4. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung | |
vom 7. Oktober 1998
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i.S. Grüne Bewegung Uri
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(u.a.) gegen Landrat des Kantons Uri (staatsrechtliche Beschwerde)
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Regeste | |
Art. 85 lit. a OG; Urner Volksinitiative `für gleiche Wahlchancen' ("Wahlchanceninitiative").
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Zusammenfassung der bisherigen Rechtsprechung zu Art. 4 Abs. 2 BV im Allgemeinen (E. 3a) und zu Frauenquoten im Besonderen (E. 3b); Auseinandersetzung mit der hieran geübten Kritik (E. 3c und 3d).
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Als Gleichstellungsmassnahmen kommen auch ergebnisbezogene Quoten in Betracht (E. 3d/aa; Präzisierung von BGE 123 I 152).
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Die quotenmässige Zuteilung von Volkswahl-Mandaten stellt eine unzulässige Einschränkung des freien und gleichen Wahlrechts dar (E. 3d/dd).
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Kriterien für die Beurteilung von Quotenregelungen nach Völkerrecht (E. 4).
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Beurteilung der Gleichstellungsmassnahmen der `Wahlchanceninitiative': Quoten für Behörden und Kommissionen, die direkt vom Volk gewählt werden (E. 5a); Quoten für Behörden und Kommissionen, die nur indirekt vom Volk gewählt werden (E. 5b); Quoten für Majorzwahlen und Wahlvorschlagsquoten für Proporzwahlen zum Landrat (E. 5c); Teilgültigkeit der Initiative (E. 7).
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Befristungsproblematik (E. 6).
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Am 15. April 1996 wurde dem Regierungsrat des Kantons Uri die Volksinitiative "für gleiche Wahlchancen (Wahlchancen-Initiative)" mit folgendem Wortlaut eingereicht:
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"Die Verfassung des Kantons Uri ist durch den folgenden Artikel 75bis (Gleichstellung der Geschlechter) zu ergänzen:
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1 Alle Behörden und Kommissionen, die vom Volk gewählt oder durch gewählte Organe bestimmt werden, sind annähernd je zur Hälfte mit Frauen und Männern besetzt. Jedes Geschlecht ist jedoch mindestens zu einem Drittel vertreten. Für den Landrat gelten die Vorschriften der Absätze 2 und 3.
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2 Bei den Landratswahlen in Gemeinden, in denen nach Proporzsystem gewählt wird, beträgt die zahlenmässige Differenz zwischen Frauen und Männern auf den gedruckten Wahllisten höchstens eins. ![]() | |
Übergangsbestimmungen:
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1 Nimmt ein gewähltes Organ Ersatzwahlen für eine Behörde oder Kommission vor, hat jedes Geschlecht Anspruch auf jede zweite Nachfolge, bis das Minimalziel von Artikel 75bis Abs. 1 erfüllt ist.
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2 Bei der ersten nach den Bestimmungen von Artikel 75bis durchgeführten Gesamterneuerungswahl von Behörden oder Kommissionen, die vom Volk im Majorz gewählt werden, gilt folgende Ausnahme: Personen, die bereits bisher Mitglieder der gleichen Behörde oder der gleichen Kommission waren und wiedergewählt werden, gelten auch dann als gewählt, wenn das Ziel von Artikel 75bis noch nicht erfüllt ist.
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3 Bei der ersten Gesamterneuerungswahl des Landrates nach Annahme von Artikel 75bis beträgt in den Gemeinden, in denen nach Proporz gewählt wird, der Anteil jedes Geschlechts auf den gedruckten Wahllisten mindestens je 30 Prozent."
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Der Regierungsrat erstattete am 22. April 1997 Bericht und Antrag an den Landrat des Kantons Uri. Er führte aus, die Initiative wirke sich diskriminierend aus. Sie führe dazu, dass in konkreten Wahlen ein Mann oder eine Frau wegen des Geschlechts nicht wählbar sei. Dies verletze den Anspruch der Kandidaten und Kandidatinnen auf rechtsgleiche Behandlung und, soweit Volkswahlen betroffen seien, auch die Wahl- und Abstimmungsfreiheit der Stimmbürger und Stimmbürgerinnen. Desgleichen schränke die unterbreitete Wahlvorschlagsquote für die Landratswahlen in den Proporzgemeinden die Auswahlfreiheit der Stimmberechtigten ein. Dafür gebe es keine Rechtfertigung. Der Regierungsrat beantragte deshalb, die Wahlchancen-Initiative sei für ungültig zu erklären und nicht dem Volk zur Abstimmung vorzulegen. Der Landrat folgte mit Beschluss vom 4. Juni 1997 dem Antrag des Regierungsrats.
