Beschluß | |
des Ersten Senats vom 10. März 1998
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-- 1 BvR 178/97 -- | |
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde I. der Frau S..., II. des Herrn R... [...], 1. ..., 2. mittelbar gegen a) § 10 des Hessischen Kindergartengesetzes ... .
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Entscheidungsformel:
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Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
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Gründe: | |
A. | |
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Erhebung von Kindergartengebühren, die nach dem Familieneinkommen gestaffelt sind.
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I.
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1. Die Beschwerdeführer sind Eltern eines Kindes, das einen Kindergarten der Stadt Idstein besuchte. Dafür erhob die Stadt eine Gebühr. Über den dagegen eingelegten Widerspruch ist noch nicht entschieden. Im verwaltungsgerichtlichen Normenkontrollverfahren haben sie die Gebührensatzung angegriffen, auf der der Bescheid beruht.
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2. Die einschlägigen Vorschriften der Kindergartengebührensatzung (im folgenden: KiGaGebS) der Stadt Idstein vom 11. März 1994 lauten: ![]() | |
![]() Allgemeines (1) Für die Benutzung der Kindergärten haben die gesetzlichen Vertreter der Kinder Gebühren zu entrichten. Mehrere Gebührenpflichtige haften als Gesamtschuldner. Die Gebühren gliedern sich in die Betreuungsgebühr und in das Verpflegungsentgelt. (2) Die Betreuungsgebühr ist für den Besuch des Kindergartens zu entrichten. (3) ... (4) ... | |
§ 2 Betreuungsgebühren (1) Für die Zeit ab 1. April 1994 bis 31. Dezember 1995 beträgt die Betreuungsgebühr jeweils pro Monat für die Betreuung eines Kindes auf einem Halbtagesplatz 217,00 DM, auf einem Sechs-Stunden-Platz 263,00 DM, auf einem Vormittags-Nachmittagsplatz 309,00 DM und auf einem Ganztagesplatz 355,00 DM. Für die Zeit ab 1. Januar 1996 ... (2) ... (3) Darüber hinaus ermäßigt sich die Betreuungsgebühr nach der Anzahl der kindergeldberechtigten Kinder einer Familie, die keinen Kindergarten besuchen. Der Gebührensatz nach der Gebührenordnung wird in diesen Fällen auf Antrag der Erziehungsberechtigten wie folgt ermäßigt: a) 10 v.H bei Familien mit einem Kind, b) 20 v.H. bei Familien mit zwei Kindern, c) 30 v.H. bei Familien mit drei Kindern, d) 50 v.H. bei Familien mit vier und mehr Kindern. (4) Die in Abs. 1 und 2 festgesetzte Gebühr kann auf Antrag ermäßigt werden. Die Betreuungsgebühr ermäßigt sich für die Zeit ab 1. April 1994 bis 31. Dezember 1995 bei einem monatlichen Familienbruttoeinkommen wie folgt: monatliches Familienbruttoeinkommen DM; Halbtagesplatz DM; Sechs-Stundenplatz DM; Vormittags-Nachmittagsplatz DM; Ganztagesplatz DM >= 10.001; 217,00; 263,00; 309,00; 355,00 9.501-10.000; 208,00; 252,00; 296,00; 340,00 ... 4.001-4.500; 109,00; 131,00; 153,00; 175,00 <= 4.000; 100,00; 120,00; 140,00; 160,00 ![]() ![]() Für die Zeit ab 1. Januar 1996 ermäßigt sich die Betreuungsgebühr wie folgt: ... (5) Das monatliche Familienbruttoeinkommen im Sinne des Abs. 4 ist das durch zwölf geteilte Bruttojahreseinkommen des vorangegangenen Kalenderjahres aller Familienmitglieder. Ein Ausgleich mit Verlusten ist nicht zulässig. (6) ... (7) ... | |
Nach § 10 Abs. 1 des Hessischen Kommunalabgabengesetzes (KAG) können die Gemeinden als Gegenleistung für die Inanspruchnahme ihrer öffentlichen Einrichtungen Benutzungsgebühren erheben, die nach Art und Umfang der Inanspruchnahme der Einrichtung zu bemessen sind (§ 10 Abs. 3 Satz 1 KAG). Für die Benutzung von Kindertagesstätten sieht § 10 des Hessischen Kindergartengesetzes vom 14. Dezember 1989 in der Fassung des Gesetzes vom 21. Juni 1993 (GVBl. I S. 256; im folgenden: KiGaG) demgegenüber eine nach Einkommensgruppen und Kinderzahl gestaffelte Abgabe vor. Die Vorschrift lautet:
