2. Die Zuständigkeits- und Verfahrensregelungen zur Aussetzung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe sind am Maßstab des Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG (Rechtsstaatsprinzip), des Art. 2 Abs. 2 GG und des Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG zu messen.
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3. a) Die Regelungen der §§ 454, 462a StPO und des § 74 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 GVG sind, insoweit sie die Aussetzung einer lebenslangen Freiheitsstrafe wegen Mordes betreffen, mit dem Grundgesetz nur dann vereinbar, wenn die für die Bewertung der Schuld gemäß § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB erheblichen Tatsachen im Erkenntnisverfahren vom Schwurgericht festgestellt und im Urteil dargestellt werden, wenn das Urteil darüber hinaus auf dieser Grundlage die Schuld - unter dem für die Aussetzungsentscheidung erheblichen Gesichtspunkt ihrer besonderen Schwere - gewichtet und wenn das Strafvollstreckungsgericht daran gebunden ist.
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b) Bei der Entscheidung über die Aussetzungsanträge von Verurteilten, deren Schuld noch nicht im vorstehenden Sinne gewichtet ist (Altfälle), darf das Vollstreckungsgericht zu Lasten des Verurteilten nur das dem Urteil zugrunde liegende Tatgeschehen und die dazu festgestellten Umstände der Ausführung und der Auswirkung der Tat berücksichtigen.
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4. a) Die Vorschrift des § 454 Abs. 1 StPO ist verfassungskonform dahin auszulegen, daß im Falle der Verurteilung zu lebenslanger Freiheitsstrafe das Strafvollstreckungsgericht nicht nur darüber entscheidet, ob deren weitere Vollstreckung zur Bewährung auszusetzen ist, sondern im Falle der Ablehnung auch, bis wann die Vollstreckung - unbeschadet sonstiger Voraussetzungen und Möglichkeiten ihrer Aussetzung - unter dem Gesichtspunkt der besonderen Schwere der Schuld fortzusetzen ist.
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b) Der voraussichtliche Zeitpunkt einer Aussetzung der Strafvollstreckung muß so rechtzeitig festgelegt werden, daß die Vollzugsbehörden die Vollzugsentscheidungen, die die Kenntnis dieses Zeitpunktes unabdingbar voraussetzen, ohne eigene Feststellungen zur voraussichtlichen Verbüßungszeit so treffen können, daß die bedingte Entlassung nicht verzögert wird.
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Beschluß | |
des Zweiten Senats vom 3. Juni 1992
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-- 2 BvR 1041/88, 78/89 -- | |
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerden 1. des Herrn P... [...]
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Entscheidungsformel:
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I. 1. Der Beschluß des Landgerichts Gießen vom 6. August 1987 - 1 StVK 1081/85 - und die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 7. April und 29. Dezember 1988 - 3 Ws 841/87 - verletzen den Beschwerdeführer zu 1) in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3, Artikel 2 Absatz 2 und Artikel 104 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes.
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[...]
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A. | |
Die zu gemeinsamer Entscheidung verbundenen Verfassungsbeschwerden betreffen die Frage, ob § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB, soweit er die Aussetzung der Vollstreckung des Restes einer wegen Mordes verhängten lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung davon abhängig macht, daß nicht die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten die weitere Vollstreckung gebietet, und ob insoweit die Zuständigkeits- und Verfahrensregelungen der §§ 454, 462 a StPO und § 74 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 GVG mit dem Grundgesetz vereinbar sind.
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I.
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Durch das Zwanzigste Strafrechtsänderungsgesetz (20. StrÄndG) vom 8. Dezember 1981 (BGBl. I S. 1329) wurde § 57 a in das Strafgesetzbuch - StGB - eingefügt. Die Vorschrift lautet in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. März 1987 (BGBl. I S. 945, ber. S. 1160):
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1. fünfzehn Jahre der Strafe verbüßt sind,
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2. nicht die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten die weitere Vollstreckung gebietet und
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3. die Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 vorliegen.
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§ 57 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 gilt entsprechend.
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(2) Als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 gilt jede Freiheitsentziehung, die der Verurteilte aus Anlaß der Tat erlitten hat.
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(3) Die Dauer der Bewährungszeit beträgt fünf Jahre. § 56a Abs. 2 Satz 1 und die §§ 56b bis 56g und 57 Abs. 3 Satz 2 gelten entsprechend.
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(4) Das Gericht kann Fristen von höchstens zwei Jahren festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag des Ver urteilten, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist."
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§ 57 Abs. 1 StGB, auf den § 57 a Abs. 1 StGB Bezug nimmt, hat folgenden Wortlaut:
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"(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn
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1. zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt sind,
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2. verantwortet werden kann zu erproben, ob der Verurteilte außerhalb des Strafvollzuges keine Straftaten mehr begehen wird, und
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3. der Verurteilte einwilligt.
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Bei der Entscheidung sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten im Vollzug, seine Lebens verhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind."
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Die am 1. Mai 1982 in Kraft getretene Vorschrift des § 57 a StGB ist maßgebend von dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juni 1977 zur Verfassungsmäßigkeit der lebenslangen Freiheitsstrafe (BVerfGE 45, 187) geprägt worden.
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Zugleich wurde die Vorschrift des § 454 StPO über die Aussetzung des Strafrestes dem § 57 a StGB angepaßt. Ihr Abs. 1 lautet:
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"Die Entscheidung, ob die Vollstreckung des Restes einer Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden soll (§§ 57 bis 58 des Strafgesetzbuches) sowie die Entscheidung, daß vor Ablauf einer bestimmten Frist ein solcher Antrag des Verurteil ten unzulässig ist, trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Die Staatsanwaltschaft, der Verurteilte und die Vollzugsanstalt sind zu hören. Der Verurteilte ist mündlich zu hören. Von der mündlichen Anhörung des Verurteilten kann abgesehen werden, wenn
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1. die Staatsanwaltschaft und die Vollzugsanstalt die Aussetzung einer zeitigen Freiheitsstrafe befürworten und das Gericht die Aussetzung beabsichtigt,
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2. der Verurteilte die Aussetzung beantragt hat, zur Zeit der Antragstellung
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a) bei zeitiger Freiheitsstrafe noch nicht die Hälfte oder weniger als zwei Monate,
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b) bei lebenslanger Freiheitsstrafe weniger als dreizehn Jahre der Strafe verbüßt hat und das Gericht den Antrag wegen verfrühter Antragstellung ablehnt oder
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3. der Antrag des Verurteilten unzulässig ist (§ 57 Abs. 6, § 57 a Abs. 4 des Strafgesetzbuches).
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Die Vollstreckung des Restes der lebenslangen Freiheitsstrafe darf das Gericht nur aussetzen, wenn es zuvor das Gutachten eines Sachverständigen über den Verurteilten, namentlich darüber eingeholt hat, ob keine Gefahr mehr besteht, daß dessen durch die Tat zutage getretene Gefährlichkeit fortbesteht."
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Für die hiernach zu treffenden Entscheidungen ist die Strafvollstreckungskammer zuständig, in deren Bezirk die Strafanstalt liegt, in die der Verurteilte zu dem Zeitpunkt, in dem das Gericht mit der Sache befaßt wird, aufgenommen ist (§ 462 a Abs. 1 StPO).
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Zur Vorbereitung der Entlassung soll nach § 15 StVollzG der Vollzug durch bewachte Ausführungen, unbewachten Ausgang (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 StVollzG), Außenbeschäftigung und Freigang (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 StVollzG), offenen Vollzug (§ 10 StVollzG) sowie Sonderurlaub aus der Haft (§ 15 Abs. 3 und 4 StVollzG) gelockert werden.
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II.
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1. a) Der zur Tatzeit 26-jährige Beschwerdeführer zu 1) wurde am 20. Juni 1975 wegen Mordes in Tateinheit mit schwerem Raub zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Er hatte in Frankfurt am Main als Beifahrer eines Geldtransportes den Fahrer mit sechs Schüssen getötet und 1,8 Mio. DM geraubt. Das Schwurgericht beurteilte dies als Tötung aus Habgier sowie zur Ermöglichung und zur Verdeckung einer Straftat.
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b) Fünfzehn Jahre der Strafe waren am 31. August 1987 verbüßt. Durch Beschluß des Landgerichts vom 6. August 1987 wurde der Antrag des Beschwerdeführers zu 1) auf Aussetzung des Restes der lebenslangen Freiheitsstrafe abgelehnt, weil bereits die besondere Schwere der Schuld die weitere Vollstreckung gebiete. Der Beschwerdeführer habe mindestens sechs Schüsse abgegeben, von denen jeder für sich tötungsgeeignet gewesen sei. Die Tat sei höchst kaltblütig geplant, vorbereitet und ausgeführt worden. Das Tatmotiv, nämlich Streben nach Geld selbst um den Preis eines Menschenlebens, sei ebenfalls als besonders verwerflich anzusehen, zumal schuldmindernde Faktoren nicht vorlägen. Der Beschwerdeführer habe sich weder in einer Zwangs- oder ähnlichen Konfliktlage befunden noch sei er zur Tat provoziert worden. Die Schuld des Beschwerdeführers übersteige deutlich das Maß an Schuld, das zur Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe erforderlich sei. Sie gebiete auch die weitere Vollstreckung. Zwar habe der Beschwerdeführer sich stets beanstandungsfrei geführt und über lange Zeit selbständig und zuverlässig gearbeitet. Diese Umstände stellten jedoch keine besonderen Gründe dar, die einen Verzicht auf eine der besonderen Schuldschwere entsprechende Strafvollstreckung als angemessen erscheinen ließen. Die Aussetzung sei aber auch deshalb abzulehnen, weil dem Beschwerdeführer eine ausreichend günstige Sozial- und Gefährlichkeitsprognose ohne vorangegangene eingehende Erprobung und Vorbereitung im offenen Vollzug nicht gestellt werden könne.
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Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde verwarf das Oberlandesgericht durch Beschluß vom 7. April 1988. Der Beschwerdeführer habe die Tat über einen längeren Zeitraum geplant, zielstrebig und berechnend vorbereitet sowie in grausamer Weise ausgeführt; er habe das Opfer zunächst durch einen Schuß lebensgefährlich verletzt, dann mehrfach auf den stöhnenden und vor Schmerz schreienden Verletzten eingeschlagen und ihn erst einige Zeit später durch mehrere Schüsse getötet. Diese grausame Art und Weise der Tatausführung müsse als weiteres schuldsteigerndes Merkmal gewertet werden, wobei dem nicht entgegenstehe, daß in dem Urteil Grausamkeit als weiteres Mordmerkmal nicht angenommen worden sei. Das Tatmotiv, Streben nach Geld um den Preis eines Menschenlebens, könne nicht schuldsteigernd verwertet werden, da dieses Motiv bereits von dem Mordmerkmal der Habgier erfaßt werde. Die erforderliche Gesamtwürdigung aller tatschuldrelevanten Faktoren ergebe eine besonders schwere Schuld des Beschwerdeführers, die auch unter Berücksichtigung seines tadelsfreien Verhaltens während des bisherigen Vollzuges im Hinblick auf die Schutzaufgabe des Strafrechts und den Aspekt des gerechten Schuldausgleiches die weitere Vollstreckung der Freiheitsstrafe gebiete.
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Eine Gegenvorstellung, mit der sich der Beschwerdeführer gegen den Vorwurf der Grausamkeit wehrte, wies das Oberlandesgericht durch Beschluß vom 29. Dezember 1988 zurück. Es habe nicht ein weiteres Mordmerkmal im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB angenommen, sondern einen die Art und Weise der Tatausführung kennzeichnenden Umstand aufgegriffen und, darauf gestützt, ein weiteres schuldsteigerndes Moment bejaht. Dies sei nach den ausführlichen Feststellungen des Urteils zum Tathergang zulässig. Die Entscheidung gemäß § 57 a StGB stelle sich als Bemessungsakt in Anknüpfung an die Strafzumessungsschuld im Sinne des § 46 StGB dar.
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c) Durch Beschluß des Landgerichts vom 3. April 1990 wurde die weitere Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt, weil sie nicht mehr geboten sei. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft verwarf das Oberlandesgericht durch Beschluß vom 18. Juni 1990 und führte aus, daß zwar eine weitere Verbüßung im Blick auf die besondere Schwere der Schuld gerechtfertigt sein möge, diese jedoch angesichts einer Verbüßungsdauer von fast 18 Jahren im Hinblick auf das Verhalten des Beschwerdeführers nach der Tat, seine spätere Persönlichkeitsentwicklung sowie seine Resozialisierung während des Vollzuges nicht mehr geboten sei.
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2. a) Der zur Tatzeit 22 Jahre alte Beschwerdeführer zu 2) wurde am 4. Februar 1969 als Mittäter wegen zweier rechtlich zusammentreffender Verbrechen des gemeinschaftlichen Mordes in Tateinheit mit besonders schwerem Raub zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt. Er wurde durch dasselbe Urteil ferner je eines gemeinschaftlichen Verbrechens des schweren Raubes und 16, davon zweier versuchter, Verbrechen des gemeinschaftlichen schweren Diebstahls schuldig gesprochen; in den Gründen des Urteils wurde insoweit eine Gesamtstrafe von acht Jahren Zuchthaus festgesetzt. Der Beschwerdeführer und sein Mittäter hätten beschlossen, sich das Geld für ihren Lebensunterhalt durch Straftaten zu besorgen. Den Mord hätten der Beschwerdeführer und sein Mittäter bei einem Banküberfall begangen; nachdem der Mittäter die Beute bereits eingepackt gehabt habe, habe der Beschwerdeführer die in einem Nebenraum in Schach gehaltenen beiden Bankangestellten mit zwei Feuerstößen aus einer Maschinenpistole erschossen. Das sei eine Tötung aus Habgier sowie zur Ermöglichung und zur Verdeckung einer Straftat. Eine heimtückische Tötung hat das Schwurgericht ausdrücklich verneint.
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Durch Beschluß vom 15. Juli 1986 wurde die Urteilsformel gemäß Art. 316 Abs. 2 EGStGB dahin geändert, daß anstelle der Verurteilung zu lebenslangem Zuchthaus eine solche zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe trat.
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b) Fünfzehn Jahre der Strafe waren am 20. August 1983 verbüßt.
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Nachdem der Beschwerdeführer schon im Jahre 1983 vergeblich die Aussetzung der Strafe beantragt hatte, wurde sein erneuter Antrag auf Aussetzung der Strafe durch Beschluß des Landgerichts vom 17. Oktober 1988 abgelehnt. Darin heißt es, die besonders schwere Schuld "wegen der kaltblütigen Hinrichtung zweier völlig schuldloser junger Menschen" gebiete die weitere Vollstreckung auch deutlich über den Zeitraum von 20 Jahren hinaus. Die Schuld des bereits entlassenen Mittäters habe weniger schwer gewogen. Im übrigen verwies das Landgericht auf den Beschluß des Oberlandesgerichts vom 7. Oktober 1983, durch den das erste Verfahren über die Aussetzung abschließend entschieden worden war. Darin wird ausgeführt, nach der Schuldschwereklausel des § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB sei jedes Mehr an Schuld, das die zur Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe erforderliche Mindestgrenze deutlich übersteige, dahin zu berücksichtigen, daß die Vollstreckung länger andauern müsse. Die Tat des Beschwerdeführers sei durch sorgfältige Planung, kaltblütige Verbrechensvorbereitung und besonders brutale Ausführung gekennzeichnet; der Beschwerdeführer habe vorher die Absicht geäußert, die Bankangestellten durch gezielte Schüsse in die Herzgegend zu töten. Er habe sich durch Einwendungen seines Mittäters von der Tötung nicht abbringen lassen. Für seine besondere kriminelle Energie und Gefährlichkeit sei auch kennzeichnend, daß die Täter schon am Tag zuvor zur Tatbegehung angesetzt hätten und nur durch die Schließung der Bankfiliale gescheitert, ungeachtet dessen aber erneut zur Tat geschritten seien. Der Beschwerdeführer habe aus nichtigem Grund zwei Menschenleben vernichtet. Er habe durch sein Vorgehen mehrere Mordmerkmale verwirklicht; auch könne der gleichzeitig begangene besonders schwere Raub nicht außer Betracht bleiben. Besonderes Gewicht habe die gefühlskalte, brutale Tatausführung, die einer Exekution gleichkomme.
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Die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers verwarf das Oberlandesgericht durch Beschluß vom 23. Dezember 1988 und führte aus, es habe bereits in seinem Beschluß vom 7. Oktober 1983 darauf hingewiesen, daß der Beschwerdeführer die gefühlskalte, brutale und einer Exekution gleichkommende Tötung der beiden ganz jungen Bankangestellten eigenhändig begangen habe und daß die Ideen und Pläne für die gemeinsamen Straftaten regelmäßig von dem Beschwerdeführer gekommen seien, der aufgrund seiner zu Brutalität neigenden, willensstarken Persönlichkeitsstruktur die Führerrolle übernommen habe.
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III.
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1. a) Der Beschwerdeführer zu 1) hat gegen die fünf in seiner Sache ergangenen Beschlüsse Verfassungsbeschwerde erhoben. Er rügt die Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und 3, Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 1, 2 und 4, Art. 20 Abs. 3, Art. 101 und Art. 103 GG.
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Er führt aus, die Schuldschwereklausel des § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB sei unbestimmt. Die Rechtsprechung sei sich nicht einig, ob Bezugspunkt der besonderen Schwere der Schuld eine Mindestschuld, die für die Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe ausreiche, oder eine durchschnittliche Schuld sei. Jedenfalls liege in seinem Fall nur eine einem Regelfall entsprechende Mordschuld vor, die nicht besonders schwer sei und deshalb nur eine 15-jährige Vollstreckungszeit erlaube. Wegen der Unbestimmtheit der Schuldschwereklausel komme es zu einer extremen Ungleichbehandlung von Gefangenen, die in diesem Ausmaß verfassungswidrig sei. Die Vollstreckungsdauer der lebenslangen Freiheitsstrafe sei nicht mit einer allgemeinen Höchstgrenze versehen; diese müsse zwischen 20 und höchstens 30 Jahren liegen. Die konkrete Dauer der schuldbezogenen Vollstreckung im Einzelfall sei auch nicht festgelegt; das müsse bereits im Urteil geschehen. Jedenfalls müsse darüber eine gerichtliche Entscheidung getroffen werden. Tatsächlich lege aber die Vollzugsanstalt die Schuldschwere fest, weil die Entlassung von der erfolgreichen Durchführung von Vollzugslockerungen abhängig sei. Damit werde die dem Richter vorbehaltene Ausfüllung des § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB unterlaufen: Bewerte die Justizvollzugsanstalt die Schuld im Vergleich zu der Strafvollstreckungskammer strenger, so führe dies dazu, daß Vollzugslockerungen spät einsetzten und die Aussetzungsreife zu dem Zeitpunkt noch nicht vorliege, zu dem der Verurteilte bei der milderen Bewertung durch die Vollstreckungskammer an sich entlassen werden könnte. Umgekehrt könne die Anstalt einen Gefangenen durch gezielte Förderung bereits zu einem Zeitpunkt entlassungsreif machen, der der besonderen Schwere der Schuld noch nicht entspreche; um den Resozialisierungserfolg nicht zu gefährden, müsse die Strafvollstreckungskammer dann nachziehen. In seinem Fall habe die Justizvollzugsanstalt die Schuldschwerezeit von 19 Jahren zugrundegelegt, dadurch den Gang der Vollzugslockerung beeinträchtigt und verhindert, daß er im Zeitpunkt der Mindestverbüßungszeit von 15 Jahren die zur Entlassung notwendigen Vollzugslockerungen überhaupt habe bewältigen können.
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Der Beschwerdeführer rügt ferner, daß das Oberlandesgericht das im Urteil nicht festgestellte Mordmerkmal der Grausamkeit angenommen und ihm schulderschwerend entgegengehalten habe. Damit sei das Gericht über den ihm eingeräumten Spielraum unter Verstoß gegen Art. 2 und Art. 3 GG hinausgegangen. Ein zusätzliches Mordmerkmal dürfe nur in der Hauptverhandlung mit den dortigen Verfahrensgarantien, insbesondere der Revision, festgestellt werden. Er habe auch zu dem erstmals vom Oberlandesgericht eingebrachten Mordmerkmal "grausam" kein rechtliches Gehör gehabt. Schließlich rügt der Beschwerdeführer, daß er nicht von der Strafvollstreckungskammer in voller Besetzung, sondern nur von der Berichterstatterin angehört worden sei.
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b) Über diese Rügen hinaus macht der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 15. August 1990 geltend, daß der Beschluß des Landgerichts vom 6. August 1987 "gegen den Geist des § 454 a StPO" verstoßen habe, indem er dem Grundsatz einer raschen Entscheidung widerspreche. Ferner begehrt er, die Beschlüsse des Landgerichts und des Oberlandesgerichts aus dem Jahre 1990 aufzuheben und durch die Instanzgerichte feststellen zu lassen, welche Haftdauer in seinem Falle konkret angemessen gewesen wäre. Des weiteren meint er, die absolute Strafandrohung des § 211 StGB sei verfassungswidrig, deshalb müsse auch § 57 a StGB entfallen. Schließlich verstoße es gegen die Verfassung, daß es keine Möglichkeit der angemessenen Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung für die für ihn relevante Zeit vom 31. August 1972 bis zum 14. Oktober 1987 gebe.
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2. Der Beschwerdeführer zu 2), der die Strafe weiterhin verbüßt, rügt eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG. Die ablehnende Begründung des Beschlusses des Oberlandesgerichts sei in ihren Schwerpunkten verfassungswidrig. Eine Strafverbüßung nach Ablauf der Mindestverbüßungszeit von 15 Jahren bei günstiger Sozialprognose und fehlender Gefährlichkeit sei mangels erkennbarer und zum Ausdruck gebrachter Präventionszwecke nur noch Vergeltung um ihrer selbst willen. Er rügt ferner, daß das Oberlandesgericht einen Unterschied in der Schuldbewertung zwischen ihm und seinem Mittäter gemacht habe, obwohl das Schwurgericht ausdrücklich eine solche Unterscheidung nicht getroffen, beide zu gleicher Strafe verurteilt und "gleichschuldig gesprochen" habe; die Entlassung seines Mittäters habe auch sein Strafmaß konkretisiert.
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IV.
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Zu den Verfassungsbeschwerden und zu sich daran anschließenden Fragen des Bundesverfassungsgerichts haben sich die Länder Bayern, Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein- Westfalen, das Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen geäußert, ferner der Bundesminister der Justiz (BMJ), der 1., 2., 3. und 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) sowie der Generalbundesanwalt (GBA). Der Bundestag und der Bundesrat haben sich nicht geäußert. Bremen hat mitgeteilt, es verfüge wegen einer Vollzugsgemeinschaft mit Hamburg nicht über eigene Erkenntnisse.
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1. Die Justizbehörde Hamburg stellt der Beantwortung der Einzelfragen eine grundsätzliche Kritik an der gegenwärtigen Regelung voran. Nach ihrer Auffassung hätte der Gesetzgeber die Entscheidung, ob eine besondere Schwere der Schuld der Entlassung nach bereits 15 Jahren entgegensteht, dem Schwurgericht übertragen müssen. Die gegenwärtige Rechtslage sei systemfremd, weil die "nachträgliche Strafzumessung" in die Verantwortung der Strafvollstreckungskammer gestellt werde.
