Beschluß | |
des Ersten Senats vom 4. Mai 1982
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-- 1 BvR 1457/81 -- | |
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde des Herrn C... -- Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Karl Herrmann und Sebastian Wehage, Schloßplatz 23, Oldenburg -- gegen den Beschluß des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 30. November 1981 -- Ausl. 4/80 -- und Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung.
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Entscheidungsformel:
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Der Beschluß des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 30. November 1981 -- Ausl. 4/80 -- verletzt das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Artikel 16 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes. Er wird aufgehoben.
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Die Sache wird an das Oberlandesgericht Oldenburg zurückverwiesen.
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Das Land Niedersachsen hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.
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A. | |
Der Beschwerdeführer, ein Libanese, wendet sich gegen seine Auslieferung in den Libanon zum Zwecke der Strafverfolgung wegen vorsätzlicher Tötung in fünf Fällen.
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I.
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1. a) Der Beschwerdeführer ist libanesischer Staatsangehöriger. Er reiste 1979 über Berlin-Schönefeld nach Westberlin ein, wo er Asyl beantragte, da er sich dem Auftrag einer Palästinenser- Organisation entzogen habe, einen Anschlag in Israel durchzuführen. Bei seiner Rückkehr in den Libanon werde er deshalb von dieser Organisation als Verräter und Deserteur bestraft werden.
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Durch Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 13. Februar 1980 wurde der Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter abgelehnt. Die geltend gemachten Repressalien seitens einer nichtstaatlichen Organisation könnten das Asylbegehren nicht begründen. Das - auf gewisse Gebiete beschränkte - Unvermögen der libanesischen Behörden, die Bewohner des Landes vor Übergriffen einer derartigen Organisation zu schützen, sei nach ständiger Rechtsprechung asylrechtlich nicht erheblich. Dem Beschwerdeführer sei zuzumuten, seinen Wohnsitz dort zu nehmen, wo ausschließlich die libanesischen Behörden und die syrisch-arabischen Truppen die Hoheitsgewalt ausübten. Auch die allgemeinen Gefahren aus dem nach wie vor unstabilen Sicherheitszustand im Libanon seien nicht beachtlich. Unter diesen Bedingungen hätten alle Bewohner des Landes zu leiden. Es fehle insoweit an einer gezielten staatlichen Verfolgung.
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Die Klage des Beschwerdeführers gegen diesen Bescheid wurde vom Verwaltungsgericht zurückgewiesen; das Berufungsverfahren ist noch anhängig.
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b) Durch Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 2. Juli 1980 wurde der Beschwerdeführer wegen versuchten Totschlags zu einer Jugendstrafe von fünf Jahren verurteilt. Er hatte im Dezember 1979 in Wilhelmshaven nach vorhergegangener Schlägerei einen Mann mit einem Messer lebensgefährlich verletzt. Der Beschwerdeführer verbüßt derzeit diese Strafe.
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2. a) Im September 1980 ersuchte Interpol Beirut die deutschen Behörden, den Beschwerdeführer in vorläufige Auslieferungshaft zu nehmen, weil gegen ihn ein Haftbefehl wegen vorsätzlichen Totschlags vorliege. Durch Verbalnote vom 9. Juli 1981 ersuchte die Republik Libanon unter Zusicherung der Gegenseitigkeit und der Spezialität um die Auslieferung des Beschwerdeführers. Dem Ersuchen waren Auslieferungsunterlagen beigefügt, darunter ein Haftbefehl der 1. Untersuchungskammer des Südlibanon vom 6. August 1980, in dem dem Beschwerdeführer vorgeworfen wird, er habe fünf Personen mit Absicht getötet und gegen Bestimmungen des Waffengesetzes verstoßen. Er habe der Partei Ittihad Ischtikari Arabi (Arab. Soz. Verein) angehört und sei am Tattag mit Bewaffneten dieser Partei in Khartoum (Südlibanon) gewesen. Nachts habe er eine Handgranate auf ein Zelt von Parteimitgliedern geworfen. Der Grund dafür sei nicht bekannt.
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b) Durch den angegriffenen Beschluß vom 30. November 1981 erklärte das Oberlandesgericht die Auslieferung des Beschwerdeführers für zulässig. Nach dem Inhalt des Haftbefehls bestehe dringender Tatverdacht, von dem auszugehen sei. Soweit sich der Beschwerdeführer auf Notwehr berufe, seien zur Klärung dieser Frage die libanesischen Gerichte zuständig.
