des Zweiten Senats vom 12. September 2012 aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10. Juli 2012
| |
-- 2 BvR 1390, 1421, 1438, 1439, 1440/12, 2 BvE 6/12 -- | |
in den Verfahren I. über die Verfassungsbeschwerde des Herrn Dr. G. . . -- Bevollmächtigte: 1. Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub, Promenadeplatz 9, 80333 München, 2. Prof. Dr. Dietrich Murswiek, In der Röte 18, 79104 Freiburg -- 2 BvR 1390/12 --, II. über die Verfassungsbeschwerde 1. des Herrn Dr. B. . ., 2. des Herrn Prof. Dr. H. . ., 3. des Herrn Prof. Dr. N. . ., 4. des Herrn Prof. Dr. S. . ., 5. des Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. S. . . -- Bevollmächtigter zu 1. bis 3. und 5.: Prof. Dr. Karl Albrecht Schachtschneider, Treiberpfad 28, 13469 Berlin -- 2 BvR 1421/12 --, III. über die Verfassungsbeschwerde des Herrn H. . . sowie 11717 weiterer Beschwerdeführer -- Bevollmächtigte: 1. Prof. Dr. Christoph Degenhart, Burgstraße 27, 04109 Leipzig, 2. Rechtsanwältin Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin, in Sozietät Schwegler Rechtsanwälte, Unter den Linden 12, 10117 Berlin -- 2 BvR 1438/12 --, IV. über die Verfassungsbeschwerde des Herrn van A. . . sowie 74 weiterer Beschwerdeführer -- Bevollmächtigte: 1. Prof. Dr. Dr. h.c. Hans-Peter Schneider, Drosselweg 4, 30559 Hannover, 2. Prof. Dr. Andreas Fisahn, Grüner Weg 83, 32130 Enger -- 2 BvR 1439/12 --, V. über die Verfassungsbeschwerde des Herrn S. . . -- Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. Arvid Siebert und Katrin Piepho, in Sozietät Rechtsanwälte kessler&partner, Martinistraße 57, 28195 Bremen -- 2 BvR 1440/12 --, in den Verfahren I. bis V. gegen 1. das Gesetz zu dem Beschluss des Europäischen Rates vom 25. März 2011 zur Änderung des Artikels 136 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union hinsichtlich eines Stabilitätsmechanismus für die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist (Bundestagsdrucksachen 17/9047, 17/10159), 2. das Gesetz zu dem Vertrag vom 2. Februar 2012 zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (Bundestagsdrucksachen 17/9045, 17/10126), 3. das Gesetz zur finanziellen Beteiligung am Europäischen Stabilitätsmechanismus (Bundestagsdrucksachen 17/9048, 17/10126), in den Verfahren I. bis IV. zudem gegen das Gesetz zu dem Vertrag vom 2. März 2012 über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion (Bundestagsdrucksachen 17/9046, 17/10125) und in den Verfahren I. bis V. Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sowie VI. über den Antrag, im Organstreitverfahren festzustellen, 1. Artikel 1 des Gesetzes zu dem Vertrag vom 2. März 2012 über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion vom 29. Juni 2012 (Bundestagsdrucksache 17/9046), 2. Artikel 1 des Gesetzes zu dem Beschluss des Europäischen Rates vom 25. März 2011 zur Änderung des Artikels 136 des Vertrages ![]() ![]() | |
Entscheidungsformel:
| |
Die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung werden mit der Maßgabe abgelehnt, dass die Ratifikation des Vertrages zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (Bundestagsdrucksache 17/9045, Seite 6ff.) nur erfolgen darf, wenn zugleich völkerrechtlich sichergestellt wird, dass
| |
1. die Regelung des Artikel 8 Absatz 5 Satz 1 des Vertrages zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus sämtliche Zahlungsverpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland aus diesem Vertrag der Höhe nach auf die in Anhang II des Vertrages ![]() ![]() | |
2. die Regelungen der Artikel 32 Absatz 5, Artikel 34 und Artikel 35 Absatz 1 des Vertrages zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus nicht der umfassenden Unterrichtung des Bundestages und des Bundesrates entgegenstehen.
| |
Gründe: | |
A. | |
Die Antragsteller begehren mit ihren Anträgen auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Wesentlichen, dass dem Bundespräsidenten bis zur Entscheidung über die jeweilige Hauptsache untersagt wird, die von Bundestag und Bundesrat am 29. Juni 2012 als Maßnahmen zur Bewältigung der Staatsschuldenkrise im Euro-Währungsgebiet beschlossenen Gesetze auszufertigen und die mit ihnen gebilligten völkerrechtlichen Verträge zu ratifizieren.
| |
I.
| |
1. Mit dem Vertrag über die Europäische Union vom 7. Februar 1992 (ABl EG Nr. C 191; BGBl. II S. 1253), dem sogenannten Vertrag von Maastricht, wurde eine gemeinsame Währungspolitik der Mitgliedstaaten vereinbart, die stufenweise eine Europäische Währungsunion begründen und schließlich die Währungspolitik in der Hand des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) vergemeinschaften sollte. Auf der dritten Stufe dieses Prozesses wurde der Euro als einheitliche Währung eingeführt. Um Finanzdisziplin zur Unterstützung der einheitlichen Geldpolitik zu gewährleisten, wurde gleichzeitig der Stabilitäts- und Wachstumspakt (Entschließung des Europäischen Rates über den Stabilitäts- und Wachstumspakt Amsterdam, 17. Juni 1997, ABl EG Nr. C 236) beschlossen, der eine Neuverschuldung von maximal 3% des Bruttoinlandsproduktes (BIP) und einen Schuldenstand von maximal 60% des BIP vorsieht und in den Jahren 2005 und 2011 geändert worden ist. ![]() | |
![]() | |
3. In der Folge beschlossen der Europäische Rat und der Rat für Wirtschaft und Finanzen (ECOFIN-Rat) die Schaffung eines europäischen Stabilisierungsmechanismus ("Euro-Rettungsschirm"), der sich aus zwei Komponenten zusammensetzen sollte: dem auf eine Verordnung gestützten Europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus (EFSM) und der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF), einer auf zwischenstaatlicher Vereinbarung der Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebietes beruhenden Zweckgesellschaft. Zur Umsetzung dieser Beschlüsse erließ der Rat am 11. Mai 2010 auf Vorschlag der Europäischen Kommission gestützt auf Art. 122 Abs. 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) die Verordnung (EU) Nr. 407/2010 zur Einführung eines europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus (ABl EU Nr. L 118 vom 12. Mai 2010, S. 1). Daneben wurde am 7. Juni 2010 die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität, eine Aktiengesellschaft nach luxemburgischem Recht, gegründet. Ihr Zweck ist die Emission von Anleihen sowie die Gewährung von Darlehen und Kreditlinien zur Deckung des Finanzierungsbedarfs von in finanziellen Schwierigkeiten befindlichen Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebietes unter Auflagen. Die Garantien für die Zweckgesellschaft werden anteilig un ![]() ![]() | |
4. Die fortdauernd angespannte Situation auf den Finanzmärkten veranlasste die Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebietes, die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität mit zusätzlichen, flexibleren Instrumenten auszustatten, um eine wirksame Hilfe für die überschuldeten Mitgliedstaaten zu ermöglichen. Die Staats- und Regierungschefs beschlossen auf dem Europäischen Rat vom 21. Juli 2011, die ursprünglich vereinbarte maximale Darlehenskapazität der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität von 440 Milliarden Euro in vollem Umfang bereitzustellen. Die EFSF sollte unter anderem auch Aufkäufe von Staatsanleihen sowohl auf dem Primär- als auch auf dem Sekundärmarkt vornehmen können. Mit Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus vom 9. Oktober 2011 (BGBl. I S. 1992) änderte der Deutsche Bundestag das Stabilisierungsmechanismusgesetz und passte es an die veränderte Rechtslage an. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Februar 2012 (BVerfGE 130, 318) verwiesen.
| |
5. Mit Schreiben vom 8. Februar 2012 bat Griechenland den Präsidenten der Gruppe der Finanzminister der Mitgliedstaaten ![]() ![]() | |
6. Bereits seit Ende 2010 streben die Mitgliedstaaten der Europäischen Union -- über den bisherigen "Euro-Rettungsschirm" hinaus -- auch einen dauerhaften Krisenbewältigungsmechanismus an. Auf der Tagung des Europäischen Rates vom 28./29. Oktober 2010 einigten sich die Staats- und Regierungschefs auf die Errichtung eines "ständigen Krisenmechanismus zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt" (EUCO 25/1/10 REV 1, Schlussfolgerungen, S. 2). Am 28. November 2010 vereinbarten die Finanzminister der Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebietes die allgemeinen Merkmale des künftigen Krisenmechanismus.
| |
a) Der Europäische Rat einigte sich am 16./17. Dezember 2010 grundsätzlich auf eine Änderung des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union, nach der Art. 136 ein neuer Absatz 3 hinzugefügt werden soll. Am 17. März 2011 nahm der Deutsche Bundestag den Antrag der Fraktionen von CDU/CSU und FDP zur Herstellung des Einvernehmens von Deutschem Bundestag und Bundesregierung zur Ergänzung von Art. 136 AEUV an (BTDrucks 17/4880; BTPlenprot Nr. 17/96, S. 11015 C). Am 25. März 2011 beschloss der Europäische Rat den (endgültigen) Entwurf eines künftigen Art. 136 Abs. 3 AEUV mit folgendem Wortlaut (EUCO 10/11, Schlussfolgerungen, Anlage II, S. 21ff.):
| |
(3) Die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, können einen Stabilitätsmechanismus einrichten, der aktiviert wird, wenn dies unabdingbar ist, um die Stabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt zu wahren. Die Gewährung aller erforderlichen Finanzhilfen im Rahmen des Mechanismus wird strengen Auflagen unterliegen.
| |
b) Den in der Folge erarbeiteten -- ersten -- Entwurf eines Vertrages zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESMV) unterzeichneten die Wirtschafts- und Finanzminister der ![]() ![]() | |
Durch den Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus gründen die Vertragsparteien (ESM-Mitglieder) den Europäischen Stabilitätsmechanismus als internationale Finanzinstitution (Art. 1 ESMV). Wenn dies zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebietes insgesamt und seiner Mitgliedstaaten unabdingbar erscheint, soll der ESM einem ESM-Mitglied unter strengen, dem gewählten Finanzhilfeinstrument angemessenen Auflagen Stabilitätshilfe gewähren dürfen (Art. 12 ESMV); in Betracht kommen "vorsorgliche Finanzhilfen" in Form einer vorsorglichen bedingten Kreditlinie oder einer Kreditlinie mit erweiterten Bedingungen (Art. 14 ESMV), Finanzhilfen mittels Darlehen zum Zwecke der Rekapitalisierung von Finanzinstituten (Art. 15 ESMV) oder allgemein zugunsten eines ESM-Mitglieds (Art. 16 ESMV) sowie der Ankauf von Staatsanleihen eines ESM-Mitglieds am Primär- oder Sekundärmarkt (Art. 17, 18 ESMV). Für das Verfahren ist in Art. 13 ESMV vorgesehen, dass nach dem Eingang des Stabilitätshilfeersuchens von der Europäischen Kommission im Benehmen mit der Europäischen Zentralbank das Bestehen einer Gefahr für die Finanzstabilität des Euro-Währungsgebietes insgesamt oder seiner Mitgliedstaaten, die Tragfähigkeit der Staatsverschuldung und der tatsächliche oder potenzielle Finanzierungsbedarf des betreffenden ESM-Mitglieds bewertet werden. Auf der Grundlage des Ersuchens und der Bewertung beschließt der Gouverneursrat (vgl. Art. 5 ESMV) sodann, ob dem betroffenen ESM-Mitglied eine Stabilitätshilfe zu gewähren ist. Fällt die Entscheidung positiv aus, so ![]() ![]() | |
Artikel 3 Zweck Zweck des ESM ist es, Finanzmittel zu mobilisieren und ESM-Mitgliedern, die schwerwiegende Finanzierungsprobleme haben oder denen solche Probleme drohen, unter strikten, dem gewählten Finanzhilfeinstrument angemessenen Auflagen eine Stabilitätshilfe bereitzustellen, wenn dies zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt und seiner Mitgliedstaaten unabdingbar ist. Zu diesem Zweck ist der ESM berechtigt, Mittel aufzunehmen, indem er Finanzinstrumente begibt oder mit ESM-Mitgliedern, Finanzinstituten oder sonstigen Dritten finanzielle oder sonstige Vereinbarungen oder Übereinkünfte schließt. | |
Artikel 4 Aufbau und Abstimmungsregeln (1) Der ESM hat einen Gouverneursrat und ein Direktorium sowie einen Geschäftsführenden Direktor [...]. (2) Der Gouverneursrat und das Direktorium beschließen nach Maßgabe dieses Vertrags in gegenseitigem Einvernehmen, mit qualifizierter Mehrheit oder mit einfacher Mehrheit. [...] (3) Die Annahme eines Beschlusses in gegenseitigem Einvernehmen erfordert die Einstimmigkeit der an der Abstimmung teilnehmenden Mitglieder. [...] ![]() ![]() (6) Für die Annahme eines Beschlusses mit einfacher Mehrheit ist die Mehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich. (7) Die Stimmrechte eines jeden ESM-Mitglieds, die von dessen Beauftragten oder dem Vertreter des Letztgenannten im Gouverneursrat oder im Direktorium ausgeübt werden, entsprechen der Zahl der Anteile, die dem betreffenden Mitglied gemäß Anhang II am genehmigten Stammkapital des ESM zugeteilt wurden. [Fussnote: Der Bundesrepublik Deutschland wurden gemäss Anhang II am genehmigten Stammkapital des ESM 1.900.248 Anteile von insgesamt 7.000.000 Anteilen (=27,1464%) zugeteilt.] (8) Versäumt es ein ESM-Mitglied, den Betrag, der aufgrund seiner Verpflichtungen im Zusammenhang mit eingezahlten Anteilen oder Kapitalabrufen nach Maßgabe der Artikel 8, 9 und 10 oder im Zusammenhang mit der Rückzahlung der Finanzhilfe nach Maßgabe der Artikel 16 oder 17 fällig werden, in voller Höhe zu begleichen, so werden sämtliche Stimmrechte dieses ESM-Mitglieds so lange ausgesetzt, bis die Zahlung erfolgt ist. Die Stimmrechtsschwellen werden entsprechend neu berechnet. | |
Artikel 5 Gouverneursrat (1) Jedes ESM-Mitglied ernennt ein Mitglied des Gouverneursrats und ein stellvertretendes Mitglied des Gouverneursrats. [...] Das Mitglied des Gouverneursrats ist ein Regierungsmitglied des jeweiligen ESM-Mitglieds mit Zuständigkeit für die Finanzen. [...] (6) Der Gouverneursrat fasst die folgenden Beschlüsse im gegenseitigen Einvernehmen: [...] b) Auflage neuer Anteile zu anderen Konditionen als zum Nennwert nach Maßgabe des Artikels 8 Absatz 2; [...] f) Gewährung von Stabilitätshilfe durch den ESM einschließlich der in dem Memorandum of Understanding nach Artikel 13 Absatz 3 festgelegten wirtschaftspolitischen Auflagen sowie Wahl der Instrumente und Festlegung der Finanzierungsbedingungen nach Maßgabe der Artikel 12 bis 18; [...] i) Änderungen an der Liste der Finanzhilfeinstrumente, die der ESM nutzen kann, nach Maßgabe des Artikels 19; [...] m) Übertragung der in diesem Artikel genannten Aufgaben auf das Direktorium. ![]() | |
![]() Direktorium (1) Jedes Mitglied des Gouverneursrats ernennt aus einem Personenkreis mit großem Sachverstand im Bereich der Wirtschaft und der Finanzen ein Mitglied und ein stellvertretendes Mitglied des Direktoriums. [...] (5) Soweit in diesem Vertrag nicht anders vorgesehen, beschließt das Direktorium mit qualifizierter Mehrheit. Beschlüsse, die auf Grundlage von Befugnissen, die der Gouverneursrat delegiert hat, zu fassen sind, werden gemäß den einschlägigen Abstimmungsregeln in Artikel 5 Absätze 6 und 7 angenommen. [...] | |
Artikel 7 Geschäftsführender Direktor (1) Der Geschäftsführende Direktor wird vom Gouverneursrat aus einem Kreis von Kandidaten ernannt, die die Staatsangehörigkeit eines ESM-Mitglieds, einschlägige internationale Erfahrung und großen Sachverstand im Bereich der Wirtschaft und der Finanzen besitzen. Der Geschäftsführende Direktor darf während seiner Amtszeit weder Mitglied noch stellvertretendes Mitglied des Gouverneursrats oder des Direktoriums sein. [...] | |
Artikel 8 Genehmigtes Stammkapital (1) Das genehmigte Stammkapital beträgt 700 Milliarden EUR. [...] (2) Das genehmigte Stammkapital wird in eingezahlte Anteile und abrufbare Anteile unterteilt. Der anfängliche Gesamtnennwert der eingezahlten Anteile beläuft sich auf 80 Milliarden EUR. Die Anteile des genehmigten Stammkapitals am anfänglich gezeichneten Stammkapital werden zum Nennwert ausgegeben. Andere Anteile werden zum Nennwert ausgegeben, sofern der Gouverneursrat nicht unter besonderen Umständen eine anderweitige Ausgabe beschließt. [...] (4) Die ESM-Mitglieder verpflichten sich unwiderruflich und uneingeschränkt, ihren Beitrag zum genehmigten Stammkapital gemäß ihrem Beitragsschlüssel in Anhang I zu leisten. Sie kommen sämtlichen Kapitalabrufen gemäß den Bedingungen dieses Vertrages fristgerecht nach. (5) Die Haftung eines jeden ESM-Mitglieds bleibt unter allen Umständen auf seinen Anteil am genehmigten Stammkapital zum Ausgabekurs begrenzt. Kein ESM-Mitglied haftet aufgrund seiner Mitgliedschaft für die Verpflichtungen des ESM. Die Verpflichtung der ESM-Mitglieder zur Leistung von Kapitalbeiträgen zum genehmigten Stammkapital gemäß diesem Vertrag bleibt unberührt, falls ein ESM-Mitglied Finanzhilfe vom ESM erhält oder die Voraussetzungen dafür erfüllt. ![]() | |
![]() Kapitalabrufe (1) Der Gouverneursrat kann genehmigtes nicht eingezahltes Kapital jederzeit abrufen und den ESM-Mitgliedern eine angemessene Frist für dessen Einzahlung setzen. (2) Das Direktorium kann genehmigtes nicht eingezahltes Kapital durch Beschluss mit einfacher Mehrheit abrufen, um die Höhe des eingezahlten Kapitals wiederherzustellen, wenn diese durch das Auffangen von Verlusten unter den in Artikel 8 Absatz 2 festgelegten Betrag -- der vom Gouverneursrat gemäß dem Verfahren nach Artikel 10 geändert werden kann -- abgesunken ist, und den ESM-Mitgliedern eine angemessene Frist für dessen Einzahlung setzen. (3) Der Geschäftsführende Direktor ruft genehmigtes nicht eingezahltes Kapital rechtzeitig ab, falls dies notwendig ist, damit der ESM bei planmäßigen oder sonstigen fälligen Zahlungsverpflichtungen gegenüber Gläubigern des ESM nicht in Verzug gerät. Der Geschäftsführende Direktor setzt das Direktorium und den Gouverneursrat über jeden derartigen Abruf in Kenntnis. Wird ein potenzieller Fehlbetrag in den Mitteln des ESM entdeckt, so führt der Geschäftsführende Direktor (einen) entsprechende(n) Abruf(e) baldmöglichst durch, um sicherzustellen, dass der ESM über ausreichende Mittel verfügt, um fällige Zahlungen an Gläubiger fristgerecht und in voller Höhe leisten zu können. Die ESM-Mitglieder verpflichten sich unwiderruflich und uneingeschränkt, Kapital, das der Geschäftsführende Direktor gemäß diesem Absatz von ihnen abruft, innerhalb von sieben Tagen ab Erhalt der Aufforderung einzuzahlen. [...] | |
Artikel 10 Veränderungen des genehmigten Stammkapitals (1) Der Gouverneursrat überprüft das maximale Darlehensvolumen und die Angemessenheit des genehmigten Stammkapitals des ESM regelmäßig, mindestens jedoch alle fünf Jahre. Er kann beschließen, das genehmigte Stammkapital zu verändern und Artikel 8 und Anhang II entsprechend zu ändern. Dieser Beschluss tritt in Kraft, nachdem die ESM-Mitglieder dem Verwahrer den Abschluss ihrer jeweiligen nationalen Verfahren notifiziert haben. Die neuen Anteile werden den ESM-Mitgliedern nach dem in Artikel 11 und Anhang I vorgesehenen Beitragsschlüssel zugeteilt. [...] | |
Artikel 25 Deckung von Verlusten (1) Verluste aus den Operationen des ESM werden beglichen a) zunächst aus dem Reservefonds, ![]() ![]() c) an letzter Stelle mit einem angemessenen Betrag des genehmigten nicht eingezahlten Kapitals, der nach Maßgabe des Artikels 9 Absatz 3 abgerufen wird. (2) Nimmt ein ESM-Mitglied die aufgrund eines Kapitalabrufs gemäß Artikel 9 Absätze 2 oder 3 erforderliche Einzahlung nicht vor, so ergeht an alle ESM-Mitglieder ein revidierter erhöhter Kapitalabruf, um sicherzustellen, dass der ESM die Kapitaleinzahlung in voller Höhe erhält. Der Gouverneursrat beschließt geeignete Schritte, um sicherzustellen, dass das betreffende ESM-Mitglied seine Schuld gegenüber dem ESM innerhalb vertretbarer Zeit begleicht. Der Gouverneursrat hat das Recht, auf den überfälligen Betrag Verzugszinsen zu erheben. (3) Begleicht ein ESM-Mitglied eine in Absatz 2 genannte Schuld gegenüber dem ESM, so wird das überschüssige Kapital gemäß den vom Gouverneursrat zu beschließenden Vorschriften an die anderen ESM-Mitglieder zurückgezahlt. [...] | |
Artikel 32 Rechtsstatus, Vorrechte und Befreiungen [...] (5) Die Archive des ESM und sämtliche Unterlagen, die sich im Eigentum oder im Besitz des ESM befinden, sind unverletzlich. (6) Die Geschäftsräume des ESM sind unverletzlich. [...] (9) Der ESM ist von jeglicher Zulassungs- oder Lizenzierungspflicht, die nach dem Recht eines ESM-Mitglieds für Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsunternehmen oder sonstige der Zulassungs- oder Lizenzierungspflicht sowie der Regulierung unterliegende Unternehmen gilt, befreit. [...] | |
Artikel 34 Berufliche Schweigepflicht Die Mitglieder und früheren Mitglieder des Gouverneursrats und des Direktoriums sowie alle anderen Personen, die für den ESM oder in Zusammenhang damit tätig sind oder tätig waren, geben keine der beruflichen Schweigepflicht unterliegenden Informationen weiter. Auch nach Beendigung ihrer Tätigkeit dürfen sie keine der beruflichen Schweigepflicht unterliegenden Informationen weitergeben. | |
Artikel 35 Persönliche Immunitäten (1) Im Interesse des ESM genießen der Vorsitzende des Gouverneursrats, die Mitglieder des Gouverneursrats, die stellvertretenden Mitglieder des Gouverneursrats, die Mitglieder des Direktoriums, die stellvertretenden Mitglieder des Direktoriums sowie der Geschäftsführende Direktor und die anderen Bediensteten des ESM Immunität ![]() ![]() (2) Der Gouverneursrat kann die durch diesen Artikel gewährten Immunitäten des Vorsitzenden des Gouverneursrats, der Mitglieder des Gouverneursrats, der stellvertretenden Mitglieder des Gouverneursrats, der Mitglieder des Direktoriums, der stellvertretenden Mitglieder des Direktoriums sowie des Geschäftsführenden Direktors in dem Maße und zu den Bedingungen, die er bestimmt, aufheben. (3) Der Geschäftsführende Direktor kann diese Immunität hinsichtlich eines jeden Bediensteten des ESM außer seiner selbst aufheben. (4) Jedes ESM-Mitglied trifft unverzüglich alle Maßnahmen, die erforderlich sind, um diesen Artikel in seinem eigenen Recht in Kraft zu setzen, und unterrichtet den ESM entsprechend. [...] | |
Ein ausdrückliches Austritts- oder Kündigungsrecht enthält der Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus nicht.
