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2. Ein landesweites gesetzliches Verbot religiöser Bekundungen (hier: nach § 57 Abs. 4 SchulG NW) durch das äußere Erscheinungsbild schon wegen der bloß abstrakten Eignung zur Begründung einer Gefahr für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität in einer öffentlichen bekenntnisoffenen Gemeinschaftsschule ist unverhältnismäßig, wenn dieses Verhalten nachvollziehbar auf ein als verpflichtend verstandenes religiöses Gebot zurückzuführen ist. Ein angemessener Ausgleich der verfassungsrechtlich verankerten Positionen -- der Glaubensfreiheit der Lehrkräfte, der negativen Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Schülerinnen und Schüler sowie der Eltern, des Elterngrundrechts und des staatlichen Erziehungsauftrags -- erfordert eine einschränkende Auslegung der Verbotsnorm, nach der zumindest eine hinreichend konkrete Gefahr für die Schutzgüter vorliegen muss. ![]() | |
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4. Werden äußere religiöse Bekundungen durch Pädagoginnen und Pädagogen in der öffentlichen bekenntnisoffenen Gemeinschaftsschule zum Zweck der Wahrung des Schulfriedens und der staatlichen Neutralität gesetzlich untersagt, so muss dies für alle Glaubens- und Weltanschauungsrichtungen grundsätzlich unterschiedslos geschehen.
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Beschluss | |
des Ersten Senats vom 27. Januar 2015
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-- 1 BvR 471, 1181/10 -- | |
in den Verfahren über die Verfassungsbeschwerden I. der Frau A... -- Bevollmächtigter: Prof. Dr. Christian Walter, Prof.-Huber-Platz 2, 80539 München -- 1. unmittelbar gegen a) das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 20. August 2009 -- 2 AZR 499/08 --, b) das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 10. April 2008 -- 5 Sa 1836/07 --, c) das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 29. Juni 2007 -- 12 Ca 175/07 --, 2. mittelbar gegen § 57 Abs. 4, § 58 Satz 2, 1. Fall des Schulgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 15. Februar 2005 (GV.NW S. 102) in der Fassung des Ersten Gesetzes zur Änderung des Schulgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 13. Juni 2006 (GV.NW S. 270) -- 1 BvR 471/10 --, II. der Frau A...; -- Bevollmächtigte: Wieland Rechtsanwälte GbR, Rheinweg 23, 53113 Bonn -- 1. unmittelbar gegen a) das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 10. Dezember 2009 -- 2 AZR 55/09 --, b) das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 16. Oktober 2008 -- 11 Sa 572/08 --, c) das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 16. Oktober 2008 -- 11 Sa 280/08 --, d) das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 21. Februar 2008 -- 6 Ca 649/07 --, e) das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 7. März 2007 -- 4 Ca 3415/06 --, 2. mittelbar gegen § 57 Abs. 4 des Schulgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 15. Februar 2005 (GV.NW S. 102) in der Fassung des Ersten Gesetzes zur Änderung des Schulgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 13. Juni 2006 (GV.NW S. 270) -- 1 BvR 1181/10 --. ![]() | |
1. § 57 Absatz 4 Satz 3 des Schulgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 15. Februar 2005 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen Seite 102) in der Fassung des Ersten Gesetzes zur Änderung des Schulgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 13. Juni 2006 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen Seite 270) ist mit Artikel 3 Absatz 3 Satz 1 und mit Artikel 33 Absatz 3 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig.
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2. § 57 Absatz 4 Sätze 1 und 2 sowie § 58 Satz 2 des vorbezeichneten Gesetzes sind, soweit sie religiöse Bekundungen durch das äußere Erscheinungsbild betreffen, nach Maßgabe der Gründe mit dem Grundgesetz vereinbar.
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3. Die Beschwerdeführerin zu I.) wird durch das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 20. August 2009 -- 2 AZR 499/08 --, das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 10. April 2008 -- 5 Sa 1836/07 -- und das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 29. Juni 2007 -- 12 Ca 175/07 -- in ihrem Grundrecht aus Artikel 4 Absatz 1 und 2 des Grundgesetzes verletzt. Die Urteile des Bundesarbeitsgerichts und des Landesarbeitsgerichts werden aufgehoben. Die Sache wird an das Landesarbeitsgericht Düsseldorf zurückverwiesen.
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4. Die Beschwerdeführerin zu II.) wird durch das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 10. Dezember 2009 -- 2 AZR 55/09 --, die Urteile des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 16. Oktober 2008 -- 11 Sa 572/08 -- und -- 11 Sa 280/08 -- sowie die Urteile des Arbeitsgerichts Herne vom 21. Februar 2008 -- 6 Ca 649/07 -- und vom 7. März 2007 -- 4 Ca 3415/06 -- in ihrem Grundrecht aus Artikel 4 Absatz 1 und 2 des Grundgesetzes verletzt. Die Urteile des Bundesarbeitsgerichts und des Landesarbeitsgerichts werden aufgehoben. Die Sache wird an das Landesarbeitsgericht Hamm zurückverwiesen.
