Beschluß | |
des Ersten Senats vom 12. November 1974
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- 1 BvR 32/68 - | |
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde des Landwirts W..., - Bevollmächtigter: Rechtsanwalt Dr. G. Frohberg, Düsseldorf-Oberkassel, Wildenbruchstraße 103 - gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. November 1967 - BVerwG IV C 101.65 -.
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Entscheidungsformel:
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1. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. November 1967 - BVerwG IV C 101.65 - verletzt das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Artikel 14 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes. Das Urteil wird aufgehoben. Die Sache wird an das Bundesverwaltungsgericht zurückverwiesen.
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2. Die Bundesrepublik Deutschland hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.
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Gründe: | |
A. | |
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Versagung eines Anspruchs auf "Rückenteignung" eines im Jahre 1950 für Zwecke des Straßenbaus enteigneten Grundstücks, das bislang für den Enteignungszweck nicht verwendet worden ist.
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I.
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1. Der Siedlungsverband R. plante noch in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg den Bau einer Umgehungsstraße im Osten der Stadt W. . Die für das Vorhaben festgesetzten Fluchtlinien, die in einem am 8. Februar 1939 förmlich festgestellten Plan enthalten sind, sehen die Inanspruchnahme von Grundstücken vor, die im Eigentum einer Erbengemeinschaft standen, deren alleiniger Rechtsnachfolger der Beschwerdeführer geworden ist. Durch Beschluß vom 22. Mai 1950 wurde das Grundeigentum gegen Entschädigung zu Gunsten der Stadt entzogen.
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Mit Schreiben vom 15. Dezember 1961 beantragte der Beschwerdeführer die Rückenteignung der Grundstücke, nachdem mit dem Ausbau der Straße noch nicht begonnen worden war, das Gelände vielmehr von ihm als Pächter weiterhin landwirtschaftlich genutzt wurde. Die Landesbaubehörde R. lehnte dieses Begehren ab und wies auch den Widerspruch zurück. Die Verpflichtungsklage des Beschwerdeführers blieb in allen Instanzen ohne Erfolg.
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2. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Revisionsurteil (BVerwGE 28, 184) den Standpunkt eingenommen, ein allgemeiner Anspruch auf Rückenteignung oder auf anderweitige Wiederbeschaffung eines enteigneten Grundstücks für den Fall, daß dieses Grundstück nicht innerhalb angemessener Frist für den Enteignungszweck verwendet worden sei, bestehe nicht.
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Der Senat habe zwar keinen Zweifel, daß bei einem rechten Verständnis der Eigentumsgewährleistung des Art. 14 Abs. 1 GG in ihr das Institut der Rückenteignung angelegt sei. Insofern begegneten gesetzliche Regelungen, die einen Rückenteignungsanspruch nicht vorsähen, gewichtigen Bedenken. Aber diese Bedenken rechtfertigten nicht die Feststellung, daß in der Eigentumsgewährleistung das Institut der Rückenteignung bereits vollziehbar enthalten sei. Eine solche Folgerung würde den Rahmen einer Verfassungsinterpretation und damit zugleich die Kompetenz der Gerichte überschreiten.
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Überdies handle es sich bei der Rückenteignung um eine echte Enteignung, die nach Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes statthaft sei. Eine gesetzliche Regelung gebe es im vorliegenden Fall nicht. Mit Hilfe einer Rechtsanalogie lasse sich keine für Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG ausreichende Rechtsgrundlage finden. Hinzu komme, daß die Einzelheiten der Rückgewähr - ihre Voraussetzungen und ihre Rechtsform einschließlich der Person des Verpflichteten - in vielfältiger Weise divergierten und sich infolgedessen auch inhaltlich den einschlägigen Vorschriften kein bestimmbarer allgemeiner Grundsatz entnehmen lasse. Auch wenn nach der späteren Entwicklung die seinerzeit vollzogene Enteignung nicht zum Wohle der Allgemeinheit erforderlich gewesen sei, so könne damit allenfalls dargetan werden, daß bereits die ursprüngliche Enteignung rechtswidrig gewesen sei. Damit lasse sich jedoch kein Anspruch auf Rückgewähr begründen. Dem stehe der Rechtsgedanke des § 79 Abs. 2 BVerfGG entgegen; denn wenn selbst die nachträglich aufgedeckte Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes die Wiederaufnahme unanfechtbar abgeschlossener Fälle nicht zur Folge habe, könne für die nachträglich gewonnene Erkenntnis, daß ein unanfechtbarer Eingriff zur Unzeit oder ohne Deckung durch das Allgemeinwohl erfolgt sei, nichts anderes gelten.