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Teilnahmebeiträge und Gebühren, besondere Elternentlastung Die für den Besuch von Kindertagesstätten zu entrichtenden Teilnahmebeiträge oder Gebühren können nach Einkommensgruppen und Kinderzahl gestaffelt werden. | |
§ 90 Abs. 1 SGB VIII in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Mai 1993 (BGBl. I S. 637) enthält dazu die folgende Regelung:
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Für die Inanspruchnahme von Angeboten 1. der Jugendarbeit nach § 11, 2. der allgemeinen Förderung der Erziehung in der Familie nach § 16 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und 3 und 3. der Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen nach §§ 22, 24 können Teilnahmebeiträge oder Gebühren festgesetzt werden. Landesrecht kann eine Staffelung der Teilnahmebeiträge und Gebühren, die für die Inanspruchnahme der Tageseinrichtungen für Kinder zu entrichten sind, nach Einkommensgruppen und Kinderzahl oder der Zahl der Familienangehörigen vorschreiben oder selbst entsprechend gestaffelte Beträge festsetzen. ![]() | |
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Die Gebührenstaffelung nach Einkommen und Kinderzahl entspreche der bundesrechtlichen Regelung des § 90 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII. Mit dieser Vorschrift habe der Bundesgesetzgeber ausdrücklich die Meinungsverschiedenheiten über die Zulässigkeit einer solchen Staffelung ausräumen und eine Möglichkeit für entsprechende landesrechtliche Regelungen schaffen wollen. Danach dürfe der Landesgesetzgeber die konkrete Ausgestaltung einer Gebührenstaffelung entweder selbst festlegen oder der Regelung durch die Gemeinden nach deren eigenem pflichtgemäßen Ermessen überlassen.
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Die durch § 90 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII und § 10 KiGaG eingeräumte Möglichkeit einer Differenzierung der Teilnahmebeiträge und Gebühren nach dem Einkommen verstoße auch weder gegen Art. 3 Abs. 1 noch Art. 6 Abs. 1 GG. Daß im Einzelfall von der Ermächtigung fehlerhaft Gebrauch gemacht werden und die konkrete Umsetzung gegen Grundrechte verstoßen könnte, mache die Ermächtigung als solche nicht verfassungsrechtlich bedenklich. Sie beruhe auf sachgemäßen Erwägungen. Durch § 10 KiGaG in Verbindung mit § 90 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII solle gewährleistet werden, daß auch einkommensschwächere Familien ihre Kinder in Kindertageseinrichtungen schicken könnten. Die Regelungen dienten damit dem durch Art. 6 Abs. 1 GG gebotenen Schutz der Familie. ![]() | |
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Weder der Landesgesetzgeber noch die Gemeinden seien an einen bestimmten Einkommensbegriff gebunden. Eine an steuerrechtlichen Vorschriften orientierte Erfassung des Einkommens sei daher nicht erforderlich gewesen. Der in § 2 Abs. 5 KiGaGebS zugrundegelegte Einkommensbegriff treffe die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Gebührenschuldner in hinreichend typischer Weise. Er diene einer zügigen und verwaltungstechnisch einfachen Ermittlung des Gebührenbetrages. Eine weitere Differenzierung sei von der Sache her nicht geboten. Unbedenklich sei es auch, daß auf das Einkommen aller Familienmitglieder abgestellt werde. Dieser Begriff lasse sich durch sachgemäße Auslegung dahin präzisieren, daß im Regelfall das Einkommen der zur Unterhaltsgewährung verpflichteten Eltern maßgeblich sei. Eine Verpflichtung zur Vorlage der Einkommensteuerbescheinigung bestehe nur, wenn ein Ermäßigungsantrag gestellt sei. Dies sei bei sachgemäßer Handhabung datenschutzrechtlich unbedenklich.
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4. Die Beschwerde gegen die Nichtvorlage der Rechtssache wies das Bundesverwaltungsgericht zurück. Die Rechtssache habe keine grundsätzliche Bedeutung. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung stehe fest, daß es für die Einordnung einer Abgabe auf deren ![]() ![]() | |
II.
