BGE 134 I 2 - Pascal Corminboeuf | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Philippe Dietschi | |||
1. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. SRG SSR idée suisse Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft gegen Kessler und Mitb. sowie Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
2C_335/2007 vom 25. Oktober 2007 | |
Regeste |
Art. 17 Abs. 1, Art. 34 und 93 BV; Art. 3-5 RTVG 1991; rundfunkrechtliche Zulässigkeit der Ausstrahlung des Porträts eines amtierenden Staatsrats unmittelbar vor Erneuerungswahlen ("Freiburger Original in der Regierung"). |
Ein personenbezogenes, wohlwollendes Porträt eines Politikers mit unkonventionellem Werdegang unmittelbar vor Wahlen ist geeignet, die Meinungsbildung des Publikums sowie die politische Chancengleichheit der Kandidaten zu beeinträchtigen; eine entsprechende Ausstrahlung verletzt deshalb das rundfunkrechtliche Sachgerechtigkeits- und Vielfaltsgebot (E. 2 und 4). | |
Sachverhalt | |
Das Schweizer Fernsehen DRS porträtierte am 30. Oktober 2006 im Rahmen der Sendung "Schweiz Aktuell" unter dem Titel "Freiburger Original in der Regierung" den parteilosen Freiburger Staatsrat Pascal Corminboeuf. Der Beitrag dauerte rund 3 Minuten und 40 Sekunden und wurde mit der Passage eingeleitet:
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"Das gibt es selten: Einen Politiker, über den fast niemand ein böses Wort sagt. Im Kanton Freiburg gibt es einen, einen parteilosen Bauern, der schon seit zehn Jahren in der Regierung sitzt: Pascal Corminboeuf: Als Mischung zwischen Bauer und Philosoph ist er über die Parteigrenzen hinweg beliebt. Mit 62 steigt er unverdrossen noch einmal in den Wahlkampf (...)".
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Der anschliessende Filmbericht zeigt Pascal Corminboeuf in der Altstadt von Freiburg, in seinem Regierungsbüro und in Düdingen. Anhand von Archivaufnahmen wird sein politischer Werdegang illustriert, der ihn "vom Aussenseiter zum führenden Regierungsmitglied" habe aufsteigen lassen.
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Gegen diesen Beitrag gelangten Erwin Kessler, Präsident des Vereins gegen Tierfabriken (VgT), und 25 Mitunterzeichner am 12. Januar 2007 an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI), welche ihre Eingabe am 30. März 2007 guthiess, soweit sie darauf eintrat, und feststellte, dass der Beitrag die Programmbestimmungen verletzt habe.
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Das Bundesgericht weist die von der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) hiergegen eingereichte Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ab.
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 2 | |
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2.2 Die SRG bestreitet diese Ausführungen: Bei "Schweiz Aktuell" handle es sich um eine Sendung, die nicht nur das wahlberechtigte Publikum im Kanton Freiburg angesprochen, sondern sich an die Zuschauer in der ganzen Deutschschweiz gerichtet habe. Es sei beim beanstandeten Porträt darum gegangen, über die Kantonsgrenzen hinaus, einen "unkonventionellen Kantonalpolitiker" vorzustellen. Gegenstand des Beitrags habe der Mensch und nicht der Politiker Corminboeuf gebildet. Die Kritik des Vereins gegen Tierfabriken sei nicht geeignet gewesen, dieses Bild zu beeinflussen, zumal im Hinblick auf die zitierten Quellen gegen dessen Anschuldigungen gewisse Vorbehalte bestanden hätten. "Schweiz Aktuell" sei keine politische Sendung im eigentlichen Sinn, sondern ein Journal mit Nachrichten, Reportagen sowie Interviews über aktuelle Ereignisse aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport aus den Regionen. Auf solche Sendungen fänden die strengen Regeln bezüglich eigentlicher Abstimmungs- und Wahlbeiträge keine Anwendung, da sie von vornherein nicht geeignet seien, die politische Willensbildung des Publikums zu beeinflussen. Sie verfüge - so die SRG weiter - als Veranstalterin im Rahmen ihrer Autonomie über eine "grosse Freiheit", "Neuigkeiten, Geschichten und Anekdoten aus einem Wahlkampf eigenständig auf ihre publizistische Relevanz hin zu prüfen und sie im Hinblick auf eine Verwendung im Programm eigenständig zu gewichten"; es könne nicht das Ziel der Informationsgrundsätze sein, "mit der Stoppuhr die Erwähnungen der Kandidaten in der Berichterstattung zu messen" und "die Berichterstattung komplett zu sterilisieren".
