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Informationen zum Dokument  BGE 84 II 469  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Als selbständiger Vorentscheid der letzten kantonalen Ins ...
2. Zu entscheiden bleibt, ob der Durchführung des von der Eh ...
3. Die Einrede der abgeurteilten Sache setzt in erster Linie eine ...
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64. Urteil der II. Zivilabteilung vom 22. Juli 1958 i.S. B. gegen B.
 
 
Regeste
 
1. Gerichtsstand des Heimatortes für die Scheidungsklage. Art. 7 g Abs. 1 NAG. Diesen Gerichtsstand kann ein im Ausland wohnender schweizerischer Ehegatte in Anspruch nehmen, auch wenn er Doppelbürger ist, und zwar auch bei Wohnsitz in seinem andern Heimatstaat; - insbesondere die gebürtige Schweizerin, die durch Heirat mit einem Ausländer dessen Staatsangehörigkeit erworben und daneben ihr Schweizerbürgerrecht gemäss Art. 9 des Bürgerrechtsgesetzes von 1952 beibehalten hat. Unanwendbarkeit von Art. 22 Abs. 3 ZGB (Erw. 1).  
3. Einrede der abgeurteilten Sache gestützt auf das inzwischen ergangene Urteil über die im Ausland angehobene Klage. Voraussetzungen dieser Einrede nicht erfüllt (Erw. 3).  
 
Sachverhalt
 
BGE 84 II, 469 (470)A.- Die Parteien liessen sich am 18. Juni 1953 trauen und hatten ihren ehelichen Wohnsitz in Antwerpen. Der Ehemann ist Belgier, die Ehefrau gebürtige Schweizerin (von Mellingen im aargauischen Bezirk Baden). Mit der Heirat erwarb sie das belgische Bürgerrecht des Ehemannes; daneben behielt sie kraft einer dahingehenden Erklärung gemäss Art. 9 des Bürgerrechtsgesetzes vom 29. September 1952 das Schweizerbürgerrecht bei.
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Der Ehe ist ein Kind entsprossen, der am 22. Juni 1954 geborene José Bernard.
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B.- Infolge ehelicher Misshelligkeiten stellte der Ehemann am 10. Juni 1955 beim Richter von Antwerpen das Gesuch, das Kind sei in seine Obhut zu geben, und es sei ihm zu gestatten, mit dem Kind eine eigene Wohnung in Antwerpen zu beziehen. Mit Beschluss vom 15. Juni 1955 beliess der Richter das Kind bei der Mutter und gestattete dem Ehemanne bloss den Bezug einer eigenen Wohnung.
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C.- Bald darauf begab sich die Ehefrau - wie sie erklärt, wegen Bedrohung durch den Ehemann - mit dem Kinde nach der Schweiz. Am 24. Juni 1955 verlangte sie beim Gemeindeammann ihres Heimatortes Mellingen die Anordnung einer Sühneverhandlung über das Begehren um Ehescheidung. Diese Verhandlung fand am 13. Juli 1955 in Abwesenheit des Ehemannes statt, der mitgeteilt hatte, er habe seinerseits am 30. Juni 1955 beim zuständigen Gericht in Antwerpen den Antrag auf Ehescheidung gestellt; zur Verhandlung sei Termin auf den 6. Oktober 1955 angesetzt worden. Der Gemeindeammann von Mellingen nahm zur Frage der örtlichen Zuständigkeit nicht Stellung; er erteilte der Ehefrau den verlangten Weisungsschein, worauf sie am 16. Juli 1955 die Scheidungsklage beim Bezirksgericht Baden einreichte, unter Berufung auf Art. 7 g Abs. 1 NAG. Ihre Begehren gingen auf Scheidung der Ehe nach Art. 142 ZGB, auf Zusprechung des Kindes BGE 84 II, 469 (471)an sie mit entsprechender Unterhaltsverpflichtung des Ehemannes, auf Zuerkennung eines monatlichen Unterhaltsgeldes und einer Genugtuung an sie und auf Feststellung ihres Eigentums an Möbeln und Hausratgegenständen.