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5. Das Land Nordrhein-Westfalen hat den Beschwerdeführerinnen jeweils drei Viertel, die Bundesrepublik Deutschland jeweils ein Viertel ihrer notwendigen Auslagen zu erstatten. ![]() | |
A. | |
Die Verfassungsbeschwerden betreffen gerichtliche Entscheidungen über arbeitsrechtliche Sanktionen (Abmahnung und Kündigung), die der Arbeitgeber der Beschwerdeführerinnen, das Land Nordrhein-Westfalen, gegen sie ausgesprochen hat, weil sie sich als Angestellte an öffentlichen Schulen weigerten, im Dienst das sogenannte islamische Kopftuch beziehungsweise eine als Ersatz hierfür getragene Wollmütze abzulegen. Beide Beschwerdeführerinnen sind Musliminnen. Die Beschwerdeführerin zu I.) ist als angestellte Sozialpädagogin, die Beschwerdeführerin zu II.) war als angestellte Lehrerin beschäftigt. Die Verfassungsbeschwerden stellen zugleich mittelbar die in Nordrhein-Westfalen nach der Entscheidung des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 24. September 2003 (BVerfGE 108, 282) erlassene gesetzliche Regelung über die Zulässigkeit und die Grenzen religiöser Bekundungen durch im Schulwesen beschäftigte Personen zur verfassungsrechtlichen Prüfung. Diese ist Grundlage der in den fachgerichtlichen Ausgangsverfahren überprüften arbeitsrechtlichen Maßnahmen.
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I.
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Die in Rede stehende Vorschrift des § 57 Abs. 4 des Schulgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (SchulG NW) vom 15. Februar 2005 (GV.NW S. 102) in der Fassung des Ersten Gesetzes zur Änderung des Schulgesetzes vom 13. Juni 2006 (GV.NW S. 270) lautet:
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(4) 1 Lehrerinnen und Lehrer dürfen in der Schule keine politischen, religiösen, weltanschaulichen oder ähnliche äußere Bekundungen abgeben, die geeignet sind, die Neutralität des Landes gegenüber Schülerinnen und Schülern sowie Eltern oder den politischen, religiösen oder weltanschaulichen Schulfrieden zu gefährden oder zu stören. 2 Insbesondere ist ein äußeres Verhalten unzulässig, welches bei Schülerinnen und Schülern oder den Eltern den Eindruck hervorrufen kann, dass eine Lehrerin oder ein Lehrer gegen die Menschenwürde, die Gleichberechtigung nach Artikel 3 des Grundgesetzes, die Freiheitsgrundrechte oder die freiheitlich-demokratische Grundordnung ![]() ![]() 3 Die Wahrnehmung des Erziehungsauftrags nach Artikel 7 und 12 Abs. 6 der Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen und die entsprechende Darstellung christlicher und abendländischer Bildungs- und Kulturwerte oder Traditionen widerspricht nicht dem Verhaltensgebot nach Satz 1. 4 Das Neutralitätsgebot des Satzes 1 gilt nicht im Religionsunterricht und in den Bekenntnis- und Weltanschauungsschulen. | |
Infolge einer am 29. Oktober 2011 in Kraft getretenen Verfassungsänderung findet sich der bisherige Text des Art. 12 Abs. 6 Verf NW, auf den sich § 57 Abs. 4 Satz 3 SchulG NW bezieht, jetzt in Art. 12 Abs. 3 Verf NW (vgl. Art. 1 Nr. 4 Buchst. e) des Gesetzes zur Änderung der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen vom 25. Oktober 2011, GV.NW S. 499).
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In Absatz 6 des § 57 SchulG NW ist überdies bestimmt:
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(6) 1 Die Einstellung einer Lehrerin oder eines Lehrers setzt als persönliches Eignungsmerkmal voraus, dass sie oder er die Gewähr für die Einhaltung der Bestimmungen des Absatzes 4 in der gesamten voraussichtlichen Dienstzeit bietet. 2 Entsprechendes gilt für die Versetzung einer Lehrerin oder eines Lehrers eines anderen Dienstherrn in den nordrhein-westfälischen Schuldienst. 3 Für Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter können von der Einstellungsbehörde auf Antrag Ausnahmen vorgesehen werden, soweit die Ausübung ihrer Grundrechte es zwingend erfordert und zwingende öffentliche Interessen an der Wahrung der staatlichen Neutralität und des Schulfriedens nicht entgegenstehen. | |
![]() (1) Ehrfurcht vor Gott, Achtung vor der Würde des Menschen und Bereitschaft zum sozialen Handeln zu wecken, ist vornehmstes Ziel der Erziehung. (2) Die Jugend soll erzogen werden im Geiste der Menschlichkeit, der Demokratie und der Freiheit, zur Duldsamkeit und zur Achtung vor der Überzeugung des anderen, zur Verantwortung für Tiere und die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen, in Liebe zu Volk und Heimat, zur Völkergemeinschaft und Friedensgesinnung. Artikel 12 (...) (3) 1In Gemeinschaftsschulen werden Kinder auf der Grundlage christlicher Bildungs- und Kulturwerte in Offenheit für die christlichen Bekenntnisse und für andere religiöse und weltanschauliche Überzeugungen gemeinsam unterrichtet und erzogen. 2In Bekenntnisschulen werden Kinder des katholischen oder des evangelischen Glaubens oder einer anderen Religionsgemeinschaft nach den Grundsätzen des betreffenden Bekenntnisses unterrichtet und erzogen. 3In Weltanschauungsschulen, zu denen auch die bekenntnisfreien Schulen gehören, werden die Kinder nach den Grundsätzen der betreffenden Weltanschauung unterrichtet und erzogen. (...). | |
a) Die im Jahr 1971 in Deutschland geborene Beschwerdeführerin ist türkischer Abstammung und muslimischen Glaubens; sie gehört weder einer Moscheegemeinde noch sonst einer islamischen Gemeinschaft an. Anders als ihre drei Schwestern trägt sie seit ihrem 17. Lebensjahr aus religiösen Gründen in der Öffentlichkeit ein Kopftuch. Seit März 1999 besitzt sie die deutsche Staatsangehörigkeit. Nach einem abgeschlossenen Studium der Sozialpädagogik ist sie seit dem 7. Oktober 1997 beim Land Nordrhein-Westfalen angestellt und an einer Gesamtschule in D. beschäftigt. Sie wird dort bei der Schlichtung von Schulkonflikten -- insbesondere durch Beratung ausländischer Schüler und ihrer Eltern -- eingesetzt und kommt mit Schulangehörigen unterschiedlicher Nationalität und Religionszugehörigkeit in Kontakt. ![]() | |
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Die Schulbehörde erteilte der Beschwerdeführerin eine Abmahnung und drohte ihr für den Fall unveränderten Verhaltens die Kündigung des Arbeitsverhältnisses an. Das religiös motivierte Tragen einer kopftuchähnlichen Kopfbedeckung in der Schule entfalte Signalwirkung und mache religiöse Zusammenhänge für außenstehende Beobachter sichtbar. So könne der Schulfrieden gefährdet werden. Zudem stelle es ein äußeres Verhalten dar, das bei Schülern und Eltern den Eindruck hervorrufen könne, dass die Beschwerdeführerin gegen die Menschenwürde, die Gleichberechtigung von Mann und Frau nach Art. 3 GG, die Freiheitsgrundrechte oder die freiheitlich-demokratische Grundordnung auftrete. Die Beschwerdeführerin verstoße daher gegen § 57 Abs. 4 SchulG NW.
