BGHSt 25, 325 - Hinweis auf Aussagefreiheit in der Hauptverhandlung | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: Rainer M. Christmann, A. Tschentscher | |||
StPO § 243 Abs. 4 Satz 1 |
1. Strafsenat |
Beschluß |
vom 14. Mai 1974 g. M. |
- 1 StR 366/73 - |
I. Amtsgericht Heilbronn |
II. Landgericht Heilbronn |
III. Oberlandesgericht Stuttgart |
Gründe: | |
I. | |
1. In der Berufungsverhandlung vor der Jugendkammer machte der vom Jugendschöffengericht wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung und fahrlässiger Gefährdung im Straßenverkehr verurteilte Angeklagte im Rahmen der Befragung zu seinen persönlichen Verhältnissen Angaben über frühere Verkehrsunfälle. Er räumte ein, daß bei dem zweiten Unfall, der zur Verurteilung wegen fahrlässiger Körperverletzung und fahrlässiger Gefährdung im Straßenverkehr durch Strafbefehl führte, Alkohol im Spiel gewesen sei, und bekundete, daß er auf Grund der Unfälle den festen Vorsatz gefaßt habe, nicht mehr Auto zu fahren, nach Ablauf der Sperrfrist aber doch die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis beantragt habe und erneut mit dem Wagen seines Bruders ziemlich vorsichtig gefahren sei. Nachdem der Strafbefehl auszugsweise verlesen worden war, wurde der Angeklagte gemäß § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO belehrt. Er erklärte, daß er zur Sache keine Angaben mache. Die Jugendkammer führt in ihrem Urteil aus, sie habe die Überzeugung "von der Unfallursächlichkeit des Alkohols" auf Grund mehrerer Umstände gewonnen. Zwar lasse sich jeder einzelne von ihnen "möglicherweise auch ohne Alkoholbeeinflussung erklären". In ihrer Gesamtwirkung ließen sie jedoch "den sicheren Schluß auf eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit" des Angeklagten zu. Es folgen die Sätze-. "Der Angeklagte hat bei seiner Einlassung zur Person angegeben, er habe an sich nach dem früheren Unfall gar nicht mehr fahren wollen, sei dann jedoch wieder vorsichtig mit dein Wagen seines Bruders gefahren. Die tatsächliche Fahr-weise des Angeklagten entspricht diesem guten Vorsatz mitnichten..." Nach der Aufzählung der für die Bildung ihrer Überzeugung wesentlichen Umstände sagt die Jugendkammer abschließend: Jm übrigen ist es der Persönlichkeit des Angeklagten nicht fremd, bei einem zwar nicht unerheblichen, aber auch nicht gerade hohen Blutalkohol alkoholbedingte Ausfallerscheinungen zu zeigen. Auch bei dem früheren Strafverfahren bewegte sich der Blutalkoholgehalt in ähnlicher Größenordnung. Hieraus schließt die Kammer auch, daß der Angeklagte zumindest damit rechnete, bei Genuß einer ähnlichen Menge Alkohol wie früher wiederum fahruntüchtig zu sein. Zum einen wurde ihm das in dem damaligen Strafbefehl gesagt, zum andern hat er bei seiner Vernehmung zur Person eingeräumt, daß er den diesem Strafbefehl zugrunde liegenden Unfall selbst auf Alkohol zurückführt."
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2. Die Revision des Angeklagten rügt Verletzung des formellen Rechts. Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, daß die Feststellungen der Jugendkammer auch auf den Angaben beruhen, die er bei der Vernehmung zur Person machte. Sie seien als Aussage zur Sache anzusehen und wegen seiner Weigerung, sich zur Sache zu äußern, unverwertbar.
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3. Das Oberlandesgericht Stuttgart möchte der Revision stattgeben. "Bei Erörterung der Schuldfrage" habe das Berufungsgericht Angaben, die der Angeklagte im Rahmen der Vernehmung zur Person und vor der Belehrung nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO machte, verwertet. Es hätte sie aber nicht verwerten dürfen, weil der Angeklagte im Anschluß an die Belehrung die Aussage zur Sache verweigert habe.