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a) Alle Stellungnahmen sind sich darin einig, daß das Urteil mit seinen Feststellungen und Schuldbewertungen die Grundlage der Entscheidung des Vollstreckungsgerichts darstelle, zu der diese sich nicht in Widerspruch setzen dürfe. Übereinstimmung besteht aber auch darin, daß das Vollstreckungsgericht eine eigenständige Gesamtwürdigung vorzunehmen und dazu auch auf diejenigen Feststellungen im Sinne eines historischen Geschehens zurückzugreifen habe, die nicht unmittelbar den Schuldspruch trügen. Hier müsse aber einschränkend der Zweifelssatz "in dubio pro reo" gelten, der Gefangene habe in solchen Fällen durch einen entsprechenden vorherigen Hinweis rechtliches Gehör zu erhalten (Hamburg). Die Zulässigkeit der Verwertung von Feststellungen, die den Schuldspruch nicht tragen, wird damit begründet, daß dem Urteil aufgrund der absoluten Strafe eine nähere Auseinandersetzung mit Motiven, Umständen, dem Vorleben des Täters u.ä. erspart sei (Bayern, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, die Strafsenate). Auf dieser Grundlage wird es in einer Reihe von Stellungnahmen auch für zulässig gehalten, daß die Vollstreckungsgerichte nachträglich die Feststellungen des Urteils auch unter solche Mordmerkmale des § 211 Abs. 2 StGB subsumierten, auf die der Schuldspruch nicht gestützt sei (Bayern, Niedersachsen, 2. Strafsenat). In anderen Stellungnahmen wird es als unzulässig angesehen, ein im Urteil nicht angenommenes Mordmerkmal dem Täter als schuldsteigernd entgegenzuhalten (1., 3., 4. Strafsenat), oder es werden insoweit Bedenken angemeldet, weil dann der vorgegebene Rahmen des Urteils verlassen werde (Baden- Württemberg).
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b) Übereinstimmend wird die Auffassung vertreten, daß rechtsstaatliche Bedenken gegen die Bestimmtheit der Vorschrift nicht bestehen. Mit Ausnahme des 2. Strafsenats wird allgemein anerkannt, daß Art. 103 Abs. 2 GG der verfassungsrechtliche Prüfungsmaßstab für diese Frage ist; der genannte Senat hält den "Bestimmtheitsgrundsatz" auf Vorschriften über die Strafaussetzung zur Bewährung für nicht anwendbar.
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Für die genügende Bestimmtheit der zu prüfenden Vorschrift werden im wesentlichen folgende Gesichtspunkte angeführt:
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§ 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB sei als Strafbemessungsvorschrift systematisch mit § 46 StGB verbunden und erfahre von dieser Vorschrift genügend Strukturierung (BMJ). Das Merkmal der besonderen Schwere der Schuld sei dem "besonders schweren Fall" verwandt, so daß die hierzu entwickelte Rechtsprechung entsprechend angewendet werden könne (Hamburg). Die Rechtsprechung habe mittlerweile eine Reihe von schuldsteigernden und schuldmindernden Gesichtspunkten entwickelt, welche der verschiedenen Abstufung der Schuldschwere in den einzelnen Fällen genügten (Baden- Württemberg, BMJ, 4. Strafsenat). Soweit es im übrigen unterschiedliche Auffassungen zur Frage gebe, ob mit der Mindestverbüßungszeit von 15 Jahren an eine Regelschuld oder an die Mindestschuld anzuknüpfen sei, handele es sich dabei um die Frage der Auslegung des Strafrechts, die innerhalb der Grenzen des Wortsinnes der verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht zugänglich sei (GBA). Eine weitergehende Normierung berge die Gefahr in sich, dem Gebot der Einzelfallgerechtigkeit nicht mehr nachkommen zu können (Bayern, Niedersachsen); sie sei angesichts der Vielzahl der im Einzelfall denkbaren Umstände auch praktisch nicht zu leisten (Nordrhein-Westfalen; 1. und 2. Strafsenat). Da der Gesetzgeber in verfassungsrechtlich zulässiger Weise an der Androhung der lebenslangen Freiheitsstrafe festgehalten habe, sei es auch nicht möglich, durch eine - im Gesetzgebungsverfahren zu keinem Zeitpunkt erörterte - schuldbezogene Höchstvollstreckungsdauer, etwa von 30 oder 40 Jahren wie in anderen Ländern, was aber ohnehin unrealistisch lange Strafzeiten seien, dem Tatbestand der besonderen Schwere der Schuld mehr Bestimmtheit zu geben (GBA). Der Begriff der Schuldschwere müsse offen sein; die Schuld dürfe erst eineinhalb Jahrzehnte nach der Tat bewertet werden, damit dem Wandel der Anschauungen und Werte, dem selbst die Verfassung unterworfen sei, hinreichend Rechnung getragen werden könne (GBA). Der Gesetzgeber sei mit dem auf die Schwere der Schuld bezogenen Gesichtspunkt für die Aussetzungsentscheidung, die den Charakter einer gesetzlich gebundenen Gnadenentscheidung habe, sogar weiter gegangen als geboten, denn er hätte die Entlassung auch von einer freien richterlichen Gesamtwürdigung abhängig machen können (GBA).
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c) Zur Ausgestaltung des Verfahrens geht die überwiegende Meinung dahin, daß die vom Bundesgerichtshof (BGHSt 28, 138) entwickelten Grundsätze den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügten, indem sie auf die Umstände des konkreten Einzelfalls abstellten, die eine Anhörung des Gefangenen durch die Kammer in voller Besetzung gebieten oder umgekehrt entbehrlich sein lassen könnten (Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen, BMJ, die Strafsenate, GBA). Bei schwierigen Prognosefragen wird allerdings allgemein die Kammerbesetzung gefordert.
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Entgegen dieser überwiegenden Meinung ist Hamburg der Auffassung, die bei der Entscheidung nach § 57 a StGB notwendig vorzunehmende Strafzumessung erfordere eine mündliche Verhandlung, die soweit wie möglich den Garantien der Hauptverhandlung anzunähern sei; dabei sei dem Gefangenen nach § 140 Abs. 2 StPO stets ein Pflichtverteidiger zu bestellen.
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d) Die Notwendigkeit einer frühzeitigen Festlegung der Vollstreckungsdauer wegen besonderer Schwere der Schuld im Einzelfall wird, wiederum mit Ausnahme Hamburgs, allgemein verneint. Ob die besondere Schuldschwere eine weitere Vollstreckung gebiete, könne nur aufgrund einer zeitnahen, alle im Aussetzungsverfahren gegebenen Umstände umfassenden Gesamtbetrachtung beurteilt werden. Der Bundesminister der Justiz erwägt zwar, ob das Tatgericht das Höchstmaß verbindlich festlegen sollte, bis zu dem die Vollstreckung unter dem Gesichtspunkt der Schuldschwere unter dem Vorbehalt des weiteren "Gebotenseins" höchstens dauern dürfe. Er verwirft dies aber, weil damit "durch den Richterspruch praktisch die Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe verneint" werde. Für den 4. Strafsenat bedeutet eine solche Festlegung eine nachträgliche Umwandlung in eine zeitige Strafe, was sich mit dem System von lebenslanger Freiheitsstrafe einerseits und Strafaussetzung zur Bewährung andererseits nicht vereinbaren lasse. Mehrfach wird befürchtet, eine verbindliche Festlegung der Schuldschwere berge die Gefahr in sich, dem Einzelfall nicht mehr hinreichend in seiner vollstreckungsrechtlichen Entwicklung gerecht werden zu können (z.B. Saarland); es müßten auch eventuelle nachträgliche Schuldelemente wie Nachtaten und Schuldverarbeitung des Täters sowie der gesellschaftliche Wandel der Werte Berücksichtigung finden können (Bayern).
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Nach Auffassung Hamburgs sollte die Festsetzung, bis zu welchem Zeitpunkt aus Gründen der Schuldschwere die weitere Vollstreckung noch andauern muß, regelmäßig bei erstmaliger Ablehnung der Strafaussetzung getroffen werden.
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e) Gegen Ausführungen des Schwurgerichts zur Schuldschwere wird eingewandt, es sei systemwidrig, dem Schwurgericht im Zusammenhang mit dem Ausspruch einer absoluten Strafe zugleich Strafzumessungserwägungen aufzugeben (Niedersachsen); auf diese Weise würde die Trennung des Strafverfahrens in Vor-, Zwischen-, Haupt- und Vollstreckungsverfahren empfindlich beeinträchtigt (Niedersachsen, Saarland, 4. Strafsenat). Neben praktischen Problemen wie der Verfahrensüberlastung und einer gesteigerten Fehleranfälligkeit des Urteils stehe der Schuldbewertung durch das Urteil entgegen, daß es keine revisionsrechtliche Möglichkeit gebe, solche Erwägungen des Urteils anzugreifen (GBA). "Besondere Schwere der Schuld" sei eine Rechtsfrage, die nicht notwendig in der Hauptverhandlung erörtert werden müsse, weil dort die Sachverhaltsfeststellung im Vordergrund stehe (Bayern). Es wird ein Spielraum für das Vollstreckungsgericht gefordert (Hessen) und auf die Gewähr einer emotionsfreien Entscheidung nach Ablauf von 15 Jahren verwiesen (Hessen).
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Demgegenüber sind Hamburg sowie der Bundesminister der Justiz der Auffassung, das Urteil müsse sich zur Schwere der Schuld äußern. Dies erforderten die in der Hauptverhandlung in besonderer Weise verwirklichten rechtsstaatlichen Verfahrensgarantien und die größere Richtigkeitsgewähr, die sich daraus für die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer ergebe; zum anderen werde hierdurch dem Gefangenen eine Perspektive eröffnet. Das Saarland hält "nähere Kriterien" zur Schuldschwere, die für alle verbindlich seien, für geboten.
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f) Eine gesetzliche Festlegung einer Obergrenze der Vollstreckung, soweit sie auf besondere Schwere der Schuld gestützt ist, zöge nach Auffassung Bayerns eine Entwertung der lebenslangen Strafe nach sich und wandelte diese in eine zeitige Strafe um. Soweit sich aus Art. 2 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG Grenzen der Vollstreckung ergäben, geschähe dem durch die vollstreckungsrechtliche Gesamtwürdigung Genüge, die durch das Merkmal "gebieten" gefordert werde. Der Generalbundesanwalt hat ebenfalls auf die "qualitative Veränderung" der lebenslangen Strafe hingewiesen, die diese durch eine gesetzliche Obergrenze erführe. Auf der Grundlage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der lebenslangen Freiheitsstrafe müsse die Vollstreckung an der Einzelfallgerechtigkeit ausgerichtet sein.
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3. Im Zusammenhang mit der Zustellung der Verfassungsbeschwerden hat der Senat die Länder zu Erhebungen veranlaßt, die u.a. ergeben haben:
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a) Als Kriterien der Rechtsprechung für eine Schuldsteigerung im Sinne des § 57 a StGB werden übereinstimmend genannt die Verwirklichung mehrerer Mordmerkmale, besondere Begehungsformen, eine Mehrzahl von Opfern sowie tateinheitlich und tatmehrheitlich abgeurteilte Straftaten. Vorstrafen als schulderhöhende Momente werden aus Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen berichtet, wohingegen nach dem Bericht aus Rheinland-Pfalz dort die Berücksichtigung von Vorstrafen ausdrücklich als unzulässig angesehen wird. In Bayern, Niedersachsen und Rheinland- Pfalz werden bei der Bestimmung der besonderen Schwere der Schuld Straftaten, die nach §§ 154, 154 a StPO vorläufig eingestellt wurden, zum Nachteil des Täters berücksichtigt. Dagegen wird dies nach den Stellungnahmen Hamburgs, Hessens und Nordrhein-Westfalens von den Gerichten ausdrücklich abgelehnt.
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An sonstigen Umständen, die schulderschwerend berücksichtigt werden, berichtet Nordrhein-Westfalen, daß sämtliche Umstände des § 46 StGB in Frage kämen. Im einzelnen wird genannt, daß der Täter ohne jeden wirtschaftlichen Zwang gehandelt (Schleswig-Holstein), eine besonders hohe Beute gemacht oder eine besondere Gefährlichkeit bewiesen habe (Rheinland-Pfalz). Bayern berichtet darüber hinaus folgende Umstände: Rechtsfeindliche Gesinnung des Täters, ich-bezogenes Tatmotiv, Rassen(Juden-)haß (NS-Täter), Zielstrebigkeit, mangelnde Schuldeinsicht, menschenverachtende Einstellung des Täters, Verstrickung Dritter, Kaltblütigkeit, Opfer hat keinen Anlaß zur Tat gegeben, Rücksichtslosigkeit, kein dienstlicher Zwang (NS-Täter), Nachtaten während der Haft, eiskalter Vernichtungswille, Ausnutzen der intellektuellen Unterlegenheit des Ausführenden, Täter als überzeugter Nationalsozialist.
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b) Gesichtspunkte für den Ausschluß einer besonderen Schwere der Schuld sind nach dem Bericht aus Nordrhein-Westfalen besondere Umstände im Sinne der §§ 20, 21 StGB und Gründe, die auch sonst zur Milderung nach § 49 StGB führen könnten. Niedersachsen berichtet, daß es schuldmindernde Kriterien nicht gebe, weil dann nur eine zeitige Freiheitsstrafe in Frage komme. Hessen teilt mit, daß die Verstrickung in das nationalsozialistische Gewaltsystem besonders berücksichtigt worden sei, während in Baden-Württemberg schwere Milieu-Schädigungen sowie die Tatsache, daß der Täter nicht vorbestraft war, zu seinen Gunsten berücksichtigt worden sind. Nach dem Bericht aus Bayern gibt die Rechtsprechung dort folgende Kriterien an, die die Annahme der besonderen Schwere der Schuld ausschlössen oder bei der Bemessung der Schuldschwere zugunsten des Verurteilten Berücksichtigung fänden: Keine Vorstrafen, Affekttat, Konfliktsituation, Schocktod des Opfers, herabgesetztes Hemmungsvermögen, unglückliche Ehe (bei Tötung des Ehepartners), keine Tötungsabsicht bei Beginn der Tat, ausweglose Situation, ungünstige familiäre und soziale Verhältnisse, Provokation durch Opfer, Alkoholeinfluß.
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4. Das Bundesverfassungsgericht hat im Hinblick darauf, daß bei der Vollzugsplanung, insbesondere für den Beginn verschiedener Lockerungen, von einem voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt ausgegangen werden muß, der eine Einschätzung der Schuldschwere erfordert, die Justizministerien der Bundesländer zu einer Reihe von hierfür bedeutsamen Gesichtspunkten befragt.
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a) Zu dem Zeitpunkt und den Kriterien der Einschätzung der Schuldschwere durch die Justizvollzugsanstalt verweisen die Stellungnahmen auf die gesetzlichen Vorgaben: Nach § 6 StVollzG ist zu Beginn der Vollstreckung eine Behandlungsuntersuchung durchzuführen, die in die Erstellung des Vollzugsplans (§ 7 StVollzG) mündet.
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In Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz und im Saarland wird bereits mit diesem Vollzugsplan der voraussichtliche Entlassungszeitpunkt festgesetzt, mithin auch eine Einschätzung der Schuldschwere vorgenommen. Eine begrenzte Einschätzung dieser Art wird in Brandenburg vorgenommen, nämlich nur dahin, ob voraussichtlich mit einer 15-jährigen oder mit einer längeren Vollstreckungszeit zu rechnen ist.
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In Baden-Württemberg, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen finden die Einschätzungen der Schuldschwere zwischen dem 5. und 10. Haftjahr, in Berlin und Niedersachsen im 9. bis 10. Haftjahr im Zusammenhang mit der Gewährung von Lockerungen statt. Sachsen weist darauf hin, daß die Festlegung der aus Gründen der Schuldschwere erforderlichen Zeit zu spät erfolgen würde, wenn sie erst im Zusammenhang mit der Prüfung nach § 57 a StGB geschähe.
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Bayern, Hamburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und das Saarland weisen darauf hin, daß die Einschätzung der Schuldschwere bei der vorgeschriebenen jährlichen Fortschreibung des Vollzugsplans überprüft werde.
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Während für die inhaltliche Bestimmung der Schuldschwere allgemein auf die Maßstäbe der jeweils örtlichen Strafvollstreckungskammer oder der Rechtsprechung insgesamt Bezug genommen wird, weist Berlin darauf hin, daß in der Vollzugspraxis die Subsumierung der einzelnen Fälle unter die in der Rechtsprechung herausgearbeiteten Merkmale der Schuldschwere erheblichen Schwierigkeiten begegne. Die Justizvollzugsanstalten seien auch bei einer Antizipation der vollstreckungsrechtlichen Gesamtwürdigung, ohne die ein realistischer Entlassungstermin nicht prognostiziert werden könne, schlichtweg überfordert.
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b) Die besondere Schwere der Schuld habe für sich allein besehen regelmäßig keine Bedeutung, wenn es um Lockerungen gehe. Jedoch sei die Frage der Geeignetheit für Lockerungen u.a. davon abhängig, wie lange die voraussichtliche Reststrafe noch dauere, weil dies Einfluß auf die Einschätzung der Fluchtgefahr habe. Insofern habe die besondere Schwere der Schuld zwar nur mittelbare, aber dennoch erhebliche Bedeutung für die Gewährung von Lockerungen (Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland).
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c) In Baden-Württemberg, Hamburg und Sachsen finden grundsätzlich Kontakte der Justizvollzugsanstalt zu Staatsanwaltschaft, Justizministerium und Strafvollstreckungskammer statt, um herauszufinden, ob die Strafvollstreckungsbehörden und auch die Strafvollstreckungskammer Bedenken gegen die Einschätzung der Justizvollzugsanstalt hinsichtlich der besonderen Schwere der Schuld haben; in Hamburg wird dabei förmlich um Zustimmung zur Vollzugsplanung gebeten.
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Nordrhein-Westfalen berichtet, daß die Praxis unterschiedlich sei, teils fänden Kontakte statt, teils nicht; die Strafvollstreckungskammern würden sich gelegentlich nicht festlegen wollen. In Thüringen sind für die Zukunft solche Kontakte vorgesehen, ebenso in Schleswig-Holstein, spätestens vor der Planung des ersten Urlaubs, und zwar schriftliche Kontakte.
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In Bayern, Brandenburg, Hessen und im Saarland finden grundsätzlich keinerlei Kontakte statt. Das Saarland weist darauf hin, daß solche Kontakte ohne Bedeutung wären, weil sie unter dem Vorbehalt eines Wechsels der Besetzung in der Strafvollstreckungskammer stünden und weil die Strafvollstreckungskammer die Frage nach der Schuldschwere ohnehin nur nach einer lediglich kursorischen Prüfung beantworten könne. In Bayern, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz gibt es jedoch in schwierigen Einzelfällen informelle Gespräche darüber, ob eine bestimmte Lockerung als verfrüht angesehen wird. In Berlin sind die von der Justizvollzugsanstalt gewünschten Kontakte wegen rechtlicher Bedenken der Strafvollstreckungskammern und der Staatsanwaltschaft eingestellt worden.
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d) Hinsichtlich des Zeitpunkts und der Art der Kontaktaufnahme im Blick auf die Aussetzung der Strafe hat Thüringen in einer Verwaltungsvorschrift festgelegt, daß diese 15 Monate vor Ablauf von 15 Jahren Vollstreckung aufzunehmen seien. In Nordrhein-Westfalen muß die Stellungnahme der Vollzugsanstalt 18 Monate vor Ablauf von 15 Jahren der Vollstreckungsbehörde vorgelegt werden. In Hamburg erfolgt die Vorlage der Vollzugs- und Entlassungsplanung nach ca. neun Jahren, in Fällen schwerer Schuld aber auch erst viel später. Zu den Konsequenzen einer unterbleibenden Abstimmung der schuldgebotenen Vollstreckungsdauer berichtet Berlin, es habe Fälle gegeben, bei denen die Entscheidung des Gerichts entgegen der Erwartung der Anstalt negativ ausgegangen sei. Dies habe zum Teil erhebliche Auswirkungen auf die Vollzugsgestaltung bis hin zur Ablösung eines Gefangenen vom Freigang im Hinblick auf die unklar gewordene Entlassungssituation zur Folge gehabt, ohne daß dieser hierfür Anlaß geboten hätte.
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e) Eine Information des Verurteilten über die von Vollzugsanstalt, Staatsanwaltschaft und eventuell Strafvollstreckungskammer getroffenen Einschätzungen hinsichtlich der schuldangemessenen Vollstreckungszeit geschieht in Baden- Württemberg regelmäßig bei den Lockerungsentscheidungen, allerdings mit dem Vorbehalt, bei stark divergierenden Stellungnahmen im Einzelfall "aus behandlerischen Gründen" nicht vollständig zu informieren. In Bayern, Berlin, Hamburg, Hessen und im Saarland werden die Verurteilten im Zusammenhang mit der Besprechung des Vollzugsplans über die Einschätzungen der Justizvollzugsanstalt informiert. So ist es auch in Nordrhein-Westfalen, allerdings werden dort auch informelle Hinweise über Meinungen bei Staatsanwaltschaft und Strafvollstreckungskammer dem Verurteilten im Rahmen der Vollzugsplanbesprechung mitgeteilt. In den übrigen Ländern findet keine Information im Sinne der Fragestellung statt.
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f) Über die Möglichkeit einer "verspäteten" Entlassung mangels Koordination berichten Niedersachsen, Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen; insbesondere könne es solche Fälle geben, wenn die Strafvollstreckungskammer die aus Gründen der besonderen Schwere der Schuld angemessene Zeit kürzer festsetze als die Justizvollzugsanstalt; nach Meinung von Brandenburg sei das insbesondere in den neuen Bundesländern zu erwarten.
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5. Das Bundesverfassungsgericht hat ferner ein Gutachten des Max-Planck-Institutes für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg eingeholt. Der Gutachter Dr. Dünkel kommt u.a. zu dem Ergebnis, daß sich die Entlassungspraxis der Strafvollstreckungskammern nach § 57 a StGB nicht wesentlich verändert habe, seit Laubenthal in seiner Monographie "Lebenslange Freiheitsstrafe" (1987) diese Praxis für die Jahre 1982 bis 1985 untersucht habe. Aus dessen Daten ergibt sich - nach der Berechnung des Senats - eine durchschnittliche Vollstreckungsdauer von ca. 19,5 Jahren. Der internationale Vergleich zeige, daß in keinem anderen Land die Schwere der Schuld ein zulässiges Kriterium für die Verweigerung einer bedingten Entlassung sei. Die Schuldschwereklausel des § 57 a StGB finde nirgendwo ein Äquivalent. Die Kriterien der bedingten Entlassung bei lebenslanger Freiheitsstrafe seien im Ausland vielfach spezialpräventiv geprägt, zum Teil allerdings in Verbindung mit der formalen Voraussetzung einer Mindestverbüßungszeit. Vielfach würden bei der Prognoseentscheidung jedoch höhere Anforderungen im Hinblick auf das vertretbare Risiko für die Allgemeinheit gestellt. In Österreich und den osteuropäischen Ländern spielten auch generalpräventive Gesichtspunkte eine Rolle bei der bedingten Entlassung.
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1. a) Die gegen die Beschlüsse des Landgerichts vom 6. August 1987 und des Oberlandesgerichts vom 7. April und 29. Dezember 1988 gerichtete Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 1) ist zulässig. In dem Beschluß vom 29. Dezember 1988 hat das Oberlandesgericht das Anliegen des Beschwerdeführers auf dessen Gegenvorstellung sachlich geprüft und damit in der Sache erneut beschieden. Das Rechtsschutzinteresse für die Verfassungsbeschwerde ist dadurch, daß der Beschwerdeführer inzwischen aus der Haft entlassen wurde, nicht fortgefallen (st. Rspr.; vgl. BVerfGE 76, 363 [381] m.w.N.).