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b) Die Beschwerdeführerin erhob vor dem Arbeitsgericht Klage, mit der sie die Entfernung der Abmahnung aus ihrer Personalakte verlangte.
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aa) Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus:
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Die Einschätzung des Landes, die Beschwerdeführerin habe durch das Tragen der Mütze gegen das Neutralitätsgebot des § 57 Abs. 4 Satz 1 SchulG NW verstoßen und damit zugleich ihre vertraglichen Pflichten verletzt, sei zutreffend. Ob darin auch ein Verhalten zu sehen sei, das bei Schülern oder Eltern den Eindruck ![]() ![]() | |
Auch § 57 Abs. 4 Satz 3 SchulG NW verletze keine Grundrechte. Eine unzulässige Bevorzugung christlicher Konfessionen sei mit der darin enthaltenen Klarstellung nicht verbunden. Der Begriff des "Christlichen" bezeichne in dieser Vorschrift eine von Glaubensinhalten losgelöste, aus der Tradition der christlich-abendländischen Kultur hervorgegangene Wertewelt, die erkennbar auch dem Grundgesetz zugrunde liege und unabhängig von ihrer religiösen Fundierung Geltung beanspruche. Nonnenhabit und Kippa würden vom Verbot religiöser Bekundungen in § 57 Abs. 4 Satz 1 SchulG NW ebenfalls erfasst. Insoweit sei kein Vollzugsdefizit zu verzeichnen, da das Land keine mit der Beschwer ![]() ![]() | |
bb) Die hiergegen eingelegte Berufung der Beschwerdeführerin blieb vor dem Landesarbeitsgericht erfolglos. Dieses schloss sich im Wesentlichen der Auffassung des Arbeitsgerichts an und vertiefte dessen rechtliche Ausführungen.
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cc) Das Bundesarbeitsgericht wies die Revision der Beschwerdeführerin zurück und führte unter anderem aus: Die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus der Personalakte könne in entsprechender Anwendung der §§ 242, 1004 BGB unter anderem dann verlangt werden, wenn die Abmahnung unrichtige Tatsachenbehauptungen enthalte. Das sei hier nicht der Fall, da die Beschwerdeführerin gegen das Bekundungsverbot des § 57 Abs. 4 Satz 1 SchulG NW verstoßen habe. Diese Bestimmung verletze kein höherrangiges Recht.
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(1) Eine religiöse Bekundung im Sinne von § 57 Abs. 4 Satz 1 SchulG NW sei im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Hinweis auf BVerwGE 121, 140) die bewusste, an die Außenwelt gerichtete Kundgabe einer religiösen Überzeugung. Zur Bestimmung des Erklärungswerts einer Kundgabe sei auf diejenige Deutungsmöglichkeit abzustellen, die für eine nicht unerhebliche Zahl von Betrachtern naheliege. Insbesondere komme es auf die Deutung durch Schüler und Eltern aus der Sicht eines objektiven Betrachters an. Dabei seien alle in Betracht kommenden Deutungsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
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Der religiöse Symbolcharakter getragener Kleidung müsse sich nicht aus dem Kleidungsstück als solchem ergeben. Eine religiöse Bekundung könne auch darin liegen, dass dem Kleidungsstück für den Träger offensichtlich eine besondere Bedeutung zukomme, etwa weil es erkennbar aus dem Rahmen der in der Schule üblichen Bekleidung falle und ausnahmslos zu jeder Zeit getragen werde. Ein solch weitgehendes Verständnis entspreche dem Zweck des Bekundungsverbots. Dieses solle weltanschaulich-religiöse Konflikte an öffentlichen Schulen schon im Ansatz verhindern und die Neutralität des Landes auch nach außen wahren. Das verbiete eine Differenzierung zwischen Kleidungsstücken, ![]() ![]() | |
(2) Danach liege im Tragen der Wollmütze eine religiöse Bekundung. Die Beschwerdeführerin trage zwar eine handelsübliche Mütze. Gleichwohl erwecke diese unter den gegebenen Umständen bei Dritten, insbesondere bei Schülern und Eltern, den Eindruck, es handele sich um ein religiöses Symbol, mit dem sich die Beschwerdeführerin zum Islam bekenne. Der religiöse Bedeutungsgehalt ergebe sich daraus, dass die Mütze Haare, Haaransatz und Ohren komplett bedecke und ein stets zugleich getragener gleichfarbiger Rollkragenpullover auch den Hals umschließe. Hinzu komme, dass die Beschwerdeführerin das von ihr bisher aus religiösen Gründen getragene Kopftuch nahtlos durch die Mütze ersetzt habe. Sie sei nicht ein einziges Mal ohne diese Kopfbedeckung in der Schule erschienen und trage die Mütze auch bei großer Hitze und unabhängig von den Jahres- und Tageszeiten. Für einen objektiven Betrachter werde damit die Nähe zu einem islamischen Kopftuch offenbar.