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Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 sowie Art. 14 GG.
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Sie tragen vor, die für die Kindergartenbetreuung ihres Sohnes verlangte Gebühr sei ihrer Rechtsnatur nach weder Gebühr noch Beitrag, sondern eine kommunale Einkommensteuer. Eine Steuer unterscheide sich von nicht-steuerlichen Abgaben (Gebühren und Beiträgen) unter anderem dadurch, daß ihr keine individuell zurechenbare Gegenleistung gegenüberstehe. Im Bereich des Kommunalabgabengesetzes gehe der Charakter einer nicht-steuerlichen Abgabe also nur dann nicht verloren, wenn das Entgelt aus Anlaß individuell zurechenbarer öffentlicher Leistungen auferlegt werde und dazu bestimmt sei, in Anknüpfung an diese Leistung deren Kosten ganz oder teilweise zu decken. Die für die Abgrenzung zur Steuer erforderliche Verknüpfung zwischen Aufwand und Gebühr werde von der Kindergartengebührensatzung der Stadt Idstein aufgegeben, da es für die Bemessung der Abgabe nicht mehr auf die konkret umzulegenden Kosten, sondern nur noch auf das Familieneinkommen ankomme. Den Beschwerdeführern werde damit eine Abgabe nicht mehr allein wegen der Nutzung des Kindergartenplatzes auferlegt, sondern speziell wegen ihres Familieneinkommens.
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Der Hessische Verwaltungsgerichtshof habe den für die Abgrenzung zur Steuer wichtigen Kostendeckungsgrundsatz und den Grundsatz der speziellen Entgeltlichkeit aufgegeben. Damit könnten die Gemeinden nun einkommensbezogene Gebühren erheben, für deren Bemessung nicht die durch die öffentliche Leistung entstandenen Kosten, sondern kommunale Haushaltsdefizite und politische Mehrheiten maßgebend seien. Ein solcher Zugriff auf die Leistungsfähigkeit der Beschwerdeführer im Blick auf die Finanzierung von Gemeinkosten sei jedoch allein im Weg der Steuer zulässig. Für die Erhebung einer solchen Steuer fehle aber dem Land Hessen ge ![]() ![]() | |
Die Einhaltung der auch im Hessischen Kommunalabgabengesetz niedergelegten Grundsätze des Gebührenrechts sei daher aus finanzverfassungsrechtlichen Gründen zwingend geboten. Weder § 10 KiGaG noch die Satzung der Stadt Idstein beachte diese Grundsätze. Die Kindergartengebühr sei daher nicht mehr Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 GG.
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Die angegriffene Satzung verletze außerdem den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Zum einen sei es gleichheitswidrig, daß bei gleicher Inanspruchnahme des Kindergartens die Beschwerdeführer erheblich mehr als andere Eltern zu zahlen hätten. Zum anderen bewirke die einkommensabhängige Festsetzung, daß das Einkommen der Beschwerdeführer höher besteuert werde als das von kinderlosen Steuerzahlern mit ebenso hohen Einkommen.
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Die Ungleichbehandlung sei willkürlich, da hierfür sachliche Gründe fehlten. Insbesondere könne auch nicht auf das Sozialstaatsprinzip verwiesen werden, da dessen Konkretisierung im Rahmen der Einkommensteuer ausschließlich dem Bund obliege. Anderenfalls würden sozialstaatliche Entlastungen auf Bundesebene - wie etwa finanzielle Zuweisungen nach dem Kindergeldgesetz - auf gemeindlicher Ebene relativiert. Das verbiete sich, weil Besteuerung und Entlastung aufeinander abgestimmt seien.
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Statt dessen müsse auch bei kommunalen Abgaben die wertentscheidende Grundsatznorm des Art. 6 Abs. 1 GG beachtet werden, die zum Schutze der Familien eine Entlastung bei der Bemessung kommunaler Gebühren gebiete. Danach sei gerade bei jenen Abgaben, die Familien mit Kindern zusätzlich belasteten, äußerste Zurückhaltung geboten. Deren Ausgestaltung dürfe jedenfalls nicht dazu dienen, allgemeine kommunale Haushaltsdefizite auszugleichen.
