2. Es ist mit der Gewährleistung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG unvereinbar, wenn eine Gegendarstellung im Rundfunk nur innerhalb von zwei Wochen nach der beanstandeten Sendung verlangt werden kann.
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Beschluß | |
des Ersten Senats vom 8. Februar 1983
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-- 1 BvL 20/81 -- | |
in dem Verfahren zur verfassungsrechtlichen Prüfung des Hamburgischen Gesetzes zum Staatsvertrag über den Norddeutschen Rundfunk vom 1. Dezember 1980, soweit es sich auf § 12 Abs. 2 Satz 1 des Staatsvertrages bezieht -- Aussetzungs- und Vorlagebeschluß des Landgerichts Hamburg vom 29. Juli 1981 -- 74 O 235/81 -. ![]() | |
Das Hamburgische Gesetz zum Staatsvertrag über den Norddeutschen Rundfunk vom 1. Dezember 1980 (Gesetz- und Verordnungsbl. S. 349) ist, soweit es sich auf § 12 Absatz 2 Satz 1 des Staatsvertrages über den Norddeutschen Rundfunk (Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsbl. S. 350) bezieht, insoweit mit Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig, als eine Gegendarstellung spätestens innerhalb von zwei Wochen nach der beanstandeten Sendung verlangt werden muß.
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Gründe: | |
A. | |
Gegenstand des Verfahrens ist die Frage, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar ist, wenn eine Gegendarstellung im Rundfunk nur innerhalb von zwei Wochen nach der beanstandeten Sendung verlangt werden kann.
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I.
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Bis zum Jahre 1980 war Rechtsgrundlage für einen Gegendarstellungsanspruch eines von einer Sendung des Norddeutschen Rundfunks Betroffenen § 11 des Hamburgischen Pressegesetzes vom 29. Januar 1965 (GVBl. S. 15), der für den Rundfunk entsprechend anzuwenden war (§ 11 Abs. 6). Nach § 11 Abs. 2 Satz 5 des Gesetzes konnte der Betroffene eine Gegendarstellung verlangen, wenn sie dem verantwortlichen Redakteur oder dem Verleger "unverzüglich, spätestens innerhalb von drei Monaten nach der Veröffentlichung" zugegangen war.
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Am 20. August 1980 schlossen die Freie und Hansestadt Hamburg, das Land Niedersachsen und das Land Schleswig-Holstein einen neuen Staatsvertrag über den Norddeutschen Rundfunk (Ham. GVBl. S. 350). Die Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg hat dem Staatsvertrag gemäß Art. 43 der Hamburgischen Verfassung zugestimmt (Art. 1 des Gesetzes zum Staatsvertrag über den NDR vom 1. Dezember 1980 ![]() ![]() | |
§ 12 Gegendarstellung
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(1) ...
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(2) Die Gegendarstellung muß unverzüglich, spätestens innerhalb von zwei Wochen nach der beanstandeten Sendung schriftlich verlangt werden und von dem Betroffenen oder seinem gesetzlichen Vertreter unterzeichnet sein ...
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(3) - (6) ...
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II.
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1. In der Sendung "Tagesthemen", die vom NDR produziert und im Fernsehprogramm der ARD ausgestrahlt wird, wurde am 1. Juni 1981 ein Beitrag mit dem Titel "Türken in Bingen" gesendet. In diesem wurde unter anderem behauptet, der Türkisch-Islamische Kulturverein mit Sitz in Bingen gehöre zur Türk-Föderation in Frankfurt und werde von den türkischen Behörden als die Auslandsorganisation der kriminellen Terrororganisation MHP angesehen.
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Die Antragstellerin des Ausgangsverfahrens, die Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Europa e. V., forderte mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 12. Juni 1981 von der Antragsgegnerin, dem NDR - Anstalt des öffentlichen Rechts -, das Manuskript der Sendung an. Am 15. Juni 1981 wurde es ihr übermittelt. Mit Schreiben vom 22. Juni 1981 verlangte die Antragstellerin die Sendung einer Gegendarstellung. Dies lehnte die Antragsgegnerin ab.
