BGE 114 Ia 50 - Strafsache gegen G. und B. | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Sabiha Akagündüz, A. Tschentscher | |||
10. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 16. März 1988 i.S. G. und B. gegen Oberrichter X. und Y. sowie Staatsanwaltschaft und Obergericht (I. Strafkammer) des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde). | |
Regeste |
Art. 58 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK; Personalunion von Überweisungsrichter und erkennendem Strafrichter. |
2. Zulässigkeit der sog. Vorbefassung im allgemeinen und Kriterien der Beurteilung (E. 3d). |
3. Personelle Identität bzw. personelle Trennung von Überweisungsrichter und erkennendem Strafrichter im allgemeinen; Hinweise auf die Regelung in den Strafprozessordnungen und die Rechtsprechung (E. 4). |
4. Die personelle Trennung von Überweisungsrichter und Strafrichter nach der zürcherischen Strafprozessordnung: Der erstinstanzliche Strafrichter am Obergericht, der vorher als Mitglied der Anklagekammer die Anklage zugelassen und den Angeschuldigten überwiesen hat, genügt den Anforderungen von Art. 58 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK nicht (E. 5). | |
Sachverhalt | |
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich erhob im Jahre 1983 in einer umfangreichen Strafsache gegen G. und B. Anklage. Die Anklagekammer des Obergerichts des Kantons Zürich liess die Anklage mit einem Beschluss aus dem Jahre 1984 gestützt auf § 165 und § 166 StPO zu und überwies die Beschuldigten dem Obergericht des Kantons Zürich zur erstinstanzlichen Beurteilung. An diesem Zulassungsentscheid wirkten u.a. die Oberrichter X. und Y. mit.
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Nach einer vorgängigen Beweiserhebung und einer ersten Hauptverhandlung im Jahre 1985 wurden die Akten der Staatsanwaltschaft zu weiteren Beweiserhebungen zurückgewiesen. Mit den ergänzten Akten hielt die Staatsanwaltschaft an ihrer Anklage fest.
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Im Hinblick auf die neue Hauptverhandlung vor der I. Strafkammer des Obergerichts stellten die beiden Angeklagten G. und B. das Gesuch um Ausschluss der Oberrichter X. und Y. Sie erachteten diese beiden Oberrichter wegen ihrer früheren Mitwirkung am Zulassungs- und Überweisungsentscheid nicht mehr als unvoreingenommen.
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Unter Ausschluss der für die Hauptverhandlung vorgesehenen Richter wies die I. Strafkammer des Obergerichts das Ausschluss- bzw. Ablehnungsbegehren ab. Die Strafkammer prüfte, ob § 95 Abs. 2 GVG, wonach die in der Anklagekammer mitwirkenden Richter vom obergerichtlichen Verfahren nicht ausgeschlossen sind, vor Art. 58 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK standhalte, und bejahte dies für den vorliegenden Fall.
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Gegen diesen Entscheid der I. Strafkammer des Obergerichts reichten G. und B. beim Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerden ein. Sie machen eine Verletzung von Art. 58 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK geltend.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerden gut.
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Auszug aus den Erwägungen: | |
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b) Soweit mit einer staatsrechtlichen Beschwerde eine Verletzung des Anspruchs auf den verfassungs- und konventionsmässigen Richter geltend gemacht wird, überprüft das Bundesgericht die Auslegung und Anwendung des kantonalen Gesetzesrechts lediglich unter dem Gesichtswinkel der Willkür. Mit freier Kognition prüft es indessen, ob die als vertretbar erkannte Auslegung des kantonalen Prozessrechts mit den Garantien nach Art. 58 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK vereinbar ist (BGE 112 Ia 292 E. 2a, EuGRZ 1986 S. 670 E. 2b, mit Hinweisen).
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Im vorliegenden Fall rügen die Beschwerdeführer im Hauptpunkt keine unrichtige Auslegung und Anwendung des kantonalen Rechts. Die vorliegenden Beschwerden sind daher ausschliesslich unter dem Gesichtswinkel der Bundesverfassung und der Konvention zu prüfen. Soweit die Beschwerdeführer darüber hinaus eine Verletzung von Art. 4 BV geltend machen, kommt dieser Rüge keine selbständige Bedeutung zu; sie weisen in dieser Hinsicht lediglich auf Umstände hin, die auch im Rahmen von Art. 58 BV und von Art. 6 Ziff. 1 EMRK zu berücksichtigen sind.
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a) Es steht im vorliegenden Fall ausser Zweifel, dass Art. 58 Abs. 1 BV auf das obergerichtliche Verfahren Anwendung findet und es sich in der Sache um eine strafrechtliche Angelegenheit im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK handelt (BGE 112 Ia 292 E. 2b, EuGRZ 1986 S. 671 E. b, mit Hinweisen). Es geht bei der vorliegenden Beschwerde von der angerufenen Verfassungs- und Konventionsbestimmung ausschliesslich um den Teilgehalt des Anspruchs auf einen unparteiischen und unbefangenen Richter. In dieser Hinsicht decken sich Gehalt und Grundanliegen sowie die Methode der Betrachtung nach der Bundesverfassung und der Konvention. Die Beschwerden sind daher unter dem gemeinsamen Gesichtswinkel von Art. 58 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK sowie unter Berücksichtigung der sich aus den betroffenen Normbereichen ergebenden Besonderheiten zu behandeln (EuGRZ 1986 S. 672 E. 3c, vgl. auch BGE 112 Ia E. b, mit Hinweisen).
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b) Vorerst gilt es, den Gehalt und die Tragweite der betroffenen Verfassungs- und Konventionsnorm nachzuzeichnen.
