des Ersten Senats vom 5. Dezember 2006
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-- 1 BvR 2186/06 -- | |
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde 1. des Herrn Dr. W. . . und weiterer 20 Beschwerdeführer -- Bevollmächtigter: Prof. Dr. Friedhelm Hufen, Backhaushohl 62, 55128 Mainz -- gegen Art. 1 des Gesetzes über die Reform hufbeschlagrechtlicher Regelungen und zur Änderung tierschutzrechtlicher Vorschriften vom 19. April 2006 (BGBl. I S. 900); hier: Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
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Entscheidungsformel:
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Das Inkrafttreten von Artikel 1 des Gesetzes über die Reform hufbeschlagrechtlicher Regelungen und zur Änderung tierschutzrechtlicher Vorschriften vom 19. April 2006 (Bundesgesetzblatt I Seite 900) wird bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde, längstens für die Dauer von sechs Monaten, insoweit einstweilen ausgesetzt, als Personen, die Verrichtungen an Hufen zum Zweck des Schutzes, der Gesunderhaltung, der Korrektur oder der Behandlung vornehmen, ohne dabei einen Eisenbeschlag anzubringen, sowie Personen und Einrichtungen, die zu solchen Verrichtungen ausbilden, den Bestimmungen dieses Gesetzes unterworfen werden. Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückgewiesen.
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Die Bundesrepublik Deutschland hat den Beschwerdeführern die notwendigen Auslagen für das Verfahren über die einstweilige Anordnung zu erstatten. ![]() | |
I.
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Die Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer wenden sich mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und der damit verbundenen Verfassungsbeschwerde als praktizierende oder zukünftige Huftechniker und Hufpfleger sowie als Betreiber von Schulen für Hufpflege und Huftechnik gegen die Unterwerfung ihrer beruflichen Tätigkeiten unter das neue Hufbeschlaggesetz, das zum 1. Januar 2007 in Kraft treten soll.
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1. Zum Schutz des Pferdehufs gegen übermäßige Belastung werden Hufeisen verwendet, die auf den Huf genagelt werden. Diese Schutzmaßnahmen haben sich nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges mit dem weitgehenden Verlust der Funktion von Pferden als Zug-, Last- und Nutztieren und der Verwendung neuer Beschlagmaterialien erheblich weiterentwickelt. Mit der zunehmenden Bedeutung von Pferden als Freizeit- und Sporttieren stellte sich der Eisenbeschlag als nicht mehr unbedingt geboten, teilweise auch als nicht mehr erwünscht dar. So entwickelten sich alternative Formen der Hufversorgung und des Hufbeschlags. Unter die Berufsbezeichnung "Hufpfleger" fällt die Hufversorgung ausschließlich von Barhufpferden, also Pferden ohne Hufschutz oder mit lediglich temporärem Hufschutz wie Hufschuhen. Als "Huftechniker" werden demgegenüber Spezialisten für alle Arten der Hufhilfsmittel und des Hufschutzes mit Ausnahme des -- dem Hufbeschlagschmied vorbehaltenen -- Eisenbeschlags bezeichnet. Das Betätigungsfeld des Huftechnikers umfasst neben der Hufbearbeitung das Anbringen von Kunststoff- und Aluminiumbeschlägen, das Anbringen von Klebeschuhen, das Anpassen von Hufschuhen sowie die Hufreparatur mit Kunsthornen oder anderen Hufersatzmaterialien.
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2. a) Nach § 1 Abs. 1 des bis heute gültigen Gesetzes über den Hufbeschlag vom 20. Dezember 1940 (RGBl I 1941, S. 3; im Folgenden: HufBeschlG 1940) ist "zur Ausübung des Huf- und Klauenbeschlags" die Anerkennung als geprüfter Hufbeschlagschmied erforderlich. Wer ohne diese Anerkennung den Huf- oder Klauenbeschlag ausübt, begeht eine Ordnungswidrigkeit (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 HufBeschlG 1940). ![]() | |
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1965 wurde diese Verordnung ergänzt durch eine weitere, ebenfalls bis heute gültige Verordnung über den Hufbeschlag vom 14. Dezember 1965 (BGBl. I S. 2095; im Folgenden: HufBeschlV 1965). Sie gilt für die Ausübung des Huf- und Klauenbeschlags im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmen einschließlich der Betriebe der Landwirtschaft sowie bei der Bundeswehr und der Bundespolizei. Die Verordnung beschränkt sich auf Bestimmungen über die Prüfung zum Hufbeschlagschmied (§§ 2 ff. HufBeschlV 1965).