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II.
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Die gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts erhobene Verfassungsbeschwerde rügt die Verletzung von Art. 14 GG. Zur Begründung wird vorgetragen:
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Die Enteignung sei als verfassungsrechtlicher Ausnahmetatbestand gegenüber der Eigentumsgewährleistung nur insoweit zulässig, als die Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 3 GG vorlägen. Wenn diese Voraussetzungen entfielen, entbehre der Eingriff seines öffentlich-rechtlichen Grundes. In diesem Fall greife die verfassungsrechtliche Vorrangigkeit und Höherrangigkeit der Eigentumsgewährleistung wieder durch, und der Unternehmer könne nicht behalten, was er früher einmal legaliter ergriffen habe. Für die Rückgewähr sei wegen der Verfassung kein Gesetz erforderlich. Vielmehr sei es Aufgabe der höchsten Gerichte, rechtsschöpfend tätig zu sein, besonders dann, wenn es gelte, Verfassungsrecht praktikabel in eine offensichtlich nicht hinreichende Gesetzeslage einzufügen. Der Mangel der gesetzlichen Regelung schließe daher nicht aus, daß die auch an Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gebundene Rechtsprechung diese Vorschrift mittels richterlichen Erkenntnisses aktualisiere.
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III.
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1. Für die Bundesregierung hat der Bundesminister des Innern Bedenken gegen die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts geäußert. Die Entwicklung auf dem Gebiet des Enteignungsrechts gehe eindeutig in die Richtung, dem ehemaligen Eigentümer dann, wenn das enteignete Grundstück nicht innerhalb angemessener Frist für den Enteignungszweck verwendet werde, einen Anspruch auf Rückenteignung gegen die Enteignungsbehörde zuzubilligen. Es sei zwar keine leichte Aufgabe für den Richter, die für die Bejahung des Rückgewähranspruchs notwendigen Modalitäten zu ermitteln. Jedoch erscheine es nicht erforderlich, die Einzelheiten an den kompliziertesten Rückenteignungsregelungen zu orientieren. So enthielten einige Enteignungsgesetze der Länder rudimentäre Rückenteignungsregelungen, ohne daß dies die Rechtsfindung unmöglich gemacht habe. Zur Aufgabe der Gerichte gehöre es, dem Wortlaut eines Gesetzes - auch der Verfassung - nach dem ihm innewohnenden Sinn gerecht zu werden. Hierbei würden naturgemäß besondere Anforderungen an die Kraft richterlicher Interpretation und Gesetzesergänzung gestellt. Doch sei diese Art rechtsfindender Lückenausfüllung im modernen Rechtsstaat mehr und mehr zur echten richterlichen Aufgabe geworden.
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Diese Grundsätze seien auch bei der Interpretation des Art. 14 GG zu beachten. Wegen der Bindung der Enteignung an ihren Zweck erscheine es geboten, den Enteignungsvorgang rückgängig zu machen, wenn sich nachträglich herausstelle, daß ein öffentliches Interesse für die Durchführung einer Enteignung überhaupt nicht vorgelegen habe oder später entfallen sei. Dabei sei es unschädlich, daß spezielle Verfahrensregelungen für die Durchführung einer Rückenteignung in Art. 14 GG selbst nicht getroffen worden seien. Die entsprechende Anwendung der für die Enteignung des Grundstücks angewandten einfachrechtlichen Verfahrensregelungen für die Gestaltung des "Rückenteignungsverfahrens" könne keine allzu großen Schwierigkeiten bereiten.
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2. Die Landesbaubehörde R. - Enteignungsbehörde - und die Stadt W. halten die Verfassungsbeschwerde für unbegründet. Sie schließen sich der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts an.