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b) Die "Erweiterung" der Verfassungsbeschwerde auf die Beschlüsse des Landgerichts und des Oberlandesgerichts aus dem Jahre 1990 ist als selbständige Verfassungsbeschwerde anzusehen. Sie ist schon deshalb unzulässig, weil der Beschwerdeführer durch diese Entscheidung nicht beschwert ist. Soweit er sich dadurch beschwert sieht, daß in den angegriffenen Beschlüssen eine Feststellung über die nach der Schuldschwere gebotene Verbüßungszeit fehle, hat er jedenfalls den Rechtsweg nicht erschöpft, denn er hat den Beschluß des Landgerichts nicht mit der sofortigen Beschwerde angefochten (§ 90 Abs. 2 BVerfGG). Die unmittelbar gegen § 211 StGB gerichtete Verfassungsbeschwerde ist wegen Versäumung der Frist des § 93 Abs. 2 BVerfGG unzulässig. Das gleiche gilt, soweit die Verfassungsbeschwerde den gesetzlichen Ausschluß einer angemessenen Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung rügt.
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2. Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 2) ist zulässig. Sie richtet sich sinngemäß auch gegen den Beschluß des Landgerichts vom 17. Oktober 1988 (vgl. BVerfGE 74, 358 [364 unter c]).
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Soweit die Verfassungsbeschwerden zulässig sind, sind sie im wesentlichen auch begründet.
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Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3, Art. 2 Abs. 2 und Art. 104 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes. § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB ist hinreichend bestimmt. Die den Entscheidungen zugrundeliegenden Zuständigkeits- und Verfahrensregelungen der §§ 454, 462 a StPO, § 74 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 GVG sind nach Maßgabe der Gründe mit dem Grundgesetz vereinbar.
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I.
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Nach § 211 Abs. 1 StGB wird der des Mordes Schuldige, soweit nicht besondere Strafmilderungsgründe zugelassen sind, mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft. Diese absolute Strafandrohung bewirkt, daß das Schwurgericht lebenslange Freiheitsstrafe verhängen muß, wenn der Angeklagte im Falle der vorsätzlichen Tötung eines Menschen objektiv und subjektiv ein Mordmerkmal erfüllt hat, ohne daß es auf den individuellen Unrechtsgehalt und die Tatschuld weiter ankäme. Erst wenn es um die Entscheidung über die Dauer der Verbüßung der lebenslangen Freiheitsstrafe geht, stellt das Gesetz auf "die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten" ab (§ 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB).
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Dieses Merkmal ist verfassungsrechtlich hinreichend bestimmt.
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1. Der Gesetzgeber hat die Aussetzung der lebenslangen Freiheitsstrafe u.a. davon abhängig gemacht, daß nicht die besondere Schwere der Schuld die weitere Vollstreckung gebietet; hierbei handelt es sich um ein vollstreckungsrechtliches Tatbestandsmerkmal. Entscheidungen über die weitere Vollstreckung einer Freiheitsstrafe berühren stets die durch Art. 2 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich garantierte Freiheit der Person (vgl. BVerfGE 29, 312 [316]). Der Bestimmtheitsmaßstab für das freiheitsbeschränkende Gesetz (Art. 2 Abs. 2 GG, Art. 104 Abs. 1 GG) ist dem allgemeinen rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot aus Art. 20 Abs. 3 GG zu entnehmen. Art. 103 Abs. 2 GG kommt dagegen als Maßstab nicht in Betracht. Zwar umfaßt nach der Rechtsprechung des Senats Art. 103 Abs. 2 GG nicht nur den Straftatbestand, sondern auch die Strafandrohung (BVerfGE 25, 269 [286]; 45, 363 [370 ff.]); indessen steht hier nicht die vom Schwurgericht verhängte Strafe und deren Grundlage in § 211 StGB in Rede.
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Die Anforderungen des rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebotes sind allerdings um so strenger, je intensiver der Grundrechtseingriff ist (vgl. BVerfGE 59, 104 [114]; vgl. auch BVerfGE 49, 89 [133] und, zum Bestimmtheitsgebot für Straftatbestände, BVerfGE 75, 329 [342]), wobei der verfassungsrechtlich gebotene Grad der Bestimmtheit von der Besonderheit des jeweiligen Tatbestandes und von den Umständen abhängt, die zu der gesetzlichen Regelung führen (vgl. BVerfGE 28, 175 [183]). Da es hier um ein Kriterium geht, von dem nach einem Freiheitsentzug von 15 Jahren weiterer - unter Umständen mehrjähriger - Freiheitsentzug abhängt, sind an die Bestimmtheit des Tatbestandsmerkmals der besonderen Schwere der Schuld strenge Anforderungen zu stellen. Allerdings sind Generalklauseln oder unbestimmte, wertausfüllungsbedürftige Begriffe im Strafrecht nicht von vornherein verfassungsrechtlich zu beanstanden. Gegen ihre Verwendung bestehen jedenfalls dann keine Bedenken, wenn sich mit Hilfe der üblichen Auslegungsmethoden, insbesondere durch Heranziehung anderer Vorschriften desselben Gesetzes, durch Berücksichtigung des Normzusammenhanges oder aufgrund einer gefestigten Rechtsprechung eine zuverlässige Grundlage für die Auslegung und Anwendung der Norm gewinnen läßt (vgl. BVerfGE 45, 363 [371 f.]).
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2. Der Gehalt des Merkmals "besondere Schwere der Schuld" erschließt sich sowohl hinsichtlich der "Schuld" (a) als auch für ihre "besondere Schwere" (b) hinreichend deutlich aus dem Regelungsgehalt des § 57 a StGB, dem Zusammenhang mit anderen Vorschriften des Strafgesetzbuches und der Entstehungsgeschichte.
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a) Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 21. Juni 1977 festgestellt, daß die in § 211 StGB angedrohte lebenslange Freiheitsstrafe nicht gegen das Gebot schuldangemessenen Strafens verstoße (vgl. BVerfGE 45, 187 [253 ff.]). Doch sei aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip die Verpflichtung des Staates herzuleiten, dem Verurteilten die Chance zu geben, die Freiheit wieder zu gewinnen (a.a.0., S. 228 f.); das Rechtsstaatsprinzip fordere, das dabei anzuwendende Verfahren gesetzlich zu regeln (a.a.0., S. 246). Ein solches Gesetz führe nicht zu einem Bruch mit dem Schuldgrundsatz. Dieser verlange nicht grundsätzlich, daß die verhängte schuldangemessene lebenslange Freiheitsstrafe auch restlos vollstreckt werde. Eine andere Frage sei es, ob die vorzeitige Entlassung ausschließlich an einer günstigen Sozialprognose und einer gewissen Mindestverbüßungszeit orientiert werden sollte. Es sei beispielsweise daran zu denken, bei der Festlegung des Entlassungszeitpunktes auch den Unrechts- und Schuldgehalt der zugrundeliegenden Mordtat zu berücksichtigen. Eine derartige Differenzierungsmöglichkeit könne dem besonderen Charakter des jeweiligen Einzelfalls gerecht werden. Es sei Aufgabe des Strafgesetzgebers, hier eine sinnvolle Regelung zu finden (a.a.0., S. 251).
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Mit der Einführung des § 57 a in das Strafgesetzbuch hält sich der Gesetzgeber in diesem verfassungsrechtlichen Rahmen. Die Regelung des § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 trägt dem Umstand Rechnung, daß das individuelle Schuldmaß wegen der absolut angedrohten Strafe des lebenslangen Freiheitsentzuges bei der Strafzumessung nicht zum Ausdruck kommt (vgl. BVerfGE 72, 105 [114]). Der Gesetzgeber hat es als sachwidrig angesehen, wenn der Aussetzungszeitpunkt für alle Täter unterschiedslos bestimmt würde, obgleich die bei Mord stets zu verhängende lebenslange Freiheitsstrafe in jedem Einzelfall auf ein ganz unterschiedliches Schuldmaß gegründet sein kann (vgl. BTDrucks. 8/3218 S. 7). Der Gesetzgeber nimmt damit in § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB das Prinzip der Schuldangemessenheit der Strafe über seine Geltung für die Zumessung der Strafe (§ 46 StGB) hinaus auch für die Aussetzung des Strafrestes bei lebenslanger Freiheitsstrafe zur Grundlage (vgl. BVerfGE 64, 261 [271]).
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Dieser Grundsatz der Schuldangemessenheit des Strafens hat seinerseits Verfassungsrang. Er folgt aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG (Würde und Eigenverantwortlichkeit des Menschen) sowie aus dem Rechtsstaatsprinzip (BVerfGE 45, 187 [259 f.]; 50, 205 [214]; 80, 244 [255]). Aus ihm ergibt sich, daß Tatbestand und Rechtsfolge sachgerecht aufeinander abgestimmt sein müssen (BVerfGE 80, 244 [255]; vgl. auch BVerfGE 25, 269 [286]). Die Strafe muß im gerechten Verhältnis zur Schwere der Tat und zum Verschulden des Täters stehen. Insoweit deckt sich der Schuldgrundsatz in seinen die Strafe begrenzenden Auswirkungen mit dem Übermaßverbot (vgl. BVerfGE 73, 206 [253] m.w.N.). § 46 Abs. 1 Satz 1 StGB ist Ausdruck dieses Prinzips. § 46 Abs. 2 StGB legt auch die Gesichtspunkte fest, die der Richter bei der Strafzumessung insbesondere in den Blick zu nehmen hat, um die Schuld eines Täters zu bewerten, der sich in einer bestimmten Situation über die strafrechtlichen Ge- oder Verbote hinweggesetzt hat.
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Gewinnt der Grundsatz der Schuldangemessenheit des Strafens mit § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB auch für die Voraussetzungen der vorzeitigen Entlassung aus lebenslanger Freiheitsstrafe Geltung, dann ist auch die individuelle Schuldschwere der einer Verurteilung zu lebenslanger Freiheitsstrafe - gegebenenfalls als Gesamtstrafe, §§ 54 Abs. 1 Satz 2, 57 b StGB - zugrundeliegenden Taten grundsätzlich nach den Kriterien zu bemessen, die § 46 StGB dem Richter für die Strafzumessung zu beachten aufgibt. Die nach § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB erhebliche individuelle Schuldschwere ist mithin entsprechend § 46 StGB im Rahmen einer Gesamtwürdigung derjenigen erschwerend und mildernd zu Buche schlagenden objektiven und subjektiven Umstände der Tat zu bewerten, die der Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe zugrunde liegt.
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b) Auch der Begriff "besondere Schwere" der Schuld genügt den an die Bestimmtheit der Norm zu stellenden rechtsstaatlichen Anforderungen.
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Das "Besondere" bezeichnet in seiner wertenden Bedeutung etwas, das über das Normale, das Übliche weit hinausgeht, etwas Herausragendes (vgl. Dudens Deutsches Universalwörterbuch, 2. Aufl., 1989). Dieser umgangssprachliche Wortsinn stimmt überein mit der Auslegung des Begriffs des Besonderen im Strafgesetzbuch: Zur Rechtsfigur des "besonders schweren Falles" im Strafgesetzbuch hielt es der Senat in seiner Entscheidung vom 21. Juni 1977 (dort zur Bestimmtheit des § 94 Abs. 2 StGB) für verfassungsrechtlich unbedenklich, daß die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur einen solchen Fall nur annimmt, wenn das gesamte Tatbild einschließlich der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle so sehr abweiche, daß die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erscheine (vgl. BVerfGE 45, 363 [372]). Eine vergleichbare Auslegung des Begriffs erfährt das Strafgesetz in den "besonderen Umständen" der §§ 47 Abs. 1, 56 Abs. 2, 57 Abs. 2 Nr. 2 und 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB (vgl. hierzu Bruns, Das Recht der Strafzumessung, 2. Aufl. 1985, S. 49 ff. m.w.N.). Ebenso werden die "besonderen gesetzlichen Milderungsgründe", für die § 49 StGB anzuwenden ist, als "Ausnahmestrafrahmen" gewertet (Dreher/Tröndle, StGB, 45. Aufl. 1991, § 49 Rdnr. 2; vgl. zur besonderen Schwere der Schuld im gleichen Sinne auch Stree, NStZ 1983, 289 [293]; Bode, Festschrift Faller, 1984, S. 325 [332]; R. Schmidt, Das Zusammentreffen von lebenslanger mit weiteren Freiheitsstrafen, 1986, S. 48 ff.; Mysegades, Zur Problematik der Strafaussetzung bei lebenslanger Freiheitsstrafe, 1988, S. 86; Revel, Anwendungsprobleme der Schuldschwereklausel des § 57 a StGB, Diss. Köln 1989, S. 74).
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Dieses Verständnis des Begriffes des "Besonderen" wird durch die Gesetzgebungsgeschichte bestätigt: Die Begründung der Bundesregierung zu § 57 a Abs. 1 im Entwurf eines 17. Strafrechtsänderungsgesetzes (BTDrucks. 8/3218 S. 7), die im weiteren Gesetzgebungsverfahren aufrecht erhalten wurde (vgl. BTDrucks. 9/22, S. 6), stellt als Absicht dar, "einen festen Zeitpunkt für die Aussetzung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe vorzusehen, Ausnahmen aber dort zu machen, wo ... die besondere Schwere der Schuld eine abweichende Entscheidung gebietet" (S. 7). Der Streit zwischen Regierungsmehrheit und Opposition betraf in erster Linie die Frage, ob die Frist des § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB den Zeitraum von 15 oder 20 Jahren umfassen solle. Gerade diese Kontroverse bestätigt, daß hier das vom Gesetzgeber festzulegende Regelmaß, von dem die Schuldschwereklausel eine Ausnahme ermöglichen sollte, in Streit stand und nicht beabsichtigt war, dem Begriff der besonderen Schwere der Schuld eine von dem sonstigen strafrechtlichen Begriff des "Besonderen" abweichende, unklare Kontur zu geben.
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Die Rechtsprechung erhält damit genügende Vorgaben für die ihr anvertraute Auslegung des Merkmals der besonderen Schwere der Schuld.
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II.
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Die Zuständigkeits- und Verfahrensregelungen der §§ 454, 462 a StPO und des § 74 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 GVG sind mit dem Grundgesetz nur dann vereinbar, wenn die für die Bewertung der Schuld gemäß § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB erheblichen Tatsachen im Erkenntnisverfahren vom Schwurgericht festgestellt und im Urteil dargestellt werden, wenn das Urteil darüber hinaus auf dieser Grundlage die Schuld - unter dem für die Aussetzungsentscheidung erheblichen Gesichtspunkt ihrer besonderen Schwere - gewichtet und wenn das Vollstreckungsgericht daran gebunden ist.
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1. Das individuelle Maß der Schuld, das sich bei einer zeitigen Freiheitsstrafe im Strafmaß niederschlägt, führt wegen der absoluten Strafandrohung des § 211 StGB bei einem zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten nicht zu Differenzierungen im Strafmaß. Das Schwurgericht, das die schuldhafte Verwirklichung eines oder mehrerer Mordmerkmale festgestellt hat, muß daher im Urteil auch nicht die für das Strafmaß sonst erforderliche Gesamtwürdigung aller für die Strafzumessungsschuld erheblichen Faktoren (§ 46 StGB) vornehmen (vgl. § 267 Abs. 3 StPO). Es kann sich darauf beschränken, den Schuldvorwurf festzustellen, der die Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe bereits rechtfertigt. Auf eine weitere Differenzierung des Schuldvorwurfes kommt es für die Verurteilung zu lebenslanger Freiheitsstrafe wegen Mordes nicht an, da jeder schuldhaft begangene Mord, unabhängig von den konkreten Umständen der Tat, zur Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe führt. Demgegenüber müssen für die Entscheidung über die Aussetzung der lebenslangen Freiheitsstrafe die Schwere der individuellen Tatschuld und die diese prägenden objektiven und subjektiven Umstände festgestellt und bewertet werden.
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2. Über die Aussetzung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung entscheidet viele Jahre nach Rechtskraft der Verurteilung gemäß § 462 a StPO die Strafvollstreckungskammer in dem von § 454 StPO festgelegten Verfahren, das eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß vorsieht. Der Strafvollstreckungskammer obliegt damit die Prüfung aller in § 57 a StGB genannter materiellen Voraussetzungen einer bedingten Entlassung. Dazu gehört auch die Entscheidung, ob und wie lange es geboten ist, die Mindestverbüßungszeit wegen einer besonderen Schwere der Tatschuld zu überschreiten. Die sich damit stellende Vorfrage, ob eine besonders schwere Tatschuld vorliegt, wird für die Strafvollstreckungskammer nicht ohne weiteres durch die Begründung des Urteils beantwortet. Es stellt weder regelmäßig die Merkmale der individuellen Schuld erschöpfend fest noch gewichtet es sie im Bereich des Schuldmaßes, das über die Verwirklichung des angenommenen Mordmerkmals hinausgeht. Es bliebe daher nur übrig, daß das Vollstreckungsgericht die objektiven und subjektiven Faktoren der individuellen Schuld in dem ihm zur Verfügung stehenden Verfahren nach § 454 StPO zusammenstellt und bewertet. Zwar wäre es dabei an die Feststellungen des Schwurgerichts zu den objektiven und subjektiven Tatsachen gebunden; das hülfe jedoch nicht weiter, weil das Urteil Feststellungen der hier erforderlichen Art wegen der absoluten Strafandrohung des § 211 Abs. 1 StGB nicht notwendig enthält und, wo dies doch der Fall ist, diese oft verstreut und nicht immer vollständig in den Gründen zu finden sind und nicht selten auch in anderem Gedankenzusammenhang stehen als dem der Gewichtung von Schuld. Es bliebe dann einem Vollstreckungsgericht, das die Tat nicht selbst in der Unmittelbarkeit einer Hauptverhandlung aufgeklärt hat, überlassen, sich nach seinem nur durch Aktenkenntnis geprägten Eindruck aus dem Urteil Gesichtspunkte für die Schuldbewertung "zusammenzusuchen" und sie zu einer Gesamtwertung zusammenzusetzen. Hinzu kommt, daß in vielen Fällen die für die Bewertung der Schuld im Sinne des § 46 StGB erheblichen subjektiven Merkmale nur aus objektivem Geschehen abgeleitet werden können. Wollte man auch dem Vollstreckungsgericht solche - nicht im Urteil enthaltenen - Schlußfolgerungen aus objektiven Tatsachen zugestehen, würde sich die Gefahr noch vergrößern, daß die für die weitere Dauer des Freiheitsentzuges so bedeutungsvolle Schuldgewichtung die Wirklichkeit des Tatgeschehens verfehlt.
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3. Eine auf diese Weise zustande gekommene Entscheidung über die Vorfrage, ob der Verurteilte besonders schwere Schuld auf sich geladen hat, würde rechtsstaatlich unverzichtbare Erfordernisse nicht mehr wahren.
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a) Aus dem Prozeßgrundrecht auf eine faires, rechtsstaatliches Verfahren (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG), dessen Wurzeln in der freiheitssichernden Funktion der Grundrechte, hier in näherer Ausprägung durch Art. 2 Abs. 2 GG, liegen (vgl. BVerfGE 57, 250 [275]), ergeben sich Mindesterfordernisse für eine Verfahrensregelung, die eine zuverlässige Wahrheitsforschung nicht nur im prozessualen Hauptverfahren, sondern auch für die im Vollstreckungsverfahren zu treffenden Entscheidungen gewährleistet. Dieser rechtsstaatliche Auftrag bezieht sich nicht nur auf die Aufklärung des äußeren Tatgeschehens, sondern erfaßt wegen des Schuldprinzips alle Merkmale, die für die Beurteilung der strafrechtlichen Schuld und für die Strafzumessung von Bedeutung sind (vgl. BVerfGE 80, 367 [378]). Ein rechtsstaatliches Verfahren muß gewährleisten, daß Entscheidungen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, auf zureichender richterlicher Sachaufklärung beruhen und eine in tatsächlicher Hinsicht genügende Grundlage haben, die der Bedeutung der Freiheitsgarantie entspricht (BVerfGE 70, 297 [308]). Allerdings bedarf das Recht auf ein rechtsstaatliches faires Verfahren der Konkretisierung je nach den sachlichen Gegebenheiten. Erst wenn sich unzweideutig ergibt, daß rechtsstaatlich unverzichtbare Erfordernisse nicht mehr gewahrt sind, können aus dem Prinzip selbst konkrete Folgerungen für die Verfahrensgestaltung gezogen werden; diese haben sich tunlichst im Rahmen der vom Gesetzgeber gewählten Grundstruktur des Verfahrens zu halten (vgl. BVerfGE 57, 250 [276]; 70, 297 [309]).
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b) Der Gesetzgeber hat sich für eine Struktur des Strafprozesses entschieden, in dem die Hauptverhandlung auf die Feststellung von strafrechtlicher Schuld angelegt und als Kernstück des Strafverfahrens auf die Ermittlung aller erheblichen objektiven und subjektiven Tatsachen gerichtet ist (vgl. BVerfGE 74, 358 [372]). Die Regeln für die Hauptverhandlung sind so ausgestaltet, daß sie die größtmögliche Gewähr für die Erforschung der Wahrheit ebenso wie für die bestmögliche Verteidigung des Angeklagten und damit für ein gerechtes Urteil bieten. Erst und gerade die durchgeführte Hauptverhandlung setzt den Richter in den Stand, sich eine Überzeugung zur Schuldfrage zu bilden: Das Tatgericht wird mit der Persönlichkeit des Angeklagten vertraut; der Erforschung des Tatgeschehens kommt entscheidende Bedeutung zu; es hat sich mit rechtfertigenden, schuldausschließenden und schuldmindernden Umständen auseinanderzusetzen; die Motive der Tat und ihre Folgen werden erörtert; alle erforderlichen Beweise sind unter Wahrung der Rechte des Angeklagten und seines Verteidigers zu erheben; es gilt der Grundsatz der Unmittelbarkeit, es dürfen also nur die in der Hauptverhandlung behandelten Gesichtspunkte in das Urteil eingehen.
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c) Mit den Strafvollstreckungsgerichten hat der Gesetzgeber Spruchkörper geschaffen, bei denen die Zuständigkeit für alle während der Strafvollstreckung anfallenden für die Wiedereingliederung des Täters wesentlichen Entscheidungen konzentriert sind. Damit sollte die Einheitlichkeit des auf die Wiedereingliederung gerichteten Handelns gewährleistet und insoweit die besondere Erfahrung und Entscheidungsnähe der Strafvollstreckungskammern genutzt werden (vgl. BTDrucks. 7/550, S. 312). Deshalb sind den Strafvollstreckungskammern insbesondere die Entscheidungen über die bedingte Aussetzung der Verbüßung einer Freiheitsstrafe übertragen worden. Bei der dabei gemäß § 57 Abs. 1 Satz 2 StGB vorzunehmenden Gesamtwürdigung haben sie nicht nur die für sie entscheidungsnahen Gesichtspunkte zu beurteilen, wie sich die Persönlichkeit des Verurteilten im Vollzug darstellt, wie er sich dort verhält und wie seine derzeitigen Lebensverhältnisse sind, vielmehr haben sie auch sein Vorleben und die Umstände seiner Tat in den Blick zu nehmen. Alle diese Umstände sind unter dem Gesichtspunkt der mit der besonderen Erfahrung der Strafvollstreckungskammern zu beurteilenden Aussicht auf Wiedereingliederung zu würdigen. Demgegenüber hat der Gesetzgeber für die Wiedereingliederung minder bedeutsame Entscheidungen, die nach rechtskräftiger Verurteilung eines Straftäters notwendig werden, die aber - wie die nachträgliche Gesamtstrafenbildung - eine tat- und nicht vollstreckungsbezogene zusammenfassende Würdigung der Person des Täters und seiner einzelnen Straftaten erfordern (vgl. § 54 Abs. 1 StGB), den jeweiligen Gerichten des ersten Rechtszuges übertragen, um deren größerer Sachnähe den Vorzug zu geben (vgl. § 462 a Abs. 3; BTDrucks. 7/550).