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Erwägung 3 | |
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Erwägung 3.2 | |
3.2.1 Der verfassungsrechtlich garantierten Programmautonomie (vgl. Art. 17 Abs. 1 und Art. 93 Abs. 3 BV; Art. 5 Abs. 1 RTVG 1991) ist bei der Beurteilung der einzelnen Sendung Rechnung zu tragen. Im Rahmen des Leistungsauftrags ist es jedem Veranstalter erlaubt, sich kritisch mit den verschiedensten Bereichen des staatlichen, gesellschaftlichen, kulturellen und religiösen Lebens auseinanderzusetzen. Grundsätzlich gibt es kein Thema, das einer - allenfalls auch provokativen und polemischen - Darstellung am Fernsehen entzogen wäre. Dem Zuschauer darf jedoch nicht durch angeblich objektive, tatsächlich aber unvollständige Fakten die Meinung bzw. Ansicht des Journalisten als (absolute) Wahrheit und eigene Überzeugung suggeriert werden. Als Ausfluss der Medien-, Programm- und Informationsfreiheit besteht indessen nur ausnahmsweise ein "Recht auf Antenne", d.h. ein Anspruch darauf, dass ein Veranstalter eine bestimmte Information oder Auffassung auch gegen seinen Willen ausstrahlen muss (BGE 125 II 624 E. 3a; BGE 123 II 402 E. 2b/cc und 3b; BGE 119 Ib 241 E. 4, BGE 119 Ib 250 E. 3b; PHILIPP MÄDER, Das Verbot politischer Werbung im Fernsehen, Zürich 2007, S. 247 ff.).
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3.2.2 Ein aufsichtsrechtliches Eingreifen des Staates in den pluralistischen Meinungsbildungsprozess rechtfertigt sich nur im Rahmen einer Interessenabwägung zwischen der Programmfreiheit des Veranstalters einerseits und der Informationsfreiheit des Publikums bzw. anderer verfassungsmässiger Rechte andererseits (BGE 133 II 136 E. 5.1; vgl. auch URS THÖNEN, Politische Radio- und Fernsehwerbung in der Schweiz, Basel/Genf/München 2004, S. 41 ff.). Eingriffe in die Rechtsstellung der (öffentlich-rechtlichen oder privaten) Rundfunkveranstalter sollen nicht über das hinausgehen, was zur Realisierung des Programmauftrags und des pluralistischen Wettbewerbs der Meinungen nötig erscheint. Die Programmaufsicht hat sich auf eine Rechtskontrolle zu beschränken und darf nicht in eine Fachaufsicht verfallen (BGE 131 II 253 E. 3.4). Eine rundfunkrechtlich relevante Sorgfaltspflichtverletzung liegt nicht schon dann vor, wenn im Nachhinein und losgelöst von jedem zeitlichen Druck festgestellt werden kann, dass ein Beitrag anders und überzeugender hätte gestaltet werden können, sondern nur, wenn die programmrechtlichen Mindestanforderungen bezüglich des Sachgerechtigkeits-, Transparenz- und Vielfaltsgebots bzw. des kulturellen Mandats verletzt worden sind. Andere, untergeordnete Unvollkommenheiten fallen in die redaktionelle Verantwortung des Veranstalters und sind durch dessen Programmautonomie gedeckt (BGE 131 II 253 E. 3.4 S. 263 f.).