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Die Verfassungsbeschwerde ist begründet.
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I.
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Der im Zusammenhang mit der hier behandelten verfassungsrechtlichen Frage verwendete und in der Praxis übliche Begriff der Rückenteignung verdeckt die maßgebliche Fragestellung. Es geht hier nicht um die "Enteignung" eines durch eine frühere Enteignung Begünstigten. Im Mittelpunkt des verfassungsrechtlichen Problems steht vielmehr die Frage, ob der betroffene Grundstückseigentümer ein Recht auf Rückübereignung des enteigneten Objektes hat, wenn das Unternehmen, zu dessen Zweck enteignet wurde, nicht durchgeführt worden ist oder sich nachträglich herausstellt, daß das Grundstück für das Unternehmen nicht benötigt wird.
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Der Wortlaut des Grundgesetzes gibt auf diese Frage unmittelbar keine Antwort; sie folgt jedoch aus dem Inhalt und dem Wesen der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit der Enteignungsregelung des Art. 14 Abs. 3 GG.
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1. Die Enteignung von Grundstücken, die klassische Enteignung, ist nicht allein durch den Eingriff in das Vermögen des Bürgers und die gegenständliche Überführung des entzogenen Objektes auf die öffentliche Hand charakterisiert. Bei einer funktionalen Betrachtung, die allein geeignet ist, das Wesen der Enteignung zu erschließen, zeigt sich, daß sie kein auf Vermögenserwerb durch den Staat ausgerichtetes Instrument ist. Der Zweck der Enteignung erschöpft sich nicht in dem Entzug des Eigentums oder in der Erlangung des Eigentums in der Hand des Staates oder der Gemeinde. Zweck und Legitimation der Enteignung sind darin zu sehen, daß das enteignete Grundstück für die öffentliche Aufgabe, die mit dem Unternehmen erfüllt werden soll (z.B. wie hier für eine Straße), zur Verfügung steht. Die Eigentumsentziehung und die Begründung des Eigentums für die öffentliche Hand sind nur Mittel zu diesem Zweck.
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Nach Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG ist eine Enteignung nur zum Wohl der Allgemeinheit zulässig. Mit dieser Vorschrift knüpft die Verfassung an den seit der Entstehung der Enteignung als Verfassungsinstitut unangefochtenen Rechtssatz an, daß die Enteignung kein Instrument zur Vermehrung des Staatsvermögens ist und Enteignungen aus fiskalischen Gründen unzulässig sind, auch wenn hierdurch eine finanzielle Entlastung in anderen Bereichen eintritt. Das Opfer, das der Enteignete zu bringen hat, wird allein dadurch gerechtfertigt, daß sein Grundstück zur Erfüllung einer bestimmten öffentlichen Aufgabe erforderlich ist.
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2. Aus der rechtlichen Natur der Enteignung als eines Instruments, das dem Gemeinwohl durch die Verwirklichung eines bestimmten, im öffentlichen Nutzen liegenden Zwecks dient, ergeben sich eine Reihe von Folgerungen.
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Von der Funktion der Enteignung her muß der Eingriff in das Eigentum mit dem erklärten Ziel erfolgen, das Objekt für eine konkrete, dem Wohl der Allgemeinheit dienende Aufgabe bereitzustellen. Darüber hinaus muß eine Notwendigkeit für den Eigentumserwerb vorliegen. Nur wenn es zur Erfüllung der öffentlichen Aufgabe unumgänglich erforderlich ist, das Eigentum in die Hand des Staates zu bringen, ist auch die Eigentumszuweisung an die öffentliche Hand vom Gemeinwohl getragen. Darüber hinaus ist das Mittel der vollständigen Eigentumsentziehung nur bei einem auf Dauer ausgerichteten Unternehmen gerechtfertigt (BVerfGE 24, 367 [407]). Die verfassungsrechtliche Ermächtigung zum Eingriff in das Eigentum besteht nicht dafür, daß ein Unternehmen beabsichtigt, sondern daß es ausgeführt wird. Das ist die Grundlage und Voraussetzung für den verfassungsrechtlichen Enteignungsanspruch des Staates aus Art. 14 Abs. 3 GG. Solange die enteignete Sache ihrem Zweck nicht zugeführt ist, ist das Ziel der Enteignung nicht erreicht.