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d) Die Vorschrift des - nachträglich eingefügten - § 57 a StGB hat den Aufgabenbereich der Strafvollstreckungsgerichte um die Beurteilung der Schwere der Schuld und ihre Einbeziehung in die vollstreckungsrechtliche Gesamtwürdigung erweitert. Die Strafvollstreckungsgerichte sind aber weder besonders erfahren noch entscheidungsnah, wenn es darum geht, die objektiven und subjektiven Kriterien festzustellen, die die individuelle Tatschuld eines zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilten Mörders prägen. Darüber hinaus bieten - wie dargelegt - das den Vollstreckungsgerichten nur zur Verfügung stehende schriftliche Verfahren, der große zeitliche Abstand zur gerichtlichen Aburteilung der Tat und die Entscheidungsgründe des Urteils keine hinreichende Gewähr für die Zuverlässigkeit einer von den Vollstreckungsgerichten vorzunehmenden Feststellung und Bewertung aller erschwerend oder mildernd in Betracht kommenden Gesichtspunkte. Der Verurteilte darf deshalb für die Entscheidung der Frage, in welchem Ausmaß er die Schwelle der Schuld überschritten hat, die schon die absolute Strafe rechtfertigt, nicht auf dieses Verfahren verwiesen werden, das nicht die gleichen Gewährleistungen wie die Hauptverhandlung bietet.
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4. Aus den dargelegten Gründen ist es verfassungsrechtlich nicht hinnehmbar, die nach § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB in Verbindung mit § 454 StPO zu treffende Entscheidung über die Gewichtung der Schuld eines wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten den Vollstreckungsgerichten zu übertragen. Eine Auslegung der Vorschrift des § 462 a StPO, die zu diesem Ergebnis führte, wäre verfassungswidrig. Eine daraus folgende teilweise Nichtigkeit der in § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB i.V.m. §§ 454, 462 a StPO enthaltenen Gesamtregelung würde sie gegenwärtig unvollziehbar machen oder gar auch ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz insgesamt in Frage stellen. So weitgehende Schlußfolgerungen gebietet die oben dargestellte verfassungsrechtliche Ausgangslage jedoch nicht. Vielmehr ist es im Sinne der möglichst weitgehenden Aufrechterhaltung der vom Gesetzgeber im Anschluß an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juni 1977 (BVerfGE 45, 187) angestrebten Regelung möglich und geboten, die die Zuständigkeit der Strafkammern als Schwurgerichte festlegende Norm des § 74 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 GVG dahin auszulegen, daß die Schwurgerichte im Falle einer Verurteilung zu lebenslanger Freiheitsstrafe wegen Mordes die Schwere der Schuld des Täters im Blick auf die von den Strafvollstreckungsgerichten zu treffende Entscheidung nach § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB i.V.m. § 454 StPO im Urteil zu gewichten haben, insoweit also "das Gericht" im Sinne dieser Vorschriften sind.
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a) Eine Norm kann vom Bundesverfassungsgericht nur dann für nichtig erklärt werden, wenn eine nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen zulässige, mit der Verfassung vereinbare Auslegung nicht möglich ist. Der Respekt vor der gesetzgebenden Gewalt (Art. 20 Abs. 2 GG) gebietet es dabei, in den Grenzen der Verfassung das Maximum dessen aufrechtzuerhalten, was der Gesetzgeber gewollt hat. Er fordert mithin eine verfassungskonforme Auslegung der Norm, soweit diese durch den Wortlaut des Gesetzes gedeckt ist und die prinzipielle Zielsetzung des Gesetzgebers wahrt (vgl. BVerfGE 49, 148 (157); 54, 277 (300); vgl. auch K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 18. Aufl. 1991, Rdnr. 83). Nichts anderes kann dann gelten, wenn im Rahmen eines aufeinander abgestimmten gesetzlichen Regelungssystems das Verfassungsrecht eine bestimmte Auslegung einer einen Teil dieses Regelungssystems bildenden Norm verbietet, aber eine andere Norm, die einen Teil des nämlichen Regelungssystems bildet, nach ihrem Wortlaut und Sinn einer mit dem Grundgesetz vereinbaren Auslegung dahin offensteht, daß aufrechterhalten werden kann, was der Gesetzgeber mit der von ihm ins Werk gesetzten Gesamtregelung vor allem zu erreichen bestrebt war. So liegt es hier.
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b) Mit den in Rede stehenden Vorschriften wollte der Gesetzgeber dem verfassungsrechtlichen Gebot Genüge tun, nach dem auch dem zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten grundsätzlich eine Chance verbleiben muß, seine Freiheit wieder zu erlangen (vgl. BVerfGE 45, 187 [239]). Im einzelnen ist er dabei der Anregung des Bundesverfassungsgerichts gefolgt, bei der Festlegung des Entlassungszeitpunktes auch den Unrechts- und Schuldgehalt der zugrundeliegenden Mordtat zu berücksichtigen (a.a.O., S. 251). Der Gesetzgeber hat sich insoweit ein "bewußt eng begrenztes Ziel gesetzt"; er wollte an der lebenslangen Freiheitsstrafe als solcher festhalten und es auch für den Fall einer guten Kriminalprognose nicht zu einer Art von "Entlassungsautomatik" kommen lassen (BTDrucks. 8/3218, S. 5). Der Gesetzgeber hat dieses Konzept aus verfassungsrechtlicher Sicht allein dadurch fehlerhaft verwirklicht, daß er den Strafvollstreckungsgerichten die Aufgabe zugewiesen hat, die Schuld der Mordtat, die der Verurteilung zu lebenslanger Freiheitsstrafe zugrundeliegt, zu gewichten, obwohl das von ihnen zu beobachtende Verfahren dafür nicht geeignet ist. Das gesetzgeberische Konzept kann jedoch - bei weitestmöglicher Schonung des geltenden Rechts im übrigen - bereits mit einer Auslegung des § 74 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 GVG dahin gewahrt werden, daß das für die Aburteilung des Verbrechens zuständige Schwurgericht auch die besondere Schwere der Schuld festzustellen hat. Das System der gesetzlichen Regelungen, mit dem der Gesetzgeber die Zuständigkeit zwischen Tat- und Vollstreckungsgericht nach Sachnähe verteilen wollte, wird damit aufrechterhalten.
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Im Rahmen der zu einer Verurteilung zu lebenslanger Freiheitsstrafe wegen Mordes führenden Hauptverhandlung ist vom Schwurgericht also nicht nur zu entscheiden, ob der Angeklagte des Mordes schuldig ist, sondern auch, ob eine besondere Schwere seiner Schuld im Sinne des § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB vorliegt. Dies hält sich innerhalb von Wortlaut und Sinn des § 74 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 GVG. Denn in allen dort in die Zuständigkeit der Strafkammern als Schwurgerichte verwiesenen Fällen - mit Ausnahme des unter Nr. 4 genannten Falls des § 211 StGB - hat das Schwurgericht im Blick auf den in den Straftatbeständen eröffneten Strafrahmen den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat zu gewichten, also über die Schwere der Schuld des Täters zu entscheiden. Dazu befähigen es sowohl das von ihm einzuhaltende, mit umfassenden rechtsstaatlichen Garantien ausgestattete Verfahren als auch seine auf der Grundlage dieses Verfahrens gewonnene besondere Nähe zum Tatgeschehen.
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Nicht weniger fügt sich die hier vorgenommene, dem verfassungsrechtlichen Gebot maximaler Aufrechterhaltung des gesetzgeberischen Regelungsziels folgende Auslegung des § 74 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 GVG in die Konzeption, die der Gesetzgeber mit der Konzentration der für die Wiedereingliederung des Täters erheblichen, während der Strafvollstreckung anfallenden Entscheidungen bei den Strafvollstreckungsgerichten verfolgt hat (siehe oben zu 3.c). Was auf der Grundlage dieser Auslegung den Schwurgerichten zu entscheiden obliegt, ist die tatbezogene Gewichtung von Schuld, zu der sie auch sonst berufen sind. Deren vollstreckungsrechtliche Auswirkungen kommen in dem in § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB enthaltenen Merkmal des "Gebietens" zum Ausdruck, dessen Beurteilung in der Entscheidungszuständigkeit des Vollstreckungsgerichts verbleibt. Die Zuständigkeit des Schwurgerichts für die Beantwortung der für die Aussetzungsentscheidung erheblichen Vorfrage der besonderen Schwere der Schuld eines wegen Mordes Verurteilten entspricht der Zuständigkeitsregelung für die nachträgliche Gesamtstrafenbildung, bei welcher der Gesetzgeber sich davon leiten ließ, daß das Tatgericht für die tatbezogene Bewertung von Schuld die größere Sachnähe besitzt.
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c) Die Zuordnung der zur Schwere der individuellen Schuld zu treffenden Feststellungen zur Hauptverhandlung berührt nach allem nicht die vom Gesetzgeber festgelegte Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts für die Entscheidung über die Strafaussetzung (§ 462 a Abs. 1 StPO i.V.m. § 454 StPO). Sie stellt vielmehr lediglich die Entscheidung des Vollstreckungsgerichts auf die Grundlage der vom Schwurgericht getroffenen Feststellungen. Es bleibt also dabei, daß das Vollstreckungsgericht über das Vorliegen der weiteren in § 57 a StGB genannten Voraussetzungen der Strafaussetzung entscheidet. Insbesondere ist es seine Aufgabe, eine vollstreckungsrechtliche Gesamtwürdigung vorzunehmen und in deren Rahmen zu prüfen, ob unter Berücksichtigung des Geschehens und der Persönlichkeitsentwicklung des Verurteilten im Vollzug eine vom Schwurgericht festgestellte besondere Schwere der Schuld die weitere Vollstreckung der Freiheitsstrafe auch gebietet (hierzu unter C.III.).
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d) Auf der Grundlage der aus den dargelegten Gründen verfassungsrechtlich gebotenen Auslegung der Gesamtregelung des § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB i.V.m. §§ 454, 462 a StPO und § 74 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 GVG hat das Schwurgericht gemäß § 267 StPO bei einer Verurteilung zu lebenslanger Freiheitsstrafe wegen Mordes die Schuld des Täters nicht nur im Hinblick darauf festzustellen, ob sie zur Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe führt; vielmehr hat es darüber hinaus unter Abwägung der der jeweiligen Tat anhaftenden individuellen schulderschwerenden und schuldmindernden, objektiven und subjektiven Merkmale festzustellen, ob eine besondere Schwere der Schuld im Sinne des § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB vorliegt.
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Wird diese Gewichtung der Schuld unter dem Gesichtspunkt ihrer besonderen Schwere im Urteil vorgenommen, so unterliegt dieses auch insoweit der Revision, ungeachtet dessen, daß die Gewichtung der individuellen Schuld keine Auswirkungen auf den Strafausspruch haben kann. Die Revisibilität beruht darauf, daß das Urteil dem Vollstreckungsgericht die Bestimmungen der Schwere der Schuld bindend vorgibt.
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III.
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Für die Entscheidung über Aussetzungsanträge von Verurteilten, deren Schuld auf der Grundlage der bisherigen Auslegung und Anwendung von § 57 a StGB i.V.m. §§ 454, 462 a StPO, § 74 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 GVG noch nicht im Urteil gewichtet ist, bedarf es einer Übergangsregelung.
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Daß die Einfügung des § 57 a StGB in das Strafgesetzbuch zu erweiterten Schuldfeststellungen im Urteil führen muß, ist in der Literatur verschiedentlich gesehen worden (vgl. u.a. Dreher/Tröndle, StGB, 45. Aufl. 1991, § 57 a Rdnr. 8 a; Lackner, Festschrift für Leferenz [1983], S. 622 f.; ders., StGB, 18. Aufl. 1989, § 57 a Anm. 2 b bb; Schönke/Schröder/Stree, StGB, 24. Aufl. 1991, § 57 a Rdnr. 8). In die strafrechtliche Praxis hat dies jedoch keinen Eingang gefunden. Es ist daher auch für die nach der Einführung des § 57 a StGB erfolgten Verurteilungen zu lebenslanger Freiheitsstrafe davon auszugehen, daß die Vollstreckungsgerichte noch viele Jahre Entscheidungen über die Aussetzung einer lebenslangen Freiheitsstrafe zu treffen haben werden, für die die Gewichtung der Schuld nicht durch das Urteil vorgegeben ist.
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In diesen Fällen kann den Anforderungen des Rechtsstaatsprinzips nur entsprochen werden, wenn - bei Aufrechterhaltung der materiellen Voraussetzungen des § 57 a StGB - das Vollstreckungsgericht bei der zwangsläufig nur im Nachhinein möglichen Bewertung der Schuld einer strikten Bindung hinsichtlich der im Urteil ausdrücklich festgestellten Tatsachen unterworfen wird. Insoweit muß in Kauf genommen werden, daß sich die Beurteilungsgrundlage für die Bewertung von Schuld für diese Übergangszeit jedenfalls insoweit einengt, als es um schulderschwerende Kriterien geht. Das Vollstreckungsgericht darf zu Lasten des Verurteilten nur das dem Urteil zugrundeliegende Tatgeschehen und die dazu festgestellten Umstände der Ausführung und der Auswirkung der Tat berücksichtigen.
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Diese Begrenzung ist rechtsstaatlich geboten, weil nach der bisher geübten Praxis nur jene Umstände in einem auf lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mordes erkennenden Urteil festgestellt werden müssen und deshalb auch nur sie der revisionsrechtlichen Prüfung zugänglich waren. Demgegenüber sind Ausführungen etwa zu den Beweggründen und den Zielen des Täters, zu der aus seiner Tat sprechenden Gesinnung und weiteren subjektiven, die Tatschuld prägenden Kriterien, soweit sie nicht der Annahme eines Mordmerkmals dienen, nicht notwendig in den Urteilsgründen enthalten; trifft das Urteil dazu Aussagen, so erfolgen sie jedenfalls regelmäßig in einem Begründungszusammenhang, der die Schuld des Täters nicht im Blick auf die nach § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB zu treffende Entscheidung gewichtet; ihre Übertragung auf eine Schuldbewertung durch das Vollstreckungsgericht im Hinblick auf die besondere Schwere der Schuld kann also nicht in Betracht kommen. Das Vollstreckungsgericht darf aber auch die zu den Umständen der Ausführung und Auswirkung der Tat getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht in einer Weise bewerten, die über den Gehalt der unbezweifelbaren schwurgerichtlichen Wertung hinausgeht. Insbesondere ist ihm verwehrt, die Umstände der Ausführung der Tat ganz oder teilweise mit Begriffen zu umschreiben, die im gesetzlichen Tatbestand eines nicht vom Schwurgericht bejahten Mordmerkmals genannt sind. Rechtsstaatliche Grundsätze verbieten dies schon deshalb, weil nicht ausgeschlossen werden kann, daß ein Schwurgericht nach seinem in der Unmittelbarkeit der Hauptverhandlung gewonnenen Eindruck auch ein solches Merkmal geprüft und - ohne dies im Urteil zum Ausdruck zu bringen - verneint hat. Ebensowenig ist auszuschließen, daß bereits die selbständige vollstreckungsrechtliche Qualifizierung eines Tathergangs durch einen Begriff, der zugleich ein selbständiges Mordmerkmal ist, sich zum Nachteil eines Verurteilten auswirkt.
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§ 454 Abs. 1 Satz 1 StPO, der das Verfahren der Aussetzung der Vollstreckung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe nach § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB ordnet, ist - nicht nur in Fällen einer Verurteilung wegen Mordes - nach Maßgabe der folgenden Ausführungen mit dem Grundgesetz vereinbar:
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1. Die Freiheit der Person darf nur aus besonders gewichtigen Gründen und nur unter strengen formalen Gewährleistungen eingeschränkt werden (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 und 3, 104 Abs. 1 GG). Die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe stellt stets einen Eingriff in die durch Art. 2 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich garantierte Freiheit der Person dar (BVerfGE 29, 312 [316]). Dabei gilt auch für die Strafvollstreckung, daß der Gesetzgeber in Ausfüllung des Gesetzesvorbehalts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG die materiellen Maßstäbe für die Art und Dauer der Vollstreckung festzulegen hat (vgl. BVerfGE 33, 1 [10], allgemein im Hinblick auf Grundrechte von Strafgefangenen; 58, 358 [366 f.], für Bewährungsauflagen; st. Rspr.).
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Das Freiheitsgrundrecht aus Art. 2 Abs. 2 GG hat darüber hinaus - wie bereits festgestellt - auch eine Bedeutung für die Ausgestaltung eines fairen, rechtsstaatlichen Verfahrens (vgl. BVerfGE 70, 297 [308]). Dies ist nicht nur im strafprozessualen Hauptverfahren, sondern auch für die im Vollstreckungsverfahren zu treffenden Entscheidungen zu beachten. Die Bedeutung liegt darin, daß die verfahrensrechtlichen Vorschriften die durch das materielle Recht gezogenen Grenzen des Eingriffs wahren müssen.
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Auch die Anwendung der bestehenden gesetzlichen Regelungen über die Aussetzung der lebenslangen Freiheitsstrafe unterliegt deshalb der Kontrolle an dem sich aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG (Rechtsstaatsprinzip) unter Einschluß des Art. 2 Abs. 2 GG ergebenden Maßstab. Nur so wird zugleich der spezifischen Ausformung des Rechtsstaatsprinzips im Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG Rechnung getragen.
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2. Diese Grundsätze erfordern im Aussetzungsverfahren nach § 57 a StGB unter zwei Gesichtspunkten Beachtung.
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a) Das Rechtsstaatsprinzip enthält als wesentlichen Bestandteil die Gewährleistung der Rechtssicherheit (vgl. BVerfGE 2, 380 [381, LS 6]) in einem spezifischen Sinne: Es verbietet, den von einem staatlichen Eingriff in die Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 GG) Betroffenen über das Ausmaß dieses Eingriffs im Ungewissen zu lassen, wenn und sobald nach der jeweiligen gesetzlichen Grundlage das zulässige Ausmaß des Eingriffs einer abschließenden Beurteilung zugänglich ist. Das Gebot der Rechtssicherheit verlangt vielmehr einen Verlauf des Rechtsfindungsverfahrens, in dem der von einem solchen Eingriff Betroffene Gewißheit über dessen Ausmaß jedenfalls zu demjenigen Zeitpunkt erlangt, der nach der vom Gesetzgeber gewählten Grundstruktur des Verfahrens (vgl. BVerfGE 70, 297 [309]) eine verbindliche Entscheidung erlaubt.
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Dieses Gebot hat besonderes Gewicht für einen Gefangenen, der bereits viele Jahre im Strafvollzug zugebracht hat. Seine notwendige Mitarbeit an seiner Wiedereingliederung als dem Ziel des Behandlungsvollzuges bedarf der Motivation durch eine Konkretisierung der Entlassungschance auch in zeitlicher Hinsicht. Je näher das Ende der Mindestverbüßungszeit von 15 Jahren rückt, um so quälender kann die Ungewißheit werden, wann mit Rücksicht auf die Schwere der Schuld eine Aussicht auf bedingte Entlassung besteht. Bereits jetzt enthält das Gesetz im Zusammenhang mit der Aussetzung der lebenslangen Freiheitsstrafe einen gewichtigen Hinweis darauf, daß es eine rechtzeitige Entscheidung anstrebt: Aus § 454 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 b StPO folgt, daß der Aussetzungsantrag nur dann verfrüht ist, wenn er vor Ablauf von 13 Jahren gestellt wird, daß also ein zweijähriger Zeitraum für das Verfahren zur Verfügung gestellt wird, damit im günstigen Fall die Entlassung nach 15 Jahren pünktlich erfolgen kann. Gleichgerichtete Erwägungen liegen § 454 a StPO zugrunde (Kleinknecht-Meyer, StPO, 40. Aufl. 1991, § 454 a Rdnr. 1).
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b) Es gehört zu den weiteren gesetzlichen Voraussetzungen der Aussetzung, daß verantwortet werden kann zu erproben, ob der Verurteilte außerhalb des Strafvollzuges keine Straftat mehr begehen wird (§ 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 1 Satz 2 StGB). Soll diese Voraussetzung bejaht werden, bedarf es einer langfristigen, in der Regel über mehrere Jahre währenden Vorbereitung der Entlassung (§ 15 StVollzG). Würde das Vollstreckungsgericht nicht rechtzeitig darüber befinden, ob eine besondere Schwere der Schuld der Aussetzung entgegensteht und wie lange dies ggf. der Fall ist, und wäre diese Entscheidung nicht auch für jede andere, nach einer eventuellen Verlegung des Gefangenen später zuständig werdende Strafvollstreckungskammer verbindlich, liefe der Strafvollzug Gefahr, den Verurteilten nicht auf den der Schuldschwere Rechnung tragenden Zeitpunkt der Entlassung vorbereiten zu können. Der Strafvollzug würde unter dieser Voraussetzung seiner auch in der Verfassung verankerten Aufgabe der Wiedereingliederung des Gefangenen (vgl. BVerfGE 35, 202 [235]; 45, 187 [238 f.]) nicht oder nur unvollkommen gerecht werden.
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Hängt aber eine positive Kriminalprognose auch von einer zeitgerechten Entlassungsvorbereitung ab, bedarf es verfahrensrechtlicher Vorkehrungen, die unter diesem Gesichtspunkt eine planmäßige Entlassungsvorbereitung gewährleisten. Geschieht dies nicht, besteht die Möglichkeit, daß die Entlassung durch vollzugsbehördliche Entscheidungen verzögert wird mit der Folge, daß der Richter nicht mehr in dem ihm vom Gesetz übertragenen Umfang Herr der gebotenen Vollstreckungsentscheidung ist (Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG; zur Notwendigkeit einer so rechtzeitigen Prüfung der Voraussetzungen der Aussetzung, daß ein hinreichender Spielraum für die Entlassungsvorbereitung bleibt, vgl. auch Schönke/Schröder/Stree, § 57 a Rdnr. 14; ebenso Lackner, § 57 a Anm. 7.)
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3. Diesen Maßstäben genügt die Auslegung und Anwendung des § 454 Abs. 1 StPO durch die Strafvollstreckungsgerichte gegenwärtig nicht. Die Vorschrift bedarf deshalb einer weiteren, nach dem oben (II.4.a) Gesagten auch insoweit möglichen verfassungskonformen Auslegung.
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a) Die auf der Grundlage des § 454 Abs. 1 StPO zu treffende Entscheidung zielt nach dem Wortlaut der Vorschrift darauf, "ob die Vollstreckung des Restes einer Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden soll". Das ist in den Fällen des § 57 StGB, auf die die Bestimmung des § 454 StPO ursprünglich zugeschnitten war, unbedenklich, weil hier die Dauer der Verbüßungszeit, vor deren Ablauf eine bedingte Entlassung nicht in Betracht kommt, durch das Gesetz selbst in Abhängigkeit von der Höhe der schuldangemessenen zeitigen Freiheitsstrafe bestimmt wird.