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Der kommunale Zugriff auf Familieneinkommen greife ferner in den Schutzbereich des Art. 14 GG ein, da das bereits erworbene ![]() ![]() | |
III.
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Zu der Verfassungsbeschwerde haben die Hessische Staatskanzlei und der Präsident des Bundesverwaltungsgerichts Stellung genommen.
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1. Die Hessische Staatskanzlei führt aus, § 10 KiGaG halte sich im Rahmen der Vorgaben des § 90 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII. Der Landesgesetzgeber habe danach den Trägern der Tageseinrichtungen die Möglichkeit einer Staffelung einräumen können. Die Festsetzung der Staffelung durch den Landesgesetzgeber selbst fordere § 90 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII nicht. Das Gesetz wolle den Landesgesetzgeber nicht darauf beschränken, selbst gestaffelte Elternbeiträge festzusetzen, sondern ihm die Möglichkeit geben, nur Rahmenvorgaben für die Träger der Tageseinrichtungen zu machen.
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Die Vorschrift sei hinreichend bestimmt und überschreite nicht die rechtlichen Grenzen bei der Übertragung von Rechtsetzungsbefugnissen auf autonome Körperschaften. Die Grundsätze des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG gälten nur für die Übertragung von rechtsetzender Gewalt des Bundes auf die Exekutive. Abgesehen davon seien Inhalt, Zweck und Ausmaß der Regelung in § 10 KiGaG eindeutig bestimmt worden. Zwar lasse sich die Höhe der im Einzelfall ![]() ![]() | |
2. Der Präsident des Bundesverwaltungsgerichts hat eine Äußerung des 8. Senats übersandt, in der dieser auf seine zu vergleichbaren landesrechtlichen Rechtsvorschriften anderer Bundesländer ergangenen Entscheidungen hinweist.
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Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, soweit sie sich gegen den Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts über die Nichtvorlage der Rechtssache wendet. Der Beschwerdeschrift läßt sich nicht entnehmen, inwiefern durch diesen Beschluß Grundrechte der Beschwerdeführer verletzt sein könnten.
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Im übrigen ist die Verfassungsbeschwerde zulässig. Die Zuständigkeit des Ersten Senats ist durch einen Beschluß des Ausschusses nach § 14 Abs. 5 BVerfGG begründet worden (vgl. § 47 der Geschäftsordnung des Bundesverfassungsgerichts).
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Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet.
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Die Beschwerdeführerin und der Beschwerdeführer werden durch die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs nicht in Grundrechten verletzt. Die im Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO überprüfte Gebührensatzung der Stadt Idstein und die dieser Satzung zugrundeliegenden landes- und bundesrechtlichen Normen stehen mit dem Grundgesetz im Einklang.
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1. In die allgemeine Handlungsfreiheit der Beschwerdeführer (Art. 2 Abs. 1 GG) wird durch die genannten Normen nicht in verfassungswidriger Weise eingegriffen.
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a) Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistet die allgemeine Handlungsfreiheit in einem umfassenden Sinne (vgl. BVerfGE 6, 32 [36]; 80, 137 [152]; stRspr). Geschützt ist insbesondere auch der Anspruch, durch die Staatsgewalt nicht mit einem finanziellen Nachteil bela ![]() ![]() | |
b) Der Eingriff ist aber gerechtfertigt. Der Verwaltungsgerichtshof hat zutreffend erkannt, daß die gesetzlichen Grundlagen für die Gebührenforderung sich im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung halten. Sie verletzen weder die Kompetenzregelung des Grundgesetzes (aa) noch Verfassungsnormen über das Finanzwesen (bb) noch rechtsstaatliche Grundsätze über die Bestimmtheit von Ermächtigungen (cc). Sie verstoßen auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz oder andere Grundrechte der Beschwerdeführer (Ziffer 2-4).
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aa) Der Bundesgesetzgeber hatte die Kompetenz zum Erlaß von § 90 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII. Die Vorschrift betrifft eine Angelegenheit, die schwerpunktmäßig dem Sachgebiet der öffentlichen Fürsorge zuzuordnen ist, für dessen Regelung dem Bund die Befugnis zur Gesetzgebung gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 und Art. 72 Abs. 1 GG zusteht.