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Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG hindere die Auslieferung nicht, weil dem Beschwerdeführer bisher Asyl nicht gewährt worden sei. Bislang stehe nicht endgültig fest, daß er als politisch Verfolgter in die Bundesrepublik Deutschland gekommen sei. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Februar 1981 (BVerfGE 56, 216) sei insoweit unerheblich, da sie ersichtlich einen anderen Sachverhalt betroffen habe. Zudem könne nicht unberücksichtigt bleiben, daß nach § 3 DAG die Auslieferung selbst bei politischen Taten zulässig sei, wenn sich die Tat als ein vorsätzliches Verbrechen gegen das Leben darstelle, es sei denn, sie sei im offenen Kampf begangen. Daß in der Republik Libanon die absichtliche Tötung mit der Todesstrafe bedroht und bisher nicht zugesichert worden sei, eine solche Strafe würde weder verhängt noch vollstreckt werden, stehe der Auslieferung ebenfalls nicht entgegen. Insoweit bezieht sich das Oberlandesgericht auf die Entscheidung BVerfGE 18, 112. Ob eine Todesstrafe verhängt oder vollstreckt werde, müsse der Entscheidung des ersuchenden Staates überlassen bleiben. Der Achtung dieser fremden Rechtsordnung stehe es jedoch nicht entgegen, wenn die Bundesregierung, der grundgesetzlichen Ächtung der Todesstrafe entsprechend, eine Auslieferung nur gegen die Zusicherung vornehme, die Todesstrafe weder zu verhängen noch zu vollstrecken. Ob die beantragte Auslieferung tatsächlich durchgeführt werde, müsse deshalb der Entscheidung der Bundesregierung vorbehalten bleiben.
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II.
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Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG und Art. 2 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 102 GG.
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Das Berufungsverfahren hinsichtlich seiner Anerkennung als Asylbewerber sei noch nicht abgeschlossen. Solange noch keine endgültige negative Entscheidung gegen ihn ergangen sei, habe er ein subjektives Recht auf Asyl, das ein Verbot der Auslieferung einschließe. Somit liege ein Verstoß gegen Art. 16 Abs. 2 GG vor.
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Außerdem sei sein Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 102 GG verletzt. Trotz einer entsprechenden Bitte habe die libanesische Republik nicht die Zusicherung abgegeben, daß sie die Todesstrafe weder verhängen noch vollstrecken werde. Nach Informationen seines Bevollmächtigten sei mit Sicherheit zu erwarten, daß der Beschwerdeführer ohne ein ordentliches Gerichtsverfahren sofort nach seiner Ankunft im Libanon erschossen werden würde. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Juni 1964 (BVerfGE 18, 112) habe die Frage einer Auslieferung an die französische Republik betroffen. Es könne aber keinem Zweifel unterliegen, daß in Anbetracht der Verhältnisse im Libanon der Beschwerdeführer ohne ordentliches Gerichtsverfahren liquidiert werden würde. Es müsse unterschieden werden, ob es sich um die Auslieferung in einen Staat westlich-freiheitlich-demokratischer Grundordnung handele oder um einen zwar völkerrechtlich anerkannten Staat, von dem aber gerichtsbekannt sei, daß wegen seiner politischen Situation Todesurteile oder nicht ordentliche Gerichtsverfahren an der Tagesordnung seien. Auch der Hinweis des Bundesverfassungsgerichts, daß bei Nichtauslieferung der Rechtshilfeverkehr in Strafsachen gestört werde, sei wenig überzeugend. Eine solche Erschwernis hätten die Unterzeichnerstaaten des Europäischen Auslieferungsübereinkommens bewußt auf sich genommen. Die Nichtauslieferung komme nicht einer Außerverfolgungsetzung gleich, da gegen den Beschwerdeführer auch im Inland vorgegangen werden könne. Der Standpunkt des Bundesverfassungsgerichts habe in letzter Konsequenz zur Folge, daß ein deutsches Gericht mittelbar die spätere Vollstreckung einer Todesstrafe ermöglichen dürfe. Man müsse deshalb bei drohender Todesstrafe zu einem Auslieferungsverbot kommen; mindestens dürfe die Auslieferung nur bei Zusicherung des ersuchenden Staates zugelassen werden, die Todesstrafe nicht zu vollstrecken. Eine solche Zusicherung sei vom Libanon incidenter aber abgelehnt worden.
