2. Der Gesetzgeber ist jedoch nicht verpflichtet, die nach der sozialen Stellung verschiedenen Aufwendungen für den Unterhalt der Kinder in vollem Umfang als steuerliche Entlastung zu berücksichtigen. Insbesondere kann er den Familienlastenausgleich so gestalten, daß die an sich schon bestehende Ungleichheit der Startchancen von Kindern mit verschiedenen Einkommensverhältnissen der Eltern nicht noch verstärkt wird. ![]() | |
des Ersten Senats vom 23. November 1976
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-- 1 BvR 150/75 -- | |
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde 1. des Herrn Professor Dr. jur. Z .., 2. des Herrn Professor Dr. jur. R .., 3. des Herrn Professor Dr. jur. L .., 4. des Herrn Professor Dr. jur. M .., 5. des Herrn Professor Dr. jur. H .. -- Bevollmächtigter: Professor Dr. jur. Klaus Vogel, Zeppelinstraße 39, Heidelberg 1 -- gegen a) § 12 Nr. 1 des Einkommenssteuergesetzes 1975 in der Fassung vom 5. September 1974 -- EStG 1975 -- (BGBl. I S. 2165), b) Art. 1 Nr. 40 des Gesetzes zur Reform der Einkommenssteuer, des Familienlastenausgleichs und der Sparförderung (Einkommenssteuerreformgesetz -- EStRG) vom 5. August 1974 (BGBl. I S. 1769).
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ENTSCHEIDUNGSFORMEL:
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1. Die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführer zu 1) bis 3) wird verworfen.
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2. Die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführer zu 4) und 5) wird, soweit sie gegen § 12 Nr. 1 des Einkommenssteuergesetzes 1975 gerichtet ist, verworfen und im übrigen zurückgewiesen.
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Gründe: | |
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen das Gesetz zur Reform der Einkommensteuer, des Familienlastenausgleichs und der Sparförderung (Einkommensteuerreformgesetz -- EStRG) vom 5. August 1974 (BGBl. I S 1769), soweit es Eltern für Unterhaltsleistungen an ihre Kinder keine Einkommensteuerermäßigungen gewährt.
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A. -- I. | |
Das Einkommensteuerrecht gestattet nicht, daß die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge bei den einzelnen Einkunftsarten oder vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden (§ 12 Nr 1 EStG). Bis 1974 wurden die durch den Unterhalt und die Schul- und Berufsausbildung von Kindern ![]() ![]() | |
Im Zuge der Steuerreform wurde das Nebeneinander von Direktzahlungen (Kindergeld) und Steuerermäßigungen durch einen einheitlichen vom Elterneinkommen unabhängigen Kinderlastenausgleich ersetzt. Danach werden monatlich 50 DM Kindergeld für das erste, 70 DM für das zweite und 120 DM für das dritte und für jedes weitere Kind bezahlt (§ 10 des Bundeskindergeldgesetzes vom 14. April 1964 [BGBl. I S 265], geändert durch Art 2 EStRG; vgl. jetzt Neufassung vom 31. Januar 1975 [BGBl. I S 412]). Gleichzeitig entfiel der im öffentlichen Dienst als Bestandteil des Gehalts bisher bezahlte Kinderzuschlag (vgl. Art 1 Nr 2, 5, 11, 12 des Siebenten Gesetzes zur Änderung beamtenrechtlicher und besoldungsrechtlicher Vorschriften [Dienstrechtlicher Teil des Familienlastenausgleichs] vom 20. Dezember 1974 [BGBl. I S 3716]), bei den unteren Besoldungsgruppen (bis A 12) allerdings unter Erhöhung des Ortszuschlags. Durch Art 1 Nr 40 EStRG wurden in § 32 ![]() ![]() | |
II.