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Die Organisation der Rechtspflege und des gerichtlichen Verfahrens ist grundsätzlich Sache des kantonalen Prozessrechts (Art. 64 Abs. 3 und Art. 64bis Abs. 2 BV). Die Bundesverfassung schreibt den Kantonen nicht eine bestimmte Gerichtsorganisation oder ein bestimmtes Verfahren vor. Aus dem bundesrechtlichen Anspruch auf den verfassungsmässigen Richter und der Garantie nach Art. 6 Ziff. 1 EMRK ergeben sich indessen gewisse Minimalanforderungen an das kantonale Verfahren (BGE 112 Ia 292 E. 3, EuGRZ 1986 S. 670 E. 3a, mit Hinweisen). Die Verfassungsbestimmung verbietet zum einen Ausnahmegerichte und die Bestellung von ad hoc oder ad personam berufenen Richtern und verlangt damit - zum Zwecke der Verhinderung jeglicher Manipulation - eine durch Rechtssatz bestimmte Gerichts- und Verfahrungsordnung; desgleichen verlangt Art. 6 Ziff. 1 EMRK, dass das Gericht auf einem generell-abstrakten Erlass beruht, um die in einer demokratischen Gesellschaft erforderliche Unabhängigkeit zu garantieren (EuGRZ 1986 S. 670 E. 3a und S. 671 E. b, mit Hinweisen auf Praxis und Doktrin). Zum andern ergibt sich aus Art. 58 Abs. 1 BV ein Anspruch auf einen unabhängigen und unparteiischen Richter. Es soll damit garantiert werden, dass keine Umstände, welche ausserhalb des Prozesses liegen, in sachwidriger Weise zugunsten oder zulasten einer Partei auf das Urteil einwirken; es soll mit andern Worten verhindert werden, dass jemand als Richter tätig wird, der unter solchen Einflüssen steht und deshalb kein "rechter Mittler" (BGE 33 I 146) mehr sein kann (BGE 112 Ia 292 f., EuGRZ 1986 S. 671 E. a, mit Hinweisen). Dies bedeutet Unabhängigkeit des Richters von den andern Staatsgewalten wie der Exekutive und der Legislative sowie von den Parteien (EuGRZ 1986 S. 671 E. a, mit Hinweisen). Aus Art. 58 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK ergibt sich ferner ein Anspruch auf einen unparteiischen Richter. Unparteilichkeit bedeutet nach der Auffassung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte das Fehlen von Voreingenommenheit und Parteinahme (Urteil i.S. Piersack vom 1. Oktober 1982, Publications de la Cour européenne des droits de l'homme, Série A, Vol. 53, Ziff. 30 = EuGRZ 1985 S. 301 ff. (303)). Im kantonalen Verfahrensrecht wird der Anspruch auf einen unparteiischen und unbefangenen Richter durch die Regeln über den Ausstand und die Ablehnung von Gerichtspersonen konkretisiert. Darüber hinaus hat der Einzelne direkt gestützt auf Art. 58 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK einen Anspruch darauf, dass seine Sache von einem unvoreingenommenen Richter beurteilt wird, der Gewähr für eine unparteiische Beurteilung der Streitsache bietet; erscheint ein Richter als befangen, so kann unmittelbar aufgrund der Verfassungs- und Konventionsbestimmung dessen Ausstand oder Ausschluss verlangt werden (BGE 112 Ia 293, EuGRZ 1986 S. 671, mit Hinweisen). Befangenheit ist nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung anzunehmen, wenn Umstände vorliegen, die geeignet sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit eines Richters zu erwecken. Bei der Befangenheit handelt es sich allerdings um einen innern Zustand, der nur schwer bewiesen werden kann. Es braucht daher für die Ablehnung eines Richters nicht nachgewiesen zu werden, dass dieser tatsächlich befangen ist. Es genügt vielmehr, wenn Umstände vorliegen, die den Anschein der Befangenheit und die Gefahr der Voreingenommenheit zu begründen vermögen. Solche Umstände können entweder in einem bestimmten Verhalten des betreffenden Richters oder in gewissen äusseren Gegebenheiten, wozu auch verfahrensorganisatorische Aspekte gehören, begründet sein. Bei der Beurteilung des Anscheins der Befangenheit und der Gewichtung solcher Umstände kann allerdings nicht auf das subjektive Empfinden einer Partei abgestellt werden. Das Misstrauen in den Richter muss vielmehr in objektiver Weise als begründet erscheinen (BGE 112 Ia 293, EuGRZ 1986 S. 671 E. a, mit Hinweisen). In ähnlicher Weise unterscheiden die Organe der Europäischen Menschenrechtskonvention bei der Beurteilung der Unparteilichkeit einerseits zwischen einem subjektiven Ansatz, unter dem geprüft wird, was ein Richter in seinem Innersten in einem bestimmten Fall dachte, und einem objektiven Ansatz andererseits, wonach zu untersuchen ist, ob der Richter hinreichende Gewähr bietet, um jeden berechtigten Zweifel an seiner Unparteilichkeit auszuschliessen. Während die persönliche Unbefangenheit des Richters vermutet wird, sind bei der Beurteilung der Unvoreingenommenheit unter objektivem Gesichtspunkt auch die äussern Umstände sowie Fragen funktioneller Natur und der innern Organisation des Verfahrens von Bedeutung. In dieser Hinsicht kann schon dem blossen Anschein der Befangenheit Gewicht zukommen (BGE 112 Ia 294, EuGRZ 1986 S. 671, mit Hinweisen auf die Strassburger Praxis sowie die Doktrin; vgl. zudem Bericht der Europäischen Kommission für Menschenrechte i.S. Hauschildt vom 16. Juli 1987, Ziff. 94 ff.).
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c) Die Garantien von Art. 58 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK können einerseits als Konkretisierung und Ergänzung des Grundsatzes der Gewaltenteilung verstanden werden; sie verhindern insbesondere ein Übergreifen der exekutiven auf die richterliche Gewalt (JÖRG PAUL MÜLLER/STEFAN MÜLLER, Grundrechte - Besonderer Teil, Bern 1985, S. 271; ALFRED KÖLZ, Kommentar BV, N. 31 zu Art. 58). Andererseits sollen Art. 58 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK zu der für einen korrekten und fairen Prozess notwendigen Offenheit des Verfahrens im Einzelfall beitragen und damit letztlich ein gerechtes Urteil ermöglichen. Offenheit des Verfahrens und Möglichkeit eines gerechten Urteils werden aber gefährdet, wenn ausserhalb des Prozesses liegende Umstände in sachwidriger Weise auf das Verfahren einwirken; so kann tatsächliche Befangenheit (bzw. subjektive Befangenheit in der Terminologie der Strassburger Organe) unmittelbar zu einer sachfremden Beeinflussung, zu einem unfairen Prozess für die Parteien und damit im Einzelfall zu einem dem Gleichbehandlungsgrundsatz und dem Willkürverbot widersprechenden Urteil führen (vgl. JOACHIM RIEDEL, Das Postulat der Unparteilichkeit des Richters - Befangenheit und Parteilichkeit - im deutschen Verfassungs- und Verfahrensrecht, Berlin 1980, S. 13 ff. und 209 ff.; GUNTHER ARZT, Der befangene Strafrichter, Tübingen 1969, S. 14). Auch soweit ein Richter allein wegen des Anscheins der Voreingenommenheit soll abgelehnt und ausgeschlossen werden können, wollen Verfassung und Konvention ein faires und auch aus der (objektivierten) Sicht der Parteien offenes Verfahren garantieren. Der amtende Richter soll ein "echter Mittler" sein, und der "Rechtsuchende soll sich beim Richter im Recht geborgen fühlen" (STEFAN TRECHSEL, Gericht und Richter nach der EMRK, in: Gedächtnisschrift für Peter Noll, Zürich 1984, S. 393). Neben dem Schutz der Prozessparteien dient dies dem Vertrauen der Betroffenen in das rechtsstaatliche konkrete Justizverfahren und ermöglicht ihnen die innere Anerkennung des Gerichtsurteils (vgl. Urteil des Zürcher Kassationsgerichts, in: ZR 62/1963 Nr. 2 S. 6; RIEDEL, a.a.O., S. 209 f.; ARZT, a.a.O., S. 19). Aus der Sicht der Rechtsgemeinschaft geht es schliesslich um das Vertrauen in das gerichtliche Verfahren und letztlich die Legitimation von Gerichten in einem demokratischen Rechtsstaat überhaupt (vgl. BGE 112 Ia 294 E. b, EuGRZ 1986 S. 671 E. b; Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte i.S. De Cubber vom 26. Oktober 1984, Publications de la Cour européenne des droits de l'homme, Série A, Vol. 86, Ziff. 26 = EuGRZ 1985 S. 407 ff. (S. 409); Urteil Piersack, Ziff. 30; Urteil i.S. Sramek vom 22. Oktober 1984, Série A, Vol. 84, Ziff. 42 = EuGRZ 1985 S. 336 ff. (S. 340); Bericht der Europäischen Kommission für Menschenrechte i.S. Ben Yaacoub vom 7. Mai 1985, in: Publications de la Cour européenne des droits de l'homme, Série A, Vol. 127, Ziff. 96; RIEDEL, a.a.O., S. 210). Angesichts der Tragweite des Anspruchs auf einen unparteiischen, unbefangenen und unvoreingenommenen Richter betont denn der Gerichtshof, dass sich eine einengende Auslegung von Art. 6 Ziff. 1 EMRK mit dem Ziel dieser Konventionsbestimmung nicht vereinbaren lasse (Urteil De Cubber, Ziff. 30; Bericht i.S. Ben Yaacoub, Ziff. 97; Urteil i.S. Delcourt vom 17. Januar 1970, Publications de la Cour européenne des droits de l'homme, Série A, Vol. 11, Ziff. 25).