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D.- Mit Eingabe vom 24./26. August 1955 erhob der Ehemann eine fristliche Einrede mit dem Antrag, "es sei die vorliegende Klage der Klägerin auf Ehescheidung angebrachtermassen bzw. zur Zeit von der Hand zu weisen und zufolge bereits bestehender Litispendenz das Bezirksgericht Baden als nicht zuständig zu erklären". Während das Bezirksgericht Baden diese Einrede guthiess und den Ehemann "für einmal" von der Pflicht zur Einlassung auf die Klage befreite, wies das Obergericht des Kantons Aargau mit Urteil vom 29. März 1957 die Einrede ab und hielt das Bezirksgericht an, den Scheidungsprozess fortzusetzen.
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In zweiter Instanz hatte sich der Ehemann auf das inzwischen auf seine Scheidungsklage in Belgien gegen die Ehefrau ergangene Kontumazialurteil vom 21. Januar 1957 berufen, lautend auf Scheidung mit Bezeichnung der Ehefrau als schuldiger Teil wegen schwerer Beleidigungen, auf Befreiung des Ehemannes von jeglicher Unterhaltspflicht ihr gegenüber und auf Zusprechung des Kindes an ihn mit bestimmtem Besuchsrecht der Mutter. Er stützte darauf die Einrede der abgeurteilten Sache. Das Obergericht liess diese Einrede in prozessualer Hinsicht zu, erklärte sie aber als unbegründet. In erster Linie fehle es am Nachweis der Rechtskraft; aber auch die gehörige Vorladung der Ehefrau sei nicht nachgewiesen, so dass das belgische Urteil, auch wenn es rechtskräftig wäre, in der Schweiz nicht anerkannt werden könnte. Im übrigen sei "mehr als fraglich", ob der früher begründete schweizerische Gerichtsstand durch die raschere Beendigung des belgischen Prozesses hätte hinfällig werden können. Allerdings bestehe nun die Gefahr zweier einander widersprechender Urteile. Das sei jedoch die unvermeidliche Folge BGE 84 II, 469 (472)davon, dass Belgien internationalrechtlich die Einrede der Rechtshängigkeit nicht gelten lasse.
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E.- Gegen das am 29. Juni 1957 zugestellte obergerichtliche Urteil hat der Ehemann binnen gesetzlicher Frist - neben einer staatsrechtlichen Beschwerde - Berufung an das Bundesgericht eingelegt mit dem Hauptantrag auf Aufhebung des angefochtenen und Wiederherstellung des bezirksgerichtlichen Urteils. Er hält an der Unzuständigkeitseinrede aus allen erwähnten Gesichtspunkten fest. Eventuell beantragt er die Rückweisung der Sache an das Obergericht. "mit der Auflage, von Amtes wegen abzuklären, ob das Urteil der II. Kammer des erstinstanzlichen Gerichtes in Antwerpen vom 21. Januar 1957 die Einrede der abgeurteilten Sache begründe."
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
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Wird zunächst ihre Klage für sich allein ins Auge gefasst, so ist die Zuständigkeit der aargauischen Gerichte zweifellos gegeben. Einmal stellt das Obergericht das Fehlen eines schweizerischen Wohnsitzes der Ehefrau zur Zeit der Klageanhebung fest (ansonst sie zwar auch in der Schweiz, aber eben nur an ihrem allenfalls vom Heimatort verschiedenen Wohnort, gemäss Art. 144 ZGB, hätte klagen können). Diese Feststellung stützt sich auf die eigenen Vorbringen der Ehefrau in der Klage wie auch auf ihre Aussagen im Parteiverhör, wonach sie erst seit dem Frühjahr 1956 in der Schweiz zu bleiben beabsichtigt. Bei diesen Erklärungen hat das Obergericht sie (gegenüber spätern BGE 84 II, 469 (473)Vorbringen im Laufe des Prozesses) behaftet, wobei es sein Bewenden haben muss. Sodann steht das schweizerische Bürgerrecht der klagenden Ehefrau fest, und die ihr daneben zustehende ausländische Staatsangehörigkeit hindert nicht die Klage am schweizerischen Heimatort. Art. 7 g Abs. 1 NAG macht diesen Gerichtsstand weder davon abhängig, dass der klagende Ehegatte ausschliesslich Schweizerbürger sei, noch davon, dass das in der Schweiz ergehende Urteil Aussicht auf Anerkennung im Ausland habe. Der schweizerische Heimatgerichtsstand wurde denn auch von jeher auch Doppelbürgern zuerkannt (so bereits BGE 8 S. 824 betreffend die damals geltende Gerichtsstandsnorm von Art. 43 Abs. 2 des Bundesgesetzes über Zivilstand und Ehe vom 24. Dezember 1874).