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Der Beschwerdeführer beantragt, die Vollziehung des angefochtenen Beschlusses im Wege der einstweiligen Anordnung auszusetzen.
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III.
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1. Zur Verfassungsbeschwerde hat der Bundesminister der Justiz namens der Bundesregierung Stellung genommen. Nach seiner Auffassung kann das bloße Anhängigsein eines Asylverfahrens für sich einer Auslieferung nicht entgegenstehen. Ein nach den Vorschriften des Ausländergesetzes anerkanntes Asylrecht erstrecke sich mit allgemeiner Verbindlichkeit nur auf den Bereich der Verwaltung. Im Auslieferungsverfahren hätten die zuständigen Behörden und Gerichte selbständig zu entscheiden, ob einem Auslieferungsbegehren unter dem Aspekt des Art. 16 Abs. 2 GG stattgegeben werden dürfe. Diese Prüfung sei selbst dann erforderlich und könne für den Verfolgten zu einem positiven Ergebnis führen, wenn im Verfahren nach dem Ausländergesetz eine Anerkennung als Asylberechtigter rechtskräftig abgelehnt worden sei.
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Auf ein politisches Asylrecht könne sich derjenige nicht berufen, der durch den Grundsatz der Spezialität wirksamen Schutz vor politischer Verfolgung genieße. Die sorgfältige Beachtung dieses Grundsatzes habe die Regierung des Libanon zugesichert; die Bundesregierung habe unter Würdigung aller Umstände des vorliegenden Falles keine Veranlassung, an der Einhaltung dieses Grundsatzes zu zweifeln. Vor der Entscheidung über die Bewilligung des Auslieferungsersuchens werde sie noch einmal abschließend prüfen, ob Anlaß zu der Befürchtung bestehe, daß der Beschwerdeführer nach seiner Auslieferung politischer Verfolgung ausgesetzt sein könne.
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Die Deutsche Botschaft in Beirut habe mitgeteilt, daß aufgrund der seit dem Bürgerkrieg andauernden prekären und instabilen Sicherheitslage die Rechtspflege im Libanon weitestgehend zum Erliegen gekommen sei. Nach den der Botschaft vorliegenden Informationen seien Strafverfahren indes tatsächlich durchgeführt worden, und zwar nach den im Libanon geltenden rechtsstaatlichen Strafprozeßvorschriften. Der Bundesregierung lägen keine Erkenntnisse vor, welche die Durchführung eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens im Libanon im vorliegenden Fall als nicht gesichert erscheinen ließen.
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Die libanesische Regierung habe zwar bisher nicht zugesichert, daß gegen den Beschwerdeführer die Todesstrafe weder verhängt noch vollstreckt werde. Die Bundesregierung werde die Auslieferung aber nur dann bewilligen, wenn diese Zusicherung vorliege. Diese Haltung entspreche ihrer seit vielen Jahren ständig geübten Praxis. Zwar habe das Oberlandesgericht die Auslieferung uneingeschränkt für zulässig erklärt, dies müsse jedoch im Zusammenhang mit der festen Bewilligungspraxis der Bundesregierung gesehen werden. Es könne deshalb auch offenbleiben, ob der Entscheidung BVerfGE 18, 112 noch uneingeschränkt zu folgen sei.
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2. Der Niedersächsische Minister der Justiz hat mitgeteilt, daß ihm weitere, über die Stellungnahme des Bundesministers der Justiz hinausgehende Erkenntnisse nicht vorlägen.
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Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist begründet.
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I.
