BGE 118 Ib 356 - Camel-Trophy Uhren | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Sabiha Akagündüz, A. Tschentscher | |||
46. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 13. Juli 1992 i.S. E.F.A. Elegance Fashion Accessory SA gegen SRG und EVED (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 31 BV; Art. 15 Abs. 2 der Konzession vom 5. Oktober 1987 für die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft; Art. 9 lit. e der aufgehobenen bundesrätlichen Weisungen vom 15. Februar 1984 über die Fernsehwerbung; Werbespot für "Camel-Trophy"-Uhren. |
2. Der Anzeiger im konzessionsrechtlichen Aufsichtsverfahren ist in der Regel vor Bundesgericht nicht Verfahrensbeteiligter im Sinne von Art. 110 Abs. 1 OG (E. 1c). |
3. Zuständigkeit zur Überprüfung von Konzessionsverletzungen durch Werbesendungen am Fernsehen (E. 3). |
4. Das Verbot eines Fernsehspots, mit dem unmittelbar nicht für eine Tabakware, jedoch für ein damit assoziativ verbundenes anderes Produkt geworben wird, bedarf - Fälle von Rechtsmissbrauch vorbehalten - im Hinblick auf die Handels- und Gewerbefreiheit einer klaren gesetzlichen Grundlage (E. 4a-c). |
5. Frage offengelassen, ob eine solche Werbung als unterschwellige Werbung nach Art. 14 Abs. 1 lit. f der Radio- und Fernsehverordnung untersagt werden könnte (E. 5d). | |
Sachverhalt | |
Die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) strahlte zwischen dem 25. März und dem 20. April 1991 wiederholt einen Werbespot für "Camel-Trophy"-Uhren aus. Der Spot zeigte in einer rasanten Abfolge von Bildeinstellungen Studioaufnahmen verschiedener Modelle der Kollektion und ihren Einsatz unter extremen Bedingungen an der "Camel-Trophy"-Autorallye. Die mit abenteuerlicher Musik unterlegte Kommentierung lautete: "Zeit für Abenteuer. Zeit für die 'Camel-Trophy'-Watch. Eine Uhr, in der das Abenteuer tickt. 'Camel-Trophy'-Watch. In einer kompletten Kollektion."
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Die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft Nichtrauchen und deren Präsident, Dr. Martin Forster, reichten am 12. April 1991 beim Eidgenössischen Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement hiergegen Aufsichtsbeschwerde ein. Am 27. November 1991 stellte das Departement fest, die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft habe durch die Ausstrahlung des Werbespots Art. 15 Abs. 2 der Konzession vom 5. Oktober 1987 für die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (Konzession SRG; BBl 1987 III 813) in Verbindung mit Art. 9 lit. e der bundesrätlichen Weisungen vom 15. Februar 1984 (BBl 1984 I 364) über die Fernsehwerbung verletzt. Der auf einem sogenannten Imagetransfer beruhende Spot werbe indirekt für "Camel"-Zigaretten und verstosse deshalb gegen das Werbeverbot für Tabakwaren am Fernsehen.
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Gegen diesen Entscheid erhob die E.F.A. Elegance Fashion Accessory SA, welche neben anderen Uhren auch die "Camel-Trophy"-Watch in der Schweiz vertreibt, am 10. Januar 1992 Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Sie rügt, die angefochtene Verfügung greife ohne gesetzliche Grundlage in die Handels- und Gewerbefreiheit ein, erweise sich als unverhältnismässig und sei zudem ungeeignet, das angestrebte gesundheitspolitische Ziel zu erreichen.
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Das Eidgenössische Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement schliesst auf Abweisung der Beschwerde, während die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft beantragt, sie gutzuheissen.
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Dr. Martin Forster verlangte am 6. März 1992 für die Arbeitsgemeinschaft Nichtrauchen und für sich persönlich Einsicht in die Beschwerdeschrift. Der Präsident der II. öffentlichrechtlichen Abteilung hat diesem Begehren am 30. März 1992 "vorerst nicht stattgegeben".
