Beschluß | |
des Zweiten Senats vom 18. Dezember 1985
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-- 2 BvR 1167/84 -- | |
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerden 1. der Firma F... - Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Klaus Rohwedder, Volker Blitz, Dr. Ortum Lampe und Dr. Franz-Peter Gallois, Kaiserstraße 74, Mainz 1- und Antrag auf Erlaß einer einsteiligen Anordnung - 2 BvR 1167/84 -; 2.a) des Herrn Kurt B..., b) des Herrn Paul L... - Bevollmächtigter: Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Schenke, Beim Hochwald 30, Mannheim 31 - 2 BvR 1185/84 -, - 2 BvR 1636/84 -; 3. a) des Herrn Walter T..., b) des Herrn Heinrich T... - Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. Holger Schwemer, Reinhard Titz, Ronald Titz und Karsten Tötter, Isestraße 41, Hamburg 13, - 2 BvR 308/85 - und Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung - 2 BvQ 18/84 -, alle gegen die Verordnung über die Abgaben im Rahmen von Garantiemengen im Bereich der Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse (Milch-Garantiemengen-Verordnung) vom 25. Mai 1984 (BGBl. I S. 720), geändert durch die Erste bis Vierte Verordnung zur Änderung der Milch-Garantiemengen-Verordnung vom 27. September 1984 (BGBl. I S. 1255), vom 27. November 1984 (BGBl. I S. 1434), vom 11. September 1985 (BGBl. I S. 1916) und vom 16. Oktober 1985 (BGBl. I S. 2008).
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Entscheidungsformel:
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1. Die Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
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2. Die Verfassungsbeschwerden werden verworfen.
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3. Die Anträge auf Erlaß einstweiliger Anordnungen werden abgelehnt.
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Gründe: | |
A. | |
Die Beschwerdeführer und Antragsteller wenden sich mit ihren Verfassungsbeschwerden und Anträgen auf Erlaß einstweiliger Anordnungen unmittelbar gegen Bestimmungen der Milch-Garantiemengen-Verordnung (MGVO) vom 25. Mai 1984 (BGBl. I S. 720) mit späteren Änderungen.
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I.
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1. Die Milch-Garantiemengen-Verordnung vom 25. Mai 1984 ist am 29. Mai 1984 im Bundesgesetzblatt bekannt gemacht worden und mit Wirkung vom 2. April 1984 (§ 23 Abs. 1 MGVO) in Kraft getreten. Sie setzt als nationale Regelung der Bundesrepublik Deutschland die Vorgaben zur Neuordnung des europäischen Milchmarktes um, die Rat und Kommission der Europäischen Gemeinschaften in den Verordnungen (EWG) Nr. 856/ 84 vom 31. März 1984, ABl. (EG) Nr. L 90 vom 1. April 1984, S. 10 (EWG) Nr. 857/84 vom 31. März 1984, ABl. (EG) Nr. L 90 vom 1. April 1984, S. 13, und (EWG) Nr. 1371/84 vom 16. Mai 1984, ABl. (EG) Nr. L 132 vom 18. Mai 1984, S. 11 -- jeweils mit späteren Änderungen -- festgelegt haben. Die genannten Verordnungen sind jeweils am Tage nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften in Kraft getreten.
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a) Durch Art. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 856/84 ist in die Europäische Milchmarktordnung (Verordnung [EWG] Nr. 804/ 68, ABl. [EG] Nr. L 148, S. 13, mit späteren Änderungen) ein Artikel 5 c eingefügt worden. Dieser legt in seinem Absatz 1 im wesentlichen fest, daß innerhalb eines Zeitraumes von fünf mal zwölf -- jeweils vom 1. April bis 31. März laufenden -- Monaten, beginnend ab dem 2. April 1984, eine Abgabe auf diejenigen Mengen Kuhmilch oder Milchäquivalente zu erheben ist, die eine zu bestimmende Referenzmenge überschreiten. Grundlage der Berechnung dieser Referenzmenge ist eine nationale Gesamtgarantiemenge, die Art. 5 c Abs. 3 der genannten Verordnung jedem Mitgliedstaat auf der Grundlage der bei ihm im Jahre 1981 angefallenen Milchlieferungen zuteilt. Diese nationalen Gesamtgarantiemengen dürfen in jedem der fünf Zwölf-Monats- Zeiträume im Grundsatz um nicht mehr als ein Prozent überschritten werden. Für die Aufteilung der nationalen Gesamtgarantiemenge auf die an der nationalen Milchwirtschaft Beteiligten stellt Art. 5 c Abs. 1 der Verordnung den Mitgliedsstaaten zwei sogenannte Formeln zur Wahl: Nach der Formel A zahlt jeder Milcherzeuger eine Abgabe für diejenigen Mengen Milch oder Milchäquivalente, die er an einen Käufer (das ist in der Bundesrepublik Deutschland in der Regel eine Molkerei) geliefert hat und die die in dem jeweiligen Zwölfmonatszeitraum für den Erzeuger zu bestimmende Referenzmenge überschritten haben. Nach der Formel B wird die Referenzmenge für den einzelnen Käufer berechnet und die Abgabe auf die diese Menge überschreitende Milch vom Käufer erhoben. Der Käufer wälzt die Abgabe dann auf die einzelnen Erzeuger, "die ihre Lieferungen erhöht haben", in dem Verhältnis ab, in dem diese mit ihren Lieferungen für die Überschreitung der Referenzmenge des Käufers ursächlich waren. Zusätzlich bestimmt Art. 5 c Abs. 2 der genannten Verordnung, daß die Abgabe auch für die Milchmenge zu zahlen ist, die ein Erzeuger unmittelbar an den Verbraucher verkauft und die im betreffenden Zwölfmonatszeitraum die zu bestimmende Referenzmenge überschreitet (sogenannter Direktverkauf).
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b) Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 857/84 setzt die Abgabe auf 75% des Milchrichtpreises bei Anwendung der Formel A und bei Direktverkauf sowie auf 100% des Milchrichtpreises bei Anwendung der Formel B fest. Gemäß Art. 2 Abs. 1 dieser Verordnung entspricht die Referenzmenge derjenigen Milchmenge, die im Kalenderjahr 1981 vom Erzeuger geliefert wurde (Formel A) oder (Formel B) vom Käufer gekauft wurde, jeweils zuzüglich einem Prozent. Art. 2 Abs. 2 der Verordnung gestattet jedoch den Mitgliedsstaaten vorzusehen, daß die Referenzmenge der im Kalenderjahr 1982 oder im Kalenderjahr 1983 gelieferten Milchmenge entspricht; diese Menge ist dann allerdings prozentual in einer Weise zu kürzen, daß die für den jeweiligen Mitgliedsstaat vorgesehene Gesamtgarantiemenge nicht überschritten wird. Der Kürzungssatz kann nach der Menge oder der Entwicklung der Lieferungen bestimmter Gruppen von Abgabepflichten angepaßt werden. Ferner kann der jeweilige Prozentsatz gemäß Art. 2 Abs. 3 der Verordnung auch angepaßt werden, um die Berücksichtigung besonderer Situationen sowie die Anwendung des Art. 4 der Verordnung sicherzustellen. Der Begriff der "besonderen Situation" ist in Art. 3 der erwähnten Verordnung definiert. Art. 4 Abs. 1 der Verordnung gestattet es den Mitgliedsstaaten unter anderem, Erzeugern, die einen nach dem Inkraftsetzen der Verordnung gemäß der Richtlinie 72/159/ EWG genehmigten Entwicklungsplan durchführen, unter bestimmten Voraussetzungen im Interesse einer erfolgreichen Umstrukturierung der Milcherzeugung eine zusätzliche Referenzmenge zuzuweisen. Zu demselben Zweck können die Mitgliedsstaaten Erzeugern, die hauptberuflich die Landwirtschaft betreiben, eine zusätzliche Referenzmenge einräumen. Art. 6 der Verordnung enthält eine Regelung für Direktverkäufer von Milch. In Art. 7 der Verordnung sind die Fälle des Verkaufs, der Verpachtung und der Übertragung eines Betriebs in Erbfolge angesprochen.
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c) Die Verordnung (EWG) Nr. 1371/84 füllt diese Grundregeln aus. Sie legt in Art. 2 Abs. 1 die Voraussetzungen fest, unter denen der Prozentsatz abgestuft werden kann, der bei der Festsetzung der individuellen Referenzmenge abzuziehen ist, wenn als Bezugsjahr nicht 1981, sondern 1982 oder 1983 gewählt wird, wie dies nach Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 857/84 möglich ist. In Art. 3 der Verordnung wird der Katalog des Art. 3 Nr. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 857/84 über die auf Antrag als "besondere Situationen" zu berücksichtigenden "außergewöhnlichen Ereignisse" (Fälle höherer Gewalt) erweitert. Art. 4 enthält eine Regelung für Direktverkäufer. In Art. 5 ist eine Regelung für die Fälle des Verkaufs, der Verpachtung und der Vererbung von Betrieben u. ä. getroffen worden. Art. 6 Abs. 2 gestattet den Mitgliedsstaaten, Abgabepflichtigen eine Referenzmenge zuzuteilen, wenn diese ihre Tätigkeit nach Beginn des Referenzzeitraums aufgenommen haben.
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2. In den Bestimmungen der Milch-Garantiemengen-Verordnung hat sich der deutsche Verordnungsgeber für die Formel A entschieden. Zugleich hat er unter anderem von den Ermächtigungen der Art. 2 Abs. 2 und Art. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 857/84 im Rahmen der Bestimmungen der Verordnung (EWG) Nr. 1371/84 teilweise Gebrauch gemacht. So bestimmt § 4 Abs. 2 MGVO, daß die Referenzmenge der um 4% gekürzten Milchmenge entspricht, die der Milcherzeuger im Kalenderjahr 1983 an einen Käufer (Molkerei) geliefert hat. Falls die Anlieferungsmenge des Kalenderjahres 1983 höher ist als diejenige des Kalenderjahres 1981, erhöht sich der Kürzungssatz von 4% nach einer bestimmten Berechnungsformel, jedoch um nicht mehr als 5%. Der sich hiernach ergebende Kürzungssatz wird allerdings abermals um bis zu 3,5% heraufgesetzt, wenn die Anlieferungsmenge 1983 161 000 kg oder mehr betragen hat. Der höchstmögliche Kürzungssatz beträgt demgemäß 12,5%. Bei Milcherzeugern, die im Jahre 1983 nicht mehr Milch als 1981 angeliefert und dabei die Menge von 161 000 kg nicht erreicht haben, sowie bei näher bezeichneten Kleinerzeugern wird weniger stark gekürzt (§ 4 Abs. 3 MGVO).
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In § 6 MGVO ist bestimmt, unter welchen Voraussetzungen ein Erzeuger eine Referenzmenge geltend machen kann, die von der nach § 4 MGVO bestimmten Menge abweicht. Außer "in den Fällen, die in den in § 1 genannten Rechtsakten (gemeint ist: der Europäischen Gemeinschaften) bestimmt sind" (§ 6 Abs. 1 MGVO), kann der Erzeuger eine solche Referenzmenge nach Maßgabe des § 6 Abs. 2 bis 5 MGVO beanspruchen. In diesen Fällen tritt für die Berechnung der Referenzmenge nach § 4 an die Stelle der Anlieferungsmenge 1983 die nach § 6 Abs. 2 bis 7 MGVO zu berechnende Menge (§ 6 Abs. 1 Satz 2 MGVO). Darüber hinaus enthält § 6 Abs. 8 MGVO nunmehr eine Regelung zur Verteilung zusätzlicher Anlieferungs-Referenzmengen durch die Bundesländer in Härtefällen. In der jetzt maßgeblichen Fassung lautet der -- zuletzt durch Art. 1 Nr. 1 der Vierten Verordnung zur Änderung der Milch-Garantiemengen-Verordnung vom 16. Oktober 1985, BGBl. I S. 2008 geänderte -- § 6 MGVO wie folgt:
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§ 6 Anlieferungs-Referenzmenge bei besonderen Situationen
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(1) Der Milcherzeuger kann außer in den Fällen, die in den in § 1 genannten Rechtsakten bestimmt sind, nach Maßgabe der folgenden Absätze eine von § 4 abweichende Referenzmenge geltend machen. In den Fällen der Absätze 2 bis 7 tritt für die Berechnung der Referenzmenge nach § 4 die nach diesen Absätzen berechnete Menge an die Stelle der Anlieferungsmenge 1983.
