 (6) BVerfGE 110, 1 (7)wie es das Landgericht getan habe --, auch wenn aus ihnen kein Gewinn erlangt worden sei. Diesen Anforderungen würden die Darlegungen der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers in den Gründen des landgerichtlichen Urteils noch gerecht.
III.
 
Gegen das Urteil des Landgerichts und den Beschluss des Bundesgerichtshofs richtet sich die Verfassungsbeschwerde, mit der der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte aus Art. 14, 20 Abs. 3 und 103 Abs. 2 GG rügt. Mittelbar wendet sich die Verfassungsbeschwerde gegen die Vorschrift des § 73d StGB über den erweiterten Verfall, der nach Auffassung des Beschwerdeführers den Charakter einer Strafe hat.
§ 73d StGB knüpfe die Anordnung des Verfalls lediglich an die Voraussetzung, dass "Umstände die Annahme rechtfertigen, dass Gegenstände für rechtswidrige Taten oder aus ihnen erlangt worden sind". Die Vorschrift verlange also den vollen Nachweis weder dafür, dass der betroffene Gegenstand aus einer schuldhaft begangenen Straftat stammt, noch dafür, dass dieser gemeinschaftswidrig gebraucht wurde oder ein solcher Eigentumsmissbrauch in konkretem Zusammenhang zu der abzuurteilenden Anknüpfungstat steht. Damit verstoße er gegen das Schuldprinzip und -- wegen der Unterstellung von Straftaten -- gegen die Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (EMRK), außerdem gegen das Bestimmtheitsgebot. Auf Grund dieser Mängel verletze § 73d StGB zugleich die Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG und -- mangels Begrenzung des Zugriffs -- den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
Der vom Bundesgerichtshof vorgenommenen verfassungskonformen Auslegung stehe der Gesetzeswortlaut entgegen. Unabhängig davon werde die landgerichtliche Entscheidung den vom Bundesgerichtshof aufgestellten erhöhten Beweisanforderungen nicht gerecht. Vor allem habe es die Strafkammer versäumt, über die Eröffnung und Führung des Sparkontos, über die Höhe der zwischenzeitlich erfolgten Einzahlungen und Abhebungen sowie über weitereBVerfGE 110, 1 (7) BVerfGE 110, 1 (8)Konten des Beschwerdeführers Beweis zu erheben. Dabei hätte sich ergeben, dass das Guthaben auf dem Sparkonto durch Einzahlungen von anderen, schon früher bestehenden, Konten des Beschwerdeführers entstanden sei. Insoweit liege auch ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot des Art. 103 Abs. 2 GG vor; die Anordnung des Verfalls erstrecke sich auf Vermögensgegenstände, die er vor In-Kraft-Treten des § 73d StGB erworben habe.
IV.
 
Zu der Verfassungsbeschwerde haben sich namens der Bundesregierung das Bundesministerium der Justiz sowie das Bayerische Staatsministerium der Justiz, die Vorsitzenden des 1., 2., 3. und 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofs und der Generalbundesanwalt geäußert.
1. Nach Auffassung des Bundesministeriums der Justiz widerspricht die einengende Auslegung des § 73d Abs. 1 StGB durch den Bundesgerichtshof im Ausgangsverfahren dem in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers, den Nachweis der Herkunft eines Gegenstands aus rechtswidrigen Taten zu erleichtern. Auch mit dieser Beweiserleichterung stehe die Regelung über den erweiterten Verfall, die mit der Formulierung "rechtfertigen" eine Wertung im Einzelfall verlange, mit dem Grundgesetz in Einklang.
a) Die Vorschrift verstoße nicht gegen den Schuldgrundsatz oder die Unschuldsvermutung, weil eine Anordnung des Verfalls nach § 73d Abs. 1 StGB keine Strafe oder strafähnliche Sanktion sei und deshalb keine Schuldfeststellung voraussetze. Als Sonderform des Verfalls bezwecke der erweiterte Verfall den Ausgleich unrechtmäßiger Vermögensverschiebungen. Dieser Zweck bestimme die Rechtsnatur des Instituts, bei dem es sich um eine Abschöpfung eigener Art des aus der Straftat Erlangten handele.
b) § 73d StGB verletze auch nicht die verfassungsrechtlich geschützte Selbstbezichtigungsfreiheit des Beschuldigten. Dieser sei rechtlich nicht gezwungen, zur Abwendung einer Anordnung des Verfalls Angaben über eigene strafrechtlich erhebliche Verhaltensweisen zu machen.BVerfGE 110, 1 (8)
BVerfGE 110, 1 (9)c) Die Regelung über den erweiterten Verfall verstoße auch nicht gegen die Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG. Eine Anordnung des Verfalls entziehe zwar nach § 73d StGB konkrete Rechtspositionen und greife damit in den Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts ein. Die Vorschrift bilde aber eine vom Grundgesetz stillschweigend zugelassene Eigentumsschranke. Der erweiterte Verfall diene der Bekämpfung der organisierten Kriminalität, insbesondere des illegalen Betäubungsmittelhandels, und damit dem Schutz elementarer Rechtsgüter. Er finde -- wie in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Dezember 1967 (BVerfGE 22, 387 [422]) verlangt -- eine Rechtfertigung in der Verfassung und entspreche darüber hinaus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Er sei geeignet, die Gewinne aus dem Drogenhandel abzuschöpfen und den Straftätern die Mittel für weitere Straftaten zu entziehen.