| |
7. Am 2. März 2012 wurde als weitere Maßnahme zur Beilegung der Staatsschuldenkrise der Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion (SKSV) unterzeichnet, dessen Vertragstext auszugsweise wie folgt lautet (BTDrucks 17/9046, S. 6ff.):
| |
Artikel 1 (1) Mit diesem Vertrag kommen die Vertragsparteien als Mitgliedstaaten der Europäischen Union überein, die wirtschaftliche Säule der Wirtschafts- und Währungsunion durch Verabschiedung einer Reihe von Vorschriften zu stärken, die die Haushaltsdisziplin durch einen fiskalpolitischen Pakt fördern, die Koordinierung ihrer Wirtschaftspolitiken verstärken und die Steuerung des Euro-Währungsgebiets verbessern sollen und dadurch zur Erreichung der Ziele der Europäischen Union für nachhaltiges Wachstum, Beschäftigung, Wettbewerbsfähigkeit und sozialen Zusammenhalt beitragen. [...] | |
Artikel 2 (1) Dieser Vertrag wird von den Vertragsparteien in Übereinstimmung mit den Verträgen, auf denen die Europäische Union beruht, insbesondere mit Artikel 4 Absatz 3 des Vertrags über die Europäische Union, und mit dem Recht der Europäischen Union, einschließlich dem Verfahrensrecht, wann immer der Erlass von Sekundärgesetzgebung erforderlich ist, angewandt und ausgelegt. (2) Dieser Vertrag gilt insoweit, wie er mit den Verträgen, auf denen ![]() ![]() | |
Artikel 3 (1) Die Vertragsparteien wenden zusätzlich zu ihren sich aus dem Recht der Europäischen Union ergebenden Verpflichtungen und unbeschadet dieser Verpflichtungen die in diesem Absatz festgelegten Vorschriften an: a) Der gesamtstaatliche Haushalt einer Vertragspartei ist ausgeglichen oder weist einen Überschuss auf. b) Die Regel unter Buchstabe a gilt als eingehalten, wenn der jährliche strukturelle Saldo des Gesamtstaats dem länderspezifischen mittelfristigen Ziel im Sinne des geänderten Stabilitäts- und Wachstumspakts, mit einer Untergrenze von einem strukturellen Defizit von 0,5% des Bruttoinlandsprodukts zu Marktpreisen, entspricht. Die Vertragsparteien stellen eine rasche Annäherung an ihr jeweiliges mittelfristiges Ziel sicher. Der zeitliche Rahmen für diese Annäherung wird von der Europäischen Kommission unter Berücksichtigung der länderspezifischen Risiken für die langfristige Tragfähigkeit vorgeschlagen werden. Die Fortschritte in Richtung auf das mittelfristige Ziel und dessen Einhaltung werden dem geänderten Stabilitäts- und Wachstumspakt entsprechend auf der Grundlage einer Gesamtbewertung evaluiert, bei der der strukturelle Haushaltssaldo als Referenz dient und die eine Analyse der Ausgaben ohne Anrechnung diskretionärer einnahmenseitiger Maßnahmen einschließt. c) Die Vertragsparteien dürfen nur unter den in Absatz 3 Buchstabe b festgelegten außergewöhnlichen Umständen vorübergehend von ihrem jeweiligen mittelfristigen Ziel oder dem dorthin führenden Anpassungspfad abweichen. d) Liegt das Verhältnis zwischen öffentlichem Schuldenstand und Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen erheblich unter 60% und sind die Risiken für die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen gering, so kann die Untergrenze des in Buchstabe b angegebenen mittelfristigen Ziels ein strukturelles Defizit von maximal 1,0% des Bruttoinlandsprodukts zu Marktpreisen erreichen. e) Erhebliche Abweichungen vom mittelfristigen Ziel oder dem dorthin führenden Anpassungspfad lösen automatisch einen Korrekturmechanismus aus. Dieser Mechanismus schließt die Verpflichtung der betreffenden Vertragspartei ein, zur Korrektur der Abweichungen innerhalb eines festgelegten Zeitraums Maßnahmen zu treffen. (2) Die Regelungen nach Absatz 1 werden im einzelstaatlichen Recht ![]() ![]() (3) Für die Zwecke dieses Artikels gelten die Begriffsbestimmungen, die in Artikel 2 des den Verträgen zur Europäischen Union beigefügten Protokolls (Nr. 12) über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit festgelegt sind. Zusätzlich dazu gelten für die Zwecke dieses Artikels die folgenden Begriffsbestimmungen: a) "Jährlicher struktureller Saldo des Gesamtstaats" ist der konjunkturbereinigte jährliche Saldo ohne Anrechnung einmaliger und befristeter Maßnahmen. b) "Außergewöhnliche Umstände" sind ein außergewöhnliches Ereignis, das sich der Kontrolle der betreffenden Vertragspartei entzieht und erhebliche Auswirkungen auf die Lage der öffentlichen Finanzen hat, oder ein schwerer Konjunkturabschwung im Sinne des geänderten Stabilitäts- und Wachstumspakts, vorausgesetzt, die vorübergehende Abweichung der betreffenden Vertragspartei gefährdet nicht die mittelfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen. | |
Artikel 4 Geht das Verhältnis zwischen dem gesamtstaatlichen Schuldenstand einer Vertragspartei und dem Bruttoinlandsprodukt über den in Artikel 1 des den Verträgen zur Europäischen Union beigefügten Protokolls (Nr. 12) über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit genannten Referenzwert von 60% hinaus, so verringert diese Vertragspartei es gemäß Artikel 2 der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit in der durch die Verordnung (EU) Nr. 1177/2011 des Rates vom 8. November 2011 geänderten Fassung als Richtwert um durchschnittlich ein Zwanzigstel jährlich. Das ![]() ![]() | |
Artikel 5 (1) Eine Vertragspartei, die gemäß den Verträgen, auf denen die Europäische Union beruht, Gegenstand eines Defizitverfahrens ist, legt ein Haushalts- und Wirtschaftspartnerschaftsprogramm auf, das eine detaillierte Beschreibung der Strukturreformen enthält, die zur Gewährleistung einer wirksamen und dauerhaften Korrektur ihres übermäßigen Defizits zu beschließen und umzusetzen sind. Inhalt und Form dieser Programme werden im Recht der Europäischen Union festgelegt. Sie werden dem Rat der Europäischen Union und der Europäischen Kommission im Rahmen der bestehenden Überwachungsverfahren des Stabilitäts- und Wachstumspakts zur Genehmigung vorgelegt werden und auch innerhalb dieses Rahmens überwacht werden. (2) Die Umsetzung des Haushalts- und Wirtschaftspartnerschaftsprogramms und die mit diesem Programm in Einklang stehenden jährlichen Haushaltspläne werden vom Rat der Europäischen Union der Europäischen Kommission überwacht werden. [...] | |
Artikel 7 Die Vertragsparteien, deren Währung der Euro ist, verpflichten sich unter uneingeschränkter Einhaltung der Verfahrensvorschriften der Verträge, auf denen die Europäische Union beruht, zur Unterstützung der Vorschläge oder Empfehlungen der Europäischen Kommission, in denen diese die Auffassung vertritt, dass ein Mitgliedstaat der Europäischen Union, dessen Währung der Euro ist, im Rahmen eines Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit gegen das Defizit-Kriterium verstößt. Diese Verpflichtung entfällt, wenn zwischen den Vertragsparteien, deren Währung der Euro ist, feststeht, dass eine analog zu den einschlägigen Bestimmungen der Verträge, auf denen die Europäische Union beruht, unter Auslassung des Standpunkts der betroffenen Vertragspartei ermittelte qualifizierte Mehrheit von ihnen gegen den vorgeschlagenen oder empfohlenen Beschluss ist. | |
Artikel 8 (1) Die Europäische Kommission wird aufgefordert, den Vertragsparteien zu gegebener Zeit einen Bericht über die Bestimmungen vorzulegen, die jede von ihnen gemäß Artikel 3 Absatz 2 erlassen hat. Gelangt die Europäische Kommission, nachdem sie der betreffenden Vertragspartei Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat, in ihrem ![]() ![]() (2) Ist eine Vertragspartei nach eigener Einschätzung oder aufgrund der Bewertung der Europäischen Kommission der Auffassung, dass eine andere Vertragspartei nicht die in Absatz 1 genannten erforderlichen Maßnahmen getroffen hat, um dem Urteil des Gerichtshofs nachzukommen, so kann sie den Gerichtshof mit der Sache befassen und die Verhängung finanzieller Sanktionen gemäß den von der Europäischen Kommission im Rahmen von Artikel 260 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union festgelegten Kriterien verlangen. Stellt der Gerichtshof fest, dass die betreffende Vertragspartei seinem Urteil nicht nachgekommen ist, so kann er gegen diese Vertragspartei einen Pauschalbetrag oder ein Zwangsgeld verhängen, der/das den Umständen angemessen ist und nicht über 0,1% ihres Bruttoinlandsprodukts hinausgeht. Die gegen eine Vertragspartei, deren Währung der Euro ist, verhängten Beträge sind an den Europäischen Stabilitätsmechanismus zu entrichten. Anderenfalls werden die Zahlungen an den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Union entrichtet. (3) Dieser Artikel stellt einen Schiedsvertrag zwischen den Vertragsparteien im Sinne des Artikels 273 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union dar. [...] | |
Artikel 16 Binnen höchstens fünf Jahren ab dem Inkrafttreten dieses Vertrags werden auf der Grundlage einer Bewertung der Erfahrungen mit der Umsetzung des Vertrags gemäß dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union die notwendigen Schritte mit dem Ziel unternommen, den Inhalt dieses Vertrags in den Rechtsrahmen der Europäischen Union zu überführen. | |
Ein ausdrückliches Kündigungs- oder Austrittsrecht enthält der Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion nicht. ![]() | |
![]() | |
Artikel 2 (1) Erhöhungen des genehmigten Stammkapitals nach Artikel 10 Absatz 1 des Vertrags bedürfen zum Inkrafttreten einer bundesgesetzlichen Ermächtigung zur Bereitstellung weiteren Kapitals. (2) Der deutsche Gouverneur im Gouverneursrat des Europäischen Stabilitätsmechanismus und im Falle einer Delegation der Entscheidung nach Artikel 5 Absatz 6 Buchstabe m des Vertrags der deutsche Direktor im Direktorium des Europäischen Stabilitätsmechanismus dürfen einem Beschlussvorschlag zur Änderung der Finanzhilfeinstrumente nach Artikel 19 des Vertrags nur zustimmen oder sich bei der Abstimmung über einen solchen Beschlussvorschlag der Stimme enthalten, wenn hierzu zuvor durch Bundesgesetz ermächtigt wurde. (3) Änderungen des Stammkapitals nach Artikel 10 Absatz 3 des Vertrags und Änderungen des Beitragsschlüssels nach Artikel 11 Absatz 3 und 4 in Verbindung mit Artikel 11 Absatz 6 und Anhang I des Vertrags sind im Bundesgesetzblatt zu veröffentlichen. | |
9. Ebenfalls am 29. Juni 2012 beschloss der Deutsche Bundestag den Entwurf eines Gesetzes zur finanziellen Beteiligung am ![]() ![]() | |
§ 4 Parlamentsvorbehalt für Entscheidungen im Europäischen Stabilitätsmechanismus (1) In Angelegenheiten des Europäischen Stabilitätsmechanismus, die die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages betreffen, wird diese vom Plenum des Deutschen Bundestages wahrgenommen. Die haushaltspolitische Gesamtverantwortung ist insbesondere betroffen 1. bei der Entscheidung nach Artikel 13 Absatz 2 des Vertrags zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus, einer Vertragspartei des Europäischen Stabilitätsmechanismus auf deren Hilfeersuchen Stabilitätshilfe in Form einer im Vertrag vorgesehenen Finanzhilfefazilität zu gewähren, 2. bei der Annahme einer Vereinbarung über die Finanzhilfefazilität nach Artikel 13 Absatz 3 Satz 3 des Vertrags zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus und einer Zustimmung zu einem entsprechenden Memorandum of Understanding nach Artikel 13 Absatz 4 des Vertrags zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus, 3. bei Beschlüssen im Rahmen des Europäischen Stabilitätsmechanismus zur Veränderung des genehmigten Stammkapitals sowie des maximalen Darlehensvolumens nach Artikel 10 Absatz 1 des Vertrags zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus; Artikel 2 Absatz 1 des Gesetzes zu dem Vertrag vom 2. Februar 2012 zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus bleibt unberührt. ![]() ![]() (3) Werden gemäß Artikel 5 Absatz 6 Buchstabe m des Vertrags zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus Aufgaben des Gouverneursrates auf das Direktorium übertragen, gelten die §§ 3 bis 6 entsprechend. | |
§ 5 Beteiligung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages (1) In allen sonstigen die Haushaltsverantwortung des Deutschen Bundestages berührenden Angelegenheiten des Europäischen Stabilitätsmechanismus, in denen eine Entscheidung des Plenums gemäß § 4 nicht vorgesehen ist, wird der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages beteiligt. Der Haushaltsausschuss überwacht die Vorbereitung und Durchführung der Vereinbarungen über Stabilitätshilfen. (2) Der vorherigen Zustimmung des Haushaltsausschusses bedürfen: 1. Entscheidungen über die Bereitstellung zusätzlicher Instrumente ohne Änderung des Gesamtfinanzierungsvolumens einer bestehenden Finanzhilfefazilität oder wesentliche Änderungen der Bedingungen der Finanzhilfefazilität, 2. Beschlüsse über den Abruf von Kapital nach Artikel 9 Absatz 1 des Vertrags zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus sowie die Annahme oder wesentliche Änderung der Regelungen und Bedingungen, die für Kapitalabrufe nach Artikel 9 Absatz 4 des Vertrags zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus gelten, 3. die Annahme oder wesentliche Änderung der Leitlinien für die Durchführungsmodalitäten der einzelnen Finanzhilfefazilitäten nach den Artikeln 14 bis 18, der Preisgestaltungsleitlinien nach Artikel 20 Absatz 2, der Leitlinien für Anleiheoperationen nach Artikel 21 Absatz 2, der Leitlinien für die Anlagepolitik nach Artikel 22 Absatz 1, der Leitlinien für die Dividendenpolitik nach Artikel 23 Absatz 3 und der Vorschriften für die Einrichtung, Verwaltung und Verwendung weiterer Fonds nach Artikel 24 Absatz 4 des Vertrags zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus, 4. die ausführlichen Regelungen und Bedingungen für Kapitalveränderungen nach Artikel 10 Absatz 2 des Vertrags zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus ![]() ![]() Die Bundesregierung darf in diesen Fällen einem Beschlussvorschlag in Angelegenheiten des Europäischen Stabilitätsmechanismus durch ihren Vertreter nur zustimmen oder sich bei einer Beschlussfassung enthalten, nachdem der Haushaltsausschuss hierzu einen zustimmenden Beschluss gefasst hat. Einen entsprechenden Antrag im Haushaltsausschuss kann auch die Bundesregierung stellen. Ohne einen solchen Beschluss des Haushaltsausschusses muss der deutsche Vertreter den Beschlussvorschlag ablehnen. Der Vertreter der Bundesregierung hat an der Beschlussfassung teilzunehmen. (3) In den nicht von Absatz 2 erfassten Fällen, die die Haushaltsverantwortung des Deutschen Bundestages berühren, hat die Bundesregierung den Haushaltsausschuss zu beteiligen und seine Stellungnahmen zu berücksichtigen. Dies gilt insbesondere bei Beschlüssen über die Auszahlung einzelner Tranchen der gewährten Stabilitätshilfe. (4) Der von Deutschland nach Artikel 5 Absatz 1 des Vertrags zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus ernannte Gouverneur und dessen Stellvertreter sind verpflichtet, den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages auf Verlangen mindestens eines Viertels seiner Mitglieder, das mindestens von zwei Fraktionen im Ausschuss unterstützt werden muss, zu informieren und Auskünfte zu erteilen, soweit nicht Tatbestände nach § 6 dieses Gesetzes betroffen sind. (5) Das Plenum des Deutschen Bundestags kann die Befugnisse des Haushaltsausschusses jederzeit durch einen mit einfacher Mehrheit gefassten Beschluss an sich ziehen und durch einfachen Beschluss ausüben. (6) Ein Antrag oder eine Vorlage der Bundesregierung gelten als dem Haushaltsausschuss überwiesen im Sinne der Geschäftsordnung des Bundestages. § 70 der Geschäftsordnung gilt entsprechend, wobei das Verlangen eines Viertels der Mitglieder des Haushaltsausschusses von mindestens zwei Fraktionen im Ausschuss unterstützt werden muss. | |
§ 6 Beteiligung durch ein Sondergremium (1) Soweit ein Aufkauf von Staatsanleihen auf dem Sekundärmarkt nach Artikel 18 des Vertrags zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus geplant ist, kann die Bundesregierung die besondere Vertraulichkeit der Angelegenheit geltend machen. Die besondere Vertraulichkeit liegt vor, sofern bereits die Tatsache der Beratung oder Beschlussfassung geheim gehalten werden muss, um den Erfolg ![]() ![]() (2) In diesem Fall können die in den §§ 4 und 5 bezeichneten Beteiligungsrechte von Mitgliedern des Haushaltsausschusses wahrgenommen werden, die vom Deutschen Bundestag für die Dauer einer Legislaturperiode in geheimer Wahl mit der Mehrheit der Mitglieder des Deutschen Bundestages gewählt werden (Sondergremium). [...] | |
§ 7 Unterrichtung durch die Bundesregierung (1) Die Bundesregierung hat den Deutschen Bundestag und den Bundesrat in Angelegenheiten dieses Gesetzes umfassend, zum frühestmöglichen Zeitpunkt, fortlaufend und in der Regel schriftlich zu unterrichten. Sie hat dem Deutschen Bundestag in Angelegenheiten, die seine Kompetenzen betreffen, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben und seine Stellungnahmen zu berücksichtigen. (2) Die Bundesregierung übermittelt dem Deutschen Bundestag alle ihr zur Verfügung stehenden Dokumente zur Ausübung der Beteiligungsrechte des Deutschen Bundestages. Sie übermittelt diese Dokumente auch dem Bundesrat. [...] (9) Die von Deutschland oder vom deutschen Gouverneur ernannten Vertreter im ESM dürfen sich gegenüber einem Auskunftsverlangen des Deutschen Bundestages sowie seiner Ausschüsse und Mitglieder nicht auf die Schweigepflicht nach Artikel 34 des Vertrags zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus berufen. (10) Die Rechte des Deutschen Bundestages aus dem Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union und die Rechte des Bundesrates aus dem Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union bleiben unberührt. | |
II.
