![]() ![]() | |
des Zweiten Senats vom 7. Juli 2010
| |
-- 2 BvL 1/03, 57, 58/06 -- | |
in den Verfahren zur verfassungsrechtlichen Prüfung, 1. ob § 39b Abs. 3 Satz 9, § 34 Abs. 1 in Verbindung mit § 52 Abs. 1 Satz 2, § 52 Abs. 47 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl. I S. 402) mit dem Grundgesetz vereinbar sind, soweit (Entlassungs-)Entschädigungen, die nach Beschlussfassung des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom 29. Oktober 1997 (BGBl. I S. 2590) und vor Zuleitung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 an den Bundesrat (20. November 1998) vereinbart und nach dem 31. Dezember 1998 ausgezahlt wurden, mit einer höheren Einkommensteuer belegt werden als nach dem im Zeitpunkt der Vereinbarung der Entschädigung geltenden Einkommensteuerrecht; bejahendenfalls, ob dies auch gilt, soweit nach diesen Vorschriften Entschädigungen erfasst werden, die im Zeitpunkt der Verkündung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 bereits dem Steuerpflichtigen zugeflossen waren, -- Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs vom 6. November 2002 -- XI R 42/01 -- 2 BvL 1/03 --, 2. ob die zu § 34 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl. I S. 402) ergangene Anwendungsregelung des § 52 Abs. 47 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 mit Art. 20 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes insoweit vereinbar ist, als Entschädigungen im Sinne des § 34 Abs. 2 Nr. 2 in Verbindung mit § 24 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes, die vor dem Beschluss des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 durch den Deutschen Bundestag am 4. März 1999 vereinbart und ausgezahlt worden sind, mit einer höheren Steuer belegt werden, als es das im Zeitpunkt der Auszahlung geltende Gesetz vorgesehen hat, -- Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs vom 2. August 2006 -- XI R 30/03 -- 2 BvL 57/06 --, 3. ob die zu § 34 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl. I S. 402) ergangene Anwendungsregelung des § 52 Abs. 47 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 mit Art. 20 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes insoweit vereinbar ist, als Entschädigungen im Sinne des § 34 Abs. 2 Nr. 2 in Verbindung mit § 24 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes, die vor der Verkündung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 am 31. März 1999 vereinbart und ausgezahlt worden sind, mit einer höheren Steuer belegt werden, als es das im Zeitpunkt der Auszahlung geltende Gesetz vorgesehen hat, -- Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs vom 2. August 2006 -- XI R 34/02 -- 2 BvL 58/06 --. ![]() | |
§ 34 Absatz 1 in Verbindung mit § 52 Absatz 47 und § 39b Absatz 3 Satz 9 in Verbindung mit § 52 Absatz 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (Bundesgesetzblatt I Seite 402) verstoßen gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes und sind nichtig, soweit danach für Entschädigungen im Sinne des § 24 Nummer 1 Buchstabe a des Einkommensteuergesetzes die sogenannte Fünftel-Regelung anstelle des zuvor geltenden halben durchschnittlichen Steuersatzes auch dann zur Anwendung kommt, wenn diese im Jahr 1998, aber noch vor der Einbringung der Neuregelung in den Deutschen Bundestag am 9. November 1998 verbindlich vereinbart und im Jahr 1999 ausgezahlt wurden, oder -- unabhängig vom Zeitpunkt der Vereinbarung -- noch vor der Verkündung der Neuregelung am 31. März 1999 ausgezahlt wurden.
| |
Gründe: | |
A. | |
Die zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Normenkontrollverfahren betreffen die Frage, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar ist, dass auf Entschädigungen, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt worden sind (§ 24 Nr. 1 Buchstabe a Einkommensteuergesetz -- EStG --), nicht mehr die Tarifermäßigung des zuvor geltenden halben durchschnittlichen Steuersatzes, sondern die sogenannte Fünftel-Regelung nach § 34 Abs. 1 in Verbindung mit § 52 Abs. 47 EStG und § 39b Abs. 3 Satz 9 in Verbindung mit § 52 Abs. 1 Satz 2 EStG in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl. I S. 402) Anwendung findet, soweit diese nach dem 31. Dezember 1998 zugeflossen sind.
| |
I.
| |
1. Die jährliche Erhebung der Einkommensteuer und der progressive Verlauf des Einkommensteuertarifs können zu einer Progressionsverzerrung führen, wenn Einkünfte zusammengeballt in ![]() ![]() | |
Bis zum Ende des Jahres 1998 wurden die außerordentlichen Einkünfte im Sinne des § 34 EStG durch Anwendung des halben durchschnittlichen Steuersatzes tarifbegünstigt. Mit dem Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 wurde diese Vergünstigung durch einen anderen Entlastungsmechanismus, die sogenannte Fünftel-Regelung ersetzt. Diese bewirkt, dass außerordentliche Einkünfte mit einem Steuersatz besteuert werden, der hinsichtlich des progressiven Tarifverlaufs angewendet worden wäre, wenn die außerordentlichen Einkünfte anteilig jeweils zu einem Fünftel in fünf Veranlagungszeiträumen zugeflossen wären. In den Streitfällen der Ausgangsverfahren hat die Anwendung der Fünftel-Regelung anstatt des halben durchschnittlichen Steuersatzes zu einer steuerlichen Mehrbelastung von rund 5.000 DM (2 BvL 1/03), 20.000 DM (2 BvL 57/06) und 62.000 DM (2 BvL 58/06) geführt.