Der erweiterte Verfall sei hierzu auch erforderlich. Vor Einführung des erweiterten Verfalls sei die Abschöpfung deliktisch erzielter Gewinne häufig daran gescheitert, dass die für die Anordnung eines (einfachen) Verfalls gemäß § 73 Abs. 1 StGB erforderliche sichere Zuordnung beim Beschuldigten vorgefundener Vermögensgegenstände zu einer bestimmten Tat nicht möglich gewesen sei. Gegen eine deswegen in Polizeikreisen, aber auch international -- etwa in Art. 5 Abs. 7 des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 20. Dezember 1988 gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen (vgl. BTDrucks 12/3346) -- geforderte Beweislast des Beschuldigten für den redlichen Erwerb verdächtiger Vermögenswerte habe die Bundesregierung verfassungsrechtliche Bedenken gehabt. Die anstelle einer solchen Beweislastumkehr in § 73d StGB vorgesehene Beweiserleichterung sei das mildeste Mittel gewesen, um die Zugriffsmöglichkeiten auf Tatgewinne zu erweitern.
Der mit dem erweiterten Verfall verbundene Eingriff stehe auch nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache. Der Verfall diene dem Ausgleich unrechtmäßiger Vermögensverschiebung und müsse daher vom Betroffenen grundsätzlich hingenommen werden. Unzumutbare Ergebnisse würden durch die Härtevorschrift des § 73c StGB vermieden.BVerfGE 110, 1 (9)
BVerfGE 110, 1 (10)2. Das Bayerische Staatsministerium der Justiz hat keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Regelung des § 73d StGB.
a) Sie sei mit der Unschuldsvermutung und dem Schuldgrundsatz vereinbar. Beim erweiterten Verfall handele es sich grundsätzlich nicht um eine Strafe oder strafähnliche Sanktion, sondern um eine quasi-kondiktionelle Ausgleichsmaßnahme, deren Anwendung gemäß § 73d StGB die Feststellung von Schuld nicht voraussetze.
b) Der Eigentumsgewährleistung des Grundgesetzes werde § 73d StGB hinreichend gerecht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei die Entziehung von Eigentum als Nebenfolge einer strafrechtlichen Verurteilung vom Grundgesetz als traditionelle Eigentumsschranke stillschweigend zugelassen. Die aus Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 14 Abs. 2 GG herzuleitende Zulässigkeit von Eigentumssanktionen rechtfertige sich aus dem Gedanken des Missbrauchs: Wer einen Vermögensvorteil auf strafbare Weise erlange, gebrauche das Eigentum in einer vom Grundgesetz nicht gebilligten Weise. Er verwirke deshalb insoweit sein Eigentumsrecht. Der entsprechend dem Missbrauchsgedanken erforderliche konkrete Zusammenhang zwischen der die Verwirkung auslösenden strafbaren Handlung und dem zu entziehenden Vermögensgegenstand werde von § 73d StGB vorausgesetzt. Die vorgesehene Beweiserleichterung sei mit Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar. An der Bekämpfung der organisierten Kriminalität bestehe ein ganz erhebliches Allgemeininteresse, welches das Interesse des Einzelnen am Schutz seines Eigentums überwiegen könne.
§ 73d StGB beruhe auf der Erfahrung, dass die organisierte Kriminalität mit dem herkömmlichen strafrechtlichen Instrumentarium nicht erfolgreich bekämpft werden könne. Es falle in die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, ob eine effektivere Abschöpfung der aus der Begehung von Straftaten erzielten Gewinne zu einer wirksameren Bekämpfung dieser Art der Kriminalität beitragen werde.
Die Beweiserleichterung entspreche auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie sei geeignet, die Abschöpfung von illegalen Gewinnen und damit das Ziel einer effektiveren Bekämpfung der organisierten Kriminalität zu fördern. Sie sei auch erforderlich,BVerfGE 110, 1 (10) BVerfGE 110, 1 (11)da nicht ersichtlich sei, in welcher die Eigentumsgarantie schonenderen Weise die Abschöpfung illegaler Gewinne erleichtert werden könnte. Schließlich sei die Regelung mit dem Übermaßverbot vereinbar, auch wenn sie die Gefahr einer Einziehung legal erworbener Gegenstände in sich berge. Diese Gefahr sei angesichts des in § 73d Abs. 1 StGB verlangten hohen Wahrscheinlichkeitsgrades sehr gering und angesichts des mit dieser Vorschrift verfolgten besonders gewichtigen Allgemeininteresses hinzunehmen.
c) Ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG liege nicht vor, weil § 73d StGB keine Strafe anordne.
3. Nach Ansicht des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofs ist die verfassungskonforme Auslegung des § 73d StGB durch den 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs im Ausgangsverfahren mit dem Wortlaut der Vorschrift und der Intention des Gesetzgebers, "eine ganz hohe Wahrscheinlichkeit" der deliktischen Herkunft für die Anordnung des erweiterten Verfalls genügen zu lassen, unvereinbar. Unüberwindliche Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Regelung hätten daher die Einholung einer verfassungsgerichtlichen Entscheidung gemäß Art. 100 Abs. 1 GG nahe gelegt.
Der 3. Strafsenat hat sich der vom 4. Strafsenat im Ausgangsverfahren vertretenen Auffassung angeschlossen, die Anordnung des erweiterten Verfalls gemäß § 73d Abs. 1 StGB setze die volle Überzeugung des Tatrichters von der deliktischen Herkunft der erfassten Gegenstände voraus. Im Übrigen haben die Strafsenate auf ihre Rechtsprechung Bezug genommen.