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b) Am 19. April 2006 erging als Artikel 1 des Gesetzes über die Reform hufbeschlagrechtlicher Regelungen und zur Änderung tierschutzrechtlicher Vorschriften (BGBl. I S. 900) ein neues Gesetz über den Beschlag von Hufen und Klauen (Hufbeschlaggesetz -- HufBeschlG; im Folgenden: HufBeschlG 2006), das am 1. Januar 2007 in Kraft treten und das Gesetz aus dem Jahr 1940 ablösen soll. Auch die beiden Hufbeschlagverordnungen sollen außer Kraft treten, sobald Rechtsverordnungen nach dem neuen Gesetz erlassen sind. Einer entsprechenden Verordnung über den Beschlag von Hufen und Klauen (Hufbeschlagverordnung -- HufBeschlV; im Folgenden: HufBeschlV 2006) stimmte der Bundesrat am 24. November 2006 nach Maßgabe einiger Änderungen gemäß Art. 80 Abs. 2 GG zu (vgl. BRDrucks 713/06 [Beschluss]). ![]() | |
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Hufbeschlagschulen dürfen zukünftig nur betrieben werden, wenn sie staatlich anerkannt sind (§ 6 Abs. 1 HufBeschlG 2006). Die näheren Voraussetzungen regelt § 6 Abs. 2 HufBeschlG 2006, insbesondere müssen "ausreichend" Hufbeschlaglehrschmiede beschäftigt werden (§ 6 Abs. 2 Nr. 2 HufBeschlG 2006). Hufbeschlaglehrschmiede wiederum müssen ebenfalls staatlich anerkannt sein; dies setzt insbesondere eine mindestens fünfjährige Tätigkeit als Hufbeschlagschmied und eine erfolgreich abgelegte Prüfung voraus (vgl. § 5 Abs. 1 HufBeschlG 2006). § 9 HufBeschlG 2006 erklärt die Tätigkeit als Hufbeschlagschmied, Hufbeschlaglehrschmied oder Betreiber einer Hufbeschlagschule ohne die entsprechende Anerkennung zur Ordnungswidrigkeit.
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Gemäß § 10 Abs. 1 HufBeschlG 2006 gelten die früheren Anerkennungen für Hufbeschlagschmiede und Hufbeschlaglehrmeister als Anerkennungen nach dem neuen Hufbeschlaggesetz fort. § 10 Abs. 2 HufBeschlG 2006 erlaubt auch im Übrigen die Fortsetzung einer bisher rechtmäßig ausgeübten Tätigkeit, "ausgenommen die dauerhafte Anbringung von Huf- oder Klauenschutzmaterialien" (§ 10 Abs. 2 Satz 1 HufBeschlG 2006).
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Die Beschwerdeführer zu 1) bis 3) betreiben Schulen für Hufpflege und Huftechnik, die Beschwerdeführerinnen zu 4) und 5) sind Lehrerinnen an solchen Schulen. Die Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer zu 6) bis 15) sind praktizierende Huftechniker. Die Beschwerdeführerinnen zu 16) bis 19) und der Beschwerdeführer zu 20) beabsichtigen, eine Ausbildung im Bereich der Hufpflege oder Huftechnik zu beginnen und wollen hierzu Hufpflegeschulen besuchen; die Beschwerdeführerin zu 21) ist bereits Schülerin an einer Hufpflegeschule.
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4. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer die Verletzung ihrer Rechte aus Art. 12 und Art. 3 GG.
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Bei dem Beruf des Huftechnikers handele es sich gegenüber dem des Hufbeschlagschmieds um einen neuen, völlig eigenständigen Beruf. Auch das Berufsbild des Hufpflegers sei zwischenzeitlich staatlich anerkannt (unter Hinweis auf die Verordnung des Freistaats Bayern vom 23. Juni 1995 über die Fortbildungsprüfung zum Fachagrarwirt und zur Fachagrarwirtin Hufpflege [BayGVBl S. 340]). Sowohl der Beruf des Huftechnikers und des Hufpflegers als auch die lehrende Tätigkeit der Hufpflegeschulen als entsprechende Ausbildungsstätten unterfielen wie auch die Ausbildung an diesen Schulen dem Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG.