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(3) Das Verhalten der Klägerin sei geeignet, die Neutralität des Landes gegenüber Schülern und Eltern und den religiösen Schulfrieden zu gefährden. Das Verbot in § 57 Abs. 4 Satz 1 SchulG NW erfasse nicht erst Bekundungen, die die Neutralität des Landes oder den religiösen Schulfrieden konkret gefährdeten oder gar störten. Das Verbot solle schon einer abstrakten Gefahr vorbeugen, um konkrete Gefährdungen gar nicht erst aufkommen zu lassen. Im Gesetzeswortlaut komme dies darin zum Ausdruck, dass religiöse Bekundungen bereits dann verboten seien, wenn sie "geeignet" seien, die genannten Schutzgüter zu gefährden. Der Landesgesetzgeber habe ersichtlich darauf Bedacht nehmen wollen, dass die Schule ein Ort sei, an dem unterschiedliche politische und religiöse Auffassungen unausweichlich aufeinanderträfen, deren friedliches Nebeneinander der Staat jedoch zu garantieren habe. Die religiöse Vielfalt in der Gesellschaft habe zu einem vermehrten Potenzial von Konflikten auch in der Schule geführt. In dieser Lage sei der religiöse Schulfrieden schon durch ![]() ![]() | |
(4) Die Regelung des § 57 Abs. 4 SchulG NW verstoße nicht gegen höherrangiges Recht.
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(a) Das Bekundungsverbot des § 57 Abs. 4 Satz 1 SchulG NW sei nicht verfassungswidrig. Die Regelung liege im Rahmen der Gestaltungsfreiheit des Landesgesetzgebers. Dieser habe die positive Glaubensfreiheit und die Berufsausübungsfreiheit der pädagogischen Mitarbeiter hinter die staatliche Pflicht zur weltanschaulichen Neutralität, das Erziehungsrecht der Eltern und die negative Glaubensfreiheit der Schüler zurücktreten lassen dürfen, um die Neutralität der Schule und den Schulfrieden zu sichern. Die Vermeidung weltanschaulich-religiöser Konflikte in öffentlichen Schulen stelle ein gewichtiges Gemeingut dar. Zu diesem Zweck seien gesetzliche Einschränkungen der Glaubensfreiheit rechtlich zulässig. Es sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn die landesgesetzliche Regelung religiöse Bekundungen von Lehrern in öffentlichen Schulen ohne Rücksicht auf die Umstände des Einzelfalls untersage. Der Gesetzgeber dürfe Gefährdungen des Schulfriedens dadurch vorbeugen, dass er Lehrern bereits das Tragen religiös bedeutsamer Kleidungsstücke oder Symbole verbiete; er müsse konfliktvermeidende Regelungen nicht an die konkrete Gefahr einer drohenden Auseinandersetzung knüpfen.
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Das Neutralitätsgebot des § 57 Abs. 4 Satz 1 SchulG NW verstoße nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Es behandele die verschiedenen Religionen nicht unterschiedlich. Die gesetzliche Regelung erfasse jede Art religiöser Bekundung unabhängig von deren Inhalt. Christliche Glaubensbekundungen würden nicht bevorzugt. Dies gelte auch mit Blick auf § 57 Abs. 4 Satz 3 SchulG NW. Nach dieser Bestimmung widerspreche die Wahrnehmung des Erziehungsauftrags nach Art. 7 und Art. 12 Abs. 6 (heute: Art. 12 Abs. 3) der Landesverfassung Nordrhein-Westfalens und die entsprechende Darstellung christlicher ![]() ![]() | |
Die Regelung des § 57 Abs. 4 Satz 1 SchulG NW behandele die Beschwerdeführerin auch nicht wegen ihres Geschlechts ungleich. Die Vorschrift verbiete religiöse Bekundungen unabhängig vom Geschlecht. Sie richte sich nicht etwa speziell gegen das von Frauen getragene islamische Kopftuch oder entsprechende Kopfbedeckungen.
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(b) Das Neutralitätsgebot des § 57 Abs. 4 Satz 1 SchulG NW verstoße nicht gegen Art. 9 EMRK. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe entschieden, dass ein Verbot, während des Unterrichts an öffentlichen Schulen religiöse Symbole zu tragen, eine nach Art. 9 Abs. 2 EMRK notwendige Einschränkung der nach Absatz 1 der Bestimmung gewährleisteten Religionsfreiheit eines Lehrers sei; dieses werde wegen der möglichen Beeinträchtigung der Grundrechte der Schüler und Eltern ausgespro ![]() ![]() | |
(c) § 57 Abs. 4 Satz 1 SchulG NW verletze als landesrechtliche Vorschrift nicht das bundesgesetzliche Diskriminierungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG. Zwar könne das Bekundungsverbot zu einer unmittelbaren Benachteiligung der Lehrkraft aus Gründen der Religion im Sinne von § 7 Abs. 1, §§ 1, 3 Abs. 1 AGG führen. Eine unterschiedliche Behandlung aus religiösen Gründen zur Erfüllung einer wesentlichen beruflichen Anforderung sei nach § 8 Abs. 1 AGG aber zulässig, wenn der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen sei. Dies sei hier der Fall.