| |
Die Antragsteller zu I. bis V. sind im Wesentlichen der Auffassung, die angegriffenen Gesetze verletzten -- je für sich sowie in ihrem Zusammenwirken -- ihre Rechte aus Art. 38 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 und Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG. Darüber hinaus rügen der Antragsteller zu I. die Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG und die Antragsteller zu II. die Verletzung von Art. 14 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 4 GG.
| |
Die Antragstellerin zu VI. sieht sich durch den Beschluss des Deutschen Bundestages über die angegriffenen Gesetze in ihren ![]() ![]() | |
Zur Begründung machen die Antragsteller -- mit unterschiedlicher Gewichtung im Einzelnen -- geltend:
| |
1. Art. 136 Abs. 3 AEUV habe nicht nur klarstellende, sondern konstitutive Bedeutung. Durch ihn werde das sogenannte Bail-out-Verbot (Art. 125 AEUV) weitgehend entwertet und damit eine notwendige Bedingung zur Sicherung der parlamentarischen Entscheidungsfreiheit in Haushaltsangelegenheiten beseitigt. Dies bedeute nicht nur einen grundlegenden währungspolitischen Wechsel in Richtung auf eine Transfer- und Haftungsgemeinschaft, sondern stelle darüber hinaus einen weiteren Integrationsschritt dar, der den Charakter der Europäischen Union grundsätzlich verändere. Das Verbot des unmittelbaren Erwerbs von Schuldtiteln öffentlicher Einrichtungen durch die Europäische Zentralbank und das Verbot der Haftungsübernahme als entscheidende Eckpfeiler der Wirtschafts- und Währungsunion würden aus der Stabilitätsgemeinschaft herausgebrochen. Die Vorschrift sei zudem vollkommen unbestimmt. Die Änderung des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union sei überdies zu Unrecht im vereinfachten Verfahren nach Art. 48 Abs. 6 EUV erfolgt.
| |
Die Antragstellerin zu VI. rügt, dass bei einer Vertragsänderung von dieser Tragweite die Einberufung eines Konvents erforderlich gewesen wäre, die eine Beteiligung der nationalen Parlamente ermöglicht hätte.
| |
2. Die Zustimmung zum Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus bewirke eine mit den Strukturprinzipien des Grundgesetzes, insbesondere mit dem Demokratieprinzip, nicht vereinbare Übertragung wesentlicher Aufgaben und Befugnisse auf den Europäischen Stabilitätsmechanismus. Damit entäußere sich der Deutsche Bundestag in verfassungswidriger Weise seiner Haushaltsautonomie. Er beschneide auch die Haushaltsautonomie künftiger Bundestage, indem er einen Haf ![]() ![]() | |
a) Vor dem Hintergrund der aus anderen Euro-Rettungsmaßnahmen bereits bestehenden Haftungsrisiken überschreite das zusätzlich durch den Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus und das Gesetz zur finanziellen Beteiligung am Europäischen Stabilitätsmechanismus begründete Haftungsvolumen den Rahmen des Verantwortbaren evident. Deutschland gehe Risiken in einer Größenordnung ein, die das Maß des verfassungsrechtlich Zulässigen überschritten. Zudem seien die aus dem ESM-Vertrag resultierenden Verpflichtungen mit der Schuldenbremse des Grundgesetzes (Art. 109 Abs. 3, Art. 115 Abs. 2 GG) unvereinbar.
| |
b) Die Übertragung von Entscheidungsbefugnissen mit Haushaltsrelevanz auf Organe des Europäischen Stabilitätsmechanismus sei mit dem Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG nur vereinbar, wenn durch Parlamentsvorbehalt sichergestellt sei, dass deren Entscheidungen der konstitutiven Zustimmung des Bundestages bedürften. Derartige Parlamentsvorbehalte fehlten jedoch im Vertrag; soweit das Zustimmungsgesetz und das Gesetz zur finanziellen Beteiligung am Europäischen Stabilitätsmechanismus Vorbehalte enthielten, seien diese lückenhaft oder inhaltlich unzureichend. ![]() | |
![]() | |
bb) Es gebe keine völkerrechtlichen Vorbehalte zugunsten des Deutschen Bundestages. So könnten gegen den Willen Deutschlands und ohne konstitutive Ermächtigung des Bundestages das Direktorium und der Geschäftsführende Direktor Kapitalabrufe für hohe Milliardenbeträge beschließen. Aber auch im Hinblick auf die Art und Weise der Mittelverwendung seien keine ausreichenden Kontroll- und Mitwirkungsrechte des Deutschen Bundestages vorgesehen, obwohl die Art der Vergabe der Mittel und ihr Umfang denkbar unbestimmt seien und in Art. 19 ESMV zudem die Schaffung weiterer Finanzhilfeinstrumente vorgesehen sei. Die nationalen Parlamente gerieten so, selbst wenn ihre Zustimmung erforderlich sei, in die Rolle des Nachvollzugs.
| |
cc) Nach Art. 4 Abs. 8 ESMV könne das Stimmrecht automatisch entzogen werden, und zwar selbst bei einem nur kurzfristigen Zahlungsverzug oder bei extrem hohen und möglicherweise unberechtigten Kapitalabrufen. Der Verlust sämtlicher Stimmrechte sei ein grober Verstoß gegen das Demokratieprinzip. Bei ![]() ![]() | |
dd) Der Europäische Stabilitätsmechanismus erhalte über die Mitglieder des Gouverneursrates und des Direktoriums zwar eine demokratische Rückkoppelung an die nationalen Parlamente. Es sei aber nicht sichergestellt, dass eine parlamentarische Verantwortlichkeit des deutschen Direktoriumsmitglieds bestehe. Den Organmitgliedern sei eine Schweigepflicht auferlegt (Art. 34 ESMV); so könnten sie ihre Informationspflichten aus Art. 23 Abs. 2 GG nicht erfüllen.
| |
c) Durch die dauerhafte Bindung an den Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus werde schließlich die Staatlichkeit Deutschlands angetastet. Der Vertrag enthalte keine Kündigungsklausel und sei damit faktisch unkündbar. Die clausula rebus sic stantibus (Art. 62 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge [Wiener Vertragsrechtskonvention -- WVK] vom 23. Mai 1969 [BGBl. 1985 II S. 926]) könne nur unter engen Voraussetzungen zur Anwendung kommen. Angesichts der langfristigen Bindung könne es zudem zu einer Änderung der Mehrheitsverhältnisse kommen, in deren Folge Deutschland seine Vetoposition verliere.
| |
d) Der Antragsteller zu I. macht zudem geltend, die Immunität der Mitglieder des Gouverneursrates und des Direktoriums sowie ihrer Stellvertreter nach Art. 35 ESMV verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
| |
3. Das Gesetz zur finanziellen Beteiligung am Europäischen Stabilitätsmechanismus sei mangels einer Art. 76 Abs. 1 und Abs. 2 GG entsprechenden Einbringung schon formell verfassungswidrig, weil der Gesetzentwurf an der Stelle, an der Beteiligungsrechte zu regeln gewesen wären, eine Leerstelle enthalten habe. Es sichere in seinen §§ 3 bis 7 die Beteiligungs- und Informationsrechte des Deutschen Bundestages zudem nur unzureichend ab. Überdies wirke in vielen Fällen lediglich der Haushaltsausschuss mit, obwohl es sich um wesentliche Entscheidungen ![]() ![]() | |
4. Durch den Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion verpflichte sich die Bundesrepublik Deutschland, die in das Grundgesetz aufgenommene Schuldenbremse auf Dauer beizubehalten, wodurch diese der Sache nach in den unabänderlichen Verfassungskern aufgenommen werde. Selbst wenn der Vertrag keine wesentlichen Änderungen gegenüber der bisherigen Rechtslage enthalten sollte, erhielten die bestehenden Bindungen durch unionales Sekundärrecht sowie durch die im Grundgesetz bereits enthaltene Schuldenbremse aufgrund ihrer völkerrechtlichen Festlegung eine neue rechtliche Qualität.
| |
a) Der Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion habe konstitutive Wirkungen. Aus Art. 3 Abs. 1 Buchstabe b Satz 1 SKSV folge mit dem 0,5%-Kriterium eine gegenüber dem Sekundärrecht strengere Vorgabe für das mittelfristige Haushaltsziel. Im Falle wesentlicher Abweichungen vom mittelfristigen Haushaltsziel oder dem dorthin führenden Anpassungspfad sei darüber hinaus ein automatischer Korrekturmechanismus vorgesehen, der auf von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen gemeinsamen Grundsätzen hinsichtlich Art, Umfang und Überwachung der zu ergreifenden Korrekturmaßnahmen beruhen müsse. Weiter sehe der Vertrag einen verbindlichen Bericht der Europäischen Kommission vor, der evaluiere, ob die Vertragsstaaten den Schuldenbegrenzungsmechanismus effektiv in nationales Recht umgesetzt hätten, sowie die Verpflichtung, sich bei der Formulierung von Ausnahmen und insbesondere hinsichtlich der Instrumente der möglichen Korrekturmaßnahmen an den Vorschlägen der Kommission auszurichten. Der Vertrag ändere zudem die materielle Verfassungslage. Eine gesamtstaatliche Verschuldungsgrenze, die Kommunen und Sozialversicherungsträger einbeziehe, kenne das Grundgesetz bislang ebenso wenig wie einen automatischen Mechanismus. Zudem müssten die Staaten, deren Gesamtverschuldung das Maastricht-Kriterium von 60% des Bruttoinlandspro ![]() ![]() | |
b) Art. 4 SKSV verpflichte Deutschland zu einer jährlichen Schuldenreduzierung in Höhe von 26 Milliarden Euro. Das sei mit Art. 109 Abs. 3, Art. 115 Abs. 2, Art. 143d Abs. 1 GG unvereinbar und verlange eine Änderung des Grundgesetzes, weil die Haushaltsverfassung nur den Defizitabbau, nicht aber den Abbau der Staatsverschuldung regle.
| |
c) Die Haushaltsautonomie werde insbesondere durch die Regelung des Art. 5 SKSV ausgehöhlt. Dort sei vorgesehen, dass die Europäische Kommission Haushalts- und Wirtschaftspartnerschaftsprogramme genehmigen müsse, die über einen längeren Zeitraum als eine Legislaturperiode liefen und geeignet seien, die Entscheidungsmöglichkeiten des Parlaments einzuschränken. Dies gehe über die geltenden sekundärrechtlichen Vorgaben und Sanktionsmöglichkeiten hinaus. Auch der automatische Korrekturmechanismus werde dazu führen, dass Vorgaben der Europäischen Kommission die Haushaltshoheit der Mitgliedstaaten aushöhlten.
| |
d) Schließlich verstoße die Irreversibilität der Verpflichtung gegen die Verfassung. Eine Kündigung sei nicht zugelassen oder aus der Natur des Vertrages herzuleiten. Die Beendigung des multilateralen Vertrages sei daher nur einvernehmlich möglich. Der Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion installiere so nicht nur dauerhaft angelegte Kontroll- und Sanktionsmechanismen, sondern enthalte auch eine unumkehrbare Festlegung der Vertragsstaaten in ihrer Wirtschaftspolitik.
| |
5. Zu den Anträgen auf Erlass einstweiliger Anordnungen wird ausgeführt, die Folgenabwägung gebiete deren Erlass, weil die Ratifikation der Verträge völkerrechtlich nicht mehr rückgängig gemacht werden könne und Deutschland gezwungen wäre, die völkerrechtliche Verbindlichkeit zu missachten, gäbe das Bundesverfassungsgericht den Anträgen in der Hauptsache statt. Der Erlass sei unabdingbar, um zu verhindern, dass das Bundesverfas ![]() ![]() | |
III.
| |
Der Bundespräsident, der Deutsche Bundestag, der Bundesrat, die Bundesregierung und alle Landesregierungen haben Gelegenheit zur Äußerung erhalten.
| |
1. Die Bundesregierung hält sowohl die Verfassungsbeschwerden als auch den Antrag im Organstreitverfahren für offensichtlich unbegründet und die Anträge auf Erlass einstweiliger Anordnungen deshalb für unzulässig, jedenfalls aber für unbegründet.
| |
a) Art. 136 Abs. 3 AEUV bewirke keine Neuausrichtung der Währungsunion und beseitige auch das in Art. 125 AEUV enthaltene Verbot des Eintretens für Verbindlichkeiten anderer Mitgliedstaaten nicht, sondern enthalte nur eine Klarstellung. Die Stabilitätshilfen der Mitgliedstaaten seien keine währungsrechtlichen Maßnahmen, für die die Europäische Union nach Art. 3 Abs. 1 Buchstabe c AEUV zuständig wäre. Bei der Gewährung von Finanzhilfen handele es sich um wirtschaftspolitische Vorgänge, für die die Mitgliedstaaten zuständig seien.
| |
b) Der Europäische Stabilitätsmechanismus sei im Wesentlichen der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität nachgebildet, wegen seiner Kapitalstruktur aber effizienter. Für die Beteiligung des Deutschen Bundestages stellten sich somit die gleichen Fragen wie im Zusammenhang mit der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität nach Maßgabe der Urteile des Bundesverfassungsgerichts vom 7. September 2011 und vom 28. Februar 2012. Diesen Vorgaben entspreche das Gesetz zur finanziellen Beteiligung am Europäischen Stabilitätsmechanismus. Ein Haftungsautomatismus sei aufgrund dieser Regelungen ausgeschlossen. Der Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus sehe für Abstimmungen im Gouverneursrat entweder Einvernehmlichkeit -- und damit Einstimmigkeit -- oder eine qualifizierte Mehrheit von 80% der abgegebenen Stimmen vor. Da der Bundesfinanzminister in den Gouverneursrat und ein Staatssekretär in das Direktorium entsandt würden, sei zusammen mit ![]() ![]() | |
Die Vorschriften des Vertrages zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus begrenzten die Haftung auf den Anteil eines Landes am Stammkapital, das ohne Zustimmung des Deutschen Bundestages nicht erhöht werden könne. Ausdrücklich sehe Art. 8 Abs. 5 ESMV vor, dass die Haftung unter allen Umständen auf den Anteil am genehmigten Stammkapital zum Ausgabekurs begrenzt bleibe und kein Staat aufgrund seiner Mitgliedschaft für die Verpflichtungen des Europäischen Stabilitätsmechanismus hafte. Der maximale Betrag, für den Deutschland haften müsse, liege somit bei etwa 190 Milliarden Euro. Dies -- wie auch das vorübergehende Hinzutreten der Gewährleistungen für die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität -- führe zu keiner Überschreitung einer aus dem Grundgesetz ableitbaren Obergrenze oder einer Entleerung des Budgetrechts. Es gebe zudem keine risikolose Alternative zu diesen Hilfsmaßnahmen. So würden nach den Einschätzungen der Deutschen Bundesbank, der Europäischen Zentralbank, der Europäischen Kommission und des Internationalen Währungsfonds weit größere politische und wirtschaftliche Schäden durch die Zahlungsunfähigkeit einzelner Mitgliedstaaten entstehen. Der Europäische Stabilitätsmechanismus stelle auch keinen Einstieg in eine Transferunion dar; finanzausgleichsähnliche Dauerleistungen seien nach wie vor ausgeschlossen.
| |
c) Das Gesetz zur finanziellen Beteiligung am Europäischen Stabilitätsmechanismus sei formell verfassungskonform. Auch wenn es ohne die Regelung zur Beteiligung des Bundestages eingebracht worden sei, habe es sich doch um einen vollständigen Gesetzentwurf gehandelt, der unter anderem die nach Art. 115 Abs. 1 GG erforderliche gesetzliche Ermächtigung enthalten habe. Die Beteiligungsrechte des Bundestages hätten nicht notwendig in diesem Gesetz geregelt werden müssen.
| |
§ 4 ESMFinG stelle alle Angelegenheiten des Europäischen Stabilitätsmechanismus, die die haushaltspolitische Gesamtverant ![]() ![]() | |
d) Der Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion bezwecke eine verstärkte Stabilitätsorientierung, denn er verpflichte die Vertragsparteien in seinen zentralen Bestimmungen, das Gebot der Haushaltsdisziplin in ihrem nationalen Recht -- vorzugsweise im Verfassungsrecht -- festzuschreiben. Art. 3 SKSV begründe keine wesentliche neue Einschränkung der Haushaltsautonomie der Mitgliedstaaten, sondern konkretisiere die bereits bestehenden unionsrechtlichen Bestimmungen. Außerdem beuge der Vertrag übermäßiger staatlicher Verschuldung vor und verhindere somit künftige weitere Staatsfinanzkrisen, womit er auch inhaltlich-funktional den Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus ergänze. Die in Art. 5 SKSV vorgesehene Überwachung der Haushalts- und Wirtschaftspartnerschaftsprogramme der Mit ![]() ![]() | |
Die unbefristete Dauer des Vertrages über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion -- wie auch des Vertrages zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus -- begründe keinen Verfassungsverstoß. Es sei keinesfalls unüblich, wichtige völkerrechtliche Verträge ohne Befristung oder Kündigungsklausel abzuschließen. Auch ein unbefristet geschlossener Vertrag könne jederzeit von allen Vertragsparteien einvernehmlich aufgehoben werden. Bei grundlegenden Änderungen der bei Vertragsschluss vorliegenden Umstände könne außerdem die Lösung aus der vertraglichen Bindung auf der Grundlage von Art. 62 WVK erfolgen.
| |
e) Die Anträge auf Erlass einstweiliger Anordnungen seien abzulehnen. Eine deutlich verzögerte Ratifizierung der beiden Verträge sei in der derzeit fragilen Situation mit massiven Folgen für einige Mitgliedstaaten verbunden. Da auf die Bundesrepublik Deutschland ein Anteil von etwas mehr als 27% des Kapitals am Europäischen Stabilitätsmechanismus entfalle, könne dieser ohne Hinterlegung der deutschen Ratifikationsurkunde nicht in Kraft treten. Die Bundesregierung gehe davon aus, dass es dringend geboten sei, keine mehr als nur kurzfristige Unsicherheit über den ![]() ![]() | |
2. Der Deutsche Bundestag hält die Anträge in der Hauptsache für unzulässig, soweit sie sich gegen das Zustimmungsgesetz zu Art. 136 Abs. 3 AEUV richten und eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1, Art. 14 und Art. 20 GG geltend machen; insoweit fehle es den Antragstellern an der Antragsbefugnis. Im Übrigen seien die Anträge in der Hauptsache offensichtlich unbegründet.
| |
a) Das Zustimmungsgesetz zu dem Beschluss des Europäischen Rates zur Änderung des Artikels 136 AEUV beeinträchtige die im Grundgesetz verankerte Stellung des Deutschen Bundestages nicht. Art. 125 AEUV stehe nach einvernehmlicher Auffassung der Mitgliedstaaten der Europäischen Union einer freiwilligen Hilfsgewährleistung nicht entgegen. Art. 136 Abs. 3 AEUV stelle diese Rechtslage insoweit nochmals klar und sei hinreichend bestimmt. Die Norm diene der Sicherung der Stabilität der Währungsunion und ermögliche gerade nicht die Einführung einer umfassenden Haftungs- und Transferunion, sondern ermächtige punktuell in einer hinreichend klar erkennbaren Situation zu zeitlich begrenzten Hilfsaktionen; zudem sehe er eine strenge Konditionalität vor. Die Rüge, es hätte ein Konventverfahren durchgeführt werden müssen, gehe fehl, weil mit Art. 136 Abs. 3 AEUV keine Ausdehnung der Zuständigkeit der Europäischen Union bewirkt werde.
| |
b) Das Zustimmungsgesetz zu dem Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus und das Gesetz zur finanziellen Beteiligung am Europäischen Stabilitätsmechanismus beeinträchtigten nicht die Budgetverantwortung des Haushaltsgesetzgebers. Der Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus lasse hinreichend genau erkennen, welche Belastungen durch ihn entstehen. Das Bestimmtheitserfordernis schließe nicht aus, dass die Bestimmungen des Vertrages autonom fortentwickelt würden, sondern ziele darauf ab, dass das ![]() ![]() | |
Die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Bundestages sei nicht gefährdet. Der Europäische Stabilitätsmechanismus könne keine haushaltsbedeutsamen Entscheidungen treffen, die nicht bereits mit dem Vertrag vom Gesetzgeber gebilligt worden seien oder im weiteren Verlauf gesetzgeberischer Entscheidung bedürften. Die Befugnis zur Generierung von Fremdkapital sei daher ebenso wenig bedenklich wie die Befugnis, Finanzhilfen als Darlehen und in anderen Formen gewähren zu können. Kapitalabrufe führten lediglich zur Erfüllung einer bereits begründeten Verpflichtung. Zu einer Erhöhung der der Bundesrepublik Deutschland zugewiesenen Anteile gegen ihren Willen oder ohne ihre Zustimmung könne es nicht kommen, denn nach Art. 8 Abs. 5 ESMV werde die Haftung eines Mitgliedstaates "unter allen Umständen" auf seinen Anteil am genehmigten Stammkapital begrenzt. Diese Regelung könne insbesondere nicht durch die Bestimmungen über den revidierten erhöhten Kapitalabruf (Art. 25 Abs. 2 ESMV) überspielt werden. Auch die Folgewirkungen seien überschaubar; Einsatzzweck, Operationsbreite und das zur Verfügung stehende Eigenkapital des ESM seien eindeutig begrenzt. Die Gefahr eines Automatismus werde vertraglich und prozedural ausgeschlossen. Zwar sei der Europäische Stabilitätsmechanismus auf Dauer angelegt, nicht jedoch die Hilfemaßnahmen. Diese zielten auf eine Rückkehr zu vollständigem Selbststand und seien aufgrund der Konditionalität notwendig zeitlich begrenzt. Die von den Mitgliedstaaten zu leistenden Beträge belasteten den Haushalt nicht sofort, sondern seien allenfalls in zeitlicher Stufung zu leisten. Eine Erhöhung des Spielraums durch Überprüfung der Angemessenheit des maximalen Darlehensvolumens nach Maßgabe des Art. 10 ESMV sei zwar möglich, bedürfe allerdings der Mitwirkung des Gesetzgebers. Die Gefahr von erheblichen Verlusten bei der Durchführung von Operationen nach Art. 21 ESMV sei so gering, dass sie außer Betracht bleiben könne.