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Freilich wurde in BGE 27 I 183 mit Hinweis auf das damals geltende Bürgerrechtsgesetz vom 3. Juli 1876, Art. 5, die Frage aufgeworfen, ob sich eine Ausnahme dann rechtfertige, wenn die betreffende Person gerade in dem Staate wohnt, dem sie gleichfalls angehört. Doch hat sich die Rechtslehre überwiegend und mit guten Gründen für die Zuerkennung des schweizerischen Heimatgerichtsstandes für die Scheidungsklage auch in diesem Falle ausgesprochen (vgl. die Zusammenstellung der Lehrmeinungen bei HOOL, Les effets de la double nationalité en droit suisse, 1949, p. 69). Art. 5 des Bürgerrechtsgesetzes von 1876, auf den jene Urteilsstelle anspielt (wie auch Art. 6 des spätern vom 25. Juni 1903, BS I 103), schrieb vor:
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"Personen, welche neben dem schweizerischen Bürgerrecht dasjenige eines fremden Staates besitzen, haben diesem Staate gegenüber, so lange sie darin wohnen, keinen Anspruch auf die Rechte und den Schutz eines Schweizerbürgers."
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Diese Vorschrift betraf lediglich die Rechtsstellung solcher Doppelbürger gegenüber den Behörden ihres ausländischen Heimat- und zugleich Wohnsitzstaates. Daraus lässt sich nichts herleiten gegen die Möglichkeit, Klagen bestimmter Art vor dem schweizerischen Heimatrichter anzubringen, womit ja nicht der Schutz des Wohnsitzstaates BGE 84 II, 469 (474)angerufen wird (so zutreffend BECK, N. 11 zu Art. 7 g NAG; ebenso STAUFFER, N. 2 dazu). Mit der vorbehaltlos zugunsten jedes "im Ausland wohnenden schweizerischen Ehegatten" aufgestellten Bestimmung von Art. 7 g Abs. 1 NAG wäre eine Ausnahme bei Wohnsitz im andern Heimatstaate schwerlich zu vereinbaren. Vielmehr muss die weite Auslegung dieser Gerichtsstandsnorm durchgreifen angesichts der im internationalen Privatrecht allgemein anerkannten Regel, wonach ein Doppelbürger (gleichgültig wo er wohnt) von jedem Heimatstaat als sein Bürger zu betrachten ist (BGE 76 I 38 mit zahlreichen Zitaten). Davon wird nicht nur bei Auslegung von Staatsverträgen ausgegangen (vgl. BGE 33 I 643, BGE 43 I 97). Vielmehr liegt dieser Grundsatz vor allem auch der Rechtsprechung zugrunde, die der durch Heirat Ausländerin gewordenen Schweizerin nach Trennung der Ehe, sofern sie sich gemäss Art. 10 des Bürgerrechtsgesetzes von 1903 wieder in der Schweiz einbürgern liess, die Erhebung einer Scheidungsklage nach schweizerischem Recht (an dem hiefür nach Art. 144 ZGB oder nach Art. 7 g Abs. 1 NAG gegebenen Gerichtsstand) gestattete, ohne auf die Stellungnahme des andern Heimatstaates Rücksicht zu nehmen (vgl. BGE 58 II 93, BGE 80 I 436 /37). Es würde offensichtlich gegen den Willen des Gesetzgebers verstossen, nun dem nach Art. 9 des neuen Bürgerrechtsgesetzes von 1952 bei der Heirat beibehaltenen Schweizerbürgerrecht der Ehefrau weniger Bedeutung beizumessen. Der Gerichtsstand des Art. 7 g Abs. 1 NAG muss ebenso wie der wieder eingebürgerten Schweizerin auch derjenigen Ehefrau eines Ausländers, die nach dem neuen Bürgerrechtsgesetz kraft ihrer Erklärung Schweizerin geblieben ist, zugute kommen (vgl. S. SCHMIDHEINY, Die privatrechtlichen Folgen der selbständigen Staatsangehörigkeit der Ehefrau, 1958, S. 100). Die neuerdings von GULDENER (Das internationale und interkantonale Zivilprozessrecht der Schweiz, S. 39/40) unter Hinweis auf die Gefahr der Nichtanerkennung des schweizerischen Urteils im andern BGE 84 II, 469 (475)Heimatstaate des klagenden Ehegatten befürwortete Einschränkung des Geltungsbereiches von Art. 7 g Abs. 1 NAG verdient gewiss als Postulat einer internationalen Gerichtsstandsordnung beachtet zu werden, findet aber in der geltenden schweizerischen Gesetzgebung keinen Halt. Insbesondere lässt sich dafür nichts aus Art. 22 Abs. 3 ZGB herleiten. Diese Vorschrift muss vor der spezielleren des Art. 7 g Abs. 1 NAG weichen. Im übrigen will sie überhaupt nicht das Rangverhältnis zwischen dem schweizerischen und einem ausländischen Bürgerrecht bestimmen (vgl. BGE 76 I 38 unten; STAUFFER, N. 2 zu Art. 5 NAG).