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Offen kann die vom Beschwerdeführer in den Mittelpunkt seiner Beschwerdebegründung gestellte Frage bleiben, ob an der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Zulässigkeit der Auslieferung wegen einer Straftat, die in dem ersuchenden Staat mit der Todesstrafe bedroht ist (BVerfGE 18, 112), heute noch in vollem Umfange festzuhalten wäre. Hier genügt es, davon auszugehen, daß gegen die Auslieferung unter dem Gesichtspunkt der Art. 2 Abs. 2 Satz 1, 102 GG dann keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken zu erheben sind, wenn der Auszuliefernde in dem ersuchenden Staat hinreichend vor der Vollstreckung einer ihm drohenden Todesstrafe geschützt wird. Der Bundesminister der Justiz hat namens der Bundesregierung in seiner Stellungnahme zur Verfassungsbeschwerde die Erklärung abgegeben, daß die Auslieferung des Beschwerdeführers nur bewilligt werde, wenn eine entsprechende Zusicherung der libanesischen Regierung vorliege. Das Auswärtige Amt hat bereits mit Verbalnote vom 23. Juli 1981 die Botschaft der libanesischen Republik um die förmliche Zusicherung gebeten, "daß gegen den Verfolgten bei einer Auslieferung zur Strafverfolgung wegen der im Haftbefehl der 1. Untersuchungskammer des Südlibanon vom 6. August 1980 (Aktenzeichen Nr. 85/284) aufgeführten strafbaren Handlungen gegebenenfalls die Todesstrafe weder verhängt noch vollstreckt werden wird." Es hat diese Bitte mit Verbalnote vom 22. Dezember 1981 wiederholt. Eine Antwort ist zwar bisher noch nicht eingegangen; der Beschwerdeführer hat aber keinen Grund zu befürchten, er werde ohne eine entsprechende Garantie der libanesischen Regierung ausgeliefert. Die Zusicherung der Bundesregierung stellt einen ausreichenden Schutz für ihn dar. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß sich die Bundesregierung an ihre Zusage halten wird. Sie entspricht der ständigen Praxis der Bundesregierung im Auslieferungsverkehr, die im Einklang mit ihrem Eintreten für eine weltweite Abschaffung der Todesstrafe steht (vgl. Platz, ZaöRV 1981, S. 345 ff.). Der von der Bundesregierung zu Beginn dieses Jahres im Bundestag eingebrachte Entwurf eines Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) soll dieser Praxis eine gesetzliche Grundlage geben. § 7 dieses Entwurfs sieht vor, daß bei drohender Todesstrafe die Auslieferung nur zulässig ist, wenn der ersuchende Staat zusichert, daß die Todesstrafe nicht verhängt oder vollstreckt wird (vgl. BTDrucks. 9/ 1338 S. 7 u. 42 f., ferner S. 103 u. 112).
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II.
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Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist auch der Ausgangspunkt des angegriffenen Beschlusses, daß der dringende Tatverdacht nach dem Inhalt des von den libanesischen Behörden übersandten Haftbefehls zu unterstellen sei; auch zur Klärung der Frage, ob der Beschwerdeführer in Notwehr gehandelt habe, seien die libanesischen Gerichte zuständig. Nach allgemein herrschender Auffassung untersuchen die deutschen Auslieferungsbehörden und -gerichte nicht, ob der Tatverdacht gegen einen Verfolgten begründet ist, sondern gehen von den in den Auslieferungsunterlagen mitgeteilten Tatsachen, welche die strafbare Handlung darstellen, als richtig aus (Mettgenberg/ Doerner, Deutsches Auslieferungsgesetz, 2. Aufl., 1953, S. 150 ff.; Grützner in: Das Deutsche Bundesrecht, II B 76, S. 23, Erläuterung zu § 16 DAG; Oehler, ZStW 1969, S. 142 [158 f.]; Vogler, ZStW 1969, S. 163 [182 f.]). Es wird ausgeliefert, damit der in aller Regel tatnähere ersuchende Staat seine besseren Aufklärungsmöglichkeiten entfalten kann (vgl. BGHSt 2, 44 [48 f.]). Auf diese Weise werden nicht nur Nachteile für die Rechtspflege des ersuchenden Staates vermieden. Die Überprüfung des Tatverdachts im ersuchten Staat kann auch für den Verfolgten Nachteile mit sich bringen. Die Schwierigkeiten einer Beweisaufnahme fernab vom Tatort liegen auf der Hand. Die negativen Auswirkungen für den Verfolgten bestehen in jedem Fall darin, daß er wegen etwaiger Ermittlungen länger in Auslieferungshaft bleiben muß (vgl. hierzu Grützner, ZStW 1969, S. 119 [126 f.]).