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Der Begriff der öffentlichen Fürsorge ist nicht eng auszulegen (vgl. BVerfGE 88, 203 [329 f.]). Dazu gehört nicht nur die Jugendfürsorge im engeren Sinne, sondern auch die Jugendpflege, die das körperliche, geistige und sittliche Wohl aller Jugendlichen fördern will, ohne daß eine Gefährdung im Einzelfall vorzuliegen braucht. Durch Maßnahmen der Jugendpflege soll Entwicklungsschwierigkeiten der Jugendlichen begegnet und damit auch Gefährdungen vorgebeugt werden (vgl. BVerfGE 22, 180 [212 f.]). Denselben Zielen dient auch die Kindergartenbetreuung. Sie hilft den Eltern bei der Erziehung, fördert und schützt die Kinder und trägt dazu bei, positive Lebensbedingungen für Familien mit Kindern zu schaffen (vgl. § 1 Abs. 3 Nr. 1-4 SGB VIII). Für das spätere Sozialverhalten der Kinder ist diese zumeist erste Betreuung außerhalb des Elternhauses in hohem Maße prägend. Dem Ziel der Jugendpflege, der präventiven Konfliktverhütung, wird dadurch auf wirksame Weise ![]() ![]() | |
Allerdings ist der Kindergarten zugleich Bildungseinrichtung im elementaren Bereich. Der Bildungsauftrag hat in den einschlägigen Gesetzen seinen Niederschlag gefunden. In § 22 Abs. 2 SGB VIII wird ebenso wie in § 1 KiGaG auch Erziehung und Bildung von Kindern als Aufgabe des Kindergartens genannt. § 2 Abs. 1 Satz 2 KiGaG sieht unter anderem eine Förderung durch Bildungsangebote vor. Insofern berührt § 90 SGB VIII auch eine Gesetzgebungskompetenz der Länder. Nach Auffassung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs findet deshalb das Bayerische Kindergartengesetz seine kompetenzrechtliche Grundlage in der Gesetzgebungszuständigkeit der Länder auf dem Gebiet des Bildungswesens (vgl. BayVerfGH, BayVBl 1977, S. 81 [82 ff.]).
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Dieser Bildungsbezug entzieht die Regelung aber nicht der Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Die fürsorgerischen und bildungsbezogenen Aufgaben des Kindergartens sind untrennbar miteinander verbunden. Eine Aufspaltung der Gesetzgebungskompetenz anhand dieser Aspekte kommt aus sachlichen Gründen nicht in Betracht. Das gilt auch für die Kostenregelungen, ohne die eine effektive Gewährleistung von Fürsorgeleistungen nicht möglich wäre. Der Schwerpunkt des Kindergartenwesens, von dem in einem solchen Fall die Bestimmung der Gesetzgebungskompetenz abhängt (vgl. BVerfGE 97, 228 [251 f.]), ist nach wie vor eine fürsorgende Betreuung mit dem Ziel einer Förderung sozialer Verhaltensweisen und damit präventiver Konfliktvermeidung. Der vorschulische Bildungsauftrag steht hinter dieser dem Bereich der öffentlichen Fürsorge zuzuordnenden Aufgabe zurück. Eine einheitliche Zuordnung zum Bereich der öffentlichen Fürsorge im Sinne von Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG ist daher zu bejahen (ebenso BVerwG, Beschluß vom 14. Februar 1995 - BVerwG 8 B 19.95 -, Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren ![]() ![]() | |
bb) Die angegriffenen landesrechtlichen Regelungen verletzen auch nicht, wie die Beschwerdeführer meinen, die Kompetenz des Bundes zum Erlaß einkommensteuerrechtlicher Gesetze (Art. 105 Abs. 2 i.V.m. Art. 106 Abs. 3 GG). Die Kindergartengebühr ist nicht wegen ihrer Staffelung nach Einkommen als Steuer anzusehen. Sie bleibt an die individuelle Inanspruchnahme einer staatlichen Infrastruktureinrichtung geknüpft und ist insoweit nicht, wie eine Steuer, voraussetzungslos geschuldet (vgl. BVerfGE 50, 217 [226]). Da sie sich nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs hinsichtlich der Höhe eindeutig in den vom allgemeinen Gebührenrecht gesetzten Grenzen hält, besteht auch kein Anlaß, der Frage nachzugehen, ob sie im Hinblick auf einen überschießenden Betrag als verdeckte Einkommensbesteuerung angesehen werden könnte.
