BVerfGE 78, 101 - Eigentumsrecht von Rundfunkanstalten | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 05.04.2022, durch: A. Tschentscher | |||
Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten können eine Verletzung von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG nicht geltend machen. |
Beschluß |
des Ersten Senats vom 23. März 1988 |
-- 1 BvR 686/86 -- |
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde 1. des Zweiten Deutschen Fernsehens, Essenheimer Landstraße, Mainz-Lerchenberg; 2. des Bayerischen Rundfunks, Rundfunkplatz 1, München 2; 3. des Hessischen Rundfunks, Bertramstraße 8, Frankfurt am Main 1; 4. des Norddeutschen Rundfunks, Rothenbaumchaussee 132-134, Hamburg 13; 5. des Senders Radio Bremen, Heinrich-Hertz-Straße 13, Bremen 33; 6. des Saarländischen Rundfunks, Funkhaus Halberg, Saarbrücken; 7. des Senders Freies Berlin, Masurenallee 8-14, Berlin 19; 8. des Süddeutschen Rundfunks, Neckarstraße 230, Stuttgart 1; 9. des Südwestfunks, Hans-Bredow-Straße, Baden-Baden; 10. des Westdeutschen Rundfunks Köln, Appellhofplatz 1, Köln 1, Anstalten des öffentlichen Rechts, jeweils vertreten durch den Intendanten, - Bevollmächtigter: Prof. Dr. Fritz Ossenbühl, Laurentiusstraße 50c, Königswinter 1 - gegen § 87 Abs. 3 UrhG i.d.F. des Art. 1 Nr. 10 des Gesetzes zur Änderung von Vorschriften auf dem Gebiet des Urheberrechts vom 24. Juni 1985 (BGBl. I S. 1137). |
Entscheidungsformel: |
Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen. |
Gründe: | |
I. | |
Mit ihrer Verfassungsbeschwerde wenden sich die Beschwerdeführer gegen § 87 Abs. 3 des Urhebergesetzes in der Fassung von Art. 1 Nr. 10 des Gesetzes zur Änderung von Vorschriften auf dem Gebiet des Urheberrechts vom 24. Juni 1985 (BGBl. I S. 1137), soweit sie darin von einer Beteiligung am Vergütungsaufkommen des § 54 Abs. 1 UrhG in der Fassung von Art. 1 Nr. 7 des Änderungsgesetzes ausgeschlossen werden. Die Beschwerdeführer sehen sich hierdurch in ihren Grundrechten aus Art. 3 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 Satz 2 und Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG verletzt. Sie machen im wesentlichen geltend, die Rundfunkfreiheit umfasse auch das Recht, über die Verwendung ausgestrahlter Sendungen zu bestimmen. Dieses Recht werde flankiert und unterstützt durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG, auf dessen Schutzbereich sie sich in diesem Zusammenhang berufen könnten. Die vergütungsfreie Speicherungsmöglichkeit zu privatem Gebrauch verletze sie zugleich in ihrer Programmfreiheit.
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II. | |
Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.
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1. Die Rüge der Beschwerdeführer, sie würden im Vergleich zu privaten Sendeunternehmen, welche die Vorschrift des § 87 Abs. 3 UrhG mit Erfolg bekämpfen könnten, ungleich behandelt, ist unzulässig, weil sich die Beschwerdeführer als juristische Personen des öffentlichen Rechts nicht auf das Grundrecht des Art. 3 Abs. 1 GG berufen können (vgl. BVerfGE 75, 192 [200 f.]).
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2. Unzulässig ist des weiteren die Rüge, zum Kernbereich verfassungsrechtlicher Verbürgung gehöre auch das Recht, über die Verwertung der Sendungen, insbesondere die Aufzeichnung zum privaten Gebrauch zu bestimmen. Werde ihnen dieses Recht durch die Zulassung privater Speicherung entzogen, müsse dieser Verlust zumindest in der Gestalt einer Teilhabe am Vergütungsaufkommen des § 54 Abs. 1 UrhG ausgeglichen werden.