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In der Tat begründet die zuerst rechtshängig gewordene Scheidungs- oder Trennungsklage eines Ehegatten nach der schweizerischen Rechtsprechung einen ausschliesslichen Gerichtsstand auch für die nachfolgende Scheidungs- oder Trennungsklage des andern Ehegatten, der somit auf Anhebung einer Widerklage bei dem mit der Vorklage befassten Gericht angewiesen ist (BGE 64 II 183 /84). Diese Wirkung kommt grundsätzlich auch einer im Ausland angehobenen Vorklage zu, so dass die schweizerischen Gerichte eine später bei ihnen rechtshängig gemachte Klage von der Hand zu weisen haben, sofern das ausländische Urteil voraussichtlich in der Schweiz anzuerkennen sein wird (BGE 80 II 100 /101).
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Im vorliegenden Falle scheitert aber die vom Ehemann erhobene Einrede des durch seine eigene Klage in Antwerpen begründeten einheitlichen Scheidungsgerichtsstandes an der Entscheidung des Obergerichts, wonach nicht diese, sondern die Klage der Ehefrau früher rechtshängig geworden ist. Das Obergericht folgt hiebei den gutachtlichen Ausführungen des belgischen Rechtsanwaltes Albert BGE 84 II, 469 (476)Nyssens, Brüssel, über den Gang des belgischen Scheidungsverfahrens. Danach hat der Kläger dem Richter ein Ersuchsschreiben betreffend Ehescheidung mit Anführung der sein Begehren begründenden Tatsachen einzureichen. Dieses Schriftstück bleibt der beklagten Partei vorderhand verborgen. Es findet zunächst eine Sühneverhandlung statt (die im vorliegenden Fall auf den 6. Oktober 1955 anberaumt wurde). Kommt es nicht zur Aussöhnung, so läuft noch eine Sperrfrist von normalerweise sechs Monaten, berechnet von der Vorladung zum Sühneversuch an (Art. 240 Abs. 3 des belgischen Code civil in der Fassung vom 7. Februar 1936). Erst nach deren Ablauf darf die beklagte Partei vorgeladen werden, unter Bekanntgabe des Inhaltes des Ersuchsschreibens des Klägers. "C'est donc à ce moment que les faits sont révélés à la partie défenderesse et que le procès est noué" (äussert sich der Gutachter), was nach Ansicht des Obergerichts den Eintritt der Rechtshängigkeit bewirkt. Ist nach dieser vom Bundesgericht nicht nachzuprüfenden Auslegung des ausländischen Rechtes die Klage des Ehemannes erst nach dem 6. Oktober 1955 hängig geworden, während diejenige der Ehefrau nach der ebenfalls für das Bundesgericht verbindlichen Auslegung des kantonalen Rechts durch das Obergericht schon im August 1955, mit der Zustellung an den Ehemann, hängig geworden war, so kann die Ehefrau die zeitliche Priorität für sich in Anspruch nehmen. Zuzugeben ist, dass sie sich die durch das aargauische Prozessrecht gebotene Möglichkeit zunutze machte, die Klage sogleich nach dem fruchtlosen Aussöhnungsversuch einzureichen, und dass der Ehemann seinerseits durch die Sperrfrist des belgischen Rechtes gehindert war, den in Antwerpen eingeleiteten Prozess rasch in Gang zu bringen. Allein von rechtsmissbräuchlichem Vorgehen der Ehefrau kann hiebei nicht gesprochen werden (um so weniger, als sie den ersten Schritt zur Prozesseinleitung, das Gesuch um Anordnung der Sühneverhandlung, schon am 24. Juni 1955, also früher als der Ehemann, unternommen hatte), so dass BGE 84 II, 469 (477)es bei den Folgen der von ihr zuerst begründeten Rechtshängigkeit zu bleiben hat.