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cc) § 10 KiGaG ist entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer nicht zu unbestimmt. Die Maßstäbe, die Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG für gesetzliche Ermächtigungen zum Erlaß von Rechtsverordnungen aufstellt, können auf Ermächtigungen zum Erlaß von kommunalen Satzungen nicht übertragen werden. Anders als bei abgeleiteter Rechtsetzung im Verordnungswege gebieten allgemeine rechtsstaatliche und demokratische Grundsätze es nicht, daß öffentlichrechtlichen Körperschaften Inhalt, Zweck und Ausmaß der von ihnen im Rahmen ihrer Autonomie zu erlassenden Normen in ebenso bestimmter Weise vorgegeben werden (vgl. BVerfGE 21, 54 [62 f.]).
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Der Gesetzgeber darf sich zwar seiner Rechtsetzungsbefugnis nicht völlig entäußern, sondern muß - vor allem mit Blick auf mögliche Grundrechtseingriffe - auch der Satzungsgewalt von Selbstverwaltungsorganen sachangemessene Grenzen setzen (vgl. BVerfGE 33, 125 [157 ff.]). Wo diese im einzelnen verlaufen, braucht hier aber nicht geklärt zu werden. Jedenfalls regelt § 10 KiGaG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 KAG Inhalt, Art und Umfang der den Gemeinden übertragenen Befugnisse bestimmt genug. Die Vorschriften lassen hinreichend deutlich erkennen, an welche Voraussetzungen die Abgabe anknüpft, wer Abgabenschuldner ist und - in Ver ![]() ![]() | |
2. Die angegriffenen Normen stehen mit dem Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) im Einklang. Für die vom Bundes- und Landesgesetzgeber zugelassene und von der Stadt Idstein vorgenommene Staffelung der Kindergartengebühren nach Kinderzahl und Familieneinkommen gibt es sachliche Gründe, die die Benachteiligung der Benutzer mit höherem Einkommen rechtfertigen.
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a) Der allgemeine Gleichheitssatz verlangt, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Bei einer Ungleichbehandlung von Personengruppen ist Art. 3 Abs. 1 GG verletzt, wenn eine Gruppe anders behandelt wird als andere, obwohl zwischen ihnen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen können (stRspr; zuletzt BVerfGE 82, 126 [146]; 88, 87 [96 f.]; 91, 389 [401]; 92, 26 [51 f.]).
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b) Als Unterschied, der eine Ungleichbehandlung rechtfertigen kann, kommen auch unterschiedliche Einkommensverhältnisse in Betracht. Das ist in vielen Bereichen anerkannt. Der Steuersatz richtet sich nach der Höhe des Einkommens. Sozialleistungen werden einkommens- oder vermögensabhängig gewährt. Aus Art. 3 Abs. 1 GG läßt sich nicht ableiten, daß die Gebühren für die Inanspruchnahme staatlicher Leistungen ausnahmslos einkommensunabhängig ausgestaltet sein müssen. Unter Gleichheitsgesichtspunkten kann die Frage nur sein, ob die vom Gesetzgeber gewählte Staffelung sachgerecht erscheint oder nicht. Diese Frage kann aber nur mit Blick auf das Gesamtsystem staatlicher Abgaben und Leistungen beantwortet werden, weil sich erst daraus das jeweils rechtfertigungsbedürftige Ausmaß der Ungleichbehandlung ableiten läßt.
