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Informationen zum Dokument  BGE 122 V 77  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
1. Das Verwaltungsgericht hat die vorliegend massgebenden gesetzl ...
2. a) Die Vorinstanz hat den Umschulungsanspruch anerkannt und gl ...
3. Streitig und zu prüfen ist sodann, ob die Beschwerdegegne ...
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12. Auszug aus dem Urteil vom 23. Januar 1996 i.S. IV-Stelle Schwyz gegen Z. und Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz
 
 
Regeste
 
Art. 17 Abs. 1 IVG.  
 
Sachverhalt
 
BGE 122 V, 77 (77)A.- Die 1962 geborene Z. leidet seit 1981 an einer schwerwiegenden und andauernden depressiven Entwicklung, welche ihr die Ausübung des erlernten Berufs einer Psychiatrieschwester verunmöglicht. Am 1. April 1993 meldete sie sich bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Mit Verfügung vom 5. August 1994 sprach ihr die Ausgleichskasse Schwyz eine ganze Invalidenrente ab 1. Juni 1993 zu, lehnte jedoch durch Verfügung vom 9. August 1994 berufliche Eingliederungsmassnahmen ab.
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B.- Auf Beschwerde hin hob das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz die Rentenzusprechung auf und gewährte Z. statt dessen berufliche Massnahmen (Entscheid vom 11. Januar 1995).
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C.- Die IV-Stelle Schwyz führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt, der Entscheid des kantonalen Gerichts sei aufzuheben.
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Z. schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde und verlangt die unentgeltliche Verbeiständung.
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BGE 122 V, 77 (78)Aus den Erwägungen:
 