| |
2. a) Die Steuerermäßigung für außerordentliche Einkünfte geht zurück auf §§ 22-25 des Einkommensteuergesetzes vom 29. März 1920 (RGBl S. 359). Insbesondere für Einnahmen, die eine Entlohnung für eine mehrjährige Tätigkeit darstellen, sah § 23 EStG 1920 eine rechnerische Verteilung auf fünf Jahre vor. § 58 des Einkommensteuergesetzes vom 10. August 1925 (RGBl ![]() ![]() | |
b) Im Jahr 1988 beabsichtigte die Bundesregierung mit dem Entwurf eines Steuerreformgesetzes 1990, die Vergünstigung durch § 34 EStG nach abgestuften Teilbeträgen der außerordentlichen Einkünfte einzuschränken. Der halbe durchschnittliche Steuersatz sollte nur noch für (Teil-)Beträge bis zu zwei Millionen DM gelten. Die Ermäßigung sollte sich, soweit die außerordentlichen Einkünfte diesen Betrag überschritten, auf zwei Drittel des durchschnittlichen Steuersatzes beschränken und, soweit ein Betrag von fünf Millionen DM überschritten war, ganz entfallen (vgl. BRDrucks 100/88, S. 28). Hintergrund war die Erkenntnis, dass durch Anwendung des halben durchschnittlichen Steuersatzes unangemessen hohe Ermäßigungen in den Fällen eintreten, in denen auch auf das regelmäßige Einkommen der Spitzensteuersatz anzusetzen war (vgl. BRDrucks 100/88, S. 284). Speziell für Vergütungen für mehrjährige Tätigkeit, die zuvor nach § 34 Abs. 3 EStG im Wege von "Schattenveranlagungen" bis auf höchstens drei Jahre verteilt werden konnten, sollte zur Vereinfachung eine "Drittel-Regelung" gelten (vgl. BRDrucks 100/88, S. 29, 284). Zwar wurden diese Änderungsvorschläge durch das Steuerreformgesetz 1990 vom 25. Juli 1988 zunächst umgesetzt (vgl. BGBl. I S. 1093 [1102]), aber bereits durch das Gesetz zur Änderung des Steuerreformgesetzes 1990 vom 30. Juni 1989 und damit vor Beginn des zeitlichen Anwendungsbereichs wieder geändert (vgl. ![]() ![]() | |
c) Zur Bereinigung des nach wie vor deutlich überschießenden Begünstigungseffekts wurde -- im Anschluss an die von einer Regierungskommission vorgelegten "Petersberger Steuervorschläge" (vgl. NJW 1997, Beilage zu Heft 13, S. 5 ff.) -- im Entwurf des Steuerreformgesetzes 1999, der in den Deutschen Bundestag am 22. April 1997 eingebracht wurde, eine dem jetzt geltenden Gesetz entsprechende Fünftel-Regelung vorgeschlagen (§ 61 EStGE; vgl. BTDrucks 13/7480, S. 50, 201). Der Entwurf wurde aber nicht umgesetzt. Vielmehr wurde mit dem Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom 29. Oktober 1997 (BGBl. I S. 2590) eine zeitlich gestaffelte Regelung eingeführt: Für Einkünfte, die ab dem 1. August 1997 erzielt wurden, wurde die Höchstgrenze, für die der halbe durchschnittliche Steuersatz anwendbar blieb, auf 15 Millionen DM herabgesetzt (§ 34 Abs. 1, § 39b Abs. 3 Satz 10 EStG). Nach § 52 Abs. 24a Nr. 1 EStG sollte dies auch für die Jahre 1998 bis 2000 gelten. Für das Jahr 2001 und die folgenden Veranlagungszeiträume sollte der Höchstbetrag unter Beibehaltung des halben durchschnittlichen Steuersatzes auf 10 Millionen DM abgesenkt werden (§ 52 Abs. 24a Nr. 2 bzw. § 52 Abs. 28b Satz 3 EStG).
| |
d) In der für den Veranlagungszeitraum 1998 maßgeblichen Fassung lauten die einschlägigen Vorschriften des Einkommensteuergesetzes:
| |
§ 34
| |
Außerordentliche Einkünfte
| |
(1) Sind in dem zu versteuernden Einkommen außerordentliche Einkünfte enthalten, so ist die darauf entfallende Einkommensteuer nach einem ermäßigten Steuersatz zu bemessen. Dieser beträgt für den Teil der außerordentlichen Einkünfte, der vor dem 1. August 1997 erzielt wurde und den Betrag von 30 Millionen Deutsche Mark nicht übersteigt, und für den Teil der außerordentlichen Einkünfte, der nach dem 31. Juli 1997 erzielt ![]() ![]() | |
(2) Als außerordentliche Einkünfte im Sinne des Absatzes 1 kommen nur in Betracht
| |
1. Veräußerungsgewinne im Sinne der §§ 14, 14a Abs. 1, §§ 16, 17 und 18 Abs. 3;
| |
2. Entschädigungen im Sinne des § 24 Nr. 1;
| |
3. Nutzungsvergütungen und Zinsen im Sinne des § 24 Nr. 3, soweit sie für einen Zeitraum von mehr als drei Jahren nachgezahlt werden.
| |
(3) Die Einkommensteuer auf Einkünfte, die die Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit sind, beträgt das Dreifache des Unterschiedsbetrags zwischen der Einkommensteuer für das um diese Einkünfte verminderte zu versteuernde Einkommen (verbleibendes zu versteuerndes Einkommen) und der Einkommensteuer für das verbleibende zu versteuernde Einkommen zuzüglich eines Drittels dieser Einkünfte.
| |
§ 39b
| |
Durchführung des Lohnsteuerabzugs für unbeschränkt einkommensteuerpflichtige Arbeitnehmer
| |
(...) ![]() | |
(...)
| |
3. Nach dem Regierungswechsel im Jahr 1998 kam es mit dem Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 zur Ersetzung des halben durchschnittlichen Steuersatzes durch die sogenannte Fünftel-Regelung nach § 34 Abs. 1 EStG.
| |
a) In der Begründung des zugrundeliegenden Gesetzentwurfs der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 9. November 1998 heißt es, die unterschiedslose Behandlung von laufenden und außerordentlichen Einkünften könne zu Härten führen. § 34 EStG habe nach bislang geltendem Recht mit dem halben Durchschnittssteuersatz Abhilfe geschaffen, begünstige jedoch Steuerpflichtige, die aufgrund ihres Einkommens regelmäßig der Spitzenbelastung unterlägen, weit über das bezweckte Ziel hinaus. Auch die unterschiedliche Belastung außerordentlicher Einkünfte und der Einkünfte aus mehrjähriger Tätigkeit sei zu kompliziert (vgl. BTDrucks 14/23, S. 183; wortgleicher Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 20. November 1998, BRDrucks 910/98).