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d) Eine gewisse Besorgnis der Voreingenommenheit und damit Misstrauen in das Gericht kann bei den Parteien immer dann entstehen, wenn einzelne Richter bereits in einem früheren Zeitpunkt in amtlicher (richterlicher oder nichtrichterlicher) Funktion mit der konkreten Streitsache schon einmal zu tun hatten. In diesen, als sog. Vorbefassung bezeichneten Fällen (vgl. RIEDEL, a.a.O., S. 152 ff.; ARZT, a.a.O., S. 61 ff.) stellt sich das Problem, ob sich der Richter durch seine Mitwirkung an früheren Entscheidungen in bezug auf einzelne Fragen bereits in einem Masse festgelegt hat, die ihn nun nicht mehr als unvoreingenommen und demnach das Verfahren nicht mehr als offen erscheinen lassen (vgl. ROLF GEISER, Über den Ausstand des Richters im schweizerischen Zivilprozessrecht, Diss. Zürich 1957, S. 48 ff.; RAINER HAMM, Der gesetzliche Richter und die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit, Diss. Berlin, Frankfurt a.M. 1973, S. 162 ff.). Wegen der früheren Mitwirkung kann "Betriebsblindheit" in dem Sinne befürchtet werden, dass der Richter im späteren Verfahren seine Erwartungen in seine Fragen projiziere, die Antworten auf diese Fragen im Sinne seiner Erwartungen interpretiere und vor allem Fragen nicht sehe, die der unbefangene Richter sehen und stellen würde (ARZT, a.a.O., S. 65 f.). In der Mitwirkung ein und desselben Richters in mehreren Verfahrensstadien kann ferner ein Unterlaufen der gesetzlich - eventuell zur Sicherung der Unvoreingenommenheit - vorgesehenen Zuweisung verschiedener Funktionen an unterschiedliche Organe erblickt und ein Grund der Befangenheit gesehen werden (Bericht Hauschildt, Ziff. 106; TRECHSEL, a.a.O., S. 397).
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Die Konstellationen der sog. Vorbefassung sind sehr vielfältig. Zur Veranschaulichung soll im folgenden auf einige Beispiele hingewiesen werden, ohne sie einer verfassungsrechtlichen Prüfung zu unterziehen. - Auf der einen Seite wird es als zulässig oder wenig problematisch betrachtet, dass ein Gerichtspräsident oder ein Richter schon vor dem Sachentscheid prozessuale Anordnungen trifft oder Gesuche um vorsorgliche Massnahmen oder unentgeltliche Rechtspflege behandelt (vgl. Art. 90 ff. und Art. 150 ff. OG). Ein Richter darf vorerst als Eheschutzrichter amten und hernach über die Scheidung derselben Parteien befinden (unveröffentlichtes Urteil i.S. Ültschi vom 11. November 1986; vgl. zu einer weitern Konstellation GEISER, a.a.O., S. 52 f.). Kein Verfassungsverstoss wurde im Umstand erblickt, dass im Zusammenhang mit einer Güterzusammenlegung die gleiche Person vorerst bei der Bonitierung der Grundstücke und später beim Entscheid über die Neuzuteilung mitwirkte (BGE 91 I 404 f.). Ist ein unterinstanzliches Urteil im Rechtsmittelverfahren aufgehoben worden, so gilt der Richter im neuen unterinstanzlichen Verfahren nicht wegen seiner früheren Mitwirkung als befangen (BGE 113 Ia 408 E. 2; unveröffentlichtes Urteil i.S. Keller vom 5. August 1987; GEISER, a.a.O., S. 49 f.; Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte i.S. Ringeisen vom 16. Juli 1971, Publications de la Cour européenne des droits de l'homme, Série A, Vol. 13, Ziff. 97; JOCHEN ABR. FROWEIN/WOLFGANG PEUKERT, EMRK-Kommentar, Kehl/Strassburg/Arlington 1985, N. 94 zu Art. 6). Das Bundesgericht hat es als mit Art. 58 Abs. 1 BV vereinbar erklärt, dass dieselben Richter den Sachentscheid treffen und über Revisionsbegehren befinden (BGE 113 Ia 62, 107 Ia 18 f., ZBl 80/1979 S. 537 f.). Auf dem Gebiet des Strafverfahrens wurden Richter, welche vorerst die Untersuchungsführung und die Aufrechterhaltung der Haft überprüften, vom spätern Entscheid der Anklagekammer über die Überweisung/Einstellung (SJ 1980 S. 273 ff.) bzw. vom spätern Entscheid der Appellationsinstanz in der Sache selbst nicht ausgeschlossen (ZWR 1981 S. 405); keinen Ausschlussgrund erblickte das Bundesgericht in der personellen Identität von Haftrekursrichter und Berufungsrichter (unveröffentlichtes Urteil vom 14. Mai 1980 i.S. Gosswiler, S. 6). In weitern Fällen haben das Bundesgericht und der Europäische Gerichtshof die Mitwirkung derselben Richter in gleiche Fragen betreffenden Verfahren als verfassungs- und konventionsmässig erachtet (vgl. Urteil des Bundesgerichts in: ZWR 1983 S. 151 ff.; Urteil des Gerichtshofes i.S. Gillow vom 24. November 1986, Publications de la Cour européenne des droits de l'homme, Série A, Vol. 109, Ziff. 72 f.). - Auf der andern Seite wäre es mit der Verfassungs- und Konventionsgarantie auf einen unvoreingenommenen Richter kaum vereinbar, dass ein Richter einer untern Instanz nach seiner Wahl in die obere Instanz oder als Ersatzrichter am Rechtsmittelverfahren in derselben Sache mitwirkt (vgl. Art. 22 Abs. 1 lit. b OG; Urteile des Bundesgerichts, in: SJ 1980 S. 277 f. und ZWR 1981 S. 409; GEISER, a.a.O., S. 48). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung darf der gesetzliche oder vertragliche Konkursverwalter im Prozess der von ihm vertretenen Konkursmasse das Richteramt nicht ausüben (BGE 33 I 148). Als unzulässig hat es das Bundesgericht erklärt, dass der die Strafuntersuchung führende Untersuchungsrichter später als Strafrichter amtet (BGE 113 Ia 73 E. 2, BGE 112 Ia 290, EuGRZ 1986 S. 670; Urteil De Cubber; anders noch BGE 104 Ia 271). Derjenige Strafrichter, der früher bei der Anklage erhebenden Staatsanwaltschaft eine bestimmte Stellung innehatte, wurde als voreingenommen bezeichnet (Urteil Piersack; anders noch BGE 38 I 91). Das Bundesgericht hat es schliesslich offengelassen, ob der eine Einstellungsverfügung genehmigende Staatsanwalt über den gegen die Einstellung gerichteten Rekurs entscheiden dürfe (unveröffentlichtes Urteil i.S. Suter vom 10. September 1986; vgl. BGE 112 Ia 142).