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(2) Ist dem Milcherzeuger zwischen dem 1. Juli 1978 und dem 29. Februar 1984 auf Grund eines Entwicklungsplanes nach der Richtlinie 72/159/EWG (ABl. EG Nr. L 96 S. 1) die Förderung einer Baumaßnahme zur Erhöhung der Zahl der Kuhplätze um mindestens 20 vom Hundert bewilligt worden, wird für die Berechnung der Referenzmenge folgende Milchmenge zugrunde gelegt: 1. Die im Entwicklungsplan festgelegte volle Zielmenge wird zugrunde gelegt, wenn bis zum 1. März 1984 a) die Baumaßnahme im Hinblick auf die Kuhplätze abgeschlossen worden ist und b) soviel Kühe aufgestallt worden sind, wie für die Erzeugung der zu erwartenden Anlieferungs-Referenzmenge erforderlich sind. 2. Liegen die Voraussetzungen nach Nummer 1 nicht vor, wird die Zielmenge in dem Umfang zugrunde gelegt, wie Kühe aufgestallt worden sind, die für die Erzeugung der zu erwartenden Anlieferungs- Referenzmenge erforderlich sind; die Erhöhung kann ab dem auf die Aufstallung folgenden Quartal geltend gemacht werden. Bis zum Abschluß der Aufstallung erfolgt eine Kürzung nach § 4 Abs. 2 und 3 nur, soweit die Anlieferungs-Referenzmenge überschritten wird. | |
(3) Sind dem Milcherzeuger zwischen dem 1. Juli 1978 und dem 29. Februar 1984 ohne Entwicklungsplan im Sinne von Absatz 2 öffentliche Mittel für eine Baumaßnahme im Sinne von Absatz 2 bewilligt worden, gilt folgendes: 1. Für die Berechnung der Referenzmenge wird die Milchmenge zugrunde gelegt, die sich als Zielmenge unmittelbar aus den Bewilligungsunterlagen ergibt, die der Bewilligungsbehörde vor dem 1. März 1984 vorgelegen haben. 2. Geht hieraus die Zielmenge nicht hervor, wird die Zahl der geplanten Kuhplätze, sofern sich diese unmittelbar aus den Unterlagen ergibt, mit der im betreffenden Bundesland 1983 durchschnittlich angelieferten Milchmenge je Kuh (Landesdurchschnittssatz) vervielfacht. Für den Umfang, in dem die sich aus Satz 1 ergebende Milchmenge berücksichtigt wird, gilt Absatz 2 Nr. 1 und 2 entsprechend. | |
(4) Ist dem Milcherzeuger zwischen dem 1. Juli 1978 und dem 29. Februar 1984 in anderen als den in Absatz 2 oder 3 genannten Fällen ein Bauantrag für eine Baumaßnahme im Sinne von Absatz 2 genehmigt worden und wird durch diese Baumaßnahme ein Investitionsvolumen von 50 000 DM ohne Eigenleistung oder 25 000 DM in Form von baren Aufwendungen ohne Arbeitsleistung erreicht, wird als Zielmenge die Zahl der Kuhplätze, die sich unmittelbar aus den Unterlagen ergibt, vervielfacht mit dem Landesdurchschnittssatz, zugrunde gelegt. Die genannten Beträge sind ohne Mehrwertsteuer zu verstehen. Für den Umfang, in dem die sich aus Satz 1 ergebende Milchmenge berücksichtigt wird, gilt Absatz 2 Nr. 1 und 2 entsprechend.
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(5) Hat der Milcherzeuger zwischen dem 1. Juli 1978 und dem 29. Februar 1984 in anderen als den in Absatz 2, 3 oder 4 genannten Fällen eine Baumaßnahme im Sinne des Absatzes 2 begonnen und abgeschlossen, wird für die Berechnung der Referenzmenge die Milchmenge zugrunde gelegt, die sich aus der Zahl der Kuhplätze vervielfacht mit dem Landesdurchschnittssatz ergibt, sofern 1. durch diese Maßnahme ein Investitionsvolumen von 50 000 DM ohne Eigenleistung oder 25 000 DM in Form von baren Aufwendungen ohne Arbeitsleistung erreicht worden ist, wobei diese Beträge ohne Mehrwertsteuer zu verstehen sind und 2. vor dem 1. August 1984 soviel Kühe aufgestallt waren, wie zur Erzeugung der auf Grund der vorgenommenen Baumaßnahme zu erwartenden Anlieferungs-Referenzmenge erforderlich sind; ist diese Kuhzahl nicht voll erreicht worden, wird eine entsprechend verringerte Milchmenge berücksichtigt. Soweit die Kühe erst nach dem 30. Juni 1984 aufgestallt waren, wird die Erhöhung der Referenzmenge erst von dem auf den 30. Juni 1984 folgenden Quartal an berücksichtigt werden. | |
(5 a) Die Absätze 2 bis 5 finden auch in den Fällen Anwendung, in denen der Milcherzeuger erstmals im Jahre 1984 Milch oder Milcherzeugnisse an einen Käufer geliefert hat.
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(6) Die nach den Absätzen 2 bis 5 berechneten Mengen bleiben insoweit unberücksichtigt, als sie die in dem betreffenden Bundesland 1983 durchschnittlich angelieferte Milchmenge von 80 Kühen übersteigen. Bei Vereinigungen im Sinne von Artikel 12 Buchstabe c der Verordnung (EWG) Nr. 857/84 des Rates vom 31. März 1984 (ABl. EG Nr. L 90 S. 13) gilt die in den Sätzen 1 und 2 genannte Grenze jeweils für jedes Mitglied der Vereinigung, bei dem die Voraussetzungen nach einem der Absätze 2 bis 5 a gegeben sind.
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(7) War ein Milcherzeuger zu den in den Absätzen 3 bis 5 genannten Zeiträumen einem Kontrollverband oder einem Prüfring angeschlossen, kann der Milcherzeuger verlangen, daß für die Feststellung der Milchleistung der von dem Kontrollverband oder dem Prüfring für den Betrieb des Milcherzeugers ermittelte, um 10 vom Hundert verminderte Satz der durchschnittlichen Erzeugung zugrunde gelegt wird. Dies gilt auch für die Fälle des Absatzes 2, wenn die im Betriebsentwicklungsplan angenommene Milchleistung erheblich unter dem von dem Kontrollverband oder dem Prüfring ermittelten Satz liegt.
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(8) Den Ländern stehen zur Verteilung nach Maßgabe des Artikels 4 Abs. 1 Buchstabe c der Verordnung (EWG) Nr. 857/84 folgende Anlieferungs-Referenzmengen zur Verfügung: Schleswig-Holstein: 3 760 Tonnen Hamburg: 25 Tonnen Niedersachsen: 10 570 Tonnen Bremen: 40 Tonnen Nordrhein-Westfalen: 6 520 Tonnen Hessen: 3 950 Tonnen Rheinland-Pfalz: 2 730 Tonnen Baden-Württemberg: 8 800 Tonnen Saarland: 290 Tonnen Berlin: 5 Tonnen Bayern: 23 310 Tonnen Ihnen stehen ab dem zweiten Zwölfmonatszeitraum, in diesem selbst jedoch nur bis zu einer Höhe von 25 vom Hundert, zur Verteilung nach Maßgabe des Artikels 3 Nr. 2 und des Artikels 4 Abs. 1 Buchstabe c der Verordnung (EWG) Nr. 857/84 folgende Anlieferungs-Referenzmengen zur Verfügung: Schleswig-Holstein: 11 600 Tonnen Hamburg: 74 Tonnen Niedersachsen: 32 597 Tonnen Bremen: 130 Tonnen Nordrhein-Westfalen: 20 109 Tonnen Hessen: 12 173 Tonnen Rheinland-Pfalz: 8 418 Tonnen Baden-Württemberg: 27 139 Tonnen Saarland: 888 Tonnen Berlin: 18 Tonnen Bayern: 71 854 Tonnen Ferner stehen den Ländern zur Verteilung nach Maßgabe der in Satz 2 genannten Vorschriften die Referenzmengen zur Verfügung, die zu ihren Gunsten gegen die Gewährung einer Vergütung für die endgültige Aufgabe der Milcherzeugung für den Markt freigesetzt werden. | |
Bis zur Vierten Änderungsverordnung, die gemäß ihrem Art. 3 mit Wirkung vom 1. April 1985 in Kraft getreten ist, wies § 6 Abs. 8 MGVO neben seinem Satz 1 lediglich einen Satz 2 -- eingefügt durch die Dritte Änderungsverordnung vom 11. September 1985 (BGBl. I S. 1916) -- auf, der wie folgt lautete:
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Ferner stehen den Ländern zur Verteilung nach Maßgabe der in Satz 1 genannten Vorschriften die Referenzmengen zur Verfügung, die zu ihren Gunsten gegen die Gewährung einer Vergütung für die endgültige Aufgabe der Milcherzeugung für den Markt freigesetzt werden.
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§ 8 MGVO in der Bekanntmachung der Neufassung der Milch- Garantiemengen-Verordnung vom 20. Dezember 1984 (BGBl. 1985 I S. 5) regelt die Berechnung von Referenzmengen bei Aufnahme der Lieferung in der Zeit nach dem 1. Januar 1983, aber vor dem 1. April 1984. Im einzelnen lautet die Vorschrift wie folgt:
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§ 8 Anlieferungs-Referenzmengen bei Aufnahme der Lieferung
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(1) Hat ein Milcherzeuger nach dem 1. Januar 1983 und vor dem 1. April 1983 begonnen, Milch zu liefern, tritt für die Berechnung der Referenzmenge nach § 4 an die Stelle der Anlieferungsmenge 1983 die Anlieferungsmenge der vor dem 1. April 1984 liegenden letzten 12 Monate.
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(2) Hat ein Milcherzeuger in der Zeit vom 1. April 1983 bis zum 1. April 1984 begonnen, Milch zu liefern, tritt an die Stelle der Anlieferungsmenge 1983 die wie folgt zu berechnende Menge: Die vom Erzeuger bis zum 31. März 1984 angelieferte Menge wird mit dem Faktor vervielfacht, der das Verhältnis zwischen der Gesamtanlieferung an den Käufer in dem Zeitraum vom 1. April 1983 bis zum 31. März 1984 und der Gesamtanlieferung an diesen Käufer in dem Zeitraum, in dem der Milcherzeuger an diesen geliefert hat, darstellt.
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(3) Im Falle des Absatzes 2 wird dem Milcherzeuger als durchschnittlich gewogener Fettgehalt der sich für die gesamten Anlieferungen an den Käufer ergebende Wert angerechnet.
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(4) Ist nach den in § 1 genannten Rechtsakten in Verbindung mit § 7 Abs. 1 eine Referenzmenge auf den Milcherzeuger übergegangen, finden die Absätze 1 bis 3 nur Anwendung, wenn sich daraus eine Referenzmenge ergibt, die größer ist als die Summe aus der Referenzmenge auf Grund eigener Anlieferung des Milcherzeugers und der übergegangenen Referenzmenge; in diesem Falle umfaß die Referenzmenge nach Absatz 1 oder 2 die übergegangene Referenzmenge.
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Die Berechnung der Referenzmenge erfolgt gemäß § 4 Abs. 1 MGVO durch den für den jeweiligen Erzeuger zuständigen Käufer. Dieser teilt gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 MGVO die Referenzmenge dem Milcherzeuger bis zum 15. Juli 1984 mit. Ferner teilt er die Summe der Referenzmengen bis zum 15. Oktober 1984 dem für den Betrieb des Käufers zuständigen Hauptzollamt mit, welches gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 MGVO für die Durchführung der Milch-Garantiemengen-Verordnung und der zugrundeliegenden gemeinschaftsrechtlichen Rechtsakte grundsätzlich zuständig ist.
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Über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 bis 5 MGVO sowie zahlreicher weiterer, im einzelnen in der Verordnung geregelter besonderer Gegebenheiten entscheidet nach Maßgabe des § 9 Abs. 2 MGVO die nach Landesrecht zuständige Landesstelle. Gegen ihre Entscheidung kann Widerspruch eingelegt und der Verwaltungsrechtsweg beschritten werden.
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Lehnt der Käufer eine vom Milcherzeuger gewünschte Neuberechnung der Anlieferungs-Referenzmenge ab, so kann der Milcherzeuger bei dem für den Betrieb des Käufers zuständigen Hauptzollamt die Festsetzung durch Bescheid beantragen (§ 10 Abs. 3 Satz 1 MGVO). Eine für die Neuberechnung der Anlieferungs- Referenzmenge nach Maßgabe der Milch-Garantiemengen- Verordnung erforderliche Bescheinigung der zuständigen Landesstelle kann mit diesem Antrag jedoch nicht ersetzt oder angegriffen werden (§ 10 Abs. 3 Satz 2 MGVO).
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Die Erhebung der Abgabe regelt § 11 MGVO. Die durch die Dritte Änderungsverordnung neugefaßte und durch die Vierte Änderungsverordnung abermals geänderte Vorschrift lautet nunmehr:
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§ 11 Erhebung der Abgabe
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(1) Der Käufer zieht dem Milcherzeuger den Abgabebetrag von dem Entgelt für die Lieferung des Kalendermonats ab, der dem jeweiligen Zwölfmonatszeitraum folgt. Für die nach den in § 1 genannten Rechtsakten vorgesehene Abrechnung ist der am letzten Tag des abzurechnenden Zwölfmonatszeitraumes geltende Richtpreis und der durchschnittliche gewogene Fettgehalt des vorangegangenen Zwölfmonatszeitraumes zugrunde zu legen.
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(2) Ist bei einem Milcherzeuger zu erwarten, daß der Abgabebetrag größer sein wird als das Lieferungsentgelt, von dem der Abzug erfolgen soll, ist der Käufer berechtigt, in Höhe des zu erwartenden Unterschiedsbetrages das Lieferungsentgelt für vorausgehende Kalendermonate zurückzubehalten; der Milcherzeuger kann dies durch Stellung einer anderen Sicherheit abwenden.