| |
b) Mit Beschluss vom 13. November 1998 überwies der Bundestag den Gesetzentwurf an den Finanzausschuss, der am 2. März 1999 seine Beschlussempfehlung fasste (vgl. BTDrucks 14/442). Im dazugehörigen Bericht wird die Herabsetzung der Beteiligungsgrenze als Teil eines Katalogs von Maßnahmen zur Gegenfinanzierung der im Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vorgesehenen Steuererleichterungen aufgeführt (vgl. BTDrucks 14/443, S. 2 ff., 4, rechte Spalte, 12. Spiegelstrich). Der Bundestag fasste in der Sitzung am 4. März 1999 in namentlicher Abstimmung den endgültigen Gesetzesbeschluss (vgl. BT-Plenarprotokoll 14/25, S. 1956 ff.). Der Bundesrat stimmte in seiner Sitzung am 19. März 1999 zu (vgl. BRDrucks 129/99). Nach Ausfertigung durch den Bundespräsidenten am 24. März 1999 wurde das Steuerent ![]() ![]() | |
c) In der für das Streitjahr 1999 maßgeblichen Fassung lauten die einschlägigen Vorschriften des Einkommensteuergesetzes:
| |
§ 24
| |
Zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 1 gehören auch
| |
1. Entschädigungen, die gewährt worden sind
| |
a) als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen oder
| |
b) für die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit, für die Aufgabe einer Gewinnbeteiligung oder einer Anwartschaft auf eine solche;
| |
c) (...)
| |
(...)
| |
§ 34
| |
Außerordentliche Einkünfte
| |
(1) Sind in dem zu versteuernden Einkommen außerordentliche Einkünfte enthalten, so ist auf unwiderruflichen Antrag die auf alle im Veranlagungszeitraum bezogenen außerordentlichen Einkünfte entfallende Einkommensteuer nach den Sätzen 2 bis 4 zu berechnen. Die für die außerordentlichen Einkünfte anzusetzende Einkommensteuer beträgt das Fünffache des Unterschiedsbetrags zwischen der Einkommensteuer für das um diese Einkünfte verminderte zu versteuernde Einkommen (verbleibendes zu versteuerndes Einkommen) und der Einkommensteuer für das verbleibende zu versteuernde Einkommen zuzüglich eines Fünftels dieser Einkünfte. Ist das verbleibende zu versteuernde Einkommen negativ und das zu versteuernde Einkommen positiv, so beträgt die Einkommensteuer das Fünffache der auf ein Fünftel des zu versteuernden Einkommens entfallenden Einkommensteuer. Die Sätze 1 bis 3 gelten nicht für außerordentliche Einkünfte im Sinne des Absatzes 2 Nr. 1, wenn der Steuerpflichtige auf diese Einkünfte ganz oder teilweise § 6b oder § 6c anwendet.
| |
(2) Als außerordentliche Einkünfte kommen nur in Betracht
| |
1. Veräußerungsgewinne im Sinne der §§ 14, 14a Abs. 1, der §§ 16, 17 und 18 Abs. 3;
| |
2. Entschädigungen im Sinne des § 24 Nr. 1;
| |
3. Nutzungsvergütungen und Zinsen im Sinne des § 24 Nr. 3, soweit sie für einen Zeitraum von mehr als drei Jahren nachgezahlt werden;
| |
4. Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten;
| |
5. Einkünfte aus außerordentlichen Holznutzungen im Sinne des § 34b Abs. 1 Nr. 1. ![]() | |
Durchführung des Lohnsteuerabzugs für unbeschränkt einkommensteuerpflichtige Arbeitnehmer
| |
(...)
| |
(3) Für die Einbehaltung der Lohnsteuer von einem sonstigen Bezug hat der Arbeitgeber den voraussichtlichen Jahresarbeitslohn ohne den sonstigen Bezug festzustellen. (...) Außerdem ist die Jahreslohnsteuer für den maßgebenden Jahresarbeitslohn unter Einbeziehung des sonstigen Bezugs zu ermitteln. (...) Der Unterschiedsbetrag zwischen den ermittelten Jahreslohnsteuerbeträgen ist die Lohnsteuer, die von dem sonstigen Bezug einzubehalten ist. (...) Die Lohnsteuer ist bei einem sonstigen Bezug im Sinne des § 34 Abs. 1 und 2 Nr. 2 und 4 in der Weise zu ermäßigen, dass der sonstige Bezug bei der Anwendung des Satzes 5 mit einem Fünftel anzusetzen und der Unterschiedsbetrag im Sinne des Satzes 7 zu verfünffachen ist.
| |
(...)
| |
§ 52
| |
Anwendungsvorschriften
| |
(1) Diese Fassung des Gesetzes ist, soweit in den folgenden Absätzen nichts anderes bestimmt ist, erstmals für den Veranlagungszeitraum 1999 anzuwenden. Beim Steuerabzug vom Arbeitslohn gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass diese Fassung erstmals auf den laufenden Arbeitslohn anzuwenden ist, der für einen nach dem 31. Dezember 1998 endenden Lohnzahlungszeitraum gezahlt wird, und auf sonstige Bezüge, die nach dem 31. Dezember 1998 zufließen.
| |
(...)
| |
(47) § 34 in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. April 1997 (BGBl. I S. 821) ist letztmals für den Veranlagungszeitraum 1998 anzuwenden. § 34 in der Fassung des Gesetzes vom 24. März 1999 (BGBl. I S. 402) ist erstmals für den Veranlagungszeitraum 1999 anzuwenden. In den Fällen, in denen nach dem 31. Dezember 1998 mit zulässiger steuerlicher Rückwirkung eine Vermögensübertragung nach dem Umwandlungssteuergesetz erfolgt oder ein Veräußerungsgewinn nach § 34 Abs. 2 Nr. 1 erzielt wird, gelten die außerordentlichen Einkünfte als nach dem 31. Dezember 1998 erzielt.
| |
(...)
| |
II.