| |
Selbst in dem unwahrscheinlichen Fall, dass die Bundesrepublik Deutschland ihre Stammeinlagen vollständig geleistet habe ![]() ![]() | |
Die demokratische Kontrolle der Tätigkeit des Europäischen Stabilitätsmechanismus werde vorwiegend über Zustimmungs- und Mitwirkungsrechte entfaltet. Die grundlegenden Entscheidungen des Europäischen Stabilitätsmechanismus bedürften der Billigung im Deutschen Bundestag. Die an Entscheidungen des Europäischen Stabilitätsmechanismus beteiligten Amtswalter unterlägen hinreichender parlamentarischer Kontrolle und seien damit demokratisch legitimiert. Auf einer zweiten Stufe bedürfe das Handeln der deutschen Vertreter der Zustimmung des Haushaltsausschusses, wobei das Plenum die Sache jederzeit an sich ziehen könne. Die Steuerungs- und Kontrollmechanismen seien so weit vorgelagert, dass das Parlament schon zu einem frühen Zeitpunkt auf den Prozess der Entscheidung über eine Hilfegewährung Einfluss nehmen könne.
| |
c) Die Vorgaben des Vertrages über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion stellten keine Verkürzung der Budgethoheit dar, sondern dienten der Begrenzung des deutschen Haftungsrisikos. Der Vertrag beziehe sich auf das Recht der Europäischen Union, ohne dieses ändern zu sollen. So entstünden keine unmittelbaren Rechtswirkungen für ![]() ![]() | |
Wegen der föderalen Gliederung der Bundesrepublik Deutschland weise der Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion gegenüber der Schuldenbremse im Grundgesetz Unterschiede auf, die allerdings nicht zu einem davon wesentlich abweichenden Regelungskonzept führten. Verpflichtet sei der Gesamtstaat, also Bund, Länder und Gemeinden sowie alle weiteren öffentlichen Haushalte. Sanktionen der Organe der Europäischen Union könnten sich ausschließlich an den Bund richten; für einen Durchgriff auf Länder oder Gemeinden sei kein Raum. Den im Grundgesetz vorgesehenen Pfad der Entschuldung definiere Art. 143d Abs. 1 GG, während der Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion ihn der Europäischen Kommission zur Konkretisierung überlasse. Es sei zwar nicht sicher, dass die Europäische Kommission im Ergebnis zu einem identischen Entschuldungspfad kommen werde, wie ihn das Grundgesetz vorsehe; die Kommission sei allerdings verpflichtet, auf länderspezifische Risiken Rücksicht zu nehmen und dürfe sich insoweit an der Rechtslage des jeweiligen Mitgliedstaates orientieren.
| |
Die inhaltlichen Vorgaben des Vertrages über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion brächten kaum Zuwachs an materiellen Bindungen. Die Mitgliedstaaten übernähmen die Verpflichtungen aus eigenem Antrieb und würden zur Teilnahme nicht -- auch nicht faktisch -- gezwungen. Der Vertrag veranlasse die autonome Durchsetzung vertraglich eingegangener Selbstverpflichtungen und decke sich mit bereits bestehenden unionsrechtlichen Vorgaben. Zwar bedeute Art. 7 SKSV mit seiner "umgekehrten" qualifizierten Mehrheitsregel eine Neuerung, die jedoch ohne verfassungsrechtliche Relevanz für die Budgethoheit der nationalen Parlamente bleibe; die Vereinbarung eines bestimmten Abstimmungsverhaltens modifi ![]() ![]() | |
Zwar enthalte der Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion keine ausdrückliche Klausel zu seiner Beendigung oder Kündigung, doch schließe dies die Anwendung der allgemeinen Kündigungsregeln des Völkerrechts nicht aus.
| |
IV.
| |
Die Bundesregierung hat gemäß § 65 Abs. 1, § 94 Abs. 5 BVerfGG den Beitritt zu allen im Rubrum genannten Verfahren erklärt, wobei sie dem Verfahren zu VI. auf Seiten des Deutschen Bundestages beitreten möchte. Dieser hat seinerseits erklärt, gemäß § 94 Abs. 5 BVerfGG den Verfahren zu I. bis V. beizutreten.
| |
V.
| |
In der mündlichen Verhandlung vom 10. Juli 2012 haben die Beteiligten ihr Vorbringen bekräftigt und vertieft. Der Senat hat außerdem den Präsidenten der Deutschen Bundesbank Dr. Jens Weidmann, den Präsidenten des Bundesrechnungshofes Prof. Dr. Dieter Engels, die Herren Rolf Strauch und Ralf Jansen von der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität, Prof. Dr. Dres. h.c. Hans-Werner Sinn (ifo-Institut), Dr. Friedrich Heinemann (ZEW) und Prof. Dr. Clemens Fuest (University of Oxford) als sachverständige Auskunftspersonen gehört. Diese haben insbesondere zum Umfang der mit dem Inkrafttreten des Europäischen Stabilitätsmechanismus verbundenen Gesamtbelastung des Bundeshaushaltes, möglicher Nachschusspflichten und Spekulationsverluste, der deutschen Haftungsrisiken aus der Beteiligung an der Europäischen Zentralbank, zu dem vorhandenen Finanzierungsvolumen der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität sowie zu ![]() ![]() | |
Die zulässigen Anträge sind überwiegend unbegründet.
| |
I.
| |
1. Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 BVerfGG gegeben sind, ist wegen der weittragenden Folgen einer einstweiligen Anordnung regelmäßig ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. BVerfGE 55, 1 [3]; 82, 310 [312]; 94, 166 [216f.]; 104, 23 [27]; 106, 51 [58]). Dieser wird noch weiter verschärft, wenn eine Maßnahme mit völkerrechtlichen oder außenpolitischen Auswirkungen in Rede steht (vgl. BVerfGE 35, 193 [196f.]; 83, 162 [171f.]; 88, 173 [179]; 89, 38 [43]; 108, 34 [41]; 118, 111 [122]; 125, 385 [393]; 126, 158 [167]; 129, 284 [298]).
| |
Bei der Entscheidung über die einstweilige Anordnung haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Maßnahmen vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, die in der Hauptsache begehrte Feststellung oder der in der Hauptsache gestellte Antrag erwiese sich als von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet (vgl. BVerfGE 89, 38 [44]; 103, 41 [42]; 118, 111 [122]; stRspr). Erweist sich der Ausgang des Hauptsacheverfahrens als offen, so hat das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich lediglich im Rahmen einer Folgenabwägung die Nachteile abzuwägen, die einträten, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde oder der Antrag im Organstreitverfahren aber in der Hauptsache Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, in der Hauptsache aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. ![]() ![]() | |
2. a) Wird jedoch im Hauptsacheverfahren das Zustimmungsgesetz zu einem völkerrechtlichen Vertrag zur Prüfung gestellt, kann es angezeigt sein, sich nicht auf eine reine Folgenabwägung zu beschränken, sondern bereits im Verfahren nach § 32 Abs. 1 BVerfGG eine summarische Prüfung anzustellen, ob die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Vertragsgesetzes vorgetragenen Gründe mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit erwarten lassen, dass das Bundesverfassungsgericht das Vertragsgesetz für verfassungswidrig erklären wird (vgl. BVerfGE 35, 193 [196f.]). So kann zum einen sichergestellt werden, dass die Bundesrepublik Deutschland keine völkerrechtlichen Bindungen eingeht, die mit dem Grundgesetz nicht vereinbar sind. Zum anderen kann auf diese Weise verhindert werden, dass eine mögliche Rechtsverletzung bei Verweigerung einstweiligen Rechtsschutzes nicht mehr rückgängig gemacht werden könnte, die Entscheidung in der Hauptsache also zu spät käme (vgl. BVerfGE 46, 160 [164]; 111, 147 [153]), wie dies nach der Hinterlegung der Ratifikationsurkunde zu einem völkerrechtlichen Vertrag typischerweise der Fall ist. Eine summarische Prüfung der Rechtslage ist in solchen Fällen insbesondere geboten, wenn eine Verletzung der Schutzgüter des Art. 79 Abs. 3 GG in Rede steht. In einer derartigen Situation muss es Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts sein, die Identität der Verfassung zu schützen. Ergibt die summarische Prüfung im Eilrechtsschutzverfahren, dass eine behauptete Verletzung von Art. 79 Abs. 3 GG mit hoher Wahrscheinlichkeit gegeben ist, läge in der Nichtgewährung von Rechtsschutz ein schwerer Nachteil für das gemeine Wohl im Sinne des § 32 Abs. 1 BVerfGG (vgl. BVerfGE 111, 147 [153]).
| |
b) Auch begleitende gesetzliche Regelungen können diesem Prüfungsmaßstab unterfallen und einer summarischen Prüfung unterzogen werden, wenn ein enger Sachzusammenhang mit der zugleich angegriffenen völkerrechtlichen Vereinbarung besteht. Das ist namentlich dann anzunehmen, wenn das Gesetz die von Verfassungs wegen grundsätzlich gebotene parlamentarische ![]() ![]() | |
3. Nach diesen Grundsätzen sind hier die in den Verfassungsbeschwerden und dem Organstreitverfahren angegriffenen völkerrechtlichen Verträge einschließlich der Begleitgesetzgebung summarisch daraufhin zu überprüfen, ob die von den Antragstellern zulässigerweise geltend gemachten Rechtsverletzungen vorliegen, soweit diese für das mit dem Antrag auf Erlass einstweiliger Anordnungen verfolgte Rechtsschutzziel erheblich sind. Mit der Ratifikation der Verträge geht die Bundesrepublik Deutschland völkerrechtliche Bindungen ein, von denen sie sich, sollten Verfassungsverstöße festzustellen sein, nicht ohne weiteres lösen könnte. Die wirtschaftlichen und politischen Nachteile, die sich aus einem verzögerten Inkrafttreten der angegriffenen Gesetze ergeben können, mögen von hohem Gewicht sein, gleichwohl können sie nicht in Abwägung zu dem durch Art. 79 Abs. 3 GG abgesicherten Schutzgut der Demokratie gebracht werden. Das Gesetz zur finanziellen Beteiligung am Europäischen Stabilitätsmechanismus enthält die innerstaatlichen Vorkehrungen für die Wahrung der Haushaltsautonomie des Deutschen Bundestages in Bezug auf den Europäischen Stabilitätsmechanismus und muss in die summarische Prüfung einbezogen werden.
| |
II.
| |
1. Die Verfassungsbeschwerden sind nicht von vornherein unzulässig, soweit die Antragsteller eine Verletzung in ihren Rechten aus Art. 38 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG geltend machen; hinsichtlich der übrigen Rügen sind die Verfassungsbeschwerden dagegen unzulässig.
| |
a) Die Verfassungsbeschwerden rügen im Wesentlichen, dass der Deutsche Bundestag durch die angegriffenen Gesetze unkalkulierbare Risiken eingehe, demokratische Entscheidungsprozesse auf die supranationale oder intergouvernementale Ebene verla ![]() ![]() | |
b) Im Übrigen sind die Rügen unzulässig.
| |
aa) Soweit der Antragsteller zu I. rügt, das ESM-Finanzierungsgesetz sei mangels ordnungsgemäßer Einbringung in den Deutschen Bundestag formell verfassungswidrig, hat er nicht substantiiert dargelegt, dass sein Recht aus Art. 38 Abs. 1 GG dadurch entleert sein könnte (vgl. BVerfGE 129, 124 [170]).
| |
bb) Soweit er darüber hinaus rügt, dass die Regelung des Art. 35 Abs. 1 ESMV, der den Amtswaltern des Europäischen Stabilitätsmechanismus persönliche Immunität von der Gerichtsbarkeit hinsichtlich ihrer amtlichen Handlungen zuerkennt, willkürlich sei und gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoße, ist der Antragsteller zu I. durch diese Regelung nicht nachteilig betroffen und deshalb kommt eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG nicht in Betracht (vgl. BVerfGE 63, 255 [265f.]). Der Antragsteller zu I. macht der Sache nach einen allgemeinen Gesetzesvollziehungsanspruch geltend. Ein solcher lässt sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ebenso wenig ableiten wie aus Art. 19 Abs. 4 GG oder Art. 2 Abs. 1 GG (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 122 [Februar 2003]; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. 1, 2. Aufl. 2004, Art. 19 Abs. 4 Rn. 70). Wird ein Grundrechtsträger durch eine Maßnahme oder durch ein Unterlassen nicht in seiner eigenen Rechtsstellung betroffen -- hat die Maßnahme beziehungsweise das Unterlassen also keinerlei Auswirkungen auf seine rechtlich geschützten Interessen --, kann er aus Art. 3 Abs. 1 GG weder Abwehr- noch Leistungsansprüche ableiten (vgl. Rüfner, in: Bonner Kommentar, Bd. 1, Art. 3 Abs. 1 Rn. 148ff., 158 [Oktober 1992]; Heun, in: ![]() ![]() | |
cc) Die Verfassungsbeschwerde der Antragsteller zu II. ist unzulässig, soweit diese eine Verletzung ihres Grundrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG im Hinblick auf inflationäre Entwicklungen durch den Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus und die Begleitgesetzgebung sowie aufgrund von Handlungen der Europäischen Zentralbank geltend machen. Eine Kontrolle wirtschafts- und finanzpolitischer Maßnahmen auf negative Folgen für die Geldwertstabilität durch das Bundesverfassungsgericht kommt allenfalls in Fällen einer evidenten Minderung des Geldwerts in Betracht (vgl. BVerfGE 129, 124 [174]). Hinreichende Tatsachen, die zu einer Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht Anlass geben könnten, haben die Antragsteller zu II. nicht vorgetragen.
| |
dd) Auch die Rüge einer Verletzung des grundrechtsgleichen Rechts aus Art. 20 Abs. 4 GG durch die Antragsteller zu II. ist unzulässig. Das Widerstandsrecht ist ein subsidiäres Ausnahmerecht, das -- wie der Senat ausgeführt hat (BVerfGE 123, 267 [333]) -- in Fällen wie dem vorliegenden nicht geltend gemacht werden kann.
| |
c) Soweit die Antragsteller zu II. gegen Maßnahmen der Europäischen Zentralbank zur Eurorettung, insbesondere den Ankauf von Staatsanleihen am Sekundärmarkt, einwenden, diese seien ausbrechende Rechtsakte, ist ihr entsprechender Feststellungsantrag bei verständiger Auslegung nicht von dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mitumfasst und bleibt damit einer Prüfung im Hauptsacheverfahren vorbehalten.
| |
2. Der Antrag im Organstreitverfahren ist unzulässig, soweit die Antragstellerin mit Blick auf das Gesetz zu dem Beschluss des Europäischen Rates vom 25. März 2011 zur Änderung des Artikels 136 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union hinsichtlich eines Stabilitätsmechanismus für die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG rügt. Im Übrigen ist der Antrag zulässig. ![]() | |
![]() | |
Die Antragstellerin hat bereits nicht dargetan, inwiefern aus dem Grundgesetz ein Recht des Deutschen Bundestages oder der Antragstellerin selbst zur Teilnahme an einem Konvent nach Art. 48 EUV abzuleiten sein könnte, und somit nicht dargelegt, welches durch das Grundgesetz gewährte Recht im Sinne des § 64 BVerfGG betroffen sein soll. Darüber hinaus fehlt es an der substantiierten Darlegung der behaupteten Rechtsverletzung. Das Recht der Europäischen Union sieht für die Parlamente der Mitgliedstaaten keine Mitwirkungsbefugnisse bei der Auswahl des Änderungsverfahrens vor. Nach Art. 48 Abs. 3 Unterabsatz 2 EUV kann der Europäische Rat vielmehr mit einfacher Mehrheit nach Zustimmung des Europäischen Parlaments beschließen, für eine Vertragsänderung im ordentlichen Verfahren keinen Konvent einzuberufen, wenn seine Einberufung aufgrund des Umfangs der geplanten Änderungen nicht gerechtfertigt ist. Wie sich aus der Zusammenschau mit Art. 48 Abs. 3 Unterabsatz 1 Satz 2 EUV ergibt, gilt das auch für institutionelle Änderungen im Währungsbereich. Eine Verletzung von Rechten des Deutschen Bundestages käme danach allenfalls in Betracht, wenn im Falle des ordentlichen Vertragsänderungsverfahrens nach Art. 48 Abs. 2 bis Abs. 5 EUV ein Konventverfahren überhaupt stattgefunden hätte, an dem teilzunehmen dem Deutschen Bundestag verwehrt worden wäre. Zu keiner dieser Voraussetzungen im Zusammenhang mit der Änderung von Art. 136 AEUV hat die Antragstellerin vorgetragen.
| |
b) Im Übrigen ist der Antrag im Organstreitverfahren zulässig. ![]() ![]() | |
III.
| |
Die Anträge in den Hauptsacheverfahren werden, soweit sie im Hinblick auf den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung hier zu beurteilen sind, nach summarischer Prüfung überwiegend ohne Erfolg bleiben.
| |
1. a) Das Wahlrecht (Art. 38 Abs. 1 GG) gewährleistet als grundrechtsgleiches Recht die Selbstbestimmung der Bürger und garantiert die freie und gleiche Teilhabe an der in Deutschland ausgeübten Staatsgewalt (vgl. BVerfGE 37, 271 [279]; 73, 339 [375]; 123, 267 [340]). Sein Gewährleistungsgehalt umfasst die Grundsätze des Demokratiegebots im Sinne von Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG, die Art. 79 Abs. 3 GG als Identität der Verfassung auch vor dem Zugriff durch den verfassungsändernden Gesetzgeber schützt (vgl. BVerfGE 123, 267 [340]; 129, 124 [177]).
| |
aa) Das Grundgesetz untersagt nicht nur die Übertragung der Kompetenz-Kompetenz auf die Europäische Union oder im Zusammenhang mit ihr geschaffene Einrichtungen (vgl. BVerfGE 89, 155 [187f., 192, 199]; vgl. auch BVerfGE 58, 1 [37]; 104, 151 [210]; 123, 267 [349]). Auch Blankettermächtigungen zur Ausübung öffentlicher Gewalt dürfen die deutschen Verfassungsorgane nicht erteilen (vgl. BVerfGE 58, 1 [37]; 89, 155 [183f., 187]; 123, 267 [351]). Es ist deshalb von Verfassungs wegen gefordert, entweder dynamische Vertragsvorschriften mit Blankettcharakter nicht zu vereinbaren oder, wenn sie noch in einer Weise ausgelegt werden können, die die Integrationsverantwortung wahrt, jedenfalls geeignete Sicherungen zur effektiven Wahrnehmung dieser Verantwortung zu treffen. Das Zustimmungsgesetz zu einem völkerrechtlichen Vertrag und die innerstaatliche Begleitgesetzgebung müssen demnach so beschaffen sein, dass die europäische Integration weiter nach dem Prinzip der begrenzten ![]() ![]() | |
bb) Art. 38 Abs. 1 GG wird namentlich verletzt, wenn sich der Deutsche Bundestag seiner parlamentarischen Haushaltsverantwortung dadurch entäußert, dass er oder zukünftige Bundestage das Budgetrecht nicht mehr in eigener Verantwortung ausüben können (BVerfGE 129, 124 [177]). Die Entscheidung über Einnahmen und Ausgaben der öffentlichen Hand ist grundlegender Teil der demokratischen Selbstgestaltungsfähigkeit im Verfassungsstaat (vgl. BVerfGE 123, 267 [359]). Der Deutsche Bundestag muss deshalb dem Volk gegenüber verantwortlich über Einnahmen und Ausgaben entscheiden. Insofern stellt das Budgetrecht ein zentrales Element der demokratischen Willensbildung dar (vgl. BVerfGE 70, 324 [355f.]; 79, 311 [329]; 129, 124 [177]).