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Erwägung 3.3 | |
3.3.1 Im Rahmen des Sachgerechtigkeitsgebots muss der Zuschauer durch die vermittelten Fakten und Auffassungen in die Lage versetzt werden, sich eine eigene Meinung zu bilden. Ein Beitrag darf insgesamt nicht manipulativ wirken, was der Fall ist, wenn der (mündige) Zuschauer in Verletzung journalistischer Sorgfaltspflichten unsachgemäss informiert wird; er sich gestützt auf die gelieferten Informationen oder deren Aufarbeitung kein eigenes sachgerechtes Bild mehr machen kann, weil wesentliche Umstände verschwiegen oder "Geschichten" durch das Fernsehen "inszeniert" werden. Der Umfang der erforderlichen Sorgfalt hängt von den Umständen, insbesondere vom Charakter und den Eigenheiten des Sendegefässes sowie dem jeweiligen Vorwissen des Publikums ab (BGE 132 II 290 E. 2.1 S. 292).
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3.3.2 Das Vielfaltsgebot will seinerseits einseitige Tendenzen in der Meinungsbildung durch Radio und Fernsehen verhindern. Es verpflichtet das audiovisuelle Mediensystem als Ganzes, die politisch weltanschauliche Vielfalt widerzuspiegeln, und bezieht sich primär auf die Programme in ihrer Gesamtheit. Strenger gilt das Vielfaltsgebot aus staatspolitischen Gründen im Vorfeld von Wahlen und Abstimmungen: In diesem Zusammenhang soll der Grundsatz verhindern, dass die öffentliche Meinungsbildung einseitig beeinflusst und das Wahl- oder Abstimmungsergebnis möglicherweise verfälscht wird (ZELLER, a.a.O., S. 263; STUDER/MAYR VON BALDEGG, Medienrecht für die Praxis, 2. Aufl., Zürich 2001, S. 188). Die verfassungsrechtlich garantierte Wahl- und Abstimmungsfreiheit umfasst den Anspruch darauf, "dass kein Abstimmungs- oder Wahlresultat anerkannt wird, das nicht den freien Willen der Stimmbürger zuverlässig und unverfälscht zum Ausdruck bringt" (vgl. Art. 34 BV). Der Entscheid der Stimmenden soll gestützt auf einen möglichst freien und umfassenden Meinungsbildungsprozess erfolgen (vgl. BGE 124 I 55 E. 2a und 5a; GEROLD STEINMANN, in: St. Galler Kommentar zur BV, Rz. 10 ff. zu Art. 34 BV). Der rundfunkrechtliche Leistungsauftrag verlangt deshalb ebenfalls, dass Kandidaten und Parteien der Zugang zu den audiovisuellen Medien nach sachlichen Kriterien gewährt wird (rundfunkrechtlich: BGE 97 I 731 E. 3; BGE 119 Ib 250 E. 3c; BGE 125 II 497 E. 3; stimmrechtlich: BGE 98 Ia 73 ff.; BGE 113 Ia 291 E. 3; BGE 124 I 55 ff.). Je ausgeprägter der Wahl- oder Abstimmungscharakter eines Beitrags ist, desto strikter sind im Vorfeld entsprechender Volksentscheide die journalistischen Sorgfaltspflichten zu wahren (BGE 98 Ia 73 ff.). Dabei kommt es nicht auf die subjektive Einschätzung des Veranstalters bezüglich der Natur des Sendegefässes oder der Zielsetzung seines Beitrags an, sondern auf dessen objektiv abzuschätzende Wirkung auf das Publikum. Je später vor dem Urnengang und je intensiver eine Stellungnahme zu einer Wahl oder Abstimmung an Radio und Fernsehen erfolgt, umso strikter soll jede Einseitigkeit und Manipulation ausgeschlossen werden.
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Erwägung 4 | |
4.1 Der umstrittene Beitrag wurde in "Schweiz Aktuell" - einer Sendung mit Nachrichten, Reportagen und Interviews über aktuelle Ereignisse aus Politik, Wirtschaft, Kultur sowie Sport aus den Regionen - nur gerade sechs Tage vor den Staatsratswahlen im Kanton Freiburg ausgestrahlt. In An- wie Abmoderation wurde ausdrücklich auf diese Bezug genommen und - unter Nennung der bisherigen parteipolitischen Sitzverteilung - darauf hingewiesen, dass am "nächsten Sonntag" im Kanton Freiburg Wahlen stattfänden, jedoch mit keinen markanten Kräfteverschiebungen gerechnet werde. Das Porträt von Staatsrat Corminboeuf war ausgesprochen positiv abgefasst. Bereits in der Einleitung wurde festgestellt, dass es kaum einen Politiker gebe, über den fast niemand ein böses Wort sage - der Kanton Freiburg kenne indessen einen solchen, "einen parteilosen Bauern, der schon seit zehn Jahren in der Regierung sitzt: Pascal Corminboeuf." Als Mischung zwischen Bauer und Philosoph sei er über die Parteigrenzen hinweg beliebt. Mit 62 steige dieser "aussergewöhnliche Politiker" noch einmal in den Wahlkampf.