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Die Vielfalt dieser Beispiele zeigt, dass die Fälle der Vorbefassung unter dem Gesichtswinkel von Art. 58 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK kaum systematisiert werden können (vgl. im übrigen die Systematik bei RIEDEL, a.a.O., S. 152 ff.; ARZT, a.a.O., S. 61 ff.; GEISER, a.a.O., S. 48 ff.). Es kann wohl auch nicht gesagt werden, verfassungsrechtlich sei eine Vorbefassung generell zulässig oder generell unzulässig; eine allgemeine Aussage, in welchen einzelnen Fällen ein Richter, der sich in einem früheren Zeitpunkt bereits mit der Angelegenheit beschäftigt hat und demnach Vorkenntnisse besitzt, den Anforderungen von Art. 58 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK genügt, ist nicht möglich (vgl. BGE 104 Ia 273 E. 3; Urteile des Bundesgerichts, in: SJ 1980 S. 277 f. und ZWR 1981 S. 409; vgl. ferner Bericht Hauschildt, Ziff. 111). Für die Beurteilung eines konkreten Falles ergeben sich indessen aus Sinn und Gehalt der hier betroffenen Verfassungs- und Konventionsgarantie Kriterien. So ist generell zu fordern, dass das Verfahren in bezug auf den konkreten Sachverhalt und die konkret zu entscheidenden Rechtsfragen trotz der Vorbefassung eines Richters als offen und nicht vorbestimmt erscheint. Hierfür mag darauf abgestellt werden, unter welchen tatsächlichen und verfahrensrechtlichen Umständen sich der Richter im früheren Zeitpunkt mit der Sache befasste bzw. sich später zu befassen hat. Es kann in Betracht fallen, welche Fragen in den beiden Verfahrensabschnitten zu entscheiden sind und inwiefern sie sich ähnlich sind oder miteinander zusammenhängen. Zu beachten ist ferner der Umfang des Entscheidungsspielraums bei der Beurteilung der sich in den beiden Abschnitten stellenden Rechtsfragen. Und schliesslich kann es auf die Bedeutung der Entscheidungen auf den Fortgang des Verfahrens ankommen. - Auf der andern Seite kann für die verfassungsrechtliche Beurteilung der Vorbefassung auf verschiedene Punkte nicht abgestellt werden. So ist es nicht ausschlaggebend, dass der abgelehnte Richter nicht allein, sondern in einem Richterkollegium mitwirkt (vgl. BGE 112 Ia 301 f., EuGRZ 1986 S. 674; Urteil De Cubber, Ziff. 29). Die Möglichkeit, das Urteil bei einer ordentlichen Rechtsmittelinstanz anzufechten, vermag am allfälligen Mangel in der Besetzung der Richterbank nichts zu ändern (BGE 113 Ia 75 f., BGE 112 Ia 302 E. b, EuGRZ 1986 S. 674; Urteil De Cubber, Ziff. 33; MIEHSLER/VOGLER, Internationaler Kommentar zur Europäischen Menschenrechtskonvention, N. 307 zu Art. 6). Es ist auch nicht allein entscheidend, ob es sich um ein Zivil- oder um ein Strafverfahren handelt (RIEDEL, a.a.O., S. 199 f.; in der Begründung anders BGE 113 Ia 65; zur Publikation bestimmtes Urteil vom 17. November 1987 i.S. Firma A., E. 2). Schliesslich kommt dem Spannungsverhältnis zwischen dem (primär) gesetzlichen Richter und dem Anspruch auf Ausstand (BGE 112 Ia 293 und 303 f., EuGRZ 1986 S. 671 E. a und S. 675 E. d, mit Hinweisen) im Rahmen einer (abstrakten oder konkreten) Normkontrolle keine Bedeutung zu.
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Aufgrund dieser Überlegungen sind im folgenden die vorliegenden Beschwerden zu prüfen, mit denen eine ganz bestimmte Form der Vorbefassung als verfassungs- und konventionswidrig gerügt wird.
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a) Das Bundesgericht hat die Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Personalunion von überweisendem Richter und in der Sache selbst urteilendem Richter in einem Entscheid aus dem Jahre 1987 ausdrücklich offengelassen (BGE 113 Ia 73 E. 3). Es wies darin auf Urteile, die entweder vor der im Jahre 1986 vorgenommenen Änderung der Rechtsprechung zur Personalunion von Untersuchungsrichter und erkennendem Richter ergangen oder aber lediglich unter dem Gesichtswinkel von Art. 4 BV getroffen worden sind oder schliesslich nicht genau die hier zu beurteilende Frage betreffen, und führte ferner Entscheidungen der Strassburger Menschenrechtsorgane an. Es wies ferner darauf hin, dass die Frage der Befangenheit des Sachrichters nicht nur nach dem konkret getroffenen Überweisungsbeschluss der Anklagekammer, sondern auch aufgrund von deren Befugnissen nach der anwendbaren Verfahrensordnung zu prüfen sei.
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Im - vom Resultat her überholten - Entscheid BGE 104 Ia 271 aus dem Jahre 1978 zur Personalunion von Untersuchungsrichter und Sachrichter nach dem bernischen Strafverfahren hatte das Bundesgericht noch ausgeführt, mit der Überweisung werde lediglich festgestellt, dass die formellen Voraussetzungen für die Begründung des Prozessrechtsverhältnisses gegeben seien; dies sei der Fall, wenn der Angeschuldigte einer strafbaren Handlung hinreichend verdächtig erscheine. Indem die Behörde die Überweisung ablehne, stelle sie fest, dass die Voraussetzungen für eine Fortsetzung des Strafverfahrens nicht gegeben sind; die Überweisungsbehörde entscheide in diesem Falle bloss darüber, dass die gerichtliche Beurteilung ohne jeden Zweifel zu einem Freispruch führen würde. Die summarische Prüfung bedeute indessen keine Vorwegnahme des Endurteils, weil im Überweisungsverfahren kein Entscheid über das Bestehen des Strafanspruchs gefällt werde. Aus diesen Gründen könne der Sachrichter nicht allein wegen seiner Mitwirkung an der Überweisung abgelehnt werden (BGE 104 Ia 276; vgl. auch die Urteile des Bundesgerichts, in: SJ 1980 S. 278, ZWR 1981 S. 410).
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b) Nach den in der Schweiz geltenden Strafprozessordnungen folgt dem Abschluss des Vorverfahrens im allgemeinen das sog. Zwischenverfahren, in dem die Anklage einer Kontrolle unterzogen und geprüft wird, ob genügend Anlass zur Durchführung der Hauptverhandlung besteht (ROBERT HAUSER, Kurzlehrbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, 2. Auflage 1984, S. 223). Es führt entweder zur Einstellung oder aber zu einer Anklage. Es dient einerseits dem Schutz des Beschuldigten vor ungerechtfertigter, diffamierender Versetzung in den Anklagezustand und andererseits zur Entlastung der Gerichte von Anklagen, die höchstwahrscheinlich zu einem Freispruch führen (HAUSER, a.a.O., S. 229). Dieses Zwischenverfahren ist entsprechend der anwendbaren Verfahrungsordnung unterschiedlich ausgestaltet. Demnach ist auch die Frage, ob eine Amtsperson an diesem Zwischenverfahren und am Hauptverfahren mitwirkt, unterschiedlich geregelt. Ein summarischer Überblick über die in der Schweiz geltenden Grundsätze zeigt folgendes Bild.
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In einer ersten Gruppe befinden sich Verfahrensordnungen, nach denen eine strikte personelle Trennung zwischen einer Anklagezulassungs- oder Überweisungsbehörde einerseits und dem mit der Sache befassten Gericht andererseits besteht. So hat beispielsweise im Bundesstrafprozess die Anklagekammer des Bundesgerichts eine vom Bundesanwalt erhobene Anklage zu prüfen und die Sache etwa dem Bundesstrafgericht zu überweisen (Art. 125 ff. BStP); das Bundesstrafgericht ist von der Anklagekammer personell getrennt (Art. 12 Abs. 1 lit. d OG). In einer zweiten Gruppe besteht die personelle Trennung grundsätzlich ebenfalls. Sie kann aber insofern durchbrochen werden, als etwa im Falle einer auf Beschwerde hin von einem kantonalen Gericht aufgehobenen Einstellungsverfügung im Rechtsmittelverfahren zum Teil dieselben Richter über die Strafsache selbst entscheiden. In einer dritten Gruppe wird der Entscheid über die Anklagezulassung und die Überweisung einerseits und der Entscheid in der Sache selbst zwar unterschiedlichen Organen zugeordnet, ohne dass aber eine personelle Trennung garantiert wäre. So verhält es sich etwa im Kanton Freiburg (vgl. BGE 113 Ia 72).