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(3) Der Käufer übersendet dem für seinen Betrieb zuständigen Hauptzollamt bis zum 45. Tag nach Ablauf jedes Zwölfmonatszeitraumes eine Abgabeanmeldung, die die Summe der abgabepflichtigen Mengen und den darauf insgesamt entfallenden Abgabebetrag enthält. Der Käufer führt den Abgabebetrag bis zum 60. Tag nach Ablauf jedes Zwölfmonatszeitraumes an die Bundeskasse Hamburg ab.
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Für den Direktverkauf von Milch bestimmt § 14 MGVO (in der Bekanntmachung der Neufassung der Milch-Garantiemengen- Verordnung vom 20. Dezember 1984, geändert durch die Dritte Änderungsverordnung) hinsichtlich der Referenzmenge:
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§ 14 Direktverkaufs-Referenzmenge
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(1) Jeder Milcherzeuger, der Milch oder Milcherzeugnisse unmittelbar an Verbraucher verkauft (Direktverkäufer), hat den nach den in § 1 genannten Rechtsakten erforderlichen Registrierungsantrag bis zum 31. Dezember 1984 bei dem für seinen Betrieb zuständigen Hauptzollamt zu stellen. Jeder Direktverkäufer der Milch oder Milcherzeugnisse unmittelbar an Verbraucher abgabepflichtig verkaufen will oder verkauft, ohne daß ihm nach den in § 1 genannten Rechtsakten eine Direktverkaufs-Referenzmenge zusteht, hat unverzüglich bei dem für seinen Betrieb zuständigen Hauptzollamt einen Registrierungsantrag zu stellen.
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(2) Die §§ 6 bis 9 gelten für die Berechnung von Direktverkaufs- Referenzmengen entsprechend.
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Die Regelung über die Abgabe für direkt verkaufte Milch ist in § 16 MGVO (in der Bekanntmachung der erwähnten Neufassung) getroffen worden:
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§ 16 Erhebung der Abgabe
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Abschließend bestimmt § 19 MGVO (in der Bekanntmachung der erwähnten Neufassung der Verordnung):
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§ 19 Mitwirkungs- und Duldungspflichten
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(1) ...
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(2) Die Käufer melden an das Bundesamt bis zum 15. Tag jedes Monats die sich zum Ersten des jeweiligen Monats ergebende Summe der Referenzmengen. Die Meldung ist gleichzeitig, unbeschadet des § 4 Abs. 5 Satz 2 erstmals jedoch zum 15. November 1984, auch an das für den Betrieb des Käufers zuständige Hauptzollamt zu richten. Vom 15. April 1985 an gelten die Sätze 1 und 2 mit der Maßgabe, daß die Meldungen vierteljährlich abzugeben sind.
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(3) ...
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II.
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1. Mit ihren Verfassungsbeschwerden und Anträgen auf Erlaß einstweiliger Anordnungen wenden sich die Beschwerdeführer und Antragsteller gegen zahlreiche Bestimmungen der Milch- Garantiemengen-Verordnung. Im einzelnen wird in den Verfahren folgendes gerügt:
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a) Die Beschwerdeführer im Verfahren 2 BvR 1167/84 beanstanden insbesondere die einschränkende Regelung des § 6 Abs. 6 MGVO, soweit davon eine Baumaßnahme im Sinne des § 6 Abs. 4 MGVO betroffen ist. Im wesentlichen machen sie geltend: Sie hielten zur Zeit 64 Kühe; knapp 70% ihres Einkommens würden durch die Milcherzeugung erzielt, vier Familien hierdurch ernährt. Im Jahre 1981 sei ein neuer Stall gebaut worden, um den Viehbestand auf 104 Milchkühe erhöhen zu können. Dieses Ziel müsse nun aufgegeben werden, da ihnen lediglich die nach § 6 Abs. 6 MGVO in Rheinland-Pfalz höchstmögliche Menge von 360 800 kg Milch als Referenzmenge zugeteilt worden sei. Eine landwirtschaftliche Nutzung des von ihnen bewirtschafteten Bodens zu anderen Zwecken als zur Milchviehhaltung komme nicht in Betracht. Die Abgabepflicht nach der Milch- Garantiemengen-Verordnung betreffe sie selbst, gegenwärtig und unmittelbar. Zumindest aber müsse die Verfassungsbeschwerde gegen die angegriffenen Normen nach den Grundsätzen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Volkszählungsgesetz als zulässig angesehen werden.
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Die Verordnung verstoße gegen Art. 14, Art. 12 und Art. 2 Abs. 1 GG. Soweit die Unvereinbarkeit der Verordnung mit dem Grundgesetz darauf beruhe, daß die zugrundeliegenden Verordnungen der Europäischen Gemeinschaften gegen Grundrechte verstießen, komme die Einholung einer Vorabentscheidung nach Art. 177 EWG-Vertrag durch das Bundesverfassungsgericht in Betracht. Eine Vorlage der Sache an den Europäischen Gerichtshof erscheine sogar geboten, weil fraglich sei, ob die Verordnungen der Gemeinschaften eine Ermächtigungsgrundlage im EWG- Vertrag fänden. Art. 14 Abs. 1 GG sei verletzt, weil die Erhebung der Abgabe und die damit erzwungene Produktionseinschränkung in einen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eingreife und dessen Bestand in Frage stelle. Die Abgabe habe erdrosselnde Wirkung, da der von ihr übriggelassene Erlös der Milch nicht kostendeckend sei. Überdies verstoße die Einführung der Abgabe gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes. In den Europäischen Gemeinschaften sei von Beginn an die Steigerung der Milcherzeugung gefördert und subventioniert worden sowie eine Garantie der Abnahme von Milch zu festen Preisen gegeben worden. Die Beschwerdeführer hätten daher davon ausgehen müssen, durch die Milcherzeugung eine dauerhafte und sichere Lebensgrundlage erlangen zu können. Andere, ebenso wirksame aber weniger einschneidende Maßnahmen zur Stabilisierung des Milchmarktes seien nicht ergriffen worden. Art. 12 Abs. 1 GG sei verletzt, weil die angegriffenen Vorschriften massiv in die Freiheit der Berufsausübung eingriffen und mit Gründen des gemeinen Wohls nicht mehr zu rechtfertigen seien. Im übrigen würden bei der Abgabenberechnung und -erhebung Stellen tätig, die außerhalb der Bundesfinanzverwaltung stünden. Es liege daher auch ein Verstoß gegen Art. 108 Abs. 1 Satz 1 GG vor. Außerdem habe die in der Milch-Garantiemengen-Verordnung vorgenommene Übertragung staatlicher Aufgaben auf Private, nämlich die Molkereien, durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes durch Verwaltungsakt erfolgen müssen. In diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, daß die Mitteilung der Referenzmenge an das zuständige Hauptzollamt die Einspruchsfrist ohne Wissen des Erzeugers in Lauf setzen könne. Schließlich stelle die Abgabe eine Sonderabgabe dar, deren verfassungsrechtliche Zulässigkeitsvoraussetzungen nicht gegeben seien. Auch sei fraglich, ob die Ermächtigungsgrundlage für die Milch-Garantiemengen- Verordnung, die Vorschriften des Marktorganisationsgesetzes, hinreichend bestimmt im Sinne des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG seien. Nicht zuletzt verstoße die Milch-Garantiemengen- Verordnung gegen Art. 2 Abs. 1 GG, weil sie in rechtsstaatswidriger Weise rückwirkend in abgeschlossene Sachverhalte eingreife.
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Der Erlaß einer einstweiligen Anordnung sei geboten, um unwiederbringliche Einkommensverluste zu vermeiden, die die Beschwerdeführer möglicherweise dazu zwingen könnten, bereits vor der Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde die Milchproduktion ganz einzustellen.
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b) Der Beschwerdeführer des Verfahrens 2 BvR 1185/84 macht geltend, ihm sei im Jahre 1983 eine Baugenehmigung für den Bau eines Boxenlaufstalls erteilt worden; nach Fertigstellung des Stalls stünden nunmehr 116 Kuhplätze zur Verfügung. Die Kosten des Bauvorhabens hätten sich auf 400 000 DM ohne Eigenaufwand belaufen. Im Hinblick darauf habe er bei der zuständigen Landwirtschaftskammer gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 2 MGVO eine Bescheinigung darüber beantragt, daß die Voraussetzungen für die Anerkennung einer besonderen Anlieferungs- Referenzmenge nach § 6 Abs. 4 MGVO gegeben und welche Zielmenge daher zu berücksichtigen sei. Aufgrund dieses Antrags sei ihm eine Referenzmenge von 355 600 kg zugebilligt worden. An der Festsetzung einer höheren Menge habe sich die Landwirtschaftskammer durch die Regelung des § 6 Abs. 6 MGVO gehindert gesehen. Diese Vorschrift verletze ihn daher in seinen Grundrechten aus Art. 3 Abs. 1, Art. 12 und Art. 14 GG. Die wirtschaftlichen Auswirkungen des § 6 Abs. 6 MGVO auf seinen Betrieb legt der Beschwerdeführer ausführlich dar.
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c) Auch der Beschwerdeführer im Verfahren 2 BvR 1636/84 sieht sich unter anderem durch § 6 Abs. 6 MGVO betroffen. Er trägt vor, er habe im Jahre 1983 eine bauliche Maßnahme (ohne Baugenehmigung) abgeschlossen, durch die sich die Zahl seiner Kuhplätze von 51 auf 106 erhöht habe. Der Kostenaufwand habe 210 000 DM betragen. Dementsprechend habe ihm die zuständige Landwirtschaftskammer gemäß § 6 Abs. 5 MGVO eine erhöhte Anlieferungs-Referenzmenge zugebilligt. Er habe bis zum 1. August 1984 -- dem Stichtag des neugefaßten § 6 Abs. 5 MGVO -- die vorhandenen Kuhplätze jedoch nicht voll belegt, sondern nur insgesamt 80 Kühe aufgestallt, da er seinerzeit bereits gewußt habe, daß eine höhere Kuhzahl nach § 6 Abs. 6 MGVO nicht angerechnet werde. Diese Nichtanrechnung sei indessen ebenso verfassungswidrig wie der Stichtag in § 6 Abs. 5 MGVO. Letzterer werde aufgrund der geschilderten tatsächlichen Entwicklung auch bei einer Nichtigerklärung des § 6 Abs. 6 MGVO weiterhin zu seinen, des Beschwerdeführers, Lasten eingreifen und ihm auch dann noch die Ausnutzung der Gesamtzahl der errichteten Kuhplätze wirtschaftlich unmöglich machen. Der Verfassungsverstoß des § 6 Abs. 5 MGVO bestehe hauptsächlich in einer Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG. Eine solchermaßen strikte Begrenzung des Zeitpunkts, bis zu dem die "anrechnungsfähigen" Kühe spätestens aufgestallt worden sein müßten, finde sich in den anderen Härtefallregelungen (§ 6 Abs. 2 bis 4 MGVO) nicht. Dieser Unterschied sei um so weniger sachlich gerechtfertigt, als § 6 Abs. 5 MGVO im Tatbestand gerade auf "eine Baumaßnahme im Sinne des Absatzes 2", also eine bauliche Erhöhung der Kuhplätze um mindestens 20%, Bezug nehme. Auch im Verhältnis zu § 6 Abs. 4 MGVO liege eine willkürliche Ungleichbehandlung vor. Der bloße Umstand, daß dort eine Baugenehmigung erteilt worden sei, könne die Ungleichbehandlung beider -- von den wirtschaftlichen Aufwendungen her an dieselben Voraussetzungen gebundenen -- Fallgruppen nicht rechtfertigen. Denn die wirtschaftspolitische Zielsetzung der Milch- Garantiemengen-Verordnung stehe nicht im Zusammenhang mit den Zwecken, denen das Baugenehmigungsverfahren allein diene. Allenfalls die -- in § 6 Abs. 4 MGVO verlangte -- Erweisbarkeit der mit der Baumaßnahme angestrebten Gesamtzahl der Kuhplätze "unmittelbar aus den (Bau-)Unterlagen" fehle im Fall des § 6 Abs. 5 MGVO. Hinreichenden Ersatz dafür biete aber schon das Erfordernis, daß die bauliche Maßnahme selbst bereits vor dem Stichtag, sogar schon vor dem 29. Februar 1984, abgeschlossen gewesen sein müsse. § 6 Abs. 4 MGVO frage demgegenüber hiernach nicht, sondern begnüge sich mit dem bloßen Erteiltsein einer Baugenehmigung auch dort, wo mit deren Ausnutzung erst nach Inkrafttreten der Milch-Garantiemengen-Verordnung begonnen werde. An der Verfassungswidrigkeit des § 6 Abs. 5 und 6 MGVO könne auch die nunmehr eingefügte Härteregelung des § 6 Abs. 8 MGVO nichts ändern. Denn es bestehe kein Rechtsanspruch auf Zuteilung einer zusätzlichen Referenzmenge aus dem den einzelnen Bundesländern hierfür nur sehr beschränkt zur Verfügung stehenden Reservoir. Zudem könne § 6 Abs. 8 MGVO nach dem Gesamtsystem der normativen Regelung sicher nicht dazu herangezogen werden, die eindeutige und als absolut gewollte Schranke des § 6 Abs. 6 MGVO zu überspielen.