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Die Grüne Bewegung Uri, Annalise Russi, Doris Rosenkranz, Raphael Brand und Alf Arnold Rosenkranz haben gegen die Ungültigerklärung der Initiative eine staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht eingereicht und beantragen die Aufhebung des Beschlusses des Landrates. Eventualiter sei der Beschluss im Umfang der Teilgültigkeit der Wahlchancen-Initiative aufzuheben. Die Beschwerdeführerinnen und die Beschwerdeführer (nachfolgend: Beschwerdeführerinnen) machen eine Verletzung ihrer politischen Rechte geltend. ![]() ![]() | |
aus folgenden Erwägungen:
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Erwägung 3 | |
3.- a) Im Mittelpunkt der Rechtserörterungen steht Art. 4 Abs. 2 BV. Diese Bestimmung umfasst drei Sätze: Satz 1 statuiert die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Nach Satz 2 hat das Gesetz - vor allem in Familie, Ausbildung und Arbeit - für die Gleichstellung von Frauen und Männern zu sorgen. Satz 3 legt das Lohngleichheitsprinzip fest. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung gewährleistet Satz 1 ein verfassungsmässiges Recht, das mit bestimmten Ausnahmen eine rechtliche Differenzierung nach dem Geschlecht verbietet und unmittelbar anwendbar ist. Eine unterschiedliche Behandlung von Mann und Frau ist nur zulässig, wenn auf dem Geschlecht beruhende biologische oder funktionale Unterschiede eine Gleichbehandlung absolut ausschliessen (BGE 108 Ia 22 E. 5a S. 29 und nachfolgend bestätigt in BGE 123 I 152 E. 3a S. 156; 120 V 312 E. 2a S. 314; 117 Ia 262 E. 2a S. 264, 270 E. 2a S. 272; 117 V 318 E. 2a S. 321; 116 V 198 E. II/ 2a/bb S. 208). Gemäss Satz 2 ist der Gesetzgeber beauftragt, die Gleichstellung von Mann und Frau zu verwirklichen. Hieraus ergibt sich die staatliche Aufgabe, tatsächliche Gleichstellung in der sozialen Wirklichkeit zu schaffen (BGE 116 Ib 270 E. 7a S. 283, 284 E. 7a S. 297; bestätigt in BGE 123 I 152 E. 3a S. 156 f. und 117 V 194 E. 4a S. 196). In diesem Sinn nimmt die Rechtsprechung eine Zweiteilung vor: Satz 1 statuiert das Diskriminierungsverbot als formalrechtliche Gleichstellung und Satz 2 das Egalisierungsgebot als Auftrag, materielle Chancengleichheit zu schaffen. Das Lohngleichheitsprinzip gemäss Satz 3 ist im vorliegenden Zusammenhang nicht relevant.
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Nach den zitierten Präjudizien versteht das Bundesgericht den Geschlechtergleichheitssatz als formelles Diskriminierungsverbot. Der formalrechtliche Charakter ist allerdings insoweit durchbrochen, als aufgrund biologischer und funktionaler Unterschiede der Geschlechter Differenzierungen erforderlich sind. In dieser Hinsicht weist auch Art. 4 Abs. 2 Satz 1 BV einen Aspekt materieller Gleichstellung auf (s. CHRISTA TOBLER, Quoten und Verständnis der Rechtsgleichheit der Geschlechter im schweizerischen Verfassungsrecht, unter vergleichender Berücksichtigung der EuGH-Entscheidung Kalanke, in: Frauenförderung durch Quoten, Hrsg. KATHRIN ARIOLI, Basel/Frankfurt a.M. 1997, S. 68). Die Erforderlichkeit politischer Quoten kann nicht mit biologischen oder funktionalen Unterschieden ![]() ![]() | |
b) Im Zusammenhang mit der "Solothurner Quoteninitiative" hatte das Bundesgericht erstmals Gelegenheit, sich zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit politischer Quoten zu äussern (BGE 123 I 152). Zum Verhältnis von Satz 1 zu Satz 2 des Art. 4 Abs. 2 BV wird in den Erwägungen ausgeführt, dass die Verfassungsbestimmung positive Massnahmen zur Verwirklichung der tatsächlichen Gleichstellung - insbesondere Frauenförderungsmassnahmen - zulasse und damit unter Umständen ein Abweichen vom Diskriminierungsverbot erlaube, sofern die Förderungsmassnahmen in einem vernünftigen Verhältnis zum Regelungsziel stehen, d.h. sich gestützt auf eine Interessenabwägung als verhältnismässig erweisen (E. 3b S. 157 f.). Die `Solothurner Quoteninitiative' verlangte eine dem Bevölkerungsanteil entsprechende Vertretung von Frauen und Männern in Parlament, Regierung und Gerichten. Das Bundesgericht erblickte in einer solchen Quotenregelung ein Abweichen vom Diskriminierungsverbot, wofür es nach dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit keine Rechtfertigung gebe. Bei der Prüfung der Verhältnismässigkeit untersuchte es, ob die unterschiedliche Behandlung von Mann und Frau für die Erfüllung des Auftrags zur Herstellung der tatsächlichen Gleichstellung im konkreten Fall geeignet und erforderlich sei und ob das Zweck-Mittel-Verhältnis stimme. Es führte dazu u.a. aus, es gehe bei dem in Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BV enthaltenen Gebot um die rechtliche und faktische Möglichkeit eines jeden, seine Stellung in der Gesellschaft ohne Einfluss geschlechtsspezifischer Hemmnisse zu gestalten. Die angestrebte Gleichheit sei eine Gleichheit der Chancen und nicht des Resultats. Eine Quotenregelung, welche eine paritätische Vertretung der Geschlechter vorschreibe oder anstrebe, ziele auf Ergebnisgleichheit ab und gehe damit über das Ziel des in Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BV enthaltenen Egalisierungsgebots hinaus. Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BV biete keine Handhabe für eine paritätische Verteilung der politischen ![]() ![]() | |
Schliesslich prüfte das Bundesgericht die vorgeschlagene Quotenregelung in Bezug auf vom Volk gewählte Behörden unter dem Gesichtspunkt des Stimm- und Wahlrechts. Es hielt fest, dass das allgemeine, freie und gleiche Stimm- und Wahlrecht grundsätzlich absolut gelte und dass Einschränkungen nur zulässig seien, um ein Wahlsystem zu verwirklichen. Das Abstellen auf das Geschlecht sei keine solche systembedingte Abweichung. Das Geschlecht sei deshalb sowohl in Bezug auf das aktive wie auch das passive Wahlrecht grundsätzlich ein unzulässiges Kriterium. Werde das Geschlecht zum determinierenden Kriterium erhoben, könne der freie Willen der Stimmbürger nicht mehr zuverlässig und unverfälscht zum Ausdruck kommen. Das Bundesgericht nahm deshalb an, die vorgeschlagene Initiative kollidiere - soweit sie vom Volk gewählte Behörden betraf - auch mit den politischen Rechten beider Geschlechter (E. 8 S. 171 ff.).
