BGE 121 I 138 - Stimm- und Wahlrecht | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server, A. Tschentscher | |||
20. Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 19. April 1995 i.S. Willi Rohner gegen Kantonsrat und Regierungsrat von Appenzell A.Rh. (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Art. 85 lit. a OG, Gewährleistung der Stimm- und Wahlfreiheit an Landsgemeinden. |
Eigenheiten des direktdemokratischen Systems der Landsgemeinden (E. 4). |
Anerkennung der kantonalrechtlichen Institution der Landsgemeinde (E. 5b). |
Vorfrageweise Überprüfung der Kantonsverfassung (E. 5c)? |
Die Anordnung einer Landsgemeindeabstimmung verletzt die Abstimmungsfreiheit trotz systembedingter Unzulänglichkeiten nicht (E. 5c). | |
Sachverhalt | |
Der Kantonsrat von Appenzell A.Rh. beriet am 20. Februar 1995 in zweiter Lesung die Vorlage für eine neue totalrevidierte Kantonsverfassung. Er nahm den bereinigten Entwurf "zuhanden der Landsgemeinde 1995" mit nur wenigen Gegenstimmen an. Am 13. März 1995 genehmigte der Kantonsrat die Geschäftsordnung für die Landsgemeinde vom 30. April 1995 mit einer Gegenstimme; diese sah u.a. die Abstimmung über die neue Kantonsverfassung vor.
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Willi Rohner wandte sich vorerst an den Regierungsrat des Kantons Appenzell A.Rh. und hat am 22. März 1995 direkt beim Bundesgericht Stimmrechtsbeschwerde im Sinne von Art. 85 lit. a OG erhoben. Er stellt den Antrag, die Beschlüsse des Kantonsrates vom 20. Februar und vom 13. März 1995 seien aufzuheben, soweit mit ihnen die Abstimmung über die neue Kantonsverfassung an der Landsgemeinde 1995 angeordnet werde. Zur Begründung seiner Stimmrechtsbeschwerde macht er im wesentlichen geltend, über ein derart wichtiges Geschäft wie eine neue Kantonsverfassung könne wegen der Unzulänglichkeiten von Landsgemeinden nicht ohne Verletzung der bundesrechtlich garantierten Abstimmungsfreiheit abgestimmt werden.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Erwägungen: | |
1. Der Beschwerdeführer verfolgt mit seiner Stimmrechtsbeschwerde das Ziel, dass über die neue Kantonsverfassung, wie sie vom Kantonsrat in zwei Lesungen und nach durchgeführter Volksdiskussion verabschiedet worden ist, nicht an der Landsgemeinde vom 30. April 1995, sondern anlässlich einer Urnenabstimmung Beschluss gefasst wird. Die Beschwerde richtet sich gegen die beiden Beschlüsse des Kantonsrates, mit denen der Verfassungsentwurf zuhanden der Landsgemeinde verabschiedet bzw. die Geschäftsordnung für die Landsgemeinde vom 30. April 1995 beschlossen worden ist. Diese Beschlüsse stellen Vorbereitungshandlungen zur Landsgemeinde dar, welche nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sofort anzufechten sind (BGE 110 Ia 176 E. 1a S. 178, BGE 118 Ia 271 E. d S. 274, BGE 118 Ia 415 E. 2 S. 417). In bezug auf beide Beschlüsse hat der Beschwerdeführer die Frist nach Art. 89 OG eingehalten. Ein kantonales Rechtsmittel ist nicht gegeben, so dass auch der Instanzenzug nach Art. 86 Abs. 1 OG ausgeschöpft ist. Der Beschwerdeführer ist unbestrittenermassen im Kanton Appenzell A.Rh. stimmberechtigt und demnach zur Beschwerde im Sinne von Art. 85 lit. a OG legitimiert (BGE 119 Ia 167 S. 169). Schliesslich sind auch die Anträge - Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse und damit Absetzung der Abstimmung über die Kantonsverfassung bzw. Aufhebung der Abstimmung, falls das Geschäft wegen Verweigerung der aufschiebenden Wirkung von der Landsgemeinde behandelt würde - zulässig (BGE 113 Ia 46 E. 1c S. 50, BGE 110 Ia 176 S. 180, mit Hinweisen). Demnach kann auf die vorliegende Stimmrechtsbeschwerde eingetreten werden.