| |
1. a) Der Kläger des Ausgangsverfahrens zu 2 BvL 1/03 war Arbeitnehmer. Sein Arbeitsverhältnis wurde auf Veranlassung des Arbeitgebers durch Aufhebungsvereinbarung vom 24. Juli ![]() ![]() | |
b) Der Kläger des Ausgangsverfahrens zu 2 BvL 57/06 vereinbarte am 21. Oktober 1996 die Aufhebung seines Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 1998. Als Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes erhielt er eine Abfindung in Höhe von 231.500 DM, die vereinbarungsgemäß im Januar 1999 ausgezahlt wurde. Das Finanzamt setzte mit Bescheid vom 19. April 2000 die Einkommensteuer für das Jahr 1999 in Höhe von 58.349 DM fest und legte dabei die Fünftel-Regelung des § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 zugrunde. Das bewirkte gegenüber der Anwendung des früheren Rechts eine Mehrbelastung in Höhe von 19.654 DM. Nach erfolgloser ![]() ![]() | |
c) Der Kläger des Ausgangsverfahrens zu 2 BvL 58/06 vereinbarte am 22. November 1998 mit seinem Arbeitgeber die Aufhebung seines Arbeitsverhältnisses zum 30. Juni 1999. Er sollte als Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung erhalten, die mit der Gehaltsabrechnung für den Monat März 1999 fällig sein sollte. Ausweislich der Abrechnung des Arbeitgebers vom 22. März 1999 zahlte dieser als Entschädigung einen Betrag in Höhe von 36.000 DM steuerfrei aus und unterwarf einen Betrag von brutto 209.211 DM der Lohnsteuer mit dem halben durchschnittlichen Steuersatz. Das Finanzamt setzte mit Bescheid vom 13. März 2001 die Einkommensteuer für das Jahr 1999 unter Anwendung der Fünftel-Regelung gemäß § 34 Abs. 1 EStG in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 fest. Das bewirkte im Vergleich zur Anwendung des halben durchschnittlichen Steuersatzes eine Mehrbelastung von 61.912 DM. Nachdem Einspruch und Klage erfolglos geblieben waren, führte die Revision zum Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs vom 2. August 2006 -- XI R 34/02 -- (BStBl II S. 887 ff. = BFHE 214, 386).
| |
2. Der vorlegende XI. Senat des Bundesfinanzhofs sieht in den Streitfällen der Ausgangsverfahren den verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz durch die Anwendung der Fünftel-Regelung des § 34 Abs. 1 EStG (i.V.m. § 39b EStG) in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 verletzt.
| |
a) Im Verfahren 2 BvL 1/03 geht der XI. Senat des Bundesfinanzhofs von einer "unechten" Rückwirkung aus, soweit die vorgelegten Normen Entschädigungen erfassen, die nach dem Bundestagsbeschluss des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform am 5. August 1997 (vgl. BT-Plenarprotokoll 13/186, S. 16860 [D]) und vor Zuleitung des Gesetzentwurfs zum Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 an den Bundesrat am 20. November 1998 vereinbart und im Veranlagungszeitraum 1999 ausbezahlt worden sind. Der Abschluss einer (Entlassungs-) ![]() ![]() | |
b) In den Verfahren 2 BvL 57/06 und 2 BvL 58/06 sieht der XI. Senat des Bundesfinanzhofs in der auf den 1. Januar 1999 angeordneten Anwendung des § 34 Abs. 1 EStG in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 eine verfassungswidrige echte Rückwirkung in allen Fällen, in denen Entschädigungen vor der Verkündung des Gesetzes am 31. März 1999 vereinbart und ausgezahlt worden sind. Jedenfalls, so der XI. Senat im Verfahren 2 BvL 57/06, gelte dies, wenn, wie im Ausgangsverfahren, die Auszahlung vor dem Gesetzesbeschluss des Bundestages am 4. März 1999 erfolgt sei. Richtigerweise sei allerdings auf den Verkündungszeitpunkt abzustellen, wie das Gericht im Verfahren 2 BvL 58/06, in dem diese Frage erst entscheidungserheblich wurde, näher ausführt. Wie der XI. Senat in kritischer Auseinandersetzung mit der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung näher begründet, könne für Begriff und Würdigung einer Rückwirkung als ![]() ![]() | |
III.
| |
Zu den Vorlagen hat das Bundesministerium der Finanzen für die Bundesregierung Stellung genommen. Zur Vorlage im Verfahren 2 BvL 1/03 haben der IV., IX. und X. Senat des Bundesfinanzhofs, und zu den Vorlagen in den Verfahren 2 BvL 57/06 und 2 BvL 58/06 hat der VI. Senat des Bundesfinanzhofs Stellung genommen.
| |
1. Die Bundesregierung hält die Vorlagen für nicht begründet. Es gehe um eine zulässige unechte Rückwirkung, die durch die Ziele der Neuregelung, die Beseitigung des Missstands übermäßiger, über den Zweck der Progressionsglättung hinausgehender Begünstigung hoher Einkommen und die Gegenfinanzierung von Steuerentlastungen, gerechtfertigt sei. Mit Blick darauf, dass die Steuerentlastungen ab dem 1. Januar 1999 gelten sollten, sei auch die Erstreckung der Gegenfinanzierungsmaßnahmen auf das ganze Kalenderjahr 1999 folgerichtig und sachlich begründet. Das dringliche Ziel der Beseitigung übermäßiger steuerlicher Begünstigung hoher Einkommen werde nicht dadurch in Frage gestellt, dass durch das Steuersenkungsergänzungsgesetz vom 19. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1812) der halbe Steuersatz als wahlweise Alternative zur Fünftel-Regelung für Betriebsveräußerungen und -aufgaben von Steuerpflichtigen ab dem 55. Lebensjahr wieder eingeführt worden sei. Diese Regelung beruhe auf einer politischen Verständigung mit dem Bundesrat, der -- davon sei auszu ![]() ![]() | |
Von Besonderheiten bei Verschonungssubventionen wie in dem vom Bundesverfassungsgericht gewürdigten Fall der Schiffbausubventionen (BVerfGE 97, 67) abgesehen sei es grundsätzlich gerechtfertigt, für laufende und zukünftige Veranlagungszeiträume einen geringeren Vertrauensschutz zu gewähren, um den Gesetzgeber nicht durch zivilrechtliche Vereinbarungen übermäßig zu binden. Zudem sei zum Zeitpunkt des Zuflusses des Geldes ab Januar 1999 der Gesetzentwurf bereits infolge der Einbringung in den Bundestag am 9. November 1998 veröffentlicht und der Fachwelt wie auch allgemein durch Berichte in der Tagespresse weithin bekannt gewesen. Selbst bei Annahme einer echten Rückwirkung sei die Anwendung der Neuregelung ab dem Jahr 1999 daher gerechtfertigt.
| |
2. Der IX. Senat des Bundesfinanzhofs teilt im Ergebnis die Rechtsauffassung des vorlegenden XI. Senats und weist auf das Ausgangsverfahren hin, das zu seinem Aussetzungs- und Vorlagebeschluss vom 16. Dezember 2003 -- IX R 46/02 -- (BStBl II 2004, S. 284 ff. = BFHE 204, 228) betreffend die rückwirkende Verlängerung der Veräußerungsfrist für Grundstücke in § 23 EStG geführt hat. Der VI. Senat des Bundesfinanzhofs hält § 34 EStG in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 ebenfalls für verfassungswidrig, und zwar soweit die Neuregelung Entschädigungen erfasst, die vor der Verkündung des Gesetzes vereinbart und ausgezahlt worden sind. In der Begründung stimmt er im Wesentlichen mit dem vorlegenden Senat überein.