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Das Quotenurteil hat bei YVO HANGARTNER Zustimmung gefunden (Urteilsbesprechung in AJP 1997, S. 1031-1033). ETIENNE GRISEL hält das Urteil im Ergebnis für richtig, kritisiert aber die bundesgerichtliche Auslegung von Art. 4 Abs. 2 BV: Seines Erachtens ist auch das Gleichstellungsgebot in Satz 2 formalrechtlicher Natur, ![]() ![]() | |
DENISE BUSER und TOMAS POLEDNA haben das bundesgerichtliche Quotenurteil einer eingehenden Analyse unterworfen (Politische Quoten auf dem Schafott - Reflexionen zum Bundesgerichtsurteil zur "Solothurner Quoteninitiative", AJP 1997, S. 981-989). Die Autoren bezeichnen das Urteil im Ergebnis als verständlich, angesichts der strengen Vorschriften der Solothurner Quoteninitiative und in Anbetracht des hohen Anteils von Frauen im Solothurner Parlament. Sie halten jedoch die Urteilsbegründung in mehrfacher Hinsicht für problematisch. Nach ihrer Kritik hat das Bundesgericht die Tragweite von Art. 4 Abs. 2 BV unter dem isolierten Blickwinkel des ersten Satzes der Bestimmung beurteilt und auf eine integrale Auslegung des Gleichheitsartikels unter Einbezug all seiner Gehalte verzichtet. Eine solche verengte Optik verletze letztlich das verfassungsmässige Gleichstellungsprinzip. Sodann bemängeln die Autoren, dass das Bundesgericht den Diskriminierungsgehalt von Quotenregelungen als gegeben voraussetze, was jedoch nicht ohne weiteres selbstverständlich sei. Eine materielle Gleichstellung gehe zwingend einher mit dem Abbau tatsächlicher Privilegien der ![]() ![]() | |
ANDREAS AUER und VINCENT MARTENET kritisieren den Quotenentscheid unter demokratischen und föderalistischen Aspekten (Les quotas, la démocratie et le fédéralisme, SJ 1997, S. 629-659). Sie heben u.a. hervor, dass es in der schweizerischen Doktrin keinen Konsens über die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Quotenregelungen gebe und dass die Einführung von Geschlechterquoten in vielen westlichen Demokratien zur Diskussion stehe. Die Entwicklung ![]() ![]() | |
aa) Im Vordergrund steht die Frage, ob Gleichstellungsmassnahmen im Sinn von Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BV auch Quotensysteme erfassen. In den Erwägungen zum "Solothurner Quotenurteil" wird gesagt, dass die anzustrebende materielle Chancengleichheit auf eine Gleichheit der Startbedingungen und nicht des Resultats abziele (E. 5b). In diesem Zusammenhang wird auch auf die Kalanke-Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) hingewiesen (Urteil vom 17. Oktober 1995 in der Rs. C-450/93, Kalanke, Slg. 1995, S. I-3051 ff. = EuGRZ 1995, S. 546 ff. [zwischenzeitlich wurde diese Rechtsprechung im Urteil vom 11. November 1997 in der Rs. C-409/95, Marschall, Slg. 1997, S. I-6363 = EuGRZ 1997, S. 563 ff. präzisiert]). Diese Hinweise könnten in dem Sinn verstanden werden, das Bundesgericht habe ergebnisbezogene Gleichstellungsmassnahmen generell als mit Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BV unvereinbar erachtet und dem Begriff der materiellen Chancengleichheit eine