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Diese Praxis, den Tatverdacht im Auslieferungsverfahren grundsätzlich nicht zu überprüfen, entspricht weitverbreitetem internationalem Brauch. Lediglich die Länder des angelsächsischen Rechtskreises prüfen regelmäßig die Begründetheit des Tatverdachts nach (vgl. hierzu Schultz, ZStW 1969, S. 199 [230 f.]; Oehler, a.a.O., S. 159; Vogler, a.a.O., S. 182). Die deutsche Auslieferungspraxis wird gerechtfertigt durch das in einem Auslieferungsvertrag ausgedrückte generelle Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit des Vertragspartners oder - bei einem vertragslosen Auslieferungsverkehr wie im vorliegenden Falle - durch die Prüfung der rechtsstaatlichen Verhältnisse im ersuchenden Staat im Rahmen des individuellen Auslieferungsverfahrens.
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Ausnahmen von diesem Grundsatz, daß der Tatverdacht im Auslieferungsverfahren nicht zu überprüfen ist, können sich allerdings in besonders gelagerten Fällen ergeben (vgl. hierzu § 9 Abs. 1a des IRG-Entwurfs - BTDrucks. 9/1338 S. 8, 45, 103 u. 113; ferner BVerfGE 59, 280 [282 ff.]). Dies wird insbesondere dann zu gelten haben, wenn Tatsachen des Schuldvorwurfs aus dem Strafverfahren Anhaltspunkte dafür liefern, dem Auszuliefernden drohe im ersuchenden Staat politische Verfolgung, so daß der Auslieferung Art. 16 Abs. 2 GG entgegenstünde. Insoweit ist es jedoch schon heute ständige Rechtsprechung der Oberlandesgerichte, solchen Indizien für politische Verfolgung nachzugehen, etwa bei manipulierten Tatvorwürfen (vgl. OLG Köln, DRiZ 1978, S. 372 [373]; Wilkitzki, GA 1981, S. 361 [365]). Solche Anhaltspunkte sind hier jedoch nicht ersichtlich. Im übrigen braucht darauf nicht weiter eingegangen zu werden, weil der Beschluß des Oberlandesgerichts aus einem anderen Grunde nicht bestehen bleiben kann.
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III.
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Die angegriffene Entscheidung wird der grundrechtlichen Gewährleistung des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG nicht gerecht, weil das Oberlandesgericht Bedeutung und Auswirkung dieses Grundrechts für das Auslieferungsverfahren verkannt hat.
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1. Das Oberlandesgericht meint, der Zulässigkeit der Auslieferung stehe insbesondere Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG nicht entgegen, weil dem Beschwerdeführer auf dessen Antrag bisher Asyl nicht gewährt worden sei. Das verwaltungsgerichtliche Verfahren sei bislang nicht rechtskräftig abgeschlossen.
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Diese Begründung hält der verfassungsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
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a) Zwar ist es für die Zulässigkeit der Auslieferung ohne rechtliche Bedeutung, daß das Asylanerkennungsverfahren vor den Verwaltungsgerichten noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts BVerf- GE 56, 216 gebietet - wie das Oberlandesgericht zutreffend angenommen hat - keine andere Beurteilung. Jene Entscheidung hebt darauf ab, der Gesetzgeber habe das Anerkennungsverfahren so ausgestaltet, daß dem Asylbewerber mehrere Instanzen zur Verfügung stünden; die Verwaltung dürfe dies nicht durch aufenthaltsbeendende Maßnahmen umgehen. Für den Fall der Auslieferung hat aber der Gesetzgeber in § 45 Satz 2 des Ausländergesetzes eine abweichende Regelung getroffen. Danach gilt die Bindungswirkung der Entscheidung im Anerkennungsverfahren nicht für das Auslieferungsverfahren. Dies ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Für die Überprüfung des Auslieferungsbegehrens steht in dem Oberlandesgericht eine unabhängige, richterliche Instanz zur Verfügung, die in justizförmigem Verfahren die Einwände des Auszuliefernden prüft.
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Ob eine andere Beurteilung angebracht wäre, wenn eine rechtskräftige Anerkennung als Asylberechtigter vorläge, kann dahinstehen; denn dieser Fall liegt hier nicht vor.