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In der schweizerischen Doktrin ist die Zulässigkeit der Personalunion von überweisendem und erkennendem Richter kaum diskutiert worden. Einzelne Autoren geben lediglich die gesetzlichen Bestimmungen wieder, während andere etwa darauf hinweisen, dass ein Zulassungsentscheid das Endurteil beeinflussen könne (vgl. GERHARD BUCHMANN, Das Zwischenverfahren im schweizerischen Strafprozessrecht, Diss. Zürich 1936, S. 90 f.; ROLF KÜNG-HOFER, Die Beschleunigung des Strafverfahrens unter Wahrung der Rechtsstaatlichkeit, Diss. Bern 1984, S. 212 f.).
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c) Die Frage, ob der in der Anklagekammer die Anklage zulassende Richter später die Strafsache auch materiell beurteilen dürfe, ist in der zürcherischen Praxis und Gesetzgebung nicht immer gleich behandelt worden. Unter der Herrschaft des vor 1976 geltenden Gerichtsverfassungsgesetzes (aGVG) hat das Kassationsgericht des Kantons Zürich im Jahre 1962 entschieden, dass eine solche Personalunion nach § 112 Abs. 1 Ziff. 3 aGVG unzulässig sei (publiziert in: ZR 62/1963 Nr. 2 S. 2 ff.; vgl. zum Wortlaut von § 112 aGVG WILLY HAUSER/ROBERT HAUSER, Gerichtsverfassungsgesetz, 3. Auflage 1978). Das Kassationsgericht führte darin aus, § 112 Ziff. 3 aGVG bezwecke, ein unbefangenes Urteil der obern Instanz dadurch zu gewährleisten, dass alle Personen, die sich schon in einer unteren Instanz mit der Sache befasst haben, von der Mitwirkung in der Oberbehörde ausgeschlossen sein sollen. Dieser Ausschlussgrund gelte nicht nur für den Fall, dass die obere Instanz als eigentliche Rechtsmittelbehörde entscheide.
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Zweck der Vorschriften über den Ausstand des Richters sei es, Situationen zu verhindern, in denen eine Prozesspartei die Unbefangenheit des Richters auch nur in Frage stellen könnte. Dieser Zweck sei von besonderer Bedeutung für den Strafprozess. Es gelte, dem Verurteilten nach Möglichkeiten jeden Vorwand zu nehmen, um das gegen ihn ergangene Urteil, als von einem auch nach Auffassung des Gesetzgebers möglicherweise befangenen Richter ausgehend, innerlich abzulehnen; einen solchen Vorwand aber habe der Verurteilte solange, als die am "Verdachtsurteil" der Anklagekammer (§ 166 Abs. 2 StPO) mitwirkenden Richter auch an der endgültigen Beurteilung beteiligt sind. Eine Minderheit des Gerichts begründete in diesem Urteil ihre Minderheitsauffassung (ZR 62/1963 Nr. 2 S. 7 f.).
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Mit dem Gerichtsverfassungsgesetz von 1976 ist neu § 95 Abs. 2 GVG aufgenommen worden, wonach derjenige Richter, der an einem Entscheid der Anklagekammer beteiligt war, von der Mitwirkung beim Obergericht nicht ausgeschlossen ist. - Den Materialien und Beratungen können die Gründe hierfür kaum entnommen werden. Bereits in der Expertenkommission wurde der erwähnte Entscheid des zürcherischen Kassationsgerichts - soweit ersichtlich ohne vertiefte Diskussion - kritisiert, und es wurde eine ausdrückliche Bestimmung vorgeschlagen, wonach die gleichzeitige Mitwirkung in der Anklagekammer und im Obergericht zulässig sein soll. Dieser Vorschlag ist im Antrag des Regierungsrates an das Parlament übernommen worden (Amtsblatt 1971/II, Textteil, S. 1765 ff., insbes. S. 1849 und 1970), erfuhr in der parlamentarischen Kommission keine Änderung (vgl. Amtsblatt 1974/I, Textteil, S. 457 ff. insbes. S. 547), wurde vom Parlament diskussionslos akzeptiert (Protokoll des Kantonsrates 1971-1975, Band VII, S. 7773 ff., insbes. S. 7793) und führte zur definitiven, vom Volk angenommenen Abstimmungsvorlage (vgl. Amtsblatt 1975/II, Textteil, S. 1629 ff. (insbes. S. 1725 und 1772) und 1976/I, Textteil, S. 479 ff. (insbes. S. 572 und 620)). Die Materialien zeigen gesamthaft, dass in erster Linie praktische Überlegungen ausschlaggebend waren, bewusst von der Praxis des Kassationsgerichts abzuweichen; der Regierungsrat wollte unbegründete Ausstandsgründe ausmerzen, wo eine ernsthafte Gefährdung der richterlichen Unparteilichkeit nicht ersichtlich sei (Amtsblatt 1971/II, Textteil, S. 1970). - In Vorentwürfen einer Expertenkommission für eine neue Strafprozessordnung (vom 11. Juli 1980) und für eine Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes (vom 10. November 1981) wird vorgeschlagen, die Anklagekammer des Obergerichts aufzuheben und die Vorprüfung der Anklage dem Präsidenten des zuständigen Gerichts zu übertragen (vgl. zur Revision GVG § 46-48 E-GVG und § 251 ff. E-StPO).
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d) Nach der Strafprozessordnung der Bundesrepublik Deutschland (StPO/BRD) ist der eröffnende Richter von der Mitwirkung in der Sache selbst nicht ausgeschlossen. Wegen der bewusst kasuistischen, abschliessend aufzählenden Fassung der Ausschlussgründe nach § 23 StPO/BRD wird diese Bestimmung eng ausgelegt. Daher wird im alleinigen Umstand der Identität von eröffnendem und erkennendem Richter auch kein Ausstandsgrund im Sinne von § 24 StPO/BRD erblickt (CLAUS ROXIN, Strafverfahrensrecht, 20. Auflage 1987, S. 41; THEODOR KLEINKNECHT/KARLHEINZ MEYER, Kurz-Kommentar zur Strafprozessordnung, 38. Auflage 1987, N. 1 f. zu § 23 und N. 12 ff. zu § 24; LÖWE/ROSENBERG, Grosskommentar zur Strafprozessordnung, 24. Auflage 1984, N. 25 und 30 ff. zu § 24). Diese Lösung ist in der Literatur umstritten. Es wird u.a. darauf hingewiesen, dass die Eröffnung des Hauptverfahrens die wichtigste Vorentscheidung und Vorbeurteilung im Hauptverfahren darstellt und beim Angeschuldigten am ehesten die Besorgnis erwecken könne, der Richter, der ihn als hinreichend verdächtig befunden habe, trete ihm nicht mehr unvoreingenommen entgegen. Es wird daher gefordert, dass zumindest auf die vor 1924 geltende Regelung zurückgekehrt wird, wonach der am Eröffnungsbeschluss als Berichterstatter mitwirkende Richter vom Hauptverfahren ausgeschlossen war (vgl. LÖWE/ROSENBERG, a.a.O., Entstehungsgeschichte und N. 20 vor § 22, Entstehungsgeschichte zu § 23, N. 30 zu § 24; ARZT, a.a.O., S. 61 f. und S. 68; HAMM, a.a.O., S. 190 ff.).
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Nach der französischen Strafprozessordnung sind neben dem Instruktionsrichter diejenigen Mitglieder der Chambre d'instruction von der materiellen Beurteilung der Strafsache ausgeschlossen, welche eine Strafsache dem Tribunal correctionnel oder dem Tribunal de police überwiesen hat (Art. 50-52 StPO/F in der seit dem 1. März 1988 geltenden Fassung; vgl. PIERRE ESCANDE, Du juge d'instruction, in: Juris-classeur de procédure pénale, Art. 49-52 StPO/F, N. 32 ff.). In der Cour d'assises dürfen nach Art. 253 StPO/F keine Richter amten, welche am Entscheid über die Überweisung der Strafsache an dieses Gericht mitwirkten (oder an Instruktionsmassnahmen oder Entscheiden bezüglich der Schuld des Angeklagten beteiligt waren) (vgl. HENRI ANGEVIN, Cour d'assises, in: Juris-classeur de procédure pénale, Art. 240-267 StPO/F, N. 100 ff.). Hingegen ist ein Richter der Chambre d'accusation, welche eine Strafsache an das Tribunal correctionnel oder das Tribunal de police überwiesen hat, von der materiellen Beurteilung im Appellationsverfahren nicht ausgeschlossen (JEAN ROBERT, Cour d'appel en matière correctionnelle, in: Juris-classeur de procédure pénale, Art. 496-520 StPO/F, N. 9).