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Die Antragstellerin beantragte darauf bei dem vorlegenden Gericht, im Wege der einstweiligen Verfügung der Antragsgegnerin die Sendung der Gegendarstellung aufzugeben. Diesen Antrag nahm sie zurück, nachdem das Gericht auf Bedenken gegen den Erlaß hingewiesen hatte. Unter dem 9. Juli 1981 verlangte die Antragstellerin die Sendung einer geänderten Gegendarstellung. Als die Antragsgegnerin dies erneut ablehnte, be ![]() ![]() | |
2. Das Landgericht, das den Antrag für zulässig und begründet hält, sich jedoch am Erlaß einer einstweiligen Verfügung durch die Regelung der Ausschlußfrist gehindert sieht, hat das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt,
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ob § 12 Abs. 2 Satz 1 des Staatsvertrags über den Norddeutschen Rundfunk vom 20. August 1980 in Verbindung mit dem Gesetz zum Staatsvertrag über den Norddeutschen Rundfunk vom 1. Dezember 1980 insoweit mit dem Grundgesetz unvereinbar und deshalb ungültig ist, als die Gegendarstellung spätestens innerhalb von 2 Wochen nach der beanstandeten Sendung verlangt werden muß.
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Zur Begründung führt es aus:
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Die von der Antragstellerin verlangte Gegendarstellung entspreche den Tatbestandsvoraussetzungen des § 12 NDR-StV, insbesondere sei sie nicht offenbar unrichtig; auch sei sie der Antragsgegnerin unverzüglich, nämlich ohne schuldhaftes Zögern zugeleitet worden. Maßgebend für den Beginn dieser Frist könne nur der Zeitpunkt der tatsächlichen oder möglichen Kenntniserlangung sein. Die Antragstellerin habe glaubhaft gemacht, daß sie erst am 11. Juni 1981 vom Inhalt der Sendung Kenntnis erlangt habe. Das erste Gegendarstellungsverlangen sei der Antragsgegnerin innerhalb von 14 Tagen zugeleitet worden. Daß die Zuleitung des zweiten, inhaltlich geänderten Verlangens erst mit Schreiben vom 9. Juli 1981 erfolgt sei, sei unschädlich, da die Antragstellerin diese binnen fünf Tagen nach der Äußerung der Bedenken des Gerichts vorgenommen habe. Unter diesen Voraussetzungen sei auch eine zweite Zuleitung ![]() ![]() | |
Der Gegendarstellungsanspruch sei eine Ausgestaltung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sowie des Rechts der freien Meinungsäußerung. Angesichts des intensiven Einflusses der Massenmedien auf die Meinungsbildung der Öffentlichkeit und der Gefahr irreführender Berichterstattung erfordere die Achtung vor der individuellen Persönlichkeit, dem von einer Veröffentlichung Betroffenen in wirksamer Weise zu seiner Darstellung des Sachverhalts zu verhelfen. Unrichtige oder unvollständige Mitteilungen tangierten das "Recht auf Identität", das Recht, vor "Verfälschungen des Lebensbildes" geschützt zu werden, welches Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sei. Das Recht auf Durchsetzung einer Gegendarstellung sei auch durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt, da dieses Grundrecht das Recht verbürge, bei der Bildung der öffentlichen Meinung mitzuwirken.
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§ 12 Abs. 2 Satz 1 NDR-StV greife in unverhältnismäßiger und daher unzulässiger Weise in diese grundrechtlich garantierte Rechtsposition ein. Der von einer Sendung Betroffene müsse, wenn er nicht ausnahmsweise die Sendung selbst mitgeschnitten habe, zur Formulierung einer inhaltlich korrekten Gegendarstellung das Manuskript der Sendung anfordern. Bei einer anwaltlichen Beratung sei die Zweiwochenfrist bereits sehr knapp bemessen. Sofern der von einer Sendung Betroffene von deren Inhalt erst später erfahre, sei eine fristwahrende Zuleitung praktisch unmöglich. Dadurch, daß die gesetzliche Regelung einmal eine Ausschlußfrist von zwei Wochen festlege, ohne ![]() ![]() ![]() | |
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III.