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Im vorliegenden Fall macht der Beschwerdeführer nicht geltend, mit der Anordnung, dass an der Landsgemeinde vom 30. April 1995 über die vom Kantonsrat ausgearbeitete Totalrevision der Kantonsverfassung abgestimmt werden soll, würden formelle Bestimmungen der noch gültigen Kantonsverfassung oder anderer Erlasse verletzt. Aus den genannten Bestimmungen der Kantonsverfassung ergibt sich klar, dass über Änderungen der Kantonsverfassung die Landsgemeinde Beschluss fasst. Es deutet nichts darauf hin, dass es sich bei einer Totalrevision der Kantonsverfassung anders verhalten sollte. Eine Urnenabstimmung ist für Revisionen der Verfassung nirgends vorgesehen. Es ist daher davon auszugehen, dass die angefochtene Abstimmungsanordnung mit dem kantonalen Verfassungsrecht im Einklang steht.
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Der Beschwerdeführer rügt indessen, dass das Abstimmungsprozedere an der Landsgemeinde im Widerspruch zu den Stimmrechtsgarantien stehe, wie sie sich aus der Bundesverfassung und der Rechtsprechung des Bundesgerichts zu Art. 85 lit. a OG ergeben. Die Unzulänglichkeiten der Landsgemeinde erlaubten es nicht, über ein derart wichtiges Geschäft wie eine Verfassungstotalrevision in einer offenen Abstimmung zu befinden. Das geltende Abstimmungsverfahren und die entsprechenden Bestimmungen der Kantonsverfassung seien daher vorfrageweise auf diese Bundesgarantien hin zu überprüfen, und demnach sei für die Beschlussfassung über die neue Kantonsverfassung eine Urnenabstimmung vorzusehen.
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Auf diese Grundsätze, welche auch als Wahl- und Abstimmungsfreiheit bezeichnet werden, hat das Bundesgericht eine Reihe von Prinzipien abgestützt (vgl. die Übersicht bei TOMAS POLEDNA/STEPHAN WIDMER, Die Wahl- und Abstimmungsfreiheit - ein verfassungsmässiges Recht des Bundes?, in ZBl 88/1987 S. 282; CHRISTOPH HILLER, Die Stimmrechtsbeschwerde, Zürich 1990, S. 115 ff.). So werden auf die Wahl- und Abstimmungsfreiheit zurückgeführt etwa die Ansprüche auf richtige Zusammensetzung der Aktivbürgerschaft (BGE 116 Ia 359 S. 365, mit Hinweisen), Wahrung der Einheit der Materie (BGE 113 Ia 46 E. 4 S. 52, mit Hinweisen), korrekte Formulierung der Abstimmungsfragen (BGE 106 Ia 20, mit Hinweisen), rechtmässige Durchführung von Wahlen und Abstimmungen (BGE 104 Ia 236, BGE 104 Ia 360 E. 3 S. 363, BGE 98 Ia 602 E. 9 und 10 S. 610, BGE 97 I 659 E. 4 S. 663, BGE 75 I 234) und korrekte und zurückhaltende behördliche sowie private Informationen im Vorfeld von Wahlen und Abstimmungen (BGE 119 Ia 271, BGE 118 Ia 259 E. 3 S. 261, mit Hinweisen).
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Die bundesgerichtliche Anerkennung dieser auf (ungeschriebenes) Bundesverfassungsrecht abgestützten Wahl- und Abstimmungsgrundsätze geht im wesentlichen auf die frühere Praxis von Bundesversammlung und Bundesrat aus den Jahren vor 1912 zurück. Bereits damals war davon die Rede, dass Wahlen dem wahren, gesetzmässigen und unverfälschten Volkswillen entsprechen müssten und der Stimmbürger sein Stimmrecht frei und ungehindert sollte ausüben können, damit der wahre Volkswille zum unverfälschten Ausdruck komme (vgl. die Hinweise bei POLEDNA/WIDMER, a.a.O., S. 285 ff.; L. R. VON SALIS, Schweizerisches Bundesrecht, 2. Auflage, Bern 1903, Band III, Nr. 1175 - 11184 und 1210 - 1234; WALTHER BURCKHARDT, Schweizerisches Bundesrecht, Frauenfeld 1930, Band II, Nr. 402-421). Mit dem Organisationsgesetz von 1911 ist die Kompetenz zur Beurteilung von Stimmrechtsbeschwerden dem Bundesgericht übertragen worden (Art. 180 Ziff. 5; AS 28/1912 S. 45). Dieses hat an die frühere Praxis angeknüpft und ausgeführt, ein Wahlsystem müsse die Voraussetzungen "d'égalité, d'ordre et de sûreté" garantieren und die Wahlresultate müssten wahrhaftiger Ausdruck der Mehrheit der Stimmberechtigten sein (BGE 38 I 466 S. 477 und 40 I 354 S. 364, mit Verweisen auf die Literatur). Formulierungen der Wahl- und Abstimmungsfreiheit, die den heute verwendeten entsprechen, finden sich in der Rechtsprechung des Bundesgerichts seit dem Jahre 1949 (vgl. BGE 75 I 234 S. 240, BGE 75 I 244 S. 245 sowie POLEDNA/WIDMER, a.a.O., S. 281).