| |
Der X. Senat des Bundesfinanzhofs weist auf seine Beschlüsse vom 9. Dezember 2002 -- X B 28/02 -- (BFH/NV 2003, S. 471 ff.) und vom 21. Januar 2003 -- X B 106/02 -- (BFH/NV 2003, S. 618 ff.) hin, in denen er von der Gültigkeit des § 34 EStG n.F. ausgegangen sei. Der IV. Senat des Bundesfinanzhofs verweist auf seinen Beschluss vom 7. März 2003 -- IV B 163/02 -- (BFH/NV 2003, S. 777 f.), in dem er -- zur Besteuerung eines Veräußerungsgewinns im Jahr 2000 -- im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes die Verfassungsmäßigkeit der vorgelegten Norm für den Regelfall bejaht habe. ![]() | |
Die zulässigen Vorlagen sind dahin auszulegen, dass allein die Erfassung von Entschädigungen im Sinne von § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG in Verbindung mit § 24 Nr. 1 Buchstabe a EStG, die nach dem 31. Dezember 1998 ausgezahlt worden sind, Gegenstand der Anfragen des Bundesfinanzhofs ist. Zwar beziehen sich die Vorlagebeschlüsse auf alle in § 24 Nr. 1 EStG genannten Entschädigungsformen. In den zugrundeliegenden Ausgangsverfahren ging es jedoch jeweils ausschließlich um Entschädigungen, die -- im Sinne des Buchstabens a dieser Vorschrift -- "als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen" gewährt wurden. Daher ist allein § 24 Nr. 1 Buchstabe a EStG entscheidungserheblicher und damit zulässiger Gegenstand der Vorlagen. Eine darüber hinausgehende Erstreckung der Vorlagen auf Entschädigungen im Sinne der Buchstaben b und c ist nicht angezeigt.
| |
Es besteht kein untrennbarer Regelungszusammenhang mit dem Buchstaben a, da es sich um eigenständige Entschädigungsformen mit jeweils besonderen Voraussetzungen handelt (vgl. Geserich, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 24 Rn. A 5, B 17 m.w.N. [April 2006]).
| |
§ 34 Abs. 1 in Verbindung mit § 52 Abs. 47 EStG in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 ist verfassungswidrig, soweit die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang verletzt sind.
| |
I.
| |
Wie der Senat in seinem Beschluss vom 7. Juli 2010 -- 2 BvL 14/02, 2/04 und 13/05 -- (unter C. II. 1.)1 näher ausgeführt hat, ist an der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zum grundrechtlich und rechtstaatlich begründeten Rückwirkungsverbot und zu den Grundsätzen des Vertrauensschutzes festzuhalten. ![]() | |
![]() | |
Soweit belastende Rechtsfolgen einer Norm erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden ("tatbestandliche Rückanknüpfung"), liegt eine "unechte" Rückwirkung vor (vgl. BVerfGE 63, 343 [356]; 72, 200 [242]; 97, 67 [79]; 105, 17 [37 f.]). Eine solche unechte Rückwirkung ist nicht grundsätzlich unzulässig, denn die Gewährung vollständigen Schutzes zugunsten des Fortbestehens der bisherigen Rechtslage würde den dem Gemeinwohl verpflichteten Gesetzgeber in wichtigen Bereichen lähmen und den Konflikt zwischen der Verlässlichkeit der Rechtsordnung und der Notwendigkeit ihrer Änderung im Hinblick auf einen Wandel der Lebensverhältnisse in nicht mehr vertretbarer Weise zu Lasten der Anpassungsfähigkeit der Rechtsordnung lösen (vgl. BVerfGE 63, 343 [357]; 105, 17 [40]; 114, 258 [301]). Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz geht insbesondere nicht so weit, den Staatsbürger vor jeder Enttäuschung zu bewahren (vgl. BVerfGE 63, 312 [331]; 67, 1 [15]; 71, 255 [272]; 76, 256 [349 f.]). Soweit nicht besondere Momente der Schutzwürdigkeit hinzutreten, genießt die bloß allgemeine Erwartung, das geltende Recht werde zukünftig unverändert fortbestehen, keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz (vgl. BVerfGE 38, 61 [83]; 68, 193 [222]; 105, 17 [40]; 109, 133 [180 f.]; 125, 104 [135]). ![]() | |
![]() | |
2. Die maßgebliche Rechtsfolge steuerrechtlicher Normen ist das Entstehen der Steuerschuld. Im Sachbereich des Steuerrechts liegt eine echte Rückwirkung (Rückbewirkung von Rechtsfolgen) daher nur vor, wenn der Gesetzgeber eine bereits entstandene Steuerschuld nachträglich abändert. Für den Bereich des Einkommensteuerrechts bedeutet dies, dass die Änderung von Normen mit Wirkung für den laufenden Veranlagungszeitraum der Kategorie der unechten Rückwirkung zuzuordnen ist; denn nach § 38 AO in Verbindung mit § 36 Abs. 1 EStG entsteht die Einkommensteuer erst mit dem Ablauf des Veranlagungszeitraums, das heißt nach § 25 Abs. 1 EStG des Kalenderjahres (vgl. BVerfGE 72, 200 [252 f.]; 97, 67 [80]; vgl. auch bereits BVerfGE 13, 261 [263 f., 272]; 13, 274 [277 f.]; 19, 187 [195]; 30, 272 [285]). Auch dann aber, wenn der Gesetzgeber das Einkommensteuerrecht während des laufenden Veranlagungszeitraums umgestaltet und die Rechtsänderungen auf dessen Beginn bezieht, bedürfen die belastenden Wirkungen einer Enttäuschung schutzwürdigen Vertrauens stets einer hinreichenden Begründung nach den Maßstäben der Verhältnismäßigkeit. Hier muss der Normadressat eine Enttäuschung ![]() ![]() | |
II.