| |
(1) Auch in einem System intergouvernementalen Regierens müssen die gewählten Abgeordneten des Deutschen Bundestages als Repräsentanten des Volkes die Kontrolle über grundlegende haushaltspolitische Entscheidungen behalten. Mit der Öffnung für die internationale Zusammenarbeit, Systeme kollektiver Sicherheit und die europäische Integration bindet sich die Bundesrepublik Deutschland nicht nur rechtlich, sondern auch finanzpolitisch. Selbst dann, wenn solche Bindungen einen erheblichen Umfang annehmen, wird das Budgetrecht nicht ohne weiteres in einer mit Art. 38 Abs. 1 GG rügefähigen Weise verletzt. Für die Einhaltung der Grundsätze der Demokratie kommt es vielmehr entscheidend darauf an, dass der Deutsche Bundestag der Ort bleibt, an dem eigenverantwortlich über Einnahmen und Ausgaben entschieden wird, auch im Hinblick auf internationale und ![]() ![]() | |
(2) In seinem Urteil vom 7. September 2011 (BVerfGE 129, 124) hat der Senat im Einzelnen dargelegt, dass der Deutsche Bundestag seine Budgetverantwortung nicht durch unbestimmte haushaltspolitische Ermächtigungen auf andere Akteure übertragen darf. Je größer das finanzielle Ausmaß von Haftungsübernahmen oder Verpflichtungsermächtigungen ist, umso wirksamer müssen Zustimmungs- und Ablehnungsrechte sowie Kontrollbefugnisse des Deutschen Bundestages ausgestaltet werden. Insbesondere darf dieser sich keinen finanzwirksamen Mechanismen ausliefern, die -- sei es aufgrund ihrer Gesamtkonzeption, sei es aufgrund einer Gesamtwürdigung der Einzelmaßnahmen -- zu nicht überschaubaren haushaltsbedeutsamen Belastungen ohne vorherige konstitutive Zustimmung führen können, seien es Ausgaben oder Einnahmeausfälle. Dieses Verbot, sich der Budgetverantwortung zu entäußern, beschränkt nicht etwa unzulässig die Haushaltskompetenz des Gesetzgebers, sondern zielt gerade auf deren Bewahrung (vgl. BVerfGE 129, 124 [179]).
| |
(3) Eine notwendige Bedingung für die Sicherung politischer Freiräume im Sinne des Identitätskerns der Verfassung (Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2, Art. 79 Abs. 3 GG) besteht darin, dass der Haushaltsgesetzgeber seine Entscheidungen über Einnahmen und Ausgaben frei von Fremdbestimmung seitens der Organe und anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union trifft und dauerhaft "Herr seiner Entschlüsse" bleibt (vgl. BVerfGE 129, 124 [179f.]). Es ist zwar in erster Linie Sache des Bundestages selbst, in Abwägung aktueller Bedürfnisse mit den Risiken mittel- und langfristiger Gewährleistungen darüber zu befinden, in welcher ![]() ![]() | |
(4) Es dürfen zudem keine dauerhaften völkervertragsrechtlichen Mechanismen begründet werden, die auf eine Haftungsübernahme für Willensentscheidungen anderer Staaten hinauslaufen, vor allem wenn sie mit schwer kalkulierbaren Folgewirkungen verbunden sind. Jede ausgabenwirksame solidarische Hilfsmaßnahme des Bundes größeren Umfangs im internationalen oder unionalen Bereich muss vom Bundestag im Einzelnen bewilligt werden. Soweit überstaatliche Vereinbarungen getroffen werden, die aufgrund ihrer Größenordnungen für das Budgetrecht von struktureller Bedeutung sein können, etwa durch Übernahme von Bürgschaften, deren Einlösung die Haushaltsautonomie gefährden kann, oder durch Beteiligung an entsprechenden Finanzsicherungssystemen, bedarf nicht nur jede einzelne Disposition der Zustimmung des Bundestages; es muss darüber hinaus gesichert sein, dass weiterhin hinreichender parlamentarischer Einfluss auf die Art und Weise des Umgangs mit den zur Verfügung gestellten Mitteln besteht (vgl. BVerfGE 129, 124 [180f.]). Die den Deutschen Bundestag im Hinblick auf die Übertragung von Kompetenzen auf die Europäische Union treffende Integrationsverantwortung (vgl. BVerfGE 123, 267 [356ff.]) findet hierin ihre Entsprechung für haushaltswirksame Maßnahmen vergleichbaren Gewichts (BVerfGE 129, 124 [181]).
| |
(5) Der Deutsche Bundestag kann seine haushaltspolitische Gesamtverantwortung nicht ohne ausreichende Informationen über die von ihm zu verantwortenden Entscheidungen von haushaltsrechtlicher Bedeutung wahrnehmen. Das Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG gebietet daher, dass der Deutsche ![]() ![]() | |
cc) Ob und inwieweit sich unmittelbar aus dem Demokratieprinzip eine justiziable Begrenzung der Übernahme von Zahlungsverpflichtungen oder Haftungszusagen herleiten lässt, hat der Senat in seinem Urteil vom 7. September 2011 offen gelassen (vgl. BVerfGE 129, 124 [182]). Jedenfalls kommt es im vorliegenden Zusammenhang mit seiner allgemeinen Maßstäblichkeit aus dem Demokratieprinzip nur auf eine evidente Überschreitung von äußersten Grenzen an (BVerfGE 129, 124 [182]). Eine unmittelbar aus dem Demokratieprinzip folgende Obergrenze könnte allenfalls überschritten sein, wenn sich die Zahlungsverpflichtungen und Haftungszusagen im Eintrittsfall so auswirkten, dass die Haushaltsautonomie jedenfalls für einen nennenswerten Zeitraum nicht nur eingeschränkt würde, sondern praktisch vollständig leerliefe (vgl. BVerfGE 129, 124 [183]).
| |
Bei der Prüfung, ob der Umfang von Zahlungsverpflichtungen und Haftungszusagen zu einer Entäußerung der Haushaltsautonomie des Bundestages führt, verfügt der Gesetzgeber namentlich mit Blick auf die Frage der Eintrittsrisiken und die zu erwartenden Folgen für die Handlungsfreiheit des Haushaltsgesetzgebers über einen weiten Einschätzungsspielraum, den das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich zu respektieren hat. Das gilt auch für die Abschätzung der künftigen Tragfähigkeit des Bundeshaushaltes und des wirtschaftlichen Leistungsvermögens der ![]() ![]() | |
dd) Die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages wird seit dem Eintritt in die dritte Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion nicht zuletzt durch die Bestimmungen des Vertrages über die Europäische Union und des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union abgesichert. Diese Bestimmungen stehen der nationalen Haushaltsautonomie als einer wesentlichen, nicht entäußerbaren Kompetenz der unmittelbar demokratisch legitimierten Parlamente der Mitgliedstaaten nicht entgegen, sondern setzen sie voraus.
| |
(1) Das geltende Integrationsprogramm gestaltet die Währungsunion als Stabilitätsgemeinschaft aus. Dies ist, wie das Bundesverfassungsgericht wiederholt hervorgehoben hat (vgl. BVerfGE 89, 155 [205]; 97, 350 [369]; 129, 124 [181f.]), wesentliche Grundlage für die Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an der Währungsunion. Die Verträge laufen dabei nicht nur hinsichtlich der Währungsstabilität mit den Anforderungen des Art. 88 Satz 2 GG, gegebenenfalls auch des Art. 14 Abs. 1 GG, parallel, der die Beachtung der Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank und das vorrangige Ziel der Preisstabilität zu dauerhaft geltenden Verfassungsanforderungen der deutschen Beteiligung an der Währungsunion macht (vgl. Art. 127 Abs. 1, Art. 130 AEUV); auch weitere zentrale Vorschriften zur Ausgestaltung der Währungsunion sichern die verfassungsrechtlichen Anforderungen unionsrechtlich ab. Das gilt insbesondere für das Verbot monetärer Haushaltsfinanzierung durch die Europäische Zentralbank, das Verbot der Haftungsübernahme (Bail-out-Klausel) und die Stabilitätskriterien für eine tragfähige Haushaltswirtschaft (Art. 123 bis Art. 126, Art. 136 AEUV; vgl. BVerfGE 129, 124 [181]).
| |
Die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages wird in Ansehung der Übertragung der Währungshoheit auf das Europäische System der Zentralbanken namentlich durch die Unterwerfung der Europäischen Zentralbank unter die strengen Kriterien des Vertrages über die Arbeitsweise ![]() ![]() | |
(2) Die bisherige vertragliche Ausgestaltung der Währungsunion als Stabilitätsgemeinschaft bedeutet indes nicht, dass eine demokratisch legitimierte Änderung in der konkreten Ausgestaltung der unionsrechtlichen Stabilitätsvorgaben von vornherein mit Art. 79 Abs. 3 GG unvereinbar wäre. Nicht jede einzelne Ausprägung dieser Stabilitätsgemeinschaft ist durch die hier allein maßgeblichen Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG garantiert.
| |
Art. 79 Abs. 3 GG gewährleistet nicht den unveränderten Bestand des geltenden Rechts, sondern Strukturen und Verfahren, die den demokratischen Prozess offen halten und dabei auch die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Parlaments sichern. Schon in seinem Maastricht-Urteil hat das Bundesverfassungsgericht ausgesprochen, dass eine kontinuierliche Fortentwicklung der Währungsunion zur Erfüllung des Stabilitätsauftrags erforderlich werden kann, wenn andernfalls die Konzeption der als Stabilitätsgemeinschaft angelegten Währungsunion verlassen werden würde (vgl. BVerfGE 89, 155 [205]). Wenn sich die Währungsunion mit dem geltenden Integrationsprogramm in ihrer ursprünglichen Struktur nicht verwirklichen lässt, bedarf es erneuter politischer Entscheidungen, wie weiter vorgegangen werden soll (vgl. BVerfGE 89, 155 [207]; 97, 350 [369]). Es ist Sache des Gesetzgebers, darüber zu befinden, wie etwaigen Schwächen der Währungsunion durch eine Änderung des Unionsrechts entgegen gewirkt werden soll.
| |
ee) Auch eine dauerhafte Beschränkung der Haushaltsautonomie durch die Übertragung wesentlicher haushaltspolitischer Ent ![]() ![]() | |
(1) Die Verpflichtung des Haushaltsgesetzgebers auf eine bestimmte Haushalts- und Fiskalpolitik ist allerdings nicht von vornherein demokratiewidrig (vgl. BVerfGE 79, 311 [331ff.]; 119, 96 [137ff.]). Der verfassungsändernde Gesetzgeber hat durch die tatbestandliche Konkretisierung und sachliche Verschärfung der Regeln für die Kreditaufnahme von Bund und Ländern (insbesondere Art. 109 Abs. 3 und Abs. 5, Art. 109a, Art. 115 GG n.F., Art. 143d Abs. 1 GG) klargestellt, dass eine Selbstbindung der Parlamente und die damit verbundene fühlbare Beschränkung ihrer haushaltspolitischen Handlungsfähigkeit gerade im Interesse langfristiger Erhaltung der demokratischen Gestaltungsfähigkeit notwendig sein können (BVerfGE 129, 124 [170]). Mag eine derartige Bindung die demokratischen Gestaltungsspielräume in der Gegenwart auch beschränken, so dient sie doch zugleich deren Sicherung für die Zukunft. Zwar stellt auch eine langfristig besorgniserregende Entwicklung des Schuldenstandes keine verfassungsrechtlich relevante Beeinträchtigung der Kompetenz des Gesetzgebers zu einer situationsabhängigen diskretionären Fiskalpolitik dar. Dennoch führt sie zu einer faktischen Verengung von Entscheidungsspielräumen (vgl. BVerfGE 119, 96 [147]). Deren Offenhaltung ist ein legitimes (verfassungs-)gesetzgeberisches Ziel.
| |
(2) Die Verpflichtung des Haushaltsgesetzgebers auf eine bestimmte Haushalts- und Fiskalpolitik kann auch auf der Basis des Unions- oder Völkerrechts erfolgen.
| |
(a) Die im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union niedergelegten Anforderungen an eine tragfähige Haushaltswirtschaft (Art. 123 bis Art. 126, Art. 136 AEUV) begrenzen den Spielraum des nationalen Gesetzgebers bei der Wahrnehmung seiner haushaltspolitischen Gesamtverantwortung. Vergleichbares gilt -- seine Übereinstimmung mit dem Primärrecht, die hier ![]() ![]() | |
(b) Es steht den Mitgliedstaaten im Übrigen frei, über die bestehenden wirtschafts- und haushaltspolitischen Bindungen des Unionsrechts hinaus weitere Bindungen einzugehen, soweit diese nicht in Widerspruch zu den unionsrechtlichen Vorgaben geraten (vgl. Art. 4 Abs. 3 EUV). Die Bundesrepublik Deutschland kann daher innerstaatlich strengere Regelungen für ihre Haushaltspolitik einführen und sich auch entsprechend vertraglich verpflichten (vgl. BVerfGE 129, 124 [181f.]).
| |
(3) Dabei ist es in erster Linie Sache des Gesetzgebers abzuwägen, ob und in welchem Umfang zur Erhaltung demokratischer ![]() ![]() | |
b) Die Rüge, der Deutsche Bundestag werde in seinem Recht verletzt, die haushaltspolitische Gesamtverantwortung wahrzunehmen, kann auch von einer Fraktion des Deutschen Bundestages in einem Organstreitverfahren erhoben werden. Der Prüfungsmaßstab entspricht insoweit demjenigen der Verfassungsbeschwerde (Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 i.V.m. Art. 79 Abs. 3 GG).
| |
2. Nach diesen Maßstäben erweisen sich die Anträge als überwiegend unbegründet.
| |
a) Das Gesetz zu dem Beschluss des Europäischen Rates vom 25. März 2011 zur Änderung des Artikels 136 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union hinsichtlich eines Stabilitätsmechanismus für die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, verstößt bei summarischer Prüfung nicht gegen Art. 38 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG.
| |
aa) (1) Die Einführung von Art. 136 Abs. 3 AEUV bedeutet zwar eine grundlegende Umgestaltung der bisherigen Wirt ![]() ![]() | |
(2) Mit der Aufnahme von Art. 136 Abs. 3 AEUV in das Unionsrecht wird die stabilitätsgerichtete Ausrichtung der Währungsunion jedoch nicht aufgegeben. Wesentliche Bestandteile der Stabilitätsarchitektur bleiben auch in Ansehung dieser Öffnungsklausel unangetastet. So werden insbesondere die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank, ihre Verpflichtung auf das vorrangige Ziel der Preisstabilität (vgl. Art. 127, 130 AEUV) und das Verbot monetärer Haushaltsfinanzierung (Art. 123 AEUV) nicht berührt; im Gegenteil bekräftigt die Ermächtigung des Art. 136 Abs. 3 AEUV, einen dauerhaften Mechanismus zur Gewährung von Finanzhilfen einzurichten, den Willen der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten, die Aufgaben der Europäischen Zentralbank strikt auf den ihr unionsrechtlich vorgegebenen Rahmen zu begrenzen. Ebenso wenig befreit Art. 136 Abs. 3 AEUV von der Verpflichtung zur Haushaltsdisziplin (vgl. Art. 126, Art. 136 Abs. 1 AEUV). Allein im Bereich der in Art. 125 Abs. 1 AEUV normierten Haftungsausschlüsse lässt Art. 136 ![]() ![]() | |
Die Entscheidung des Gesetzgebers, die auch weiterhin auf Stabilität ausgerichtete Struktur der Währungsunion neben den bisherigen Elementen einer unabhängigen, der Preisstabilität verpflichteten Zentralbank (Art. 127 Abs. 1, Art. 130 AEUV), der Verpflichtung zur Haushaltsdisziplin (vgl. Art. 126, Art. 136 Abs. 1 AEUV) und der auf Marktanreize setzenden Eigenverantwortlichkeit der nationalen Haushalte (Art. 123 bis Art. 125 AEUV) um die Möglichkeit aktiver Stabilisierungsmaßnahmen zu ergänzen, sowie die damit verbundene Prognose, mit solchen Maßnahmen die Stabilität der Währungsunion gewährleisten und fortentwickeln zu können, hat das Bundesverfassungsgericht angesichts des -- die Beurteilung der Risiken alternativer Handlungsoptionen einschließenden -- Einschätzungsspielraums der zuständigen Verfassungsorgane (vgl. B.II.1.b)cc)) grundsätzlich auch insoweit zu respektieren, als Risiken für die Preisstabilität aufgrund dieser Entscheidung nicht auszuschließen sind.
| |
bb) Die im Anschluss an die Einführung des Art. 136 Abs. 3 AEUV unionsrechtlich ausdrücklich eröffnete Möglichkeit, auf völkerrechtlicher Grundlage einen Stabilitätsmechanismus einzurichten, führt nicht zu einem Verlust der nationalen Haushaltsautonomie.
| |
Mit dem Zustimmungsgesetz zu Art. 136 Abs. 3 AEUV überträgt der Deutsche Bundestag keine haushaltspolitischen Ermächtigungen auf andere Akteure. Es besteht nicht die Gefahr, dass die Bundesrepublik Deutschland ohne vorherige konstitutive Zustimmung des Deutschen Bundestages einem finanzwirksamen Mechanismus ausgeliefert wird, der zu nicht überschaubaren haushaltsbedeutsamen Belastungen führen kann oder auf eine ![]() ![]() | |
Damit scheidet eine Beeinträchtigung des Demokratiegebots durch die Zustimmung zur Einführung des Art. 136 Abs. 3 AEUV schon deshalb aus, weil mit dem Ratifizierungserfordernis für die Einrichtung des Stabilitätsmechanismus eine Mitwirkung der Gesetzgebungsorgane vor dessen Inkrafttreten vorausgesetzt wird. In diesem Fall erfährt der über Art. 136 Abs. 3 AEUV installierte Stabilitätsmechanismus selbst eine demokratische Legitimation, mit der der parlamentarische Gesetzgeber auch die konkrete Ausgestaltung verantwortet. Inwieweit die Ausgestaltung des vom Gesetzgeber gebilligten Mechanismus verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt, betrifft nicht die hier maßgebliche Frage, ob der Deutsche Bundestag der Einführung des Art. 136 Abs. 3 AEUV unter Wahrung des durch Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Kernbereichs zustimmen durfte.
| |
cc) Art. 136 Abs. 3 AEUV ist bei summarischer Prüfung auch hinreichend bestimmt. Da durch Art. 136 Abs. 3 AEUV keine Hoheitsrechte übertragen werden (vgl. dazu BVerfGE 89, 155 [204]), sind unter dem Blickwinkel von Art. 38 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG keine die Integrationsverantwortung der Gesetzgebungsorgane sichernden Anforderungen an die Bestimmtheit der Ermächtigung zu stellen. ![]() ![]() | |
b) Das Gesetz zu dem Vertrag vom 2. Februar 2012 zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus trägt bei summarischer Prüfung den Anforderungen der Art. 38 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG im Wesentlichen Rechnung.
| |
Allerdings könnte aufgrund bestimmter Auslegungen der Regelungen über den revidierten erhöhten Kapitalabruf (Art. 9 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Art. 25 Abs. 2 ESMV) sowie der Regelungen über die Unverletzlichkeit der Unterlagen (Art. 32 Abs. 5, Art. 35 Abs. 1 ESMV) und die berufliche Schweigepflicht der Organwalter (Art. 34 ESMV) die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Bundestages verletzt werden. Dies ist bei der Ratifizierung durch völkerrechtliche Erklärungen wirksam auszuschließen (aa). Die Regelungen über die Aussetzung der Stimmrechte nach Art. 4 Abs. 8 ESMV in den Fällen des Art. 5 Abs. 6 Buchstaben b, f und i ESMV sind dagegen im Ergebnis verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (bb). Dasselbe gilt für die absolute Höhe der beabsichtigten und bereits eingegangenen Zahlungs- und Gewährleistungspflichten (cc). Andere Vorschriften des Vertrages zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus berühren die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Bundestages bei summarischer Prüfung ebenfalls nicht (dd).
| |
aa) In seinem Urteil vom 7. September 2011 hat der Senat die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages bei der Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen der Griechenlandhilfe und der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität als gesichert angesehen, weil das finanzielle Gesamtengagement der Bundesrepublik Deutschland der Höhe nach begrenzt war, der Deutsche Bundestag jeder Hilfsmaßnahme größeren Umfangs im Einzelnen zustimmen musste, ihm die Kontrolle über die Konditionalität der Hilfen zustand und diese Hilfen zeitlich begrenzt waren (vgl. BVerfGE 129, 124 [185f.]). Die ![]() ![]() | |
(1) Das genehmigte Stammkapital des Europäischen Stabilitätsmechanismus beträgt 700 Milliarden Euro (Art. 8 Abs. 1 ESMV), wovon Anteile im Gesamtnennwert von 190.024.800.000 Euro auf die Bundesrepublik Deutschland entfallen (Anhang II zum ESM-Vertrag). Wie sich aus Art. 8 Abs. 5 ESMV ergibt, bildet der Anteil am genehmigten Stammkapital die Obergrenze für sämtliche aus dem ESM-Vertrag erwachsenden Zahlungspflichten und damit auch für die maximale Belastung des Bundeshaushaltes ((a)). Diese Obergrenze dürfte auch bei Kapitalabrufen nach Art. 9 und Art. 25 Abs. 2 ESMV gelten ((b)). Da der ESM-Vertrag insoweit auch einer anderen Auslegung zugänglich sein könnte, muss die Bundesrepublik Deutschland im Rahmen des Ratifikationsverfahrens für die gebotene Klarstellung sorgen ((c)).
| |
(a) Die in Art. 8 Abs. 5 Satz 1 ESMV geregelte ausdrückliche Haftungsbeschränkung der ESM-Mitglieder auf ihren jeweiligen Anteil am genehmigten Stammkapital dürfte die haushaltswirksamen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang mit den Aktivitäten des Europäischen Stabilitätsmechanismus verbindlich auf 190.024.800.000 Euro begrenzen.