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Das Bundesgericht hat diese Stimm- und Wahlrechtsgarantien auch auf Verfahren vor der Landsgemeinde angewendet und sich in zwei Entscheiden zu den zu beachtenden Verfahren geäussert (BGE 100 Ia 362, BGE 104 Ia 428 E. 3 S. 431). Wird im kantonalen Recht vorgesehen, dass das Abstimmungsergebnis an der Landsgemeinde lediglich durch Schätzung bestimmt wird, so ist die das Mehr feststellende Behörde zu grosser Sorgfalt verpflichtet; die kantonalen Vorschriften zur Ermittlung des Abstimmungsergebnisses sind im Lichte des bundesrechtlichen Grundsatzes auszulegen und anzuwenden, damit kein Ergebnis zustande kommt, das nicht den freien Willen der Stimmbürger zuverlässig und unverfälscht zum Ausdruck bringt. Unter diesen Gesichtspunkten beurteilte das Bundesgericht Beschwerden in bezug auf die Ermittlung des Stimmenverhältnisses durch Handmehr und Abschätzung (BGE 100 Ia 362) und betreffend die unmittelbare Wiederholung einer Landsgemeinde-Abstimmung (BGE 104 Ia 428).
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Im Vordergrund stehen die Bedenken in bezug auf das Wahlgeheimnis und (in vermindertem Ausmass) hinsichtlich des Abstimmungsgeheimnisses. Die offene Abstimmung kann unter psychologischen und sozialen Gesichtspunkten Beeinflussungen des Stimmbürgers bewirken, nämlich durch einen gewissen Konformitätsdruck, durch eigentliche unzulässige Druckausübung in allen möglichen Formen und Abstufungen oder durch Falschinformationen (vgl. RAINER J. SCHWEIZER, Kommentar zum Entwurf für eine Verfassung des Kantons Glarus, Glarus 1981, S. 179; WERNER STAUFFACHER, Die Versammlungsdemokratie im Kanton Glarus, Diss. Zürich 1962, S. 24 f.; MARTIN USTERI, Ausübung des Stimm- und Wahlrechtes nach freiheitsstaatlichen Prinzipien, in: ZSR 78/1959 II S. 424a f.). Einem Teil der Stimmbürgerschaft mag es aus unverschuldeten und nicht beeinflussbaren Gründen nicht möglich sein, an der Landsgemeinde tatsächlich teilzunehmen und das Stimmrecht auszuüben; dies trifft auf betagte und kranke Personen ebenso zu wie auf Angestellte etwa aus dem öffentlichen Dienst oder dem Gastwirtschaftsgewerbe, für welche auch keine Möglichkeit einer Stimmabgabe auf dem Korrespondenzweg oder zu einem andern Zeitpunkt besteht (vgl. SCHWEIZER, a.a.O., S. 177). Ferner wird angenommen, dass die Beteiligung an der Landsgemeinde aus unterschiedlichen Gründen wesentlich geringer ist als die Stimmbeteiligung bei Urnenabstimmungen und -wahlen und demnach die demokratische Legitimation der Landsgemeindebeschlüsse kleiner ist (vgl. SCHWEIZER, a.a.O., S. 178; STAUFFACHER, a.a.O., S. 350). Schliesslich ist die Kritik von erheblichem Gewicht, dass das Abstimmungs- oder gar das Wahlresultat nicht leicht und nur mit geringer Genauigkeit festgestellt werden kann (vgl. SCHWEIZER, a.a.O., S. 180; STAUFFACHER, a.a.O., S. 311 ff.).