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d) Die Antragsteller im Verfahren 2 BvQ 18/84 und zugleich Beschwerdeführer im Verfahren 2 BvR 308/85 (im folgenden: die Beschwerdeführer) sehen sich in ihren Grundrechten dadurch verletzt, daß in der Milch-Garantiemengen-Verordnung von der Ermächtigung des Art. 3 Nr. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 857/ 84 für die Zeit nach dem 1. April 1984 kein Gebrauch gemacht worden sei. Nach dieser Ermächtigung könnten die Mitgliedsstaaten Junglandwirten, die nach dem 31. Dezember 1980 einen Betrieb gegründet hätten, eine bestimmte Referenzmenge zuteilen, ohne daß ein spätester Zeitpunkt für die Betriebsgründung genannt werde. Der Beschwerdeführer zu 2) sei der Sohn des Beschwerdeführers zu 1) und habe den diesem gehörenden Hof gepachtet. Die bis vor zehn Jahren auf dem Hof betriebene Milchwirtschaft sei seinerzeit zugunsten von Mastviehhaltung aufgegeben worden. Da diese Art der Erzeugung inzwischen nicht mehr kostendeckend sei und nach einem Gutachten der Landwirtschaftskammer allein die Milcherzeugung als Möglichkeit der Gewinnerzielung in Frage komme, beabsichtigten die Beschwerdeführer nunmehr, die Milcherzeugung wieder aufzunehmen. Dies sei ihnen durch die Milch-Garantiemengen-Verordnung aber praktisch verwehrt. Die Stichtagsregelung des § 8 Abs. 2 MGVO, die sie an einer wirtschaftlich sinnvollen Milcherzeugung hindere, sei in sich willkürlich gewählt und verletze sie auch im übrigen in ihren Grundrechten aus Art. 12 und Art. 14 GG. Ihr Hof werde entwertet und ihnen selbst werde ohne rechtfertigenden Grund die gewünschte Berufsausübung unmöglich gemacht. Auch müßten schwerwiegende Maßnahmen der vorliegenden Art sowie Verfahrensregelungen von der Natur des § 4 Abs. 1 Satz 1 MGVO aus rechtsstaatlichen Gründen vom Gesetzgeber selbst getroffen werden. Weiterhin sei auch die Milch-Garantiemengen-Verordnung -- wie das zugrundeliegende Marktordnungsgesetz -- der Zustimmung des Bundesrates bedürftig gewesen; mangels solcher Zustimmung sei die Milch- Garantiemengen-Verordnung nichtig. Schließlich liege ein Verfassungsverstoß auch in der Einrichtung einer nach Art. 108 Abs. 1 Satz 1 GG für den Bereich von Abgaben im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften unzulässigen Mischverwaltung.
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Die Beschwerdeführer tragen noch vor, sie müßten spätestens im Frühjahr 1985 mit der Milcherzeugung beginnen, da anderenfalls eine Stillegung ihres Hofes nicht zu umgehen sei. Aus diesem Grunde rechtfertige sich ihr Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung, durch welche die Stichtagsregelung des § 8 Abs. 2 MGVO einstweilen außer Vollzug gesetzt werden solle.
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1. Zu den Verfassungsbeschwerden und Anträgen auf Erlaß einstweiliger Anordnungen hat sich für die Bundesregierung der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten geäußert. Er hält die Rechtsschutzbegehren für unzulässig, jedenfalls aber für unbegründet.
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a) Die Beschwerdeführer würden durch die Regelungen der Milch-Garantiemengen-Verordnung nicht unmittelbar in ihren Grundrechten betroffen. Sie müßten sich daher darauf verweisen lassen, zunächst gegen Ausführungsakte der zuständigen Behörden den Rechtsweg zu beschreiten. Erst durch derartige Verwaltungsakte werde die den einzelnen Landwirt treffende Abgabe festgesetzt. Ebenso werde die Entscheidung über das Vorliegen eines Härtefalles nach § 6 Abs. 2 bis 5 MGVO in einem eigenständigen Verfahren von der zuständigen Landesbehörde (§ 9 Abs. 2 Nr. 2 MGVO) getroffen. Entsprechendes gelte auch für die Zuteilung einer besonderen Garantiemenge nach der allgemeinen Härtefallregelung des § 6 Abs. 8 MGVO, zumal dort zumindest Elemente einer Ermessensentscheidung gegeben seien. Nicht die Milch-Garantiemengen-Verordnung selbst, sondern erst deren Vollzug in den genannten Verwaltungsverfahren betreffe mithin die grundrechtlich geschützte Sphäre der Beschwerdeführer. Allenfalls die Beschwerdeführer der Verfahren 2 BvQ 18/84 und 2 BvR 308/85, welche die Milcherzeugung erstmals nach dem Stichtag des § 8 Abs. 2 MGVO aufnehmen wollten, könnten möglicherweise eine strukturelle Unmittelbarkeit des ihnen gegenüber normativ erfolgenden Eingriffs geltend machen. Aber auch hier greife der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde durch. Denn dem Bundesverfassungsgericht solle bei seinem Tätigwerden die Beurteilung der Sach- und Rechtslage durch ein fachlich zuständiges Gericht bereits vorliegen; daran fehle es auch bei diesen "Junglandwirten". Im übrigen sei die Fallgestaltung bei diesen Beschwerdeführern singulär. Sie erlitten daher ebensowenig wie die übrigen Beschwerdeführer durch die Verweisung auf die Anrufung der Verwaltungs- oder Finanzgerichte einen Nachteil im Sinne des § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG.
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b) Die Verfassungsbeschwerden seien aber auch unbegründet.
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Als Alternative zu der in den Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaften und in der Milch-Garantiemengen-Verordnung eingeführten Referenzmengenregelung habe lediglich die völlige Freigabe der Milchpreise, d. h. der Wegfall der Intervention bei Milcherzeugnissen überhaupt, oder die normative Senkung der Milchpreise um durchschnittlich 12% oder gar 15% zur Wahl gestanden. Beide Male hätten sich für die deutschen Milchbauern ungleich höhere Einkommenseinbußen ergeben als durch die nun getroffene Regelung. Diese stelle daher zur Erreichung des -- auch von den Beschwerdeführern im Grundsatz nicht beanstandeten -- Ziels, die Überproduktion von Milch einzudämmen, das mildeste Mittel dar. Eine weitere Heraufsetzung der zuletzt bereits auf 3% erhöhten Milch-Mitverantwortungsabgabe nach der Verordnung (EWG) Nr. 1079/77 (ABl. [EG] Nr. L 131, S. 6, mit späteren Änderungen) sei gleichfalls nicht in Betracht gekommen. Eine vergleichbare Entlastung des Milchmarktes wäre nur bei Anhebung des linearen Abgabesatzes auf 9% oder einer Staffelung bei hohen Produktionsmengen je Betrieb bis auf 16% denkbar gewesen. Hierdurch wären die einzelnen Milcherzeuger jedoch ungleich härter als durch die Garantiemengenregelung getroffen worden.
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Der mit der Milch-Garantiemengen-Verordnung zeitlich befristet beschrittene Weg einer wirtschaftslenkenden Abgabe sei ebenso verfassungsrechtlich zulässig wie die seit langem in Geltung stehende normative Marktordnung des gemeinschaftlichen und damit des nationalen Milchmarktes. Letztlich handle es sich bei der Neuregelung im Ergebnis lediglich um einen begrenzten Abbau von Subventionen, mit dem erstrebt werde, die weiterhin im Rahmen der Intervention bestehenden Abnahmepflichten der staatlichen Interventionsstellen wieder näher an den tatsächlichen Bedarf an einschlägigen Produkten heranzuführen. Dieser Charakter der Regelung sei für die von den Beschwerdeführern im Hinblick auf ihre Grundrechte, insbesondere auf Art. 12 und Art. 14 GG, angesprochene Vertrauensschutzproblematik wesentlich. Die Rechtsänderung habe mithin den bloßen Wegfall wirtschaftlicher Erwerbschancen oder beruflicher Betätigungsaussichten bewirkt, auf deren Fortbestand in rechtsstaatlich schützenswerter Weise nicht habe vertraut werden dürfen.
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Die sonach im Grundsatz zulässige Neuregelung des Milchmarktes begegne auch inhaltlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Berechnungsregelung des § 4 MGVO berücksichtige in weitem Umfange die in der Produktionsmenge zu erkennende Betriebsgröße und begünstige so in der verfassungsrechtlich durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebotenen Weise die kleineren Betriebe. Den dennoch mit der Garantiemengenregelung verbundenen Härten sei durch die weiteren Bestimmungen der Milch-Garantiemengen-Verordnung, insbesondere durch deren § 6, in verfassungsrechtlich zureichender Weise Rechnung getragen worden. § 6 Abs. 6 MGVO mit seiner Obergrenze der Milchmenge von 80 Kühen je Betrieb sei dabei von der Erwägung getragen, daß nach der Richtlinie 72/159/EWG, auf welche § 6 Abs. 2 MGVO verweist, eine Förderung nur bis zu einer Milchmenge von 80 Kühen zulässig gewesen sei. Ohne eine solche Kappungsgrenze für Großerzeuger hätte die Belastung der kleinen und mittleren Betriebe wesentlich stärker ausfallen müssen.
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Die Regelungen der Milch-Garantiemengen-Verordnung entfalteten keine unzulässige Rückwirkung. Die öffentliche Diskussion der Maßnahmen zur Verringerung der Milcherzeugung im Bereich der Europäischen Gemeinschaften sei bereits weit vor dem Erlaß der gemeinschaftsrechtlichen Rechtsakte und der Milch-Garantiemengen-Verordnung in vollem Gange gewesen. Die gemeinschaftsrechtlichen Rechtsakte seien am 1. April 1984, dem Tag vor dem Beginn des in ihnen festgelegten Fünf-Jahres- Zeitraumes, bekannt gemacht worden und entfalteten daher keine Rückwirkung. Die erst im Mai 1984 erlassene und bekannt gegebene Milch-Garantiemengen-Verordnung habe nur noch der Konkretisierung dieser Rechtsakte für den nationalen Bereich gedient. Schon deshalb könne von einer "echten" Rückwirkung hier keine Rede sein. Jedenfalls aber sei auch eine solche Rückwirkung, sollte sie vorliegen, verfassungsrechtlich zulässig. Denn angesichts der rechtzeitig erlassenen gemeinschaftsrechtlichen Regelungen sei ein mögliches Vertrauen der Betroffenen auf den Fortbestand der früheren, ihnen günstigeren nationalen Rechtslage bereits ab dem Stichtag des Gemeinschaftsrechts, dem 2. April 1984, nicht mehr schutzwürdig gewesen. Nur rückwirkend auf diesen Stichtag sei aber die Milch-Garantiemengen-Verordnung in Kraft gesetzt worden.
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Soweit dennoch im Einzelfall einem Landwirt die Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz drohe, eröffne § 6 Abs. 8 MGVO nunmehr den Weg für eine diese Gefährdung vermeidende Billigkeitsregelung seitens der einzelnen Bundesländer.
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Zu den Rügen zahlreicher Beschwerdeführer, ihre Grundrechte aus Art. 12 GG seien verletzt, sei zu bemerken, daß die Milch- Garantiemengen-Verordnung lediglich Regelungen der Berufsausübung, nicht dagegen auch solche der Berufswahl enthalte. Die für eine Berufsausübungsregelung, ja selbst für eine Regelung der Berufswahl verfassungsrechtlich erforderlichen Gründe des öffentlichen Interesses seien angesichts des drohenden Zusammenbruchs des gemeinschaftlichen und des nationalen Milchmarktes, wie er ohne den erfolgten Eingriff letztlich unvermeidlich gewesen wäre, gegeben gewesen. Entsprechendes gelte auch hinsichtlich der behaupteten Verletzung von Art. 14 GG.
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Angesichts der Unzulässigkeit, jedenfalls aber der Unbegründetheit der Verfassungsbeschwerden komme ein Erlaß einstweiliger Anordnungen durch das Bundesverfassungsgericht nicht in Betracht. Ohnedies seien bei keinem der Beschwerdeführer die besonders strengen Voraussetzungen für das einstweilige Außerkraftsetzen einer Rechtsnorm gegeben.