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Das Oberlandesgericht meint, Voraussetzung dieser Auffassung sei, daß § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO nicht nur als Ordnungsvorschrift betrachtet werde, deren Verletzung nicht gerügt werden könne. Wäre sie es, so bliebe ohne Belang, ob eine vor oder nach dem durch sie gebotenen Hinweis gemachte Angabe als "zur Person oder als zur Sache gehörig" angesehen würde. § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO sei zwingendes Recht. Zwar sei der Hinweis in seiner früheren Form "allgemein als Ordnungsvorschrift behandelt" worden. Daraus könne jedoch entgegen BGHSt 22, 170 nicht gefolgert werden, daß Gleiches für die Neufassung gelten müsse. Eine solche Folgerung lasse sich insbesondere nicht darauf stützen, daß der Gesetzgeber in § 136 StPO keine dein § 136a Abs. 3 Satz 2 StPO ähnliche Vorschrift aufgenommen habe. Den meisten Verfahrensvorschriften sei eigen, daß sie die Folgen eines Verstoßes nicht ausdrücklich festlegten. Die Frage der Rechtsfolge unterfalle der allgemeinen Regelung des § 337 StPO. Die Vorschriften des § 136 Abs. 1 Satz 2 und des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO als bloße Ordnungsbestimmungen zu behandeln, entspräche nicht ihrer Bedeutung.
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Sei die Hinweispflicht zwingend, dann dürften dem Angeklagten vor der Belehrung keine Fragen gestellt werden, deren Beantwortung er ablehnen könnte. Es brauche nicht entschieden zu werden, ob unter diesem Gesichtspunkt die Vernehmung über die persönlichen Verhältnisse überhaupt noch auf Umstände, die für die Strafzumessung wesentlich sein können, erstreckt werden dürfe. jedenfalls sei es unzulässig, für die Schuldfrage bedeutsame Dinge vor der Belehrung des Angeklagten zu erfragen. Würden sie - möglicherweise in Verkennung ihrer Tragweite - dennoch erörtert, seien sie jedenfalls dann unverwertbar, wenn der Angeklagte anschließend Angaben zur Sache verweigere.
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Zu den verschiedenen hier auftauchenden Fragen habe der Bundesgerichtshof, soweit ersichtlich, bisher nur insofern Stellung genommen, als er die Vorschrift des § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO als Ordnungsvorschrift bezeichnet habe (BGHSt 22, 170). Hiervon wolle der vorlegende Senat abweichen. Zwar hänge seine Entscheidung davon ab, welche Bedeutung § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO habe. Doch handele es sich "um den gleichen Rechtsgrundsatz".
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Das Oberlandesgericht hat die dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung unterbreitete Rechtsfrage wie folgt gefaßt:
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II. | |
Der Senat bejaht die Vorlegungsvoraussetzungen. Im Rahmen ihrer Prüfung kann offen bleiben, ob BGHSt 22, 170 der vom Oberlandesgericht beabsichtigten Entscheidung entgegensteht. Das Oberlandesgericht würde sich jedenfalls in Widerspruch zum Urteil des Senats vom 31. Juli 1973 (1 StR 232/73) setzen. In diesem Urteil ist unter Hinweis auf BGHSt 22, 129 und 22, 170 ausgesprochen, daß die Revision auf die Unterlassung der in § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO vorgeschriebenen Belehrung nicht gestützt werden kann. Zwar ist fraglich, ob das Urteil des Berufungsgerichts auf dem vom Oberlandesgericht beanstandeten Verfahrensverstoß beruht. Schlechthin unvertretbar ist aber die Ansicht des vorlegenden Gerichts nicht. Das genügt zur Bejahung der Vorlegungsvoraussetzungen (vgl. BGHSt 22, 94 [100]; 22, 385 [386]). Zu Vorfragen unterstellt der Senat die Ansicht des Oberlandesgerichts (vgl. III.).