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3. Die Enteignungsermächtigung aus Art. 14 Abs. 3 steht in einem komplementären Verhältnis zur Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG. Diese sichert den konkreten Bestand in der Hand des einzelnen Eigentümers. Der Bürger muß aber unter den Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 3 - und nur unter diesen Voraussetzungen - den Zugriff des Staates auf sein Eigentum dulden. Wird die öffentliche Aufgabe, der die Enteignung dienen soll, nicht ausgeführt oder das enteignete Grundstück hierzu nicht benötigt, so entfällt die aus Art. 14 Abs. 3 Satz 1 herzuleitende Legitimation für den Zugriff auf das Privateigentum und der Rechtsgrund für den Eigentumserwerb durch die öffentliche Hand. Damit entfaltet die Garantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG wieder ihre Schutzfunktion. In einem solchen Fall kann die durch die Enteignung erlangte Rechtsposition der öffentlichen Hand keinen Vorrang vor der verfassungsrechtlich geschützten Rechtsstellung des Bürgers haben. Mit dem Wegfall der die Enteignung legitimierenden verfassungsrechtlichen Voraussetzungen entbehrt auch das Eigentum in der öffentlichen Hand für die Zukunft der Rechtfertigung. Der Enteignete kann daher auf Grund der Garantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG die Herstellung des verfassungsmäßigen Zustandes, d.h. die Rückübereignung des Grundstücks, fordern. Durch die Zurückbehaltung würde die Behörde einen Vermögensvorteil erlangen, für den sie das Instrument der Enteignung nicht einsetzen könnte.
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4. Rückerwerbsrechte der erörterten Art haben in einer Vielzahl von gesetzlichen Bestimmungen - wenn auch mit unterschiedlichen Modalitäten - ausdrücklich Anerkennung gefunden. Diese Rechtseinrichtung war bereits in den ersten Enteignungsgesetzen enthalten, die als Durchführungsgesetze zu den verfassungsrechtlichen Verbürgungen in den konstitutionellen Verfassungen des beginnenden 19. Jahrhunderts ergangen sind, wie beispielsweise in § 84 des badischen Expropriationsgesetzes vom 28. August 1835 (Großherzoglich Badisches Staats- und Regierungs-Blatt Nr. XLII S. 271) und in Art. XII Abs. 4 des bayerischen Zwangsabtretungsgesetzes vom 17. November 1837 (BayBS I S. 203). Besonders aktuell war das Problem im Zusammenhang mit der Entwicklung des Eisenbahnwesens in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts. Demgemäß hat das Rückerwerbsrecht gerade im Bereich der hierzu ergangenen Spezialgesetze Anerkennung gefunden. Die mit diesen Bestimmungen eingeleitete Rechtsentwicklung hat sich in einer ununterbrochenen Reihe bis in unsere Tage fortgesetzt. Seit dem ersten Drittel des 19. Jahrhunderts hat das Rückerwerbsrecht über alle Wandlungen der staatlichen und rechtlichen Verhältnisse hinweg in einer großen Zahl von Gesetzen seinen Niederschlag gefunden. Bei aller Verschiedenheit im einzelnen liegt allen Regelungen ein einheitliches Rechtsprinzip zu Grunde. Es ist etwa auf folgende Gesetze hinzuweisen:
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§§ 16 ff. des preußischen Gesetzes über die Eisenbahn-Unternehmungen vom 3. November 1838 (GS S. 505); ferner § 141 des Allgemeinen Berggesetzes für die Preußischen Staaten vom 24. Juni 1865 (GS S. 705); Art. 42 des Enteignungsgesetzes für das Herzogthum Oldenburg vom 21. April 1897 (GBl S. 541); §§ 83 ff. des Enteignungsgesetzes für das Königreich Sachsen vom 24. Juni 1902 (GVBl. S. 153); § 59 des badischen Enteignungsgesetzes in der Fassung vom 24. Dezember 1908 (GVBl. S. 703); § 21 des Reichssiedlungsgesetzes vom 11. August 1919 (RGBl S. 1429); Art. 53 des bayerischen Ödlandgesetzes vom 6. März 1923 (GVBl. S. 89); Kap II § 12 des Vierten Teils der 3. Notverordnung des Reichspräsidenten vom 6. Oktober 1931 (RGBl I S. 537); § 12 Abs. 3 des hessischen Aufbaugesetzes vom 25. Oktober 1948 (GVBl. S. 139); § 57 Abs. 2 des Gesetzes über den Aufbau der Hansestadt Hamburg vom 11. April 1949 (GVBl. S. 45); § 54 Abs. 2 des niedersächsischen Aufbaugesetzes vom 9. Mai 1949 (GVBl. S. 107); § 49 Abs. (5) des schleswig-holsteinischen Aufbaugesetzes vom 21. Mai 1949 (GVBl. S. 93).