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e) Von besonderer Bedeutung ist die Rechtsprechung der Organe der Europäischen Menschenrechtskonvention. Nach den Urteilen des Gerichtshofes i.S. Piersack und De Cubber (vgl. EuGRZ 1986 S. 672 f.) hat die Kommission in ihrem Bericht im Falle Ben Yaacoub den Strafrichter De Neve im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK als nicht unvoreingenommen betrachtet, weil er früher die Chambre du conseil präsidiert hatte und diese einerseits die Untersuchungshaft mehrmals und zum Teil entgegen der Auffassung des Untersuchungsrichters verlängert und andererseits die Strafsache an das zuständige Gericht überwiesen hatte. Die Kommission führte insbesondere aus, die Chambre du conseil verfüge über einen weiten Entscheidungsspielraum und könne das Verfahren aus materiellen Gründen einstellen oder aber den Angeschuldigten der Cour d'assises oder, soweit sie mildernde Umstände als gegeben erachtet, dem Tribunal correctionnel überweisen. Dem Überweisungsbeschluss, mit dem ein begründeter Tatverdacht bejaht werde, komme eine grosse Bedeutung zu, wenn derselbe Richter hernach über die Schuld des Angeklagten zu befinden habe. Schliesslich könne der Angeschuldigte Misstrauen in den in der Sache urteilenden Richter empfinden, wenn dieser die Untersuchungshaft mehrmals verlängert habe (Ziff. 101 ff. des Kommissionsberichtes; vgl. auch die Minderheitsauffassung; der Fall Ben Yaacoub ist infolge gütlicher Einigung vom Gerichtshof mit Urteil vom 27. November 1987 abgeschrieben worden, Publications de la Cour européenne des droits de l'homme, Série A, Vol. 127).
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Schliesslich ist auf den vor dem Europäischen Gerichtshof anhängigen Fall Hauschildt gegen Dänemark hinzuweisen (Bericht der Kommission vom 16. Juli 1987; vgl. zum Zulassungsentscheid EuGRZ 1987 S. 355 f.). In diesem Falle bewilligte der Richter Larsen vom City Court (Kobenhavns Byret) nach der dänischen Verfahrensordnung mehr als ein Dutzend mal die Verlängerung der Untersuchungshaft und genehmigte auch mehrmals die Einzelhaft des Beschwerdeführers; hernach wirkte er am erstinstanzlichen Urteil des City Court mit. Ferner haben Richter vom High Court (Ostre Landsret) über die Untersuchungshaft und das eingelegte Rechtsmittel befunden. Die Kommission erblickte in diesen Umständen keine Verletzung der Garantie auf einen unbefangenen Richter. Sie führte zur Begründung aus, zwischen einem Schuldspruch im Sinne von Art. 5 Ziff. 1 lit. a EMRK und einer auf einem hinreichenden Verdacht beruhenden Untersuchungshaft nach Art. 5 Ziff. 1 lit. c EMRK könne unterschieden werden. Der Umstand allein, dass ein Richter von einer Strafsache schon Vorkenntnisse habe, lasse ihn nicht als voreingenommen erscheinen. Der betroffene Richter habe in keiner Weise untersuchungsrichterliche Aufgaben vollzogen und auch das Untersuchungsergebnis in keiner Weise gewürdigt. Er habe vielmehr lediglich die Anträge auf Verlängerung der Haft beurteilt, damit aber das Verfahren nicht in eigener Initiative um einen Schritt weitergeführt und insbesondere, im Gegensatz zum Fall Ben Yaacoub, auch keine Überweisung vorgenommen (Ziff. 90 ff. des Kommissionsberichtes; vgl. auch die Minderheitsmeinung).
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Das Hauptverfahren wird durch Einreichung der Anklageschrift eingeleitet (§ 161 des Gesetzes betreffend den Strafprozess, StPO). Als Anklagebehörde amtet bei geschworenen- oder obergerichtlicher Zuständigkeit die Staatsanwaltschaft (§ 72 GVG). Über die Zulassung der Anklage entscheidet in Sachen des Geschworenen und des Obergerichts die Anklagekammer des Obergerichts (§ 165 StPO). Die Anklagekammer teilt die Anklageschrift sofort nach Eingang schriftlich dem Angeklagten und seinem Verteidiger mit. Gleichzeitig setzt sie dem Angeklagten und seinem Verteidiger Frist an zur Erhebung von Einwendungen und zur Erklärung, ob der eingeklagte Sachverhalt und dessen rechtliche Würdigung in der Anklage anerkannt werden oder nicht (§ 198 StPO). Die Zulassungsbehörde prüft die Untersuchungsakten auf das Vorhandensein von Mängeln in der Form oder in der Sache; sie prüft die Anklageschrift insbesondere auf ihren Inhalt, die örtliche und sachliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts, die Frage der Verjährung und der abgeurteilten Sache sowie allenfalls auf das Vorliegen eines Strafantrages (§ 166 Abs. 1 StPO). Die Anklagekammer prüft überdies, ob der Angeklagte eines strafbaren Verhaltens hinreichend verdächtig erscheint (§ 166 Abs. 2 StPO. vgl. zu § 166 Abs. 1 und Abs. 2 StPO HAUSER/HAUSER, a.a.O., S. 138 f.). Die Anklagekammer kann die Anklage entweder zulassen, sie einstweilen nicht zulassen und den Entscheid von einer Vervollständigung der Untersuchung oder von der Behebung anderer Mängel abhängig machen oder schliesslich die Zulassung der Anklage verweigern (§ 167 StPO; vgl. HAUSER/HAUSER, a.a.O., S. 139 f.). Die gänzliche oder teilweise Nichtzulassung der Anklage ist zu begründen, nicht aber die einfache Zulassung (§ 168 StPO). Der Entscheid der Anklagekammer ist lediglich im Rahmen von § 169 und § 170 StPO mit Rekurs anfechtbar. Bei Zulassung der Anklage beschliesst die Anklagekammer die Überweisung an das Geschworenengericht oder an das Obergericht nach Massgabe der gesetzlichen Bestimmungen (§ 198a StPO). Das urteilende Gericht ist nach § 170 StPO an den Entscheid der Zulassungsbehörde nicht gebunden; es kann neben Schuldspruch oder Freispruch u.U. auch die Einstellung des Verfahrens beschliessen (ZR 73/1974 Nr. 75 S. 188 E. I 7; HAUSER/HAUSER, a.a.O., S. 140; HAUSER, a.a.O., S. 233).
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Der Anklagekammer kommen ferner gewisse Befugnisse im Rahmen des untersuchungsrichterlichen Verfahrens, insbesondere in bezug auf die Anordnung bzw. Verlängerung der Untersuchungshaft zu. Die erstmalige Untersuchungshaft wird vom Untersuchungsrichter angeordnet (§ 49 StPO; vgl. BGE 102 Ia 179). Dauert die Untersuchungshaft mehr als 14 Tage, ohne dass schon Anklage erhoben werden konnte, so hat die Untersuchungsbehörde im Falle geschworenen- oder obergerichtlicher Kompetenz beim Präsidenten der Anklagekammer um Bewilligung der Fortdauer der Haft zu ersuchen; der Entscheid des Präsidenten der Anklagekammer kann an die Anklagekammer weitergezogen werden (§ 51 StPO). Nach Einreichung der Anklageschrift entscheidet bei ober- oder geschworenengerichtlicher Zuständigkeit die Anklagekammer über die Anordnung oder Verlängerung der Haft (§ 52 StPO).