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Eine einkommensbezogene Ungleichbehandlung von Gebührenschuldnern ist nicht schon durch allgemeine verfassrungsrechtliche Grundsätze des Gebührenrechts ausgeschlossen. Einen eigenständigen Gebührenbegriff, aus dem sich unmittelbar Kriterien für die ![]() ![]() | |
Eine an sozialen Gesichtspunkten orientierte Staffelung ist dadurch aber nicht ausgeschlossen. Aus der Zweckbindung der Gebühr ergibt sich keine verfassungsrechtlich begründete Begrenzung der Gebührenhöhe durch die tatsächlichen Kosten einer staatlichen Leistung. Art. 3 Abs. 1 GG steht weder einer Unterdeckung noch einer Überdeckung der Kosten durch die Gebühren von vornherein entgegen (vgl. BVerfGE 50, 217 [226]). Das Kostendeckungsprinzip und ähnliche gebührenrechtliche Prinzipien sind keine Grundsätze mit verfassungsrechtlichem Rang. Mit einer Gebührenregelung dürfen neben der Kostendeckung auch andere Zwecke verfolgt werden; auch der Wert einer staatlichen Leistung für deren Empfänger darf sich in Gebührenmaßstäben niederschlagen (vgl. BVerfGE 50, 217 [225 f.]; 79, 1 [27 f.]; 85, 337 [346]). Innerhalb seiner jeweiligen Regelungskompetenzen verfügt der Gebührengesetzgeber über einen weiten Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum, welche individuell zurechenbaren öffentlichen Leistungen er einer Gebührenpflicht unterwerfen, welche Gebührenmaßstäbe und Gebührensätze er hierfür aufstellen und welche über die Kostendeckung hinausgehenden Zwecke, etwa einer begrenzten Verhaltenssteuerung in bestimmten Tätigkeitsbereichen, er mit einer Gebührenregelung anstreben will (vgl. BVerfGE 50, 217 [226 f.]). ![]() | |
Diese Grundsätze haben im Steuerrecht eine spezifische Ausprägung gefunden. Steuergerechtigkeit im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG verlangt Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Das Einkommensteuerrecht trägt diesem Gleichbehandlungsgrundsatz unter anderem durch progressive Steuersätze Rechnung (vgl. BVerfGE 61, 319 [343 f.] m.w.N.). Hierdurch wird der einkommensteuerpflichtige Bürger an der Finanzierung der die Gemeinschaft treffenden Lasten nach Maßgabe seiner individuellen und damit relativ gleichen Leistungsfähigkeit beteiligt. Diese Gleichbehandlung wird zwar durchbrochen, soweit Gemeinlasten einzelnen Bürgern aufgebürdet werden. Die Ungleichbehandlung kann aber durch einen besonderen Vorteil oder eine äquivalente Leistung der Verwaltung ausgeglichen werden (vgl. BVerfGE 55, 274 [302 ff.]; 93, 319 [343 f.]). Die Abgabengerechtigkeit bleibt dann gewahrt.
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Einkommensbezogene Gebührenstaffeln sind daher unter dem spezifischen Blickwinkel der Abgabengerechtigkeit jedenfalls unbedenklich, solange selbst die Höchstgebühr die tatsächlichen Kosten der Einrichtung nicht deckt und in einem angemessenen Verhältnis zu der damit abgegoltenen Verwaltungsleistung steht. Unter dieser Voraussetzung wird allen Benutzern im Ergebnis ein vermögenswerter Vorteil zugewendet. Auch die Nutzer, die die volle Gebühr zahlen, werden nicht zusätzlich und voraussetzungslos zur Finanzierung allgemeiner Lasten und vor allem nicht zur Entlastung sozial schwächerer Nutzer herangezogen. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs decken die in der Satzung der Stadt Idstein festgelegten Gebührensätze die tatsächlichen Kosten nur zu etwa einem Drittel ab. Auch diejenigen Kindergartenbenutzer, die die volle Gebühr zahlen, kommen in den Genuß einer öffentlichen Infrastrukturleistung, deren Wert die Gebührenhöhe erheblich übersteigt.
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Wann eine Gebührenstaffelung nach dem Einkommen sachgerecht ist, bedarf hier keiner allgemeinen Entscheidung. Dafür sind die Gebührentatbestände zu vielgestaltig. Eine Staffelung kommt aber jedenfalls dann in Betracht, wenn auch die Höchstgebühr die ![]() ![]() | |
c) Die ungleiche Behandlung der Eltern bei der Heranziehung zu Kindergartengebühren wird durch hinreichend gewichtige sachliche Gründe gerechtfertigt.
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Mit der Schaffung von Kindergärten stellt der Staat Chancengleichheit in bezug auf die Lebens- und Bildungsmöglichkeiten von Kindern her und trägt damit sozialstaatlichen Belangen Rechnung (Art. 20 Abs. 1 GG). Kindergartenerziehung vermittelt und fördert elementare Kenntnisse und Fähigkeiten wie den Gebrauch der Sprache und den Umgang mit anderen. Die Eltern sollen bei der Erziehung durch den Kindergarten unterstützt werden (vgl. auch BTDrucks 11/5948, S. 42). Kindergärten sind insofern auch wesentliche Bestandteile des Bildungssystems. Sie sollen allen Eltern mit kleinen Kindern zur Verfügung stehen. Dies ist eines der wichtigsten Ziele der staatlichen Jugendhilfe.