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Die II. öffentlichrechtliche Abteilung visionierte den beanstandeten Werbespot am 7. Juli 1992.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut
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aus folgenden Erwägungen: | |
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a) Gemäss Art. 103 lit. a OG ist zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde legitimiert, wer durch den angefochtenen Entscheid berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung hat. Dieses Interesse kann rechtlicher oder bloss tatsächlicher Natur sein und braucht mit dem Interesse, das durch die vom Beschwerdeführer als verletzt bezeichneten Normen geschützt wird, nicht übereinzustimmen. Immerhin muss der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Entscheid stärker als jedermann betroffen sein und in einer besonderen, beachtenswerten, nahen Beziehung zur Streitsache stehen. Diese Anforderungen sollen die Popularbeschwerde ausschliessen; ihnen kommt deshalb dann besondere Bedeutung zu, wenn nicht der Verfügungsadressat im materiellen Sinn (vgl. FRITZ GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, Bern 1983, S. 148), sondern ein Dritter den Entscheid anficht (BGE 116 Ib 323 E. 2a; BGE 115 Ib 389 E. 2a). Ein Interesse ist grundsätzlich nur schutzwürdig, wenn es im Zeitpunkt der Urteilsfällung noch aktuell ist (BGE 111 Ib 58 /59 E. 2a mit Hinweisen). Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann in der Regel schliesslich nur führen, wer formell beschwert erscheint, das heisst wer am Verfahren vor der unteren Instanz teilgenommen hat und mit seinen dort gestellten Anträgen ganz oder teilweise unterlegen ist. Das Bundesgericht verzichtet indessen auf dieses Erfordernis, wenn der Beschwerdeführer, ohne sein Verschulden, an jenem Verfahren nicht teilnehmen konnte (BGE 116 Ib 426 E. 3a, BGE 108 Ib 94 E. 3b/bb; FRITZ GYGI, a.a.O., S. 155; vgl. auch ANDRÉ GRISEL, Traité de droit administratif, Bd. II, S. 900, b).
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b) Die angefochtene Verfügung richtet sich zwar an die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft, doch berührt sie auch die Beschwerdeführerin. Nach dem Entscheid des Eidgenössischen Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartementes darf ihr Werbespot nicht mehr ausgestrahlt werden; insofern kann der Ausgang des Beschwerdeverfahrens ihre tatsächliche Stellung unmittelbar beeinflussen (vgl. BGE 111 Ib 184 E. 2a mit Hinweisen). Obwohl der Bundesrat seine Weisungen vom 15. Februar 1984 über die Fernsehwerbung im Hinblick auf das Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom 21. Juni 1991 über Radio und Fernsehen (RTVG; AS 1992, 601) sowie der Radio- und Fernsehverordnung vom 16. März 1992 (RTVV; AS 1992, 680) auf den 1. April 1992 aufgehoben hat (BBl 1992 II 972), ist das Interesse der Beschwerdeführerin an der Beurteilung ihrer Eingabe nach wie vor aktuell. Art. 15 der Konzession SRG, dessen Abs. 2 Werbung im Fernsehen gemäss den Weisungen der Konzessionsbehörde erlaubt, gilt weiterhin; auch Art. 18 des Radio- und Fernsehgesetzes verbietet Tabakwerbung am Fernsehen (Abs. 5). Die Beschwerdeführerin war am konzessionsrechtlichen Aufsichtsverfahren zwar nicht beteiligt, doch muss wegen der Natur dieses Verfahrens und der Tatsache, dass sie als Dritte unverschuldet daran nicht teilnehmen konnte, das Erfordernis der formellen Beschwer hier entfallen (vgl. ANDRÉ GRISEL, a.a.O., S. 901).
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c) Der beanstandete Entscheid erging aufsichtsrechtlich auf eine Anzeige der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft Nichtrauchen sowie deren Präsidenten hin, welchen im Verfahren vor dem Departement indessen keine Parteistellung zukam (Art. 71 VwVG; vgl. BLAISE KNAPP, Précis de droit administratif, Basel und Frankfurt a. M. 1991, S. 377 ff., MARTIN DUMERMUTH, Die Programmaufsicht bei Radio und Fernsehen in der Schweiz, Basel und Frankfurt a.M. 1992, S. 137 und 154 ff.). Erhebt ein im Sinne von Art. 103 lit. a OG Betroffener gegen eine solche Verfügung Beschwerde, so stehen dem Anzeiger, der selber kein schutzwürdiges Interesse an der Prüfung der in Frage stehenden Sache hat, auch im bundesgerichtlichen Verfahren keine Parteirechte zu. Weder die Arbeitsgemeinschaft Nichtrauchen noch ihr Präsident werden durch den Ausgang des vorliegenden Verfahrens betroffen, weshalb sie nicht als Verfahrensbeteiligte im Sinne von Art. 110 Abs. 1 OG zu gelten haben.