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Diesen Bedenken werden auch Vorteile der Landsgemeinde gegenübergestellt. Ein Vorteil wird in der Bürgernähe erblickt; der Stimmbürger steht in direktem Kontakt mit den Behörden, erhält in der (mehr oder weniger zugelassenen) Diskussion Informationen aus erster Hand und kann somit den Entscheidungsvorgang unmittelbar selbst miterleben. Die Landsgemeinde kann (je nach der Ausgestaltung des Verfahrens) auf bestimmte Voten, Vorbringen und Vorschläge unmittelbar reagieren und gegenüber den vorberatenen Vorlagen Änderungen beschliessen. Gewissen Gefahren der offenen Abstimmung kann mit Vorkehren betreffend die Verfahrensausgestaltung begegnet werden (vgl. zum Ganzen STAUFFACHER, a.a.O., S. 26 ff.).
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Die Vor- und Nachteile der Landsgemeinde gegenüber einem (reinen) System der Urnenwahl und -abstimmung sind im Zusammenhang mit dem rechtlichen, politischen und sozialen Umfeld zu betrachten und lassen sich nicht leicht gegeneinander abwägen (vgl. STAUFFACHER, a.a.O., S. 29). Es wird darauf hingewiesen, dass das System der Landsgemeinde hohe Anforderungen an alle Beteiligten stellt und neben weitern Faktoren vor dem Hintergrund des tatsächlich Gelebten verstanden werden muss (SILVANO MÖCKLI, Die schweizerischen Landsgemeinde-Demokratien, Bern 1987, S. 56 f.). All diese Überlegungen treffen in gleicher Weise auch auf die Versammlungsdemokratie auf kommunaler Stufe, insbesondere auf Gemeindeversammlungen zu.
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b) Der Beschwerdeführer nimmt in seiner Stimmrechtsbeschwerde Bezug auf die eben dargelegten Bedenken allgemeiner Art gegenüber Landsgemeindeabstimmungen. Im einzelnen bringt er vor, es fehle bei einer Landsgemeinde bereits an der richtigen Zusammensetzung der Aktivbürgerschaft, weil viele Personen wegen körperlicher Behinderungen (Alter, Krankheit, Gebrechen), aus beruflichen Gründen, wegen der allgemeinen Schulferien oder aus Witterungsgründen nicht teilnähmen bzw. wegen des Fehlens der vorzeitigen oder schriftlichen Stimmabgabe nicht teilnehmen könnten. Die Stimmbeteiligung belaufe sich auf lediglich rund 25%, während bei (eidgenössischen) Urnenabstimmungen rund 50% der Stimmberechtigten ihre Stimme abgäben. Weiter rügt er die Ungenauigkeiten bei der Ermittlung der Stimmenverhältnisse. Und schliesslich macht er darauf aufmerksam, dass beim heutigen Verfahrensablauf der Einfluss unberechtigter Teilnehmer nicht ausgeschlossen werden könne.
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Diese Rügen werden im vorliegenden Verfahren gewissermassen abstrakt und ohne Bezug zu konkreten Unregelmässigkeiten, welche sich auf die Abstimmung auswirken könnten, erhoben. Nach der Auffassung des Beschwerdeführers erlauben es die geltend gemachten Unzulänglichkeiten nicht, an der Landsgemeinde über eine neue Kantonsverfassung zu entscheiden; erforderlich sei vielmehr eine Urnenabstimmung. Die vorliegende Beschwerde steht einzig im Zusammenhang mit der Abstimmung über die totalrevidierte Kantonsverfassung. Demgegenüber beanstandet der Beschwerdeführer nicht, dass andere Geschäfte (Staatsrechnung, Wahlen, Gesetzesvorlagen) von der Landsgemeinde behandelt und entschieden werden. Nach der Meinung des Beschwerdeführers ergibt sich zwischen der Totalrevision der Verfassung und den andern Wahl- und Sachgeschäften ein erheblicher Unterschied.