4. Der Generalbundesanwalt hält § 73d StGB in der verfassungskonformen Auslegung des Bundesgerichtshofs und seine Anwendung im Ausgangsverfahren für verfassungsrechtlich unbedenklich.
a) Die Regelung verstoße nicht gegen die Unschuldsvermutung oder gegen das Schuldprinzip. Die kondiktionsähnliche Abschöpfung bemakelten Vermögens zwecks Prävention sei etwas wesensverschieden Anderes als eine straftypische, konkret schuldbezogene Nachteilszufügung. Schuldfeststellungen vor Schuldspruchreife hinsichtlich der Herkunftstaten seien mit einer Anordnung des Verfalls gemäß § 73d StGB nicht verbunden.
b) § 73d StGB verletze die Eigentumsgewährleistung nicht. DerBVerfGE 110, 1 (11) BVerfGE 110, 1 (12)mit dem erweiterten Verfall ermöglichte Zugriff auf das Vermögen organisiert vorgehender Täter sei geeignet, kriminellen Organisationen das "Investitionskapital" für weitere Straftaten zu entziehen, und diene damit der präventiven Sicherung überragender Gemeinschaftsbelange. Dagegen könne das Belassen solcher Gewinne das Rechtsbewusstsein der Bevölkerung untergraben. Mit dem Institut des erweiterten Verfalls verbundene Eigentumsbeeinträchtigungen stünden nicht außer Verhältnis zu dem mit ihm erreichbaren Zuwachs an Rechtsgüterschutz, zumal man dem Täter keine wohlerworbenen, sondern durch rechtswidrige Taten bemakelte Positionen nehme. Unbillige Härten könnten im Einzelfall gemäß § 73d Abs. 4 StGB in Verbindung mit § 73c StGB vermieden werden. Die in § 73d StGB vorgesehene Beweiserleichterung unterliege keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, da das Grundgesetz keine ausdrücklichen Regeln zur Beweisführung und Überzeugungsbildung enthalte.
 
B.
 
Die Verfassungsbeschwerde ist nur teilweise zulässig.
Soweit der Beschwerdeführer rügt, das Landgericht habe gegen das Rückwirkungsverbot des Art. 103 Abs. 2 GG verstoßen, weil es die Anordnung des Verfalls -- mangels hinreichender Sachverhaltsaufklärung -- auf Vermögensgegenstände erstreckt habe, die er schon vor In-Kraft-Treten des § 73d StGB erworben habe, steht einer Berücksichtigung dieses Vortrags der Grundsatz der materiellen Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde entgegen. Der in § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zum Ausdruck kommende Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde verlangt neben der formalen Erschöpfung des Rechtswegs, dass der Beschwerdeführer alle fachgerichtlichen Möglichkeiten genutzt hat, um die geltend gemachte Grundrechtsverletzung zu verhindern oder zu beseitigen (vgl. BVerfGE 95, 163 [171]; stRspr). Der Beschwerdeführer hat es insoweit versäumt, im Revisionsverfahren eine zulässige Aufklärungsrüge zu erheben.BVerfGE 110, 1 (12)
 
BVerfGE 110, 1 (13)C.
 
 
Strafe ist die Auferlegung eines Rechtsnachteils wegen einer schuldhaft begangenen rechtswidrigen Tat. Sie ist -- neben ihrer Aufgabe abzuschrecken und zu resozialisieren -- eine angemessene Antwort auf strafrechtlich verbotenes Verhalten (vgl. BVerfGE 21, 378 [383]; 21, 391 [404]; 22, 125 [132]; 45, 187 [253 f.]; 95, 96 [140]). Mit der Strafe wird ein rechtswidriges sozial-ethisches Fehlverhalten vergolten. Das dem Täter auferlegte Strafübel soll den schuldhaften Normverstoß ausgleichen; es ist Ausdruck vergeltender Gerechtigkeit (vgl. BVerfGE 9, 167 [171]; 22, 49 [79 f.]; 95, 96 [140]; 96, 10 [25]).
Dem Schuldgrundsatz unterliegen auch Sanktionen, die wie eine Strafe wirken (vgl. BVerfGE 22, 125 [131]; 27, 36 [40 ff.]; 35, 311BVerfGE 110, 1 (13) BVerfGE 110, 1 (14)[320]; 74, 358 [375 f.]). Strafähnlich ist eine Maßnahme freilich nicht schon dann, wenn sie mit einer Einbuße an Freiheit oder Vermögen verbunden ist und damit faktisch die Wirkung eines Übels entfaltet. Bei der Beurteilung des pönalen Charakters einer Rechtsfolge sind vielmehr weitere, wertende, Kriterien heranzuziehen, insbesondere der Rechtsgrund der Anordnung und der vom Gesetzgeber mit ihr verfolgte Zweck (vgl. BVerfGE 9, 137 [144 ff.]; 21, 378 [383 ff.]; 21, 391 [403 ff.]; 22, 125 [131]; 23, 113 [126]; 27, 36 [40 ff.]; 80, 109 [120 ff.]; Urteil des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Februar 2004 -- 2 BvR 2029/01 --1 [C. III. 2.]; siehe auch Volk, ZStW 1971, S. 405 ff.). So hat das Bundesverfassungsgericht den in § 890 Abs. 1 ZPO geregelten Zwangsmaßnahmen, die neben der Disziplinierung des Schuldners auch Sühne für eine begangene Zuwiderhandlung bezwecken, strafähnliche Wirkung beigemessen (vgl. BVerfGE 20, 323 [330 ff.]; 58, 159 [162]; 84, 82 [87]); dagegen hat es die Anordnung von Untersuchungshaft im Ermittlungsverfahren und die Unterbringung drogenabhängiger Täter in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB wegen des sichernden Charakters dieser Maßnahmen nicht als strafähnlich angesehen (vgl. BVerfGE 19, 342 [347 f.] und BVerfGE 91, 1 [27 ff.]).