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III. | |
Es nimmt offensichtlich an, daß die Vernehmung zur Sache nicht nur "die Umstände der den Gegenstand der Anklage bildenden Tat" (BayObLGSt 1971, 44) umfasse, sondern auch Angaben zum Lebensgang, aus denen Anhaltspunkte zur Schuldfrage oder zum Maß der Schuld gewonnen werden. Diese Meinung ist vertretbar (vgl. Henkel, Strafverfahrensrecht 2. Aufl. S. 174/175; Kleinknecht, StPO 31. Aufl. § 243 Anm. 5; Peters, Strafprozeß 2. Aufl. S. 488). Der Senat geht im Rahmen dieser Vorlegungssache von ihr aus, ohne daß er dazu Stellung nimmt (vgl. BGHSt 15, 83 [85]; 16, 99 [100]).
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Das vorlegende Gericht ist der Ansicht, solchen Angaben müsse der nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO gebotene Hinweis vorausgehen, wenn sie verwertbar sein sollen. Daß er generell oder jedenfalls nach der Sachlage des Vorlegungsfalles die einzige Voraussetzung der Verwertbarkeit sei, sagt das Oberlandesgericht nicht. Es läßt damit eine unter Umständen entscheidungserhebliche Vorfrage offen. Sie geht dahin, ob Angaben des über seine Verteidigungsmöglichkeiten belehrten Angeklagten, die er - ohne daß er ihre Tragweite für die Schuldfrage erkennt - im Rahmen der Vernehmung zu den persönlichen Verhältnissen macht, auch dann verwertbar sind, wenn die Äußerung zur Anklage verweigert wird, und es ist denkbar, daß der Verwertbarkeit Gesichtspunkte entgegenstehen, die das Problem, das die Vorlegungsfrage umschreibt, nicht berühren. Für den Senat erübrigen sich weitere Erörterungen. Er nimmt an, daß das Oberlandesgericht diese Frage gestellt hat, weil es der vertretbaren Meinung ist, die Verwertbarkeit hänge nur von der vorherigen Belehrung des Angeklagten gemäß § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO ab.
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IV. | |
1. Das Oberlandesgericht ist der Ansicht, die Beantwortung der von ihm als entscheidungserheblich angesehenen Rechtsfrage verlange eine Klassifizierung der Bestimmung des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO. Der Senat ist demgegenüber mit Hanack (JZ 1971, 168, 169) der Auffassung, daß es eine "methodisch veraltete Vorstellung" wäre, einen Verstoß gegen die Hinweispflicht allein mit der Erwägung, § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO sei eine "bloße Ordnungsvorschrift", für irrelevant zu erklären (vgl. auch Baldus in Ehrengabe für Bruno Heusinger S. 388; Grünwald JZ 1968, 752; Kleinknecht a.a.O. § 337 Anm. 1 B; KMR, StPO 6. Aufl. § 337 Anm. 1 e; Rudolphi MDR 1970, 91, 99; Schwinge, Grundlagen des Revisionsrechts 2. Aufl. S. 96). Nicht auf diese Erwägung kommt es ausschlaggebend an, sondern auf den Verfahrenszweck des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO und auf die Auswirkung eines Verstoßes gegen diese Bestimmung auf die Rechtsstellung des Angeklagten (vgl. Baldus a.a.O.; KMR a.a.O.; Rudolphi a.a.O.).