| |
Die Neuregelung der Besteuerung von Entschädigungen im Sinne von § 24 Nr. 1 EStG durch § 34 Abs. 1 in Verbindung mit § 52 Abs. 47 EStG in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 wurde am 31. März 1999 verkündet und war erstmals für den Veranlagungszeitraum 1999 anzuwenden. Dies führte zu einer unechten Rückwirkung (tatbestandlichen Rückanknüpfung) in allen Fällen, in denen die Entschädigung vor der Verkündung vereinbart worden und nicht bereits bis Ende des Jahres 1998 zugeflossen war (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG). Darin liegt ein Verstoß gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes, soweit die Vereinbarung innerhalb des Jahres 1998, aber noch vor der Einbringung des Gesetzentwurfs in den Bundestag am 9. November 1998 verbindlich getroffen wurde (1.). Im Übrigen ist die Einbeziehung bereits bestehender Entschädigungsvereinbarungen in die Neuregelung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, es sei denn, die Entschädigung wurde vor der Verkündung des neuen Rechts ausgezahlt (2.).
| |
1. Soweit die Entschädigungsvereinbarung im Jahr 1998, und zwar noch vor der Einbringung des Gesetzentwurfs in den Bundestag am 9. November 1998, verbindlich getroffen wurde, war die damit verbundene Erwartung, auf die Entschädigung werde nur der halbe durchschnittliche Steuersatz nach § 34 Abs. 1 EStG a.F. zur Anwendung kommen, uneingeschränkt schutzwürdig (a). Die vom Gesetzgeber für den Übergang auf die Fünftel-Regelung nach § 34 Abs. 1 EStG n.F. angegebenen Gründe rechtfertigen eine Enttäuschung dieser Erwartung nicht (b).
| |
a) Das beim Abschluss der Entschädigungsvereinbarung betä ![]() ![]() | |
aa) Weniger schutzbedürftig sind vor diesem Hintergrund solche Entschädigungsvereinbarungen, die nach dem 9. November 1998, dem Tag der Einbringung des Gesetzentwurfs im Bundestag, abgeschlossen wurden. Hier konnten sich die an der Entschädigungsvereinbarung Beteiligten in gewissem Umfang auf eine Änderung der Rechtslage im Jahr 1999 einstellen. Mit der Einbringung eines Gesetzentwurfs im Bundestag durch ein initiativberechtigtes Organ werden geplante Gesetzesänderungen öffentlich. Ab diesem Zeitpunkt sind mögliche zukünftige Gesetzesänderungen in konkreten Umrissen allgemein vorhersehbar. Deshalb können Steuerpflichtige regelmäßig nicht mehr darauf vertrauen, das gegenwärtig geltende Recht werde auch im Folgejahr unverändert fortbestehen; es ist ihnen vielmehr grundsätzlich möglich, ihre wirtschaftlichen Dispositionen durch entsprechende Anpassungsklauseln auf mögliche zukünftige Änderungen einzustellen. Dem kann nicht entgegengehalten werden, die Beschaffung von Informationen über laufende Gesetzgebungsverfahren sei den Steuerpflichtigen nicht zumutbar. Die Schwierigkeiten, Informationen über bereits im Bundestag in Gang gesetzte Gesetzgebungsverfahren zu erlangen, übersteigen die für den durchschnittlichen Steuerpflichtigen bestehenden Probleme verlässlicher Orientierung über das geltende Einkommensteuerrecht nicht in erheblichem Ausmaß. Gerade im Zusammenhang mit speziellen Vertragsabschlüssen von einigem wirtschaftlichen Gewicht, zu denen Abfindungsvereinbarungen zählen, ist es zudem gebräuchlich, zweckmäßig und regelmäßig auch zumutbar, professionelle Beratung über deren steuerliche Folgen in Anspruch zu nehmen. ![]() | |
![]() | |
(1) Daher sind weniger schutzwürdig verbindliche Vereinbarungen einer bestimmten Entschädigung, soweit der Beendigungs- und Zahlungszeitpunkt über einen längeren Zeitraum als über das Folgejahr hinaus verschoben wurde, wenn also die Entschädigungsvereinbarung bereits im Jahr 1997 oder eher getroffen wurde, die Auszahlung aber erst für das Jahr 1999 vorgesehen war, wie dies im Verfahren 2 BvL 57/06 der Fall ist. Zwar mag es für die Vereinbarung solcher längerfristigen Zeiträume für die Beteiligten gute Gründe geben. Indes liegt es dann ferner, auf den Fortbestand des geltenden Steuerrechts zu vertrauen, und näher, mit vertraglichen Klauseln auch die Verteilung des Risikos künftiger Steuerverschärfungen zu regeln. Das gilt entgegen den Ausführungen des Bundesfinanzhofs im Verfahren 2 BvL 1/03 grundsätzlich auch dann, wenn -- wie mit den zeitlichen Staffelungen im Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom 29. Oktober 1997 (vgl. oben A. I. 2. c]) -- im geltenden Recht ausdrücklich bestimmte zukünftige Geltungszeiträume bestimmt sind, denn auch insoweit bleibt die Möglichkeit zukünftiger Gesetzesänderung in Betracht zu ziehen. ![]() | |
![]() ![]() ![]() | |
(3) Der danach vorzunehmenden Unterscheidung nach dem Jahr, in dem die Entschädigungsvereinbarung abgeschlossen wurde, kann nicht entgegengehalten werden, dass die Zeitspanne, die zwischen Vereinbarung und Auszahlung liegt, auch vom innerhalb des Jahres 1999 vorgesehenen Auszahlungszeitpunkt abhängt und daher nicht in jedem Fall bei einer im Jahr 1997 geschlossenen Vereinbarung länger ist als bei einem aus dem Jahr 1998 datierenden Vertrag. Entscheidend für die verminderte Schutzwürdigkeit einer bereits im Jahr 1997 (oder eher) getroffenen Vereinbarung ist weniger der absolut längere Zeitraum bis zur Auszahlung im Jahr 1999 als vielmehr der Umstand, dass zwischen Vereinbarung und Auszahlung zwei Veranlagungszeitraumwechsel liegen. Typischerweise ändert der Gesetzgeber das Einkommensteuerrecht nämlich -- dem Periodizitätsprinzip entsprechend -- veranlagungszeitraumbezogen. Über mehr als einen Veranlagungszeitraumwechsel kann daher weniger vertraut werden, auch wenn der absolute Zeitraum im einzelnen Fall kürzer ist als in Fällen, in denen nur ein Veranlagungszeitraumwechsel zwischen Vereinbarung und Auszahlung liegt.