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In der Folge wird auf das Leben von Pascal Corminboeuf als Student, Philosoph und Bauer eingegangen, der vor zehn Jahren "als parteiloser Aussenseiter seine überraschende Wahl in die Freiburger Kantonsregierung" habe feiern können; seither sei es mit ihm "nur noch aufwärts gegangen". In zwei Legislaturen sei er "vom Aussenseiter zum führenden Regierungsmann geworden", der sich "mit der schwierigen Zusammenlegung der Freiburger Gemeinden und der neuen Kantonsverfassung [...] einen Namen gemacht habe. In seine dritte Wahlkampagne steige Pascal Corminboeuf "mit der Gelassenheit des bestgewählten Staatsrats", der "er vor fünf Jahren war", entsprechend "bescheiden sei denn auch der Aufwand für seine Wahlkampagne".
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4.2.1 Entgegen den Einwänden der SRG gelten die gesteigerten Sorgfaltspflichten nicht nur im Rahmen eigentlicher Wahl- und Abstimmungssendungen, sondern hinsichtlich aller redaktioneller Beiträge mit einem konkreten Bezug zu einem unmittelbar bevorstehenden Volksentscheid. Die Redaktion von "Schweiz Aktuell" kannte den Wahltermin im Kanton Freiburg, strahlte sie das beanstandete Porträt doch gerade mit Blick hierauf (noch) am 30. Oktober 2006 aus, obwohl es - so die Stellungnahme der SRG an die UBI - schon seit mehreren Tagen bereit gewesen sei. Zum Zeitpunkt der Ausstrahlung musste ihr die im Kanton Freiburg vom VgT breit angelegte Kampagne gegen die Wiederwahl von Regierungsrat Corminboeuf bewusst gewesen sein, dennoch wurde mit keinem Wort darauf eingegangen; auch kamen in einer für die Wahlberechtigten im Kanton Freiburg besonders sensiblen Periode keine anderen kritischen Stimmen zu Wort. Im Gegenteil: Pascal Corminboeuf wurde als Politiker dargestellt, der "zupacke" und praktisch alles richtig mache; die befragten Staatsratskollegen würdigten ihn als "Vaterfigur" bzw. als Persönlichkeit, welche die bäuerische Sicht in die Freiburger Politik einbringe. Kein einziger der übrigen 16 Kandidaten, welche sich für die 7 Sitze in der Freiburger Regierung bewarben, wurde in "Schweiz Aktuell" bzw. in einer anderen Sendung des Schweizer Fernsehens in vergleichbarer Weise vorgestellt. Der Beitrag war deshalb geeignet, die Chancengleichheit der Kandidaten zu beeinträchtigen, indem dem Zuschauer keine Elemente in die Hände gegeben wurden, um sich ein umfassendes Bild machen zu können.