aa) Das Strafgesetzbuch bezeichnet Verfall und erweiterten Verfall nicht als "Strafen", sondern als "Maßnahmen", zu denen es geBVerfGE 110, 1 (14) BVerfGE 110, 1 (15)mäß § 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB auch die in § 61 StGB aufgeführten Maßregeln der Besserung und Sicherung zählt. Die Verfallvorschriften sind zusammen mit der Regelung der Einziehung (§§ 74 ff. StGB) in einen eigenen, den Siebenten Titel des Dritten Abschnitts eingeordnet und dadurch von den im Ersten Titel des Dritten Abschnitts geregelten, als "Strafen" bezeichneten, Rechtsfolgen der Tat geschieden. Die begriffliche Abgrenzung des Verfalls von den im Strafgesetzbuch vorgesehenen Strafen und seine systematische Zusammenfassung mit anderen präventiv ausgerichteten Maßnahmen sprechen gegen einen strafenden oder strafähnlichen Charakter des § 73d StGB. Auch die Regelung des § 76a StGB, wonach der erweiterte Verfall unabhängig von der strafrechtlichen Verfolgung einer Person angeordnet werden kann, ist nur bei einer nicht-pönalen Natur des Rechtsinstituts verständlich.
Die Abschöpfung rechtswidrig erzielter Gewinne ist nicht notwendig eine vergeltende Sanktion (vgl. BVerfGE 81, 228 [237 f.]). Der Gesetzgeber kann weitgehend frei darüber entscheiden, ob und auf welche Weise er rechtswidrig erlangte wirtschaftliche Vorteile entziehen will. So kann er die Vorteilsentziehung selbständig neben der Festsetzung einer -- entsprechend dem Schuldgrundsatz -- nur am Verschulden des Täters orientierten pönalen Sanktion vorsehen oder, in Fällen, in denen eine solche Sanktion nicht verhängt werden kann, auch als Inhalt einer in einem objektiven Verfahren ergehenden gesonderten Anordnung. Ebenso steht es ihm offen, eine strafende Sanktion so zu bemessen, dass mit ihr zugleich die Abschöpfung des Gewinns sichergestellt wird (a.a.O., S. 238). Es liegt mithin in der Entscheidung des Gesetzgebers, ob er mit einer gewinnabschöpfenden Maßnahme zugleich Strafzwecke verfolgen will oder nicht.
Mit der Vorschrift des § 73d StGB bezweckt der Gesetzgeber keine pönale Rechtsfolge. Seiner Auffassung nach teilt der erweiterte Verfall die Rechtsnatur des einfachen Verfalls nach § 73 StGB (vgl. BTDrucks 11/6623, S. 6 und 7 sowie die Begründung des EntwurfsBVerfGE 110, 1 (15) BVerfGE 110, 1 (16)eines Gesetzes zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität [OrgKG] vom 25. Juli 1991, BTDrucks 12/989, S. 23: "Eigenständige Erscheinungsform des Verfalls"). Ausweislich der Gesetzesmaterialien zu § 73 StGB soll die Abschöpfung deliktisch erzielter Vermögensvorteile als gesonderte Rechtsfolge neben die Strafe treten und vor allem das Tagessatzsystem ergänzen. Der Gesetzgeber hält es nicht für sinnvoll, den Täter zu bestrafen und ihm zugleich das aus der Tat unrechtmäßig Erlangte zu belassen; dies könne geradezu als Anreiz zur Begehung weiterer entgelt- und gewinneinbringender Straftaten wirken (vgl. die Begründung des Entwurfs eines Strafgesetzbuches [StGB] E 1962 vom 4. Oktober 1962, BTDrucks IV/650, S. 241 und 245 sowie das Protokoll der 28. Sitzung des Bundestags-Sonderausschusses für die Strafrechtsreform vom 22. September 1966, S. 542 [Göhler]).
bb) Eine von den Vorstellungen des Gesetzgebers abweichende Einordnung (vgl. dazu BVerfGE 22, 125 [131]) des erweiterten Verfalls als Strafe oder strafähnliche Maßnahme folgt auch nicht aus den mit der Regelung des § 73d StGB verfolgten weiteren Zwecken.