rein formalrechtliche Tragweite zugemessen (vgl. BGE 108 Ia 22 E. 5b S. 31, wo Folgendes ausgeführt wird: 'Quant à la notion d'égalité des chances, elle n'a, selon le Conseil fédéral, jamais signifié autre chose que: "formellement, les hommes et les femmes doivent être placés dans la même situation juridique" [FF 1980 I p. 124].'). Bei einem solchen Verständnis des Begriffes der Gleichstellung in Satz 2 wären Quotenregelungen wegen ihrer Ergebnisorientiertheit ausgeschlossen; die Frage der Verhältnismässigkeit würde sich gar nicht mehr stellen. Eine solch einschränkende Auslegung liegt dem `Solothurner Quotenentscheid' jedoch nicht zugrunde. Das Bundesgericht war der Auffassung, die Solothurner Initiative gehe unter dem Aspekt der materiellen Chancengleichheit über das Gebotene hinaus, indem sie zeitlich unbefristet eine paritätische Repräsentation der Geschlechter und in diesem Sinn eine Ergebnisgleichheit festschreiben wollte. Dagegen erklärt das bundesgerichtliche Urteil nicht von vornherein alle Quoten für unzulässig, die ein bestimmtes Ergebnis zwingend vorschreiben. Deren Zulässigkeit muss vielmehr im Einzelfall am Massstab des Verhältnismässigkeitsprinzips geprüft werden. HANGARTNER ![]() ![]() | |
bb) Nach allgemeiner Auffassung bildet - wie gesagt - Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BV den verfassungsrechtlichen Ansatzpunkt für Quotenregelungen (GEORG MÜLLER, BV-Kommentar, Art. 4 Rz. 137b; derselbe, Quotenregelungen - Rechtssetzung im Spannungsfeld von Gleichheit und Verhältnismässigkeit, ZBl 91/1990, S. 306-318, insbes. S. 310; TOMAS POLEDNA, Geschlechterquoten im Wahl- und Parlamentsrecht, in: Frauenförderung durch Quoten, Hrsg. KATHRIN ARIOLI, Basel/Frankfurt a.M. 1997, S. 141 ff.; MARIANNE SCHWANDER CLAUS, Verfassungsmässigkeit von Frauenquoten, Diss. Bern 1995, 37 ff.; DENISE BUSER, Die Zulässigkeit der Quotierung von Parlamentsmandaten, AJP 1994, S. 330-337, insbes. S. 333 ff.; ANDREAS AUER, Les mesures positives et l'art. 4 al. 2 Cst., AJP 1993, S. 1336-1348, insbes. S. 1342 f.; BEATRICE WEBER-DÜRLER, Aktuelle Aspekte der Gleichberechtigung von Mann und Frau, ZBJV 128/1992, S. 357-380, insbes. S. 366; KATHARINA SIMONE ARIOLI, Frauenförderungsmassnahmen im Erwerbsleben unter besonderer Berücksichtigung der Verfassungsmässigkeit von Quotenregelungen, Diss. Zürich 1991, S. 101 ff.; TOMAS POLEDNA/CHRISTINE KAUFMANN, Die parteiinterne Kandidatennomination - ein demokratisches Defizit?, ZBl 90/1989, S. 281-310, insbes. S. 286 ff.; CHARLES-ALBERT MORAND, L'érosion jurisprudentielle du droit fondamental à l'égalité entre hommes et femmes, in: L'égalité entre hommes et femmes: bilan et perspectives, Hrsg. CHARLES-ALBERT MORAND, Lausanne 1988, S. 73-107, insbes. S. 85 ff.; MICHEL ROSSINELLI, Actions positives et égalité des sexes en droit suisse, in: L'égalité entre hommes et femmes, a.a.O., S. 253-270; a.A. ETIENNE GRISEL, a.a.O., S. 539 ff., wonach sich Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BV - ebenso wie Satz 1 - nur auf die formalrechtliche Gleichstellung bezieht).