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Die Beschwerdeführer, ordentliche Professoren des Rechts, unterliegen mit ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit dem Lohnsteuerabzug. Sie gewähren ihren Kindern Unterhalt und haben Anspruch auf Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz in der Neufassung vom 31. Januar 1975 (BGBl. I S 412). Die Unterhaltslasten beziffern sie nach der sogenannten Kölner Tabelle (Landgericht Köln, JMBlNW 1973, S 116), nach der das Nettoeinkommen in einer Familie, in der nur der Ehemann ein marktwirtschaftliches Einkommen bezieht, auf Vater zu Mutter zu Kind zu Kind usw im Verhältnis von 8:5:3:3 usw verteilt werden müsse. Die auf die Kinder entfallenden Anteile müßten nach Abzug des Kindergeldes nach Ansicht der Beschwerdeführer von Verfassungs wegen bei der Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer abgesetzt werden. Bei Abzug der Unterhaltslasten vom monatlichen Einkommen ergäben sich dann (Berechnung nach dem Familienstand Anfang 1975 ohne Berücksichtigung der Erhöhung der laufenden Bezüge im Jahre 1975 um 6vH und 1976 um 5vH) jährliche Lohnsteuerermäßigungen bei den einzelnen Beschwerdeführern zwischen 13.366,80 und 5.466 DM.
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Die Beschwerdeführer beantragen:
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§ 12 Nr 1 EStG 1975 insoweit für nichtig zu erklären, als er es dem Steuerpflichtigen untersagt, Aufwendungen, die dieser nach Maßgabe seiner Verpflichtung aus §§ 1601, 1610 BGB für seine Kinder erbracht hat, ohne sie aus dem staatlichen Kindergeld (§§ 1-10 BKGG in der Fassung vom 31. Januar 1975 [BGBl. I S 413]) bestreiten zu können, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzusetzen oder sonst steuermindernd geltend zu machen; ![]() | |
Art 1 Nr 40 des Einkommensteuerreformgesetzes im gleichen Umfang für nichtig zu erklären.
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1. Die Beschwerdeführer halten die Verfassungsbeschwerde für zulässig. Sie würden durch die angefochtenen Bestimmungen selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen und dadurch in ihren Grundrechten aus Art 6 Abs 1 und 2 und Art 3 Abs 1 GG verletzt. Da sie lohnsteuerpflichtig seien, erfolge ihnen gegenüber die Steuererhebung ohne Erlaß von Steuerverwaltungsakten, auch ohne Erlaß stillschweigender Steuerbescheide nach § 212 AO. Auch im Hinblick auf die "Subsidiarität" der Verfassungsbeschwerde seien die Beschwerdeführer nicht verpflichtet, einen Erstattungsanspruch wegen zuviel erhobener Lohnsteuer im finanzgerichtlichen Verfahren geltend zu machen.
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Ihre steuerliche Benachteiligung sei darin zu sehen, daß sie nach geltendem Recht höher belastet würden als kinderlose Steuerpflichtige mit gleichem Einkommen. Da der Gesetzgeber mit der Regelung des Kinderlastenausgleichs eine grundsätzliche Neuregelung vorgenommen habe, liege die mit der Verfassungsbeschwerde geltend gemachte Beschwer in der jetzigen ungenügenden Berücksichtigung der ihnen entstehenden Unterhaltslasten für ihre Kinder, unabhängig davon, ob sich die einzelnen Beschwerdeführer gegenüber dem früheren Rechtszustand verbessert oder verschlechtert hätten. Auf einen Vergleich mit der früheren Regelung könne es schon deshalb nicht ankommen, weil es von Zufälligkeiten, wie der Höhe der Kinderzahl, der Höhe des Einkommens oder der Tatsache, ob der Steuerpflichtige Beamter sei, abhänge, ob ein Steuerpflichtiger günstiger oder schlechter gestellt werde als früher. Im übrigen werde zwar für die Beschwerdeführer zu 1) bis 3) der Wegfall der Kinderfreibeträge und des beamtenrechtlichen Kinderzuschlags durch das gewährte Kindergeld zur Zeit noch aufgewogen. Für die Beschwerdeführer zu 4) und 5) sei jedoch eine, wenn auch noch nicht große Verschlechterung gegenüber dem bei Fortgelten des alten Rechtszustandes errechneten Nettoeinkommen eingetreten. ![]() | |
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Für diese Ungleichbehandlung gebe es keinen Rechtfertigungsgrund. Insbesondere könne nicht die Erwägung herangezogen werden, das System der Freibeträge führe zu sozialen Ungerechtigkeiten, weil Eltern mit einem hohen Endsteuersatz eine viel höhere steuerliche Entlastung erführen als Eltern mit niedrigem Einkommen. Diese vermeintliche Begünstigung sei die Kehrseite der überproportionalen Steuerbelastung der höheren Einkommen. Das Einkommensteuerrecht erfasse die in der Höhe der Einkommen zum Ausdruck kommende verschiedene steuerliche Leistungsfähigkeit durch den progressiven Steuertarif ("vertikale Steuergerechtigkeit"). Die "horizontale Steuergerechtigkeit" verlange, daß Bezieher gleicher Einkünfte mit gleicher Leistungsfähigkeit gleich besteuert würden. Da die Unterhaltslasten die Leistungsfähigkeit minderten, lasse sich die ![]() ![]() | |
III.