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Durch die Verbotsnormen von § 3 Abs. 1 und 2, § 6 Abs. 1 HufBeschlG 2006 werde in die Freiheit der Berufswahl eingegriffen. Der Beruf des Huftechnikers werde auf Grund gesetzlicher Regelung geschlossen. Wer auf dem Gebiet der Huftechnik tätig sein wolle, müsse künftig die Hufbeschlagprüfung im Sinne des § 4 HufBeschlG 2006 absolviert haben. Entsprechendes gelte für die Ausbildungsstätten mit ihrer nun vorgesehenen Monopolisierung durch Huflehrschmiede und Hufbeschlagschulen. Den Schülern alternativer Hufpflegeschulen werde verwehrt, nach Abschluss ihrer Ausbildung in ihrem gewählten Beruf tätig zu werden. ![]() | |
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Das Gesetz verstoße auch gegen das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG. Hufschmiede und Huftechniker würden im Hinblick auf die Verrichtungen von Hufbeschlagschmieden vereinheitlichenden Tätigkeits- und Anerkennungsvoraussetzungen unterworfen, obwohl sie von ihrer Tätigkeit und Qualifikation her unterschiedlich ausgerichtet seien. Schließlich würden die Beschwerdeführerinnen aus den Gruppen der Huftechniker und der Schülerinnen an Hufpflegeschulen in Art. 3 Abs. 2 und 3 GG verletzt. Frauen seien rein körperlich kaum in der Lage, die extremen körperlichen Belastungen des traditionellen Hufschmiedberufs auf sich zu nehmen, während der Beruf des Huftechnikers konstitutionell und konditionell von weiblichen Personen bewältigt werden könne.
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Trete das Gesetz wie vorgesehen zum 1. Januar 2007 in Kraft, so müssten die Beschwerdeführer zu 1) bis 3) den Betrieb ihrer ![]() ![]() | |
II.
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Zu dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung haben die Bundesregierung durch das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, das Ministerium der Justiz des Landes Brandenburg, das Justizministerium Mecklenburg-Vorpommern, die Niedersächsische Staatskanzlei und das Sächsische Staatsministerium der Justiz Stellung genommen.
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Das Bundesministerium weist darauf hin, dass es sich bei der Versorgung von Hufen um eine Tätigkeit handele, die eine qualifizierte und umfassende Ausbildung erfordere und folglich den Angehörigen der Berufsgruppe der Hufbeschlagschmiede zulässigerweise vorbehalten werden könne. Den Bezeichnungen als "Hufpfleger", "Hufheilpraktiker", "Huforthopäde" und "Huftechniker" lägen demgegenüber keine einheitlichen und definierten Berufsbilder zugrunde. Vorliegend sei eine Situation entstanden, in der angesichts der Vielzahl willkürlich vom Berufsbild des Hufbeschlagschmieds abgespaltener Tätigkeitsbezeichnungen für Hufversorgungen die Einhaltung der erforderlichen tierge ![]() ![]() | |
Werde die Ausübung der Hufversorgung umfassend ausgebildeten, geprüften und staatlich anerkannten Hufbeschlagschmieden vorbehalten, so diene dies der Erreichung des Gemeinwohlziels eines besseren Tierschutzes, das im Grundgesetz in Art. 20 a als Staatsziel verankert sei. Zur Erreichung dieses überragend wichtigen Gemeinwohlinteresses Tierschutz seien die Regelungen des zum 1. Januar 2007 in Kraft tretenden Hufbeschlaggesetzes geeignet, erforderlich und auch verhältnismäßig. Für Personen, die bisher als so genannte Hufpfleger tätig gewesen seien, gestatte § 10 Abs. 2 HufBeschlG 2006 im Rahmen einer Übergangsregelung weiterhin und unbefristet die Fortsetzung ihrer Tätigkeit. Die Ausnahme der von so genannten Huftechnikern praktizierten dauerhaften Anbringung von Hufschutzmaterialien aus der Übergangsregelung des § 10 Abs. 2 HufBeschlG 2006 sei ebenfalls angemessen. Die Tätigkeit falle nach der rechtlichen Bewertung des ![]() ![]() | |
Auch eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes nach Art. 3 GG sei nicht gegeben. Aus tierschützerischer Sicht seien die möglichen unterschiedlichen Versorgungsansätze und Handlungsoptionen am Huf in gleicher Weise relevant für das Wohl der Tiergesundheit und rechtfertigten einheitliche Zulassungsvoraussetzungen. Auch habe der Anteil von Frauen, die sich als Hufbeschlagschmiedin qualifizierten, in den letzten Jahren eher zugenommen.