| |
b) Soweit die Schutzwürdigkeit des vom Steuerpflichtigen betätigten Vertrauens nicht etwa deshalb gemindert war, weil er die Entschädigungsvereinbarung bereits vor dem Jahr 1998 oder erst nach Einbringung der Neuregelung in den Bundestag am 9. November 1998 abgeschlossen hatte, wird dieses durch den Übergang auf die Fünftel-Regelung nach § 34 Abs. 1 EStG n.F. in unzumutbarer Weise beeinträchtigt.
| |
aa) Der Übergang auf die Fünftel-Regelung führt verglichen mit der Anwendung des zuvor geltenden halben durchschnittlichen Steuersatzes zu einer Verschlechterung von erheblichem Gewicht, denn dadurch konnte sich der für den Empfänger der Entschädigungsleistung maßgebliche Nettobetrag nach Steuern erheblich verringern, wie die Streitfälle in den Ausgangsverfahren veranschaulichen. Zu einer entsprechenden Anpassung zugunsten der Empfänger -- in vielen Fällen, wie auch in den Ausgangsverfahren, ![]() ![]() | |
bb) Die vom Gesetzgeber für den Übergang auf die Fünftel-Regelung angeführten Gründe rechtfertigen es nicht, dies als zumutbar zu bewerten.
| |
(1) Gegenüber den erheblichen Entwertungen, die die vertraglich begründeten Rechtspositionen der Steuerpflichtigen durch die höhere, bei Vertragsschluss nicht vorhersehbare, Steuerbelastung erfahren haben, hat das Interesse an einer Gegenfinanzierung anderweitiger Steuerentlastung (vgl. BTDrucks 14/443, S. 2 ff., 4, rechte Spalte, 12. Spiegelstrich) kein hinreichendes Gewicht. Wie der Senat im Beschluss vom 7. Juli 2010 -- 2 BvL 14/02, 2/04 und 13/05 -- (unter C. II. 2. b] cc] [2])1 festgestellt hat, geht dieser Zweck über den eines allgemeinen Finanzbedarfs nicht hinaus. Die bloße Absicht, staatliche Mehreinkünfte zu erzielen, ist aber für sich genommen grundsätzlich noch kein den Vertrauensschutz betroffener Steuerpflichtiger überwindendes Interesse. Ob insoweit für allgemeine maßvolle Tariferhöhungen anderes gilt (vgl. BVerfGE 13, 274 [278]; 18, 135 [144]), kann offen bleiben, denn bei § 34 EStG geht es nicht um eine allgemeine, alle Steuerpflichtigen nach Maßgabe der Höhe ihres zu versteuernden Jahreseinkommens gleichmäßig treffende Zusatzbelastung, sondern um einen Sondertarif nur für bestimmte, "außerordentliche" Bezüge, dessen Umgestaltung durch den Übergang vom hälftigen durchschnittlichen Steuersatz zur Fünftel-Regelung für die speziell betroffenen Steuerpflichtigen von erheblichem finanziellen Gewicht ist. Ebenso können die möglichen Folgen unerwarteter Mindereinnahmen oder eines sonstigen außerordentlichen Finanzbedarfs ![]() ![]() | |
(2) Auch das Ziel, zweckwidrig überschießende Vergünstigungseffekte der alten Fassung des § 34 EStG bei Beziehern hoher Einkommen abzubauen (vgl. BTDrucks 14/23, S. 183), vermag im Ergebnis die Versagung von Vertrauensschutz für die hier betroffene Fallgruppe nicht zu rechtfertigen, da es jedenfalls an der Dringlichkeit der Realisierung dieses Ziels fehlte. Obwohl, wie der vorlegende XI. Senat des Bundesfinanzhofs ausführlich dargelegt hat, die zweckwidrige Begünstigung der Bezieher hoher Einkünfte allgemein bekannt war, hat der Gesetzgeber dies im Wesentlichen hingenommen und sogar bestätigt (vgl. auch oben A. I. 2. b] und c]). Zwar sah das Steuerreformgesetz 1990 vom 25. Juli 1988 substantielle Einschränkungen vor, denn danach sollte der halbe durchschnittliche Steuersatz nur noch für außerordentliche Einkünfte bis zu zwei Millionen DM gelten und darüber hinaus -- allerdings nur bis zu einem Betrag von fünf Millionen DM -- eine der jetzigen Fünftel-Regelung entsprechende Zwei-Drittel-Regelung gelten (vgl. BGBl. I S. 1093 [1102]). Diese Änderungen wurden durch das Gesetz zur Änderung des Steuerreformgesetzes 1990 vom 30. Juni 1989 aber schon, bevor sie das erste Mal wirksam wurden, wieder zurückgenommen und lediglich die Anwendung des halben durchschnittlichen Steuersatzes auf einen Höchstbetrag von 30 Millionen DM begrenzt (vgl. BGBl. I S. 1267 [1268]). Auch die mit dem Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom 29. Oktober 1997 (BGBl. I S. 2590) eingeführten Höchstbeträge von 15 Millionen DM ab dem 1. August 1997 und von 10 Millionen DM ab dem Jahr 2001 stellten noch einen deutlichen Begünstigungseffekt für Steuerpflichtige mit hohem Einkommen sicher.
| |
Auch vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, welche anderen Ziele als die der Einnahmenvermehrung den Gesetzgeber gehindert haben könnten, auf die schutzwürdigen Dispositionen der Steuerpflichtigen in ähnlich sachgerechter Weise Rücksicht zu nehmen wie bei der späteren Streichung des § 3 Nr. 9 EStG. Danach waren Abfindungen wegen einer vom Arbeitgeber veranlass ![]() ![]() | |
11.000 Euro, steuerfrei. Durch das Gesetz zum Einstieg in ein steuerliches Sofortprogramm vom 22. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3682) wurde diese Vergünstigung abgeschafft. Nach der Übergangsregelung des § 52 Abs. 4a EStG ist sie aber weiter anzuwenden für vor dem 1. Januar 2006 entstandene Ansprüche der Arbeitnehmer auf Abfindungen oder für Abfindungen wegen einer vor dem 1. Januar 2006 getroffenen Gerichtsentscheidung oder einer am 31. Dezember 2005 anhängigen Klage, soweit die Abfindungen dem Arbeitnehmer vor dem 1. Januar 2008 zufließen.