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1. Der Bundesminister der Finanzen hat sich für die Bundesregierung geäußert. Er hält die Verfassungsbeschwerde für unzulässig und für unbegründet.
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Die Unzulässigkeit ergebe sich daraus, daß das Einkommensteuergesetz die Beschwerdeführer in ihren Grundrechten nicht unmittelbar betreffe; vielmehr seien bei der Erhebung der Einkommensteuer im Wege des Lohnsteuerabzugs rechtsnotwendig besondere Verwaltungsakte erforderlich. Mit der Berechnung und Einbehaltung der Lohnsteuer erlasse der Arbeitgeber als Hilfsorgan der staatlichen Finanzverwaltung -- als ein für Verwaltungsaufgaben gesetzlich in Dienst genommener Privater -- gerichtlich überprüfbare Verwaltungsakte. Auch liege in der Entgegennahme der Lohnsteueranmeldung ein formloser Steuerbescheid, den der Arbeitnehmer im finanzgerichtlichen Verfahren angreifen könne. Außerdem könnten die Beschwerdeführer ihre Ansprüche auf Freistellung der Unterhaltsleistungen von der Lohnsteuer schon vor Einbehaltung der Lohnsteuer durch Beantragung eines Freistellungsbescheides und Erhebung einer Verpflichtungsklage geltend machen. Nach Einbehaltung der Lohnsteuer auf die Unterhaltsleistungen könnten sie schließlich das Erstattungsverfahren nach § 152 AO betreiben.
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Die Verfassungsbeschwerde sei auch unbegründet. Die Neuregelung des Kinderlastenausgleichs habe im Ergebnis bei 95vH der Familien mit Kindern (und damit bei rd 17 Mio Kindern) auch in höheren Einkommensgruppen Verbesserungen, jedenfalls ![]() ![]() | |
2. Der Bayerische Ministerpräsident betrachtet es als einen mit Art 6 Abs 1 und 2 GG unvereinbaren Eingriff, daß Eltern auch mit dem Teil ihrer Einkünfte der Einkommensteuer unterlägen, mit dem sie für den Unterhalt ihrer Kinder aufzukommen hätten. Der als Sozialleistung konzipierte Kindergeldausgleich wiege diese Benachteiligung nicht auf, zumal er nicht auf die Steuerprogression und damit die Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen bezogen sei und nicht dynamisiert werde. Außerdem sei unter Verstoß gegen das aus Art 3 und Art 20 GG fließende Gebot systemgerechten Verhaltens des Gesetzgebers der das Einkommensteuerrecht tragende Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit durchbrochen.
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Die Verfassungsbeschwerde ist nur zum Teil zulässig.
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I.