| |
(aa) Nach dem Wortlaut des Art. 8 Abs. 5 Satz 1 ESMV bleibt die Haftung eines jeden ESM-Mitglieds "unter allen Umständen auf seinen Anteil am genehmigten Stammkapital zum Ausgabekurs begrenzt". Art. 8 Abs. 5 Satz 1 ESMV bekräftigt somit die sich bereits aus Art. 8 Abs. 4 ESMV ergebende Limitierung der Leistungspflichten auf den jeweiligen Anteil der ESM-Mitglieder am genehmigten Stammkapital. Dass Art. 8 Abs. 5 Satz 1 ESMV eine Belastung der Bundesrepublik Deutschland über den Betrag von 190.024.800.000 Euro hinaus ausschließen soll, haben im Rahmen der mündlichen Verhandlung auch der Bundesminister der Finanzen und der Präsident des Bundesrechnungshofes bestätigt. Vorbehaltlich einer Kapitalerhöhung nach Art. 10 ESMV und ![]() ![]() | |
(bb) Dieser summenmäßigen Begrenzung dürfte auch nicht die in Art. 8 Abs. 2 Satz 4 ESMV vorgesehene Möglichkeit entgegenstehen, Anteile am Stammkapital des Europäischen Stabilitätsmechanismus zu einem höheren als dem Nennwert auszugeben. Zwar lässt Art. 8 Abs. 5 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 4 ESMV eine Ausweitung der Haftungs- beziehungsweise Zahlungspflicht über die Erhöhung des Ausgabekurses grundsätzlich zu. Dies dürfte jedoch nicht die Ausgabe der Anteile des anfänglich gezeichneten Stammkapitals betreffen, das heißt der Anteile des genehmigten Stammkapitals im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Satz 1 ESMV in Höhe von 700 Milliarden Euro (Art. 8 Abs. 2 Satz 3 ESMV), sondern nur die Ausgabe anderer Anteile am Stammkapital nach Kapitalerhöhungen, die ihrerseits jedoch einen einstimmigen Beschluss des Gouverneursrates voraussetzen (Art. 5 Abs. 6 Buchstabe b ESMV; vgl. B.III.2.b)dd)(1)). Vorbehaltlich einer derartigen Erhöhung des genehmigten Stammkapitals nach Art. 10 ESMV dürfte eine Haftungsausweitung über den Betrag von 190.024.800.000 Euro hinaus derzeit somit ausgeschlossen sein.
| |
(b) Die höhenmäßige Begrenzung der haushaltsrelevanten Belastungen auf 190.024.800.000 Euro dürfte auch für die aus Art. 8 Abs. 4 Satz 2 ESMV folgenden Einzahlungspflichten der Bundesrepublik Deutschland als Folge von Kapitalabrufen nach Art. 9 ESMV gelten ((aa)), und zwar auch, wenn diese als "revidierte erhöhte" Kapitalabrufe nach Art. 25 Abs. 2 ESMV ergehen ((bb)).
| |
(aa) Neben der Befugnis des Gouverneursrates, allgemeine Kapitalabrufe zu beschließen (Art. 9 Abs. 1 i.V.m. Art. 5 Abs. 6 Buchstabe c ESMV), enthält der ESM-Vertrag in Art. 9 Abs. 2 und Abs. 3 auch Bestimmungen, die dem Direktorium beziehungswei ![]() ![]() | |
Nach Art. 9 Abs. 2 ESMV kann das Direktorium mit einfacher Mehrheit genehmigtes, aber noch nicht eingezahltes Kapital der ESM-Mitglieder abrufen, um den in Art. 8 Abs. 2 ESMV festgelegten Betrag des eingezahlten Kapitals wiederherzustellen, wenn dieser durch die Deckung von Verlusten aus den Operationen des Europäischen Stabilitätsmechanismus unter den festgelegten Betrag gefallen ist (vgl. auch Art. 25 Abs. 1 Buchstabe b ESMV). Der Umfang eines Kapitalabrufes nach Art. 9 Abs. 2 ESMV bemisst sich nach der Höhe der mit eingezahltem Kapital beglichenen Verluste. Nach Art. 9 Abs. 3 Satz 1 ESMV ruft der Geschäftsführende Direktor genehmigtes, aber nicht eingezahltes Kapital ab, falls die Gefahr besteht, dass der Europäische Stabilitätsmechanismus gegenüber seinen Gläubigern in Zahlungsverzug gerät. Für einen Abruf nach Art. 9 Abs. 3 ESMV ist keine spezifische Obergrenze vorgesehen. Er dient zur Deckung aller planmäßigen oder sonstigen fälligen Zahlungsverpflichtungen gegenüber Gläubigern des ESM und kann sich damit auf sämtliche Zahlungsverpflichtungen des Europäischen Stabilitätsmechanismus beziehen, die angesichts seiner Handlungsmöglichkeiten (vgl. Art. 12ff., Art. 21f. ESMV) aus einer nicht überschaubaren Bandbreite und Vielzahl von Rechtsgeschäften herrühren und erhebliche Summen erreichen können.
| |
Die Einzahlungspflicht dürfte aber sowohl nach dem Wortlaut der Art. 9 Abs. 2 und Abs. 3 ESMV ("genehmigtes nicht eingezahltes Kapital") als auch nach der vertraglichen Systematik durch den Nennwert des jeweiligen Anteils am genehmigten Stammkapital begrenzt sein, denn nur insoweit sind die Anteile überhaupt "abrufbar" (vgl. Art. 8 Abs. 2 Satz 1 ESMV). Sollte die Situation eintreten, dass der Umfang der durch einen Kapitalabruf nach Art. 9 Abs. 2 ESMV zu deckenden Verluste oder der durch einen Kapitalabruf nach Art. 9 Abs. 3 ESMV zu begleichenden Zahlungspflichten den Gesamtnennwert des noch vorhandenen abrufbaren Kapitals übersteigt, entsteht nach dieser Auslegung eine Zahlungspflicht für die Mitgliedstaaten nur unter der ![]() ![]() | |
(bb) Eine den deutschen Anteil am genehmigten Stammkapital in Höhe von 190.024.800.000 Euro übersteigende Zahlungspflicht dürfte sich wohl auch nicht aus der in Art. 25 Abs. 2 ESMV geregelten Möglichkeit eines revidierten erhöhten Kapitalabrufes ergeben. Zwar kann ein solcher Kapitalabruf dazu führen, dass die Bundesrepublik Deutschland Mittel aufbringen muss, die nach den Regelungen des Vertrages eigentlich von anderen Mitgliedstaaten aufzubringen wären. Sollte ein ESM-Mitglied einem Kapitalabruf nach Art. 9 Abs. 2 oder Abs. 3 ESMV nicht nachkommen (können), ergeht an alle Mitgliedstaaten ein revidierter erhöhter Kapitalabruf, der nach dem Vertragstext ausdrücklich die Funktion hat, die Einzahlung des erforderlichen Kapitals in voller Höhe zu gewährleisten, was naturgemäß nur durch eine höhere Belastung der leistungsfähigen und -willigen Mitgliedstaaten sichergestellt werden kann. Daraus wird man jedoch nicht schließen können, dass eine Inanspruchnahme dieser Mitgliedstaaten auch jenseits der durch Art. 8 Abs. 5 Satz 1 ESMV bestimmten Obergrenze ermöglicht werden soll. Die Obergrenze wäre anderenfalls funktionslos. Insbesondere kann schwerlich davon ausgegangen werden, dass Art. 8 Abs. 5 Satz 1 ESMV allein die Haftung der Mitgliedstaaten im Verhältnis zu den Gläubigern des Europäischen Stabilitätsmechanismus, nicht dagegen auch die Verpflichtungen gegenüber diesem selbst begrenzen soll, denn eine Haftung der Mitgliedstaaten im Außenverhältnis sieht der Vertrag von vornherein nicht vor. Vielmehr schließt Art. 8 Abs. 5 Satz 2 ESMV eine Haftung der Mitgliedstaaten für Verbindlichkeiten des Europäischen Stabilitätsmechanismus ausdrücklich aus. Der Vertrag begründet den Europäischen Stabilitätsmechanismus als Institution mit voller Rechtspersönlichkeit (Art. 32 Abs. 2 ESMV), neben der die Mitgliedstaaten nicht zum Vertragspartner potentieller Gläubiger werden sollen.
| |
(c) Wie die mündliche Verhandlung gezeigt hat, kann die von ![]() ![]() | |
(aa) Da eine strikte höhenmäßige Begrenzung der deutschen Zahlungspflichten bei Anwendung der Vorschriften über revidierte erhöhte Kapitalabrufe nach Art. 9 Abs. 2 und Abs. 3 in Verbindung mit Art. 25 Abs. 2 ESMV jedenfalls nicht dem Wortlaut des Art. 25 Abs. 2 ESMV zu entnehmen ist, ist auch eine Auslegung nicht ausgeschlossen, die Art. 8 Abs. 5 Satz 1 ESMV auf diesen Fall für nicht anwendbar hält, so dass das Gesamtengagement Deutschlands im Rahmen des Europäischen Stabilitätsmechanismus mit dem vertraglich verankerten Betrag von 190.024.800.000 Euro nicht vollständig festgelegt wäre. Denkbar erscheint in diesem Zusammenhang eine Rechtfertigung mit dem Argument, selbst bei höheren Einzahlungen liege keine Überschreitung dieser Obergrenze vor, weil der in Vorleistung tretende Mitgliedstaat Ersatzansprüche gegen den Europäischen Stabilitätsmechanismus erhalte und damit ein hinreichender Gegenwert zur Verfügung stehe (vgl. Art. 25 Abs. 3 ESMV, BTDrucks 17/9045, S. 33). Da die revidierten erhöhten Kapitalabrufe für unerwartete Notsituationen konzipiert sind, um auch sehr kurzfristig eine die Arbeitsfähigkeit des Europäischen Stabilitätsmechanismus beeinträchtigende Kapitalunterdeckung beheben zu können, könnten auch teleologische Erwägungen auf eine restriktive Interpretation von Art. 8 Abs. 5 Satz 1 ESMV hinauslaufen. So könnte etwa behauptet werden, dass es die Erreichung des von Art. 25 Abs. 2 ESMV verfolgten Zwecks, dem Europäischen Stabilitätsmechanismus ![]() ![]() | |
(bb) Erfordert die durch Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG geschützte haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages, dass die Haftung der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen des Europäischen Stabilitätsmechanismus nicht ohne Zustimmung des Bundestages über 190.024.800.000 Euro hinaus erhöht werden kann, so ist nach alldem eine Ratifizierung des ESM-Vertrages nur zulässig, wenn die Bundesrepublik Deutschland sicherstellt, dass Art. 8 Abs. 5 Satz 1 ESMV, vorbehaltlich von Entscheidungen nach Art. 10 Abs. 1 und Art. 8 Abs. 2 Satz 4 ESMV, sämtliche Zahlungsverpflichtungen aus diesem Vertrag der Höhe nach auf die in Anhang II des Vertrages genannte Summe begrenzt und dass Vorschriften dieses Vertrages, insbesondere Art. 9 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit Art. 25 Abs. 2 Satz 1 ESMV nur so ausgelegt oder angewandt werden können, dass für die Bundesrepublik Deutschland keine höheren Zahlungsverpflichtungen begründet werden. Die Bundesrepublik Deutschland muss deutlich zum Ausdruck bringen, dass sie an den ESM-Vertrag insgesamt nicht gebunden sein kann, falls sich der von ihr geltend gemachte Vorbehalt als unwirksam erweisen sollte.
| |
(2) Die Bestimmungen der Art. 32 Abs. 5, Art. 34 und Art. 35 Abs. 1 ESMV dürften nach summarischer Prüfung nicht gegen den durch Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Kern des Wahlrechts aus Art. 38 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG verstoßen, weil sie eine Auslegung zulassen, die eine hinreichende parlamentarische Kontrolle des Europäischen Stabilitätsmechanismus durch den Deutschen Bundestag ermöglicht ((a)). Angesichts denkbarer anderer Auslegungen ((b)) bedarf es jedoch auch hier der völkerrechtlichen Sicherstellung einer mit dem Grundgesetz vereinbaren Auslegung ((c)). ![]() | |
![]() | |
Ausnahmen zugunsten der nationalen Parlamente sieht der Vertrag nicht vor. Eine spezielle Regelung zur Information über die Mittelverwendung und Rechnungslegung des Europäischen Stabilitätsmechanismus gegenüber nationalen Parlamenten und Rechnungshöfen findet sich lediglich in Art. 30 Abs. 5 ESMV. Dagegen werden die nationalen Parlamente in Art. 32 Abs. 5, Art. 34 und Art. 35 Abs. 1 ESMV nicht ausdrücklich erwähnt. Deren umfassende Information dürfte damit jedoch nicht ausgeschlossen sein. Wenn in einem Mitgliedstaat Beschlüsse des Europäischen Stabilitätsmechanismus nicht nur der Behandlung auf der Ebene der Regierung, der die nötigen Informationen stets zugänglich sind, sondern auch der Erörterung und Billigung in parlamentarischen Gremien bedürfen, ist es unausweichlich, dass diese ebenfalls unterrichtet werden.
| |
Dass die Erwähnung der nationalen Parlamente in Art. 30 Abs. 5 ESMV nicht den Gegenschluss rechtfertigen dürfte, in anderen Fällen sei deren Information ausgeschlossen, dürften auch Sinn und Zweck der Art. 32 Abs. 5, Art. 34 und Art. 35 Abs. 1 ESMV belegen. Es spricht viel dafür, dass diese Regelungen vor allem Informationsflüsse an unberechtigte Dritte, etwa Beteiligte am Kapitalmarkt, unterbinden wollen, nicht jedoch an die Träger des Europäischen Stabilitätsmechanismus selbst. Die Parlamente der Mitgliedstaaten, und mit ihnen der Deutsche Bundestag, ge ![]() ![]() | |
(b) Freilich handelt es sich insoweit nur um eine mögliche, wenn auch nahe liegende Auslegung der Art. 32 Abs. 5, Art. 34 und Art. 35 Abs. 1 ESMV, die sich mit der Sichtweise des Europäischen Stabilitätsmechanismus und anderer Mitgliedstaaten keineswegs decken muss, zumal die Verfassungsrechtslage in Bezug auf Beteiligungs- und Informationsrechte des Parlaments in den Mitgliedstaaten verschieden ist und aufgrund unterschiedlicher rechtlicher und tatsächlicher Gegebenheiten, etwa parlamentarische Geheimhaltungsvorkehrungen betreffend, die Beurteilung ![]() ![]() | |
(c) Erfordert die durch Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG geschützte haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages, dass dieser diejenigen Informationen erhalten kann, die er für eine Abschätzung der wesentlichen Grundlagen und Konsequenzen seiner Entscheidungen benötigt (vgl. B.III.1.a)bb)(5)), so ist eine Ratifizierung des ESM-Vertrages nur zulässig, wenn die Bundesrepublik Deutschland eine Vertragsauslegung sicherstellt, die gewährleistet, dass Bundestag und Bundesrat bei ihren Entscheidungen die für ihre Willensbildung erforderlichen Informationen erhalten. Die Bundesrepublik Deutschland muss deutlich zum Ausdruck bringen, dass sie an den ESM-Vertrag insgesamt nicht gebunden sein kann, falls sich der von ihr geltend gemachte Vorbehalt als unwirksam erweisen sollte.
| |
(d) Sind Art. 32 Abs. 5, Art. 34 und Art. 35 Abs. 1 ESMV demnach so auszulegen, dass sie der Unterrichtung des Deutschen Bundestages nicht entgegenstehen, kommt eine Verletzung des allein im Rahmen des Organstreitverfahrens rügefähigen Anspruchs des Deutschen Bundestages auf frühestmögliche und umfassende Unterrichtung aus Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG (vgl. BVerfGE 131, 152 [202f.]) nicht in Betracht.
| |
bb) Die Aussetzung der Stimmrechte der Mitgliedstaaten nach Art. 4 Abs. 8 ESMV erscheint zwar im Hinblick auf ihre potentiell weitreichenden Folgen unter dem Gesichtspunkt der haushaltspolitischen Gesamtverantwortung als nicht unproblematisch (1). Die Regelung zur Stimmrechtsaussetzung unterscheidet sich jedoch nach Funktion und Anwendungsbedingungen von anderen Regelungen mit potentiell weitreichenden Haushaltsfolgen in einer Weise, die es erlaubt, sie als verfassungsmäßig zu beurteilen (2).
| |
(1) Nach Art. 4 Abs. 8 ESMV werden sämtliche Stimmrechte eines Mitgliedstaates ausgesetzt, wenn dieser seinen Einzahlungspflichten gegenüber dem Europäischen Stabilitätsmechanismus ![]() ![]() | |
(a) Von Art. 4 Abs. 8 ESMV erfasst werden sämtliche Zahlungspflichten der Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit eingezahlten Anteilen und Kapitalabrufen nach Maßgabe der Art. 8, Art. 9 und Art. 10 ESMV sowie im Zusammenhang mit der Rückzahlung von gewährten Finanzhilfen. Problematisch im Hinblick auf die Haushaltsverantwortung des Bundestages sind dabei insbesondere die Auflage neuer Anteile zu anderen Konditionen als zum Nennwert nach Art. 8 Abs. 2 Satz 3 und Satz 4 ESMV sowie Kapitalabrufe nach Art. 9 ESMV (gegebenenfalls in Verbindung mit Art. 25 Abs. 2 ESMV).
| |
Da die Aussetzung der Stimmrechte zu einer Neuberechnung der Stimmrechtsschwellen führt (Art. 4 Abs. 8 Satz 2 ESMV), können -- mit Ausnahme der Beschlüsse über Veränderungen des genehmigten Stammkapitals (vgl. Art. 10 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 ESMV) -- sämtliche Entscheidungen des Europäischen Stabilitätsmechanismus einschließlich der Beschlüsse über die Gewährung von Stabilitätshilfen im Einzelfall und ihre Konditionierung (Art. 13ff. ESMV) oder über eine Änderung der Liste der Finanzhilfeinstrumente (Art. 19 ESMV) ohne Mitwirkung der Mitglied ![]() ![]() | |
(b) Einen Rechtsbehelf gegen die Aussetzung der Stimmrechte nach Art. 4 Abs. 8 Satz 1 ESMV mit aufschiebender Wirkung sieht der ESM-Vertrag nicht vor. Soweit ein einseitiger Widerspruch gegen die Aussetzung der Stimmrechte als "Streitigkeit zwischen einem ESM-Mitglied und dem ESM" gewertet würde, entschiede hierüber -- allerdings wiederum unter Aussetzung der Stimmrechte des betroffenen Mitglieds (Art. 37 Abs. 2 Satz 2 ESMV) -- der Gouverneursrat mit qualifizierter Mehrheit; dessen Entscheidung könnte vor dem Gerichtshof der Europäischen Union angefochten werden (Art. 37 Abs. 3 ESMV). Nach Wortlaut und Systematik des Vertrages dürfte davon auszugehen sein, dass die Aussetzung der Stimmrechte während der gesamten Verfahrensdauer bestehen bleibt.
| |
(c) Kommt es zu einer Aussetzung der Stimmrechte von ESM-Mitgliedern nach Art. 4 Abs. 8 Satz 1 ESMV, sind die jeweiligen Vertreter im Gouverneursrat (Art. 5 Abs. 1 ESMV) und im Direktorium (Art. 6 Abs. 1 ESMV) von der Abstimmung ausgeschlossen. Infolgedessen liefe auch die innerstaatlich vorgesehene Beteiligung des Deutschen Bundestages an den Entscheidungen der deutschen Vertreter in den Organen des Europäischen Stabilitätsmechanismus leer. Damit entfiele zugleich die Legitimation und Kontrolle der in diesem Zeitraum getroffenen Entscheidungen des Europäischen Stabilitätsmechanismus durch den Deutschen Bundestag, und zwar unabhängig davon, welche Abstimmungsregeln der Vertrag für die konkret zu treffenden Entscheidungen vorsieht. Dies beträfe auch Entscheidungen, die die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages berühren und daher grundsätzlich der Mitwirkung des Deutschen Bundestages bedürfen (vgl. BVerfGE 129, 124 [179ff.]), wie über die Ausgabe von Anteilen zu einem anderen Kurs als zum Nennwert (Art. 8 Abs. 2 Satz 4 ESMV), über die Gewährung von Stabilitätshilfen einschließlich der Festlegung wirtschaftspolitischer Auflagen in dem Memorandum of Understanding nach Art. 13 Abs. 3 ESMV sowie über die Wahl der Ins ![]() ![]() | |
(2) Art. 4 Abs. 8 ESMV verstößt gleichwohl nicht gegen Art. 38 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG.
| |
(a) Der Deutsche Bundestag hat den auf die Bundesrepublik Deutschland entfallenden, in Art. 8 Abs. 2 Satz 2 ESMV geregelten Anteil am anfänglich einzuzahlenden Kapital im Haushalt bereitzustellen und im gebotenen Umfang sicherzustellen, dass die weiteren, auf Deutschland entfallenden Anteile am genehmigten Stammkapital nach Art. 8 Abs. 1 ESMV im Fall von Abrufen nach Art. 9 ESMV, gegebenenfalls in Verbindung mit Art. 25 Abs. 2 ESMV jederzeit fristgerecht und vollständig eingezahlt werden können (vgl. Art. 110 Abs. 1 GG, § 22 HGrG, § 16 BHO). Damit kann eine Aussetzung der deutschen Stimmrechte praktisch ausgeschlossen werden.