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Im Falle des § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB verwehrt jedoch die herrschende Auslegung des § 454 Abs. 1 StPO dem Vollstreckungsgericht, das den Zeitpunkt der Aussetzung wegen besonderer Schwere der Schuld noch nicht für gekommen hält, bei der Ablehnung der Aussetzung der Strafvollstreckung darüber zu entscheiden, wie lange dem Verurteilten eine besondere Schwere der Schuld als Aussetzungshindernis noch entgegengehalten werden kann (vgl. zusammenfassend OLG Frankfurt, NStZ 1983, S. 555). Wie lange eine besondere Schuldschwere der Strafaussetzung entgegensteht, wird daher für den Gefangenen und für die Justizvollzugsanstalt zumeist erst im nachhinein deutlich, wenn nämlich das Vollstreckungsgericht die Entlassung ausspricht.
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aa) Die Ungewißheit über den Zeitpunkt der Aussetzung wird in den Stellungnahmen der Länder insbesondere als Problem der Entlassungsvorbereitung gesehen.
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Lediglich in Hamburg und Baden-Württemberg haben sich - ohne gesetzliche Grundlagen - Kontakte zwischen den Justizvollzugsanstalten und den Vollstreckungskammern herausgebildet, die den Justizvollzugsanstalten anscheinend zu einer verläßlichen Einschätzung der Länge der voraussichtlichen Verbüßungszeit verhelfen. In den anderen Ländern kommt ein solcher Kontakt nicht zustande. Andererseits sieht die Justizvollzugspraxis selbst die Erfüllung ihrer Aufgabe durch diese Ungewißheit als gefährdet an (vgl. P. Kühling, ZfStrVo 1986, 9 f.).
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bb) Sieht sich infolgedessen die Vollzugsanstalt veranlaßt, im Blick auf die Entlassungsvorbereitungen die Tatschuld selbständig zu bewerten, bleibt dies für die vollstreckungsgerichtliche Entscheidung nach § 57 a StGB unverbindlich; die daraus folgende Unbestimmtheit und Ungewißheit kann dann das eigentliche Ziel des Behandlungsvollzuges, nämlich die Wiedereingliederung des Verurteilten (§ 2 Satz 1 StVollzG), behindern. Schon Triffterer hatte in der mündlichen Verhandlung am 22. und 23. März 1977 zu dem Urteil vom 21. Juni 1977 dargelegt (vgl. BVerfGE 45, 187 [219]) - und der Erste Senat hat dies als einen wesentlichen Grund für die Abschaffung des Gnadenverfahrens angesehen (a.a.0., S. 243) -, daß ein von solchen Unsicherheiten belasteter Behandlungsvollzug der Wiedereingliederung des Gefangenen schadet (vgl. hierzu auch Bayer u.a., MschrKrim 1987 S. 171; vgl. auch Weber, ZRP 1990, 68 ff.). Wie oben (A.IV.4.a und d) dargestellt, hat das Land Berlin von Fällen berichtet, in denen die Strafvollstreckungskammer den von der Justizvollzugsanstalt notwendigerweise nur eingeschätzten möglichen Entlassungszeitpunkt nicht akzeptiert hat und daraufhin von der Justizvollzugsanstalt die Ablösung des Gefangenen vom Freigang verfügt werden mußte, da der Entlassungszeitpunkt nunmehr wieder ins Ungewisse gerückt war. Umgekehrt führt das Land Niedersachsen aus, daß Strafvollstreckungskammern deshalb, weil die Justizvollzugsanstalt eine längere Verbüßungsdauer angenommen hatte und daher der Gefangene nicht auf die Entlassung vorbereitet war, eine günstige Kriminalprognose nicht angenommen hätten und aus diesem Grunde die Verbüßungszeit länger angedauert habe, als es die Schuldschwere gerechtfertigt hätte.
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cc) Auch läßt sich jedenfalls nicht ausschließen, daß die Begründungselemente für die Einschätzung der Schuldschwere, zu der sich bisher die Justizvollzugsanstalt veranlaßt sah, die Würdigung des Vollstreckungsgerichts, ob eine besondere Schwere der Schuld vorliegt, mit beeinflussen können.
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Im Falle des Beschwerdeführers zu 1) hat die Justizvollzugskonferenz am 15. Januar 1985 eine eigene Einschätzung der besonderen Schwere der Schuld und ihrer vollstreckungsrechtlichen Auswirkungen vorgenommen:
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"Nach übereinstimmender Ansicht der Konferenzteilnehmer ist im Falle des VU P. die Annahme einer besonders schweren Tatschuld geboten, da dem VU mehr zur Last fällt, als zur Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe erforderlich war. Dieses zusätzliche Moment wird insbesondere in den besonderen Begleitumständen der Tat gesehen, so z.B. der überaus grausamen Behandlung des Opfers sowie der kaltblütigen Vorgehensweise. Die Konferenzteilnehmer gingen im Falle des VU P. von einer schuldangemessenen Verbüßungsdauer von 19 Jahren aus. Diese Verbüßungsdauer wurde zum einen als angemessener Schuldausgleich als ausreichend, aber unter Berücksichtigung der Tatbegehung auch als erforderlich angesehen".
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Die wesentlichen Elemente der Schuldschwereeinschätzung und ihre vollstreckungsrechtlichen Auswirkungen, die in den angegriffenen Entscheidungen wiederkehren, haben hier möglicherweise bereits eine Vorprägung erhalten.
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dd) Dieser Zustand fällt insoweit hinter das Maß an Verläßlichkeit zurück, auf welche das frühere Gnadenverfahren in seiner tatsächlichen Ausgestaltung zielte, da die Ministerpräsidenten als Gnadenherren durch die Justizbehörden hinsichtlich des Entlassungstermins mit der Anstalt kooperiert und sich insofern verläßlichen Selbstbindungen unterworfen hatten.
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b) § 454 Abs. 1 Satz 1 StPO ist verfassungskonform dahin auszulegen, daß im Falle der Verurteilung zu lebenslanger Freiheitsstrafe das Vollstreckungsgericht nicht nur darüber entscheidet, ob deren weitere Vollstreckung zur Bewährung auszusetzen ist, sondern im Falle der Ablehnung auch, bis wann die Vollstreckung - unbeschadet sonstiger Voraussetzungen und Möglichkeiten ihrer Aussetzung - unter dem Gesichtspunkt der besonderen Schwere der Schuld fortzusetzen ist.
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Der voraussichtliche Zeitpunkt einer Aussetzung der Strafvollstreckung muß dabei so rechtzeitig festgelegt werden, daß die Vollzugsbehörden die Vollzugsentscheidungen, die die Kenntnis dieses Zeitpunktes unabdingbar voraussetzen, ohne eigene Feststellung zur voraussichtlichen Verbüßungszeit so treffen können, daß die bedingte Entlassung nicht verzögert wird. Danach ist es von Verfassungs wegen erforderlich, aber auch genügend, daß die Strafvollstreckungsgerichte rechtzeitig vor Ablauf der Mindestverbüßungszeit von 15 Jahren - erforderlichenfalls auch vor Ablauf der in § 454 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 b) StPO bezeichneten Verbüßungszeit von 13 Jahren - erstmals über den Zeitpunkt der Strafaussetzung entscheiden und, falls sie bei dieser Entscheidung die bedingte Entlassung zum Ablauf der Mindestverbüßungszeit aus Gründen des § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB ablehnen, jedenfalls in den Gründen des Beschlusses mitteilen, wann auf der Grundlage der gegenwärtigen Beurteilung entsprechend einer vollstreckungsrechtlichen Gesamtwürdigung, der eine Prüfung der Umstände des § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB in der Regel nicht zugrunde liegen kann, mit einer Aussetzung zu rechnen ist. Diese zeitliche Festlegung kann nach den unter IV. 1. und 2. entfalteten Maßstäben - vorbehaltlich einer Änderung der für die Beurteilung maßgebenden Verhältnisse des Gefangenen - im Hinblick auf den Gesichtspunkt des § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB später nicht mehr geändert werden.
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Auszugehen ist hierbei davon, daß die Justizvollzugsanstalt die Staatsanwaltschaft und die Strafvollstreckungskammer unverzüglich unterrichten wird, wenn Änderungen in den maßgeblichen Verhältnissen des Gefangenen eintreten. Ob insoweit eine regelmäßige Nachprüfung von Amts wegen durch das Gericht geboten ist (vgl. etwa § 67 e Abs. 1 StGB), wird sich in der Praxis erweisen; der Gesetzgeber wird auch insoweit die Entwicklung zu beobachten haben.
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4. Soweit das Strafvollstreckungsgericht eine Sperrfrist für einen erneuten Aussetzungsantrag gemäß § 57 a Abs. 4 StGB festgesetzt hat, steht diese Frist nach dem Rechtsgedanken des § 79 Abs. 2 BVerfGG einer alsbaldigen Überprüfung am Maßstab der verfassungskonform ausgelegten Bestimmungen der §§ 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB, 454 Abs. 1 Satz 1 StPO nicht entgegen.
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V.
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Die angegriffenen Beschlüsse werden den dargelegten verfassungsrechtlichen Maßstäben nicht gerecht.
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1. a) Der Beschluß des Landgerichts vom 6. August 1987, der die Aussetzung der Strafe des Beschwerdeführers zu 1) ablehnte, hat im Ergebnis dennoch insoweit Bestand, weil er die Aussetzung auch wegen einer (noch) ungünstigen Kriminalprognose abgelehnt hat. Diese Begründung trägt den Beschluß selbständig.
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b) Dagegen genügen der Beschluß des Oberlandesgerichts vom 7. April 1988, mit dem die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers zu 1) gegen den Beschluß des Landgerichts zurückgewiesen wurde, und der Beschluß des Oberlandesgerichts vom 29. Dezember 1988 über die Gegenvorstellung dem oben unter III. dargelegten Maßstab nicht.
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Der Beschluß des Oberlandesgerichts vom 7. April 1988 würdigt das Urteil zunächst dahin, daß der Beschwerdeführer nicht nur einen Mord sondern in Tateinheit hierzu einen schweren Raub begangen und bereits damit ein schuldsteigerndes Merkmal verwirklicht habe; es seien ferner mehrere Mordmerkmale (Habgier, zur Verdeckung und zur Ermöglichung einer Straftat) erfüllt worden. Insoweit hält sich der Beschluß im Rahmen der verfassungsrechtlich zulässigen Wertung. Auch soweit das Oberlandesgericht ausführt, ein Motivbündel liege nicht vor, da die Habgier die besondere Verwerflichkeit des Beweggrundes kennzeichne, das Merkmal "zur Ermöglichung und zur Verdeckung einer Straftat" aber die besondere deliktische Zielsetzung erfasse, bewegt es sich im Bereich rechtsstaatlich unbedenklicher Auslegung und Anwendung des Strafrechts.
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Ein weiterer vom Oberlandesgericht als "tatschuldrelevant" herangezogener Umstand, den es schulderhöhend berücksichtigt, verläßt jedoch den Rahmen verfassungsrechtlich zulässiger Berücksichtigung der Ausführungen des Urteils. Das Oberlandesgericht geht davon aus, der Beschwerdeführer zu 1) habe die Tat "in grausamer Weise" ausgeführt, da er das Opfer zunächst durch einen Schuß lebensgefährlich verletzt, danach mehrfach auf das stöhnende und vor Schmerz schreiende Opfer eingeschlagen und es erst einige Zeit später durch mehrere Schüsse getötet habe. Diese Art und Weise der Tatausführung müsse aufgrund der eingehenden Feststellungen des Urteils hierzu als weiteres schuldsteigerndes Merkmal bewertet werden, wobei dem nicht entgegenstehe, daß in dem Urteil Grausamkeit als weiteres Mordmerkmal nicht angenommen worden sei.
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Mit diesen Ausführungen leitet das Oberlandesgericht zwar - insoweit zulässig - ein schulderschwerendes Moment aus den im Urteil festgestellten Umständen der Begehung der Mordtat her. Es durfte diese im Urteil beschriebene Tatausführung jedoch nicht als "grausam" charakterisieren; mit diesem Begriff umschreibt § 211 StGB ein Mordmerkmal; das Urteil deutet aber eine Qualifizierung des Vorganges als "grausam" nicht einmal an.
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c) Die Verfassungsbeschwerde ist auch deshalb begründet, weil die Beschlüsse des Landgerichts und des Oberlandesgerichts nicht die verfassungsrechtlich gebotene Auslegung des § 454 Abs. 1 Satz 1 StPO berücksichtigen, nach der sich das Vollstreckungsgericht zu der Frage zu äußern hatte, wann auf der Grundlage einer vollstreckungsrechtlichen Gesamtwürdigung zum Zeitpunkt der Beschlußfassung mit einer Aussetzung zu rechnen war.
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d) Mit seiner Rüge, das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG verlange die gesetzliche Festlegung einer generellen Obergrenze für die aus Gründen der besonderen Schwere der Schuld zu verbüßende Zeit der lebenslangen Freiheitsstrafe, hat der Beschwerdeführer keinen Erfolg. Zwar wird eine solche Festlegung in der Strafrechtswissenschaft gefordert oder doch vermißt (Dreher/Tröndle, a.a.0., § 57 a Rdnr. 7 a; von Bubnoff, JR 1982, 443; Systematischer Kommentar StGB-Horn, § 57 a Rdnr. 11; Groß, ZRP 1979, 135 f.; Fünfsinn, GA 1988, 173; Revel, a.a.O., S. 21). Im gegenwärtigen Zeitpunkt stellt sich jedoch nicht die Frage, ob - bei Fortgeltung des § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB - eine solche Regelung geboten ist. Erst wenn die vom Senat entfaltete verfassungskonforme Auslegung sowie die begrenzte Verwendbarkeit der Feststellungen des Schwurgerichtsurteils im Rahmen der vom Vollstreckungsgericht in der Übergangszeit zu treffenden Entscheidungen erprobt ist und sich abzeichnet, wie die Rechtsprechung die Kriterien der besonderen Schwere der Schuld und des Gebietens in die Festsetzung einer konkreten Verbüßungszeit umsetzt, hat der Gesetzgeber das erforderliche Erfahrungsmaterial, um prüfen zu können, ob ein hinreichend objektivierbarer Maßstab für die in jedem Einzelfall erforderliche Gesamtwürdigung zur Verfügung steht und damit ein genügender Grundrechtsschutz durch eine hinreichend sichere Rechtsanwendung gewährleistet ist (vgl. BVerfGE 45, 187 [252]). Dazu kann es sich allerdings nahelegen, daß der Gesetzgeber für die "Altfälle" in die Vorlagepflicht der Oberlandesgerichte nach § 121 Abs. 2 GVG auch die Beschwerden nach § 121 Abs. 1 Nr. 2 GVG einbezieht, wenn das Oberlandesgericht in der Auslegung des Tatbestandsmerkmals der besonderen Schwere der Schuld von einer Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofes abweichen will.
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e) Da der Beschwerdeführer inzwischen aus der Haft entlassen ist, bedarf es nur der Feststellung der Verletzung seiner Grundrechte durch die angegriffenen Entscheidungen und der Aufhebung und Zurückverweisung hinsichtlich des Kostenausspruchs über die sofortige Beschwerde.
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2. a) Der Beschluß des Landgerichts vom 17. Oktober 1988, mit dem die Aussetzung der Strafe des Beschwerdeführers zu 2) versagt wurde, geht in seiner Begründung von den Ausführungen des Beschlusses des Oberlandesgerichts vom 7. Oktober 1983 aus; mit ihm hatte das Oberlandesgericht seinerzeit die sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung der Strafaussetzung durch das Landgericht Freiburg verworfen. Dieser Beschluß vom 7. Oktober 1983 ist daher der verfassungsrechtlichen Beurteilung beider jetzt angegriffenen Beschlüsse zugrunde zu legen.
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Verfassungsrechtlich unbedenklich hat das Oberlandesgericht in die Prüfung der besonderen Schwere der Schuld einbezogen, daß der Beschwerdeführer wegen zweier rechtlich zusammentreffender Verbrechen des gemeinschaftlichen Mordes in Tateinheit mit besonders schwerem Raub zu lebenslangem Zuchthaus und wegen eines gemeinschaftlichen Verbrechens des Raubs und 16 weiterer Verbrechen des gemeinschaftlichen schweren Diebstahls zu einer Gesamtstrafe von acht Jahren Zuchthaus verurteilt wurde.
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Dagegen sind weitere, für die besondere Schwere der Schuld herangezogene Wertungen mit den zu III. dargestellten Grundsätzen nicht vereinbar.
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Zwar konnte das Oberlandesgericht ein schuldsteigerndes Moment aus den im Urteil getroffenen Feststellungen zu den Umständen und Auswirkungen des Tatgeschehens ableiten. Es hat dabei jedoch die strikte Bindung an die im Urteil ausdrücklich festgestellten Tatsachen nicht eingehalten. Das Urteil spricht zwar in dem Abschnitt über die "Persönlichkeit und Verantwortlichkeit des Angeklagten" davon, daß das "abnorm starke Machtgefühl" des Beschwerdeführers und "sein Antriebsüberschuß" "durch Gewissen und Gemüt nicht in Schranken gehalten" würden und dies "zu unkritischer Selbstüberschätzung, zu brutaler und rücksichtsloser Verletzung der Interessen anderer und zu impulsiven Entgleisungen" führe.
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Damit charakterisiert das Urteil aber nicht die konkreten Umstände der ihm zugrundeliegenden strafbaren Handlungen, sondern stellt subjektive Kriterien, insbesondere Charaktereigenschaften des Beschwerdeführers zu 2) dar, die ihn allgemein zu strafbarem Verhalten trieben. Aus den oben zu III. dargestellten Gründen dürfen die Vollstreckungsgerichte, solange sie in der Übergangszeit die Schuld noch selbst zu gewichten haben, solche subjektiven Umstände nicht zum Nachteil des Verurteilten heranziehen. Erst recht kommt es nicht in Betracht, diese im Urteil allgemein geschilderten Eigenschaften des Beschwerdeführers zu 2) auf die Charakterisierung der Ausführungen der konkreten Mordtat zu übertragen, wie es das Oberlandesgericht tut, wenn es von einer "außergewöhnlichen Brutalität der Tatausführung und der dabei deutlich werdenden Gemütskälte des Verurteilten, der außerordentlich verwerflichen Beweggründe ..., der ungewöhnlichen kriminellen Entschlossenheit und Gefährlichkeit" und einer kaltblütigen Verbrechensvorbereitung spricht. Ebenso wenig können die Beweggründe, die zur Kennzeichnung der Tötung als Mord aus Habgier sowie um eine andere Straftat zu ermöglichen und zu verdecken geführt haben, ohne die Anführung weiterer im Urteil festgesetzter Tatsachen erneut als "außerordentlich verwerflich" gekennzeichnet werden.
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Das Oberlandesgericht hält in seinem Beschluß vom 7. Oktober 1983 die ihm aufgegebene strikte Bindung an die Ausführungen des Urteils zum Tatgeschehen auch nicht ein, soweit es dieses schildert und meint, in ihm komme eine besondere verbrecherische Energie zum Ausdruck. Das Oberlandesgericht führt aus:
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"Für die besondere kriminelle Energie ist auch kennzeichnend, daß die beiden Mittäter schon Tage zuvor zur Tatbegehung angesetzt hatten und nur durch die Schließung der Bankfiliale gescheitert waren, ungeachtet dessen dann aber erneut zur Tat schritten."
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Das Tatgeschehen ist demgegenüber im Urteil sinngemäß wie folgt geschildert:
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"Die Täter entschlossen sich, die Tat am 9. August kurz vor 13.00 Uhr auszuführen; als sie an die Bankfiliale kamen, war sie schon geschlossen. Sie ließen deshalb für diesen Tag von der Tat ab (S. 27 des Urteils). Am 12. August gegen 10.00 Uhr unternahmen sie einen erneuten Versuch; diesen brachen sie ab, weil der Mittäter des Beschwerdeführers zu 2) Bedenken gegen die Tat äußerte und beide sich durch eine Polizeistreife beobachtet glaubten (S. 28 des Urteils). Die Täter ließen nun über eine Woche von der Tat ab. Erst am 19. August "kamen sie auf den geplanten Bankraub zurück", als sie kein Geld mehr hatten. Am 20. August bemühten sie sich um den Ankauf eines Kraftfahrzeuges, das sie entgegen ihrem früheren Plan zur Flucht benutzen wollten. Am 21. August fuhren sie mit dem Ziel, die Tat zu verwirklichen, zur Bankfiliale. "Sie gingen dann vor der Bank auf und ab, konnten sich aber nicht zu der Tat entschließen" (Urteil S. 31). Gegen 14.00 Uhr fuhren sie erneut zur Bankfiliale. "Wieder konnten sich die Angeklagten zum Hineingehen nicht entschließen und fuhren, nachdem sie einige Male auf und ab gegangen waren, in die Stadt zurück". Nachdem sie daraufhin in einer Gaststätte eingekehrt waren, "kamen sie zu dem Entschluß, die Sache nun endgültig auszuführen" (Urteil S. 32); das geschah dann am Nachmittag desselben Tages."
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Um eine besondere verbrecherische Energie des Beschwerdeführers zu 2) zu begründen, gibt das Oberlandesgericht das Geschehen vor der Tat so gerafft wieder, daß dies eine im Urteil nicht zum Ausdruck kommende besondere Zielstrebigkeit der Tatausführung zu belegen scheint.
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Das Landgericht erblickt darüber hinaus in dem angegriffenen Beschluß eine besondere Schwere der Schuld auch in der "kaltblütigen Hinrichtung zweier völlig schuldloser junger Menschen". Die darin zum Ausdruck kommende suggestive Akzentuierung erweist sich im Blick auf die im Urteil festgestellten Tatumstände zur Kennzeichnung einer besonderen Schwere der Schuld als willkürlich.
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b) Der Beschluß des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 23. Dezember 1988 unterliegt den gleichen Einwänden, da er den Beschluß des Landgerichts für beanstandungsfrei hält. Verfassungsrechtlich unbedenklich ist es allerdings, wenn das Oberlandesgericht in seine Erwägungen einstellt, der Beschwerdeführer zu 2) habe sich von der Tötung nicht abbringen lassen, obwohl der Mittäter immer wieder und bis zuletzt Einwendungen dagegen erhoben habe. Dies schildert das Urteil eingehend als einen Umstand des Tatgeschehens.
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c) Sowohl die Entscheidung des Landgerichts als auch die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde durch das Oberlandesgericht sind aufzuheben, weil nicht auszuschließen ist, daß ihre Auffassung, das "außerordentliche Schuldmaß" gebiete eine mehr als 20jährige Vollstreckung, auf den dargestellten verfassungsrechtlich unzulässigen Wertungen beruht.
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d) Die angegriffenen Beschlüsse unterliegen im übrigen den gleichen verfassungsrechtlichen Einwänden gegen die Anwendung des § 454 Abs. 1 StPO, die gegenüber den Beschlüssen geltend zu machen sind, die der Beschwerdeführer zu 1) angegriffen hat.
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e) Der Beschwerdeführer zu 2) war während der beiden Aussetzungsverfahren in den Jahren 1983 und 1988 nicht anwaltlich vertreten. Für die nunmehr zu treffende Entscheidung über seinen Antrag auf Aussetzung der lebenslangen Freiheitsstrafe ist ihm nach den Grundsätzen, die der Senat in seinem Beschluß vom 8. Oktober 1985 (BVerfGE 70, 297 [323]) dargelegt hat, ein Pflichtverteidiger beizuordnen; diese Entscheidung über die Dauer der weiteren Strafverbüßung ist von solchem Gewicht, daß ein Verurteilter von Verfassungs wegen eines Verteidigers bedarf, es sei denn, daß die Voraussetzungen einer Strafaussetzung zweifelsfrei vorliegen.