(1) Die strafrechtliche Gewinnabschöpfung soll einen "ordnenden Zugriff" des Rechts zur Korrektur einer deliktisch zu Stande gekommenen Vermögenszuordnung ermöglichen (so BTDrucks 11/6623, S. 7 und 8). Der Gesetzgeber misst dem erweiterten Verfall in erster Linie eine vermögensordnende Aufgabe zu: Das Bürgerliche Recht kann deliktische Vermögensveränderungen nur zumBVerfGE 110, 1 (16) BVerfGE 110, 1 (17)Teil unterbinden, indem es verbotenen Rechtsgeschäften -- etwa im Bereich des illegalen Betäubungsmittelhandels -- die zivilrechtliche Wirksamkeit versagt (§ 134 BGB, vgl. BGHSt 31, 145 ff.; Mayer-Maly/Armbrüster, in: MünchKommBGB, 4.Aufl., § 134 Rn. 10; Sack, in: Staudinger, BGB, 2003, § 134 Rn. 223, jeweils m.w.N.). Es verhindert nicht, dass ein Straftäter durch die Begehung rechtswidriger Taten faktisch Vermögensvorteile erlangt, etwa Gewinne aus der Weiterveräußerung von Drogen. Der Gesetzgeber sieht in einem solchen deliktischen Vermögenserwerb eine korrekturbedürftige Störung der Rechtsordnung, die die Strafgerichte im Wege der Gewinnabschöpfung beseitigen sollen. Er weist dem Verfallrecht der §§ 73 ff. StGB die Aufgabe zu, einen rechtswidrigen Zustand durch ordnenden Zugriff von hoher Hand zu beenden.
Maßnahmen der Störungsbeseitigung sind ein Fall der Gefahrenabwehr. Sie knüpfen zwar an in der Vergangenheit begründete Zustände an, sind in ihrer Zielrichtung aber zukunftsbezogen. Sie wollen nicht ein normwidriges Verhalten öffentlich missbilligen und sühnen, sondern verhindern, dass eine bereits eingetretene Störung der Rechtsordnung in Zukunft andauert. Dementsprechend sollte eine auf § 21f Abs. 2 Satz 3 BNatSchG a.F. gestützte Einziehung von Elfenbein, das ohne die erforderliche Genehmigung in die BunBVerfGE 110, 1 (17) BVerfGE 110, 1 (18)desrepublik Deutschland eingeführt worden war, einen Verstoß gegen die für Elfenbein geltenden Handelsbeschränkungen beseitigen (vgl. den Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Januar 1989 -- 2 BvR 554/88 --, NJW 1990, S. 1229). § 21f Abs. 2 Satz 3 BNatSchG a.F. zielte nicht auf Repression und Vergeltung für ein rechtswidriges Verhalten, sondern diente als Teil eines Systems von Handelsbeschränkungen, die die wirtschaftliche Nutzung gefährdeter Arten eindämmen sollen, der Gefahrenabwehr (a.a.O., S. 1229).
Die mit den strafrechtlichen Verfallvorschriften beabsichtigte generalpräventive Wirkung soll nach dem Willen des Gesetzgebers auf andere Weise erzielt werden: Indem der Staat dem Täter deliktischBVerfGE 110, 1 (19) BVerfGE 110, 1 (20)Erlangtes wegnimmt, führt er ihm, wie auch der Rechtsgemeinschaft, vor Augen, dass strafrechtswidrige Bereicherungen nicht geduldet werden und Straftaten sich nicht lohnen. Der vermögensordnende Eingriff soll die Unverbrüchlichkeit und die Gerechtigkeit der Rechtsordnung erweisen und so die Rechtstreue der Bevölkerung stärken.
Diese auch als positiver Aspekt strafrechtlicher Generalprävention anerkannte Zielsetzung (vgl. BVerfGE 45, 187 [256]) ist -- wie die Ausführungen zum Gefahrenabwehrrecht gezeigt haben -- kein Spezifikum strafrechtlicher Vorschriften (vgl. BVerfGE 22, 125 [132]). Soweit es um die Abschöpfung deliktisch erlangten Vermögens geht, deckt sie sich mit einem alle Rechtsgebiete übergreifenden Grundsatz, wonach eine mit der Rechtsordnung nicht übereinstimmende Vermögenslage auszugleichen ist (vgl. Güntert, Gewinnabschöpfung als strafrechtliche Sanktion, 1983, S. 11 m.w.N.). Die normbestätigende Zielsetzung des § 73d StGB charakterisiert den erweiterten Verfall daher nicht zwingend als pönale Maßnahme (vgl. BGHSt 47, 369 [373 ff.]; Güntert, Gewinnabschöpfung als strafrechtliche Sanktion, 1983, S. 17; Schmidt, in: LKStGB, 11.Aufl., § 73 Rn. 8; Eberbach, NStZ 1987, S. 486, 489 f.; Groth, Verdeckte Ermittlung im Strafverfahren und Gewinnabschöpfung, 1995, S. 151; anders Schultehinrichs, Gewinnabschöpfung bei Betäubungsmitteldelikten -- Zur Problematik der geplanten Vorschrift über den erweiterten Verfall, 1991, S. 153 f.; wohl auch Weßlau, StV 1991, S. 226, 231 f., und Hoyer, GA 1993, S. 406, 417 ff., 421).