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2. Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 19. Dezember 1964 (BGBl I 1067), auf dessen Art. 7 Nr. 10 die Neufassung des § 243 StPO beruht, war der Angeklagte zu befragen, ob er etwas auf die Beschuldigung erwidern wolle (§ 243 Abs. 3, § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO a.F.). Auch dieser Befragung konnte er entnehmen, daß er zwischen Aussage und Schweigen frei wählen darf (vgl. BGHSt 1, 342 [343]; 14, 358 [364]; BGH NJW 1966, 1718 Nr. 12). Der Hinweis, den § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO vorschreibt, soll dem Angeklagten die Verteidigungsmöglichkeiten besser verdeutlichen. Allein darin liegt der Sinn der in Anlehnung an das französische Strafprozeßrecht (vgl. Art. 114 Abs. 1 des Code de procédure pénale; Amtliche Begründung zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 7. Februar 1962, BTDrucks. IV/178 S. 32 - Begründung der Neufassung des § 136 StPO -) eingeführten Form der Unterrichtung (vgl. BGHSt 22, 170 [174]). Mit gutem Grund kann daher gesagt werden, sie habe an der Rechtslage nichts geändert (so BGH a.a.O.). Die Anerkennung des Rechts des Angeklagten, sich auf Grund freier Entscheidung redend oder schweigend zu verteidigen, ergab und ergibt sich aus den Grundsätzen eines rechtsstaatlichen, fairen Verfahrens (vgl. BGHSt 14, 358 [364]). Die Bestimmung des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO hat dieses Recht nicht geschaffen; sie will aber die Möglichkeit seiner Ausübung für jeden Angeklagten sicherstellen. Die Vorschrift beugt eventueller Benachteiligung auf Grund von Unkenntnis vor. Das ist ihr Zweck. Der Hinweis, den sie gebietet, hat Vorsorglichkeits- und Fürsorgecharakter (vgl. Petry, Beweisverbote im Strafprozeß S. 113).
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3. a) Der Vorsorge und Fürsorge bedarf es nicht, der Hinweis geht also ins Leere, wenn der Angeklagte seine Verteidigungsmöglichkeiten ohnehin kennt oder wenn die Wahl zwischen Äußerung und Schweigen für ihn ohne Interesse ist, weil er sich durch Aussage zur Sache verteidigen will. In solchen Fällen ist der Hinweis nicht unerläßliche Voraussetzung der Rechtsausübung. Seine Unterlassung beschneidet sie nicht. Das Recht, dem der Hinweis dient, ist nicht betroffen. Daraus mag man folgern, daß in solchen Fällen der Hinweis über die Verteidigungsmöglichkeiten lediglich der Ordnung halber erfolge, § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO nur Ordnungsvorschrift sei (vgl. KMR a.a.O.). Wesentliche Bedeutung kommt dieser Folgerung nicht zu.
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b) Für den Angeklagten, der seine Verteidigungsmöglichkeiten nicht kennt, ist der Hinweis, den § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO gebietet, notwendiger Bestandteil eines fairen Verfahrens, wenn er nach Unterrichtung über sie das Schweigen der Aussage vorziehen würde. Durch das Unterbleiben des Hinweises wird der Zweck der Vorschrift vereitelt, die Rechtsausübung auf eine Alternative beschränkt, das Recht selbst verkürzt. Aus seiner Bedeutung, folgt, daß ein Verfahrensverstoß von Gewicht vorliegt. Das Interesse des Angeklagten, daß ihm gegenüber rechtsstaatlich verfahren werde, er nicht Zeuge gegen sich selbst zu sein brauche (vgl. BGHSt 14, 358 [364/365]), ist berührt. Eine Gesetzesverletzung im Sinne des § 337 steht außer Frage. Demnach ist die Unterlassung des in § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO vorgeschriebenen Hinweises ein Verfahrensverstoß, der mit der Revision gerügt werden kann, wenn der Hinweis erforderlich war, um den Angeklagten über seine Verteidigungsmöglichkeiten zu unterrichten, und er die Aussage zur Sache verweigert hätte. Die Rüge, mit der der Verstoß geltend gemacht wird, hat Erfolg, wenn das Urteil auf der Gesetzesverletzung beruht.
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Der Generalbundesanwalt ist anderer Meinung. Er hat beantragt, wie folgt zu beschließen: "Auch ein Verstoß gegen die Belehrungspflicht des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO begründet grundsätzlich kein Verwertungsverbot hinsichtlich der unter Verletzung dieser Belehrungspflicht zustandegekommenen Aussagen des Angeklagten (Ergänzung zu BGHSt 22, 170)."