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Soweit der Beschwerdeführer zu 1) rügt, er sei nur von der Berichterstatterin angehört worden, liegt eine Verletzung des Grundrechts auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) nicht vor.
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Der Bundesgerichtshof hat zur Frage der Anhörung durch den vollbesetzten Spruchkörper oder einen beauftragten oder ersuchten Richter entschieden, daß die mündliche Anhörung des Verurteilten vor der Entscheidung über die Aussetzung des Strafrestes je nach Sach- und Verfahrensstand auch vor einem beauftragten oder ersuchten Richter stattfinden kann (BGHSt 28, 138). Dabei sei entscheidend, ob dem persönlichen Eindruck des Gerichts besondere Bedeutung zukomme, sowie die Bedeutung der Sache und die Schwierigkeit der Entscheidung (a.a.0., S. 141, 143). Dagegen ist von Verfassungs wegen nichts einzuwenden.
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Die Anhörung des Beschwerdeführers zu 1) nur durch die Berichterstatterin der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts verkennt nicht die Bedeutung und Tragweite der Grundrechte des Beschwerdeführers (vgl. BVerfGE 18, 85 [92 f.]). Denn kurze Zeit vor der Anhörung war ein Sachverständigengutachten zur Kriminalprognose erstellt worden; darin hieß es - insoweit vom Beschwerdeführer zu 1) nicht beanstandet -, für eine günstige Prognose sei es erforderlich, daß der Beschwerdeführer zu 1) zuvor seine Ausbildung erfolgreich abgeschlossen habe. Dies war erst im Jahre 1990 der Fall.
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VII.
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Die Entscheidung über die notwendigen Auslagen folgt aus § 34 a Abs. 2 und 3 BVerfGG.
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D. | |
Die Entscheidung ist im Ergebnis einstimmig, zu den einzelnen Teilen der Begründung mit wechselnden Mehrheiten ergangen.
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Angesichts der Bedeutung dieser Entscheidung für die Verfassungsmäßigkeit des Verfahrens, in dem über die weitere Vollstreckung einer lebenslangen Freiheitsstrafe entschieden wird, bedaure ich, den Beschluß in der Begründung nicht in allen Punkten mittragen zu können.
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Eine verfassungsrechtliche Notwendigkeit, die besondere Schwere der Schuld im Sinne des § 57 a StGB nach Maßgabe der Grundsätze für die Strafzumessung (§ 46 Abs. 2 StGB) im Erkenntnisverfahren festzustellen, vermag ich nicht zu erkennen (I.). Selbst wenn man dem Senat darin folgte, halte ich die Voraussetzungen für eine dahingehende verfassungskonforme Auslegung der einschlägigen Bestimmungen nicht für gegeben (II.). Der verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verpflichtet den Gesetzgeber, sich von der lebenslangen Freiheitsstrafe jedenfalls insoweit zu trennen, als sie - in den §§ 211 Abs. 1 und 220 a Abs. 1 Nr. 1 StGB - als absolute Strafe angedroht ist, d.h. als eine Strafe, die Zumessungserwägungen nach § 46 StGB ausschließt (III.).
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I.
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Der Senat ist der Auffassung, der Gesetzgeber habe mit der Einfügung des § 57 a StGB eine Regelung getroffen, die das Prinzip der Schuldangemessenheit der Strafe zur Grundlage hat (C.I.2.a). Infolge dessen sei auch für die Feststellung besonderer Schwere der Schuld (§ 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB) der Rückgriff auf die Strafzumessungsgesichtspunkte des § 46 StGB geboten, was aber nur im Rahmen des schwurgerichtlichen Erkenntnisverfahrens geschehen dürfe (C.II.).
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1. a) Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat in seinem Urteil vom 21. Juni 1977 dem Gesetzgeber anheimgestellt, bei der Festlegung des Entlassungszeitpunkts im Rahmen der gebotenen Regelung der Aussetzung der Vollstreckung lebenslanger Freiheitsstrafen auch den Unrechts- und Schuldgehalt der der Verurteilung zugrunde liegenden Mordtat zu berücksichtigen (BVerfGE 45, 187 [251]). Verfassungsrechtlich verpflichtet ist der Gesetzgeber also zu einer solchen Regelung nicht. Vielmehr könnte die Aussetzung der Vollstreckung lebenslanger Freiheitsstrafen - auch unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Aussagen zum Schuldgrundsatz und zum Prinzip des schuldangemessenen Strafens - verfassungsrechtlich bedenkenfrei allein an eine bestimmte Mindestverbüßungsdauer und eine günstige Kriminalprognose (sowie an die Einwilligung des Verurteilten) geknüpft werden. Schon das spricht dagegen, daß mit der in § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB vorgeschriebenen Berücksichtigung von besonderer Schwere der Schuld notwendig die Schuld des Täters im Sinne der Strafzumessungsgrundsätze des § 46 StGB gemeint sei. Für Mord hat der Gesetzgeber in § 211 Abs. 1 StGB überdies die Schuldangemessenheit einer Strafe in Gestalt der lebenslangen Freiheitsstrafe schon auf der normativen Ebene bestimmt und damit dem Richter insoweit keinen Raum mehr für tatbezogene Schuldgewichtung und individuelle Strafzumessung nach den Kriterien des § 46 StGB gelassen.
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b) Die Senatsentscheidung führt in ein Dilemma: Wenn Schuld im Sinne des § 57 a StGB - in der Regel Schuld an einem Mord -, "schuldangemessen" bestimmt und damit den im Erkenntnisverfahren für die zeitige Freiheitsstrafe geltenden Grundsätzen der Strafzumessung unterworfen werden soll, dann kann nicht mehr gleicherweise auch von der lebenslangen Freiheitsstrafe selbst als einer "schuldangemessenen" gesprochen werden. Sie bekommt damit vielmehr den Charakter einer "Freiheitsstrafe von mindestens 15 Jahren" und ist im übrigen im Vollstreckungsverfahren nur noch Anknüpfungspunkt für eine 15 Jahre übersteigende Strafvollstreckung aufgrund besonderer Schwere der Schuld. Was nach Erkenntnisverfahren und Vollstreckungsverfahren vom Gesetzgeber sorgsam getrennt worden ist, läßt sich nicht, ohne Verwirrung über den Begriff des "Schuldangemessenen" zu stiften, in einem Verfahren zusammenführen.
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Nach § 211 Abs. 1 StGB ist die lebenslange Freiheitsstrafe zwingende Rechtsfolge der Erfüllung eines der Mordtatbestände. Die zweite ebenso so zwingende Rechtsfolge ist die 15-jährige Mindestdauer der Verbüßung der lebenslangen Freiheitsstrafe nach § 57 a Abs. 1 StGB. Auch diese ist mithin die Folge der Ausklammerung der Grundsätze der Strafzumessung, wie sie § 46 Abs. 2 StGB "namentlich" aufführt. Wenn nun gerade das als gesetzliches Verbot wirkende Hindernis, Schuld in der Strafzumessung wegen Mordes individuell zu bestimmen, auch für die Mindestverbüßungszeit von 15 Jahren konstitutiv ist, kann nicht daneben für das gleiche Gericht im gleichen Verfahren ein Gebot bestehen, die eben ausgeklammerten Strafzumessungsgesichtspunkte heranzuziehen, um gegebenenfalls die Voraussetzungen für eine längere Strafverbüßung aus Gründen der besonderen Schwere der Schuld zu schaffen. Hat das Gesetz bei der Verurteilung zu lebenslanger Freiheitsstrafe die individuelle Strafzumessung ausgeschlossen, können deren Grundsätze auch nicht bei der Aussetzungsentscheidung herangezogen werden, um eine auf der Verurteilung beruhende weitere Rechtsfolge - allein zum Nachteil des Täters - zu verändern. Dies verwehrt das Analogieverbot (hierzu zuletzt ausführlich BVerfGE 71, 108 [114 ff.], bekräftigt BVerfGE 73, 206 [234 ff.]).
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2. a) Abgesehen davon, daß der Senat von seinem Standpunkt aus die hinreichende Bestimmtheit der Schuldschwereklausel an Art. 103 Abs. 2 GG und nicht am Rechtsstaatsprinzip hätte prüfen müssen, da er sie ja (gleich einem strafschärfenden oder strafmildernden Merkmal) nach den Strafzumessungsprinzipien des § 46 StGB angewandt wissen will, hat er nach meinem Urteil die Systematik des geltenden Rechts verkannt. Folgt man ihr, läßt sich die jeweilige besondere Schuldschwere rechtsstaatlich bedenkenfrei bestimmen.
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Der Gesetzgeber wollte nichts an der Strafe für Mord ändern, sondern die Länge ihrer Vollstreckung ordnen. Dem entspricht auch die Systematik des Strafgesetzbuches: § 46 gehört innerhalb des Abschnitts "Rechtsfolgen der Tat" zum Zweiten Titel "Strafbemessung", § 57 a dagegen zum Vierten Titel "Strafaussetzung zur Bewährung". Dieser Abschnitt handelt in allen seinen Bestimmungen davon, ob die verhängte Strafe - überhaupt oder vollständig - vollstreckt wird. Folgerichtig ist § 57 a StGB durch Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 eng mit § 57 Abs. 1 StGB verflochten und ihm systematisch nachgebildet worden.
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Der Begriff der besonderen Schwere der Schuld weist also schon dadurch, daß er seinen Ort im materiellen Strafvollstreckungsrecht gefunden hat, auf die der stattfindenden Strafvollstreckung zugrunde liegende Schuld. Sie wurde im Urteil abschließend (materiell rechtskräftig) festgestellt. Die Urteilsformel ist die alleinige formelle Grundlage der Strafvollstreckung (§ 451 Abs. 1 StPO). Wo die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten die "weitere Vollstreckung gebietet", handelt es sich um die Strafvollstreckung aus eben dieser Urteilsformel. Denn die positive Würdigung der besonderen Schuldschwere durch den Vollstreckungsrichter führt zur Ablehnung der Aussetzung der Vollstreckung aus dem Urteil, mithin zu ihrer Fortsetzung aufgrund des Urteils, stellt also nicht die Anordnung weiterer Strafverbüßung aufgrund eines erneuten Schuldspruchs dar; hierzu bedürfte es einer eigenständigen Hauptverhandlung (vgl. BVerfGE 74, 358 [371 ff.]).
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Für die Ausübung tatrichterlicher Funktionen (so u.a. OLG Karlsruhe, JR 1988, 164) ist hier kein Platz.
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Die Schuldwürdigung des Vollstreckungsgerichts ist dementsprechend von der Schuldfeststellung des Urteils darin abhängig, daß vollstreckungsrechtlich relevante Schuld begrenzt ist auf die Schuld, die im Urteilsspruch abgeurteilt worden ist. Diese Schuld allerdings würdigt das Vollstreckungsgericht unabhängig vom Urteil dahin, ob sie besonders schwer ist und wenn ja, ob sie die weitere Vollstreckung auch gebietet. Die Schuld hat ihre alleinige Grundlage in der Tat, die abgeurteilt worden ist. Die Beurteilung der Schuldschwere hat ihre alleinige Grundlage in der Urteilsformel und den tatsächlichen und rechtlichen Ausführungen der Gründe. Für die Schuldwürdigung nach § 57 a StGB bei den bisherigen Verurteilungen legt der Senat prinzipiell den gleichen rechtsstaatlich orientierten Maßstab an, wobei er auf die Revisibilität der Umstände, die in einem Urteil mitgeteilt werden, verweist (C.III.).
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b) Für die Schuld, die nach § 57 a StGB vom Vollstreckungsrichter daraufhin zu würdigen ist, ob sie besonders schwer wiegt, kommen hiernach alle Feststellungen in Betracht, ohne die der Schuld- und Rechtsfolgenausspruch keinen Bestand hätte, also insbesondere
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- mehrere Opfer bei ein und derselben Tat,
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- die tatmehrheitliche Begehung von Mordtaten,
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- die Erfüllung weiterer Straftatbestände durch ein und dieselbe Tat (z.B. "Raubmord"),
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- weitere im Urteil abgeurteilte Straftaten,
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- Straftaten, die zusammen mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe zu einer - gegebenenfalls nachträglichen - Gesamtstrafe der lebenslangen Freiheitsstrafe (§§ 54 Abs. 1 Satz 1, 55 Abs. 1 StGB, 460 StPO) zusammenfassend zu würdigen sind (§ 57 b StGB).
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In allen diesen Fällen liegen die strafrichterlichen Feststellungen der schuldhaften Verwirklichung von Straftatbeständen in einem Urteil vor. Diese Schuld, die für das Strafvollstreckungsgericht unanfechtbar feststeht, muß darauf hin gewogen werden, ob sie das Gewicht des vollstreckungsrechtlichen Tatbestandsmerkmals der besonders schweren Schuld erreicht. Damit werden auch die meisten Fälle der Anwendung des § 57 a StGB erfaßt (vgl. hierzu Revel, Anwendungsprobleme der Schuldschwereklausel des § 57 a StGB, Diss. Köln 1989, S. 75 ff.).
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Entsprechend diesem Ansatz war im Gesetzgebungsverfahren ausschließlich von abgeurteilten Straftaten die Rede, aus denen eine besondere Schwere der Schuld zu erheben sein sollte. So sprach der Regierungsentwurf als Beispiel für besondere Schuldschwere vom "Massenmord der unter widerwärtigsten Begleitumständen" geschehen ist (BT-Drucks. 8/3218 S. 7). Der Baden-Württembergische Justizminister Eyrich (CDU) ging gleichfalls von abgeurteilten Taten aus (8. Bundestag, 181. Sitzung, S. 14248 f.).
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Abgrenzungsprobleme mögen im einzelnen auftauchen; ihre Klärung ist Sache der Rechtsprechung und Wissenschaft. Sie verändern das Bild eines handhabbaren vollstreckungsrechtlichen Begriffs der besonderen Schuldschwere nicht. Dies gilt auch für strafrechtsdogmatische Zweifel hinsichtlich der Berücksichtigung mehrerer Mordmerkmale, vor allem solcher der subjektiven Gruppe (vgl. Revel a.a.O., S. 119 f.). Ausgeschlossen ist indessen die Annahme einer Schuldsteigerung durch besonders intensive Verwirklichung eines einzigen Mordmerkmals; ob eine Tat besonders grausam oder besonders habgierig ist, dies festzustellen, wäre Sache des Erkenntnisverfahrens. Der Tatbestand des § 211 StGB bietet aber keine Handhabe, dem nachzugehen. Ausgeschlossen ist nach der Gesetzessystematik, wie dargelegt, ebenso der Rückgriff auf die Strafzumessungsgesichtspunkte des § 46 StGB.
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Kann sich der Richter im Vollstreckungsverfahren aus rechtsstaatlichen Gründen für die Umstände, die die besondere Schwere der Schuld ausmachen, nur auf die tragenden Gründe des Urteils beziehen, so ist er bei der Berücksichtigung schuldmildernder Umstände freier. Solche Umstände (etwa der schwächere Vorsatz eines Mittäters) hat das Vollstreckungsgericht - wie im Falle des Mittäters des Beschwerdeführers zu 2) auch tatsächlich geschehen - zu bewerten, obschon sie wegen der absoluten Strafe zu den tragenden Gründen des Urteils nicht gehören können. Sie müssen sich allerdings aus dem Urteil ergeben. Im übrigen läßt nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Wissenschaft das Tatbestandsmerkmal des "Gebietens" in § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB Raum für die Berücksichtigung weiterer Umstände, die zu einer Verkürzung der durch die besondere Schwere der Schuld gerechtfertigten Vollstreckungszeit führen können.
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3. Der Senat wendet das Verfassungsprinzip schuldangemessenen Strafens gegen den Täter. Damit irritiert und verformt dieses Prinzip als frei schwebendes Verfassungsprinzip den Begriff der Schuld, der als strafrechtlicher Begriff aus rechtsstaatlichen Gründen nur aus dem System des Strafrechts selbst erhoben werden kann. Dort, nicht im Grundgesetz, hat der Gesetzgeber die Entscheidung über Schuld und Unschuld im strafrechtlichen Sinne getroffen (Art. 103 Abs. 2 GG).
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a) Seit der erstmaligen Artikulation dieses Prinzips (noch ohne Begriffsbildung als Prinzip der Schuldangemessenheit) im Urteil vom 10. Mai 1957 (BVerfGE 6, 389 [439]) ist es als ein die staatliche Strafgewalt begrenzendes Prinzip verstanden worden; in dem Urteil wird gesagt, ein hiergegen verstoßendes Strafgesetz könne nicht Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung sein. Auch der Senat verankert das Prinzip in seiner heutigen Entscheidung in eben jenen Verfassungssätzen und verfassungsgerichtlichen Entscheidungen, aus denen sich der die staatliche Strafgewalt begrenzende Charakter dieses Verfassungsprinzips ergibt. In einer dieser Entscheidungen (BVerfGE 73, 206 [253]) verknüpft das Gericht das Gebot "schuldangemessenen Strafens" ausdrücklich mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der übermäßige Sanktionen untersagt, einerseits und andererseits mit dem Übermaßverbot, das in jener Entscheidung zugleich mit dem verfassungsrechtlichen Gebot des sinn- und maßvollen Strafens verbunden worden ist. Daß Verhältnismäßigkeitsprinzip und Übermaßverbot als eine dem Gesetzgeber gezogene Schranke "auf dem gleichen Holz wachsen" und in strafrechtlicher Betrachtung mit dem verfassungsrechtlichen Schuldgrundsatz identisch sind, hat der Senat schon frühzeitig festgestellt (BVerfGE 34, 261 [267]). Der Senat begründet nicht, warum er die rechtsstaatliche Intention und Begrenzung dieses Prinzips verläßt.
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Schuldangemessenes Strafen ist Sache des Staates. Allein das Gesetz bestimmt, wo und wieweit er strafen darf (Art. 103 Abs. 2 GG). Ein Prinzip, das jenseits des positiven Rechts Schuld in einem dem Täter nachteiligen Sinne zu berücksichtigen ermächtigte, widerspräche dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG). Keine Verfassungsauslegung darf der wichtigsten Funktion des Strafrechts als Gesetzesrecht entgegenstehen, der Staatsgewalt Grenzen zu ziehen.
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b) Gefahren verfassungsrechtlicher Prinzipienbildung durch das Gericht werden hier offenkundig. Sind solche Prinzipien erst einmal formuliert, entfalten sie ein Eigenleben und können je nach gegebener argumentativer Notwendigkeit veränderte oder gar neue Inhalte aufnehmen. Das läßt nach der verfassungsrechtlichen Legitimation solcher Prinzipienbildung fragen. Im Bereich des materiellen Strafrechts ist ihre Problematik am größten.
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Der Senat hat bei einer anderen Prinzipienschöpfung, der "Aufrechterhaltung einer funktionstüchtigen (Straf-)Rechtspflege", das als strafrechtliches Prinzip aus dem Rechtsstaat folge (zuerst BVerfGE 33, 367 [383]; vgl. auch BVerfGE 46, 214 [222] m.w.N.), die Gefahr rechtsstaatswidriger Entgrenzung erkannt und spricht nunmehr von den "Erfordernissen einer an rechtsstaatlichen Garantien ausgerichteten Strafrechtspflege" (BVerfGE 80, 367 [375]; kritisch zu einem anderen dem Grundgesetz entnommenen Topos, der "verfassungsrechtlichen Grundentscheidung für eine wirksame militärische Landesverteidigung", die abweichende Meinung zum Urteil des Senats vom 24. April 1985, BVerfGE 69, 1 [58 ff.]).
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Die Ableitung verfassungsrechtlicher Prinzipien kann in der Sache naheliegend und in der Methode zuverlässig sein. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip gehört - bei aller Problematik im einzelnen - dazu; es hat auch in die Rechtsordnung anderer Nationen Eingang gefunden (vgl. Kutscher u.a., Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in europäischen Rechtsordnungen, Rechtsstaat in der Bewährung, Bd. 15, 1985). Im Prozeßrecht hat die Entfaltung des Rechtsstaatsprinzips zur Rezeption der Unschuldsvermutung der Europäischen Menschenrechtskonvention in das Grundgesetz geführt (vgl. BVerfGE 19, 342 [347]). Eine weitere Verdichtung des Rechtsstaatsprinzips ist der Grundsatz des fairen Verfahrens. In diesen Prinzipienschöpfungen wurde die inhaltliche Intention des Rechtsstaatsprinzips befolgt; ihre Entscheidungserheblichkeit war in der Regel gegeben; die Einschlägigkeit des Maßstabs war im konkreten Fall nicht schon zugleich ein Hinweis auf das Ergebnis; die Grundsätze bleiben eingebunden in das System des Prozeßrechts und sind in dessen rechtsstaatlich genauer Ausformung bereits angelegt.
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Der Senat hat in zwei Entscheidungen (BVerfGE 57, 250 [275 f.]; 70, 297 [308 f.]) die Tugend verfassungsrichterlicher Behutsamkeit als methodisches Leitprinzip im Umgang mit dem Rechtsstaatsprinzip hervorgehoben. Geht das Gericht anders vor, würde es als Staatsorgan, das öffentliche Gewalt ohne Kontrolle ausübt, in die Gefahr geraten, durch die Entwicklung von Verfassungsprinzipien lediglich seine Herrschaft über Gebiete des positiven Rechts zu etablieren. Zur Zeit besteht, jedenfalls auf dem Gebiet des materiellen Strafrechts, ein ungeordnetes Nebeneinander sich ähnelnder, begrifflich unscharfer Verfassungsprinzipien, das, würde die Strafrechtsprechung es ständig vor Augen haben, die Bindung an das positive Recht lockerte, auf dessen Beachtung - entgegen der Redewendung vom "einfachen Recht" - der Rechtsstaat beruht.
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II.
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Meines Erachtens hat der Senat die Grenzen, die dem Bundesverfassungsgericht in der verfassungskonformen Auslegung des § 74 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 GVG und insoweit auch den §§ 454, 462 a StPO gezogen sind, überschritten. Er hätte nach dem Ergebnis seiner verfassungsrechtlichen Erörterung § 462 a StPO insoweit, als die Bestimmung die Feststellung besonderer Schwere der Schuld als Frage des Vollstreckungsrechts dem Vollstreckungsrichter überantwortet hat, für nichtig erklären und bis zu einer gesetzlichen Neuregelung eine entsprechende Übergangsregelung treffen müssen.
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1. a) Der Senat nimmt die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung auch dort an, wo innerhalb eines aus materiellem Recht und Prozeßrecht bestehenden Regelungssystems das Prozeßrecht mit der Verfassung kollidiert, das materielle Recht hingegen einer mit dem Grundgesetz vereinbaren Auslegung im Sinne dessen offensteht, was der Gesetzgeber "vor allem zu erreichen bestrebt war" (C.II.4.a). Sind aber materielles Recht und Prozeßrecht aufeinander bezogen, so muß das, was der Gesetzgeber im materiellen Strafrecht "vor allem zu erreichen bestrebt war", unter Berücksichtigung auch der prozeßrechtlichen Vorschriften bestimmt werden. Es handelt sich, wie der Senat richtig bemerkt, um ein "aufeinander abgestimmtes gesetzliches Regelungssystem". Gerade die Bestimmungen der §§ 454 Abs. 1 Satz 1, 462 a Abs. 1 StPO machen erst deutlich - wie hier unter I.2. ausgeführt -, welche Intention der Gesetzgebung zugrunde liegt.