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1. Für den Senat der Freien und Hansestadt Hamburg hat sich die Justizbehörde im Einvernehmen mit den Regierungen des Landes Niedersachsen und des Landes Schleswig-Holstein geäußert. § 12 Abs. 2 Satz 1 NDR-StV sei mit dem Grundgesetz vereinbar. Selbst wenn das Gegendarstellungsrecht eine verfassungsrechtlich gesicherte Rechtsposition sein sollte, halte sich die Regelung der Ausschlußfrist im Rahmen des gesetzgeberischen Entscheidungsspielraums. Innerhalb der rechtlich zulässigen Möglichkeiten liege die Zweiwochenfrist zwar an der unteren Grenze; sie lasse aber eine sachgerechte Reaktion durchaus noch zu. Im übrigen entspreche eine kurze Frist gerade dem Sinn des Gegendarstellungsrechts, auf die Erstmitteilung möglichst bald zu reagieren. Schließlich sei wegen der Flüchtigkeit des Eindrucks von einer Sendung im Hörfunk oder Fernsehen eine kürzere Gegendarstellungsfrist im Vergleich zu der dauerhaften Wirkung einer Presseveröffentlichung angemessen.
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Im übrigen werden in der Äußerung weitgehend dieselben Gesichtspunkte hervorgehoben wie in der Stellungnahme des NDR. ![]() | |
Das Bundesverfassungsgericht habe im Lebach-Urteil (BVerfGE 35, 202) entschieden, daß bei einem Konflikt der Rundfunkfreiheit mit dem Persönlichkeitsschutz keiner der beiden Verfassungswerte einen grundsätzlichen Vorrang beanspruchen könne. Im vorliegenden Fall müsse bei der vorzunehmenden Abwägung dem auf die Rundfunkfreiheit gestützten Aktualitätsgebot Vorrang vor dem Persönlichkeitsschutz zukommen. Die zeitliche Beschränkung des Gegendarstellungsrechts bewirke keinen intensiven Eingriff in den Persönlichkeitsbereich des Betroffenen, zumal dieser auch nach Ablauf der Frist seine sonstigen zivilrechtlichen Ansprüche weiterverfolgen könne. Soweit die landesrechtlichen Regelungen des Gegendarstellungsrechts eine dreimonatige Ausschlußfrist vorsähen, komme dieser weder in der Praxis eine maßgebende Rolle zu, noch entspreche sie dem - auch verfassungsrechtlichen - Zweck des Gegendarstellungsrechts. Der diesem zugrunde liegende Gedanke des "audiatur et altera pars" setze einen Aktualitätsbezug zwischen Erstmitteilung und Gegendarstellung voraus, welcher nach drei Monaten nicht mehr gegeben sei. Die Rechtsprechung habe das in der Praxis weitaus wichtigere Merkmal der "Unverzüglichkeit" dahin ausgelegt, daß ein Gegendarstellungsersuchen in der Regel innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnisnahme der beanstandeten Sendung zugeleitet werden müsse. In § 12 Abs. 2 Satz 1 NDR-StV sei der Versuch unternommen worden, die beiden bisherigen Fristen des Gegendarstellungsrechts zu "harmonisieren" und den Bedürfnissen der Praxis anzupassen. Durch diese "gesetzestechnische Vereinfachung" werde der oftmals kaum nachweisbare Zeitpunkt der Kenntnisnahme eines Sendebeitrags rechtlich bedeutungslos. Es sei zwar nicht zu bestreiten, daß durch die Verkürzung der gesetzlichen Ausschlußfrist auf zwei Wochen die Durchsetzung von Gegendarstellungsansprüchen gegen den NDR erschwert worden sei; verfassungsmäßige Rechte des Betroffenen würden indes hierdurch nicht beschnitten. ![]() | |
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Davon abgesehen sei zu berücksichtigen, daß neben der unbestreitbaren Einschränkung des Gegendarstellungsrechts dem Betroffenen durch § 12 Abs. 3 Satz 3 NDR-StV eine presserechtlich einmalige Vergünstigung gewährt worden sei. Eine Erwiderung auf die verbreitete Gegendarstellung dürfe nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dieser gesendet werden, und sie müsse sich auf tatsächliche Angaben beschränken. Diese Einschränkung der Meinungsfreiheit der Anstalt sei - wenn überhaupt - nur unter den verschärften Zulässigkeitsbedingungen für eine Gegendarstellung vertretbar.