| |
(3) Die mangelnde Rechtfertigung und damit die Verfassungswidrigkeit des gesetzlichen Zugriffs auf Entschädigungen, die vor der Einbringung der Neuregelung in den Bundestag im Jahr 1998 verbindlich vereinbart worden sind, betrifft unabhängig vom Zeitpunkt der Verkündung des Gesetzes am 31. März 1999 alle Zahlungen innerhalb des Jahres 1999. Die Unzumutbarkeit des rückwirkenden Zugriffs ergibt sich schon aus der mit dem Abschluss der Vereinbarung getroffenen Vertrauensdisposition. Auf die im Zeitpunkt des Zuflusses bestehende Vertrauenslage kommt es dann nicht mehr an, denn das verfassungsrechtlich geschützte Vertrauen ist einheitlich mit der verbindlichen Disposition zum Zeitpunkt der Entschädigungsvereinbarung betätigt worden, so dass Verlauf und Abschluss des nachfolgenden Gesetzgebungsverfahrens -- unbeschadet der Möglichkeit einer Vertrauensverstärkung oder -begründung bei Zufluss der Entschädigung vor dessen Abschluss -- die Schutzwürdigkeit des Vertrauens nicht mindern können.
| |
2. Im Übrigen ist die Einbeziehung bereits bestehender Entschädigungsvereinbarungen in die Neuregelung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (a), es sei denn, die Entschädigung wurde bereits vor der Verkündung noch unter Geltung des alten Rechts ausgezahlt (b).
| |
a) Soweit die Fünftel-Regelung auf Entschädigungsvereinbarungen zur Anwendung kommt, die schon vor dem Jahr 1998 oder ![]() ![]() | |
b) Anderes gilt, soweit die Entschädigung dem Steuerpflichtigen noch vor dem Inkrafttreten der Neuregelung mit ihrer Verkündung im Bundesgesetzblatt am 31. März 1999 zugeflossen ist.
| |
aa) In dieser Konstellation handelt es sich um Einkommen, das noch unter der Geltung des alten Rechts erzielt wurde. Deshalb hatten Arbeitgeber auch zunächst die Lohnsteuer nach Maßgabe des alten Rechts gemäß § 39b Abs. 3 EStG einzubehalten und abzuführen. Obwohl dieser Zeitpunkt der Einnahmenerzielung bei vereinbarungsgemäßer Erfüllung des Entschädigungsanspruchs durch die vorangegangene Entschädigungsvereinbarung bestimmt und deshalb vom Empfänger regelmäßig nicht mehr beeinflussbar ist, sondern nur noch die Annahme des Berechtigten voraussetzt, können die Steuerpflichtigen sich unabhängig von der Schutzwürdigkeit ihrer Dispositionen zum Zeitpunkt der Entschädigungsvereinbarung auf die Gewährleistungsfunktionen des zum Zeitpunkt des Mittelzuflusses geltenden Rechts berufen. Sie dürfen bei ihren Entscheidungen über Sparen, Konsum oder Investition der erzielten Einnahmen darauf vertrauen, dass der Steuergesetzgeber nicht ohne sachlichen Grund von hinreichendem Gewicht die Rechtslage zu einem späteren Zeitpunkt rückwirkend zu ihren Lasten verändert und dadurch den Nettoertrag der erhaltenen ![]() ![]() | |
bb) Der hier vorzunehmenden Unterscheidung zwischen dem Zeitpunkt der Einbringung der Neuregelung als maßgeblich für den Vertrauensschutz bei Abschluss der Entschädigungsvereinbarung einerseits (vgl. oben C. II. 1. a] aa]) und dem Zeitpunkt der Verkündung des neuen Gesetzes als maßgeblich für den Vertrauensschutz beim Zufluss der Entschädigung andererseits (vgl. oben C. II. 2. b] aa]) steht nicht entgegen, dass das Bundesverfassungsgericht namentlich in Fällen der echten Rückwirkung den Zeitpunkt des endgültigen Gesetzesbeschlusses (des Bundestages) wiederholt für ausschlaggebend erklärt hat. Nach dieser Rechtsprechung müssen die Betroffenen ab dem Gesetzesbeschluss mit der Verkündung und dem Inkrafttreten der Neuregelung rechnen, weshalb es ihnen von diesem Zeitpunkt an zuzumuten ist, ihr Verhalten auf die beschlossene Gesetzeslage einzurichten. Der Gesetzgeber kann deshalb berechtigt sein, den zeitlichen Anwendungsbereich einer Norm im Sinne einer echten Rückwirkung auch auf den Zeitpunkt von dem Gesetzesbeschluss bis zur Verkündung zu erstrecken (vgl. BVerfGE 13, 261 [273]; 30, 272 [286 f.]; 72, 200 [260 ff.]; 95, 64 [86 f.]; 97, 67 [79]). Diese Zuordnung hat das Bundesverfassungsgericht als den "verhältnismäßig besten Ausgleich" zwischen den denkbaren Positionen -- Abstellen auf die Einbringung des Gesetzentwurfs einerseits und die Verkündung der Neuregelung andererseits -- bezeichnet (vgl. BVerfGE 72, 200 [261 f.]). ![]() | |
![]() | |
(teilweise) entwertet. Insofern greift er auf einen Sachverhalt zu, der nach Maßgabe alten Rechts einen gesteigerten Grad an Abgeschlossenheit erreicht hat, wie insbesondere in den Fällen plastisch wird, in denen die Lohnsteuer nach Maßgabe alten Rechts vor der Auszahlung der Entschädigung bereits einbehalten war.
| |
cc) Besondere Gründe, die die nachträgliche Belastung einer vor der Verkündung der Neuregelung bereits zugeflossenen Entschädigung rechtfertigen könnten, bestehen nicht. Auch insoweit eignen sich die allgemeinen Ziele der Umgestaltung des Steuerrechts und der Erhöhung des Steueraufkommens (zum Zwecke der Gegenfinanzierung) zur Rechtfertigung nicht. Der Rückbezug der Neuregelung auf Entschädigungen, die im Zeitpunkt der Verkündung bereits zugeflossen sind, dient auch nicht dem -- grundsätzlich berechtigten -- Interesse, "Ankündigungs- und Mitnahmeeffekte" zur vermeiden. Zwar kann das Ziel, einen unerwünschten "Wettlauf" zwischen Steuerpflichtigen und Gesetzgeber zu korrigieren, die Vorverlegung des Anwendungsbereichs einer steuer ![]() ![]() | |
D. | |
Diese Entscheidung ist hinsichtlich der Begründung mit 6:2 Stimmen ergangen.
| |
Voßkuhle Broß Osterloh Di Fabio Mellinghoff Lübbe-Wolff Gerhardt Landau ![]() |