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Wenn § 57 a StGB nach der Systematik des Strafgesetzbuches eine Vorschrift des materiellen Vollstreckungsrechts ist und demgemäß die §§ 454, 462 a Abs. 1 Satz 1 StPO davon sprechen, daß die Aussetzungsentscheidungen nach den §§ 57 bis 58 StGB vom Vollstreckungsrichter zu treffen sind, so heißt dies nichts anderes, als daß Entscheidungen nach diesen Bestimmungen dem auf die Anklage erkennenden Gericht entzogen sein sollen. Dahin ist der Gesetzgeber von Wissenschaft und Rechtsprechung ausnahmslos verstanden worden. Nicht zuletzt qualifiziert die Entscheidung des Senats vom 24. April 1986 die Prüfung, ob die besondere Schuldschwere die weitere Vollstreckung der Strafe gebietet, ausdrücklich als eine "dem Strafvollstreckungsrichter abverlangte Entscheidung" (BVerfGE 72, 105 [114 f.]).
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Auch der Senat kann nicht umhin festzustellen, daß eine Auslegung des § 462 a StPO, die zu dem Ergebnis führte, die Strafvollstreckungsgerichte seien für die Entscheidungen nach § 57 a StGB zuständig, verfassungswidrig wäre und hieraus eine Teilnichtigkeit der Gesamtregelung der §§ 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB i.V.m. § 454 Abs. 1 Satz 1, 462 a Abs. 1 Satz 1 StPO folgte (C.II.4.). Nun ist aber eine andere Auslegung des § 462 a Abs. 1 Satz 1 StPO als die, daß die Strafvollstreckungskammer für die Entscheidungen zu § 57 a StGB zuständig ist, gar nicht möglich, denn so steht es im Gesetz. Also ist davon auszugehen, daß dies der Wille des Gesetzgebers ist. Ein Rekurs auf das, was er vor allem zu erreichen bestrebt war, führt demgegenüber ein Interpretament ein, das nicht zur verfassungskonformen Auslegung des Gesetzes führt, sondern zur "verfassungskonformen Auslegung" eines vom Senat festgestellten Willens des Gesetzgebers, der im Gesetz keinen Ausdruck gefunden hat. Diese Differenz mag bei einer mehrdeutigen Norm Beachtung verlangen. Bei eindeutigem Norminhalt führt sie über die Normauslegung - und damit auch über ihre verfassungskonforme Justierung - hinaus.
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Infolgedessen war dem Senat verschlossen, sich darauf zu berufen, daß seine Auslegung "das Maximum" dessen aufrecht erhalte, was der Gesetzgeber gewollt hat. Zunächst kommt es nicht darauf an, was der Gesetzgeber gewollt hat, sondern darauf, was die in Rede stehende Norm selbst besagt. Sodann aber hat die vom Senat angezogene Entscheidung BVerfGE 49, 148 (157) lediglich eine einzige Norm, § 554 b Abs. 1 ZPO, zum Gegenstand der Prüfung gehabt. Hier besagt der Begriff des "Maximum" nicht mehr, als was in dem dort in bezug genommenen Beschluß (BVerfGE 47, 327 [380]) ausgeführt wird: "Ist jedoch eine einschränkende verfassungskonforme Auslegung möglich, dann kommt es nicht darauf an, ob dem subjektiven Willen des Gesetzgebers die weitergehende, dem Grundgesetz nicht entsprechende Auslegung eher entsprochen hätte". Das ist etwas anderes, als ein ganzes Regelungsgefüge in Teilmengen zu zerlegen und hiervon ein angenommenes Maximum bestehen zu lassen.
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b) Die "Normerhaltung" erweist sich bei näherem Zusehen als formal, weil sie um den Preis eines erheblichen Eingriffs in das Prozeßrecht erkauft wird. Die Schwurgerichtslösung hat zur Konsequenz ein - je nach den Umständen der Tat - mehr oder weniger weit eröffnetes, jedenfalls vollkommen neues Feld des Erkenntnisverfahrens. Damit beeinflußt die Entscheidung sowohl Gegenstand und Umfang der Anklage und der Verteidigung wie auch der Beweisaufnahme. Sie führt schließlich zu einem neu erschlossenen Gebiet der Revision. Letztlich wird der Zug, der zur Anwendung des Tatbestandsmerkmals der besonderen Schwere der Schuld in § 57 a Abs. 1 StGB führt, auf ein anderes Gleis gesetzt.
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c) Es geht hier um das "aliud", das außerhalb der Grenzen verfassungskonformer Auslegung liegt (vgl. K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 18. Aufl., Rdnr. 83; vgl. auch Benda/Klein, Lehrbuch des Verfassungsprozeßrechts, 1991, Rdnr. 1198 f.). Die Plenarentscheidung vom 11. Juni 1980 hebt neben dem Wortlaut darauf ab, ob "die gesetzgeberischen Grundentscheidungen, Wertungen und die darin angelegten Zwecke der Regelung" nicht angetastet werden (BVerfGE 54, 277 [299]). Weder die vom Senat herangezogenen Entscheidungen noch eine andere bieten die Hand, im vorliegenden Fall mit der verfassungskonformen Auslegung zu helfen.
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2. Wenn das hier erörterte Regelungsgefüge dem Verfassungsrecht nicht standhalten könnte, geböte der Respekt vor dem Gesetzgeber, ihm das Wort zu lassen. Der Bundesjustizminister hätte die Auffassung der Schwurgerichte, der Strafsenate beim Bundesgerichtshof und der Staatsanwaltschaften eruiert und auf der Grundlage dieser breiten Erfahrungs- und Problemaufbereitung und nach deren Erörterung in den Justizministerien der Länder den gesetzgebenden Körperschaften einen Gesetzentwurf vorgelegt, der entweder eine Klarstellung der bisherigen Interpretation der Vorschriften oder die Verwirklichung der Auffassung des Senats oder einen Verzicht auf die Schuldschwereklausel oder sogar einen umfassenden Neuansatz zum Problem der lebenslangen Freiheitsstrafe hätte bringen können. Gerade diese Wahlmöglichkeiten zeigen sichtbar die Grenze der verfassungskonformen Auslegung an (hierzu treffend Kl. Schlaich, Das Bundesverfassungsgericht, 2. Aufl., 1991, Rdnr. 416).
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3. Der Senat hat § 454 Abs. 1 Satz 1 StPO verfassungskonform dahin ausgelegt, daß die Strafvollstreckungskammer die Entscheidung über die Länge der Verbüßungszeit aufgrund der besonderen Schuldschwere so rechtzeitig zu treffen hat, daß die Justizvollzugsanstalten mit der Vorbereitung der Entlassung rechtzeitig beginnen können; die Entscheidung ist unter dem Vorbehalt der Änderung der ihr zugrunde gelegten persönlichen Verhältnisse nicht mehr abänderbar. Diese Auslegung des § 454 Abs. 1 Satz 1 StPO trage ich mit. Wenn das Gesetz davon spricht, daß die Entscheidung "ob die Vollstreckung" zur Bewährung ausgesetzt werden soll, das Vollstreckungsgericht trifft, so liegt in dem "Ob" der Sache nach notwendig auch das "Wie lange". Diese Auslegung findet in ihrer Intention einen gewichtigen gesetzlichen Anhaltspunkt in § 454 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 b); sie läßt dem Gesetzgeber, solange er an der lebenslangen Freiheitsstrafe festhält, nach den Darlegungen des Maßstabs unter C.III. keine Wahl, dem Freiheitsgrundrecht des zu Verurteilten auf eine andere Weise zu genügen; sie verbleibt schließlich in dem vom Gesetzgeber bestimmten Gerichtsgang.
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III.
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Es war nicht Aufgabe des Senats, in eine verfassungsrechtliche Überprüfung des § 211 Abs. 1 StGB einzutreten. Die Entscheidung des Senats macht aber ungewollt deutlich, daß der Gesetzgeber das Problem der lebenslangen Freiheitsstrafe in ihrem Charakter als absoluter Strafandrohung für Mord nicht länger ignorieren kann. Die vom Senat behauptete Notwendigkeit, daß das Schwurgericht Feststellungen zu einer besonderen Schuldschwere mittels der Grundsätze des § 46 StGB im Erkenntnisverfahren trifft, führt die Fadenscheinigkeit des absoluten Charakters der lebenslangen Freiheitsstrafe bei Mord deutlich vor Augen (vgl. oben unter I.1).
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Der Erste Senat legt in seinem Urteil vom 21. Juni 1977 dar, daß gerade der Charakter der lebenslangen Freiheitsstrafe zu einer besonders strengen Bindung an den Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit nötige (BVerfGE 45, 187 [261]). Um so überraschender ist allerdings seine Folgerung, daß dem das positive Recht Rechnung trage. Sie scheint mir näherer Prüfung nicht standzuhalten. Denn die vom Ersten Senat angeführten Umstände lassen den wesentlichen Faktor gerade außer Betracht: die Möglichkeit, nach § 46 StGB die Schuld des Täters zu gewichten und in Strafzumessungserwägungen zum Ausdruck zu bringen. Das positive Recht klammert mit der absolut wirkenden Strafandrohung nach § 211 StGB den verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in der Anwendung auf den Einzelfall aus. Während der des Totschlags überführte Angeklagte nach § 212 Abs. 1 StGB ein Recht darauf hat, daß die Strafe nach den Strafzumessungsgrundsätzen zwischen fünf und fünfzehn Jahren festgesetzt und zuvor geprüft wird, ob ein minderschwerer Fall nach § 213 StGB vorliegt, der das Strafmaß auf die Zeitspanne zwischen sechs Monaten und fünf Jahren herabsetzt (mit den Rechtswohltaten des § 56 StGB), hält das Gesetz für den einer Mordtat Schuldigen weder die verhältnismäßige Bestimmung seiner Strafe bereit noch sieht es vor, daß es auch bei Mord den minderschweren Fall geben kann. Die Bejahung eines Mordmerkmals kann auf diese Weise im Grenzfall für den Verurteilten zum Verhängnis werden. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist beispielsweise der Anregung des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts zur Einschränkung des Mordmerkmals "um eine andere Straftat zu verdecken" (BVerfGE 45, 187 [267]), "zu Recht" nicht gefolgt (Timpe, NStZ 1989, 70). Gerade die Auslegung und Anwendung des genannten Mordmerkmals durch die höchstrichterliche Rechtsprechung macht deutlich, wie haarfein (und schwankend) die Grenze zwischen Mord und Totschlag nach der objektiven wie nach der subjektiven Seite, mit den genannten weittragenden Folgen für einen Angeklagten, gezogen wird (vgl. BGH, NStZ 1989, 68 mit Anm. von Timpe a.a.O.).
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Mögen solche Abgrenzungen auch tatbestandsimmanent plausibel sein, so ist doch in Ansehung der einschneidenden Rechtsfolgen der Bejahung oder Verneinung eines Mordmerkmals die Grenze dessen, was das Verhältnismäßigkeitsprinzip und der Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 103 Abs. 2 GG zulassen, überschritten. Die Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes sind um so strenger, je einschneidender die Rechtsfolgen sind. Der Senat hat an diese gefestigte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in der heutigen Entscheidung angeknüpft (C.I.1.).
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Daß auch bei Mordmerkmalen Fälle minderschwerer Schuld vorliegen können, weiß die Fachwelt (vgl. z.B. Eser, Gutachten D für den 53. Deutschen Juristentag [1980], S. D 86 ff.). Dies wirft die Frage auf, warum der Gesetzgeber nicht seine Schlüsse daraus zieht, zumal - soweit ersichtlich - nur in England, in der Schweiz und in Österreich die lebenslange Freiheitsstrafe als absolute Strafe (in Österreich nur für Völkermord) angedroht ist.
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Eser schildert als Konsequenz eine schwurgerichtliche Tendenz, den Mordtatbestand zu vermeiden (a.a.0., S. D 54); das Gesetz wird also in dem Bestreben nach Einzelfallgerechtigkeit partiell ohnehin bereits jetzt ignoriert (vgl. schon BVerfGE 45, 187 [261]). Denselben Vorwurf hat die Wissenschaft gegenüber der Entscheidung des Großen Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 19. Mai 1981 (BGHSt 30, 105) erhoben, als er den Konsequenzen der absoluten Freiheitsstrafe unter Berufung auf das Urteil des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 45, 187) auf der Rechtsfolgenseite ausgewichen ist.
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Gerade aus der zunehmenden Geltung eines rechtspolitischen Verhältnismäßigkeitsprinzips hatte schon der Entwurf eines Strafgesetzbuches für den Norddeutschen Bund die Zahl der mit der Todesstrafe bedrohten Delikte ganz erheblich reduziert (vgl. Motive zu dem Entwurfe eines Strafgesetzbuches für den Norddeutschen Bund, 1869, S. 28 zu § 9); der Entwurf glaubte mit seinem Vorschlag "demjenigen Gesetze zu folgen, welches in dieser Frage vorzugsweise Anspruch hat, gehört zu werden: dem Gesetze historischer Rechtsentwickelung" (a.a.0. S. 29 f.). Es ist dies eine mehr formale Beschreibung der zunehmenden Geltung des Verhältnismäßigkeitsprinzips. § 211 StGB scheint jetzt aber gegenüber einer nunmehr verfassungsrechtlich begründeten Herrschaft des Verhältnismäßigkeitsprinzips immun zu sein.
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Der Senat hat in einer Erwägung, die von mir mitgetragen wird, darauf hingewiesen, daß das Fehlen einer gesetzlichen Obergrenze für die Verbüßung einer lebenslangen Freiheitsstrafe aus Gründen der besonderen Schwere der Schuld ein Grundrechtsproblem ist, auch wenn es sich gegenwärtig aus seiner Sicht nicht als regelungsbedürftig stellt (C.V.1.d). Auch darin liegt ein Hinweis, dem Problem der lebenslangen Freiheitsstrafe als absolut angedrohter nicht weiterhin auszuweichen.
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Nach meiner Ansicht verletzen die in der Beschlußformel bezeichneten Gerichtsentscheidungen die Beschwerdeführer nur deshalb in ihren Grundrechten, weil die Strafvollstreckungsgerichte bei der Ablehnung einer Strafaussetzung aufgrund des § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB nicht darüber entschieden haben, bis zu welchem Zeitpunkt die besondere Schwere der Schuld der Verurteilten die Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe noch gebietet (vgl. dazu C.IV. sowie V.1.c) und 2.d) des Senatsbeschlusses). Soweit der Senat dagegen eine weitergehende Grundrechtsverletzung angenommen hat, entsprechen weder die Ausführungen zu dem verfassungsrechtlichen Maßstab (C.II. und III.) noch die daraus abgeleitete Subsumtion (C.V.1.b und d, 2.a und b) meiner Auffassung.
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1. In Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bin ich der Ansicht, daß § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB uneingeschränkt mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
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a) Nach dem Urteil des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juni 1977 (BVerfGE 45, 187 [251]) ist es zulässig, bei der durch das Rechtsstaatsprinzip gebotenen gesetzlichen Regelung der Voraussetzungen, unter denen die Vollstreckung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden kann, zu bestimmen, daß der Entlassungszeitpunkt unter Berücksichtigung des Unrechts- und Schuldgehalts der zugrunde liegenden Tat festzulegen ist. Dem trägt § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB Rechnung.
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Unter Hinweis darauf hat der Zweite Senat im Beschluß vom 24. April 1986 (BVerfGE 72, 105 [113 f.]) entscheidungstragend ausgesprochen, daß gegen die Vorschrift des § 57 a StGB von Verfassungs wegen nichts zu erinnern sei. Der Gesetzgeber habe die Voraussetzungen, unter denen die weitere Vollstreckung lebenslanger Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen ist, in einer Weise bestimmt, die sich ersichtlich in dem durch das Grundgesetz vorgegebenen Rahmen halte. Insbesondere begegne es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, daß die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten die Vollstreckung der Strafe über die 15jährige Verbüßungszeit hinaus gebieten könne. Der Gesetzgeber habe so, an das Urteil vom 21. Juni 1977 anknüpfend, dem Schuldgrundsatz auch für die gerichtliche Aussetzungsentscheidung Geltung verschafft, nicht zuletzt in Rücksicht darauf, daß das individuelle Schuldmaß bei der absoluten Strafe für Mord oft nicht bei der Strafbemessung im Erkenntnisverfahren zum Ausdruck komme. Zur weiteren Begründung hat der Senat auf seinen Beschluß vom 28. Juni 1983 (BVerfGE 64, 261 [271 f.]) verwiesen.
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Dort ist ausgeführt, das Prinzip der Schuldangemessenheit der Strafe beherrsche nicht nur die Zumessung der Strafe (§ 46 Abs. 1 Satz 1 StGB), sondern auch die Regelung der Aussetzung eines Strafrestes bei lebenslanger Freiheitsstrafe, wie sie der Gesetzgeber mit Wirkung vom 1. Mai 1982 durch die Einfügung des § 57 a in das Strafgesetzbuch getroffen habe. Auch die Gnadenpraxis zuvor habe sich davon leiten lassen, daß die Schuldschwere ein Versagungsgrund für die Entlassung des Gefangenen sei. Dies sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Zwar sei die schwerste Strafe ohnehin nur bei besonders schwerer Schuld im Sinne des in § 46 Abs. 1 Satz 1 StGB verwendeten Schuldbegriffs verwirkt. Das schließe jedoch nicht aus, in diesem Bereich weiter zu differenzieren. Anders als bei der zeitigen Freiheitsstrafe und der Geldstrafe besage die Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe zunächst nur, daß jedenfalls ein Mindestmaß so schwerer Schuld erreicht sei, das diese Höchststrafe als schuldangemessen erscheinen lasse. Die Schwere der Schuld könne dieses Mindestmaß im Einzelfall jedoch erheblich überschreiten, ohne daß dies im Strafausspruch deutlich werden könnte. Eben dieser Umstand solle aber nach dem Willen des Gesetzgebers bei der Frage der Strafaussetzung Berücksichtigung finden. Überschreite die Schwere der Schuld im Einzelfall das für die lebenslange Freiheitsstrafe vorausgesetzte "Mindestmaß" an Schuld deutlich, sei die weitere Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe über 15 Jahre hinaus geboten (§ 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB). Dies könne im Einzelfall - verfassungsrechtlich unbedenklich - zur Folge haben, daß die Strafe im Wortsinn ein Leben lang vollstreckt werde. Sonst würde die lebenslange Freiheitsstrafe zwangsläufig entwertet und über die Strafaussetzungsregelung praktisch abgeschafft. Ein menschenwürdiger Vollzug dieser Strafe wäre indessen nicht mehr sichergestellt, wenn dem Verurteilten ungeachtet der Entwicklung seiner Persönlichkeit von vornherein jegliche Hoffnung genommen würde, seine Freiheit - wenn auch erst nach langer Strafverbüßung - wiederzuerlangen. Deshalb müsse auch der mit besonders schwerer Tatschuld beladene Gefangene die grundsätzlich realisierbare Chance erhalten, seine Freiheit wiederzugewinnen. Fallgestaltungen, die es strikt verwehrten, dem innerlich gewandelten, für die Allgemeinheit ungefährlich gewordenen Gefangenen auch nach sehr langer Strafverbüßung, selbst im hohen Lebensalter, die Wiedergewinnung der Freiheit zu gewähren, und ihn damit auch von vornherein zum Versterben in der Haft verurteilten, seien dem Strafvollzug unter der Herrschaft des Grundgesetzes grundsätzlich fremd.
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b) Diese Rechtsprechung verdient nach wie vor Zustimmung. Ihr Ergebnis wird durch die in Abschnitt C.I. des vorliegenden Beschlusses dargelegten Gründe zusätzlich gestützt: Dort wird zutreffend ausgeführt, daß § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB auch dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot genügt.
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2. Die in Abschnitt C.II. bezeichneten verfassungsrechtlichen Bedenken des Senats erscheinen mir demgegenüber nicht durchgreifend. Sie betreffen nur die Fälle einer Verurteilung wegen Mordes (§ 211 StGB) und richten sich ausschließlich gegen das Verfahren, in dem nach den §§ 454, 462 a StPO die besondere Schuldschwere im Sinne des § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB beurteilt wird. Der materiell-rechtliche Gehalt der gesetzlichen Schuldschwereklausel wird dadurch nicht in Frage gestellt. Auch die vom Senat gegen das Verfahren, insbesondere gegen die Zuständigkeit der Strafvollstreckungsgerichte, erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken sind nicht gerechtfertigt. Von daher besteht von vornherein kein Anlaß, das Verfahren zur Feststellung einer besonderen Schuldschwere korrigierend einer "verfassungskonformen Auslegung" zu unterwerfen, deren unter C.II.4. und C.III. des Senatsbeschlusses dargestellte Folgen nach meiner Ansicht auch den verfassungsrechtlich unbedenklichen materiell-rechtlichen Inhalt des § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB verändern.
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Die Frage, ob und in welcher Weise die besondere Schwere der Schuld im Sinne des § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB gerichtlich festgestellt werden sollte, läßt sich auf der Ebene des Straf- und Strafprozeßrechts sowie der Rechtspolitik diskutieren; in diesem Rahmen mag man darüber streiten, ob der Gesetzgeber für das mit der Schuldschwereklausel verfolgte Anliegen verfahrensrechtlich die angemessenste und zweckmäßigste Lösung vorgesehen hat. Verfassungsrechtlich erscheint es mir jedoch unbedenklich, daß nach dem Gesetz die Strafvollstreckungsgerichte im Rahmen ihrer Entscheidung über die Aussetzung der Vollstreckung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe wegen Mordes auch die Frage nach einer besonderen Schwere der Schuld des Verurteilten zu beurteilen haben.
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a) Die gegenteilige Auffassung des Senats läßt sich in drei Argumentationsschritte gliedern: 1. Der Schuldbegriff des § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB entspreche inhaltlich dem in § 46 Abs. 1 Satz 1 StGB verwendeten Begriff der Strafmaßschuld. Die Beurteilung einer besonderen Schwere der Schuld im Sinne der Aussetzungsvorschrift setze daher die Feststellung und Abwägung aller nach den Maßstäben des Strafrechts, insbesondere des § 46 Abs. 2 StGB, schulderschwerenden und schuldmindernden Umstände voraus. 2. Im Falle einer Verurteilung wegen Mordes müsse das Urteil aufgrund der absoluten Strafdrohung des § 211 Abs. 1 StGB die für das Strafmaß sonst erforderliche erschöpfende Feststellung und Würdigung aller schuldrelevanten Umstände nicht enthalten. Es biete daher für die Beurteilung der besonderen Schwere der Schuld durch das Strafvollstreckungsgericht keine zuverlässige Grundlage. 3. Die Regelung des Strafaussetzungsverfahrens vor den Strafvollstreckungsgerichten genüge nicht den rechtsstaatlichen Mindesterfordernissen, die an eine zuverlässige Wahrheitserforschung bei der Feststellung strafrechtlicher Schuld zu stellen seien.
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b) Der erstgenannten Überlegung stimme ich zu. Aus ihr folgt indessen auch in Verbindung mit dem unter C.II.3.a) des Senatsbeschlusses dargelegten verfassungsrechtlichen Maßstab nicht, daß die Beurteilung der besonderen Schwere der Schuld im Sinne des § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB von Verfassungs wegen nicht den Strafvollstreckungsgerichten überlassen werden darf.
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aa) Eine förmliche Feststellung im Strafurteil, ob eine besonders schwere Schuld im Sinne des § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB vorliegt, ist von Verfassungs wegen nicht geboten. Die besondere Schuldschwere ist nach dem Gesetz weder eine Qualifikation der Straftat noch ein Strafschärfungsgrund im Sinne des § 12 Abs. 3 StGB, über die sich das Urteil verhalten müßte. Sie ist vielmehr Element - der Senat spricht von "Vorfrage" - einer Gesamtwürdigung des Strafvollstreckungsgerichts, wenn die Frage zu entscheiden ist, von welchem Zeitpunkt an eine Strafaussetzung unter Berücksichtigung der Schuldschwere in Betracht kommt.