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4.2.3 Zwar richtet sich die Sendung "Schweiz Aktuell" an ein Zielpublikum in der ganzen Deutschschweiz, doch wird sie - was nicht bestritten ist - auch im Kanton Freiburg empfangen, wo das beanstandete Porträt geeignet war, kurz vor der Wahl die Meinungsbildung (noch) zu beeinflussen und andere Kandidaten - insbesondere nicht etablierte - aufgrund der unausgewogenen Berichterstattung zu benachteiligen. Ob die Sendung tatsächlich solche Auswirkungen hatte, ist im vorliegenden Zusammenhang - anders als bei einer Stimmrechtsbeschwerde - nicht von Belang, da im Rahmen des Streitgegenstands nur beurteilt werden muss, ob die Beschwerdeführerin als Programmveranstalterin ihre journalistischen Sorgfaltspflichten im Rahmen des Leistungsauftrags verletzt und das Publikum mit dem umstrittenen Beitrag unsachgerecht bzw. unausgewogen informiert hat. Es ist nicht ersichtlich und wird nicht dargetan, weshalb das Porträt von Staatsrat Pascal Corminboeuf als Bauer, Philosoph und Politiker nach den Wahlen bzw. im Rahmen der Berichterstattung über deren Ausgang für ein weiteres Publikum nicht ebenso interessant gewesen wäre. Der Beschwerdeführerin ist es - entgegen ihrer Kritik - nicht untersagt, über "Neuigkeiten, Geschichten und Anekdoten aus einem Wahlkampf" zu berichten. Um solche ging es hier indessen nicht; zur Diskussion stand vielmehr ein Beitrag, der ohne objektiven Anlass oder spezifischen, sachlichen Grund einem Kandidaten und bisherigen Staatsrat im Wahlkampf eine bessere Ausgangslage verschaffen konnte als seinen Konkurrenten. Die privaten und öffentlichen Interessen an der freien Meinungsbildung des Publikums und der Wähler überwogen deshalb das Interesse der konzessionierten und gebührenfinanzierten Beschwerdeführerin, ihre Programmfreiheit wahren zu können.
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4.2.4 Die Empfehlung Nr. R (99) 15 vom 9. September 1999 des Ministerkomitees des Europarats über die Massnahmen betreffend die Berichterstattung der Medien über Wahlkampagnen sieht vor, dass die Mitgliedstaaten Vorkehren treffen, "in Anwendung derer die öffentlichen und privaten Rundfunkveranstalter während der Wahlperioden in ihren Informations- und Aktualitätsprogrammen, einschliesslich der Diskussionssendungen wie Interviews oder Debatten, besonders fair, ausgewogen und unparteiisch" vorzugehen haben. Besondere Aufmerksamkeit sei auch jenen Programmen zu schenken, die sich mit Informationen oder Aktualitäten befassten und nicht direkt mit Wahlkampagnen verbunden seien, aber dennoch geeignet erschienen, das Wählerverhalten zu beeinflussen (Ziff. II.3 der Empfehlung Nr. R [99] 15). Dies war nach dem Gesagten hier der Fall. Die Beschwerdeführerin scheint sich der Problematik von Beiträgen der vorliegend beanstandeten Art vor Wahlen im Übrigen auch selber bewusst zu sein: Nach den Leitlinien für ihre Mitarbeiter zu den Wahlen 2007 sind vor Wahlen und Abstimmungen die Regeln der Vielfalt und der Fairness besonders eng zu interpretieren, wobei als "Faustregel gilt: Je näher der Abstimmungs- oder Wahltermin, desto höher die Anforderungen", was für alle Sendungen und Abteilungen zu beachten sei; unter dem Titel "Themenkoordination" weisen die internen Empfehlungen namentlich auch darauf hin, dass keine unbeabsichtigten thematischen Schwerpunkte entstehen sollen, in deren Rahmen einzelne Kandidierende und/oder Parteien ein Übergewicht erhielten. Zwar standen die entsprechenden Richtlinien bei der Ausstrahlung des vorliegend umstrittenen Beitrags noch nicht in Kraft; inhaltlich decken sie sich indessen mit Ziffer 13 der allgemeinen Publizistischen Leitlinien des Schweizer Fernsehens vom 25. Oktober 2005.
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4.3 Der Entscheid der UBI verletzt somit weder Bundesverfassungs- noch Konventionsrecht: Der damit verbundene Eingriff in die Programmfreiheit der SRG beruht auf einer durch die Rechtsprechung hinreichend konkretisierten Verfassungs- bzw. Gesetzesgrundlage und liegt zur Wahrung der Wahl- und Abstimmungsfreiheit im überwiegenden öffentlichen Interesse. Er ist verhältnismässig, da nicht die Ausstrahlung des Porträts von Staatsrat Corminboeuf als solches beanstandet, sondern ausschliesslich der Zeitpunkt einer solchen Sendung im unmittelbaren Vorfeld einer bestimmten Wahl als Verletzung programmrechtlicher Bestimmungen festgestellt worden ist.
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