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b) Aufgrund des aktenmässig ausgewiesenen, seit dem 1. Juni 1993 bestehenden Invaliditätsgrades von mehr als zwei Dritteln ist der Versicherten der Anspruch auf eine ganze Invalidenrente entstanden (Art. 28 Abs. 1, Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG). Diese Rentenzusprechung steht unter Revisionsvorbehalt nach Art. 41 IVG. Tatsachenänderungen im Sinne dieser Bestimmung können sich insbesondere aus dem Ergebnis angeordneter und zwischenzeitlich durchgeführter Eingliederungsmassnahmen ergeben (BGE 108 V 212 f. Erw. 1d). Vorliegend ist somit die Wirksamkeit der Eingliederungsmassnahmen - deren Berechtigung nachfolgend geprüft wird (Erw. 3) - abzuwarten, worauf gegebenenfalls eine Rentenrevision nach Art. 41 IVG zu erfolgen haben wird (BGE 116 V 92 Erw. 4). Die Beschwerdegegnerin hat demnach zumindest bis zum Datum des Verwaltungsaktes vom 5. August 1994, welches die zeitliche Grenze der richterlichen Überprüfungsbefugnis bildet (BGE 116 V 248 Erw. 1), Anspruch auf die verfügte Invalidenrente, wie die IV-Stelle in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu Recht beantragt.
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a) Die Versicherte hat ursprünglich den Beruf einer Psychiatrieschwester erlernt. Angesichts ihres psychischen Leidens ist ihr diese anforderungsreiche und bisweilen belastende Tätigkeit nicht mehr zuzumuten, was die Berichte der Dres. med. K., Allgemeine Medizin FMH, vom 26. April 1993, R., Spezialarzt FMH für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 24. Mai BGE 122 V, 77 (79)1993 und S., Psychiatrische Klinik am Kantonsspital X, vom 3. Juni 1993, klar belegen. Zumutbar sind danach Arbeiten, bei welchen die soziale Beziehungsfähigkeit nicht im Vordergrund stehe, wie beispielsweise handwerklich-gestalterische Berufe. In Zusammenarbeit mit der Regionalstelle ergab sich, dass die Umschulung zur Damenschneiderin in beruflicher Hinsicht eine sehr gute Lösung darstelle (Bericht der Regionalstelle vom 16. Mai 1994).
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b) aa) Die beschwerdeführende IV-Stelle will die Umschulung hier deshalb nicht übernehmen, weil die Versicherte bei erfolgreichem Abschluss der Ausbildung und - fraglichem - vollzeitigem Einsatz bloss mit einem Jahreseinkommen von rund Fr. 37'000.-- rechnen könne. Als gesunde, voll leistungsfähige Psychiatrieschwester würde ihr Einkommen dagegen Fr. 62'800.-- betragen. Angesichts dieser "grossen Lohndifferenz" erweise sich die Umschulung als "nicht genügend eingliederungswirksam", die Ausbildung zur Damenschneiderin sei somit im Vergleich zur früheren Tätigkeit als Psychiatrieschwester "nicht annähernd gleichwertig im Sinne der Rechtsprechung".
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bb) Zunächst ist an die Praxis zu erinnern, wonach die Gewährung einer Rente die Zusprechung beruflicher Massnahmen nicht von vornherein ausschliesst (BGE BGE 108 V 212 f. Erw. 1d; ZAK 1992 S. 365 Erw. 1b, 1988 S. 468 Erw. 2a, je mit Hinweisen). Sodann hat das Eidg. Versicherungsgericht stets verlangt, dass die Umschulung eine dem bisherigen Beruf annähernd gleichwertige Ausbildung zum Ziel haben müsse (BGE 99 V 35 Erw. 2; ZAK 1988 S. 468 Erw. 2a mit Hinweisen). So hatte die Invalidenversicherung beispielsweise die Umschulung eines gelernten Maurers mit einem Einkommen von Fr. 2'340.-- bis Fr. 3'030.-- im Monat zum Berufspiloten mit einer Entlöhnung von Fr. 8'750.-- monatlich nicht zu übernehmen, da hier offensichtlich nicht von Gleichwertigkeit gesprochen werden konnte (nicht veröffentlichtes Urteil D. vom 18. Dezember 1992). Der Begriff der annähernden Gleichwertigkeit bezieht sich nach der Rechtsprechung nicht in erster Linie auf das Ausbildungsniveau als solches, sondern auf die nach erfolgter Eingliederung zu erwartenden Verdienstmöglichkeiten (ZAK 1988 S. 470 Erw. 2c, 1978 S. 517 Erw. 3a). Das Erfordernis der Gleichwertigkeit als Ausdruck der Verhältnismässigkeit begrenzt den Umschulungsanspruch. Hingegen steht dieser Gesichtspunkt Umschulungen nicht entgegen, die den Versicherten zu einem bescheideneren beruflichen Ziel führen, was in vielen Fällen - invaliditätsbedingt - zutreffen dürfte. Erforderlich ist einzig, BGE 122 V, 77 (80)dass sich der erwartete Teilerfolg noch als genügend eingliederungswirksam bezeichnen lässt, was wiederum unter dem Gesichtspunkt des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes von Bedeutung ist. Massgebend ist demnach, dass die beabsichtigte Umschulung in einen minderbezahlten Beruf zu einer dauerhaften und wesentlichen Verbesserung der Erwerbsfähigkeit führt, wie es Art. 17 Abs. 1 IVG ausdrücklich verlangt.
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cc) Die bisherige Rechtsprechung hat noch nie ziffernmässig festgehalten, was unter einer solchen "wesentlichen" Verbesserung zu verstehen ist. Laut BGE 115 V 199 Erw. 5a und 200 Erw. 5c ist bei medizinischen Eingliederungsmassnahmen (Art. 12 IVG) die Wesentlichkeit des Eingliederungserfolges anhand der Besonderheiten des Einzelfalles zu beurteilen und hängt insbesondere ab von der Schwere des Gebrechens und der Art der vom Versicherten ausgeübten oder im Sinne bestmöglicher Eingliederung in Frage kommenden Erwerbstätigkeit. In der Literatur wurde etwa die Ansicht vertreten, der Versicherte müsse in die Lage versetzt werden, einen beachtlichen Teil seiner Unterhaltskosten selbst zu verdienen (MEYER-BLASER, Zum Verhältnismässigkeitsgrundsatz im staatlichen Leistungsrecht, Diss. Bern 1985 S. 171 f. mit Hinweisen). In BGE 119 V 231 Erw. 5b wurde ein jährliches Einkommen, das den Mindestbeitrag für Nichterwerbstätige gemäss Art. 10 Abs. 1 AHVG erreicht oder übersteigt, als rechtlich erheblich bezeichnet, dies allerdings nicht im Rahmen von Art. 12 und Art. 17, sondern von Art. 21 IVG.
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Auch im vorliegenden Fall besteht kein Anlass, diese Frage abschliessend zu beantworten. Denn im bisherigen Beruf als Psychiatrieschwester (Einkommen: Fr. 62'800.--) ist die Beschwerdegegnerin nach dem Gesagten voll arbeitsunfähig und insofern erwerbsunfähig. In der neuen Tätigkeit als Damenschneiderin wird sie voraussichtlich ein Einkommen von rund Fr. 37'000.-- erzielen können, was einen ganz erheblichen Teilerfolg und damit eine wesentliche Verbesserung der Erwerbsfähigkeit im Sinne von Art. 17 Abs. 1 IVG darstellt, zumal wenn berücksichtigt wird, dass sich mit einem solchen Invalideneinkommen der Invaliditätsgrad anspruchserheblich verändern könnte (Art. 28 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 41 IVG; Erw. 2).
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