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bb) Die Entscheidung über die besondere Schwere der Schuld im Rahmen des § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB ist der Feststellung des Schuldmaßes und der darauf beruhenden Strafzumessung durch das Prozeßgericht im Hauptverfahren nicht gleichzusetzen. Es bestehen erhebliche rechtliche Unterschiede, die bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung nicht außer Betracht bleiben dürfen.
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Das Strafvollstreckungsgericht entscheidet über die Aussetzung der Vollstreckung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe in einem strafprozessualen Nachverfahren, dem eine rechtskräftige Verurteilung des Strafgefangenen vorausgegangen ist. Die Schuld des Verurteilten ist also bereits aufgrund eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens rechtskräftig festgestellt, die lebenslange Freiheitsstrafe als schuldangemessene Strafe im Hauptverfahren rechtskräftig festgesetzt worden. Das Strafvollstreckungsgericht hat darüber nicht neu zu befinden. Es hat im Rahmen seiner Entscheidung nach § 57 a StGB weder die Strafmaßschuld neu festzustellen noch die schuldangemessene Strafe neu festzusetzen. Obwohl die Entscheidung darüber, ob und in welchem Maße die besondere Schuldschwere eine Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe über die Mindestverbüßungszeit von 15 Jahren hinaus gebietet, in mancher Hinsicht der Strafzumessung ähnelt und obwohl insoweit für die Beantwortung der Frage, welche Umstände schuldrelevant sind und wie sie schuldmindernd oder schulderhöhend in die Abwägung einzustellen sind, grundsätzlich die gleichen rechtlichen Maßstäbe gelten wie bei der Strafzumessung nach § 46 StGB, ist die Aufgabe des Strafvollstreckungsgerichts doch eine andere als die, die das Prozeßgericht im Hauptverfahren bei der Strafzumessung zu erfüllen hat. Die Entscheidung des Strafvollstreckungsgerichts ändert nichts an der Beurteilung der Schuldangemessenheit der durch das Prozeßgericht im Hauptverfahren festgesetzten lebenslangen Freiheitsstrafe. Sie wandelt diese - wovon auch der Senat ausgeht - nicht in eine zeitige Freiheitsstrafe um. Das ergibt sich daraus, daß die lebenslange Freiheitsstrafe weitervollstreckt wird, wenn die Kriminalprognose (§ 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 in Verbindung mit § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB) ungünstig ausfällt oder die Aussetzung des Strafrestes widerrufen werden muß.
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Im Aussetzungsverfahren hat das Strafvollstreckungsgericht zu entscheiden, ob der rechtskräftig zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilte, falls er einwilligt (§ 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 in Verbindung mit § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB), nach einer Mindestverbüßungszeit von 15 Jahren (§ 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB) vorzeitig zur Bewährung in die Freiheit entlassen werden kann. Dazu hat es die schwierige Frage zu beantworten, ob verantwortet werden kann zu erproben, ob der Verurteilte außerhalb des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird (§ 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 in Verbindung mit § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB).
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Ferner hat das Strafvollstreckungsgericht zu entscheiden, ob die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten auch bei günstiger Kriminalprognose die weitere Vollstreckung der Strafe über die Mindestverbüßungszeit hinaus gebietet. Eine Schuldfeststellung ist ihm damit nicht aufgegeben. Grundlage der Beurteilung, ob eine besondere Schwere der Schuld vorliegt, ist das rechtskräftige Strafurteil. An dessen Feststellungen zu den schuldrelevanten Tatsachen sowie an deren Würdigung durch das Prozeßgericht ist das Strafvollstreckungsgericht nach im wesentlichen übereinstimmender Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum gebunden; zu ihnen darf es sich nicht in Widerspruch setzen. Damit ist nach meiner Auffassung in einer dem Rechtsstaatsgebot genügenden Weise die Gewähr gegeben, daß die Tatsachengrundlage der von dem Strafvollstreckungsgericht vorzunehmenden Prüfung der Schuldschwere auf einem mit hinreichenden Verteidigungsgarantien ausgestatteten Verfahren beruht.
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cc) Die Auffassung, das wegen Mordes eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängende Urteil bilde nach heutiger Praxis keine hinreichend zuverlässige Grundlage für eine Bewertung der Schuldschwere durch das Strafvollstreckungsgericht, teile ich nicht.
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Die Tatsachenfeststellungen des Prozeßgerichts im Strafurteil bilden nach den dafür maßgeblichen strafrechtlichen und strafprozessualen Regeln eine genügende Grundlage für diese Würdigung des Strafvollstreckungsgerichts. Eine Verurteilung wegen Mordes kann sich nicht darauf beschränken, gerade nur diejenigen Tatsachen festzustellen, in denen die gesetzlichen Merkmale des § 211 Abs. 2 StGB gefunden werden. Erforderlich ist eine geschlossene, ins einzelne gehende Darstellung des gesamten mit der Tat zusammenhängenden Geschehens einschließlich der Vor- und Nachgeschichte der Tat. Dies gilt nicht nur für den äußeren Ablauf der Ereignisse, sondern auch für die darauf bezogenen subjektiven Vorstellungen, Einstellungen und Motive des Täters. Erst aufgrund einer solchen Darstellung des gesamten Tatgeschehens vermag das Revisionsgericht zu prüfen, ob das Tatgericht die den gesetzlichen Tatbestand des Mordes erfüllenden Tatsachen aufgrund einer rechtsfehlerfreien Würdigung des Sachverhalts zutreffend festgestellt hat. Darüber hinaus sind auch die Urteilsfeststellungen zum Vorleben des Täters regelmäßig nicht zufälliges Beiwerk, das für die Entscheidung keine Bedeutung hat und daher auch fehlen könnte; sie betreffen vielmehr Umstände, die in einem Zusammenhang mit der Tat stehen oder doch jedenfalls stehen können und die daher die Schuldfrage berühren. Dies sei an einigen Beispielen verdeutlicht:
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"Grausam" tötet, wer dem Opfer aus gefühlloser unbarmherziger Gesinnung Schmerzen oder Qualen körperlicher oder seelischer Art zufügt, die nach Stärke oder Dauer über das für die Tötung erforderliche Maß hinausgehen. Die Feststellung von Grausamkeit erfordert daher neben der Prüfung des äußeren Tatbildes eine solche der Gesinnung und des Gemütszustandes des Täters (vgl. BGH, BGHR StGB § 211 Abs. 2 grausam 1).
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"Habgier" bedeutet nach der Rechtsprechung der Strafgerichte ein rücksichtsloses Streben nach Vermögensmehrung, das in aller Regel durch eine ungehemmte, triebhafte Eigensucht bestimmt wird. Wenn - wie nicht selten - neben Gewinnstreben auch andere Motive der Tat zugrunde liegen (Motivbündel), ist nicht auf eine Einzelbetrachtung der Beweggründe abzustellen. Es ist vielmehr eine Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Täters vonnöten, insbesondere der ihn beherrschenden Vorstellungen und Erwägungen, so wie sie wirklich bestimmend geworden sind, um festzustellen, wie der entscheidende Beweggrund oder die maßgeblichen Motive, durch die der Tatentschluß seine wesentliche Kennzeichnung erfahren hat, zu bewerten sind (vgl. BGH, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Habgier 1).
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"Heimtücke" erfordert u.a. ein Handeln aus feindseliger Gesinnung gegenüber dem Opfer. Auch das kann eine Aufklärung der Motive des Täters fordern (vgl. BGH, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 14).
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Das Vorliegen eines "niedrigen Beweggrundes" beurteilt sich aufgrund einer Gesamtwürdigung, welche die Umstände der Tat, die Lebensverhältnisse des Täters und seine Persönlichkeit einschließt. Das erfordert eine Gesamtwürdigung aller Umstände des Tatgeschehens, vor allem der Motivlage, die ohne die Vorgeschichte der Tat und die psychische Verfassung des Täters häufig nicht beurteilt werden kann (vgl. BGH, BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 1, 6, 8, 11). Das gilt zumal dann, wenn eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit in Betracht kommt (vgl. BGH, BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 2, 4).
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Das leitet über zu dem schon im Urteil des Ersten Senats vom 21. Juni 1977 (BVerfGE 45, 187 [261 f.]) hervorgehobenen Umstand, daß die Androhung der lebenslangen Freiheitsstrafe für Mord in der Rechtswirklichkeit weniger absolut ist, als es auf den ersten Blick den Anschein hat. In vielen Fällen kommt eine Strafmilderung wegen erheblich verminderter Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) in Betracht. Eine zutreffende Beurteilung dieser Frage ist nur unter Einbeziehung der zur Tat hinführenden Antriebe des Beschuldigten, ihrer Art und ihrer Stärke möglich (vgl. BGH, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Befriedigung des Geschlechtstriebs 4). Auch die Strafmilderung für außergewöhnliche Fälle, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor allem beim Heimtückemord in entsprechender Anwendung des § 49 StGB stattfinden kann, erfordert eine umfassende Würdigung des Tatgeschehens und der zur Tat hinführenden Umstände einschließlich der Motivlage auch in der dem eigentlichen Tatgeschehen vorgelagerten Lebenssituation (vgl. BGH, BGHR StGB § 211 Abs. 1 Strafmilderung 1, 2).
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Aus diesen Rechtsgrundsätzen ergibt sich für das Prozeßgericht die Notwendigkeit, nicht nur das eigentliche Tatgeschehen, sondern auch das Vorleben des Täters, soweit ein Bezug zur Tat naheliegt, festzustellen und im Urteil nachvollziehbar darzustellen. Diese Feststellungen unterliegen dann auch der Nachprüfung durch das Revisionsgericht. Dies gilt auch bei einer Verurteilung zu lebenslanger Freiheitsstrafe wegen Mordes, wie nicht zuletzt die unter C.II.3.a) des Senatsbeschlusses zitierte Tagebuchentscheidung des Senats (BVerfGE 80, 367 [378]) belegt.
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Daraus folgt weiter, daß das Strafurteil von Rechts wegen eine umfassende Darstellung des Tatgeschehens sowie der Persönlichkeit und der Lebensverhältnisse des Täters zu enthalten hat, soweit sie für die Schuldfrage erheblich sein kann. Auch wenn diese Feststellungen nicht im Blick auf § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB getroffen werden, enthalten sie doch praktisch alles Tatsachenmaterial, das auch für die Beurteilung einer besonderen Schuldschwere im Sinne dieser Vorschrift in Betracht kommt.
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dd) Die Bewertung dieser Tatsachen im Blick auf die besondere Fragestellung des § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB ist eine Rechtsprechungsaufgabe, die im Rechtsstaat auch dem Strafvollstreckungsgericht übertragen werden darf, das gerade aufgrund seiner vom Gesetzgeber intendierten Vollzugsnähe in besonderem Maße berufen ist, die besondere Schwere der Schuld in Beziehung zu setzen zu den Auswirkungen eines langjährigen Strafvollzugs auf den Verurteilten.
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Auf der Grundlage des Strafurteils hat das Strafvollstreckungsgericht selbständig darüber zu entscheiden, ob eine besondere Schwere der Schuld die weitere Vollstreckung der Strafe über die Mindestverbüßungszeit hinaus gebietet. Auch bei der dazu notwendigen Beurteilung der Schuldschwere darf es sich allerdings nicht in Widerspruch zu Schuldbewertungen setzen, die etwa in dem Strafurteil enthalten sind.
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Nach der gesetzlichen Konzeption, die sich darin von der "Schwurgerichtslösung" des Senats unterscheidet, steht die Beurteilung der Schuldschwere durch das Strafvollstreckungsgericht indessen nicht für sich. Nach dem Gesetz besteht ein nicht auflösbarer Zusammenhang mit der Beurteilung der weiteren Frage, ob die besondere Schwere der Schuld die weitere Strafvollstreckung gebietet. Das Strafvollstreckungsgericht hat eine auf den Zeitpunkt seiner Entscheidung abgestellte Gesamtwürdigung vorzunehmen, ob der Zweck der Strafe, einem gerechten Schuldausgleich zu dienen, mit Blick auf die besondere Schuldschwere gebietet, dem Verurteilten die - von der Verfassung grundsätzlich geforderte - Chance, seine Freiheit wiedererlangen zu können, erst nach einer längeren als der Mindestverbüßungszeit zu eröffnen. Dazu ist die Schuldschwere in Beziehung zu anderen relevanten Umständen zu setzen; in Betracht kommen die Auswirkungen des Strafvollzuges auf den Verurteilten, insbesondere die Entwicklung seiner Persönlichkeit im Strafvollzug und die Verarbeitung der Schuld unter dem Einfluß des Vollzuges, etwaige Sühneanstrengungen, ein durch den Zeitablauf vermindertes Sühnebedürfnis der Allgemeinheit, aber auch nicht tatbezogene Umstände in der Person des Verurteilten, die seine Strafempfindlichkeit beeinflussen können, wie etwa eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes oder ein vorgerücktes Lebensalter (vgl. Dreher/Tröndle, StGB, 45. Aufl., § 57 a StGB Rdnr. 7 b). Erst dadurch, daß derart die Schuldschwere zu anderen relevanten Umständen in Beziehung gesetzt wird, läßt sich das Gewicht bestimmen, das ihr für die Dauer der Verbüßungszeit im Einzelfall zukommt. Diese für die Aussetzungsentscheidung notwendige Bewertung kann das Prozeßgericht im Hauptverfahren nicht leisten. Die vom Senat befürwortete "Schwurgerichtslösung" mag zwar dazu beitragen, daß das Strafvollstreckungsgericht eine bessere Beurteilungsgrundlage für seine Abwägung erhält. Sie verfehlt indessen den Sinnzusammenhang der durch § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB vorgeschriebenen Gesamtwürdigung, indem sie eines ihrer Elemente, die besondere Schwere der Schuld, isoliert und seine Feststellung und Bewertung dem Prozeßgericht im Hauptverfahren zuweist. Der entscheidende Abwägungsvorgang, durch den unter Berücksichtigung der besonderen Schuldschwere die Verbüßungszeit bestimmt wird, bleibt auch nach dem Konzept des Senats dem Strafvollstreckungsgericht vorbehalten. Das zeigt, daß aus dem Rechtsstaatsprinzip hergeleitete Bedenken gegen eine Bewertung der Schuld durch das Strafvollstreckungsgericht unbegründet sind. Die Zuständigkeit des Strafvollstreckungsgerichts für die Kriminalprognose stellt der Senat ebenfalls nicht in Frage, obwohl im Blick auf die Unsicherheiten einer Prognose menschlichen Verhaltens, von der für den Verurteilten nach langjähriger Strafverbüßung die Entscheidung über Freiheit oder Unfreiheit abhängt, die Anforderungen an die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens und der Handhabung der materiellen Entscheidungskriterien nach meiner Ansicht schwerlich geringer sein können als bei der Anwendung der Schuldschwereklausel. Auch das weist darauf hin, daß - bezogen auf die nach § 57 a StGB zu beurteilenden Fragen - die Verfahrensregeln für das Strafaussetzungsverfahren durchaus den Mindesterfordernissen eines fairen, rechtsstaatlichen Verfahrens grundsätzlich genügen.
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3. Die unter C.II.4. des Senatsbeschlusses dargestellte verfassungskonforme Auslegung des für die Aussetzungsentscheidung maßgebenden Verfahrensrechts ("Schwurgerichtslösung") halte ich allerdings unter der - vom Senat bejahten, von mir verneinten - Voraussetzung für zulässig (wenn auch wegen der zu befürchtenden praktischen Erschwerung der Mordprozesse nicht für zweckmäßig), daß die Beurteilung der besonderen Schwere der Schuld (§ 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB) im Falle des Mordes nicht den Strafvollstreckungsgerichten überlassen werden darf. Daraus ergeben sich gemäß § 17 BVerfGG in Verbindung mit § 195 GVG Folgen für die Abstimmung über diese Frage im Senat.
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4. Das gilt indessen nicht in bezug auf die "Übergangslösung" für die bisherigen Verurteilungen zu lebenslanger Freiheitsstrafe wegen Mordes (C.III. des Senatsbeschlusses). Diese Übergangslösung, auf die allein es für die Entscheidung über die Verfassungsbeschwerden ankommen kann, ist auch bei einer verfassungskonformen Auslegung des Verfahrensrechts im Sinne der "Schwurgerichtslösung" so nicht geboten. Sie schränkt die Entscheidungsgrundlage für die Beurteilung einer besonders schweren Schuld durch die Strafvollstreckungsgerichte ohne verfassungsrechtlich zwingenden Grund in ungerechtfertigter Weise ein. Es erscheint überraschend und inkonsequent, daß aus der grundsätzlichen Forderung nach umfassender Feststellung und Abwägung der individuellen Schuld im Strafurteil die Folgerung abgeleitet wird, in den Übergangsfällen habe der Strafvollstreckungsrichter vor bestimmten schuldrelevanten Tatsachen, die sich aus dem Strafurteil ergeben, von Verfassungs wegen die Augen zu verschließen. Die Ausführungen zu diesem Punkt lassen überdies Anwendungsschwierigkeiten in der gerichtlichen Praxis befürchten; denn sie lassen nicht klar erkennen, welche Tatsachen der Strafvollstreckungsrichter bei seiner Entscheidung nicht zur Kenntnis nehmen darf. Es sollen wohl nicht nur diejenigen schuldrelevanten Umstände des Tatgeschehens berücksichtigt werden, die Merkmale gesetzlicher Tatbestände ausfüllen. Andererseits sollen auch nicht alle Teile der Sachverhaltsdarstellung, die das Tatgeschehen im Sinne eines geschichtlichen Vorgangs näher beschreiben und damit nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs den Schuldspruch tragen (vgl. BGHSt 30, 340 [343 f.]), in die Schuldabwägung einbezogen werden, wie die ausdrückliche Ausklammerung von Beweggründen, Zielen, Gesinnung und weiteren subjektiven, die Tatschuld prägenden Kriterien, soweit sie nicht der Annahme eines Mordmerkmals dienen, zeigt. Der Ausschluß dieser subjektiven Kriterien, aus denen sich vielfach erst die gesteigerte Verwerflichkeit einer Mordtat ergibt, ist in höchstem Maße ungerecht und widerspricht nach meiner Ansicht geradezu dem im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden Gebot, die Strafe in ein gerechtes Verhältnis zur Schwere der Tat und zum Verschulden des Täters zu setzen. Ebenso halte ich es für nicht gerechtfertigt, daß Feststellungen zum Vorleben des Täters von der Berücksichtigung generell ausgeschlossen sind. Die Strafgerichte nehmen auch diese Feststellungen von Rechts wegen nicht zwecks romanhafter Ausschmückung in das Urteil auf, sondern weil die festgestellten Umstände für die Beurteilung der Schuld erheblich sein können. Schwer nachvollziehbar ist weiterhin die Aussage, das Strafvollstreckungsgericht dürfe auch die zu den Umständen der Ausführung und Auswirkung der Tat getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht in einer Weise bewerten, "die über den Gehalt der unbezweifelbaren schwurgerichtlichen Wertung hinausgeht". Die Bewertung und Gewichtung der im Urteil festgestellten schuldrelevanten Tatumstände im Blick auf die besondere Fragestellung des § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB ist die dem Strafvollstreckungsgericht zugewiesene und nur von ihm zu erfüllende Aufgabe; sie darf nicht daran scheitern, daß das Strafurteil sich einer Wertung schuldrelevanter Tatumstände enthält, weil es dieser Wertung im Blick auf § 211 Abs. 1 StGB nicht bedurft hat. Soweit in Einzelfällen Strafvollstreckungsgerichte aus Urteilsfeststellungen neue Tatsachenfeststellungen ableiten, die nicht im Urteil enthalten sind - dies ist ein Hauptbedenken des Senats -, kommt nach meiner Ansicht nur ein Verstoß gegen das Strafverfahrensrecht, nämlich gegen die Bindungswirkung des rechtskräftigen Strafurteils, in Betracht. Verfassungsrecht wird dadurch in der Regel nicht berührt (vgl. BVerfGE 18, 85 [92 ff.]). Dem Grundgesetz ist nach meiner Auffassung auch keine "Sprachregelung" für die Formulierungen zu entnehmen, mit denen das Strafvollstreckungsgericht schuldrelevante Tatumstände zu umschreiben und zu werten hat. Das im Rang unter der Verfassung stehende Straf- und Strafverfahrensrecht enthält die Maßstäbe, nach denen etwaige Wertungsfehler der Strafvollstreckungsgerichte bei der Schuldabwägung im Rahmen des § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB zu beurteilen sind. Für den Rechtsstaat ist wesentlich, daß die Gerichte ihre Entscheidungen an diesen gesetzlichen Maßstäben ausrichten; dagegen ist es für die Rechtsentwicklung eher abträglich, solche Maßstäbe selbst unter Berufung auf das Rechtsstaatsprinzip in den Rang verfassungsrechtlicher Gebote zu erheben.
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Nach meiner Auffassung hätte man es in den Übergangsfällen durchaus den Strafvollstreckungsgerichten überlassen können, anhand der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen, ob und inwieweit in den Strafurteilen enthaltene Feststellungen zu schuldrelevanten Umständen - insbesondere wenn sie dem weiteren Umfeld der Tat angehören - mit der gebotenen Sorgfalt und Vollständigkeit getroffen worden sind.
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5. § 57 a StGB gilt nicht nur bei einer Verurteilung wegen Mordes, sondern für jede Verurteilung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Die im Senatsbeschluß entfaltete "Schwurgerichtslösung" betrifft dagegen nur die Verurteilung wegen Mordes nach § 211 Abs. 1 StGB. Wenn das auch der praktisch wichtigste und häufigste Fall einer lebenslangen Freiheitsstrafe ist, müssen doch die zahlreichen anderen Fälle mitbedacht werden, in denen das Strafgesetzbuch eine lebenslange Freiheitsstrafe nicht absolut, sondern als schwerste Strafe innerhalb eines Strafrahmens androht. Für diese Fälle trifft das Argument, das Prozeßgericht könne sich nach dem Gesetz auf die Feststellung des Mordtatbestandes beschränken, nicht zu. Vielmehr bedarf es zur Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe einer Feststellung und Abwägung aller schuldrelevanten Faktoren.
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Allerdings fehlt auch in diesen Fällen die förmliche Feststellung einer besonders schweren Schuld im Sinne des § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB. So kann wegen Totschlags im besonders schweren Fall (§ 212 Abs. 2 StGB) eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängt werden, wenn sie im Einzelfall im Hinblick auf den einem Mord gleichwertigen Unrechts- und Schuldgehalt tat- und schuldangemessen ist (vgl. BGH, BGHR StGB § 212 Abs. 2 Umstände, schulderhöhende 1 - 3). Es ist mit anderen Worten nur die dem "einfachen" Mord vergleichbare Schuld notwendig. Eine darüber hinausgehende besondere Schwere der Schuld im Sinne des § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB wird auch hier nicht vorausgesetzt.
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Die Auffassung des Senats führt zu dem unbefriedigenden und nach meiner Ansicht von der Verfassung nicht geforderten Ergebnis, daß die Feststellung, ob eine besondere Schwere der Schuld im Sinne des § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB vorliegt, bei Mord in einem anderen Verfahren und nach teilweise anderen Grundsätzen getroffen werden muß als in den übrigen Fällen einer lebenslangen Freiheitsstrafe.
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