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Sie ist unzulässig, soweit sie sich gegen § 12 Nr 1 EStG 1975 richtet. Das Einkommensteuergesetz 1975 ist die Bekanntmachung der Neufassung des Einkommensteuergesetzes durch den Bundesminister der Finanzen unter Berücksichtigung des Einkommensteuerreformgesetzes. Diese Neubekanntmachung ist kein Akt der Rechtsetzung, der Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde sein könnte (BVerfGE 17, 364 [368 f.]). Sie schafft ![]() ![]() | |
Das Einkommensteuerreformgesetz selbst hat auch die Ausschlußfrist des § 93 Abs 2 BVerfGG zur Erhebung einer Verfassungsbeschwerde gegen § 12 Nr 1 EStG nicht neu eröffnet, obwohl der Gesetzgeber des Einkommensteuerreformgesetzes diese seit dem Einkommensteuergesetz vom 16. Oktober 1934 (RGBl. I S 1005) unverändert gebliebene Norm offensichtlich in seinen Willen aufgenommen hat; denn ob der Gesetzgeber die beanstandete Norm tatsächlich in seinen Willen aufgenommen hat, ist für die Frist des § 93 Abs 2 BVerfGG unwesentlich (BVerfGE 17, 364 [369]; 18, 1 [9]). § 12 Nr 1 EStG hat auch durch den Wegfall der Kinderfreibeträge (§ 32 Abs 2 EStG aF) bei unverändertem Wortlaut keinen neuen oder erweiterten Inhalt erlangt (vgl. BVerfGE 11, 351 [359 f.]; 12, 10 [24]), gegen den sich nunmehr eine Verfassungsbeschwerde richten könnte. Die tariflichen Kinderfreibeträge nach altem Einkommensteuerrecht ließen das Abzugsverbot für Unterhaltsleistungen (§ 12 Nr 1 EStG) unberührt und bezweckten nur, den tariflichen Grundfreibetrag angemessen zu erhöhen (BVerfGE 6, 55 [70]; 18, 97 [109]). Das Abzugsverbot des § 12 Nr 1 EStG blieb daher inhaltlich unverändert bestehen, während die Kinderfreibetragsregelung des § 32 Abs 2 EStG a.F. durch die Erweiterung der Kindergeldgesetzgebung ersetzt wurde.
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II.
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Die Verfassungsbeschwerde ist auch im übrigen unzulässig, soweit sie von den Beschwerdeführern zu 1) bis 3) erhoben wird.
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1. Die Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz setzt voraus, daß der Beschwerdeführer selbst, gegenwärtig und unmittelbar durch das Gesetz und nicht erst mit Hilfe eines Vollzugsaktes betroffen wird (BVerfGE 20, 283 [290]). Die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde gegen Art 1 Nr 40 EStRG entfällt ![]() ![]() | |
2. Durch die Neuregelung sind jedoch nicht alle Beschwerdeführer beschwert. Ihren Belastungen für den Unterhalt ihrer Kinder wurde früher durch den beamtenrechtlichen Kinderzuschlag und die Einräumung von Kinderfreibeträgen Rechnung getragen. Die Beschwerdeführer sehen in der Neuregelung des Familienlastenausgleichs, die bei ihnen zum Wegfall des Kinderzuschlags und -- wie allgemein -- zur Gewährung eines einheitlichen Kindergeldes führte, eine Verletzung ihrer Grundrechte. Wie die Beschwerdeführer zu 1) bis 3) selbst vortragen, hat sich im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neuregelung ihre finanzielle Situation nicht verschlechtert, vielmehr waren ihre Nettobezüge ![]() ![]() | |
Lediglich die Beschwerdeführer zu 4) und 5) legen schlüssig dar, daß sich ihre finanzielle Lage durch die Umstellung des Systems des Familienlastenausgleichs verschlechtert habe. Insoweit ist die Verfassungsbeschwerde daher zulässig.
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Die Neuregelung des Kinderlastenausgleichs soll gegen das Grundgesetz verstoßen, weil Ehepaare mit Kindern gegenüber kinderlosen Ehepaaren einkommensteuerrechtlich benachteiligt seien und weil bei höheren Einkommen eine Berücksichtigung der Aufwendungen für den Unterhalt der Kinder nicht in höherem Maße Platz greife als bei niedrigeren Einkommen.
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I.