cc) Schließlich hat das Rechtsinstitut des Verfalls auch nicht deshalb strafähnlichen Charakter angenommen, weil der Gesetzgeber parallel zur Neuregelung des § 73d StGB das bis dahin im Verfallrecht geltende Nettoprinzip (Abschöpfung des Taterlöses abzüglich der Tatkosten) durch das Bruttoprinzip (Abschöpfung des erlangten "Etwas", des Taterlöses ohne Abzug für die Tat geleisteter Aufwendungen, vgl. BGH, NStZ 1994, S. 123 f.; BGHSt 47, 369 [371 ff.]) ersetzt hat. Die Auffassung, der Verfall sei nur noch der Form nach eine Maßnahme, dem Inhalt nach dagegen eine tatvergeltende Zufügung eines Übels, weil das Gesetz nunmehr dem deliktisch bereicherten Täter -- über die bloße Kondiktion hinaus -- eine wirtschaftBVerfGE 110, 1 (20) BVerfGE 110, 1 (21)liche Einbuße zumute (vgl. Nachw. bei Eser, in: Schönke/Schröder, StGB, 26.Aufl., § 73d Rn. 2 ff., § 73 Rn. 18 ff.; Fischer, in: Tröndle/Fischer, StGB, 51.Aufl., § 73d Rn. 4 ff., § 73 Rn. 3; Lackner, in: Lackner/Kühl, StGB, 24.Aufl., § 73 Rn. 4 ff.; Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, 5.Aufl., S. 793; Horn, in: SKStGB1, § 73 Rn. 5; Herzog, in: NomosStGB2, § 73 Rn. 10 ff.; anders BGH, NStZ 1995, S. 491; Schmidt, in: LKStGB, 11.Aufl., § 73d Rn. 4, § 73 Rn. 8; Katholnigg, JR 1994, S. 353, 354; Baumann/Weber/Mitsch, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 10.Aufl., S. 716; Goos, wistra 2001, S. 313, 315), ist nicht zwingend. Das Bruttoprinzip lässt sich auch anders und in größerer Nähe zum Willen des Gesetzgebers sowie zum systematischen Ort des Verfalls einordnen:
Ausweislich der Gesetzesmaterialien soll die Einführung des Bruttoprinzips das Verfallrecht der §§ 73 ff. StGB an die im zivilrechtlichen Bereicherungsrecht vorgefundene Risikozuweisung anBVerfGE 110, 1 (21) BVerfGE 110, 1 (22)gleichen. In der Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes, des Strafgesetzbuchs und anderer Gesetze vom 10. September 1991 (BTDrucks 12/1134, S. 12) heißt es hierzu, die mit der Nettoabschöpfung verbundene Saldierung habe zu Wertungswidersprüchen innerhalb der Gesamtrechtsordnung geführt, weil das Zivilrecht demjenigen, der sich außerhalb der Rechtsordnung stelle, in § 817 Satz 2 BGB die Zuhilfenahme der Gerichte bei der Rückabwicklung seines zweifelhaften Geschäfts versage. Der Rechtsgedanke des § 817 Satz 2 BGB, wonach das in ein verbotenes Geschäft Investierte unwiederbringlich verloren sei, solle deshalb auch beim Verfall Anwendung finden.
Mit seinem Bezug auf den der Regelung des § 817 Satz 2 BGB nach überwiegender Meinung zu Grunde liegenden Gedanken der Rechtsschutzverweigerung (vgl. BGHZ 44, 1 [6]; Lorenz, in: Staudinger, BGB, 1999, § 817 Rn. 4 f.; Honsell, Die Rückabwicklung sittenwidriger oder verbotener Geschäfte, 1974, S. 58 ff.; Canaris, in: Festschrift für Steindorff, 1990, S. 519, 523 ff.; Dauner, JZ 1980, S. 495, 499; Lieb, in: MünchKommBGB, 3.Aufl., § 817 Rn. 9) hat der Gesetzgeber klargestellt, dass er dem von einer Anordnung des Verfalls Betroffenen lediglich eine rechtliche Begünstigung versagen und damit die im zivilrechtlichen Bereicherungsrecht vorgefundene Risikozuweisung übernehmen, nicht aber eine neue pönale Rechtsfolge schaffen wollte.
a) Die Unschuldsvermutung ist eine besondere Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips. Sie muss in einem prozessordnungsgemäßenBVerfGE 110, 1 (22) BVerfGE 110, 1 (23)Verfahren widerlegt werden, bevor wegen eines Tatvorwurfs Entscheidungen getroffen werden, die die Feststellung von Schuld erfordern. Sie schützt den Beschuldigten vor Nachteilen, die Schuldspruch oder Strafe gleichkommen, denen aber kein rechtsstaatliches, prozessordnungsgemäßes Verfahren zur Schuldfeststellung und Strafbemessung vorausgegangen ist (vgl. BVerfGE 19, 342 [347 f.]; 35, 311 [320]; 74, 358 [369 ff.]; 82, 106 [118 ff.]).
a) Soweit § 73d StGB den Zugriff auf Vermögenswerte erlaubt, die dem unmittelbar Betroffenen wegen eines Verstoßes gegen strafrechtliche Vorschriften zivilrechtlich nicht zustehen (vgl. § 134, § 935 BGB), ist dessen Eigentumsgrundrecht schon mangels einer schutzfähigen Rechtsposition nicht berührt (vgl. BVerfGE 83, 201 [209]; 95, 267 [300]). Dies betrifft vor allem die Entziehung von Gewinnen aus illegalen Drogengeschäften. Denn wegen des strafrechtlichen Verbots des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln ist gemäß § 134 BGB neben dem schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäft zugleich die Übereignung sowohl der Drogen als auch des für sie als Kaufpreis gezahlten Geldes zivilrechtlich unwirksam (vgl.BVerfGE 110, 1 (23) BVerfGE 110, 1 (24)BGH, NJW 1983, S. 636; Mayer-Maly/Armbrüster, in: MünchKommBGB, 4.Aufl., § 134 Rn. 10; Sack, in: Staudinger, BGB, 2003, § 134 Rn. 223, jeweils m.w.N.). Einer unveröffentlichten Erhebung des Statistischen Bundesamts zufolge ergehen gut acht von zehn Anordnungen des erweiterten Verfalls im Bereich der Betäubungsmitteldelikte. Auch nahmen die Gerichte in den zu § 33 Abs. 1 BtMG veröffentlichten Entscheidungen regelmäßig -- wie das Landgericht im Ausgangsverfahren -- an, die für verfallen erklärten Vermögenswerte stammten ihrerseits aus Betäubungsmittelstraftaten (vgl. die bei Gradowski/Ziegler, Geldwäsche, Gewinnabschöpfung, 1997, S. 82 ff. referierten Fälle sowie BGH, NStZ 1995, S. 540; StV 1995, S. 633; NStZ-RR 1998, S. 297; NStZ 2001, S. 531; NStZ-RR 2003, S. 75; OLG Stuttgart, NJW 2000, S. 2598, 2599). Demnach berühren die meisten Anwendungsfälle des § 73d StGB kein durch Art. 14 Abs. 1 GG geschütztes Eigentum. Die Geltung des Bruttoprinzips ändert hieran nichts. Es versagt dem Betroffenen lediglich eine Erstattung seiner Tataufwendungen (vgl. C.I. 1. b) cc) sowie Katholnigg, JR 1994, S. 353, 356).