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Ob, da Belgien nach den Ausführungen des Obergerichtes eine Einrede der Rechtshängigkeit oder des unlösbaren Sachzusammenhangs im internationalen Verhältnis überhaupt nicht zulässt, selbst auf eine früher in Belgien hängig gewordene Scheidungsklage des Ehemannes keine Rücksicht zu nehmen wäre, kann bei dieser Sachlage offen bleiben.
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Ausser Betracht fällt endlich ein allfälliges Einverständnis der Ehefrau mit dem belgischen Gerichtsstand; denn die Gerichtsstände für Personen- und Familienstandsklagen sind der Parteiautonomie entzogen. Die Vereinbarung der Parteien vor dem Chaim, also dem jüdischen Geistlichen, wonach sich (laut Ziff. 7) die Ehefrau verpflichtete, "den Scheidungsprozess in Belgien nicht zu stören", wurde übrigens nach den Aussagen der Ehefrau im Parteiverhör erst "etwa im Februar 1956" abgeschlossen und darf daher nicht als Verzicht auf ihre eigene, damals längst hängig gewordene Klage verstanden werden. Dies um so weniger, als jene Vereinbarung einen (in der vorliegenden deutschen Übersetzung freilich unklar gefassten) Vorbehalt inbezug auf die Klage der Ehefrau enthält.
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3. Die Einrede der abgeurteilten Sache setzt in erster Linie eine rechtskräftige Erledigung (durch Urteil oder, sofern der Streitgegenstand der Parteiverfügung unterliegt, durch einen mit Urteilswirkung ausgestatteten Vergleich oder Abstand) voraus. Das Obergericht hat die auf das belgische Kontumazialurteil vom 21. Januar 1957 gestützte Einrede vorweg mangels Rechtskraftbescheinigung verworfen. Ob es Sache des die Einrede erhebenden Ehemannes gewesen wäre, eine solche Bescheinigung beizubringen, oder ob das Gericht die Frage der formellen Rechtskraft von Amtes wegen hätte abklären sollen, ist eine Frage des kantonalen Prozessrechts, dessen Verletzung der Ehemann denn auch mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Willkür (Art. 4 BV) gerügt hat, jedoch, BGE 84 II, 469 (478)wie heute entschieden wurde, ohne zureichende Begründung. Das der Berufungsschrift beigelegte Schreiben des Gerichtsvollziehers Louis van Wassenhove, Antwerpen, kann als neues Beweismittel nicht berücksichtigt werden (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG). Die Berufung auf die bundesrechtlich in Art. 158 Ziff. 1 ZGB vorgeschriebene Offizialmaxime geht fehl. Diese Vorschrift bezieht sich auf die materielle Beurteilung von Scheidungs- und Trennungsklagen. Sie betrifft nicht die Frage, ob die zur Begründung einer Gerichtsstandseinrede dienenden Beweismittel von der Partei selbst beizubringen seien. Von der Anwendung jener bundesrechtlichen Norm kann hier um so weniger die Rede sein, als der Ehemann mit der Einrede der abgeurteilten Sache nicht die Scheidung verhindern, sondern eine im Ausland ausgesprochene Scheidung zur Geltung bringen will.
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Übrigens vermöchte das belgische Urteil, selbst wenn die formelle Rechtskraft nachgewiesen wäre, den Fortgang des von der Ehefrau in der Schweiz angehobenen Prozesses ebensowenig zu hindern wie die ihm zugrunde liegende Klage, deren Anhebung nach dem in Erw. 2 Ausgeführten vom Standpunkt des schweizerischen Rechtes aus unzulässig war. Ob das belgische Urteil bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen dennoch in der Schweiz anzuerkennen und zu vollziehen sein werde, soweit es dem künftigen Urteil über die Klage der Ehefrau nicht widerspricht, ist hier nicht zu prüfen. Dem Ehemann seinerseits bleibt unbenommen, am schweizerischen Scheidungsprozess mit eigenen Begehren teilzunehmen, soweit dies nach der Lage des Rechtsstreites noch zulässig ist.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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Die Berufung wird abgewiesen und der Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau vom 29. März 1957 bestätigt.
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