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Trete das angegriffene Gesetz nicht in Kraft, seien irreversible Nachteile für die Tiergesundheit und den Tierschutz von Huf- und Klauentieren zu erwarten. Darüber hinaus würde die Durchführung von Vorbereitungslehrgängen vereitelt, welche auf der Grundlage des bereinigten Ausbildungs- und Anforderungsprofils nun anzubieten seien. Demgegenüber sei den bisher als "Huftechniker" tätigen Personen die Teilnahme an einem Vorbereitungslehrgang im Sinne von § 8 des Entwurfs einer Verordnung über den Beschlag von Hufen und Klauen zumutbar. Die Bildungseinrichtungen der Beschwerdeführer zu 1) bis 3) müssten ihre Ausstattung lediglich in Teilbereichen ergänzen und könnten eine Lernortkooperation mit anderen Bildungseinrichtungen bestehender Hufbeschlagschmieden und Hufbeschlagschulen eingehen.
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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist begründet.
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Nach § 32, § 93 d Abs. 2 Satz 2 BVerfGG kann der Senat im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus einem ![]() ![]() | |
Zielt der Antragsinhalt -- wie hier -- auf die Aussetzung des Inkrafttretens eines förmlichen Gesetzes, so ist § 32 Abs. 1 BVerfGG äußerst restriktiv und unter Anlegung eines besonders strengen Prüfungsmaßstabs anzuwenden (vgl. BVerfGE 6, 1 [4]; 108, 45 [48]; stRspr). Hier müssen die Gründe, die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechen, im Vergleich zu den Gründen für Anordnungen, die weniger schwer in die Interessen der Allgemeinheit eingreifen, ganz besonderes Gewicht haben (vgl. BVerfGE 104, 23 [27 f.]).
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1. Die Verfassungsbeschwerde ist weder hinsichtlich sämtlicher Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer unzulässig, noch ist sie offensichtlich unbegründet.
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a) Richtet sich eine Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen ein Gesetz, so setzt die Beschwerdebefugnis voraus, dass die Beschwerdeführer durch die angegriffene Norm selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen sind (vgl. BVerfGE 109, 279 [305]; stRspr).
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Im vorliegenden Fall sind die Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer selbst, unmittelbar und gegenwärtig durch die gesetzliche Regelung betroffen. Zwar treten die am 24. April 2006 verkündeten Rechtsnormen erst zum 1. Januar 2007 in Kraft und erzeugen ihre materielle Rechtswirkung erst in Zukunft. Von einem verkündeten, wenngleich auch noch nicht in Kraft getre ![]() ![]() | |
b) Die Einlegungsfrist des § 93 Abs. 3 BVerfGG ist eingehalten. Dies gilt auch für die als Huftechniker tätigen Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer zu 6) bis 15). Zwar geht der Gesetzgeber davon aus, dass schon nach der bisherigen Rechtslage nicht nur der Eisenbeschlag, sondern ausnahmslos das dauerhafte Anbringen aller Hufschutzmaterialien den Hufbeschlagschmieden vorbehalten ist (vgl. BTDrucks 16/29, S. 13). Wäre demnach die Tätigkeit der Huftechniker ohnehin bereits verboten gewesen, so könnte für sie die Beschwerdefrist verstrichen sein (vgl. § 93 Abs. 4 BVerfGG). Allerdings sah der Gesetzgeber trotz seiner Einschätzung der Rechtslage erheblichen Klärungsbedarf; denn die Definition des Hufbeschlags in § 2 Nr. 1 HufBeschlG 2006 soll eine "wesentliche Verbesserung gegenüber dem bisherigen Recht" darstellen, die zur "Rechtsklarheit und Rechtssicherheit" beiträgt (vgl. BTDrucks 16/29, S. 11). Hat der Gesetzgeber mithin den Anwendungsbereich der Norm eindeutiger als bisher bestimmt und ihr damit einen neuen Inhalt gegeben, so wird hierdurch die Frist aus § 93 Abs. 3 BVerfGG in Gang gesetzt (vgl. BVerfGE 11, 351 [359 f.]; 74, 69 [73]). Hält es der Gesetzgeber selbst für geboten, ![]() ![]() | |
c) Die Verfassungsbeschwerde gegen die Neuregelung ist im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG nicht offensichtlich unbegründet.