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In diesen gesetzlichen Regelungen wird eine allgemeine Vorstellung über die rechtliche Tragweite und den Inhalt der verfassungsrechtlichen Verbürgung des Eigentums sichtbar, ein traditionelles Element der Eigentumsgarantie, das heute noch in Art. 14 GG und in zahlreichen unter seiner Geltung ergangenen Bundesgesetzen und Landesgesetzen fortlebt.
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Beispielsweise ist auf folgende Regelungen hinzuweisen:
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§ 57 des rheinland-pfälzischen Aufbaugesetzes vom 1. August 1949 (GVBl. I S. 317); § 46 Abs. 8 des nordrhein-westfälischen Aufbaugesetzes vom 29. April 1950 (GVBl. S. 78); § 51 des Baulandbeschaffungsgesetzes vom 3. August 1953 (BGBl. I S. 720); § 43 des Bundesleistungsgesetzes vom 19. Oktober 1956 (BGBl. I S. 815); § 57 des Landbeschaffungsgesetzes vom 23. Februar 1957 (BGBl. I S. 134); § 102 des Bundesbaugesetzes vom 23. Juni 1960 (BGBl. I S. 341); § 10 des rheinland-pfälzischen Landesstraßengesetzes vom 15. Februar 1963 (GVBl. S. 57); § 5 des Hamburgischen Enteignungsgesetzes vom 14. Juni 1963 (GVBl. S. 77); § 3 des Berliner Enteignungsgesetzes vom 14. Juli 1964 (GVBl. S. 737); § 4 des Enteignungsgesetzes für die Freie Hansestadt Bremen vom 5. Oktober 1965 (GBl S. 129); § 45 des rheinland-pfälzischen Landesenteignungsgesetzes vom 22. April 1966 (GVBl. S. 103).
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II.
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1. Das angefochtene Urteil verneint einen Rückgewährungsanspruch, weil die "Rückenteignung" eine "echte Enteignung" sei, für die keine gesetzliche Grundlage im Sinne des Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG bestehe. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden.
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Der Begriff der Enteignung ist zunächst dadurch gekennzeichnet, daß die öffentliche Hand (Bund, Länder, Gemeinden) auf Vermögen zugreift, das ihr nicht gehört. Von einem solchen zwangsweisen Zugriff kann bei dem Rückerwerbsanspruch des von der Enteignung betroffenen Bürgers keine Rede sein. Der Enteignete macht lediglich geltend, daß die Voraussetzungen für die Enteignung nachträglich entfallen sind. Schon aus diesem Grunde ist die Frage, ob dem Bürger unter bestimmten Voraussetzungen ein Recht auf Rückgabe seiner früheren Sache zusteht, kein Enteignungsproblem. Überdies gilt folgendes:
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Art. 14 Abs. 3 GG legt für den Gesetzgeber und die Verwaltung verbindlich fest, wann und unter welchen Voraussetzungen der Bürger einen zwangsweisen Zugriff der öffentlichen Hand auf die durch die Eigentumsgarantie geschützten Güter hinnehmen muß (BVerfGE 24, 367 [396 ff.]). Die verfassungsrechtlichen Vorschriften zur Enteignung enthalten eine Konkretisierung der grundrechtlichen Gewährleistung des Eigentums (vgl. BVerfGE 35, 348 [361]) und dienen wie diese insgesamt ausschließlich dem Schutz des Bürgers. Die durch die Enteignung begünstigte öffentliche Hand kann sich gegenüber dem enteigneten Bürger nicht auf die Eigentumsgarantie berufen. Dem Gesetzesvorbehalt des Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG, der nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts dem Rückerwerbsrecht des Enteigneten entgegensteht, kommt in besonderem Maße die Aufgabe zu, den Bürger vor ungerechtfertigten Eingriffen in seinen verfassungsrechtlich geschützten Lebensbereich zu bewahren; er ist insoweit die notwendige Ergänzung der grundgesetzlichen Gewährleistung des Eigentums. Eingriffsvorbehalt und Grundrecht stehen in einem unlösbaren Zusammenhang. Der Gesetzesvorbehalt ist entgegen der im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vertretenen Auffassung keine Schutzeinrichtung für die öffentliche Hand. Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung soll die Verwaltung binden, ist aber kein Rechtstitel zur Abwehr von Rechten des Bürgers, die sich aus der Anerkennung eines in der Verfassung garantierten Grundrechts ergeben.