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Demgegenüber vertritt CHRISTA TOBLER eine Auslegung von Art. 4 Abs. 2 Satz 1 BV, die Raum lässt für eine differenzierende ![]() ![]() | |
Die für eine Praxisänderung angegebenen Gründe (CHRISTA TOBLER, a.a.O., S. 120 ff.) sind nicht zwingend. Das Bundesgericht hat sich bei seiner Auslegung am Willen des historischen Verfassungsgebers orientiert (s. BGE 108 Ia 22 E. 5a S. 29). Dass es dabei die Regelungsabsicht des Gesetzgebers und die darauf beruhenden Wertentscheidungen unzuverlässig ermittelt hätte, kann nicht gesagt werden. Natürlich beruht auch diese Entscheidung auf wertenden Gesichtspunkten, die je nach Standpunkt verschieden ausfallen können. Es ist kein grundlegender Wandel in den Anschauungen zu erkennen, der ein Abrücken von der herkömmlichen Auslegung nahelegt. Es ist daran festzuhalten, dass Art. 4 Abs. 2 Satz 1 BV die absolute Gleichbehandlung von Mann und Frau verlangt, sofern diese nicht durch biologische oder funktionale Gründe ausgeschlossen ist. Das schliesst aber Massnahmen zur umfassenden Verbesserung der Stellung der Frauen in Gesellschaft und Politik keineswegs aus: Die Beurteilung einer konkreten Gleichstellungsmassnahme muss immer anhand von Art. 4 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 erfolgen, d.h. der materielle Gleichstellungsauftrag muss als gleichwertiger Bestandteil von Art. 4 Abs. 2 BV gesehen werden und darf nicht etwa als Ausnahmebestimmung betrachtet und deshalb restriktiv interpretiert werden. Eine angemessene Massnahme zur Verwirklichung der tatsächlichen Gleichstellung stellt daher keine verfassungswidrige Diskriminierung dar (vgl. Art. 3 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 24. März 1995 über die Gleichstellung von Frau und Mann [SR 151; GlG]). ![]() | |
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dd) Im Schrifttum wird dem Prinzip der praktischen Konkordanz nicht nur im Verhältnis von Satz 1 und Satz 2 von Art. 4 Abs. 2 BV Bedeutung zugemessen, sondern auch in Bezug auf andere verfassungsrechtliche Grundsätze, wie z.B. diejenigen über die politischen Rechte (POLEDNA, Geschlechterquoten im Wahl- und Parlamentsrecht, a.a.O., S. 144 f.). Im "Solothurner-Quotenurteil" hat das Bundesgericht indessen entschieden, dass Quotenvorgaben die Prinzipien der allgemeinen, freien und gleichen Wahl einschränken, dass solche Einschränkungen nur zulässig seien, um ein Wahlsystem zu verwirklichen, und dass Quotierungen keine wahlsystembedingten Abweichungen darstellen und deshalb unzulässig seien: Es sei grundsätzlich unzulässig, das Geschlecht zum determinierenden Wahlkriterium zu erheben (BGE 123 I 152 E. 8 S. 173 f.). In der Literatur ist diese Auffassung - wie bereits ausgeführt worden ist - ![]() ![]() | |
Die Stimmrechtsfreiheit und die Wahlrechtsgleichheit stellen fundamentale Prinzipien des demokratischen Staatswesens dar, die nur aus gewichtigen, zwingenden Gründen eingeschränkt werden dürfen. Nur einzelne wenige spezifische Elemente können im Bereich der politischen Rechte eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen (BGE 124 I 55 E. 5a S. 62 unter Berufung auf ARTHUR HAEFLIGER, Alle Schweizer sind vor dem Gesetz gleich, Bern 1985, S. 57); in der Literatur wird daher von einem "absoluten" oder "strengen" Gleichheitsgrundsatz im Bereich des Stimmrechts gesprochen (vgl. FRITZ FLEINER/ZACCARIA GIACOMETTI, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, Zürich 1949, S. 407; HÄFELIN/HALLER, a.a.O., Rz. 1568, S. 514; YVO HANGARTNER, Grundzüge des schweizerischen Staatsrechts, S. 180; TOMAS POLEDNA, Wahlrechtsgrundsätze und kantonale Parlamentswahlen, Diss. Zürich 1988, S. 5 ff. und S. 23 ff. unter Hinweis auf Art. 4 Abs. 1 BV). Dem Grundsatz der Zählwertgleichheit kommt unstreitig absoluter Charakter zu: Jedem Wähler steht ausnahmslos die gleiche Anzahl von Stimmen zu; Unterscheidungen nach Bildung, Geschlecht, Einkommen, Besitz, Wohnsitz oder anderen subjektiven Merkmalen sind ausgeschlossen (POLEDNA, Wahlrechtsgrundsätze, S. 26 mit weiteren Literaturnachweisen). Dagegen lässt die bundesgerichtliche Rechtsprechung gewisse Einschränkungen der Stimmkrafts- und der Erfolgswertgleichheit (bei Proporzwahlen) unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit und aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses zu (vgl. BGE 123 I 97 E. 4b S. 105). Dabei können - was einzuräumen ist - auch Gründe in Betracht fallen, die nur in einem weiten Sinne wahlsystembedingt sind, wie z.B. der Schutz regionaler oder sprachlicher Minderheiten (vgl. etwa den in Art. 84 Abs. 2 und Art. 85 der Berner Verfassung dem Berner Jura garantierten Sitz im Regierungsrat). Wegen des hohen Stellenwertes der betroffenen politischen Rechte sind solche Einschränkungen allerdings nur mit grösster Zurückhaltung anzuerkennen. ![]() | |
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Erwägung 4 | |