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a) Die im Jahr 1977 geborene Beschwerdeführerin trat 2001 als angestellte Lehrerin in ein zunächst befristetes Arbeitsverhältnis mit dem Land Nordrhein-Westfalen ein, das später in ein unbefristetes umgewandelt wurde. Sie ist ebenfalls Muslimin türkischer Abstammung und besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit. Sie erteilte an mehreren Schulen im Bereich des Schulamts R. muttersprachlichen Unterricht in türkischer Sprache. Am Unterricht nahmen ausschließlich muslimische Schüler teil, die diesen Unterricht freiwillig gewählt hatten. Bei ihrer Bewerbung hatte die Beschwerdeführerin ein Lichtbild eingereicht, das sie mit ![]() ![]() | |
Im August 2006 wurde die Beschwerdeführerin von ihrem Schulleiter davon in Kenntnis gesetzt, dass das Tragen eines Kopftuchs nach islamischem Religionsbrauch mit den neuen gesetzlichen Bestimmungen nicht mehr vereinbar sei. Sie führte daraufhin in einer schriftlichen Stellungnahme aus, sie trage das Kopftuch seit ihrem zwölften Lebensjahr, und zwar aufgrund eigenen Wunsches und aus religiöser Überzeugung.
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Nach einer erneuten Anhörung der Beschwerdeführerin sprach das Land Nordrhein-Westfalen im November 2006 schriftlich eine Abmahnung aus. Darin hielt es der Beschwerdeführerin das Tragen des Kopftuchs als Pflichtenverstoß vor und kündigte arbeitsrechtliche Maßnahmen bis hin zur Kündigung an, falls sie nicht künftig dauerhaft ohne Kopftuch in der Schule erscheinen sollte. Das Tragen des islamischen Kopftuchs könne den Schulfrieden gefährden und den Eindruck hervorrufen, dass die Beschwerdeführerin gegen die Menschenwürde, die Gleichberechtigung von Mann und Frau nach Art. 3 GG, die Freiheitsgrundrechte oder die freiheitlich-demokratische Grundordnung auftrete.
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Die Beschwerdeführerin kam der Aufforderung nicht nach. Nach Zustimmung des Personalrats erklärte das Land Nordrhein-Westfalen daraufhin im Februar 2007 die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. Juni 2007.
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b) Die Beschwerdeführerin ging gerichtlich zunächst gegen die Abmahnung und später gegen die Kündigung vor. Das Arbeitsgericht wies beide Klagen ab. Die hiergegen eingelegten Berufungen blieben vor dem Landesarbeitsgericht erfolglos. Die Gerichte führten übereinstimmend aus, das Tragen eines Kopftuchs im Unterricht verstoße als religiöse Bekundung jedenfalls gegen § 57 Abs. 4 Satz 1 SchulG NW, gegen dessen Verfassungsmäßigkeit keine Bedenken bestünden. Auch unter Einbeziehung des § 57 Abs. 4 Satz 3 SchulG NW seien weder das Gleichheitsgebot noch die Religionsfreiheit verletzt.
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c) Die Beschwerdeführerin legte gegen beide Entscheidungen ![]() ![]() | |
Eine solche Pflichtverletzung liege in dem Verstoß der Beschwerdeführerin gegen das Neutralitätsgebot des § 57 Abs. 4 Satz 1 SchulG NW. Dieses habe sie durch die bewusste Wahl einer religiös bestimmten Kleidung verletzt. Es bestehe auch nach ihren eigenen Bekundungen kein Zweifel, dass sie das Kopftuch trage, weil sie einem von ihr als maßgeblich empfundenen religiösen Brauch folgen wolle. In diesem Sinne fasse auch der unbefangene Beobachter das Tragen des Kopftuchs auf.
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Das Verhalten der Beschwerdeführerin sei nach Maßgabe der bisherigen -- in dem Verfahren 1 BvR 471/10 angegriffenen -- Rechtsprechung geeignet, die Neutralität des Landes gegenüber Schülern und Eltern sowie den religiösen Schulfrieden abstrakt zu gefährden. Dass die Beschwerdeführerin ausschließlich muslimische Schüler unterrichte und diese freiwillig am muttersprachlichen Unterricht teilnähmen, führe zu keiner anderen Bewertung. Vielmehr gewinne die religiöse Neutralität gerade dort Bedeutung, wo ihre Verletzung als religiöse Parteinahme gewertet werden könne. Das sei bei einem von den Anhängern eines Glaubens nicht einhellig befolgten religiös bestimmten Brauch wie dem Tragen eines Kopftuchs in besonderem Maße der Fall, weil der Eindruck entstehen könne, durch die Duldung des Brauchs werde er gewissermaßen offiziell als verbindlich oder vorbildlich anerkannt. Eben diese Parteinahme solle durch das Gesetz vermieden werden. ![]() | |
Die Beschwerdeführerin habe auch unter dem von ihr geltend gemachten Gesichtspunkt eines Vollzugsdefizits keinen Anspruch darauf, während des Unterrichts ein Kopftuch zu tragen. Weder ergebe sich aus der von ihr bemängelten Verwaltungspraxis ein Anhaltspunkt dafür, dass im Gesetz bereits eine Ungleichbehandlung angelegt sei, noch sei diese Verwaltungspraxis zu beanstanden. Der Umstand, dass an der Westfälischen Schule für Blinde und Sehbehinderte in Paderborn eine Schwester in Ordenstracht unterrichte, reiche nicht aus, um auf eine einseitig gegen islamische Bekundungen gerichtete, christliche Bekundungen verschonende Verwaltungspraxis des beklagten Landes zu schließen. Vielmehr handele es sich insoweit um eine historisch bedingte Sondersituation. Dass bei dem beklagten Land noch weitere Lehrer beschäftigt würden, die im Unterricht religiösen Kleidungsbräuchen folgten, sei nicht ersichtlich.