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2. Dem Rückerwerbsrecht kann auch nicht der "Rechtsgedanke" des § 79 Abs. 2 BVerfGG entgegengesetzt werden. Diese Vorschrift ist eine Spezialregelung, die auf den Fall zugeschnitten ist, daß eine nicht mehr anfechtbare Entscheidung auf einer verfassungswidrigen Norm beruht. Sie soll ein Problem lösen, das auf der besonderen Gestaltung der verfassungsrechtlichen Normenprüfung und ihren Auswirkungen beruht. Der dieser Regelung zu Grunde liegende Rechtsgedanke kann nicht auf die Rückübereignung übertragen werden.
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3. Das Rückforderungsrecht kann auch nicht mit der Begründung verneint werden, der Enteignete habe eine Entschädigung erhalten und erleide deshalb keinen Nachteil. Die Vorstellung, die Eigentumsverbürgung sei ihrem Wesen nach eine Eigentumswertgarantie, hat das Bundesverfassungsgericht bereits in BVerfGE 24, 367 (405) als "Verkennung des grundlegenden Gehalts der Eigentumsgarantie" bezeichnet. Daß der Eigentümer eine angemessene Entschädigung erhält, ist lediglich ein Zulässigkeitserfordernis für die Enteignung; es muß hinzukommen, daß der Eigentumsentzug und der Eigentumserwerb dem Allgemeinwohl dienen. Die Pflicht des Eigentümers, sein Grundstück gegen Geld herzugeben, setzt voraus, daß der Entzug in jeder Richtung verfassungsmäßig ist. Dann ist die Entschädigung "eine selbstverständliche Folge" (BVerfGE 24, 367 [401]). Es ist Sache des Eigentümers zu entscheiden, ob er dem Objekt oder der Entschädigung den Vorzug gibt, wenn seine Sache der öffentlichen Aufgabe nicht zugeführt worden ist.
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III.
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Steht damit fest, daß Art. 14 GG dem Enteigneten grundsätzlich das Recht gibt, sein früheres Eigentum zurückzuverlangen, wenn der Enteignungsgrund wegfällt, weil der Begünstigte das Vorhaben nicht verwirklicht, dann durfte das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer diesen Anspruch nicht deshalb versagen, weil sein Inhalt und die Voraussetzungen seiner Geltendmachung von der Rechtsprechung nicht umrissen werden könnten. Art. 14 GG enthält freilich keine Fixierung von Entstehungszeitpunkt und der Frist zur Ausübung des Rückübereignungsanspruchs oder einer Regelung über die Auswirkungen von Verwendungen. Es wäre angezeigt, daß der Gesetzgeber die Modalitäten dieses verfassungsrechtlichen Anspruchs regelt. Solange dies nicht geschieht, ist aber - jedenfalls in Fällen der hier vorliegenden Art - der richterlichen Rechtsfindung keine unüberwindliche Schranke gesetzt (vgl. BVerfGE 34, 269 [286 ff.]; 37, 67 [81 f.]).