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a) Die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen entscheidet über Beanstandungen ausgestrahlter Radio- und Fernsehsendungen schweizerischer Veranstalter, wobei sie prüft, ob eine oder mehrere Sendungen Programmbestimmungen der Konzession verletzt haben (Art. 1 und 17 des Bundesbeschlusses vom 7. Oktober 1983 über die unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen, BB UBI, SR 784.45; heute: Art. 58 ff. des Radio- und Fernsehgesetzes). Der Bundesrat führte in seiner Botschaft vom 8. Juli 1981 über die Schaffung einer unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen zu Art. 17 BB UBI aus, dieses Organ untersuche Sendungen daraufhin, ob sie mit den Programmvorschriften der Konzession übereinstimmten, nicht aber auch, ob sie den finanz- und betriebsrechtlichen Vorschriften entsprächen (BBl 1981 III 118). Über solche Fragen entscheidet nach wie vor das Departement als Aufsichtsbehörde. Die unter den beiden Instanzen in diesem Zusammenhang herausgebildete Praxis unterscheidet zwischen Programmgesichtspunkten und solchen rein finanzieller Art. Aspekte mit Programmnatur liegen vor, wenn es um Fragen der Meinungs- und Willensbildung, um die Transparenz einer Sendung oder um Probleme verfälschter Information geht. Nicht ausgeschlossen erscheint, dass im gleichen Fall sowohl das Departement wie die Unabhängige Beschwerdeinstanz zuständig sind (VPB 55/1991 S. 320 E. 2). Gestützt auf diese Abgrenzung prüfte das Departement in seiner Praxis wiederholt Fragen aus dem Werbebereich, wenn dabei die finanzielle Seite im Vordergrund stand (vgl. VPB 51/1987 S. 313/314; S. 315 E. 1; S. 320).
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b) Das Bundesgericht seinerseits hat zur Feststellung von Konzessionsverletzungen durch unbezahlte Werbung am Fernsehen die Unabhängige Beschwerdeinstanz zuständig erklärt (BGE 116 Ib 45 E. 5b). Die Frage, ob Programme als Plattform für solche Werbung zur Verfügung gestellt worden seien, gehöre zur Programmbeurteilung, welche die Bundesversammlung der Unabhängigen Beschwerdeinstanz übertragen habe. In BGE 114 Ib 154 E. 2c, der eine Werbesequenz an einem Lokalradio betraf, erklärte es, dass sich am Gehalt der Werbung nichts ändere, ob sie innerhalb des Programmteils erscheine oder von diesem getrennt; eine unzulässige Werbung unterstehe auch dann den Finanzierungsvorschriften, wenn sie im Programm ausgestrahlt worden sei. Das Bundesgericht hat sich bis heute zur Frage der Zuständigkeit zur Überprüfung bezahlter Werbesendungen nicht direkt geäussert.
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c) Die Unabhängige Beschwerdeinstanz hat in einem jüngeren Entscheid ohne weitere Begründung festgehalten, potentiell unterstünden alle Sendungen, ob Programm oder Werbung, ihrer Aufsicht; ihre Prüfungsbefugnis erstrecke sich auf sämtliche Programmbestimmungen der Konzession, zu denen auch Art. 15 gehöre. Art. 1 und 17 BB UBI gingen insoweit Art. 16 der Weisungen des Bundesrates über die Fernsehwerbung vor, welcher das Eidgenössische Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement mit der Aufsicht über die Einhaltung der Weisungen betraut (VPB 55/1991 S. 320 E. 2). Dieser Auffassung kann insofern beigepflichtet werden, als es im Zusammenhang mit der bezahlten Werbung um Fragen der freien Willensbildung geht, deren Beurteilung aus staats- und medienpolitischen Gründen der Unabhängigen Beschwerdeinstanz übertragen worden ist (vgl. MARTIN DUMERMUTH, a.a.O., S. 182 ff.).
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Im vorliegenden Fall stand indessen ausschliesslich die Zulässigkeit einer Wirtschaftswerbung und damit ein finanzrechtlicher Aspekt zur Diskussion, weshalb sich das Eidgenössische Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement als zuständig erachten durfte.