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aa) Das Betreiben einer Schule für Hufpflege, die Tätigkeit als Lehrer an einer solchen Schule sowie die Tätigkeit als Huftechniker unterfallen der Berufswahlfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG; der Besuch einer Hufpflegeschule als Schüler unterfällt dem Recht, gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG seine Ausbildungsstätte frei zu wählen.
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Der Einordnung als Beruf steht nicht entgegen, dass die Tätigkeit der Huftechniker möglicherweise bereits nach geltendem Recht verboten ist, weil das dauerhafte Anbringen sämtlicher Hufschutzmaterialien den Hufbeschlagschmieden vorbehalten sein soll. Einer -- wie hier -- die Merkmale des Berufsbegriffs grundsätzlich erfüllenden Tätigkeit ist der Schutz durch das Grundrecht der Berufsfreiheit nicht schon dann versagt, wenn das einfache Recht die gewerbliche Ausübung dieser Tätigkeit verbietet. Vielmehr kommt eine Begrenzung des Schutzbereichs von Art. 12 Abs. 1 GG in dem Sinne, dass dessen Gewährleistung von vornherein nur erlaubte Tätigkeiten umfasst, allenfalls hinsichtlich solcher Tätigkeiten in Betracht, die schon ihrem Wesen nach als verboten anzusehen sind, weil sie auf Grund ihrer Sozial- und Gemeinschaftsschädlichkeit schlechthin nicht am Schutz durch das Grundrecht der Berufsfreiheit teilhaben können (vgl. BVerfGE 115, 276 [300 f.]). Eine solche Schädlichkeit kann der Tätigkeit der Huftechniker ersichtlich nicht beigelegt werden, ansonsten wäre es nicht zu erklären, dass nicht nur die als unklar erkannte Rechtslage über Jahre hinweg hingenommen, sondern auch die Tätigkeit der Huftechniker zumindest geduldet wurde.
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bb) Gegenüber der bisherigen Rechtslage wird durch § 2 Nr. 1 HufBeschlG 2006 der berufsprägende Begriff des Hufbeschlags erweitert und auf die Gesamtheit aller Verrichtungen an einem Huf zum Zweck des Schutzes, der Gesunderhaltung, der Korrek ![]() ![]() | |
Der hierin liegende Eingriff in die Berufswahlfreiheit durch subjektive Zulassungsvoraussetzungen zu Lasten der Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer bedarf einer gesetzlichen Grundlage, die ihrerseits den Anforderungen der Verfassung genügt. Er ist nur zum Schutz eines besonders wichtigen Gemeinschaftsguts und unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit statthaft (vgl. BVerfGE 93, 213 [235]; stRspr).
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cc) Ob das Hufbeschlaggesetz 2006 diesen Anforderungen entspricht, bedarf der Überprüfung im Verfassungsbeschwerdeverfahren.
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Zwar ist das gesetzgeberische Ziel, den Tierschutz durch die Sicherung der Qualität der Hufversorgung zu fördern (vgl. BTDrucks 16/29, S. 1), angesichts der verfassungsrechtlichen Zielsetzung in Art. 20 a GG als Verfolgung eines besonders wichtigen Gemeinschaftsguts anzuerkennen. Im Verfassungsbeschwerdeverfahren wird aber insbesondere zu prüfen sein, ob die vom Gesetzgeber vorgesehene Vereinheitlichung des Berufsbildes unter Zugrundelegung der am Eisenbeschlag orientierten Tätigkeit des Hufbeschlagschmieds sich gegenüber den Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführern als erforderliche Maßnahme darstellt, um das erstrebte Ziel eines verbesserten Tierschutzes zu erreichen. ![]() | |
Die Folgen, welche eintreten würden, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber Erfolg hätte, überwiegen gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. BVerfGE 88, 25 [35]; 89, 109 [110 f.]). Dies gilt auch bei Anlegung des besonders strengen Prüfungsmaßstabs für die Aussetzung des Vollzugs eines förmlichen Gesetzes (BVerfGE 6, 1 [4]; stRspr), den der Respekt vor der demokratisch gefundenen Entscheidung des Parlaments verlangt (dazu BVerfGE 104, 23 [27 f.]). Die danach erforderlichen besonders gewichtigen Gründe liegen hier vor.