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Prüfungsmaßstab für den Vergleich der steuerlichen Behandlung von Ehepaaren mit Kindern und kinderlosen Ehepaaren, die gleich hohe Einkommen beziehen, ist in erster Linie Art 3 Abs 1 GG (vgl. BVerfGE 9, 237 [242]; 11, 64 [69]; 13, 290 [299]; 21, 1 [5]). Durch die Belastung mit Unterhaltsleistungen an Kinder entsteht für Ehepaare mit Kindern gegenüber Ehepaaren ohne Kinder eine wirtschaftliche Ungleichheit in der Verwendung ihres erzielten Einkommens. Ob und in welchem Umfang der Gesetzgeber verfassungsrechtlich verpflichtet ist, diese Ungleichheit zu mildern oder zu beseitigen, ist am Maßstab des aus Art 3 Abs 1 GG zu entnehmenden Gebots der Steuergerechtigkeit zu prüfen, an die der Gesetzgeber gebunden ist ![]() ![]() | |
1. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer kann aus dem Wesen der Einkommensteuer als einer auf die Leistungsfähigkeit angelegten Steuer nicht auf das Prinzip geschlossen werden, daß das zu besteuernde Einkommen nur aus der Summe des Konsums und des steuererheblichen Vermögenszuwachses bestehe, wobei die für den Konsum der Kinder verwendeten Teile des Einkommens nicht der Besteuerung unterliegen dürften. Es braucht deshalb nicht dazu Stellung genommen zu werden, ob der Gesetzgeber für ein Abweichen von diesem von den Beschwerdeführern dargelegten Prinzip sachlich einleuchtende Gründe hätte und ob sich überhaupt aus dem Abweichen von einem der gesetzlichen Konzeption zu entnehmenden Prinzip schon allein eine Verfassungswidrigkeit ergeben könnte (BVerfGE 27, 58 [65] -- Kilometer-Pauschale -; 34, 103 [115] -- Aufsichtsratsvergütung -). Das Einkommensteuerrecht unterscheidet zwischen Einkommenserzielung und Einkommensverwendung. Gegenstand der Einkommensteuer ist zunächst das erzielte Einkommen, wobei bei dessen Berechnung zwar weitgehend, aber nicht vollständig (BVerfGE 34, 103 [115]) die zu seiner Erzielung erforderlichen Aufwendungen abgesetzt werden (Nettoprinzip). Was die steuerliche Berücksichtigung der bei der Einkommensverwendung entstehenden Lasten anlangt, so hat sich der Gesetzgeber bei der Zulassung von Abzügen von verschiedenen Gesichtspunkten leiten lassen, wie z.B. die Aufzählung der Sonderausgaben in § 10 EStG und die Abzugsfähigkeit von außergewöhnlichen Aufwendungen in den §§ 33, 33a und 33b EStG zeigen. Eine Verankerung des Prinzips der Leistungsfähigkeit in dem von den Beschwerdeführern verstandenen Sinn läßt sich daraus nicht entnehmen. Im Gegenteil, der Gesetzgeber hat in § 12 Nr 1 EStG das Prinzip aufgestellt, daß generell die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner ![]() ![]() | |
2. Andererseits ist es ein grundsätzliches Gebot der Steuergerechtigkeit, daß die Besteuerung nach der (wirtschaftlichen) Leistungsfähigkeit ausgerichtet wird. Dies gilt insbesondere für die Einkommensteuer (BVerfGE 13, 290 [297]; 29, 402 [412] -- Konjunkturzuschlag -; 32, 333 [339] -- Ergänzungsabgabe -; 36, 66 [72] -- Stabilitätszuschlag -).
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Das Prinzip einer Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit erweist sich allerdings, wenn daraus konkrete Schlüsse gezogen werden sollen, als vieldeutig, wie immer wieder in der Finanzwissenschaft betont wird (vgl. insbesondere Kurt Schmidt, Die Steuerprogression, 1960, S 42; Dieter Pohmer in: Finanzarchiv NF, Bd 27, 1968, S 139 ff., S 143f; Heinz Haller, Die Steuern, 2. Aufl, 1971, S 15). Jedenfalls ergibt sich daraus, daß auch solche Ausgaben einkommensteuerrechtlich berücksichtigt werden müssen, die außerhalb der Sphäre der Einkommenserzielung anfallen und für den Steuerpflichtigen unvermeidbar sind.