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b) Die Kantone sind im Rahmen von Art. 6 BV grundsätzlich frei, die Natur sowie die Modalitäten der demokratischen Mitwirkung zu bestimmen. Die Bestimmung von Art. 6 BV räumt ihnen einen sehr weiten Spielraum ein. Die Kantone nehmen mit der Ausgestaltung eine bewusste Wahl vor und tragen sowohl für Vor- als auch für Nachteile ihre eigene Verantwortung. Die politische Wahl hierfür ist vom Bund im Rahmen des Gewährleistungsverfahren und ebenso vom Bundesgericht zu respektieren. Dies gilt insbesondere auch für die überkommene Institution der Landsgemeinde mit ihrer direktdemokratischen Beteiligung der Stimmbürgerschaft. Die Landsgemeinden bestehen in mehreren Kantonen seit altersher, und es sind seither keine wesentlichen Neuerungen eingetreten, welche eine grundlegende Überprüfung dieser Institution erforderten. Sie sind - trotz der Diskussion um Vor- und Nachteile bzw. um Aufrechterhaltung oder Abschaffung - aus rechtlicher Sicht nie grundsätzlich in Frage gestellt worden.
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Die Anerkennung der Versammlungsdemokratie kommt auch in Entscheidungen des Bundesgesetzgebers aus jüngster Zeit zum Ausdruck. Dieser hat sich zwei Mal zur Einrichtung der Landsgemeinden bekannt. Mit Beschluss vom 13. Dezember 1991 hat die Bundesversammlung den Internationalen Pakt über die bürgerlichen und politischen Rechte (UNO-Pakt II, SR 0.103.2, AS 1993 747 und 750) ratifiziert; in bezug auf Art. 25 lit. b UNO-Pakt II, welcher das Recht und die Möglichkeit zu allgemeinen, gleichen und geheimen Wahlen einräumt, hat die Bundesversammlung die Bestimmungen des kantonalen und kommunalen Rechts, welche nicht geheime Wahlen an Versammlungen vorsehen oder zulassen, vorbehalten (vgl. Claude Rouiller, Le Pacte international relatif aux droits civils et politiques, in: ZSR 111/1992 I S. 126 ff.). Dieser Vorbehalt steht, wie aus der Botschaft des Bundesrates klar zum Ausdruck kommt, in direktem Zusammenhang damit, dass das politische System der Landsgemeindekantone nicht aufs Spiel gesetzt werden sollte (vgl. Botschaft des Bundesrates, BBl 1991 I 1201). Zum andern haben die Eidgenössischen Räte die totalrevidierte Verfassung des Kantons Glarus vom 1. Mai 1988 gewährleistet (BBl 1989 III 730 und 1723). Diese setzt die Tradition der Landsgemeinde fort und weist ihr Befugnisse wie Wahlen, Sachgeschäfte und Ausgabenbeschlüsse zu (vgl. Art. 68 und 69 KV/GL). Die Glarner Verfassung weist mit derjenigen des Kantons Appenzell A.Rh. unter anderem die Gemeinsamkeit auf, dass die Ermittlung der Mehrheitsverhältnisse ausschliesslich durch Mehren und Mindern erfolgt und - etwa im Gegensatz zu den Kantonen Ob- und Nidwalden - keine Auszählung vorgesehen ist.
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Diese beiden Beschlüsse der Bundesversammlung fügen sich in die traditionelle und weitverbreitete Anerkennung der Institution der Landsgemeinde und Versammlungsdemokratie ein. Diese Umstände legen auch dem Bundesgericht gesamthaft eine grosse Zurückhaltung nahe, und es kann daher nicht Aufgabe des Verfassungsgerichts sein, die Institution der Landsgemeinde als solche leichthin in Frage zu stellen oder gar aufzuheben. Wie die nachfolgenden Erwägungen zeigen, besteht hierfür im vorliegenden Fall auch kein Anlass.
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c) Entscheidendes Gewicht legt der Beschwerdeführer in der Begründung seiner Beschwerde auf die Möglichkeit der vorfrageweisen Überprüfung von Kantonsverfassungen. Er verlangt, dass die Bestimmung von Art. 42 KV/AR, welche die Landsgemeinde für die Revision der Kantonsverfassung für zuständig erklärt, inzident auf die oben dargelegten bundesrechtlichen Grundsätze der Abstimmungsfreiheit hin überprüft werden.