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2. Die Beschwerdeführer der Verfahren 2 BvQ 18/84 und 2 BvR 308/85 haben auf die Stellungnahme der Bundesregierung erwidert. Sie bekräftigen ihre Ansicht, daß ihr Ausschluß von der wirtschaftlich sinnvollen erstmaligen Milchanlieferung, wie er sich aus der Milch-Garantiemengen-Verordnung für Junglandwirte ergebe, ihre Grundrechte aus Art. 12 und Art. 14 GG verletze. Weiter tragen sie vor, die von der Bundesregierung geäußerten Einwände gegen die Zulässigkeit ihrer Rechtsbehelfe könnten nicht durchgreifen. Es bedürfe keiner fachgerichtlichen Tatsachenwürdigung und Rechtsauslegung um festzustellen, daß ihnen nach der derzeitigen Regelung der Milch-Garantiemengen- Verordnung keine Garantiemenge zugeteilt werden könne. Insbesondere sei auch die Härteklausel des § 6 Abs. 8 MGVO nicht einschlägig. Denn nach der dort in Bezug genommenen Regelung des Art. 4 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EWG) Nr. 857/84 könnten nur solche hauptberufliche Landwirte eine zusätzliche Referenzmenge zugeteilt bekommen, die bereits eine Garantiemenge besäßen. Demgegenüber werde der Fall der erstmaligen Milcherzeugung nach dem Stichtag des § 8 Abs. 2 MGVO von der Regelung nicht erfaßt. Der Ausschluß der Junglandwirte durch die Milch-Garantiemengen-Verordnung betreffe sie daher unmittelbar in ihren Grundrechten. Die Verweisung auf den Rechtsweg zu den Fachgerichten werde für sie lediglich zu einer hohen zusätzlichen Kostenbelastung sowie zu einer zeitlichen Verzögerung der Gewährung des Rechtsschutzes führen. Eine solche Verzögerung könnten sie aber wirtschaftlich nicht verkraften. Nur eine alsbaldige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts könne sie und ihren Hof vor dem Ruin bewahren. Zumindest seien die Voraussetzungen für eine vorzeitige Entscheidung über ihre Verfassungsbeschwerde gemäß § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG gegeben.
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3. In einer ergänzenden Stellungnahme zu Fragen der Begründetheit hat der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten bekräftigt, er halte die hier angegriffenen Bestimmungen der Milch-Garantiemengen-Verordnung -- auch im Lichte der Erwiderung -- für verfassungsgemäß. Hierin sehe er sich durch die seither bekannt gewordenen Entscheidungen der Finanz- und der Verwaltungsgerichte bestätigt. Hinsichtlich des § 6 Abs. 6 MGVO hätten die Gerichte zutreffend einen wesentlichen und verfassungsrechtlich zureichenden Zweck der Vorschrift darin erblickt zu verhindern, daß die für die Zuteilung besonderer Anlieferungs-Referenzmengen in Härtefällen vorgesehene Referenzmenge in zu hohem Maße von Großbetrieben in Anspruch genommen und dadurch ihr eigentlicher Zweck der Existenzsicherung mittlerer und kleinerer Betriebe gefährdet werde.
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Der bisherige Ausschluß der "Junglandwirte" von der Härteregelung des § 6 Abs. 8 MGVO habe seinen Grund darin gehabt, daß keine hinreichend großen Referenzmengen zur Berücksichtigung auch dieses Personenkreises zur Verfügung gestanden hätten. Eine weitere Heraufsetzung der Kürzungssätze nach § 4 MGVO, um solche Mengen zu beschaffen, sei für die Landwirte, welche die Milcherzeugung seinerzeit bereits aufgenommen hatten, nicht zumutbar gewesen. Ende September 1985 habe die Bundesregierung in Brüssel aber erwirkt, daß sie Referenzmengen in Höhe von 175 000 Tonnen aus der nationalen Direktverkaufs -Garantiemenge in die nationale Garantiemenge für Milchanlieferungen überleiten könne. Diese Referenzmengen seien im Rahmen der Vierten Verordnung zur Änderung der Milch- Garantiemengen-Verordnung auch zur "Bedienung" von Junglandwirten im Sinne des Art. 3 Nr. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 857/84 eingesetzt worden. Im übrigen habe ein Interessent seit jeher die Möglichkeit, durch Kauf oder Pacht von Betrieben oder Betriebsteilen Referenzmengen zu erwerben.
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Durch die Einschaltung von Landesbehörden im Bescheidverfahren nach § 9 MGVO werde Art. 108 GG nicht verletzt. Der Abgabencharakter der Gesamtregelung werde hierdurch nicht in Frage gestellt. Die für die Härtefallbescheinigung zuständigen Landesstellen seien aufgrund ihrer besonderen Sachnähe in das Verfahren eingeschaltet worden. Eine solche Einschaltung sei nicht ungewöhnlich; sie sei aus der Natur der Sache geboten um sicherzustellen, daß die Entscheidung über eine einzelne Vorfrage von einer Behörde getroffen werde, die zu den notwendigen Feststellungen für diese Vorfrage in besonderem Maße in der Lage sei.
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Gegenstandslos seien schließlich auch die Bedenken gegen die Kompetenz des Verordnungsgebers, ohne Zustimmung des Bundesrates zu handeln. Die Verordnung finde ihre Rechtsgrundlage in § 8 Abs. 1 Nr. 1 MOG. Sie enthalte Vorschriften über das Verfahren bei Abgaben im Rahmen von Produktionsregelungen. Für diese Vorschriften sei in § 8 Abs. 1 MOG ausdrücklich erklärt, daß sie nicht der Zustimmung des Bundesrates bedürften.
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4. a) Die Beschwerdeführer der Verfahren 2 BvR 1185/84 und 2 BvR 1636/84 haben eine Gegenäußerung zu dieser Stellungnahme der Bundesregierung abgegeben und dabei ergänzende Ausführungen vor allem zur Frage der Zulässigkeit ihrer Verfassungsbeschwerden gemacht. Sie sehen sich in ihren als verletzt bezeichneten Grundrechten unmittelbar durch die angegriffenen Bestimmungen der Milch-Garantiemengen-Verordnung betroffen und vertreten die Ansicht, die Abweisung ihrer Verfassungsbeschwerden als aus Gründen der Subsidiarität unzulässig könne nicht in Betracht kommen.
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Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 70, 35) könne die unmittelbare Grundrechtsbetroffenheit durch eine Rechtsnorm auch dann vorliegen, wenn diese Norm der "Umsetzung" durch behördliche Vollziehungsakte zugänglich sei. Dies müsse auch hier zur Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerden führen. Zudem handle es sich bei der Abgabe nach der Milch-Garantiemengen-Verordnung um eine wirtschaftslenkende Abgabe, die weder einer Vollziehung durch (Abgaben-)Verwaltungsakte bedürftig sei noch regelmäßig auf diese Weise vollzogen werde. Die diese Abgabe einführenden normativen Bestimmungen entfalteten daher schon nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unmittelbare Wirkungen in bezug auf die betroffenen Grundrechte, zumal die gegebenenfalls im Wege der Vollziehung tätig werdenden Behörden außer im Bereich des § 6 Abs. 8 MGVO keinerlei Ermessensspielraum besäßen. Auch sei nur durch die Zulassung der gegen die Norm selbst gerichteten Verfassungsbeschwerden ein wirkungsvoller Rechtsschutz für die in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedrohten Beschwerdeführer möglich.
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Beim Beschwerdeführer des Verfahrens 2 BvR 1636/84 komme hinzu, daß er -- ebenso wie zahlreiche andere, in vergleichbarer Lage befindliche Landwirte -- eine Aufstockung seiner Kuhbestände auf das nach § 6 Abs. 5 MGVO (im Hinblick auf die durchgeführten baulichen Erweiterungsmaßnahmen) mögliche Maß insoweit unterlassen habe, als § 6 Abs. 6 MGVO die Berücksichtigung solcher zusätzlich aufgestallter Kühe wegen Überschreitung der dort geregelten "Kappungsgrenze" ausschließen würde. Diesem Beschwerdeführer gegenüber ergehe daher kein behördlicher Bescheid, den er unter anderem mit dem Einwand der Verfassungswidrigkeit des § 6 Abs. 6 MGVO der gerichtlichen Nachprüfung zuführen könnte. Ihm müsse daher verfassungsrechtlicher Rechtsschutz unmittelbar gegen § 6 Abs. 6 MGVO gewährt werden. Es könne ihm nicht zugemutet werden, einstweilen referenzmengenlose Milch zu erzeugen, um so einen Bescheid zu erwirken, welcher § 6 Abs. 5 und 6 MGVO anwende. Denn wenn er in dem Verfahren gegen einen solchen Bescheid rechtskräftig unterliege, werde er für den gesamten Zeitraum bis zu dieser Entscheidung die entsprechende Menge Milch weit unter den Gestehungskosten erzeugt und damit eine erhebliche wirtschaftliche Fehlentscheidung getroffen haben. Auch werde ihm selbst ein fachgerichtliches Obsiegen gegenüber einer Anwendung des § 6 Abs. 6 MGVO nichts mehr nutzen, da bereits jetzt die Frist des -- dann ihn begünstigenden -- § 6 Abs. 5 MGVO zur Aufstallung der zusätzlichen Kühe verstrichen sei. Hieran könne kein Verwaltungsgericht etwas ändern; Abhilfe sei nur durch die Zulassung der Verfassungsbeschwerde auch gegen § 6 Abs. 5 MGVO und durch die Nichtigerklärung dieser Vorschrift möglich. Die nunmehr geschaffene Befugnis der zuständigen Landesbehörden, Landwirten gemäß § 6 Abs. 8 MGVO eine zusätzliche Referenzmenge im Härtewege zuzuteilen, ändere an den vorstehend geschilderten Zusammenhängen nichts. Denn auf eine solche Referenzmenge bestehe kein Rechtsanspruch; vielmehr werde sie allein nach Ermessen verteilt. Es komme hinzu, daß nach Kenntnis des Beschwerdeführers die entsprechenden Kontingente bereits ausgeschöpft seien.
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Der Beschwerdeführer des Verfahrens 2 BvR 1185/84, welcher nach seinem Vorbringen einstweilen ohne Rücksicht auf § 6 Abs. 6 MGVO die ihm nach § 6 Abs. 4 MGVO mögliche gesteigerte Milchmenge erzeugt, vertritt die Ansicht, ihm könne diese Risikobereitschaft, die ihn gegenüber dem vorerwähnten Beschwerdeführer auszeichne, nicht in der Weise zum Nachteil gereichen, daß ihm angesichts der möglichen Anfechtung eines den § 6 Abs. 4 und 6 MGVO anwendenden Verwaltungsakts der verfassungsgerichtliche Rechtsschutz unmittelbar gegen diese Normen versagt werde.
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Beide Beschwerdeführer sind weiter der Meinung, ihre Verfassungsbeschwerden könnten auch nicht aus Gründen der Subsidiarität als unzulässig abgewiesen werden. Die Verweisung auf einen gegen Ausführungsakte zur Milch-Garantiemengen-Verordnung zu gewährenden Rechtsschutz, wenn dieser ihnen überhaupt offenstehe, werde für sie wegen der damit verbundenen zeitlichen Verzögerung zu unzumutbaren wirtschaftlichen Risiken und gegebenenfalls Nachteilen führen. Hieran könne auch die unter Umständen bestehende Möglichkeit nichts ändern, bei den zuständigen Fachgerichten einstweilige Anordnungen zur vorläufigen Regelung der sie betreffenden Fragen zu erwirken. Ein Schadensersatzanspruch gegen die öffentliche Hand, falls sie -- die Beschwerdeführer -- sich einstweilen im Rahmen der ihnen zugewiesenen Milchquoten hielten, diese sich aber letztlich als in rechtswidriger Weise zu niedrig bemessen herausstellten, werde kaum bestehen. Schließlich sei auch zu berücksichtigen, daß eine allgemeinverbindliche Entscheidung über die Gültigkeit oder Ungültigkeit des § 6 Abs. 6 MGVO wie auch der anderen Bestimmungen dieser Verordnung allein vom Bundesverfassungsgericht getroffen werden könne. Insbesondere sei nur das Bundesverfassungsgericht in der Lage, dem Verordnungsgeber die bei Feststellung einer Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG gegebenenfalls erforderlichen verbindlichen Anweisungen zu einer normativen Neuregelung des betroffenen Sachbereichs zu erteilen. Jedenfalls lägen bei beiden Beschwerdeführern wegen der ihnen drohenden schweren und unabwendbaren Nachteile die Voraussetzungen für eine Zulassung der Verfassungsbeschwerden nach § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG vor.
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Zur Frage der Begründetheit der Verfassungsbeschwerden führen die beiden Beschwerdeführer ergänzend aus, die Gründe, die die Bundesregierung zur Rechtfertigung des § 6 Abs. 6 MGVO genannt habe, könnten allesamt nicht überzeugen. Es seien durchaus andere Regelungen denkbar gewesen, um ein Überschreiten der der Bundesrepublik Deutschland von den Europäischen Gemeinschaften zugewiesenen nationalen Gesamtgarantiemenge zu verhindern. Ebenso spreche der Umstand, daß nach der Richtlinie 72/159/EWG Betriebe nur bis zu 80 Kühen gefördert worden seien, nicht gegen die Schutzwürdigkeit auch der diese Kuhzahl überschreitenden Betriebe, zumal nach der genannten gemeinschaftsrechtlichen Regelung derartige Überschreitungen ohne Verstoß gegen Förderungsbedingungen möglich gewesen seien. Schließlich greife auch nicht der Hinweis durch, daß § 6 Abs. 6 MGVO nur die konsequente Fortführung der bereits in § 4 MGVO angelegten Erhöhung des Kürzungssatzes mit steigender Betriebsgröße sei. Denn während nach § 4 MGVO eine Kürzung von höchstens 12,5% zulässig sei, erfolge hier bei Betrieben mit über 80 Kühen insoweit eine Kürzung von 100%, da die überschießende Milchmenge und die zu ihrer Erzeugung zuvor getätigten betrieblichen Investitionen vollständig unberücksichtigt blieben. Hierin liege zugleich eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG.