4.- a) Nebst Art. 4 Abs. 2 BV fällt auch Art. 25 UNO-Pakt II ins Blickfeld. Danach hat jeder Staatsbürger das Recht und die Möglichkeit, ohne Unterschied nach den in Art. 2 des Pakts genannten Merkmalen (namentlich des Geschlechts) und ohne unangemessene Einschränkung "bei echten, wiederkehrenden, allgemeinen, gleichen und geheimen Wahlen, bei denen die freie Äusserung des Wählerwillens gewährleistet ist, zu wählen und gewählt zu werden" (lit. b) und "unter allgemeinen Gesichtspunkten der Gleichheit zu öffentlichen Ämtern seines Landes Zugang zu haben" (lit. c). Art. 3 des Pakts verpflichtet die Vertragsstaaten, die Gleichberechtigung von Mann und Frau bei der Ausübung aller im Pakt festgelegten bürgerlichen und politischen Rechte sicherzustellen. Darüber hinaus enthält Art. 26 des Pakts ein allgemeines Diskriminierungsverbot. Diese Bestimmungen schliessen allerdings "positive Diskriminierungen" zur Gleichstellung benachteiligter Bevölkerungsschichten nicht aus. Derartige Massnahmen werden als zulässig betrachtet, solange sie angemessen sind und nur vorübergehend Geltung haben (MANFRED NOWAK, UNO-Pakt über bürgerliche und politische Rechte und Fakultativprotokoll: CCPR-Kommentar, Kehl, Strassburg, Arlington 1989, Rz. 35 zu Art. 25 UNO-Pakt II, S. 484; WALTER KÄLIN/GIORGIO MALINVERNI/MANFRED NOWAK, Die Schweiz und die UNO-Menschenrechtspakte, 2. Auflage, Basel/Frankfurt a.M. 1997, S. 229; TOMAS POLEDNA, Geschlechterquoten im Wahl- und Parlamentsrecht, a.a.O., S. 148 f.; ASTRID EPINEY/NORA RAFAEIL: Chancengleichheit: ein teilbarer Begriff, AJP 1996, S. 179 - 187, insbes. S. 185; vgl. auch Ausschuss für Menschenrechte, Allgemeine Bemerkungen 4[13] (1981) und 18[37] (1989) zu positiven Massnahmen zugunsten benachteiligter Gruppen, abgedruckt in: KÄLIN/ MALINVERNI/NOWAK, a.a.O., S. 359 f. und S. 399 ff., insbes. S. 402, sowie Entscheid des Menschenrechtsausschusses vom 9. Juli 1987 i.S. R. Stalla Costa v. Uruguay, deutsche Übersetzung in EuGRZ 1989 S. 123, zur bevorzugten Einstellung von Opfern der Militärdiktatur im öffentlichen Dienst). b) Diese Auslegung wird durch das UNO-Übereinkommen vom ![]() ![]() ![]() ![]() | |
Erwägung 5 | |
a) Behörden und Kommissionen, die direkt vom Volk gewählt werden;
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b) Behörden und Kommissionen, die nur indirekt vom Volk gewählt werden;
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c) Landratswahlen.
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Die Zulässigkeit einer Quotierung ist für jede der drei Kategorien einzeln zu prüfen, weil sich unterschiedliche Fragen stellen und nicht überall dieselben Kriterien massgebend sind.
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Nach dem in E. 3d/dd Gesagten sind Quotenvorgaben für die Zuteilung von Volkswahl-Mandaten grundsätzlich unzulässig. Dies gilt auch für die von der Wahlchancen-Initiative erfassten Volkswahlen. In dieser Hinsicht sind die politischen Rechte der Beschwerdeführerinnen durch den angefochtenen Entscheid des Landrates nicht verletzt worden. Man kann sich allerdings fragen, ob der erste Satz von Art. 75bis Abs. 1 KV nicht Bestand haben könnte. Die annähernd ![]() ![]() | |
aa) Nach den Darlegungen der Beschwerdeführerinnen sind die Frauen in zahlreichen Behörden und Kommissionen stark untervertreten. Zwar erreicht der Frauenanteil in vielen Gremien ein Drittel und mehr, insgesamt ist jedoch den Beschwerdeführerinnen beizupflichten und von einer erheblichen Unterrepräsentanz auszugehen. Diese lässt auf eine faktische Benachteiligung der Frauen im öffentlichen und politischen Leben des Kantons schliessen. Zum Abbau der Benachteiligung sind Gleichstellungsmassnahmen angezeigt (Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BV; Art. 7 i.V.m. Art. 3 UNO-Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau). Diesem Ziel dient die vorliegende Quotenregelung. Eine verfassungskonforme Auslegung ermöglicht auch hier, in Satz 1 des vorgeschlagenen Art. 75bis KV eine Zielnorm zu erblicken, die lediglich eine Richtschnur festlegt, welche den Wahlbehörden für ![]() ![]() | |
bb) Ist trotz bestehender formalrechtlicher Gleichheit der Frauenanteil tief geblieben, können sich Quotierungen rechtfertigen. Bei einer Quotenhöhe von einem Drittel muss eher von einer milden Massnahme gesprochen werden. Überdies sieht Abs. 1 der Übergangsbestimmungen vor, dass der Mindestanteil nicht sofort erreicht werden muss; vielmehr hat das unterrepräsentierte Geschlecht lediglich Anspruch auf jede zweite Nachfolge durch Ersatzwahlen. Weniger eingreifende Massnahmen, die ebenso geeignet wären, sind nicht offenkundig. Unter diesen Umständen kann die Erforderlichkeit der vorgeschlagenen Gleichstellungsmassnahme nicht verneint werden. In diesem Zusammenhang ist ein gewisser Ermessensspielraum des kantonalen Verfassungsgebers anzuerkennen. Ihm obliegt letztlich der Entscheid, ob er Quoten für ein angemessenes Mittel zur Gleichstellung der Frauen im politischen Bereich hält oder nicht.