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Der Richter wird, wenn er den Zusammenhang des Enteignungsrechts für öffentliche Straßen und Wege mit dem einschlägigen Planfeststellungsrecht bedenkt, sich hinsichtlich der Frist etwa an folgenden Regelungen orientieren: Nach § 42 Abs. 1 Nr. 4 des Straßengesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen vom 28. November 1961 (GVBl. S. 305) ist die Enteignung zu Gunsten einer Straße davon abhängig, daß "das Grundstück innerhalb angemessener Frist zu dem vorgesehenen Zweck verwendet werden soll"; nach § 39 Abs. 5 tritt der Plan außer Kraft, wenn "er nicht innerhalb von fünf Jahren nach Eintritt der Unanfechtbarkeit durchgeführt" oder auf weitere fünf Jahre verlängert wird. Diese Vorschrift stimmt mit einer Reihe vergleichbarer Vorschriften im Bundesrecht und Landesrecht überein
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(vgl. § 21 Abs. 4 des Bundeswasserstraßengesetzes vom 2. April 1968 (BGBl. II S. 173); § 26 Abs. 2 des Abfallbeseitigungsgesetzes vom 7. Juni 1972 (BGBl. I S. 873); § 18b Abs. 2 des Bundesfernstraßengesetzes in der Fassung vom 1. Oktober 1974 (BGBl. I S. 2414); Art. 58 Abs. 2 des Bayerischen Wassergesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. Dezember 1970 (GVBl. 1971 S. 41); Art. 38 Abs. 4 des Bayer Straßengesetzes und Wegegesetzes vom 11. Juli 1958 (GVBl. S. 147) - aF - ; § 7 Abs. 2 des Hamburgischen Enteignungsgesetzes vom 14. Juni 1963 (GVBl. S. 77); § 34 Abs. 5 des Hess Straßengesetzes vom 9. Oktober 1962 (GVBl. S. 437); § 7 Abs. 2 des hessischen Gesetzes über Eisenbahnen und Bergbahnen vom 7. Juli 1967 (GVBl. S. 127); § 7 Abs. 4 des rheinland-pfälzischen Abfallgesetzes vom 17. Januar 1972 (GVBl. S. 81); § 29 Abs. 3 des rheinland-pfälzischen Landesenteignungsgesetzes vom 22. April 1966 (GVBl. S. 103); § 43 Abs. 1 des Saarländischen Straßengesetzes vom 17. Dezember 1964 (Amtsbl 1965 S. 117): hier beträgt die Frist 4 Jahre; vgl. auch § 61 Abs. 2 des Musterentwurfs eines Verwaltungsverfahrensgesetzes (EVwVerfG 1963)).
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Auch in einer Reihe von Enteignungsvorschriften wird die Zeitspanne für die Durchführung eines Unternehmens dahin begrenzt, daß es innerhalb von zwei oder höchstens drei Jahren seit der rechtskräftigen Enteignung begonnen und innerhalb von fünf Jahren zu Ende geführt sein muß (z.B. Art. 53 Abs. 1 des bayer Ödlandgesetzes vom 6. März 1923 [GVBl. S. 89], § 12 Abs. 3 des hessischen Aufbaugesetzes vom 25. Oktober 1948 [GVBl. S. 139], § 57 des rheinland-pfälzischen Aufbaugesetzes vom 1. August 1949 [GVBl. I S. 317], § 46 Abs. 8 des nordrheinwestfälischen Aufbaugesetzes vom 29. April 1950 [GVBl. S. 78], § 49 Abs. 5 des schleswig-holsteinischen Aufbaugesetzes vom 21. Mai 1949 [GVBl. S. 93], § 57 Abs. 1 des Landesbeschaffungsgesetzes vom 23. Februar 1957 [BGBl. I S. 134]).
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Ob Art. 14 GG für den Rückübereignungsanspruch solche oder großzügiger bemessene Fristen setzt, kann dahinstehen. Jedenfalls ist im vorliegenden Fall seit der Enteignung im Jahre 1950 inzwischen eine so lange Zeit verstrichen, daß der Anspruch an der Frist nicht mehr scheitern kann. Wegen der Abwicklung im übrigen kann sich das Gericht an bestehenden Regelungen orientieren.
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IV.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 34 Abs. 4 BVerfGG.
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