aa) Das Bundesverfassungsgericht hat schon im Beschluss vom 12. Dezember 1967 (BVerfGE 22, 387 [422]) klargestellt, dass der Verlust von Eigentum als Nebenfolge einer strafrechtlichen Verurteilung zu den traditionellen Schranken des Eigentums gehört. Das Grundgesetz hat dem Gesetzgeber in Art. 14 Abs. 1 Satz 2 die Aufgabe übertragen, den Inhalt und die Schranken des Eigentums zu bestimmen. Die das Eigentum ausformenden Vorschriften des bürgerlichen und des öffentlichen Rechts legen generell und abstrakt Rechte und Pflichten hinsichtlich solcher Rechtsgüter fest, die als Eigentum im Sinne der Verfassung zu verstehen sind (vgl. BVerfGE 52, 1 [27 f.]; 58, 137 [144 f.]; 58, 300 [330]; 70, 191 [200]; 72, 66 [76]; 100, 226 [240]). Solche Vorschriften bleiben Inhalts- und SchranBVerfGE 110, 1 (24) BVerfGE 110, 1 (25)kenbestimmungen des Eigentums auch dann, wenn sie konkrete Vermögenspositionen ganz oder teilweise entziehen oder hierzu für den Einzelfall die Grundlage bilden (vgl. BVerfGE 58, 300 [351]; 70, 191 [200]; 83, 201 [212]; 100, 226 [240]).
cc) Nach der vom Bundesgerichtshof im Ausgangsverfahren vertretenen Auffassung ist die Annahme der deliktischen Herkunft eiBVerfGE 110, 1 (25) BVerfGE 110, 1 (26)nes Gegenstands nur dann im Sinne des § 73d Abs. 1 Satz 1 StGB gerechtfertigt, wenn sich der Tatrichter durch Ausschöpfung der vorhandenen Beweismittel von ihr überzeugt hat. Für eine solche Überzeugungsbildung verlangt der Bundesgerichtshof keine Feststellungen über konkrete Herkunftstaten. Auch sei der Tatrichter nicht gehindert, sondern gehalten, die nachgewiesenen Anlasstaten in seine Überzeugungsbildung einzubeziehen, selbst wenn aus ihnen kein Gewinn erzielt worden sei. Insgesamt dürften die Anforderungen an den Herkunftsnachweis nicht überspannt werden (BGHSt 40, 371 ff.).
(1) Sie ist mit dem Wortlaut der Vorschrift vereinbar, die mit der Formulierung "wenn die Umstände die Annahme rechtfertigen" einen Spielraum zur Bestimmung des erforderlichen Beweismaßes eröffnet (zu den Grenzen zulässiger Gesetzesauslegung BVerfGE 8, 28 [34]; 49, 148 [157]; 54, 277 [299 f.]; 71, 81 [105]; 90, 263 [275]). Die Auffassung des Bundesgerichtshofs tritt auch nicht in Widerspruch zum Willen des Gesetzgebers. Ausweislich der Gesetzesmaterialien soll die Regelung des erweiterten Verfalls die strafrechtliche Gewinnabschöpfung erleichtern; nach bisherigem Recht scheitere sie häufig daran, dass "wegen des konspirativen Charakters des illegalen Betäubungsmittelhandels ... die Herkunft von Vermögensgegenständen des Täters aus bestimmten Straftaten nicht nachgewiesen werden" könne (vgl. BTDrucks 11/6623, S. 1). Die in § 73d Abs. 1 Satz 1 StGB vorgesehenen Beweiserleichterungen könnten der Schwierigkeit entgegenwirken, "dass bei den Tatbeteiligten Vermögenswerte angetroffen werden, deren kriminelle Herkunft zwar nahe liegt, sich jedoch nicht konkret fassbaren, womöglich gar den im anhängigen Strafverfahren zur Untersuchung gezogenen Straftaten zuordnen lassen" (vgl. BTDrucks 12/989, S. 22). Die Vorschrift solle einen Eigentumsentzug in Fällen ermöglichen, in denen die Herkunft des Gegenstands des Verfalls mit den Erkenntnismöglichkeiten des Gerichts nicht aufgeklärt werden könne, eine deliktische Erlangung jedoch angesichts der Einkommens- und Vermögenssituation des Täters sowie seines Vorlebens so hoch wahrscheinlichBVerfGE 110, 1 (26) BVerfGE 110, 1 (27)sei, dass sie sich für einen objektiven Betrachter geradezu aufdränge (vgl. BTDrucks 11/6623, S. 7). Dabei fordere und ermögliche das in dem Begriff "rechtfertigen" enthaltene normative Element eine Anwendung der Vorschrift, die in jedem Einzelfall der Eigentumsgewährleistung hinreichend gerecht werde (vgl. BTDrucks 11/6623, S. 5).