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Mit der Einrichtung von Kindergärten werden zugleich grundrechtliche Schutz- und Förderpflichten erfüllt. Die Verfügbarkeit eines Kindergartenplatzes kann Frauen darin bestärken, eine ungewollte Schwangerschaft nicht abzubrechen. Kindergärten dienen so dem Schutz auch des ungeborenen Lebens, der dem Staat durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zur Pflicht gemacht wird. Indem sie den Familien bei der Kinderbetreuung und -erziehung helfen, tragen Kindergärten zudem zur Erfüllung der in Art. 6 Abs. 1 GG verankerten Förderpflicht bei. Schließlich unterstützt der Staat mit der Schaffung von Kindergärten auch die Gleichstellung der Frau im Arbeits ![]() ![]() | |
Aus den vorgenannten Gründen dürfen Kindergartenplätze auch Kindern einkommensschwächerer Eltern nicht vorenthalten werden. Dieser Anforderung kann durch sozial gestaffelte Tarife genügt werden. Eine umfassende Bezuschussung der Kindergärten, die allen Eltern ungeachtet ihrer Einkommensverhältnisse gleichmäßig zugute kommt, ist hingegen zur Sicherung ihrer allgemeinen Zugänglichkeit nicht erforderlich.
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Angesichts der wichtigen Gemeinschaftsgüter, denen die Schaffung von Kindergartenplätzen dient, und in Anbetracht der Notwendigkeit, diese flächendeckend und allgemein zugänglich vorzuhalten, kann eine auf gesetzlicher Grundlage beruhende, nach Einkommen gestaffelte Heranziehung der Benutzer zu den Kosten unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten nicht beanstandet werden. Soweit die öffentliche Hand zu einer Bezuschussung nicht verpflichtet ist, kann sie aus haushaltspolitischen Gründen davon absehen. Dafür spricht vor allem, daß eine gleichmäßige Absenkung der Kindergartengebühren auf das Niveau der Mindestgebühr bei angespannter Haushaltslage den Spielraum zur Schaffung und Unterhaltung von Kindergärten praktisch weiter einschränken würde.
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3. Art. 6 Abs. 1 GG wird durch die angegriffenen Regelungen nicht verletzt.
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a) Zu Unrecht machen die Beschwerdeführer geltend, durch die Gebührengestaltung würden Familien mit Kindern zusätzlich belastet, um kommunale Haushaltsdefizite zu decken. Das trifft schon in tatsächlicher Hinsicht nicht zu. Die Stadt Idstein stellt allen Benutzern ihrer Kindergärten, so auch den Beschwerdeführern, Kindergartenplätze zu nicht kostendeckenden Entgelten zur Verfü ![]() ![]() | |
b) Mit ihren Kindergartengebühren unterschreitet die Gemeinde auch nicht die ihr gemäß Art. 6 Abs. 1 GG obliegende Förderpflicht. Der Staat ist durch das Schutzgebot des Art. 6 Abs. 1 GG nicht gehalten, jegliche die Familie treffende Belastung auszugleichen oder die Familie ohne Rücksicht auf andere öffentliche Belange zu fördern. Die staatliche Familienförderung steht unter dem Vorbehalt des Möglichen im Sinne dessen, was der Einzelne vernünftigerweise von der Gesellschaft beanspruchen kann (BVerfGE 87, 1 [35]; stRspr).
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Daß die Förderung der Beschwerdeführer unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte dem Schutzgebot des Art. 6 Abs. 1 GG nicht genügt, ist nicht ersichtlich. Eine Pflicht zur gleichmäßigen Förderung aller Familien ohne Rücksicht auf ihre Bedürftigkeit läßt sich Art. 6 Abs. 1 GG nicht entnehmen.
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4. Art. 14 Abs. 1 GG ist ebenfalls nicht verletzt. Er schützt nicht vor der Auferlegung von Geldleistungen, die für die Inanspruchnahme öffentlicher Einrichtungen erhoben werden (vgl. BVerfGE 78, 214 [230]).
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