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b) Auch die Beschwerdeführer der Verfahren 2 BvQ 18/84 und 2 BvR 308/85 haben sich zu der ergänzenden Stellungnahme der Bundesregierung geäußert. Sie vertreten die Ansicht, die Milch-Garantiemengen-Verordnung regele schon die Berufswahl, da sie das herkömmliche Berufsbild des Landwirts, der seine Einnahmen nur durch verschiedene, gleichzeitig ausgeübte landwirtschaftliche Tätigkeiten -- darunter auch die Milcherzeugung -- erzielen könne, verändere. Indem den neu mit der Milcherzeugung beginnenden Landwirten eine Referenzmenge vorenthalten werde, würden diese auf die anderen herkömmlichen landwirtschaftlichen Tätigkeiten beschränkt, mit denen allein ein nichtspezialisierter Landwirt aber nicht sein Auskommen finden könne. Für diesen Eingriff in die Freiheit der Berufswahl fehle es an der Rechtfertigung durch ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut; der Abbau einer Überproduktion im Rahmen einer Marktordnung sei kein solches Gemeinschaftsgut. Die Verfassungswidrigkeit der Milch-Garantiemengen-Verordnung ergebe sich auch daraus, daß sie Regelungen enthalte, die wegen ihrer Wesentlichkeit für die berührten Grundrechte nur der Gesetzgeber habe treffen dürfen. Der Hinweis auf das Marktordnungsgesetz als einer der Ermächtigungsgrundlagen der Milch-Garantiemengen- Verordnung gehe in diesem Zusammenhang fehl, da dieses Gesetz zu einer Zeit geschaffen worden sei, als die entsprechenden verfassungsrechtlichen Anforderungen des Rechtsstaatsprinzips an die normative Regelung grundrechtserheblicher Sachverhalte noch nicht in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelt gewesen seien. Gegenüber der in Art. 108 Abs. 1 GG festgelegten Bundeskompetenz könne der Hinweis der Bundesregierung auf eine Zuständigkeit der Länder "kraft Natur der Sache" für die ihnen durch die Milch-Garantiemengen- Verordnung zugewiesenen Gegenstände nicht durchgreifen. Gesetzlich nicht abgesichert sei im übrigen auch die Einschaltung der Molkereien in das Verfahren der Vollziehung der Milch-Garantiemengen-Verordnung. Der Bundesfinanzhof habe in seinem Beschluß vom 16. Juli 1985 (VII B 53/85) allein darüber befunden, ob die Tätigkeit der Molkereien, so wie sie ausgeübt werde, öffentlich-rechtlicher Natur sei. Gerade weil dies nach Ansicht des Bundesfinanzhofs der Fall sei, bedürfe die Tätigkeit aber der gesetzlichen Absicherung, an der es indessen fehle. Schließlich sei der Gesetzgeber auch nicht in der Lage gewesen, durch § 8 Abs. 1 MOG das Zustimmungserfordernis des Art. 80 Abs. 2 GG für die auf das Marktordnungsgesetz zu stützenden Rechtsverordnungen, also auch für die Milch-Garantiemengen- Verordnung, zu beseitigen. Denn der Gesetzgeber des Marktordnungsgesetzes habe die nunmehr in der Milch-Garantiemengen- Verordnung geregelte Problematik noch gar nicht kennen und folglich auch nicht in seine Befreiung vom Zustimmungserfordernis für Rechtsverordnungen wirksam aufnehmen können. Dann aber führe sie im Ergebnis zu einer unzulässigen "Systemverschiebung" zwischen zustimmungspflichtigen und zustimmungsfreien Materien. Eine solche Verschiebung sei um so weniger zulässig, als sie nicht durch den -- hier schon nicht befragten -- Änderungsgesetzgeber eines mit Zustimmung des Bundesrates ergangenen Gesetzes erfolge, sondern allein durch nachrangiges Recht herbeigeführt werden solle.
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Die unmittelbar gegen Rechtsnormen gerichteten Verfassungsbeschwerden sind unzulässig. Ihnen steht der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde entgegen. Wiewohl die Beschwerdeführer von den angegriffenen normativen Regelungen selbst, gegenwärtig und unmittelbar in ihren Grundrechten betroffen sein mögen, ist es ihnen zuzumuten, gegen die behaupteten Eingriffe zunächst Abhilfe auf dem Rechtsweg zu den Fachgerichten zu suchen.
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I.
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1. Zum Rechtsbegriff der unmittelbaren Grundrechtsbetroffenheit hat das Bundesverfassungsgericht in jüngster Zeit mehrmals Stellung genommen. In der Entscheidung zu den Verfassungsbeschwerden gegen die 1982 neu gefaßte Gebührenordnung für Ärzte, eine Rechtsverordnung des Bundes, hat der Erste Senat (BVerfGE 68, 319 [325]) ausgeführt, daß eine unmittelbare Betroffenheit dann vorliegt, wenn die angegriffene Norm direkt in grundrechtlich geschützte Positionen eingreift, ohne daß es noch einer Umsetzung des Normbefehls durch Gesetz, Verordnung, Satzung oder insbesondere durch einen Vollzugsakt der Exekutive bedarf. Er hat eine solche Betroffenheit der dortigen Beschwerdeführer darin erblickt, daß die in der Gebührenordnung von 1982 angeordneten neuartigen Beschränkungen der Vertragsfreiheit bei Vereinbarungen über die Vergütung privatärztlicher Leistungen diese Beschwerdeführer träfen, ohne daß noch ein besonderer hoheitlicher Vollziehungsakt erforderlich sei. Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat in seinem Beschluß zu den gesetzesförmigen hamburgischen Bebauungsplänen (BVerfGE 70, 35 [51]) hervorgehoben, daß die Befugnis, Verfassungsbeschwerde gegen eine Rechtsnorm zu erheben, nicht schon immer dann mangels unmittelbarer Grundrechtsbetroffenheit fehle, wenn zu der Norm nach einfachem Recht ein ausführender Akt ergehen kann oder muß. Der Begriff der unmittelbaren Grundrechtsbetroffenheit ist vielmehr -- ebenso wie derjenige der eigenen und gegenwärtigen Betroffenheit -- ein Begriff des Verfassungsprozeßrechts. Er ist im Lichte der Funktion dieser Verfahrensordnung zu erfassen. Daß ein Vollzugsakt erforderlich ist, um für einzelne Adressaten der Norm individuell bestimmte Rechtsfolgen eintreten zu lassen, ist lediglich Anzeichen für ein denkbares Fehlen der unmittelbaren Grundrechtsbetroffenheit durch die Norm. Ob es ausschlaggebend ist, bedarf in jedem Falle der Überprüfung anhand des Verfassungsprozeßrechts.
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2. Beiden Beschlüssen läßt sich freilich zugleich entnehmen, daß mit der Bejahung der Unmittelbarkeit der Grundrechtsbetroffenheit im gegebenen Fall noch keine abschließende Feststellung der Zulässigkeit der gegen eine Rechtsnorm gerichteten Verfassungsbeschwerde verbunden ist. Vielmehr kann die form- und fristgerecht erhobene Verfassungsbeschwerde eines von der angegriffenen Rechtsnorm selbst, gegenwärtig und unmittelbar Grundrechtsbetroffenen noch immer daran scheitern, daß -- wie im Falle der hamburgischen Bebauungspläne (BVerfGE 70, 35 [57 f.]) -- ein unmittelbar gegen diese Rechtsnorm eröffneter Rechtsweg noch nicht erschöpft und damit dem Gebot des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG noch nicht Genüge getan ist. Die Unzulässigkeit dieser Verfassungsbeschwerde kann sich ferner daraus ergeben, daß zwar kein fachgerichtlicher Rechtsweg unmittelbar gegen die Norm selbst eröffnet ist, der Beschwerdeführer aber in zumutbarer Weise einen wirkungsvollen Rechtsschutz zunächst durch Anrufung der Fachgerichte erlangen kann (vgl. BVerfGE 68, 319 [325 f.]); bei dieser Art Sachlage steht der Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen die Rechtsnorm der Grundsatz der Subsidiarität des Verfassungsrechtsweges entgegen. Allerdings muß die Verweisung auf den Rechtsweg vor die Fachgerichte dem Betroffenen zumutbar sein. Das erfordert eine Abwägung, die die Vorteile des Beschwerdeführers aus einem sogleich eröffneten verfassungsgerichtlichen Rechtsschutz den dabei für die Allgemeinheit oder für Dritte entstehenden Nachteilen gegenüberstellt und die widerstreitenden Gesichtspunkte sodann gegeneinander abwägt. Darin sind auch die Umstände einzubeziehen, die für eine Subsidiarität der Rechtssatz-Verfassungsbeschwerde gegenüber anderweitigem vor den Fachgerichten zu erlangendem Rechtsschutz sprechen. Mögliche derartige Umstände sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wie sie insoweit im Beschluß zur Gebührenordnung für Ärzte (BVerfGE 68, 319 [325 f.]) zusammengefaßt ist, im wesentlichen
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-- das Fehlen eines verfassungsgerichtlichen Verwerfungsmonopols für die angegriffene Rechtsnorm im Hinblick auf die gegen sie erhobenen Rügen, -- die Aufklärungsbedürftigkeit allgemeiner Sachfragen, -- die bei einer Sachprüfung erforderliche starke Verästelung in Einzelfragen, -- die Aufklärungsbedürftigkeit individueller Betroffenheiten. | |
Erforderlich ist weiter, daß dem Beschwerdeführer in bezug auf die von ihm geltend gemachte Grundrechtsverletzung gerade durch die unmittelbar grundrechtsbetreffende Norm ein Rechtsschutz vor den Fachgerichten zuteil werden kann, der den sachlichen Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG an einen tatsächlich und rechtlich wirkungsvollen Rechtsschutz genügt. Das schließt insbesondere ein, daß dieser Rechtsschutz auch gegenüber den unmittelbaren Normwirkungen zeitgerecht erlangt werden kann. Fehlt es zwar nicht in bezug auf Ausführungsakte und die diesen Akten (möglicherweise) eigenen zusätzlichen Grundrechtsbelastungen, wohl aber hinsichtlich der unmittelbaren Normwirkungen an einem in tatsächlicher, rechtlicher und zeitlicher Hinsicht zureichenden fachgerichtlichen Rechtsschutz, so kommt eine Verweisung des Beschwerdeführers auf fachgerichtlichen Rechtsschutz auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde in Betracht. Vielmehr gebietet dann Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG die Sachentscheidung des Bundesverfassungsgerichts.
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II.
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Die Milch-Garantiemengen-Verordnung ist eine Rechtsverordnung des Bundes. Die von den Beschwerdeführern gegen sie erhobenen Rügen richten sich zum einen gegen behauptete formelle Mängel, so etwa gegen das behauptete Fehlen einer ausreichenden oder ausreichend bestimmten gesetzlichen Grundlage und gegen den Erlaß der Verordnung ohne Zustimmung des Bundesrates. Zum anderen werden zahlreiche Einwände gegen die Angemessenheit einzelner Regelungen über die individuelle Referenzmenge oder die zu ihrer Berechnung dienenden Maßstäbe vorgebracht. Für derartige Rügen gegen eine Rechtsverordnung des Bundes besteht nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 68, 319 [325 f.] m.w.N.) kein Verwerfungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts. Auch stellen die Einwände, die in den vorliegenden und den zahlreichen weiteren, beim Bundesverfassungsgericht zur Milch-Garantiemengen- Verordnung anhängigen Verfassungsbeschwerden erhoben werden, letztlich die Angemessenheit im wesentlichen aller sachlich nicht völlig belanglosen Regelungen des neuen Referenzmengensystems für Milch, die sich für den Einzelnen möglicherweise ungünstig auswirken, zur verfassungsgerichtlichen Überprüfung. Sie werfen hierbei nicht nur eine Reihe allgemeiner und zugleich sehr vielschichtiger Sachfragen hinsichtlich der bisherigen Abwicklung des Milchmarktes sowie seiner Neuregelung und möglicherweise denkbarer Alternativen auf. Hinzu kommt, daß die Verfassungsbeschwerden sich zur Begründung ihrer Rügen jeweils auf die ganz konkreten, individuellen Wirkungen berufen (müssen), die die beanstandeten normativen Regelungen nach dem Vorbringen der Beschwerdeführer jeweils für sie und ihre Familienangehörigen sowie für ihre zur landwirtschaftlichen Erzeugung genutzten Sachgüter zeitigen. Dieses individuelle Vorbringen, auch wo es mit Mitteln der Beweisführung oder Glaubhaftmachung unterstützt wird, bedarf der umfassenden Vorklärung durch dazu geeignete fachgerichtliche Ermittlungen und fachkundige Bewertungen des Sachverhalts. Dies gilt nicht nur, soweit die Beschwerdeführer behaupten, in mehr oder weniger außergewöhnlicher, atypischer Weise von der normativen Neuregelung betroffen zu sein. Es gilt gleichermaßen, soweit Beschwerdeführer ihre Zugehörigkeit zu einer typischerweise von bestimmten Folgen betroffenen Gruppe -- wie etwa derjenigen der "Junglandwirte" -- geltend machen. In beiden Fällen ist es zumindest nicht auszuschließen, daß die verfassungsrechtliche Beurteilung der angegriffenen normativen Regelungen die -- fachgerichtlich vermittelte -- Kenntnis ihrer individuellen Auswirkungen auf die einzelnen Betroffenen erfordert.