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3. Die Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) hat sich dieser Stellungnahme angeschlossen.
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4. Die Antragstellerin des Ausgangsverfahrens hat sich den Darlegungen des Vorlagebeschlusses angeschlossen. ![]() | |
Die Vorlage ist zulässig.
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1. Zu den der Normenkontrolle des Bundesverfassungsgerichts im Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG unterliegenden Gesetzen gehören auch die in der Form eines Gesetzes ergehenden Beschlüsse, durch die der Bundestag gemäß Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG oder die gesetzgebende Körperschaft eines Landes einem von der vollziehenden Gewalt geschlossenen Vertrag zustimmen (Vertragsgesetze, vgl. BVerfGE 1, 396 [410]; 4, 157 [162], st. Rspr.). Dies gilt auch für Zustimmungsgesetze zu Staatsverträgen zwischen den Bundesländern (vgl. BVerfGE 12, 205 [220]; 37, 191 [197]). Gegenstand der verfassungsgerichtlichen Prüfung ist nicht der Staatsvertrag, sondern das Vertragsgesetz, wobei sich allerdings dessen materiell-rechtlicher Inhalt aus dem in Bezug genommenen Staatsvertrag ergibt (vgl. BVerfGE 1, 396 [410]; 4, 157 [163]; 29, 348 [358 f.]). Die von dem vorlegenden Gericht zur Prüfung gestellte Frage ist mithin dahin zu präzisieren, daß das Bundesverfassungsgericht zu entscheiden hat, ob das Hamburgische Gesetz zum Staatsvertrag über den Norddeutschen Rundfunk, soweit es sich auf § 12 Abs. 2 Satz 1 NDR-StV bezieht, insoweit mit dem Grundgesetz unvereinbar und deshalb ungültig ist, als die Gegendarstellung innerhalb von zwei Wochen nach der beanstandeten Sendung verlangt werden muß.
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2. Das vorlegende Gericht hat die Entscheidungserheblichkeit des § 12 Abs. 2 Satz 1 NDR-StV hinreichend dargetan. Es will im Fall der Ungültigkeit der zur Prüfung gestellten Vorschrift dem Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung stattgeben; andernfalls beabsichtigt es, den Antrag wegen Fristversäumnis zurückzuweisen. Seine Auffassung, daß die formellen und materiellen Voraussetzungen des Gegendarstellungsanspruchs durch die Antragstellerin des Ausgangsverfahrens erfüllt seien, beruht nicht auf offensichtlich unhaltbaren rechtlichen Überlegungen oder tatsächlichen Würdigungen. Dies gilt insbesondere auch ![]() ![]() | |
3. Der Zulässigkeit der Vorlage steht es auch nicht entgegen, daß für das Ausgangsverfahren die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung maßgebend sind; diese sind nach § 12 Abs. 5 Satz 1 und 2 NDR-StV entsprechend anzuwenden, wenn der NDR die Verbreitung einer Gegendarstellung verweigert. Es bedarf hier keiner Entscheidung, inwieweit die Gerichte in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu einer Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG verpflichtet oder berechtigt sind (vgl. dazu BVerfGE 46, 43 [51]). Denn über das Bestehen eines Gegendarstellungsanspruchs gegenüber dem NDR wird abschließend im einstweiligen Verfügungsverfahren entschieden; im Gegensatz zu den eigentlichen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes findet ein Hauptsacheverfahren nicht statt (vgl. OLG Hamburg, MDR 1972, S. 333 [334], st. Rspr.; Seitz/Schmidt/Schöner, Der Gegendarstellungsanspruch in Presse, Film, Funk und Fernsehen, 1980, Rdnrn. 380 und 375). Unter dieser Voraussetzung ist eine Vorlage zulässig. Im anderen Falle wäre den mit Gegendarstellungsansprüchen befaßten Fachgerichten die Möglichkeit genommen, eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts herbeizuführen. Die diesem in Art. 100 Abs. 1 GG zugewiesene Kompetenz würde leerlaufen und von den Fachgerichten wahrgenommen. Das stünde in Widerspruch zu den wesentlichen Aufgaben des Verfahrens der konkreten Normenkontrolle: zu verhüten, daß ein einzelnes Gericht sich über den Willen des Gesetzgebers hinwegsetzt (BVerfGE 4, 331 [340]), und über die Entscheidung im konkreten Fall hinaus durch allgemein verbindliche Klärung verfassungsrechtlicher Fragen divergierende Entscheidungen der Gerichte, Rechtsunsicherheit und Rechtszersplitterung zu vermeiden (BVerfGE 42, 42 [49 f.] m. w. N.). Sofern die Vorlage an das Bundesverfassungsgericht dazu führt, daß die Entscheidung im Ausgangsverfahren möglicherweise zu spät kommt, muß dies im Interesse der Aufgabe ![]() ![]() | |
Die zur Prüfung gestellte Regelung ist mit Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG unvereinbar.