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cc) Unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismässigkeit im engen Sinn hielt der Landrat die vorgesehene Quotenregelung auch wegen der fehlenden Befristung für unzulässig. Dieser Einwand ist nicht stichhaltig. Die Quotenregelung greift nur zwingend ein, wenn der Mindestanteil von einem Drittel unterschritten wird. Es ist davon auszugehen, dass ein solcher Mindestanteil sich nach Abbau der noch bestehenden Hindernisse für eine gleichberechtigte Teilnahme der Frauen am politischen Leben von selbst einstellen und die Quotenvorgabe somit gegenstandslos werden wird. Insoweit kommt ihr ohnehin eine limitierte Wirkung zu, weshalb eine zeitliche ![]() ![]() | |
dd) Insgesamt kann der Quotenregelung für Behördenwahlen die Verhältnismässigkeit nicht abgesprochen werden, so dass sie keine Diskriminierung im Sinn von Art. 4 Abs. 2 Satz 1 BV darstellt.
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Für die Zweierwahlkreise statuiert die Initiative eine Geschlechterparität, was nach dem oben Dargelegten (E. 3d/dd) unzulässig ist. In Bezug auf Abs. 3 der Wahlchancen-Initiative ist der angefochtene Entscheid deshalb nicht zu beanstanden. Der erste Satz von Abs. 3 ist zwar - für sich allein - unbedenklich; er hat aber keine selbständige Bedeutung, weshalb die Ungültigerklärung zu Recht den ganzen Absatz umfasst.
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Es bleibt somit lediglich zu prüfen, ob sich die Wahlvorschlagsquotierung bei Proporzwahlen als zulässig erweist. Diese Art Quote sichert keine bestimmte Anzahl von Sitzen im Landrat zu. Sie erhöht einzig die Nominierungschancen des untervertretenen Geschlechts. Inwieweit beide Geschlechter im Landrat repräsentiert sind, hängt von der Wahlentscheidung der Stimmberechtigten ab. Da Art. 75bis Abs. 1 Satz 2 KV auf die Landratswahlen nicht anwendbar ist, kann der Frauenanteil im Landrat im Ergebnis sogar unter einem Drittel liegen. Nominationsquoten gelten allgemein als mildeste Form der Wahlquote. Im "Solothurner-Quotenurteil" hat das Bundesgericht ![]() ![]() | |
aa) Die Verhältniswahl des Urner Landrates ist im Proporzgesetz vom 3. März 1991 (ProporzG) geregelt. Dieses sieht ein System konkurrierender, freier Listen vor, wie es die meisten schweizerischen Kantone kennen (vgl. PIERRE GARRONE, L'élection populaire en Suisse, Diss. Genève 1991, S. 179 ff.). Wahlvorschläge können von mindestens 15 in der Gemeinde wohnhaften stimmberechtigten Personen eingereicht werden (Art. 2). Sie dürfen höchstens so viele Namen enthalten als in der Gemeinde Landräte zu wählen sind (Art. 4 Abs. 1). Eine stimmberechtigte Person darf nicht mehr als einen Wahlvorschlag unterzeichnen (Art. 6 Abs. 2). Die bereinigten Wahlvorschläge heissen Listen (Art. 12 Abs. 1). Zwei oder mehrere Listen können durch übereinstimmende Erklärungen ihrer Vertreter miteinander verbunden werden (Art. 13 Abs. 1). Wählbar ist nur, wer auf einer Wahlliste steht (Art. 17 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 2). Die Gemeinde stellt den Stimmberechtigten neben den Wahllisten auch einen amtlichen Wahlzettel ohne Vordruck zu (Art. 15 Abs. 1 und 2). Darauf kann der Wähler nach Belieben Namen von Kandidaten verschiedener Wahllisten eintragen (Art. 17 Abs. 1). Wähler, die vorgedruckte Wahllisten benutzen, können einzelne Kandidatennamen streichen und Kandidatennamen aus anderen Listen eintragen (panaschieren; vgl. Art. 17 Abs. 2). Art. 17 Abs. 3 ProporzG gestattet, den Namen des gleichen Kandidaten auf dem Wahlzettel zweimal aufzuführen (kumulieren).
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bb) Die passive Wahlgleichheit kann insofern betroffen sein, als nach Ausschöpfung der Quote auf einer Liste Kandidierende des betreffenden Geschlechts nicht mehr berücksichtigt werden können. Indessen besteht ohne weiteres die Möglichkeit, auf einer anderen ![]() ![]() | |
cc) Wahlvorschlagsquoten sind geeignete Gleichstellungsmassnahmen. Zwar sichern sie dem unterrepräsentierten Geschlecht keine Mandate zu, sie erhöhen aber deren Wahlchancen. Im Wahljahr 1996 zählte der 64-köpfige Landrat nur 10 Landrätinnen, was einem Anteil von 16% entspricht (im Wahljahr 1980: 1; 1984: 2; 1988: 6; 1992: 8). Mit diesem relativ tiefen Anteil lässt sich grundsätzlich die Erforderlichkeit von Wahlvorschlagsquotierungen begründen. Dabei ist, wie bereits gesagt wurde (vgl. oben, E. 5b/bb), ein gewisser Spielraum des kantonalen Verfassungsgebers anzuerkennen.