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Gestützt auf Art. 3 des Bundesgesetzes vom 14. Oktober 1922 betreffend den Telegrafen- und Telefonverkehr (TVG; SR 784.10) sowie in Anwendung von Art. 14 der Konzession für die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft vom 27. Oktober 1964/22. Dezember 1980, welche "eine begrenzte und direkte Werbung gemäss den Weisungen der Konzessionsbehörde" erlaubte (BBl 1981 I 289), erliess der Bundesrat am 15. Februar 1984 die Weisungen über die Fernsehwerbung, welche im vorliegenden Fall noch zur Anwendung kommen.
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a) Das Bundesgericht hat in BGE 111 Ib 60 im Zusammenhang mit dem Unterschied zwischen erlaubter Wirtschaftswerbung und unzulässiger politischer Propaganda erklärt, die der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft erteilte Konzession und die Weisungen über die Fernsehwerbung beruhten auf keiner besonderen gesetzlichen Grundlage. Es bestehe seit dem 2. Dezember 1984 zwar in Art. 55bis BV eine klare verfassungsmässige Basis für die Gesetzgebung über Radio und Fernsehen, doch habe es der Gesetzgeber bisher unterlassen, im Bereich der Monopolmedien eine angemessene Ordnung aufzustellen. Solange solche Regeln fehlten, hätten sich die Bestimmungen in der Konzession und in den Weisungen auf die Wahrung des öffentlichen Interesses im Rahmen der verfassungsmässigen Rechte zu beschränken. Diesen komme in doppelter Hinsicht Bedeutung zu: Einerseits sei ihre Wahrung eine Aufgabe, die im Rahmen der Monopolkonzession wahrgenommen werden müsse, andererseits seien die hierzu verfügten Einschränkungen nur zulässig, soweit sie sich aus der verfassungsmässigen Ordnung selbst ergäben.
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b) Der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft ist mit der Konzession die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe übertragen worden (Öffentlicher Dienst). Für die Werbung an Radio und Fernsehen ergeben sich hieraus im öffentlichen Interesse Schranken: Sie kann sowohl verboten wie zeitlich und inhaltlich beschränkt werden. Art. 31 BV begründet grundsätzlich keinen Anspruch auf eine staatliche Leistung; die Handels- und Gewerbefreiheit schützt lediglich vor staatlichen Eingriffen (BGE 117 Ib 394 E. 6c/aa). Ist die Werbung an einem konzessionierten Medium indessen zugelassen, müssen sich (insbesondere) die inhaltlichen Beschränkungen, wozu das Verbot bestimmter Reklamen zu zählen ist, an den Grundrechten und damit auch an der Handels- und Gewerbefreiheit orientieren (BGE 117 Ib 395 E. 6d).
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c) Unter dem Schutz von Art. 31 BV steht - eine Einschränkung durch die Bundesverfassung und der auf ihr beruhenden Gesetzgebung vorbehalten - jede gewerbsmässig ausgeübte privatwirtschaftliche Tätigkeit, die der Erzielung eines Gewinnes oder eines Erwerbseinkommens dient; die Handels- und Gewerbefreiheit umfasst auch das Recht, zu werben und die entsprechende Anpreisung inhaltlich zu gestalten (vgl. BGE 104 Ia 475 E. 2 mit Hinweisen, 116 Ia 345 ff.; ferner: RENÉ A. RHINOW, in: Kommentar BV, Art. 31, Rz. 84). Verschiedene Autoren leiten zum Teil aus Art. 31 BV zudem unmittelbar ein "Recht auf freie Kennzeichnung und damit auch einen Anspruch auf Kennzeichnung" ab (EUGEN MARBACH/CHRISTIAN HILTI, Einschränkung des Markenkennzeichnungsrechts durch Werbeverbote im schweizerischen Recht, in: GRUR International [Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Internationaler Teil] 1985 S. 383 mit weiteren Literaturhinweisen).