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aa) In der früheren Rechtsprechung hat sich das Bundesgericht für unzuständig erklärt, kantonale Verfassungsbestimmungen auf ihre Vereinbarkeit mit übergeordnetem Recht hin zu überprüfen. Es erachtete diese Prüfung als Aufgabe der Bundesversammlung, welche diese im Zusammenhang mit der Gewährleistung kantonaler Verfassungen nach Art. 6 Abs. 2 lit. a in Verbindung mit Art. 85 Ziff. 7 BV erfülle (BGE 104 Ia 215 E. 1 S. 219, BGE 111 Ia 239 E. 3a S. 230). So hat das Bundesgericht in einem den Kanton Obwalden betreffenden Fall ausgeführt, die in der Kantonsverfassung festgelegte Ordnung über die Durchführung der Landsgemeinde und Abschätzung der Stimmen könne nicht auf das Bundesrecht hin überprüft werden (BGE 100 Ia 362 S. 364). Im Jahre 1985 änderte es diese Rechtsprechung und anerkannte die Möglichkeit einer vorfrageweisen Überprüfung kantonaler Verfassungen auf die Garantien der Europäischen Menschenrechtskonvention hin, wenn diese im Zeitpunkt der Gewährleistung der Kantonsverfassung durch die Bundesversammlung noch nicht in Kraft waren und deshalb noch nicht berücksichtigt werden konnten (BGE 111 Ia 239 S. 242). Im Urteil betreffend Frauenstimmrecht im Kanton Appenzell A.Rh. ist diese neue Rechtsprechung auf das gesamte übergeordnete spätere Recht ausgedehnt worden (BGE 116 Ia 359 E. 4b S. 366). Es steht nichts entgegen, die gleichen Grundsätze auch in bezug auf ungeschriebene, sich weiter entwickelnde übergeordnete Verfassungsprinzipien anzuwenden.
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bb) Die Kantonsverfassung Appenzell A.Rh. stammt aus dem Jahre 1908 und wurde im gleichen Jahr von der Bundesversammlung gewährleistet (AS 24/1908 683). Wie oben dargelegt, geht die Rechtsprechung, wonach kein Abstimmungsergebnis anerkannt wird, das nicht den freien Willen der Stimmbürger zuverlässig und unverfälscht zum Ausdruck bringt, auf die Praxis des letzten Jahrhunderts zurück. An diese Praxis, welche von Bundesrat und Bundesversammlung gestützt auf die damalige Kompetenzordnung noch vor 1912 entwickelt worden ist, kann auch im Zusammenhang mit der Frage nach der vorfrageweisen Überprüfung von Kantonsverfassungen angeknüpft werden. Trotz dieses Umstandes kann nicht leichthin angenommen werden, die Abstimmungsfreiheit stelle in bezug auf Erlass und Gewährleistung der Kantonsverfassung von Appenzell A.Rh. altes Recht dar, welches von der Bundesversammlung im Jahre 1908 bereits hätte berücksichtigt werden können und eine inzidente Verfassungsüberprüfung durch das Bundesgericht ausschlösse. Denn die Praxis von Bundesrat und Bundesversammlung bezog sich speziell auf die Durchführung von Wahlen, und im einzelnen sind die oben dargestellten Grundsätze des Stimm- und Wahlrechts vom Bundesgericht erst im Laufe seiner Rechtsprechung herausgebildet worden. Demnach ist eine inzidente Verfassungsüberprüfung trotz des Umstandes, dass sich an der Institution der Landsgemeinde als solche nichts geändert hat, nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Eine solche erweist sich indessen, wie sich im folgenden zeigt, nicht als erforderlich.
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cc) Der Beschwerdeführer beruft sich zu Recht nicht auf den UNO-Pakt II. Diese Konvention räumt in Art. 25 lit. b grundsätzlich einen Anspruch darauf ein, "de voter et d'être élu". Die Bestimmung bezieht sich nach dem Zusammenhang und der deutschen Übersetzung ausschliesslich auf Wahlen (vgl. MANFRED NOVAK, CCPR-Kommentar, Kehl/Strassburg/Arlington 1989, Rz. 15 ff. zu Art. 25, vgl. aber auch Rz. 2 und 13 bezüglich Art. 25 lit. a UNO-Pakt II). Da im vorliegenden Fall eine Sachabstimmung zur Diskussion steht, fällt eine Berücksichtigung der genannten Bestimmung im Rahmen einer allfälligen inzidenten Prüfung der Kantonsverfassung - ungeachtet des schweizerischen Vorbehalts zu Art. 25 lit. b - zum vornherein ausser Betracht.