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b) aa) Aus dem Umstand allein, dass sich der urteilende Richter in einem früheren Zeitpunkt mit der Sache schon einmal befasste, kann, wie oben dargelegt (E. 3d), grundsätzlich nicht schon auf Befangenheit oder aber Unvoreingenommenheit geschlossen werden. Es kann daher nichts daraus gefolgert werden, dass die abgelehnten Oberrichter überhaupt schon einmal an einem beliebigen Entscheid der Anklagekammer in der gleichen Sache mitgewirkt haben. Ebenso wenig entscheidend ist, dass die Anklagekammer im Anklagezulassungsverfahren lediglich eine beschränkte und einstweilige Prüfung vornimmt. Einstweilig bedeutet lediglich, dass das zuständige Gericht durch den Zulassungsentscheid nicht gebunden ist, und beschränkte Prüfung heisst, dass die Anklagekammer nicht alle für das Gericht wesentlichen Fragen prüft bzw. diese nicht mit der gleichen Genauigkeit untersucht. Es ist für die Problematik der Vorbefassung geradezu typisch, dass in den verschiedenen Stadien nicht dieselben Fragen beurteilt und diese mit unterschiedlicher Verbindlichkeit und Kognition geprüft werden.
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Die Anklagekammer wirkt, wie im angefochtenen Entscheid ausgeführt wird, in keiner Weise an der Strafuntersuchung mit. Sie ist auch nicht an der Anklageerhebung beteiligt und kann die Anklagebehörde insbesondere nicht anweisen, Anklage wegen eines andern oder schwereren Deliktes zu erheben (HAUSER/HAUSER, a.a.O., S. 137). Damit aber entfallen für den vorliegenden Fall die Gründe, welche im Jahre 1986 zur Änderung der Rechtsprechung in bezug auf die Personalunion von Untersuchungsrichter und Sachrichter führten, nur zum Teil. Denn das Bundesgericht hat dem Umstand, dass der Walliser Sachrichter vor dem Sachentscheid nicht nur die Strafuntersuchung führte, sondern darüber hinaus auch an der Überweisung der Strafsache mitwirkte, eine gewisse Bedeutung beigemessen (BGE 113 Ia 75).
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bb) In bezug darauf, welche Fragen die Anklagekammer im Zulassungsverfahren einerseits und die Strafkammer in der Sache selbst andererseits entscheidet und in welchem Verhältnis diese zueinander stehen, ist einmal davon auszugehen, dass die Anklagekammer die Untersuchungsakten auf Mängel in der Form oder der Sache überprüft und beispielsweise untersucht, ob dem Angeklagten gewisse Verteidigungsrechte gewährt worden sind. Sie klärt weiter ab, ob die Anklageschrift den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Formellrechtlich prüft sie ferner, ob etwa Gerichtsbarkeit, Strafantrag, Verfolgungsermächtigung und örtliche und sachliche Zuständigkeit gegeben seien und ob Verjährung oder abgeurteilte Sache einer weitern Strafverfolgung entgegenstünden (vgl. HAUSER/HAUSER, a.a.O., S. 138/139). Soweit demnach die Anklagekammer im Zulassungsverfahren über den Gang der Untersuchung, die Form der Anklageschrift oder formellrechtliche Probleme befindet, so stehen diese Fragen nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit jenen, über die der Strafrichter entscheidet. Trotz der Kenntnis des Dossiers erscheint der Ausgang des Hauptverfahrens durchaus offen. Immerhin sind eine gewisse Nähe der Fragen und damit ein gewisser Anschein der Voreingenommenheit des Sachrichters dann nicht zum vornherein ausgeschlossen, wenn der Beschuldigte im Zulassungsverfahren etwa eine schwierig zu beurteilende Verjährungseinrede vorbringt und die Anklage dennoch zugelassen wird.
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In materieller Hinsicht befindet die Anklagekammer im Zulassungsverfahren, ob der in der Anklageschrift enthaltene Sachverhalt die angerufenen Straftatbestände zu erfüllen vermöge. Sie untersucht nach § 166 Abs. 2 StPO, ob der Angeschuldigte eines strafbaren Verhaltens hinreichend verdächtig erscheine. Diese Prüfung - welche über diejenige bei der Anklagezulassung bei bezirksgerichtlicher Kompetenz hinausgeht (vgl. HAUSER, a.a.O., S. 229; HAUSER/HAUSER, a.a.O., S. 139; ZR 62/1963 Nr. 2 S. 5) - schliesst in sich die Tatfrage, ob die Akten Anhaltspunkte dafür geben, dass der Angeschuldigte die eingeklagte Tat wirklich begangen habe, d.h. ob wirklich genügend Verdachtsgründe vorlägen (ZR 59/1960 Nr. 80 S. 187; HAUSER/HAUSER, a.a.O., S. 139). Damit wird im Anklagezulassungsverfahren u.a. eine sehr ähnliche Frage geprüft wie im Hauptverfahren, nämlich ob der Angeschuldigte als Täter des ihm vorgeworfenen Deliktes in Frage kommt. Der Strafrichter hat sich zwar im Hauptverfahren von der definitiven Schuld des Angeklagten zu überzeugen, während der Zulassungs- und Überweisungsrichter lediglich provisorisch hinreichenden Tatverdacht bejaht. Die Terminologie ist indessen für sich allein genommen nicht entscheidend. Es kommt vielmehr darauf an, dass in beiden Verfahrensabschnitten eine ähnliche oder qualitativ gleiche Frage geprüft wird. Diese Prüfung kann zudem aufgrund einer umfassenden Würdigung des Untersuchungsergebnisses erfolgen. Dabei ist nicht wesentlich, ob im Anklagezulassungs und Überweisungsverfahren diese umfassende Würdigung tatsächlich vorgenommen wird; denn unter dem Gesichtswinkel des Anscheins der Befangenheit kommt es in erster Linie auf die zustehenden Kompetenzen und weniger darauf an, in welchem Umfange davon Gebrauch gemacht worden ist (vgl. EuGRZ 1986 S. 674 E. c am Ende, BGE 112 Ia 300 f.). Bereits im Umstand, dass damit in beiden Verfahrensabschnitten über eine sehr ähnliche Frage aufgrund umfassender Würdigung des Untersuchungsergebnisses entschieden wird, mag ein Grund dafür erblickt werden, der Ausgang des Hauptverfahrens erscheine im Falle der Mitwirkung derselben Richter nicht mehr als offen. Aus objektiver Sicht kann befürchtet werden, der Strafrichter habe sich wegen seiner früheren Mitwirkung bereits in einem Ausmasse eine Meinung gebildet, die ihn nicht mehr als unvoreingenommen erscheinen lässt.
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cc) Die Besorgnis der Voreingenommenheit wird durch die Art des Verfahrens nicht ausgeräumt. Der Anklagekammer kommt im Zulassungsverfahren zum einen ein grosser Entscheidungsspielraum zu; sie kann die Anklage aus materiellen Gründen zulassen, nicht zulassen oder auch nur vorläufig nicht zulassen und den definitiven Entscheid von der Vervollständigung der Untersuchung oder der Behebung von Mängeln abhängig machen (§ 167 StPO). Vor der Anklagekammer findet zum andern ein eigentliches förmliches, nicht öffentliches Verfahren statt (vgl. HAUSER/ HAUSER, a.a.O., S. 136). Der Beschuldigte kann zur Anklageschrift Stellung nehmen und Anträge, etwa auf Nichtzulassung oder vorläufige Nichtzulassung stellen; im vorliegenden Fall haben die Beschwerdeführer denn auch ausführliche Stellungnahmen eingereicht. Nach der Verfahrensordnung ist über solche Einwendungen sorgfältig zu befinden, und die Anklagekammer hat zu prüfen, ob die Anklage trotz der Vorbringen zugelassen werden kann. Der Zulassungsentscheid wird nicht begründet (§ 168 StPO). Das Verfahren zeigt somit, dass die Richter der Anklagekammer mit grossem Entscheidungsspielraum und unter Prüfung der Einwendungen des Angeschuldigten den hinreichenden Tatverdacht bejahen und die Anklage zulassen. Bei dieser Sachlage erscheint der Ausgang der Hauptverhandlung auch unter dem Gesichtswinkel des Verfahrens nicht mehr als vollkommen offen, und es kann befürchtet werden, die Oberrichter hätten sich bereits mit der Anklagezulassung eine Meinung über die Schuld der Beschwerdeführer gemacht.