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d) Durch das Werbeverbot für Tabakwaren am Fernsehen wird die in Art. 31 BV enthaltene Werbefreiheit im öffentlichen Interesse beschränkt. Über die monopolrechtliche Grundlage hinaus (Art. 3 TVG) kann sich diese Massnahme auf die Lebensmittelgesetzgebung des Bundes stützen. Nach Art. 54 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 8. Dezember 1905 betreffend den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen (LMG; SR 817.0) erlässt der Bundesrat die nötigen Vorschriften zum Schutze der Gesundheit und zur Verhütung von Täuschungen im Verkehr mit den Waren und Gegenständen, welche den Bestimmungen dieses Gesetzes unterliegen. Art. 420d der bundesrätlichen Verordnung vom 26. Mai 1936 über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände (Lebensmittelverordnung, LMV; SR 817.02) untersagt jede Werbung für Tabakerzeugnisse, die sich in deutlicher Weise an Minderjährige richtet und bezweckt, sie zum Tabakgenuss zu veranlassen. Verboten ist insbesondere die Werbung an Orten, wo sich hauptsächlich Minderjährige aufhalten; in Werbeträgern, die hauptsächlich für Minderjährige bestimmt sind; auf Sportkleidern und den bei der Ausübung des Sportes verwendeten Gegenständen und Fahrzeugen sowie die Werbung durch unentgeltliche Abgabe von Tabakerzeugnissen an Minderjährige. Soweit die bundesrätlichen Weisungen an die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft Werbung für Tabakwaren als solche verbieten, besteht damit hierfür eine hinreichende gesetzliche Grundlage.
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a) Das Departement beanstandet nicht den Spot an sich, sondern die damit verbundene Werbewirkung, welche durch den Imagetransfer für "Camel"-Zigaretten erzielt wird. Angesichts der Schwere der gesundheitlichen und sozialen Probleme, die der Tabakkonsum mit sich bringt, bestehe ein öffentliches Interesse an einer strengen Handhabung des Werbeverbotes. Dieses untersage grundsätzlich jegliche direkte oder indirekte Werbewirkung für Tabakprodukte am Fernsehen, wobei nur jene Fälle auszunehmen seien, in denen die Veranstalter keinerlei Einflussmöglichkeiten auf die von ihnen übertragenen Ereignisse hätten. Gegenüber dem gesundheitspolitisch motivierten Anliegen habe das wirtschaftliche Interesse, die Werbekraft einer bekannten Marke zu verwerten, zurückzutreten. Tabak sei eines der gefährlichsten und verbreitetsten Suchtmittel. Andere Stoffe dieser Kategorie, welche ähnliche Gefahren in sich bergen würden, seien mit einem umfassenden Verbot belegt, welches Anbau, Handel und Konsum rigoros untersage und sich nicht auf ein teilweises Werbeverbot am Fernsehen beschränke.
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b) Dass ein Imagetransfer im vorliegenden Fall stattfindet, lässt sich nicht ernsthaft bestreiten. Fraglich ist dagegen, ob sich das ausgesprochene Verbot deswegen rechtfertigt oder ob ihm nicht die Handels- und Gewerbefreiheit entgegensteht.
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Art. 420d LMV untersagt in Abs. 1 "jede Werbung für Tabakerzeugnisse, die sich in deutlicher Weise an Minderjährige richtet und bezweckt, sie zum Tabakgenuss zu veranlassen". Nach Art. 9 lit. e der Weisungen des Bundesrates ist "Werbung für Tabakwaren" am Fernsehen verboten. Beide Vorschriften erfassen ohne Zweifel die direkte Werbung, sie nennen indessen indirekte Werbewirkungen, welche von einem anderen Produkt für das Image einer Tabakware ausgehen, nicht ausdrücklich. Weil eine solche Vorschrift auch sonst fehlt, kann das Verbot nur mit einer ausdehnenden Interpretation auf die hier in Frage stehende indirekte Werbung erstreckt werden. Dem steht entgegen, dass ein Werbeverbot für ein Produkt - wegen des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Gewerbegenossen und dem darin enthaltenen Gebot zur Wettbewerbsneutralität - keinen leichten Eingriff in die Handels- und Gewerbefreiheit darstellt. Heute ist es weithin üblich geworden, den spezifischen Symbolgehalt bekannter Zeichen für unterschiedliche Zwecke zu vermarkten, sei es zur Kennzeichnung branchenfremder Produkte, als dekorativer Aufdruck, für Accessoires oder anderes mehr (vgl. ANNETTE KUR, Zur Benutzung bekannter Zigarettenmarken für andere Produkte, Die "Camel-Adventures"-Entscheidung des schwedischen Marktgerichts, in: GRUR International 1990 S. 443; EUGEN MARBACH/CHRISTIAN HILTI, a.a.O., S. 381 mit Hinweisen). Die wirtschaftliche Diversifizierung einer Unternehmung wird unter Umständen erheblich erschwert, ist ihr untersagt, an ein bestehendes Image und die damit assoziierten Elemente anzuknüpfen. Für einen derartigen Eingriff bedarf es einer klaren gesetzlichen Grundlage. Dem Departement ist zuzugestehen, dass das Verbot im vorliegenden Fall sich zwar nur auf die Fernsehwerbung bezieht, doch kann diese heute gerade ein wesentliches Element der Werbestrategie ausmachen, so dass es zu einer nicht zu unterschätzenden Schlechterstellung der Inhaber von Zigarettenmarken und ihren Lizenznehmern im Vergleich zu Inhabern sonstiger Zeichen kommen kann, denen die werbemässige Ausnutzung des Eigenwerts ihrer Marken auch am Fernsehen uneingeschränkt möglich bleibt.