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Aus der Auffassung des Senats kann ein seine Entscheidung tragender Widerspruch zur Rechtsprechung über die Bewertung von Verstößen gegen die Hinweispflicht im Vorverfahren (vgl. BGH GA 1962, 148; BGHSt 22, 129; 22, 170) nicht hergeleitet werden. Was für die Hauptverhandlung gilt, auf deren Inbegriff das Urteil beruht (§ 261 StPO), gilt nicht ohne weiteres auch für das Vorverfahren. Soweit der Entscheidung des Senats vom 31. Juli 1973 (1 StR 232/73) eine andere Ansicht als die hier vertretene zugrunde liegt, wird daran nicht festgehalten.
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4. a) Weil das Unterlassen des Hinweises auf die Verteidigungsmöglichkeiten nicht ohne weiteres zu einer Rechtsverletzung führt, hat das Revisionsgericht von Fall zu Fall zu prüfen, ob durch den Verfahrensverstoß, der Zweck des Hinweisgebots vereitelt worden ist. Das Ergebnis seiner Prüfung wird negativ sein, wenn gewichtige Gründe dafür sprechen, daß der Angeklagte seine Verteidigungsmöglichkeiten kannte oder daß er auch im Falle der Kenntnis die Aussage dem Schweigen vorgezogen hätte. Zu diesen Fragen des Einzelfalls kann der Senat nicht näher Stellung nehmen. Im Zusammenhang mit der Vorlegungssache stehen jedoch folgende Erwägungen: Der Satz Sarstedts, "die Mitwirkung des Verteidigers ist kein Luxus, der bei richtigem Funktionieren (des Gerichts) ... auch entbehrt werden könnte, sondern ... ein echtes Erfordernis wirklicher Rechtspflege" (Die Revision in Strafsachen 4. Aufl. S. 107/108), hat seine Berechtigung auch und vor allem im Bereich der Aktualisierung der Verteidigungsmöglichkeiten des Angeklagten. Es kann und darf in Respektierung der Verteidigerrolle davon ausgegangen werden, daß das "zu wählende Prozeßverhalten eine der ersten und wichtigsten Fragen ist, welche der Verteidiger mit seinem Mandanten zu erörtern hat" (BGH NJW 1966, 1719 Nr. 13), davon also, daß der Angeklagte, dem ein Verteidiger zur Seite stand, über seine Verteidigungsmöglichkeiten im Bilde war und schon vor der Hauptverhandlung seine Wahl getroffen hatte. Das darf auch von dem Angeklagten angenommen werden, der (wie der Revisionsführer der Vorlegungssache) in erster Instanz ordnungsgemäß belehrt wurde (und zur Sache schwieg). Wohl deshalb ist Kleinknecht (a.a.O. § 324 Anm. 3) der Meinung, daß in der Hauptverhandlung vor dem Berufungsgericht der Hinweis nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO nicht wiederholt zu werden braucht.
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b) Durch die Vernehmung zur Sache wird dem Angeklagten rechtliches Gehör gewährt. Macht er davon Gebrauch, nutzt er die eine seiner Verteidigungsmöglichkeiten (vgl. § 243 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 136 Abs. 2 StPO). Das Schweigen ist nicht ohne weiteres die zweckmäßigste Art der Verteidigung. Es versteht sich daher nicht von selbst, daß der Angeklagte sich zur Sache nur deshalb äußerte, weil er nicht wußte, daß er schweigen darf. Daraus ergeben sich Folgerungen für den Tatsachenvortrag der Revisionsbegründung (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Es genügt nicht, daß der Angeklagte die Unterlassung des durch § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO vorgeschriebenen Hinweises unter Berufung auf das Protokoll rügt. Er muß darlegen, daß er (obwohl ihm ein Verteidiger zur Seite stand; trotz Belehrung über die Verteidigungsmöglichkeiten in früheren Verfahren oder in erster Instanz; obgleich seiner Vernehmung die eines Mitangeklagten vorausging, der belehrt wurde oder von sich aus Angaben zur Sache verweigerte) an eine Aussagepflicht glaubte und dadurch veranlaßt wurde, zur Sache auszusagen (ähnlich Meyer JR 1966, 310).
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