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Ohne Erfolg mache die Beschwerdeführerin Vertrauensschutz für sich geltend. Es liege weder eine echte noch eine unechte Rückwirkung vor. Die Vorschrift des § 57 Abs. 4 SchulG NW knüpfe nicht an religiöse Bekundungen vor ihrem Inkrafttreten am 1. August 2006 an. Dass die Beschwerdeführerin Dispositionen in der Erwartung getroffen habe, die Rechtslage werde sich nicht ändern, führe nicht zu einer ihr günstigeren Bewertung. Die bloße Annahme, rechtlich werde alles bleiben, wie es ist, genieße keinen rechtlichen Schutz.
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Die Beschwerdeführerin sei trotz der berechtigten Abmahnung nicht bereit gewesen, bei der Arbeit das Kopftuch abzulegen. Mit einer Änderung ihres Verhaltens sei nicht zu rechnen. Die nach § 1 Abs. 2 KSchG erforderliche umfassende Interessenabwägung führe nicht zur Sozialwidrigkeit der Kündigung. Das Landesarbeitsgericht habe diese Interessenabwägung zutreffend vorgenommen. Es habe zugunsten der Beschwerdeführerin die Dauer ![]() ![]() | |
III.
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Die Beschwerdeführerinnen wenden sich mit ihren Verfassungsbeschwerden gegen die sie betreffenden arbeitsgerichtlichen Entscheidungen und mittelbar gegen die zugrunde liegende landesschulgesetzliche Regelung.
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Die Beschwerdeführerin zu I.) rügt eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 und 3 sowie von Art. 33 Abs. 2 und 3 GG, auch in Verbindung mit Art. 9 und Art. 14 EMRK, durch die mittelbar angegriffenen Vorschriften sowie von Art. 4 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 12 Abs. 1, Art. 33 Abs. 2 und 3 GG und ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch die angegriffenen Gerichtsentscheidungen. Sie beanstandet weiter, das Urteil des Bundesarbeitsgerichts verletze sie wegen einer unterbliebenen Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union auch in ihrem Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG).
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a) Die mittelbar angegriffenen gesetzlichen Regelungen seien verfassungswidrig, weil aufgrund des Vorbehalts in § 57 Abs. 4 Satz 3 SchulG NW zwar die religiös motivierte Kleidung von Muslimen, nicht aber diejenige von Christen oder Juden vom Verbot erfasst sein solle. Die Verfassungswidrigkeit erstrecke sich nicht nur auf die Privilegierungsklausel, sondern auf § 57 Abs. 4 SchulG NW insgesamt, weil der Gesamtregelung ein einheitliches Konzept zugrunde liege.
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Der Anwendungsbereich des Art. 33 Abs. 2 und 3 GG sei eröffnet, da § 57 Abs. 4 Satz 3 SchulG NW den Zugang zu öffentlichen Ämtern betreffe. Der Begriff des "öffentlichen Amtes" sei weit zu ![]() ![]() | |
Der Vorbehalt zugunsten christlicher und abendländischer Bildungs- und Kulturwerte stelle eine Ungleichbehandlung aus Gründen der Religion dar. Die entsprechende Regelung erweise sich jedenfalls unter systematischen Gesichtspunkten als Ausnahmeregelung zum Verbot des § 57 Abs. 4 Satz 1 SchulG NW. Aus dem Verweis in Satz 3 auf den Satz 1 der Vorschrift folge, dass sich "Bekundung" und "Darstellung" gerade nicht wechselseitig ausschlössen, sondern jeder Fall des § 57 Abs. 4 Satz 3 SchulG NW zugleich eine "äußere Bekundung" darstelle. Mithin komme es für die Auslegung entscheidend auf die Entstehungsgeschichte an, da Wortlaut und Systematik keine eindeutige Sinnermittlung zuließen. Aus den Materialien ergebe sich, dass der Gesetzgeber nicht Bildungsinhalte habe regeln wollen, sondern den Ausdruck individueller Überzeugungen. Dabei habe er das Kopftuch pauschal als mit den Bildungszielen der Verfassung für unvereinbar erachtet, Ordenstracht und Kippa hingegen unabhängig vom Willen des Trägers als Ausdruck bloßer christlich-abendländischer Bildungs- und Kulturwerte angesehen. Diese Ungleichbehandlung sei verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt, was auch bisher von allen damit befassten Gerichten ebenso gesehen worden sei. Die von diesen insoweit vorgenommene verfassungskonforme Auslegung widerspreche jedoch den hierfür durch das Bundesverfassungsgericht aufgestellten Maßstäben. An den Absichten des Gesetzgebers gebe es angesichts der Gesetzesbegründung keinen Zweifel. Diese hätten mit dem Verweis in § 57 Abs. 4 Satz 3 SchulG NW auf Satz 1 dieser Bestimmung hinreichenden Ausdruck im Gesetzeswortlaut gefunden. Im Übrigen führe die im vorliegenden Fall vorgenommene "verfassungskonforme Aus ![]() ![]() | |
b) Die angegriffenen Gerichtsentscheidungen seien verfassungswidrig, weil die Gerichte § 57 Abs. 4 SchulG NW nicht verfassungskonform dahingehend ausgelegt hätten, dass eine konkrete Abwägung im Rahmen einer Einzelfallprüfung geboten sei.
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aa) Der Eingriff in ihre Religionsfreiheit wiege besonders schwer, da die Verhüllung ihres Haares für sie eine unbedingt zu wahrende religiöse Pflicht sei, die ihr in ihrem Kern unmöglich gemacht werde. Unabhängig davon sei auch der Kern ihrer Persönlichkeitsbildung betroffen, da sie nicht mehr über die Reichweite ihres Schamempfindens bestimmen könne.