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dd) Schliesslich ist die Bedeutung des Zulassungsentscheides zu beachten. Mit der Anklagezulassung wird die förmliche Versetzung in den Anklagezustand und die Überweisung der Strafsache an das zuständige Gericht verbunden. Damit ist von diesem Zeitpunkt an das Gericht mit der Sache definitiv befasst. Mit dem Zulassungsentscheid bringt die Anklagekammer demnach das Verfahren um einen entscheidenden Schritt voran. Er ist daher auch nicht mit einer prozessleitenden Anordnung oder einem Entscheid über einen Haftrekurs vergleichbar. Angesichts der Konsequenzen auf den Fortgang des ganzen Verfahrens kommt dem Zulassungsentscheid unter dem Gesichtswinkel von Art. 58 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK ein erhebliches Gewicht zu.
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ee) Zusammenfassend ergibt sich somit, dass die Anklagekammer im Zulassungsverfahren unter Berücksichtigung der Einwendungen der Angeschuldigten mit grossem Entscheidungsspielraum eine ähnliche Frage wie im Hauptverfahren beurteilt und einen für den Gang des Verfahrens ausschlaggebenden Entscheid fällt. Besteht nun wie im vorliegenden Fall teilweise personelle Identität zwischen dem Zulassungs- und Überweisungsrichter einerseits und dem Sachrichter andererseits, so erwecken die genannten Umstände die Besorgnis, dass sich der Sachrichter bereits eine Meinung gebildet hat und demnach der Ausgang des Hauptverfahrens vorbestimmt und somit nicht mehr offen ist. Der Angeklagte kann mit Grund befürchten, der Sachrichter, der das Untersuchungsergebnis bereits einmal überprüfte, unterziehe dieses im Hauptverfahren nicht mehr einer unvoreingenommenen Prüfung. Die Besorgnis der Befangenheit ist umso grösser, als der Richter wegen seiner Vorkenntnisse im Richterkollegium ein verstärktes Gewicht ausüben kann (vgl. BGE 112 Ia 301 f., EuGRZ 1986 S. 674; Urteil De Cubber, Ziff. 29). Mit der personellen Identität von einzelnen Richtern wird zudem die Verfahrensordnung, welche den Zulassungsentscheid und das Urteil in der Sache selbst verschiedenen Organen zuordnet, gewissermassen unterlaufen (vgl. Bericht i.S. Hauschildt, Ziff. 106; TRECHSEL, a.a.O. S. 397). Die genannten Umstände sind von einem derartigen Gewicht, dass das Misstrauen in die Unbefangenheit des erkennenden Richters nicht nur aus der Sicht der Angeschuldigten, sondern auch in objektiver Weise begründet erscheint. Demnach genügen die abgelehnten Oberrichter, welche bereits am Zulassungs- und Überweisungsentscheid mitwirkten, als erkennende Richter den Anforderungen von Art. 58 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK nicht.
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ff) Im vorliegenden Fall die Besorgnis der Voreingenommenheit zu bejahen, entspricht auch der jüngsten Entwicklung der Entscheidungen der Strassburger Organe. Die Kommission hat im Falle Ben Yaacoub deshalb Befangenheit des Richters angenommen, weil dieser die Untersuchungshaft mehrmals verlängerte und an der Überweisung mitwirkte. In ausdrücklicher Auseinandersetzung mit diesem Bericht schloss die Kommission im Falle Hauschildt, dass der Haftrichter später als Sachrichter amten könne. Aus dem Vergleich ergibt sich damit, dass es entscheidend auf die Mitwirkung an der Überweisung ankommt. Die Befugnisse des Überweisungsrichters und die Breite des Entscheidungsspielraumes im Falle Ben Yaacoub sind mit denjenigen der Anklagekammer im vorliegenden Fall durchaus vergleichbar (Bericht i.S. Ben Yaacoub, Ziff. 26-34 und 101-103). Für die Kommission war schliesslich auch die Bedeutung des Überweisungsbeschlusses für den Gang des Verfahrens sowie der Umstand entscheidend, dass der Überweisungsrichter das Untersuchungsergebnis umfassend würdigen kann (Bericht Hauschildt, Ziff. 112).
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gg) Das Bundesgericht hat in seinen Entscheiden aus dem Jahre 1986 zur Frage der Zulässigkeit der Personalunion von Untersuchungsrichter und erkennendem Richter ausgeführt, dass das Problem der Befangenheit nicht dadurch gelöst werden könne, dass der Angeklagte den Sachrichter im Einzelfall unter erleichterten Voraussetzungen oder gar ohne Begründung ablehnen dürfe. Denn damit bekäme der Angeklagte die Möglichkeit, den zuständigen Richter selber mitzubestimmen oder ihn aus sachfremden Gründen gewissermassen auszuwählen. Dies sei aber mit der Garantie auf den primär gesetzlich bestimmten Richter unvereinbar (BGE 112 Ia 303 E. e, EuGRZ 1986 S. 674 E. d, mit Hinweisen; vgl. zum Verhältnis vom gesetzlichen Richter zum Anspruch auf Ablehnung auch HAMM, a.a.O., S. 53 ff.). Die gleichen Erwägungen treffen auf den vorliegenden Fall zu.
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c) Aufgrund dieser Erwägungen erweist sich demnach eine personelle Trennung von Zulassungs- bzw. Überweisungsrichter einerseits und dem Sachrichter andererseits für das obergerichtliche Verfahren nach der zürcherischen Strafprozessordnung als erforderlich. Die Vorschrift von § 95 Abs. 2 GVG kann demnach im vorliegenden Fall nicht angewendet werden.
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Mit dieser personellen Trennung zwischen dem Überweisungsverfahren und der materiellen Beurteilung der Strafsache wird einerseits der Anspruch auf einen unvoreingenommenen, unbefangenen und unparteiischen Sachrichter im Hauptverfahren im Sinne von Art. 58 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK garantiert. Zum andern wird das Zwischenverfahren, in dem eine Anklage einer Prüfung unterzogen wird (vgl. oben E. 4b), aufgewertet und dem Angeschuldigten in rechtsstaatlicher Weise ein effektiver Schutz gewährt, nicht in ungerechtfertigter und diffamierender Weise in den Anklagezustand versetzt und dem Gericht überwiesen zu werden.
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d) Im vorliegenden Fall braucht das Bundesgericht nicht darüber zu befinden, wie es sich unter dem Gesichtswinkel von Verfassung und Konvention verhielte, soweit bei bezirksgerichtlicher Zuständigkeit die Anklage vom Bezirksgerichtspräsidenten zugelassen wird, soweit sich im Zulassungsverfahren ausschliesslich sog. formelle Fragen stellen oder soweit ein Geständnis des Angeschuldigten vorliegt. In den Erwägungen ist zum einen auf das teilweise unterschiedliche Verfahren hingewiesen worden; zum andern geht daraus aber auch hervor, dass nicht alleine darauf abgestellt werden könne, in welchem Umfange von den gesetzlichen Kompetenzen im Einzelfall tatsächlich Gebrauch gemacht worden ist.
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