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Auch die nur einzelne Steuerpflichtige treffende wirtschaftliche Belastung durch Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern ist ein besonderer, die Leistungsfähigkeit der Eltern beeinträchtigender Umstand. Deshalb darf der Gesetzgeber diese unabweisbare Sonderbelastung ohne Verstoß gegen die Steuergerechtigkeit nicht außer acht lassen. Bei der Regelung jedoch, wie diese Minderung der steuerlichen Leistungsfähigkeit zu ermitteln und zu beurteilen und wie ihr Rechnung zu tragen ist, läßt das Gleichheitsgebot des Grundgesetzes und das ihm zu entnehmende Gebot der Steuergerechtigkeit dem Gesetzgeber Gestaltungsfreiheit. Er kann sich dabei weitgehend von sozialpolitischen und auch gesellschaftspolitischen Erwägungen und Absichten leiten lassen. Zur reinen Verwirklichung des Prinzips der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit ist der Gesetzgeber auch bei der Einkommensteuer von Verfassungs wegen nicht verpflichtet, wie das Bundesverfassungsgericht für Aufwendun ![]() ![]() | |
a) Der Gesetzgeber kann davon absehen, die je nach der sozialen Stellung verschiedenen Aufwendungen für den Unterhalt von Kindern in vollem Umfang als steuerliche Entlastung zu berücksichtigen.
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Das in Art 6 Abs 1 GG enthaltene Gebot, die Familie durch geeignete Maßnahmen zu fördern, geht nicht so weit, daß der Staat gehalten wäre, jegliche die Familie treffende Belastung auszugleichen oder jeden Unterhaltspflichtigen zu entlasten (BVerfGE 28, 104 [113]; 40, 121 [132]). Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht (Art 6 Abs 2 Satz 1 GG). Die individuelle, auch finanzielle Verantwortung der Eltern für ihre Kinder läßt die volle steuerliche Berücksichtigung der Unterhaltsaufwendungen zu Lasten der Allgemeinheit und der Gesamtheit der Steuerzahler verfassungsrechtlich als nicht geboten erscheinen.
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In diesem Zusammenhang ist es von besonderer Bedeutung, daß die steuerliche Entlastung (oder die jetzige Kindergeldregelung) nicht die einzige Leistung ist, die der Staat für Kinder erbringt und durch die er die Eltern wirtschaftlich entlastet. Der Staat trägt ein Schulsystem, Bildungssystem und Ausbildungssystem, das zum ganz überwiegenden Teil aus Haushaltsmitteln und nicht über Gebühren finanziert wird. Auf diese Weise erbringt er Leistungen, die zunächst den Eltern der in der Schulausbildung und Berufsausbildung stehenden Kinder zugute kommen und es ihnen ersparen, für die Schulausbildung und Berufsausbildung ihrer Kinder kostendeckende Preise und Gebühren zu zahlen.
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Hinzu kommen die Leistungen des Staates nach dem Bundesgesetz über die individuelle Förderung der Ausbildung (§ 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes -- BAföG -- vom 26. August 1971 [BGBl. I S 1409], jetzt in der Neufassung vom 9. April 1976 [BGBl. I S 989]). Diese werden in den Fällen gewährt, in denen dem Auszubildenden die für seinen Lebens ![]() ![]() | |
b) Überdies werden Eltern auch im steuerlichen Bereich unter anderem durch die Berücksichtigung der Kinderzahl bei der Vorsorgepauschale (§ 10c Abs 3 EStG 1975), bei den Höchstbeträgen für Vorsorgeleistungen (§ 10 Abs 3 EStG 1975) und bei der Berechnung der zumutbaren Eigenbelastung nach § 33 Abs 3 EStG 1975 in gewissem Umfang entlastet. Ferner wird dem Steuerpflichtigen für Aufwenddungen, die durch die auswärtige Unterbringung eines in Berufsausbildung befindlichen Kindes entstehen, nach § 33a Abs 2 EStG 1975 ein Steuerfreibetrag von jährlich 1.200 DM eingeräumt. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber schon in dem Einkommensteuergesetz 1975 -- allerdings erst mit Wirkung ab 1. Januar 1977 -- die Vorschriften über die Einräumung dieses Freibetrags geändert. Danach erhält ein Steuerpflichtiger für ein 18 Jahre altes in Berufsausbildung stehendes Kind einen Freibetrag von jährlich 2.400 DM bei der Unterbringung des Kindes im Haushalt und von 4.200 DM bei auswärtiger Unterbringung; für ein noch nicht 18 Jahre altes Kind kann der Steuerpflichtige bei auswärtiger Unterbringung zur Berufsausbildung einen Freibetrag von jährlich 1.800 DM geltend machen (§ 52 Abs 22 EStG 1975). Damit hat der Gesetzgeber in diesem Bereich schon mit dem Inkrafttreten des Einkommensteuerreformgesetzes eine Anpassung der Freibeträge an erhöhte Bedürfnisse vorweggenommen, wie sie sich bei einer Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse als geboten zeigen könnte.