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bb) Der Eingriff könne nicht gerechtfertigt werden. Das Gesetz selbst benenne als Ziel der Regelung die Sicherung des Schulfriedens und die Wahrung der staatlichen Neutralität. Der Schulfriede sei allerdings kein unmittelbar geschütztes verfassungsrechtliches Rechtsgut, sondern nur das Ziel eines Ausgleichs mit anderen verfassungsrechtlichen Rechtsgütern. Gleiches gelte für das Prinzip der staatlichen Neutralität. In die Abwägung einzustellen seien jedoch die Grundrechtspositionen von Eltern und Schülern.
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Zentral für die Entscheidung des Landesgesetzgebers sei eine abstrakte und pauschale Gefahrenprognose, derzufolge äußere Zeichen religiöser Zugehörigkeit den Schulfrieden und die staatliche Neutralität gefährdeten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei aber die Kollision eines vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechts mit anderen Verfassungsgütern stets durch eine Abwägung aller Umstände des Einzelfalls im Wege praktischer Konkordanz aufzulösen. Eine abstrakte Abwä ![]() ![]() | |
Eine verfassungskonforme Einschränkung sei geboten und könne daran anknüpfen, dass nach § 57 Abs. 4 Satz 1 SchulG NW die Bekundung geeignet sein müsse, die geschützten Rechtsgüter zu beeinträchtigen. Diese Beeinträchtigung lasse sich auch konkret verstehen. Das stehe nicht im Widerspruch zum Willen des Gesetzgebers, sondern reduziere lediglich das von ihm beabsichtigte Verbot auf das verfassungsrechtlich zulässige Maß.
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c) Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts verletze Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Das Gericht habe seine Feststellung, ein abstraktes Kopftuchverbot ohne Einzelfallprüfung sei nach § 8 AGG zulässig, nicht treffen dürfen, ohne die Frage, ob dies mit Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG vereinbar sei, dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen. Die Vorlagepflicht nach Art. 234 Abs. 3 EGV (jetzt Art. 267 AEUV) sei in unhaltbarer Weise gehandhabt worden, weil der Gerichtshof diese Frage in seiner bisherigen Rechtsprechung noch nicht erschöpfend beantwortet habe und das Bundesarbeitsgericht sich hiermit in keiner Weise auseinandergesetzt habe. ![]() | |
Die Beschwerdeführerin zu II.) rügt eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und 3, von Art. 4 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 12 Abs. 1, sowie von Art. 33 Abs. 2 und 3 GG und Art. 9 und Art. 14 EMRK durch die mittelbar angegriffenen Vorschriften sowie durch die angegriffenen Gerichtsentscheidungen. Überdies macht sie eine Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG durch das Urteil des Bundesarbeitsgerichts geltend.
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a) Nach den gesetzlichen Bestimmungen sei das Verbot des Tragens eines religiösen Symbols bereits dann gerechtfertigt, wenn ihm nach einer beliebigen Interpretationsmöglichkeit ein Aussagegehalt zugedacht werden könne, der geeignet sei, die staatliche Neutralität oder den Schulfrieden zu stören. Da auf dieser Grundlage muslimischen Lehrerinnen das Tragen eines Kopftuchs untersagt werde, das elementarer Bestandteil einer am Islam ausgerichteten Lebensweise sei, werde hierdurch der Schutz des Grundrechts aus Art. 4 GG stark verkürzt.
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Dies sei jedoch nicht erforderlich. Betrachte man das Kopftuch als ein bloßes Zeichen für eine Religionszugehörigkeit, könne es die staatliche Neutralität nicht gefährden. Diese selbst sei ebenso wie der Schulfriede kein kollidierendes Gut von Verfassungsrang, sondern leite sich lediglich aus dem Schutzgehalt der negativen Religionsfreiheit ab. Sie sei als ein an den Staat adressiertes Abwägungsziel beziehungsweise als Abwägungsgrundsatz zu verstehen, um den Religionsfrieden in der Gesellschaft zu gewährleisten. Auch sei zu berücksichtigen, dass das Tragen des Kopftuchs dem Staat nicht zuzurechnen sei und nicht zwingend den Schulfrieden gefährden müsse. Dies werde am vorliegenden Fall besonders deutlich, da sie, die Beschwerdeführerin, im Rahmen eines freiwilligen Schulangebots unterrichte, alle ihrer Schüler Muslime seien, sie als Kopftuchträgerin eingestellt worden sei und bislang beanstandungsfrei unterrichtet habe. Vor diesem Hintergrund genüge es, wenn bei einer Störung des Schulfriedens im Einzelfall eingegriffen werde.
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Der Eingriff in ihre Grundrechte sei nicht angemessen. Der ![]() ![]() | |
b) Darüber hinaus liege eine Verletzung von Art. 3 Abs. 3 und Art. 33 Abs. 3 GG vor, weil § 57 Abs. 4 Satz 3 SchulG NW abendländische und christliche Kulturwerte privilegiere. Der Gesetzgeber habe klar zum Ausdruck gebracht, dass das Tragen christlicher Ordenskleidung auf dieser Grundlage nicht verboten sein solle. Hierin liege eine Benachteiligung muslimischer Lehrerinnen aus religiösen Gründen, die nicht gerechtfertigt sei. Faktisch werde jeder Schüler in Ansehung einer Lehrerin in Ordenstracht deren Identifikation mit ihrer Religion ebenso ausgesetzt wie im Fall des Tragens eines Kopftuchs. Eine verfassungskonforme Auslegung der Vorschrift verbiete sich wegen des ausdrücklich zutage getretenen Willens des Gesetzgebers.