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Die Frage der Verwertung geistigen Eigentums gehört typischerweise zum Schutzbereich der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG scheidet als Prüfnorm für verwertungsrechtliche Regelungen aus (BVerfGE 31, 229 [238 und 239]). Das gilt jedenfalls dann, wenn die Herstellung von Sendungen durch die angegriffene Regelung - wie hier - nicht unmöglich gemacht wird (BVerfGE, a.a.O., S. 240). Die Verletzung von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG können öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten indes nicht geltend machen. Ihnen kommt nur im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG Grundrechtsfähigkeit (Art. 19 Abs. 3 GG) zu (BVerfGE 31, 314 [322]; 59, 231 [254 f.]). Grundrechtsschutz genießen juristische Personen des öffentlichen Rechts insoweit, als sie von ihren Aufgaben her unmittelbar einem bestimmten grundrechtlich geschützten Lebensbereich zugeordnet sind (vgl. BVerfGE 75, 192 [196] m.w.N.). Die Tätigkeit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten dient der Gewährleistung freier, individueller und öffentlicher Meinungsbildung (BVerfGE 57, 295 [319]) und nimmt insoweit am Grundrechtsschutz des Art. 5 Abs. 1 GG teil. Dieser Bereich erstreckt sich von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Sendung (vgl. BVerfG, Beschluß vom 1. Oktober 1987 - 2 BvR 1434/86 - BVerfGE 77, 65 [74]) und umfaßt ferner die dazu erforderlichen Hilfstätigkeiten (vgl. BVerfG, Beschluß vom 13. Januar 1988 - 1 BvR 1548/82 - BVerfGE 77, 346 [354]). Die (Zweit-)Verwertungstätigkeit ist dagegen nicht mehr durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützt.
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3. Unzulässig ist die weitere Rüge, die angegriffene Bestimmung verletze die Rundfunkanstalten in ihrer Programmfreiheit, da (kostensparende) Wiederholungssendungen - wesentlicher Bestandteil des 3-SAT-Konzepts - mit zunehmender Aufzeichnung durch Private unmöglich gemacht würden. Nicht die fehlende Teilhabe der Rundfunkanstalten am Vergütungsaufkommen des § 54 Abs. 1 UrhG ruft diesen (behaupteten) Effekt hervor, sondern die in § 53 Abs. 1 UrhG zugelassene Aufzeichnung zu privatem Gebrauch. Diese Bestimmung ist jedoch nicht Gegenstand der Verfassungsbeschwerde.
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4. Soweit die Beschwerdeführer geltend machen, die angegriffene Regelung beeinträchtige ihre finanzielle Ausstattung, fehlt es an einem hinreichend substantiierten Sachvortrag für eine Grundrechtsverletzung. Zwar umfaßt der Schutz der Rundfunkfreiheit auch die finanzielle Sicherung des Aufgabenbereichs, der den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten von Verfassungs wegen zugewiesen ist. Hingegen erstreckt sich der Grundrechtsschutz prinzipiell nicht auf einzelne Formen der Finanzierung. Entscheidend ist allein, daß die Finanzierung der Tätigkeit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten insgesamt hinreichend gesichert ist und daß den Anstalten auf diese Weise die Finanzierung derjenigen Programme ermöglicht wird, deren Veranstaltung ihren spezifischen Funktionen nicht nur entspricht, sondern auch zur Wahrnehmung dieser Funktionen erforderlich ist (BVerfGE 74, 297 [342]). Daß mit der angegriffenen Regelung diese dem Gesetzgeber von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gezogene Grenze überschritten wäre, ist nicht erkennbar. Die Beschwerdeführer haben nicht in einer den Anforderungen des § 23 Abs. 1 und § 92 BVerfGG genügenden Weise dargelegt, daß ohne die Teilhabe am Vergütungsaufkommen des § 54 Abs. 1 UrhG eine funktionsgerechte Finanzierung nicht gesichert werden könne und die angegriffene Regelung daher zu einer Finanzausstattung führe, welche die Wahrnehmung ihrer verfassungsrechtlichen Aufgaben beeinträchtige.
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Niemeyer, Heußner, Henschel, Seidl, Grimm, Söllner, Dieterich | |
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