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Erginge die einstweilige Anordnung nicht, erwiese sich die Verfassungsbeschwerde später jedoch als begründet, so entstünden den Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführern mit Inkrafttreten des Gesetzes besonders schwere und praktisch nicht wieder gutzumachende persönliche und wirtschaftliche Nachteile, zudem würden sie zu später nur schwer korrigierbaren Berufswahlentscheidungen gezwungen. Die Schulen für Hufpflege und Huftechnik verlören ihren Schülerstamm. Eine spätere Wiederaufnahme des Lehrbetriebs wäre nach der eingetretenen Unterbrechung erschwert. Die Lehrerinnen und Lehrer an diesen Hufpflegeschulen verlören ihre Arbeitsplätze. Entsprechendes gilt für die beschwerdeführenden Huftechniker, denen die Fortsetzung ihrer hufbearbeitenden Tätigkeiten unter dauerhafter Anbringung von Hufschutzmaterialien gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 10 Abs. 2 Satz 1 HufBeschlG 2006 untersagt wäre. Die Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer zu 6) bis 15) müssten daher, ohne die Übergangsregelung gemäß § 10 Abs. 2 HufBeschlG 2006 in Anspruch nehmen zu können, ihre Tätigkeit als ausgebildete Huftechniker einstellen und sich beruflich neu orientieren. Die Ausbildung an einer Hufpflegeschule müsste aufgegeben oder könnte nicht aufgenommen werden, weil diese Schulen hinsichtlich des angestrebten Ausbildungsziels nicht mehr tätig sein können, und die Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer zu 16) bis 21) ![]() ![]() | |
Erginge die einstweilige Anordnung hingegen und hätte die Verfassungsbeschwerde später keinen Erfolg, so könnten die Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer ihre berufliche Betätigung einstweilen fortsetzen mit den von Seiten des Gesetzgebers prognostizierten Gefahren. Die Folgen einer fortgesetzten beruflichen Tätigkeit der Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer fallen hier jedoch weniger ins Gewicht, weil auch auf Basis der Stellungnahme des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz gegenüber dem Gericht sowie gegenüber dem Parlament (Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage zur Hufbehandlung und Barhufbearbeitung, BTDrucks 16/533) gravierende Schäden für die Gesundheit von Huf- und Klauentieren nicht zu erwarten wären. Dies wird durch die im Hufbeschlaggesetz und der hierzu entworfenen Rechtsverordnung vorgesehenen Übergangs- und Ausnahmeregelungen bestätigt. So soll nach dem vorliegenden Entwurf einer Rechtsverordnung zum Hufbeschlaggesetz Hufpflegern und Huftechnikern ein vereinfachter Zugang zur Prüfung als Hufbeschlagschmied gewährt werden (vgl. § 23 Abs. 2 des Entwurfs einer Verordnung über den Beschlag von Hufen und Klauen). Auch aus der in § 10 Abs. 2 HufBeschlG 2006 vorgesehenen Übergangsregelung zugunsten von Hufpflegern lässt sich entnehmen, dass der Gesetzgeber die Gefahr der Beeinträchtigung des Tierwohls durch die bereits praktizierenden Hufpfleger ebenfalls nicht als hoch einschätzt.
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Mit der auf die Berufe der Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer beschränkten Tenorierung ist auch keine Vorwegnahme der Hauptsache verbunden (vgl. BVerfGE 3, 41 [43]; 15, 77 [78]). Vielmehr bleibt das Hufbeschlaggesetz 2006 mit der Gesamtheit seiner Regelungen, insbesondere mit der Ausweitung der Zugangsmöglichkeiten zum Beruf des Hufbeschlagschmieds, grundsätzlich unberührt und kann insoweit in Kraft treten. Lediglich hinsichtlich der Hufpfleger und Huftechniker, ihrer Schulen und Schüler wird insofern eine zeitlich und inhaltlich begrenzte Beschränkung der Wirksamkeit des Gesetzes vorgenommen. ![]() | |
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