| |
(b) Dies gilt auch für die Fälle, in denen unterschiedliche Auffassungen über die Berechtigung eines Kapitalabrufes oder seine Höhe bestehen. So kann es zu unterschiedlichen Auffassungen darüber kommen, ob Deutschland seinen Anteil am genehmigten Stammkapital vollständig eingezahlt hat, ob die Tatbestandsvoraussetzungen für einen Kapitalabruf nach Art. 9 Abs. 2 und Abs. 3 (gegebenenfalls in Verbindung mit Art. 25 Abs. 2) ESMV vorliegen, ob dabei der deutsche Anteil richtig festgelegt worden ist oder ob es im Falle des Art. 25 Abs. 3 ESMV zu einer Rückzahlung kommen muss. In derartigen Fällen muss die Bundesrepublik Deutschland dem Kapitalabruf nachkommen, um die Aussetzung ihrer Stimmrechte zu verhindern. Für die Geltendmachung ihrer Rechtsauffassung ist sie auf das Verfahren nach Art. 37 Abs. 2 und Abs. 3 ESMV verwiesen; gegebenenfalls kann sie -- unbeschadet des Art. 8 Abs. 4 ESMV, der solche Konstellationen erkennbar nicht erfassen soll -- eine Zahlung jedoch auch unter dem Vorbehalt des Widerrufs leisten, von Verrechnungsmöglichkeiten Gebrauch machen oder Sicherheiten fordern. ![]() | |
![]() | |
cc) Die Einschätzung des Gesetzgebers, die in § 1 Abs. 1 ESMFinG aufgeführte und in Abs. 2 als "Gewährleistungsermächtigung" bezeichnete Zahlungspflicht für Anteile am Europäischen Stabilitätsmechanismus im Gesamtnennwert von 190.024.800.000 Euro führe nicht zu einem vollständigen Leerlaufen der Haushaltsautonomie, ist nach den obigen Maßstäben (vgl. B.III.1.a)cc)) vom Bundesverfassungsgericht hinzunehmen. Das gilt auch, wenn man in die Berechnung des deutschen Gesamtengagements für die Stabilisierung der Europäischen Währungsgemeinschaft die deutsche Beteiligung an der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität, bilaterale Hilfen zugunsten von Griechenland, Risiken aus der Teilnahme am Europäischen System der Zentralbanken und dem Internationalen Währungsfonds einstellt. Bundestag und Bundesregierung haben in der mündlichen Verhandlung näher dargelegt, dass mit der Zurverfügungstellung der deutschen Anteile am Europäischen Stabilitätsmechanismus noch überschaubare Risiken eingegangen würden, während ohne die Gewährung von Finanzfazilitäten durch den Europäischen Stabilitätsmechanismus nicht absehbare, schwerwiegende Konsequenzen für das gesamte Wirtschafts- und Sozialsystem drohten. Auch wenn diese Annahmen unter Wirtschaftsfachleuten äußerst umstritten sind, sind sie jedenfalls nicht evident fehlerhaft. Deshalb darf das Bundesverfassungsgericht seine Einschätzung nicht an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers setzen.
| |
dd) Keine Beeinträchtigung der haushaltspolitischen Gesamtverantwortung droht bei summarischer Prüfung schließlich von der Möglichkeit einer Ausgabe künftiger Kapitalanteile über dem Nennwert nach Art. 8 Abs. 2 Satz 4 ESMV ((1)), von Kapitalabrufen nach Art. 9 Abs. 2 und Abs. 3 ESMV ((2)), von einem etwaigen Zusammenwirken von Europäischem Stabilitätsmechanismus ![]() ![]() | |
(1) Die Möglichkeit einer Ausgabe des Stammkapitals zu einem über dem Nennwert liegenden Kurs (Art. 8 Abs. 2 Satz 4 ESMV) beeinträchtigt die haushaltspolitische Gesamtverantwortung nicht. Über eine Änderung des Ausgabekurses beschließt nach Art. 8 Abs. 2 Satz 4 ESMV der Gouverneursrat. Der Beschluss ist nach Art. 5 Abs. 6 Buchstabe b ESMV im gegenseitigen Einvernehmen zu fassen. Eine Entscheidung ohne Mitwirkung des deutschen Vertreters ist auch für den Fall einer Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf das Direktorium ausgeschlossen (Art. 5 Abs. 6 Buchstabe m i.V.m. Art. 6 Abs. 5 ESMV). Die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Bundestages kann daher in diesem Punkt durch dessen Beteiligung an der vom jeweiligen deutschen Vertreter in den Organen des Europäischen Stabilitätsmechanismus zu treffenden Entscheidung gewahrt werden und wird folglich nicht durch den Vertrag beeinträchtigt.
| |
(2) Keine Beeinträchtigung der haushaltspolitischen Gesamtverantwortung ergibt sich des Weiteren aus den Befugnissen zum Kapitalabruf nach Art. 9 Abs. 2 und Abs. 3 ESMV. Zwar entscheidet über Abrufe nach Art. 9 Abs. 2 ESMV das Direktorium mit einfacher Mehrheit und über Abrufe nach Art. 9 Abs. 3 ESMV der Geschäftsführende Direktor, so dass die deutschen Vertreter in den Organen des Europäischen Stabilitätsmechanismus insoweit über keine Sperrminorität verfügen. Bei der verfassungsrechtlichen Würdigung dieser Instrumente ist jedoch zu beachten, dass ihnen nicht nur die abstrakte Billigung des deutschen Gesamtengagements durch den Bundestag im ESM-Vertrag (Art. 8 Abs. 1, Anhänge I und II) und § 1 Abs. 1 und Abs. 2 ESMFinG zugrunde liegt, sondern dass jede einzelne Stabilitätshilfe nach Art. 13 Abs. 2 ESMV sowie die Unterzeichnung des jeweiligen Memorandum of Understanding nach Art. 13 Abs. 4 ESMV einer einvernehmlichen Beschlussfassung des Gouverneursrates bedürfen und insoweit auch an die Zustimmung des Deutschen Bundestages gebunden werden können und tatsächlich gebunden sind. Da der Bundestag durch seine Zustimmung zu Stabilitätshilfen den ![]() ![]() | |
Im Hinblick auf mögliche Verluste aus der Geschäftstätigkeit des Europäischen Stabilitätsmechanismus bestehen zwar keine vergleichbaren Einwirkungsmöglichkeiten des Bundestages. Er kann jedoch über die Leitlinien für Anleiheoperationen (Art. 21 Abs. 2 ESMV) und die Anlagepolitik (Art. 22 Abs. 1 ESMV) Einfluss auf die Geschäftstätigkeit des Europäischen Stabilitätsmechanismus nehmen. Zudem sind nach Einschätzung der Bundesregierung, der die Antragsteller nicht substantiiert entgegengetreten sind, solche Verluste mit Blick auf die Erfahrungen mit anderen internationalen Finanzinstitutionen nicht zu erwarten.
| |
(3) Gegen den ESM-Vertrag kann -- entgegen dem Vorbringen der Antragsteller zu I. und II. -- auch nicht eingewandt werden, dass der Europäische Stabilitätsmechanismus zum Vehikel einer verfassungswidrigen Staatsfinanzierung durch die Europäische Zentralbank werden könnte. Das Verbot monetärer Haushaltsfinanzierung als wesentliches Element zur unionsrechtlichen Sicherung der verfassungsrechtlichen Anforderungen des Demokratiegebotes (vgl. oben B.III.1.a)dd)) wird durch den ESM-Vertrag nicht tangiert. Im geltenden Primärrecht findet dieses Verbot monetärer Haushaltsfinanzierung seinen Ausdruck in Art. 123 AEUV. Dieser enthält das Verbot von Überziehungs- oder anderen Kreditfazilitäten bei der Europäischen Zentralbank oder den Zentralbanken der Mitgliedstaaten für Organe, Einrichtungen oder sonstige Stellen der Union, Zentralregierungen, regionale oder lokale Gebietskörperschaften oder andere öffentlich-rechtliche Körperschaften, sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder öffentliche Unternehmen der Mitgliedstaaten sowie des unmittelbaren Erwerbs von Schuldtiteln von diesen durch die Europäische Zentralbank oder die nationalen Zentralbanken. Es kann dahinstehen, ob eine Kreditaufnahme des Europäischen Stabilitätsmechanismus bei der Europäischen Zentralbank bereits ![]() ![]() | |
Der Europäische Stabilitätsmechanismus unterfällt als eine dem öffentlichen Sektor im Sinne von Art. 3 Verordnung (EG) Nr. 3603/93 des Rates vom 13. Dezember 1993 (ABl EG Nr. L 332 vom 31. Dezember 1993, S. 1) zugehörige Finanzinstitution den in Art. 123 Abs. 1 AEUV genannten Institutionen, an welche keine Kredite vergeben werden dürfen. Aufgrund seiner Zielsetzung ist er auch nicht gemäß Art. 123 Abs. 2 AEUV vom Verbot monetärer Haushaltsfinanzierung ausgenommen. Nach dieser Vorschrift gelten die Bestimmungen des Art. 123 Abs. 1 AEUV nicht für Kreditinstitute in öffentlichem Eigentum. Unter Art. 123 Abs. 2 AEUV fallen jedoch keine Institutionen, deren Finanzmittel unmittelbar Mitgliedstaaten der Europäischen Union zugutekommen, weil sonst das Verbot des Art. 123 Abs. 1 AEUV umgangen würde. Dies wäre beim Europäischen Stabilitätsmechanismus der Fall. Gemäß Art. 3 Satz 1 ESMV dient der Europäische Stabilitätsmechanismus der konditionierten Bereitstellung von Stabilitätshilfen für ESM-Mitglieder. Er verwendet die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur -- der Europäischen Zentralbank nach Art. 123 Abs. 1 AEUV verwehrten -- direkten finanziellen Stabilisierung der Mitgliedstaaten. Dementsprechend geht auch die Europäische Zentralbank in ihrer Stellungnahme vom 17. März 2011 (CON/2011/24, ABl EG Nr. C 140 vom 11. Mai 2011, S. 8, Anmerkung 9) davon aus, dass Art. 123 AEUV ![]() ![]() | |
Auch eine Hinterlegung von Staatsanleihen durch den Europäischen Stabilitätsmechanismus bei der Europäischen Zentralbank als Sicherheit für Kredite würde gegen das Verbot des unmittelbaren Erwerbs von Schuldtiteln öffentlicher Stellen verstoßen. Dabei kann offen bleiben, ob hierin eine Übernahme von Schuldtiteln direkt vom öffentlichen Emittenten am Primärmarkt läge oder nach dem Zwischenerwerb durch den Europäischen Stabilitätsmechanismus einem Erwerb am Sekundärmarkt entsprechen würde. Denn ein Erwerb von Staatsanleihen am Sekundärmarkt durch die Europäische Zentralbank, der auf von den Kapitalmärkten unabhängige Finanzierung der Haushalte der Mitgliedstaaten zielte, ist als Umgehung des Verbotes monetärer Haushaltsfinanzierung ebenfalls untersagt (vgl. auch 7. Erwägungsgrund der Verordnung [EG] Nr. 3603/93 des Rates vom 13. Dezember 1993 [ABl EG Nr. L 332 vom 31. Dezember 1993, S. 1]). Dem trägt der ESM-Vertrag Rechnung, dessen 4. Erwägungsgrund die strikte Einhaltung des Rahmens der Europäischen Union, der integrierten makroökonomischen Überwachung, insbesondere des Stabilitäts- und Wachstumspaktes, des Rahmens für makroökonomische Ungleichgewichte und der Vorschriften für die wirtschaftspolitische Steuerung der Europäischen Union anmahnt. Hierzu zählt Art. 123 AEUV.
| |
(4) Eine Beeinträchtigung der haushaltspolitischen Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages ergibt sich schließlich auch nicht aus dem Umstand, dass der ESM-Vertrag keine ausdrücklichen Kündigungs- oder Austrittsrechte vorsieht. Angesichts der durch einen entsprechenden Vorbehalt zu sichernden verbindlichen Begrenzung der haushaltsrelevanten Belastungen auf 190.024.800.000 Euro bedarf es im Hinblick auf die Wahrung der haushaltspolitischen Gesamtverantwortung des Bundestages keiner vertraglichen Regelung eines besonderen Kündigungs- oder Austrittsrechts. Die Haftungsbegrenzung stellt hinreichend sicher, dass durch das Inkrafttreten des Vertrages allein kein irre ![]() ![]() | |
c) Die Vorschriften über die Einbindung des Deutschen Bundestages in die Entscheidungsprozesse des Europäischen Stabilitätsmechanismus, die sich aus dem Gesetz zu dem Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus und dem ESM-Finanzierungsgesetz ergeben, genügen bei summarischer Prüfung im Wesentlichen den Anforderungen aus Art. 38 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG an die Ausgestaltung der Beteiligungsrechte und Einwirkungsmöglichkeiten des Deutschen Bundestages zur Sicherung einer demokratischen Steuerung des Europäischen Stabilitätsmechanismus sowie zur Sicherung seiner haushaltspolitischen Gesamtverantwortung (aa). Näherer Würdigung im Hauptsacheverfahren bedürfen allerdings die Ausgabe von Anteilen am Stammkapital des Europäischen Stabilitätsmechanismus über dem Nennwert (Art. 8 Abs. 2 Satz 4 ESMV) sowie die haushalterische Sicherstellung, dass es nicht zu einer Anwendung des Art. 4 Abs. 8 ESMV auf die Bundesrepublik Deutschland kommt. Insoweit ist jedoch eine einstweilige Anordnung nicht erforderlich (bb). Soweit das Gesetz über die Zustimmung zu dem Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus und das ESM-Finanzierungsgesetz nach vorläufiger Einschätzung eine verfassungsmäßige funktionale Zuständigkeitsverteilung zwischen den Gremien des Bundestages nicht in vollem Umfang gewährleisten, ist fraglich, ob dadurch der durch Art. 38 Abs. 1 Satz 1, Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG geschützte Kern des Wahlrechts verletzt wird; jedenfalls bedarf es auch insoweit keiner einstweiligen Anordnung (cc).
| |
aa) Die Anforderungen an die innerstaatliche Absicherung des Demokratieprinzips werden sowohl im Hinblick auf die Mitwirkungsrechte des Bundestages ((1)) als auch auf seine Informationsrechte ((2)) und die personelle Legitimation der deutschen ![]() ![]() | |
(1) Die Begleitgesetzgebung hat die Funktion, die verfassungsrechtlich gebotenen Beteiligungsrechte der gesetzgebenden Körperschaften an der Tätigkeit des Europäischen Stabilitätsmechanismus im nationalen Recht abzubilden und zu konkretisieren (vgl. BVerfGE 123, 267 [433]). Sie hat sicherzustellen, dass der Bundestag -- vermittelt über die Bundesregierung -- einen bestimmenden Einfluss auf das Handeln des Europäischen Stabilitätsmechanismus ausüben kann (vgl. BVerfGE 123, 267 [356, 433ff.]) und hierdurch seine haushaltspolitische Gesamtverantwortung sowie die Integrationsverantwortung wahrzunehmen in der Lage ist (vgl. BVerfGE 129, 124 [177ff., 186]).
| |
Es ist bei summarischer Prüfung nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber es -- vom Fall des Art. 8 Abs. 2 Satz 4 ESMV abgesehen (vgl. dazu B.III.2.b)aa)(1)(a)(bb) sowie B.III.2.c)bb)(1)) -- unterlassen hätte, praktisch folgenreiche und damit für die Wahrnehmung der haushaltspolitischen Gesamtverantwortung wesentliche Entscheidungen des Europäischen Stabilitätsmechanismus an eine Beteiligung des Bundestages zu knüpfen. Die verfassungsrechtlich geforderte Mitwirkung des Deutschen Bundestages ist im Gesetz zu dem Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus und im ESM-Finanzierungsgesetz grundsätzlich ausreichend geregelt. Der Gesetzgeber hat für die Entscheidungen des Europäischen Stabilitätsmechanismus, die für die haushaltspolitische Gesamtverantwortung eine Rolle spielen, eine parlamentarische Rückbindung vorgesehen, indem er in Art. 2 des Zustimmungsgesetzes zum ESM-Vertrag, in § 4 Abs. 2 ESMFinG und in § 5 Abs. 2 ESMFinG festgelegt hat, dass die deutschen Mitglieder im Gouverneursrat und Direktorium an den Sitzungen der Organe des Europäischen Stabilitätsmechanismus teilzunehmen haben und die Beschlüsse des Deutschen Bundestages durch ihr Abstimmungsverhalten in den Organen umzusetzen haben. Dass einige der zu erwartenden Entscheidungen an das Votum des Plenums (vgl. § 4 Abs. 1 ESMFinG), andere lediglich an dasjenige des Haushaltsausschusses (vgl. § 5 Abs. 2 ESMFinG) geknüpft ![]() ![]() | |
Die vom ESM-Vertrag vorgesehene Fortentwicklung der Instrumente (vgl. Art. 19 ESMV) lässt es nicht zu, alle Fälle, in denen eine Parlamentsbeteiligung angezeigt sein wird, schon jetzt im Einzelnen zu erfassen und zu regeln. Die Beteiligungsrechte müssen jedoch -- sei es durch Gesetzesänderung, sei es durch Auslegung -- mit der Vertragsentwicklung Schritt halten, so dass die effektive Wahrnehmung der parlamentarischen Haushalts- und Integrationsverantwortung in jedem Fall sichergestellt ist. Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber eine Änderung der Finanzhilfeinstrumente nach Art. 19 ESMV an das Erfordernis einer bundesgesetzlichen Ermächtigung gebunden (Art. 2 Abs. 2 des Zustimmungsgesetzes zum ESM-Vertrag). Sollte sich im Vollzug des ESM-Vertrages ergeben, dass weitere wesentliche Mitwirkungserfordernisse nicht ausdrücklich geregelt sind, bietet die Regelung des § 4 Abs. 1 ESMFinG, die lediglich exemplarisch ("insbesondere") drei Entscheidungsfelder des Europäischen Stabilitätsmechanismus nennt, in denen das Plenum zu entscheiden hat, hinreichenden Raum für eine verfassungskonforme Handhabung. Entsprechendes gilt für die Auffangvorschrift des § 5 Abs. 3 ESMFinG, die die Bundesregierung in allen nicht anderweitig geregelten Fällen, in denen nicht die haushaltspolitische Gesamtverantwortung, sondern nur die Haushaltsverantwortung des Bundestages berührt wird, zur Beteiligung des Haushaltsausschusses des Bundestages und zur Berücksichtigung seiner Stellungnahmen verpflichtet.
| |
(2) Die im ESM-Finanzierungsgesetz enthaltenen Informationsrechte des Deutschen Bundestages genügen bei summarischer Prüfung den Anforderungen des -- im Organstreitverfahren maßstäblichen -- Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG (zu der insbesondere durch Art. 34 ESMV nicht ausgeschlossenen Möglichkeit der Unterrichtung der nationalen Parlamente siehe oben B.III.1.a)bb)(5)).
| |
Die Tätigkeit des Europäischen Stabilitätsmechanismus ist eine Angelegenheit der Europäischen Union im Sinne des Art. 23 Abs. 2 GG und löst ebenso wie dessen Errichtung und Ausgestal ![]() ![]() | |
(3) Auch unter dem Gesichtspunkt personeller demokratischer Legitimation ist gegen die Ausgestaltung der Vertretung Deutschlands im Europäischen Stabilitätsmechanismus nichts zu erinnern. Zu dem gemäß Art. 79 Abs. 3 GG nicht antastbaren Gehalt des Demokratieprinzips gehört es, dass die Wahrnehmung staatlicher Aufgaben und die Ausübung staatlicher Befugnisse sich auf das Staatsvolk zurückführen lassen und die Entscheidungen grundsätzlich ihm gegenüber verantwortet werden. Entscheidend ist insoweit, dass der Bundestag auf das seine Haushaltsverantwortung betreffende Entscheidungsverhalten der deutschen Vertreter in den Organen des Europäischen Stabilitätsmechanismus maßgeblichen Einfluss behält (vgl. BVerfGE 89, 155 [182]; 107, 59 [94]). Dies erfordert deren Bindung an die Beschlüsse des Bundestages. In welcher Weise der Gesetzgeber dabei sicherstellt, dass die Sachentscheidungen des Deutschen Bundestages durch die jeweiligen Vertreter in den Organen zutreffend umgesetzt werden, wird durch die Verfassung nicht vorgegeben. Parlamentarische Verantwortung und Weisungsabhängigkeit der deutschen Vertreter in den Organen des Europäischen Stabilitätsmechanismus sind insoweit gleichwohl eine entscheidende Vorkehrung. Von Verfassungs wegen ist zumindest zu verlangen, dass der Bundesminister der Finanzen als Mitglied des Gouverneursrates und das deutsche Direktoriumsmitglied gegenüber dem Deutschen Bundestag rechenschaftspflichtig sind und diesem so eine effektive Wahrnehmung seiner Integrations- und Haushaltsverantwortung ermöglicht wird.