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1. Das Gegendarstellungsrecht ist heute als ein den Gegebenheiten der modernen Massenkommunikationsmittel angepaßtes, für das Sondergebiet des Medienrechts näher ausgestaltetes Mittel zum Schutz des Einzelnen gegen Einwirkungen der Medien auf seine Individualsphäre anerkannt (vgl. BGHZ 66, 182 [195] m. w. N.): Demjenigen, dessen Angelegenheiten in den Medien öffentlich erörtert werden, wird ein Anspruch darauf eingeräumt, an gleicher Stelle, mit derselben Publizität und vor demselben Forum mit einer eigenen Darstellung zu Wort zu kommen; er kann sich alsbald und damit besonders wirksam verteidigen, während etwaige daneben bestehende zivil- und strafrechtliche Mittel des Persönlichkeitsschutzes bei Durchführung des Hauptsacheverfahrens regelmäßig erst in einem Zeitpunkt zum Erfolg führen, in dem der zugrundeliegende Vorgang in der Öffentlichkeit bereits wieder vergessen ist.
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a) Dieser Anspruch ist zwar selbst nicht unmittelbar verfassungsrechtlich gewährleistet. Jedoch dient er dem Schutz der Selbstbestimmung des Einzelnen über die Darstellung der eigenen Person, die von der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG umfaßt wird (vgl. BVerfGE 54, 148 [153] m. w. N.). Der Einzelne soll selbst darüber befinden dürfen, wie er sich gegenüber Dritten oder der Öffentlichkeit darstellen will, was seinen sozialen Geltungsanspruch ausmachen soll und ob oder inwieweit Dritte über seine Persönlichkeit verfügen können, indem sie diese zum Gegenstand öffentlicher Erörterung machen (BVerfGE 35, 202 [220] - Lebach; 54, 148 [155 f.]). Dem entspricht es, daß der von einer Darstellung in den Medien Betroffene die rechtlich gesicherte Möglichkeit haben muß, dieser mit seiner Darstellung entgegenzutreten; im ![]() ![]() | |
Um seine Wirkungen entfalten zu können, bedarf das Gegendarstellungsrecht einer den sachlichen Erfordernissen entsprechenden Ausgestaltung durch Verfahrensrecht. Ebenso wie es selbst der Sicherung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dient, ist auch das Verfahrensrecht für einen effektiven Grundrechtsschutz von Bedeutung; es muß deshalb den Geboten eines solchen Schutzes entsprechen (vgl. BVerfGE 53, 30 [65] - Mühlheim-Kärlich m. w. N. und die abweichende Meinung ebd. S. 71 ff.). Erfüllt das vom Gesetzgeber geschaffene Verfahrensrecht seine Aufgabe nicht oder setzt es der Rechtsausübung so hohe Hindernisse entgegen, daß die Gefahr einer Entwertung der materiellen Grundrechtsposition entsteht, dann ist es mit dem Grundrecht, dessen Schutz es bewirken soll, unvereinbar. Auch die verfahrensrechtliche Ausgestaltung des Gegendarstellungsrechts muß sich mithin an dem in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleisteten Persönlichkeitsrecht messen lassen.