(2) Die Auslegung des Bundesgerichtshofs beruht auf sachbezogenen und nachvollziehbaren Erwägungen. Sie bietet keine AnBVerfGE 110, 1 (27) BVerfGE 110, 1 (28)haltspunkte für den Vorwurf der Willkür oder für eine Verkennung der Bedeutung und Tragweite grundrechtlicher Gewährleistungen (zu diesem Prüfungsmaßstab BVerfGE 18, 85 [92 f.]; 60, 348 [357]; 70, 230 [239]).
(1) Bei der Erfüllung des ihm gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG erteilten Auftrags, Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen, muss der Gesetzgeber die grundgesetzliche Anerkennung des Privateigentums durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG wie auch das Sozialgebot des Art. 14 Abs. 2 GG beachten (vgl. BVerfGE 52, 1 [29]; 71, 230 [246 f.]; 81, 208 [220]) und die schutzwürdigen Interessen des Eigentümers sowie die Belange des Gemeinwohls in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis bringen (BVerfGE 100, 226 [240]; stRspr). Dabei ist er an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden. Einschränkungen der Eigentümerbefugnisse müssen vom jeweiligen Sachbereich her geboten und auch in ihrer Ausgestaltung sachgerecht sein. Sie dürfen nicht weiter gehen als es ihr Grund, der Schutz des Gemeinwohls, erfordert (vgl. BVerfGE 20, 351 [361]; 52, 1 [29 f.]), und sie dürfen insbesondere auch nicht, gemessen am sozialen Bezug und an der sozialen Bedeutung des Eigentumsobjekts sowie im Blick auf den Regelungszweck, zu einer übermäßigen Belastung führen und den Eigentümer im vermögensrechtlichen Bereich unzumutbar treffen (vgl. BVerfGE 58, 137 [148]). Zudem muss eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums mit allen anderen Verfassungsnormen vereinbar sein, insbesondere mit dem Gleichheitsgrundsatz (vgl. BVerfGE 14, 263 [278]; 18, 121 [132]; 25, 112 [117]; 52, 1 [27]; 62, 169 [183]).
(a) Der Gesetzgeber will mit der strafrechtlichen Gewinnabschöpfung eine Störung der Vermögensordnung beseitigen und soBVerfGE 110, 1 (28) BVerfGE 110, 1 (29)der materiellen Rechtsordnung Geltung verschaffen. Das in §§ 73 ff. StGB geregelte Rechtsinstitut des Verfalls kann dazu beitragen, dieses legitime gesetzgeberische Ziel (vgl. BVerfGE 81, 228 [237 f.]) zu erreichen (zu den Anforderungen an die Geeignetheit einer gesetzlichen Regelung BVerfGE 30, 292 [316]; 33, 171 [187]; 67, 157 [173, 175]; 70, 278 [286]; 96, 10 [23]):
In der Begründung des Entwurfs eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes -- Erweiterter Verfall -- (... StrÄndG) vom 9. März 1990BVerfGE 110, 1 (30) BVerfGE 110, 1 (31)(BTDrucks 11/6623, S. 7) heißt es hierzu, wegen des auf bestimmte Betäubungsmitteldelikte beschränkten Anwendungsbereichs des § 73d StGB sei eine Verkürzung der Rechte Tatgeschädigter äußerst unwahrscheinlich. Die gemäß § 73d Abs. 4 StGB entsprechend anwendbare Härteregelung des § 73c Abs. 1 StGB biete insoweit einen ausreichenden Schutz vor "unbilligen Ergebnissen".
(g) Die angegriffene Regelung ist in der Auslegung des Bundesgerichtshofs auch hinreichend bestimmt. Sie erlaubt einen Zugriff auf alle vom Betroffenen deliktisch erlangten und durch dieses KriteriBVerfGE 110, 1 (31) BVerfGE 110, 1 (32)um von seinem verfassungsrechtlich geschützten Legalvermögen abgrenzbaren Gegenstände. Das vom Bundesgerichtshof hinsichtlich der deliktischen Vermögensherkunft geforderte Beweismaß der richterlichen Überzeugung macht eine Anordnung des erweiterten Verfalls für den Täter klar vorhersehbar.
Die Einschätzung des Gesetzgebers, eine effektive Gewinnabschöpfung sei bei "organisiert" vorgehenden Straftätern wegen deren erfahrungsgemäß konspirativen Verhaltens nur unter den erBVerfGE 110, 1 (32) BVerfGE 110, 1 (33)leichterten Voraussetzungen des § 73d StGB möglich, ist nicht offensichtlich fehlsam und genügt daher den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Auch die Typisierung der "organisierten Kriminalität" durch das Merkmal der banden- oder gewerbsmäßigen Tatbegehung wahrt die Grenzen des dem Gesetzgeber vom Grundgesetz zugebilligten Beurteilungsspielraums (vgl. dazu BVerfGE 8, 71 [80]; 30, 292 [317]).