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III.
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Zumutbare fachgerichtliche Rechtsschutzmöglichkeiten sind im vorliegenden Sachbereich in umfassender Weise gegeben. Jede dieser Möglichkeiten für sich, jedenfalls aber alle in ihrem Zusammenwirken gegenüber dem Einzelnen genügen in tatsächlicher und rechtlicher ebenso wie in zeitlicher Hinsicht dem Gebot wirkungsvollen Rechtsschutzes auch in bezug auf die behaupteten unmittelbar grundrechtsbetreffenden Wirkungen der hier in Rede stehenden normativen Neuregelung des Milchmarktes.
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1. a) Die Entgegennahme der Mitteilung der Molkerei (Käufer) über die Summe der Referenzmengen gemäß § 4 Abs. 5 Satz 2 MGVO durch das zuständige Hauptzollamt stellt nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs einen Abgaben-Verwaltungsakt hinsichtlich der in dieser Summe enthaltenen einzelnen Referenzmengen und damit auch gegenüber jedem einzelnen der bei der Molkerei milchanliefernden Landwirte dar. Für Einwände gegen die Richtigkeit dieses Verwaltungsakts ist -- sowohl im Verfahren zur Hauptsache als auch in demjenigen des vorläufigen Rechtsschutzes -- der Rechtsweg zu den Finanzgerichten gegeben (BFH, Beschluß vom 26. März 1985, VII B 12/85, Agrarrecht 1985, S. 154). Gleiches gilt für die Entgegennahme der Anmeldung der Summe der Abgaben, welche die Molkerei gemäß § 11 MGVO dem Hauptzollamt übersenden muß (BFH, Beschluß vom 16. Juli 1985, VII B 53/85, BFHE 143, 523 [525]). Maßgeblich hierfür ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs der Charakter der Abgabe nach der Milch-Garantiemengen- Verordnung -- und damit auch der ihre Grundlage bildenden Referenzmengenfestlegung -- als "Abgabe im Rahmen von Produktionsregelungen" im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 MOG, für deren Überprüfung diese Vorschrift in Verbindung mit § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO den Finanzrechtsweg eröffnet (BFH, Beschluß vom 26. März 1985, a.a.O.); der Begriff der "Abgabe im Rahmen von Produktionsregelungen" wird auch in § 8 Abs. 1 Nr. 1 MOG verwendet, einer der Regelungen, die die Milch- Garantiemengen-Verordnung als ihre Ermächtigungsgrundlage in Anspruch nimmt. Daneben verweist der Bundesfinanzhof in seinem Beschluß vom 16. Juli 1985 (a.a.O.) für die Verwaltungsakte über die Abgabe selbst auch auf die Rechtswegvorschrift des § 33 Abs. 2 Satz 1 FGO. Ob die Abgabe nach der Milch- Garantiemengen-Verordnung rechtsgültig als eine solche "im Rahmen von Produktionsregelungen" ausgestaltet werden durfte, was einzelne Beschwerdeführer bezweifeln, bedarf im vorliegenden Zusammenhang keiner Entscheidung. Denn an dem vom Bundesfinanzhof festgestellten Rechtsweg zu den Finanzgerichten hinsichtlich der Verwaltungsakte über Referenzmenge und Abgabe würde sich auch dann nichts ändern, wenn die Abgabe mit der erwähnten Qualifikation etwa gegen Verfassungsrecht verstieße und die einschlägigen normativen Bestimmungen daher ungültig wären. Gegen nur scheinbar gültige Rechtsnormen und die auf sie gestützten Verwaltungsakte ist nach allgemeinen Grundsätzen stets derselbe Rechtsweg gegeben wie im Falle der Gültigkeit der Norm. Denn es ist gerade diese Frage, die -- neben anderen -- überhaupt erst der gerichtlichen Überprüfung zugeführt werden soll.
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b) Gegen die finanzbehördlichen Verwaltungsakte über Referenzmenge und Abgabe nach der Milch-Garantiemengen-Verordnung stehen den Betroffenen nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs als Rechtsbehelfe zur Hauptsache der Einspruch (§ 8 Abs. 2 MOG i.V.m. § 348 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung [AO]) und die finanzgerichtliche Klage offen (BFH, Beschluß vom 16. Juli 1985, BFHE 143, 523 [526] -- zur Abgabe). Bei den Mitteilungen der Molkerei an das Hauptzollamt hinsichtlich der Referenzmenge wie auch der Abgabe handelt es sich um Abgabenanmeldungen (BFH, a.a.O. -- zur Abgabe; vgl. ferner im Beschluß des Bundesfinanzhofs vom 26. März 1985, VII B 12/85, Agrarrecht 1985, S. 154 -- zur Referenzmenge -- die Bezugnahme gerade auf die Entgegennahme der Mitteilung der Molkerei durch das Hauptzollamt). Diese Anmeldungen stehen mithin ab ihrem Eingang beim Hauptzollamt einem Abgaben-Verwaltungsakt unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO) rechtlich gleich (vgl. BFH, Beschluß vom 16. Juli 1985, BFHE 143, 523 [526]; §§ 181 Abs. 1, 168 Satz 1 AO). Die Einspruchsfrist beträgt gemäß § 355 Abs. 1 Satz 2, 1. Alternative AO einen Monat nach Eingang der Anmeldung beim Hauptzollamt. Aus rechtsstaatlichen Gründen gebietet sich dabei die Berechnung der Monatsfrist frühestens ab dem Tage, an dem nach den Bestimmungen der Milch-Garantiemengen-Verordnung die jeweilige Mitteilung der Molkerei dem zuständigen Hauptzollamt spätestens zugegangen sein muß. Denn die Mitteilung rührt nicht von dem betroffenen Landwirt selbst her; er muß von ihrer Absendung durch die Molkerei auch keine Kenntnis erlangt haben. Mithin kann ein etwa früherer als der normativ gebotene Zugang der Mitteilung der Molkerei an das Hauptzollamt dem Landwirt nicht als Beginn der für ihn geltenden Einspruchsfrist zugerechnet werden. Ist umgekehrt die Mitteilung im Einzelfall -- gleich aus welchen Gründen -- später als vorgeschrieben beim Hauptzollamt eingegangen, so ist auch ein binnen Monatsfrist nach diesem Zeitpunkt eingelegter Einspruch eines betroffenen Landwirts noch als rechtzeitig anzusehen, auch wenn der Landwirt von dem verspäteten Eingang der Mitteilung nichts wußte.
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Soweit Beschwerdeführer im Hinblick auf ihre Verfassungsbeschwerde Einspruch gegen finanzbehördliche Verwaltungsakte der erwähnten Art nicht rechtzeitig eingelegt haben sollten, wird im Einzelfall zu prüfen sein, inwieweit ihnen gemäß § 110 AO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren sein wird.
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c) Neben der -- in der Regel ein erfolgloses Einspruchsverfahren voraussetzenden -- finanzgerichtlichen Klage steht den von den Auswirkungen der Milch-Garantiemengen-Verordnung Betroffenen auch vorläufiger finanzgerichtlicher Rechtsschutz zu Gebote. Gerade diese zusätzliche Rechtsschutzmöglichkeit und ihre Wirksamkeit in tatsächlicher, rechtlicher und zeitlicher Hinsicht läßt es als für die Betroffenen zumutbar erscheinen, sich statt der unmittelbaren Anrufung des Bundesverfassungsgerichts mit einer Rechtsnorm-Verfassungsbeschwerde der finanzgerichtlichen Rechtsbehelfe zu bedienen.
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Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sind nicht nur die finanzbehördlichen Verwaltungsakte über die Abgabe nach der Milch-Garantiemengen-Verordnung, sondern auch diejenigen über die Ermittlung der im Einzelfall maßgeblichen Referenzmenge vollziehbar und -- da die Einlegung von Rechtsbehelfen die Vollziehung nicht hemmt (§ 361 Abs. 1 AO, § 69 Abs. 1 FGO) -- im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes der behördlichen und der gerichtlichen Aussetzung der Vollziehung (§ 361 Abs. 2 und 3 AO, § 69 Abs. 2 und 3 FGO, Art. 3 § 7 Entlastungsgesetz) zugänglich (BFH, Beschluß vom 26. März 1985, Agrarrecht 1985, S. 154; Beschluß vom 16. Juli 1985, BFHE 143, 523 [527]; Beschluß vom 17. Dezember 1985, VII B 116/85, Umdruck S. 8 ff.). Richtiger Antragsgegner eines finanzgerichtlichen Aussetzungsantrages ist, wie der Bundesfinanzhof im Beschluß vom 16. Juli 1985 (a.a.O., S. 527 f.) für Verwaltungsakte über die Abgabe ausdrücklich hervorgehoben hat, allein das zuständige Hauptzollamt.
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d) Bereits im Verfahren auf Aussetzung der Vollziehung sind die Finanzgerichte nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verpflichtet, den Betroffenen tatsächlich und rechtlich wirkungsvollen Rechtsschutz zukommen zu lassen. Daß sie hierzu auch zeitgerecht in der Lage sind, belegen nicht zuletzt die erwähnten Entscheidungen des Bundesfinanzhofs zum vorläufigen Rechtsschutz sowie die weiteren, inzwischen zahlreich ergangenen Entscheidungen von Finanzgerichten zum vorläufigen Rechtsschutz wie auch zur Hauptsache.
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Der zeitnah zu gewährende vorläufige Rechtsschutz, dessen inhaltliche Maßstäbe in § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO wiederholt sind, erstreckt sich -- wie auch der Rechtsschutz zur Hauptsache -- zugleich auf die unmittelbaren Grundrechtseinwirkungen der Milch-Garantiemengen-Verordnung. Mit der Aussetzung der Vollziehung eines auf die Milch-Garantiemengen- Verordnung gegründeten finanzbehördlichen Verwaltungsakts wird der Betroffene nicht nur von den vollziehbaren Wirkungen dieses Verwaltungsakts selbst, sondern auch von denjenigen der einschlägigen Bestimmungen der Milch-Garantiemengen-Verordnung einstweilen freigestellt; Entsprechendes gilt für die endgültige Freistellung von den Wirkungen des Verwaltungsakts und der Norm durch eine stattgebende Entscheidung zur Hauptsache. Indem § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 4 FGO die Aussetzung der Vollziehung des Folgebescheides (Bescheid über die Abgabe) bei erfolgter Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides (Bescheid über die Referenzmenge, vgl. BFH, Beschluß vom 26. März 1985, Agrarrecht 1985, S. 154) zwingend vorschreibt, macht er den für die Betroffenen wichtigen vorläufigen Rechtsschutz bereits gegen die Referenzmengenregelung auch in rechtlicher Hinsicht besonders wirkungsvoll. Der Milcherzeuger kann solchermaßen -- im Umfange der erfolgten Aussetzung -- einstweilen über die im Grundlagenbescheid festgesetzte individuelle Anlieferungs-Referenzmenge hinaus Milch der Molkerei anliefern, ohne mit der Abgabe belegt zu werden (vgl. BFH, Beschluß vom 17. Dezember 1985, VII B 116/85, Umdruck S. 10). Schwere und irreparable Nachteile, die sich bei einem Obsiegen im Hauptsacheverfahren (in bezug auf die Referenzmenge) angesichts einer zunächst in vollem Umfange vollzogenen Abgabenerhebung unter Umständen ergeben würden, werden so wirksam vermieden. Berechtigten Interessen an der Sicherung der nachträglichen Abgabenerhebung für den Fall des Unterliegens des Abgabepflichtigen im Hauptsacheverfahren kann -- nach Abwägung mit widerstreitenden privaten Interessen -- durch die Aussetzung der Vollziehung der Abgabenerhebung nur gegen Sicherheitsleistung Rechnung getragen werden (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 und 6 FGO).
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e) Angesichts der Rechtsnatur der Milch-Garantiemengen-Verordnung als einer nicht dem verfassungsgerichtlichen Verwerfungsmonopol unterfallenden Rechtsverordnung des Bundes sind die Finanzgerichte, kommen sie zur Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit entscheidungserheblicher Bestimmungen dieser Verordnung, in allen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes wie auch desjenigen zur Hauptsache berechtigt und verpflichtet, diese Bestimmungen bei ihrer Entscheidung über die im Einzelfall maßgebliche Rechtslage nicht anzuwenden.