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b) Bei der Ausgestaltung des Gegendarstellungsrechts im Bereich des Rundfunks hat der Gesetzgeber nicht nur das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen, sondern auch das Grundrecht der Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) zu beachten. Dieses gewährleistet das Recht, Art und Inhalt der Rundfunksendungen zu bestimmen (BVerfGE 35, 202 [223]; 59, 231 [258] - Freie Rundfunkmitarbeiter). Unabhängig von dem Inhalt der Gegendarstellung wird es bereits - wenn auch nur unwesentlich - durch den Umstand beeinträchtigt, daß der Rundfunk gesetzlich verpflichtet wird, eine Gegendarstellung zu senden. Inhaltlich kann eine Gegendarstellung der Freiheit des Rundfunks zuwiderlaufen, wenn sie nicht der Aufgabe des Rundfunks entspricht, umfassend und wahrheitsgemäß zu unterrichten oder wenn sie, was hier in Betracht zu ziehen ist, so spät gebracht wird, daß ihre Aktualität verlorengegangen und ![]() ![]() | |
Sowohl das allgemeine Persönlichkeitsrecht wie die Freiheit des Rundfunks bilden essentielle Bestandteile der Verfassungsordnung des Grundgesetzes (BVerfGE 35, 202 [225]). Keines dieser Verfassungsgüter kann einen grundsätzlichen Vorrang beanspruchen. In einem Konfliktsfall müssen sie nach Möglichkeit zum Ausgleich gebracht werden. Den verfassungsrechtlichen Maßstab, nach dem die zu wahrenden Belange einander sachgemäß zuzuordnen sind, enthält der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. BVerfGE 44, 353 [373]), nach dem eine Grundrechtsbeschränkung geeignet und erforderlich sein muß, ihren Zweck zu erreichen, und die Betroffenen nicht übermäßig belasten darf, diesen also zumutbar sein muß.
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2. Gegen diesen Grundsatz verstößt die zur Prüfung gestellte Regelung; wie das vorlegende Gericht zu Recht ausführt, schränkt sie das verfassungsrechtlich gewährleistete Persönlichkeitsrecht übermäßig ein, weil sie auch unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Belange des Rundfunks die Wahrnehmung des Gegendarstellungsrechts als Mittel eines effektiven Persönlichkeitsschutzes des von einer Rundfunksendung Betroffenen unangemessen erschwert.
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a) Der Gesetzgeber ist nicht gehindert, das Verlangen einer Gegendarstellung entsprechend deren Funktion an eine Frist zu binden, zumal dem Betroffenen zum Schutz seines Persönlichkeitsrechts andere zivilrechtliche Ansprüche verbleiben. Bei der Bemessung dieser Frist kommt dem Gesetzgeber weitgehende Gestaltungsfreiheit zu. Er kann auch eine kürzere Frist als die in den meisten einschlägigen Regelungen vorgesehene Frist von drei Monaten bestimmen. Die Frist des § 12 Abs. 2 Satz 1 NDR-StV ist jedoch so kurz bemessen, daß die Durchsetzung eines Gegendarstellungsanspruchs wesentlich erschwert wird und nicht nur in Ausnahmefällen an ihr zu scheitern droht. Sie beginnt mit dem Sendetermin, läuft also unabhängig davon, ob der Betroffene die Sendung gehört, gesehen oder wann er über ![]() ![]() | |
In diesen Auswirkungen entspricht § 12 Abs. 2 Satz 1 NDR ![]() ![]() | |
b) Wenn in der Begründung des Entwurfs für das Gesetz zum Staatsvertrag über den Norddeutschen Rundfunk ausgeführt wird, daß die Regelung weitgehend den bisherigen presserechtlichen Regelungen entspreche und damit das Interesse an einer grundsätzlichen Gleichbehandlung von Presse und Rundfunk in diesem Bereich wahre (Einzelbegründung zu § 12 ![]() ![]() | |
3. Eine verfassungskonforme Auslegung der zur Prüfung gestellten Regelung etwa in der Weise, daß die Ausschlußfrist nicht von dem Sendetermin, sondern erst von dem Zeitpunkt der tatsächlichen Kenntnisnahme an zu laufen beginnt, scheidet, wie das vorlegende Gericht zutreffend ausgeführt hat, ![]() ![]() | |