| |
Dem steht der ESM-Vertrag nicht entgegen. Er geht -- insbeson ![]() ![]() | |
Das ESM-Finanzierungsgesetz setzt ersichtlich voraus, dass die deutschen Vertreter an die Beschlüsse des Bundestages gebunden und ihm gegenüber rechenschaftspflichtig sind. Deutsches Mitglied im Gouverneursrat ist der Bundesminister der Finanzen (Art. 5 Abs. 1 Satz 3 ESMV), der nicht nur mittelbar vom Vertrauen des Bundestages abhängig (Art. 64 Abs. 1, Art. 67 Abs. 1 GG), sondern diesem gegenüber auch rechenschaftspflichtig ist (Art. 114 GG). In der mündlichen Verhandlung hat die Bundesregierung darüber hinaus erklärt, dass ein Staatssekretär mit der Funktion des deutschen Direktoriumsmitglieds betraut werde. Schließlich geht das ESM-Finanzierungsgesetz, indem es vorsieht, dass die deutschen Vertreter haushaltsrelevante Entscheidungen des Europäischen Stabilitätsmechanismus abzulehnen haben, wenn kein zustimmender Beschluss des Deutschen Bundestages vorliegt (§ 4 Abs. 2 und Abs. 3, § 5 Abs. 2 Satz 4 ESMFinG), ersichtlich davon aus, dass sie an die parlamentarischen Vorgaben gebunden sind.
| |
bb) Im Hinblick auf die Ausgabe von Anteilen am Stammkapital des Europäischen Stabilitätsmechanismus über dem Nennwert nach Art. 8 Abs. 2 Satz 4 ESMV (1) sowie bei der haushalterischen Sicherstellung, dass es nicht zu einer Anwendung des Art. 4 Abs. 8 ESMV auf die Bundesrepublik Deutschland kommt (2), bedarf es einer vertieften Würdigung im Hauptsacheverfahren.
| |
(1) Die Ausgabe von Anteilen am Stammkapital des Europäi ![]() ![]() | |
Da sich § 4 Abs. 1 ESMFinG angesichts seines nicht abschließenden Charakters ("insbesondere"), wie oben dargelegt (vgl. B.III.2.c)aa)(1)), jedoch verfassungskonform so auslegen lässt, dass er auch auf Beschlüsse nach Art. 5 Abs. 6 Buchstabe b ESMV Anwendung finden kann, bedarf es -- unabhängig von der Frage, inwieweit hier eine ausdrückliche Regelung geboten wäre -- jedenfalls nicht des Erlasses einer einstweiligen Anordnung.
| |
(2) Der Gesetzgeber hat durch § 1 Abs. 1 ESMFinG, das Nachtragshaushaltsgesetz vom 14. Juni 2012 (BTDrucks 17/9650, 17/9651) und § 1 Abs. 2 Satz 1 ESMFinG Mittel in einem Umfang von 21,71712 Milliarden Euro bereitgestellt und das Bundesministerium der Finanzen ermächtigt, für das abrufbare Kapital in Höhe von 168,30768 Milliarden Euro Gewährleistungen zu übernehmen. Ob dies mit hinreichender Sicherheit gewährleistet, dass die Bundesrepublik Deutschland sämtlichen, auch kurzfristigen Kapitalabrufen (Art. 9 Abs. 3 ESMV) nachkommen und einen Verlust der Stimmrechte ausschließen kann, muss der Entscheidung über die Hauptsache vorbehalten bleiben.
| |
cc) Unter welchen Voraussetzungen ein Beschwerdeführer die Zuständigkeitsverteilung zwischen Plenum, Haushaltsausschuss und anderen Untergremien des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung seiner Beteiligungsrechte in Angelegenheiten der Europäischen Union (vgl. BVerfGE 130, 318 [341] m.w.N.) als Verletzung des durch Art. 38 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 in ![]() ![]() | |
Der Gesetzgeber hat sich bei der Zuordnung der Beteiligungsrechte zu Plenum, Haushaltsausschuss und Sondergremium an diesen Kriterien orientiert.
| |
(1) Er hat Angelegenheiten, die die haushaltspolitische Gesamtverantwortung betreffen, entweder schon im Gesetz selbst geregelt (Art. 2 des Gesetzes zu dem Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus) oder sie dem Plenum zugewiesen (§ 4 ESMFinG). Anwendungsfälle des § 4 Abs. 1 Satz 1 ESMFinG werden in § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis Nr. 3 ESMFinG exemplarisch konkretisiert. Damit wird zugleich der Begriff der haushaltspolitischen Gesamtverantwortung für den vorliegenden ![]() ![]() | |
(2) Dagegen könnten in § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 ESMFinG dem Haushaltsausschuss Befugnisse zugewiesen sein, die wegen ihrer Tragweite vom Plenum wahrzunehmen sind.
| |
§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ESMFinG betrifft Beschlüsse des Gouverneursrates über Kapitalabrufe (Art. 9 Abs. 1 ESMV) und die Annahme oder wesentliche Änderung der Regelungen und Bedingungen ("terms and conditions"), die nach Art. 9 Abs. 4 ESMV gelten. In § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ESMFinG sind die Annahme oder wesentliche Änderung der Durchführungsmodalitäten der einzelnen Finanzhilfefazilitäten nach Art. 14 bis Art. 18 ESMV, der Preisgestaltungsleitlinien nach Art. 20 Abs. 2 ESMV, der Leitlinien für Anleiheoperationen nach Art. 21 Abs. 2 ESMV, der Leitlinien für die Anlagepolitik nach Art. 22 Abs. 1 ESMV, der Leitlinien für die Dividendenpolitik nach Art. 23 Abs. 3 ESMV und der Vorschriften für die Einrichtung, Verwaltung und Verwendung weiterer Fonds nach Art. 24 Abs. 4 ESMV angesprochen. Die ge ![]() ![]() | |
Anhand von Kapitalabrufen nach Art. 9 Abs. 1 ESMV lässt sich verdeutlichen, dass es insoweit vertiefter Erwägungen bedarf. Auch wenn der Abruf des vom Gesetzgeber bereits "bewilligten" Kapitals die haushaltspolitische Gesamtverantwortung selbst typischerweise nicht (mehr) berühren wird, so liegen die Dinge hinsichtlich der in Art. 9 Abs. 4 ESMV aufgeführten Regelungen und Bedingungen wohl anders. Sie werden, wie ein dem Gericht durch den Bevollmächtigten der Bundesregierung übermitteltes Entwurfsdokument belegt, beispielsweise Genehmigungsverfahren festlegen, die den jeweiligen Sitzungen vorangehen. Sie sollen Zeitrahmen festlegen, innerhalb derer die Mitglieder der ESM-Organe entsprechende Vorschläge für Kapitalabrufe erhalten, und konkrete Einzahlungsfristen festsetzen. Weiter werden die Anwendungsbereiche der unterschiedlichen Varianten des Kapitalabrufes durch Gouverneursrat (Art. 9 Abs. 1 ESMV), Direktorium (Art. 9 Abs. 2 ESMV) und Geschäftsführenden Direktor (Art. 9 Abs. 3 ESMV), die sich hinsichtlich der Qualität der möglichen Parlamentsbeteiligung unterscheiden, konkretisiert. So ist in dem vorgelegten Entwurfsdokument etwa vorgesehen, dass die Kapitalabrufe nach Art. 9 Abs. 3 ESMV, mit denen nach der Systematik der Vorschrift selten zu rechnen sein sollte, "während der Anfangsphase" auch die beschleunigte Einzahlung von Kapital nach Art. 41 Abs. 2 ESMV umfassen sollen. Die Entscheidung über die Regelungen und Bedingungen nach Art. 9 Abs. 4 ESMV kann die Befugnisse der Organe zu Kapitalabrufen nach Art. 9 ESMV somit gegenständlich oder größenmäßig eingrenzen oder auch über ![]() ![]() | |
d) Das Gesetz zu dem Vertrag vom 2. März 2012 über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion verstößt bei summarischer Prüfung ebenfalls nicht gegen Art. 38 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG. Der Regelungsgehalt des Vertrages deckt sich weitgehend mit bereits bestehenden verfassungsrechtlichen Vorgaben und mit primärrechtlichen Verpflichtungen aus dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (aa). Er räumt den Organen der Europäischen Union keine Befugnisse ein, die die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages berühren (bb) und zwingt die Bundesrepublik Deutschland nicht zu einer dauerhaften, nicht mehr reversiblen Festlegung ihrer Wirtschaftspolitik (cc).
| |
aa) Ziel des Vertrages über Stabilität, Koordinierung und Steuerung der Wirtschafts- und Währungsunion ist ausweislich seines Artikels 1 und des in Titel III geregelten "Fiskalpolitischen Paktes" die Stärkung der wirtschaftlichen Säule der Wirtschafts- und Währungsunion durch die Förderung der Haushaltsdisziplin. Er deckt sich teils mit den Anforderungen aus Art. 109, 115 und 143d GG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2248) ((1)), teils mit den im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union enthaltenen Vorgaben für die Haushaltswirtschaft der Mitgliedstaaten, insbesondere mit den in Art. 126 AEUV und den ihn ergänzenden Protokollen (vor allem Protokoll [Nr. 12] über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit und Protokoll [Nr. 13] über die Konvergenzkriterien) niedergelegten Regelungen ((2)). Die haushalts ![]() ![]() | |
(1) Die völkerrechtlichen Verpflichtungen aus Art. 3 SKSV, der an mehreren Stellen Begriffe und Regelungsgehalte aus dem sekundärrechtlichen "Six-Pack" aufgreift, sind den in Art. 109, 109a, 115 und 143d GG enthaltenen Vorgaben, deren Zielsetzung bereits der Europäischen Stabilitätspolitik entlehnt ist, im Wesentlichen strukturell gleichgeartet. Die verfassungsrechtlichen Verschuldungsregeln sind im Jahr 2009 reformiert worden, weil die bis dahin geltenden Regelungen des Grundgesetzes das Auflaufen eines übermäßigen Schuldenstandes nicht verhindern konnten (vgl. auch BVerfGE 119, 96 [141f.]) und der Gesetzgeber sich von den Ansätzen des präventiven wie des korrektiven Arms des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes (Verordnungen [EG] Nr. 1466/97 und [EG] Nr. 1467/97) eine größere Durchschlagskraft versprach (vgl. BTDrucks 16/12410, S. 1, 5f., 10; siehe auch Kube, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 109 Rn. 24f. [Mai 2011]; Pünder, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115 Rn. 17f., 34; Gregor Kirchhof, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 6. Aufl. 2010, Art. 109 Rn. 28f.; Siekmann, in: Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 109 Rn. 83; Christ, NVwZ 2009, S. 1333 [1337]; Scholl, DÖV 2010, S. 160 [164]).
| |
(a) Art. 3 Abs. 1 Buchstabe a SKSV verlangt die Vorlage eines mindestens ausgeglichenen Haushaltes. Ein solcher gilt nach Art. 3 Abs. 1 Buchstabe b SKSV auch als erreicht, wenn der jährliche strukturelle Saldo dem durch die Mitgliedstaaten selbst festzulegenden mittelfristigen Ziel im Sinne des geänderten Stabilitäts- und Wachstumspaktes (vgl. Art. 2a Abs. 2 der Verordnung [EG] Nr. 1466/97 in der Fassung der Verordnung [EU] Nr. 1175/2011), mit der Untergrenze eines strukturellen Defizits von 0,5% des Bruttoinlandsproduktes, entspricht. Diese Defizitgrenzen müssen nicht sogleich erreicht werden. Die Vertragsparteien sind nach Art. 3 Abs. 1 Buchstabe b Satz 2 und Satz 3 SKSV jedoch verpflichtet, sich ihrem jeweiligen mittelfristigen Ziel innerhalb eines individuellen Zeitrahmens zu nähern. Die wesentlichen Merkmale dieses sogenannten Anpassungspfades ergeben ![]() ![]() | |
Erhebliche Abweichungen vom mittelfristigen Ziel oder dem dorthin führenden Anpassungspfad lösen gemäß Art. 3 Abs. 1 Buchstabe e SKSV automatisch einen Korrekturmechanismus aus. Ob eine erhebliche Abweichung vorliegt, wird auf der Grundlage einer Gesamtbewertung evaluiert, wobei das mittelfristige Ziel beziehungsweise der Anpassungspfad um bis zu 0,5% des Bruttoinlandsproduktes unterschritten werden dürfen (Art. 6 Abs. 3 der Verordnung [EG] Nr. 1466/97 in der Fassung der Verordnung [EU] Nr. 1175/2011). Der Korrekturmechanismus ist von den Vertragsparteien auf nationaler Ebene in institutionalisierter Form einzurichten (Art. 3 Abs. 2 Satz 2 SKSV). Bei dessen Einrichtung ("dabei") stützen sich die Vertragsparteien auf von der Europäischen Kommission vorzuschlagende Grundsätze.
| |
(b) Auch nach Art. 109 Abs. 3 Satz 1 GG ist der Haushalt grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen. Dem entspricht die Kernforderung der europäischen Schuldenbremse aus Art. 3 Abs. 1 Buchstabe a SKSV.
| |
(aa) Wie Art. 3 Abs. 1 Buchstabe b SKSV stellt auch Art. 109 Abs. 3 Satz 4 in Verbindung mit Art. 115 Abs. 2 Satz 2 GG eine gesetzliche Fiktion für das Erreichen eines ausgeglichenen Haushaltes auf, wenn dieses Ziel nur geringfügig verfehlt wird. Der in Art. 3 Abs. 1 Buchstabe b Satz 2 und Satz 3 SKSV vorgesehene Anpassungspfad spiegelt sich in Art. 143d Abs. 1 Satz 5, Satz 6 ![]() ![]() | |
(bb) Nach Art. 109 Abs. 3 Satz 2 in Verbindung mit Art. 115 Abs. 2 Satz 3 GG kann bei einer konjunkturellen Entwicklung, die von der Normallage abweicht, sowie bei Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen, von den Defizitvorgaben abgewichen werden. Auch Art. 3 Abs. 1 Buchstabe c in Verbindung mit Abs. 3 Satz 2 Buchstabe b SKSV nennt als Abweichungsgrund einen schweren Konjunkturabschwung sowie ein "außergewöhnliches Ereignis, das sich der Kontrolle der betreffenden Vertragspartei entzieht und erhebliche Auswirkungen auf die Lage der öffentlichen Finanzen hat". Den Hauptanwendungsfall des auf völkerrechtlicher Ebene abstrakt umschriebenen zuletzt genannten Abweichungsgrundes benennt das Grundgesetz konkret mit Naturkatastrophen.
| |
(cc) Art. 109a Satz 1 Nr. 1 GG in Verbindung mit dem hierzu ergangenen Stabilitätsratsgesetz (BGBl. I 2009 S. 2702) sieht zur Vermeidung von Haushaltsnotlagen die Einrichtung eines Stabilitätsrates zur fortlaufenden Überwachung der Haushaltswirtschaft vor, mithin -- wie Art. 3 Abs. 2 Satz 2 SKSV -- eine institutionali ![]() ![]() | |
(2) Für die verfassungsrechtliche Beurteilung von Bedeutung ist ferner, dass die Regelungen des Vertrages über Stabilität, Koordinierung und Steuerung der Wirtschafts- und Währungsunion Vorschriften des Unionsrechts wiederholen oder näher konkretisieren.
| |
(a) So verpflichtet Art. 4 Satz 1 SKSV die Vertragsstaaten, bei Überschreitung des Referenzwertes für den Schuldenstand von 60% des Bruttoinlandsproduktes (Art. 126 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe b, Satz 3 AEUV i.V.m. Art. 1 des Protokolls [Nr. 12] über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit) das Verhältnis zwischen beiden als Richtwert um durchschnittlich ein Zwanzigstel jährlich zu verringern. Wie sich aus dem Verweis auf Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 in der Fassung der Verordnung (EU) Nr. 1177/2011 ergibt, dürfte dies auf die Verpflichtung hinauslaufen, den einen Schuldenstand von 60% des Bruttoinlandsproduktes übersteigenden Teil um ein Zwanzigstel jährlich zu reduzieren (so auch BTDrucks 17/9046, S. 21). Dies konkretisiert im Ergebnis den insoweit unbestimmten Art. 126 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe b AEUV, dessen Überwachung jedoch weiterhin Kommission und Rat nach dem in Art. 126 AEUV geregelten Verfahren obliegt (Art. 4 Satz 2 SKSV).
| |
(b) Die Verpflichtung zur Vorlage von genehmigungsbedürftigen Haushalts- und Wirtschaftspartnerschaftsprogrammen nach Art. 5 Abs. 1 SKSV ist in das primärrechtlich geregelte Defizitverfahren (Art. 126 AEUV) eingebettet. Dessen Ablauf ändert Art. 5 Abs. 1 SKSV lediglich in die Vertragsstaaten begünstigender Weise. Diese sind nicht mehr darauf beschränkt, auf sanktionsbewehrte Empfehlungen der europäischen Organe zu reagieren ![]() ![]() | |
(c) Auch Art. 7 SKSV fügt sich in das Verfahren nach Art. 126 AEUV ein. Art. 7 SKSV, der von dem "Defizit-Kriterium" im Singular spricht, betrifft allein das in Art. 126 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe a AEUV genannte Kriterium des öffentlichen Defizits (Referenzwert 3%) und verpflichtet die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, zur Unterstützung der Vorschläge oder Empfehlungen der Europäischen Kommission im Rahmen eines Verfahrens nach Art. 126 AEUV (Satz 1). Die Verpflichtung entfällt gemäß Art. 7 Satz 2 SKSV, wenn sich eine qualifizierte Mehrheit der Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, im Rat gegen die vorgeschlagene oder empfohlene Beschlussfassung entscheidet. Den in Art. 126 AEUV geregelten Verfahrensablauf ändert Art. 7 SKSV nicht. Er bindet jedoch die politische Entscheidungsfreiheit der Vertragspartner im Rat und stärkt damit rechtlich wie faktisch den Einfluss der Europäischen Kommission im Defizitverfahren. Ob die Regelung von Art. 7 SKSV mit Unionsrecht vereinbar ist, kann hier dahinstehen; eine Beeinträchtigung der Budgethoheit des Deutschen Bundestages ist mit ihr jedenfalls nicht verbunden.
| |
(3) Die haushaltsspezifischen Regelungen des Vertrages über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion decken sich somit im Grundsatz mit den Art. 109, 109a, 115, 143d GG und mit Art. 126 AEUV, der nicht nur vom Bundesverfassungsgericht mehrfach gebilligt worden ist (vgl. ![]() ![]() | |
bb) Der Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion räumt Organen der Europäischen Union bei summarischer Prüfung keine Befugnisse ein, die die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages berühren.
| |
(1) Art. 3 Abs. 2 Satz 2 SKSV beeinträchtigt bei summarischer Prüfung nicht die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages. Nach dieser Bestimmung stützen sich die Vertragsparteien bei der Einrichtung des Korrekturmechanismus auf gemeinsame, von der Europäischen Kommission vorzuschlagende Grundsätze, die insbesondere die Art, den Umfang und den zeitlichen Rahmen der auch unter außergewöhnlichen Umständen zu treffenden Korrekturmaßnahmen sowie die Rolle und Unabhängigkeit der auf nationaler Ebene für die Überwachung der Defizit- und Schuldenstandskriterien zuständigen Institutionen betreffen. Art. 3 Abs. 2 Satz 3 SKSV betont allerdings, dass dieser Korrekturmechanismus die Vorrechte der nationalen Parlamente uneingeschränkt wahren muss. Art. 3 Abs. 2 Satz 2 SKSV kann daher nur so verstanden werden, dass er sich auf die institutionellen Bestimmungen beschränkt und der Europäischen Kommission keine Befugnis zu konkreten materiellen Vorgaben für die Gestaltung der Haushalte verleiht (vgl. auch Conseil constitutionnel, Décision n 2012 -- 653 DC vom 9. August 2012, cons. ![]() ![]() | |
(2) Nach Art. 8 Abs. 1 SKSV kann der Gerichtshof der Europäischen Union mit einer Verletzung der Verpflichtungen aus Art. 3 Abs. 2 SKSV befasst werden. Die Zuständigkeit des Gerichtshofes ist dabei von vornherein auf die Überprüfung der Inkorporation der Defizitgrenzen und des Anpassungspfades sowie des Korrekturmechanismus in die nationale Rechtsordnung beschränkt (Art. 8 Abs. 1 Satz 2 SKSV). Sie erstreckt sich damit nur auf die Kodifikation dieser Instrumente, nicht aber auf ihre konkrete Anwendung. Damit sichert Art. 8 SKSV lediglich die, wie dargelegt, verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Verpflichtungen aus Art. 3 Abs. 2 SKSV prozessual ab.
| |
Die konkrete Ausgestaltung dieser prozessualen Absicherung begegnet bei summarischer Prüfung keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die gerichtliche Kontrolle ist dem zweistufigen Vertragsverletzungsverfahren der Art. 259f. AEUV nachgebildet. In der ersten Verfahrensstufe kann der Gerichtshof zunächst lediglich einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 SKSV feststellen. Auch die in der zweiten Verfahrensstufe mögliche Verhängung einer finanziellen Sanktion führt nicht zu einem unmittelbaren Durchgriff der Organe der Europäischen Union auf die konkrete Gestaltungsfreiheit des nationalen Haushaltsgesetzgebers.
| |
cc) Mit der Ratifizierung des Vertrages über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion geht die Bundesrepublik Deutschland schließlich keine irreversible Bindung an eine bestimmte Haushaltspolitik ein.
| |
Nach Art. 3 Abs. 2 Satz 1 SKSV sollen die Regelungen nach Absatz 1 (Defizitgrenzen, Anpassungspfad und Korrekturmechanismus) im einzelstaatlichen Recht der Vertragsparteien in Form von Bestimmungen, die verbindlicher und dauerhafter Art sind, vorzugsweise mit Verfassungsrang, oder deren vollständige Einhal ![]() ![]() ![]() ![]() | |