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d) Das Bundesgericht hatte sich schon im Jahre 1990 mit ähnlichen Bedenken gegenüber der Landsgemeinde wie im vorliegenden Fall zu befassen. Damals war streitig, in welchem Verfahren über den Fortbestand der Landsgemeinde - mittels Abstimmung an der Urne oder an einer Landsgemeinde - zu entscheiden sei. Es wies die Bedenken zurück und führte aus, die Landsgemeinde umfasse grundsätzlich alle Stimmbeteiligten, welche auch an der Urne ihr Votum abgeben könnten. Die Abstimmungsart sei von untergeordnetem Gewicht; insbesondere sei auch nicht einzusehen, weshalb die Gegner der damaligen Vorlage der Landsgemeinde vermehrt fernbleiben sollten als die Befürworter (nicht veröffentlichtes Urteil vom 7. Mai 1990 i.S. Sch.).
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Die mit der vorliegenden Beschwerde im Vorfeld der Landsgemeinde vorgebrachten Rügen vermögen ebenfalls nicht zu überzeugen. Es ist zwar durchaus einzuräumen, dass die Institution der Landsgemeinde mit gewissen, bereits erwähnten systembedingten Unzulänglichkeiten verbunden ist. Es leuchtet durchaus ein, dass mancher an sich abstimmungswillige Bürger wegen Verhinderungen nicht an der Landsgemeinde teilnehmen kann, die Stimmbeteiligung tiefer als bei Urnenabstimmungen sein mag, wegen der Offenheit der Abstimmungen Beeinflussungen möglich sind und die Mehrheitsverhältnisse nicht immer eindeutig abzuschätzen sind. Diese Umstände aber führen nicht schon für sich alleine zu Abstimmungs- und Wahlergebnissen, die den freien Willen der Stimmbürger nicht zuverlässig wiedergeben würden. Jeder oder fast jeder Stimmbürger hat die Möglichkeit, an der Landsgemeinde tatsächlich teilzunehmen; dies gilt für Befürworter einer Vorlage in gleichem Ausmass wie für Gegner. Es kann abstrakt auch nicht gesagt werden, dass eine freie Willensäusserung trotz denkbarer Beeinflussungen zum vornherein nicht möglich sein sollte; denn es kann nicht bestimmt werden, in welcher Weise, ob zugunsten oder zuungunsten einer bestimmten Vorlage sich solche auswirken würden. Auch der Umfang der Stimmbeteiligung hat nicht klar Einfluss in der einen oder andern Richtung; der Beschwerdeführer tut auf jeden Fall nicht dar, dass eine hohe oder niedrige Stimmbeteiligung die Abstimmung über eine neue Kantonsverfassung bevorzugen oder benachteiligen würde. Gleich verhält es sich mit den Schwierigkeiten der Feststellung des Ergebnisses, welche nur in einem Einzelfall, nicht aber abstrakt Anlass zu Verfälschungen geben könnten.
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All diese Rügen und Bedenken sind aus der Sicht der Versammlungsdemokratie gewissermassen systembedingt. Sie haben sich gegenseitig überschneidende und kompensierende Auswirkungen und sind demgemäss in bezug auf die Ergebnisse von Wahlen und Abstimmungen neutral. Es kann nicht abstrakt gesagt werden, dass im Verhältnis zum tatsächlichen Resultat an einer Landsgemeindeabstimmung wesentlich mehr Befürworter als Gegner einer Vorlage krankheits- oder arbeitsbedingt oder aus beliebig andern Gründen der Landsgemeinde fernbleiben und dadurch das Ergebnis klar in der einen oder andern Richtung beeinflusst würde. Das Abschätzen des Resultats, welches, wie das Bundesgericht unterstrichen hat, von den Behörden grosse Sorgfalt verlangt (BGE 100 Ia 362 S. 363), mag im Einzelfall zu Diskussionen Anlass geben. Die Schwierigkeiten vermögen indessen das System nicht grundsätzlich und vollkommen unabhängig von einer konkreten Abstimmung in Frage zu stellen.
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Die konkreten Unzulänglichkeiten des Abstimmungssystems an Landsgemeinden führen daher abstrakt gesehen nicht zu Wahl- und Abstimmungsergebnissen, welche den freien Willen der Stimmbürger nicht zuverlässig und unverfälscht zum Ausdruck brächten. Aus diesen Gründen dringt der Beschwerdeführer mit seiner Stimmrechtsbeschwerde nicht durch.
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