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2. Die vorstehenden Grundsätze gelten sinngemäß, soweit die Molkerei auf Antrag des Erzeugers die ihm zustehende Referenzmenge neu berechnet (§ 10 Abs. 1 Satz 1 MGVO) oder aber diese Neuberechnung ablehnt und der Erzeuger daraufhin die Neuberechnung durch Bescheid beim Hauptzollamt beantragt (§ 10 Abs. 3 Satz 1 MGVO). Zwar ist, legt man die erwähnte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zugrunde, wohl nur im ersten Fall dem finanzbehördlichen Bescheid ein Nachprüfungsvorbehalt eigen; im zweiten Fall dagegen handelt es sich gerade nicht um eine Abgaben-Anmeldung, sondern um einen "klassischen", auf Antrag von den Finanzbehörden ausdrücklich zu erlassenden Abgaben-Verwaltungsakt. Dies ändert nichts daran, daß Einspruch und finanzgerichtliche Klage auch in diesen Fällen gegeben sind. Ebenso bleibt es auch hier bei der Vollziehbarkeit der Verwaltungsakte, ungeachtet der Einlegung der Rechtsbehelfe, sowie bei den geschilderten Verfahren und Maßstäben für die behördliche und gerichtliche Aussetzung dieser Vollziehung (vgl. zum Ganzen BFH, Beschluß vom 17. Dezember 1985, VII B 116/85, Umdruck S. 7 ff.).
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3. Zumutbarer Rechtsschutz für die Betroffenen besteht auch, soweit diese sich gegen die normative Festlegung solcher Berechnungskomponenten der individuellen Anlieferungs-Referenzmenge wenden, die gemäß § 9 Abs. 2 MGVO nur durch eine Bescheinigung der zuständigen Landesstelle nachgewiesen werden können und mithin von den Finanzbehörden weder selbst bestimmt noch abweichend von der Bescheinigung der Landesstelle berücksichtigt werden dürfen (vgl. dazu ausdrücklich nur für den Fall der Neuberechnung der Referenzmenge -- § 10 Abs. 3 Satz 2 MGVO). Auch insoweit ist im vorliegenden Zusammenhang keine Stellungnahme zu der -- von zahlreichen Beschwerdeführern bezweifelten -- Verfassungsmäßigkeit der Verfahrensgestaltung, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Einschaltung von Behörden der Länder, veranlaßt. Denn für die Feststellung, daß den Betroffenen zureichender fachgerichtlicher Rechtsschutz zu Gebote steht, genügt bereits der -- von der Rechtsgültigkeit der normativen Regelungen unabhängige -- Umstand, daß in der einhelligen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung für den Streit über eine Bescheinigung nach § 9 Abs. 2 MGVO die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den allgemeinen Verwaltungsgerichten (§ 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO) bejaht wird. Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist der Erlaß einer einstweiligen Anordnung (§ 123 VwGO) denkbar, durch die das Verwaltungsgericht die zuständige Landesstelle zur Erteilung einer bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache wirksamen vorläufigen, dem Begehren des Landwirts ganz oder teilweise Rechnung tragenden Bescheinigung nach § 9 Abs. 2 MGVO verpflichtet; an eine solche Bescheinigung sind -- entsprechend § 10 Abs. 3 Satz 2 MGVO -- die Finanzbehörden (und die Finanzgerichte) für die Referenzmengenbestimmung wie für die Abgabenerhebung für die Zeit ihrer Wirksamkeit gebunden. Ebenso wie die Finanzgerichte haben auch die Verwaltungsgerichte bei der vorläufigen wie der endgültigen Rechtsschutzgewährung im gegebenen Fall eine etwa von ihnen für verfassungswidrig gehaltene Bestimmung der Milch-Garantiemengen-Verordnung außer Anwendung zu lassen.
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4. Auch Landwirte, die Milch erlaubterweise direkt an Verbraucher verkaufen, sind insoweit in der Lage, zumutbaren Rechtsschutz bei den Fachgerichten zu finden. Auf ihren entsprechenden "Registrierungsantrag" hin teilt das zuständige Hauptzollamt ihnen -- soweit rechtlich zulässig -- eine Direktverkaufs- Referenzmenge zu (vgl. § 14 MGVO). Auch bei dieser Zuteilung handelt es sich nach der Systematik des Bundesfinanzhofs um einen "klassischen", also nicht unter Vorbehalt der Nachprüfung ergehenden Abgaben-Verwaltungsakt. Für den Rechtsschutz gegen ihn gilt das vorstehend Gesagte entsprechend.
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5. Eine Verweisung auf den fachgerichtlichen Rechtsschutz ist schließlich auch gegenüber denjenigen Betroffenen geboten, die -- wie einzelne der Beschwerdeführer -- als Landwirte oder aber in anderer Stellung Handlungen mit Erheblichkeit für die Bestimmung von Milch-Referenzmengen bislang einstweilen unterlassen haben und erst nach Klärung der Rechtsgültigkeit der sie belastenden Bestimmungen der Milch-Garantiemengen-Verordnung vornehmen wollen.
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a) Soweit die Regelungen der Milch-Garantiemengen-Verordnung -- wie dies bei den meisten von ihnen der Fall ist -- nicht auch die Vornahme der entsprechenden Handlung zur tatbestandlichen Voraussetzung für eine günstige Rechtsfolge machen, können diese Betroffenen ungeachtet ihrer im Tatsächlichen einstweilen fortbestehenden Untätigkeit die oben zu 1. bis 4. erwähnten Verwaltungsakte herbeiführen und diese sodann mit dem Einwand der Rechtsungültigkeit der maßgeblichen Bestimmungen der Milch-Garantiemengen-Verordnung der gerichtlichen Überprüfung zuführen. Angesichts der kurzen Zeitspanne, innerhalb derer jedenfalls vorläufiger Rechtsschutz bei den Finanz- wie auch bei den Verwaltungsgerichten zu erlangen ist, sowie im Hinblick auf die rechtlich durchschlagende Wirkung derartigen Rechtsschutzes im Rahmen der Referenzmengenbestimmung (oben 1. d), e) und 3.) ist diesen Betroffenen die Hinnahme der bis dahin fortbestehenden Rechtsunsicherheit zuzumuten. Diese Unsicherheit ist jedem gerichtlichen Verfahren bis zum Ergehen der Entscheidung und gegebenenfalls bis zum Eintritt ihrer Rechtskraft eigen. Auch das Bundesverfassungsgericht, würde es über die Rechtssatz-Verfassungsbeschwerden solcher Betroffener in der Sache entscheiden, bedürfte hierfür eher eines längeren Zeitraumes, als ihn die auf die Einzelfallentscheidung beschränkten Fachgerichte für ihre Rechtsschutzgewährung benötigen. Entsprechendes gilt auch für den hier in einigen Verfahren beantragten Erlaß einer -- die Wirksamkeit der betreffenden Norm mit Wirkung für und gegen alle vorläufig aussetzenden -- einstweiligen Anordnung.
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b) Aber auch soweit die für den Einzelfall maßgebenden Bestimmungen der Milch-Garantiemengen-Verordnung die Vornahme einer bestimmten tatsächlichen Handlung zum Tatbestandsmerkmal für eine den Betreffenden begünstigende Rechtsfolge gemacht haben und der Betreffende diese Handlung aus nachvollziehbaren Gründen einstweilen unterlassen hat, bedarf es zur Herbeiführung zumutbaren Rechtsschutzes nicht der Zulassung der gegen die Rechtsnorm gerichteten Verfassungsbeschwerde. Dies gilt selbst dann, wenn inzwischen -- wie etwa im Falle des § 6 Abs. 5 Nr. 2 Satz 1 MGVO -- die normativ festgelegte Frist für die Vornahme der Handlung verstrichen ist.
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Zwar fehlt es bei einer solchen Fallgestaltung von vornherein an einem finanzbehördlichen Verwaltungsakt, der mit der Rüge der Normungültigkeit der gerichtlichen Überprüfung unterzogen und dessen Vollziehung im Hinblick hierauf vorab ausgesetzt werden könnte. Ebenso kann der Betreffende, soweit -- wie im Beispielsfall des § 6 Abs. 5 Nr. 2 Satz 1 MGVO -- der in § 9 Abs. 2 MGVO geregelte Fragenkreis berührt ist, hier nicht mit Aussicht auf Erfolg die verwaltungsgerichtliche Zusprechung einer vorläufigen Bescheinigung im Sinne dieser Vorschrift begehren, da es hierfür an der vollständigen Erfüllung der tatbestandlichen Merkmale der anspruchsbegründenden Norm fehlt. Jedoch kann der Betreffende Klage auf die gerichtliche Feststellung erheben, daß ihm für den Fall der Vornahme der bislang ausstehenden Handlung ein bestimmter sachlich-rechtlicher Anspruch gegen den Beklagten (im Beispiel: auf Ausstellung einer Bescheinigung nach § 9 Abs. 2 MGVO) zustehe. Zusätzlich kann er im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes einen Antrag auf einstweilige Feststellung des zur Hauptsache sachlich Begehrten stellen.
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Die vorstehenden Erwägungen gelten nicht nur, wenn nach der maßgeblichen normativen Bestimmung die einstweilen unterbliebene Handlung auch noch nach der Entscheidung der Gerichte rechtzeitig nachgeholt werden kann. Die Erwägungen treffen gleichermaßen zu, wenn bereits vor Anrufung der Gerichte oder während der Dauer ihres Verfahrens eine normativ festgelegte Frist für die Vornahme der Handlung -- wie etwa diejenige in § 6 Abs. 5 Nr. 2 Satz 1 MGVO -- verstrichen ist. Denn wenn die begehrte gerichtliche Feststellung -- im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes oder zur Hauptsache -- ergeht, ist dem Betreffenden bei unverzüglicher Nachholung der Handlung sodann in dem erforderlichen Umfange aus Gründen des wirkungsvollen Rechtsschutzes Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Vornahme der Handlung zu gewähren (vgl. § 32 VwVfG, § 110 AO). Die Schuldlosigkeit der Fristversäumnis ergibt sich dabei aus dem Umstand, daß es dem Betreffenden -- wie vorausgesetzt -- nicht zugemutet werden konnte, die Handlung ohne Gewißheit über ihre rechtmäßigen milchwirtschaftsrechtlichen Auswirkungen rechtzeitig vorzunehmen. Entsprechendes gilt, soweit es sich nach fachgerichtlicher Deutung im gegebenen Fall um die Versäumung einer sogenannten "uneigentlichen gesetzlichen Frist" gehandelt haben sollte (zu solchen Fristen vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 23. April 1985, 9 C 7.85, InfAuslR 1985, S. 278 [280 f.]). In der Unzumutbarkeit einer rechtzeitigen Vornahme der Handlung wäre dann aus verfassungsrechtlichen Gründen ein Ereignis aus dem Bereich der höheren Gewalt zu sehen, nach dessen Wegfall die unverzügliche Nachholung der unterbliebenen Handlung unter Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand möglich ist (vgl. auch BVerwG, a.a.O.).
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IV.
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Unter diesen Umständen bedarf es nicht erst noch des Hinweises auf die Abänderungsmöglichkeit des § 164 Abs. 2 AO hinsichtlich aller unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergehenden Abgaben-Verwaltungsakte und auf die dieser Abänderungsmöglichkeit eigenen günstigen prozessualen Auswirkungen auch in den Fällen, in denen die Betroffenen derartige Verwaltungsakte haben formell bestandskräftig werden lassen. Denn auch unabhängig hiervon steht den Betroffenen, wie gezeigt, ein fachgerichtliches Rechtsschutzsystem zur Verfügung, das -- auch bezüglich der unmittelbar grundrechtsberührenden Auswirkungen der normativen Regelungen selbst -- in tatsächlicher, rechtlicher und zeitlicher Hinsicht einen vollständigen und wirkungsvollen Rechtsschutz im Sinne des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleistet. Im Hinblick auf die grundsätzliche Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde gegenüber fachgerichtlichem Rechtsschutz besteht daher Anlaß, die Beschwerdeführer vor Anrufung des Bundesverfassungsgerichts auf die Inanspruchnahme dieses Rechtsschutzsystems zu verweisen.
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Auch der Gedanke des -- unmittelbar nur für die Frage der Rechtswegerschöpfung geltenden -- § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG steht der Verwerfung der Verfassungsbeschwerde nicht entgegen. Weder erwächst den Beschwerdeführern hierdurch ein schwerer und unabwendbarer Nachteil, noch bleibt auf diese Weise eine Verfassungsrechtsfrage von allgemeiner Bedeutung ohne rechtfertigenden Grund einstweilen unentschieden. Die Fachgerichte sind in der Lage, etwaige grundrechtswidrige Normwirkungen der Milch-Garantiemengen-Verordnung alsbald -- gegebenenfalls zunächst im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes -- von den Betroffenen abzuwenden und diese so vor möglicherweise drohenden schweren Nachteilen zu bewahren. Die "allgemeine Bedeutung" auftretender Fragen im Sinne des § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG ist stets nur ein Moment der Abwägung für und wider die sofortige Sachentscheidung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 8, 222 [226 f.]; 14, 192 [194]). Aus den dargelegten Gründen der Subsidiarität müßte diese Abwägung auch gegenüber "allgemein bedeutsamen" Sachfragen im Zusammenhang mit Bestimmungen der Milch-Garantiemengen-Verordnung zu Lasten der Beschwerdeführer ausfallen.
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V.
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Aus den vorstehenden Gründen bleiben auch die in den Verfahren 2 BvR 1167/84 und 2 BvQ 18/84 gestellten Anträge auf Erlaß einstweiliger Anordnungen ohne Erfolg.
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