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b) § 45 Satz 2 des Ausländergesetzes entbindet die Auslieferungsbehörden und -gerichte jedoch nicht von der Verpflichtung zu prüfen, ob dem Verfolgten der Schutz des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG zusteht. Auch wenn der Verfolgte bisher nicht als Asylberechtigter anerkannt worden ist, muß im Auslieferungsverfahren geprüft werden, ob er nach seiner Auslieferung in dem ersuchenden Staat politische Verfolgung zu gewärtigen hat. Dies hat das Oberlandesgericht verkannt. Der angegriffenen Entscheidung läßt sich nicht entnehmen, daß das Gericht diese Einwirkung des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG auf das Auslieferungsverfahren gesehen hat. Es fehlen jegliche Feststellungen und Ausführungen dazu, daß kein hinreichender Grund für die Annahme besteht, dem Beschwerdeführer drohe im Libanon politische Verfolgung.
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c) Das Oberlandesgericht war dieser Prüfung auch nicht deshalb enthoben, weil der Libanon zugesichert hat, die dortigen Justizbehörden würden den Grundsatz der Spezialität sorgfältig beachten. Zwar wird bei der Auslieferung an einen Staat mit freiheitlich demokratischer Rechtsordnung und geordneten innerstaatlichen Verhältnissen die Zusicherung der Spezialität der Strafverfolgung in der Regel als ausreichende Garantie gegen politische Verfolgung des Ausgelieferten angesehen werden können (vgl. BVerfGE 15, 249 [251]). Dies kann aber nicht generell für den Auslieferungsverkehr mit allen Staaten gelten, wie das Bundesverfassungsgericht bereits früher des näheren dargelegt hat (BVerfGE 9, 174 [181 ff.]; vgl. auch BVerfGE 38, 398 [402 ff.]). Daß im Libanon aufgrund des seit Jahren andauernden Bürgerkriegs eine instabile Sicherheitslage entstanden ist und die Rechtspflege dadurch beeinträchtigt wird, ist allgemein bekannt und wird in der Stellungnahme des Bundesministers der Justiz bestätigt; der Beschwerdeführer hat dies im Laufe des Auslieferungsverfahrens wiederholt zu seinem Schutze gegen eine Auslieferung vorgetragen.
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d) Irreführend ist in diesem Zusammenhang auch der Hinweis des Oberlandesgerichts, daß nach § 3 DAG die Auslieferung selbst bei politischen Taten zulässig ist, wenn sich die Tat als ein vorsätzliches Verbrechen gegen das Leben darstellt, es sei denn, daß sie im offenen Kampf begangen ist. Das Oberlandesgericht verkennt dabei, daß Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG und § 3 DAG grundsätzlich verschiedene Sachverhalte regeln (vgl. hierzu R. Geiger, Die Auslieferung des politischen Straftäters im Lichte des Grundrechts auf Asyl, in: Staatsrecht - Völkerrecht - Europarecht, Festschrift für Hans-Jürgen Schlochauer, 1981, S. 79). Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG gewährt jedem politisch Verfolgten, welcher seine Zuflucht in der Bundesrepublik sucht, unabhängig davon, ob ihm eine Straftat vorgeworfen wird, Asyl und damit auch Schutz vor Auslieferung (vgl. BGH, NJW 1982, S. 531; Kimminich in: Bonner Kommentar, 13. Lief., 1964, Rdnr. 160 zu Art. 16; Franke, Politisches Delikt und Asylrecht, 1979, S. 55 ff.; jeweils m. w. N.).
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2. Zwar ist es angesichts der im Asylanerkennungsverfahren eingeholten Auskünfte und getroffenen Feststellungen sowie der wechselnden Einlassungen des Beschwerdeführers nicht sehr wahrscheinlich, daß das Oberlandesgericht in der Frage des Asylrechts zu einer anderen Beurteilung gekommen wäre als das Bundesamt und das Verwaltungsgericht, wenn es die Tragweite des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG für die Frage der Auslieferung zutreffend erkannt und berücksichtigt hätte. Dies kann aber auch nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden. Die angegriffene Entscheidung beruht deshalb auf dem dargelegten Fehler. Sie war daher aufzuheben. Gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG war die Sache an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen.
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IV.
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Damit erledigt sich zugleich der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 34 Abs. 4 BVerfGG.
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