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Bei der Erforderlichkeitsprüfung ist auch die Quotenhöhe zu berücksichtigen. Diese erscheint auf den ersten Blick relativ hoch - in den Proporzgemeinden mit einer geraden Anzahl Landratssitze läuft Art. 75bis Abs. 2 KV auf eine 50%-Quote hinaus. Die Erfahrungen seit 1971 haben jedoch gezeigt, dass die Wahlchancen der ![]() ![]() | |
dd) Angesichts der Ausgestaltung des Wahlsystems und des Umstandes, dass Wahlvorschlagsquoten an sich eine milde Gleichstellungsmassnahme darstellen, kann der Initiative in diesem Punkt die Verhältnismässigkeit im engeren Sinn nicht abgesprochen werden. Dies gilt umso mehr, als Abs. 3 der Übergangsbestimmungen eine stufenweise Einführung ermöglicht. Insgesamt erscheint Abs. 2 des vorgeschlagenen Art. 75bis KV vor Art. 4 Abs. 2 Satz 1 BV als gerechtfertigt.
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Erwägung 6 | |
a) Art. 4 Abs. 1 des UNO-Übereinkommens vom 18. Dezember 1979 zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau spricht von "zeitweiligen Sondermassnahmen", welche keinesfalls ![]() ![]() | |
Erwägung 7 | |
7.- a) Nach dem Gesagten erweist sich die Initiative nur teilweise als rechtswidrig: Gegen Art. 4 Abs. 2 Satz 1 BV sowie die Grundsätze des allgemeinen, freien und gleichen Wahlrechts verstossen Art. 75bis Abs. 1, soweit er sich auf vom Volk gewählte Behörden und Kommissionen bezieht, und Abs. 3 Satz 2. Art. 75bis Abs. 3 Satz 1 sowie Abs. 2 der vorgeschlagenen Übergangsbestimmungen werden damit gegenstandslos. Soweit sich Art. 75bis Abs. 1 auf Behörden und Kommissionen bezieht, die von gewählten Organen bestimmt werden, ist er - ebenso wie Abs. 2 und von den Übergangsbestimmungen ![]() ![]() | |
"1 Alle Behörden und Kommissionen, die (vom Volk gewählt oder) durch gewählte Organe bestimmt werden, sind annähernd je zur Hälfte mit Frauen und Männern besetzt. Jedes Geschlecht ist jedoch mindestens zu einem Drittel vertreten. Für den Landrat gelten die Vorschriften der Absätze 2 und 3.
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2 Bei den Landratswahlen in Gemeinden, in denen nach Proporzsystem gewählt wird, beträgt die zahlenmässige Differenz zwischen Frauen und Männern auf den gedruckten Wahllisten höchstens eins.
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3 (Bei den Landratswahlen in Gemeinden, denen nur ein Sitz zusteht, wird eine Kandidatin oder ein Kandidat gewählt. In Gemeinden mit zwei Sitzen werden je eine Frau und ein Mann gewählt.)
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Übergangsbestimmungen:
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1 Nimmt ein gewähltes Organ Ersatzwahlen für eine Behörde oder Kommission vor, hat jedes Geschlecht Anspruch auf jede zweite Nachfolge, bis das Minimalziel von Artikel 75bis Abs. 1 erfüllt ist.
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2 (Bei der ersten nach den Bestimmungen von Artikel 75bis durchgeführten Gesamterneuerungswahl von Behörden oder Kommissionen, die vom Volk im Majorz gewählt werden, gilt folgende Ausnahme: Personen, die bereits bisher Mitglieder der gleichen Behörde oder der gleichen Kommission waren und wiedergewählt werden, gelten auch dann als gewählt, wenn das Ziel von Artikel 75bis noch nicht erfüllt ist.)
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3 Bei der ersten Gesamterneuerungswahl des Landrates nach Annahme von Artikel 75bis beträgt in den Gemeinden, in denen nach Proporz gewählt wird, der Anteil jedes Geschlechts auf den gedruckten Wahllisten mindestens je 30 Prozent."
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b) Im Fall von Teilungültigkeit gebietet der Grundsatz der Verhältnismässigkeit, die Initiative nicht als Ganzes für ungültig zu erklären, sofern vernünftigerweise anzunehmen ist, die Unterzeichner der Initiative hätten den gültigen Teil auch unterzeichnet, wenn er ihnen allein unterbreitet worden wäre. Dies ist dann der Fall, wenn der verbleibende Teil der Initiative nicht von untergeordneter Bedeutung ist, sondern noch ein sinnvolles Ganzes im Sinne der ursprünglichen Stossrichtung ergibt, so dass die Initiative nicht ihres wesentlichen Gehaltes beraubt wird (BGE 121 I 334 E. 2a S. 338; 119 Ia 154 E. 9a S. 165 f. mit Hinweisen). Im vorliegenden Fall zielen alle von der Initiative vorgesehenen Massnahmen darauf ab, die Repräsentation der Frauen im Landrat sowie in Behörden und Kommissionen zu erhöhen. Auch ohne die vorgesehenen Quoten bei Volkswahlen von Behörden und Kommissionen sowie bei Landratswahlen in Gemeinden ![]() ![]() ![]() |