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c) Bei dieser Sachlage hat sich der Gesetzgeber noch im Rahmen der Gestaltungsfreiheit gehalten, die ihm durch Art 3 in Verbindung mit Art 6 GG eingeräumt ist, wenn er für das erste Kind einen Betrag von 50 DM, für das zweite von 70 DM und von 120 DM für das dritte und jedes weitere Kind gewährt.
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Steuerfreibeträge, die zu einer Steuerbefreiung in Höhe dieser festen Kindergeldbeträge führen würden, entsprechen allerdings ![]() ![]() | |
d) Für die verfassungsrechtliche Betrachtung ist es irrelevant, daß der Gesetzgeber die Unterhaltslasten für Kinder nicht im Steuerrecht berücksichtigt und nicht, wie ursprünglich geplant, eine Negativsteuer von 50, 70 und 120 DM eingeführt hat, die die Kinderentlastung bei der Erhebung der Einkommensteuer, beim Lohnsteuerabzug oder bei einkommenslosen Personen im Wege der Auszahlung verwirklichen sollte (sogenannte Finanzamtslösung). An ihrer Stelle wird das gleich hohe Kindergeld gewährt (sogenannte Arbeitsamtslösung). Da somit der Gesetzgeber durch Verlagerung aus dem steuerlichen in den sozialpolitischen Bereich der Minderung der Leistungsfähigkeit von Steuerpflichtigen, die durch den Unterhalt ihrer Kinder bedingt ist, Rechnung getragen hat, entfiel die Pflicht zur Berücksichtigung im Einkommensteuerrecht. Der Gesetzgeber kann im ![]() ![]() | |
II.
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Das bisherige System der Kinderfreibeträge bewirkte, daß Eltern mit progressiv hoch besteuertem Einkommen stärker begünstigt wurden als Eltern mit geringerem Einkommen, da durch den Abzug des gleich hohen Kinderfreibetrags von der Steuerbemessungsgrundlage bei jenen Einkommen eine höhere Entlastung erzielt wurde; auf der anderen Seite wirkte sich die Gewährung des Kinderfreibetrags bei niedrigerem Einkommen steuerlich geringer, in Einzelfällen sogar überhaupt nicht aus. Diese Folge vermeidet das Kindergeldsystem, indem es grundsätzlich feste Geldbeträge gewährt, obwohl bei höherem Einkommen der Eltern die gesetzlichen Unterhaltsansprüche der Kinder steigen. Diese Regelung, die übrigens auch der Bundesfinanzhof schon seit langem für zulässig erachtet hat (BStBl 1960 III, S 102; 1969 II, S 730), ist unter dem Gesichtspunkt des Art 3 Abs 1 GG nicht zu beanstanden. Wie bereits dargelegt (C I 2a), liegt es weitgehend im Rahmen der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit, wie der Minderung der Leistungsfähigkeit durch die Unterhaltslasten für Kinder Rechnung zu tragen ist. Der Gesetzgeber des Einkommensteuerreformgesetzes durfte sich von dem sozialpolitischen und gesellschaftspolitischen Anliegen leiten lassen, die Ungleichheit der Startchancen, die an sich schon ![]() ![]() | |