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c) Eine ausdehnende Interpretation der bestehenden gesetzlichen Grundlagen ist im öffentlichen Interesse indessen zulässig, um eindeutige Umgehungen zu erfassen, d.h. gegen Produkteanpreisungen vorzugehen, bei denen es nicht um ernsthafte wirtschaftliche Diversifikationen, sondern lediglich - ohne reellen Hintergrund - um versteckte Werbung für Tabakwaren geht. Ein solcher Missbrauch liegt nach den Akten im vorliegenden Fall aber nicht vor. Die Beschwerdeführerin vertreibt verschiedene Uhrenmarken, worunter auch die preislich der mittleren Kategorie zuzurechnende "Camel-Trophy"-Watch. Sie hat hierzu in der ganzen Schweiz ein effektives Verteilnetz von Uhrengeschäften und Warenhäusern aufgebaut. Ihre Werbung dient dem Absatz dieser Uhr; der Spot selber knüpft zwar an das Image der Zigarettenmarke an, doch kann nicht gesagt werden, dies geschehe in einer Art und Weise, die erkennen lässt, dass es bloss um eine werbemässige Festigung der ursprünglichen Marke gehen kann. Der angefochtene Entscheid und das damit verbundene Werbeverbot für den visionierten Spot der "Camel-Trophy"-Uhr halten demnach vor der Handels- und Gewerbefreiheit, soweit sie für den hier in Frage stehenden öffentlichen Dienst gilt, nicht stand und sind aufzuheben.
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d) Dahingestellt kann die Frage bleiben, ob mit dem Radio- und Fernsehgesetz und dem in Art. 14 RTVV vorgesehenen Verbot der unterschwelligen Werbung (Abs. 1 lit. f) heute eine hinreichende Rechtsgrundlage bestünde, Werbungen für Produkte zu untersagen, welche assoziativ mit dem Image von Tabakwaren verknüpft sind. Der Vollständigkeit halber sei aber auf die Botschaft des Bundesrates vom 9. März 1992 zu den zurzeit hängigen Zwillingsinitiativen vom 23. März 1988 "zur Verminderung der Tabakprobleme" (BBl 1988 I 1619) und "zur Verminderung der Alkoholprobleme" (BBl 1988 I 1622) verwiesen. Nach dem indirekten Gegenvorschlag des Bundesrates bleibt die Verwendung von für Genussmittel gebrauchten Marken für andere Produkte als alkoholische Getränke und Tabakwaren zulässig, sofern damit nicht die Förderung des Verkaufs alkoholischer Getränke oder von Tabakwaren "bezweckt wird". Auch die Werbung für solche Produkte - sofern sie nicht die Förderung des Verkaufs alkoholischer Getränke oder Tabakwaren "bezweckt" - bleibt erlaubt; nicht verboten wird überdies die Verwendung der Marken von anderen Produkten als Genussmitteln für Tabakwaren oder alkoholische Getränke, jedoch darf die Werbung für die Ausgangsprodukte auch in diesem Fall nicht die Förderung des Verkaufs von Tabakwaren oder alkoholischen Getränken "bezwecken". Die Werbung für Waren, deren Marke zwar an Alkohol und Tabak erinnert, jedoch ausschliesslich für andere Produkte als Genussmittel verwendet wird, bleibt möglich (vgl. BBl 1992 II 1167/68).
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