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c) Die angegriffene Regelung verstoße des Weiteren gegen § 7 Abs. 1 AGG, der als bundesrechtliche Regelung dem § 57 Abs. 4 SchulG NW vorgehe (Art. 31 GG). Die unterschiedliche Behandlung sei nicht nach § 8 AGG gerechtfertigt. Es handele sich bei dem Kopftuchverbot nicht um ein entscheidendes Merkmal für die berufliche Tätigkeit einer Lehrerin. Schon ihr bisher beanstandungsfrei gebliebener Unterricht zeige, dass dies nicht der Fall sei. Im Übrigen müsse der Staat ebenso wie die Gesellschaft auch schlichte religiöse Bekundungen hinnehmen.
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IV.
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Zu den Verfassungsbeschwerden haben Stellung genommen das Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen für die Landesregierung, die Niedersächsische Staatskanzlei für die Landesregierung, das Bundesverwaltungsgericht, der Dachverband Freier Weltanschauungsgemeinschaften e.V. (DFW), das Aktionsbündnis muslimischer Frauen e.V. (amf), die Alevitische Gemeinde Deutschland e.V., der Verband Bildung und Erziehung e.V. (VBE), der Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten e.V. (IBKA), die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V. (DITIB) und der Zentralrat der Juden in Deutschland K.d.ö.R.
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1. Das Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen verweist darauf, dass zu den mittelbar angegriffenen Vorschriften die unterschiedlichsten Rechtsauffassungen vertreten würden. Diese Zerrissenheit habe sich seinerzeit in den Debatten des Landtags im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens abgebildet. Deshalb sei es ausdrücklich zu begrüßen, dass sich das Bundesverfassungsgericht nunmehr mit der Materie befassen und für Rechtsklarheit sorgen werde.
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2. Die Niedersächsische Staatskanzlei geht in ihrer Stellungnahme zunächst auf die Vorschrift des niedersächsischen Schulgesetzes ein, die in § 51 Abs. 3 NSchG das äußere Erscheinungsbild von Lehrkräften regelt und erachtet diese für verfassungsgemäß. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen könne der Gesetzgeber für Kleidungsstücke und äußere Zeichen, die offensichtlich aus weltanschaulich-religiösen Motiven getragen würden, ein generelles Verbot anordnen, so dass eine Einzelfallprüfung entbehrlich sei. Dies ergebe sich aus der Kopftuch-Entscheidung des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 24. September 2003 (BVerfGE 108, 282). Etwas anderes gelte in den Fällen, in denen unklar sei, ob einer Bekleidung oder einem Zeichen ein religiöser oder weltanschaulicher Aussagegehalt zukomme. Dies ![]() ![]() | |
Die Bestimmung löse das unvermeidliche Spannungsverhältnis der in Rede stehenden Grundrechte unter Berücksichtigung des Toleranzgebots in angemessener Weise auf. Der Gesetzgeber habe sich in Anlehnung an die Kopftuch-Entscheidung (BVerfGE 108, 282) daran orientiert, dass einerseits Art. 7 GG im Bereich des Schulwesens weltanschaulich-religiöse Einflüsse unter Wahrung des Erziehungsrechts der Eltern zulasse und dass andererseits Art. 4 GG gebiete, bei der Entscheidung für eine bestimmte Schulform weltanschaulich-religiöse Zwänge so weit wie möglich auszuschalten. Damit sei ein Mittelweg eingeschlagen worden. Den Lehrkräften sei grundsätzlich zugestanden, ihre Glaubensfreiheit auch im Dienst auszuüben. Diese werde erst dort eingeschränkt, wo Zweifel an der neutralen Erfüllung des staatlichen Bildungsauftrags aufkämen. Dies sei etwa dann der Fall, wenn eine Lehrkraft im Dienst ein islamisches Kopftuch oder eine Burka trage. Wären solche religiösen Kultushandlungen zulässig, liefe die negative Glaubensfreiheit der Schüler ins Leere. Da diese verpflichtet seien, am Schulbetrieb teilzunehmen, könnten sie weltanschaulich-religiösen Handlungen der Lehrkräfte nicht aus dem Wege gehen. Das elterliche Erziehungsrecht in religiösen Fragen werde ebenfalls unzulässig verkürzt. Für den weltanschaulich-religiösen Bereich bedeute das Toleranzgebot, dass Schüler an öffentlichen Schulen zwar mit verschiedenen weltanschaulich-religiösen Auffassungen und Bekundungen in Berührung kommen dürften und sollten, aber in einer maßvollen und nicht etwa aufdringlichen oder erdrückenden Weise. Dieses Ergebnis entspreche der praktischen Konkordanz.
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Folglich sei § 57 Abs. 4 SchulG NW grundsätzlich als verfassungsgemäß anzusehen. Soweit allerdings § 57 Abs. 4 Satz 3 SchulG NW in Rede stehe, werde von einer Stellungnahme abgesehen, da in Niedersachsen auf eine vergleichbare Regelung bewusst verzichtet worden sei.
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3. Die Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts hat Stellungnahmen des dortigen 2. und 6. Revisionssenats übermittelt. Der 2. ![]() ![]() | |
4. Der Dachverband Freier Weltanschauungsgemeinschaften e.V. (DFW) hält § 57 Abs. 4 Satz 3 SchulG NW für verfassungswidrig. Die Ausklammerung christlicher und abendländischer Kulturwerte aus dem Bekundungsverbot verstoße gegen das Neutralitätsgebot des Staates und sei unzulässig gegen den Islam gerichtet. Eine einseitige Hervorhebung christlicher Kulturwerte gründe auf einer ideologisch geprägten Darstellung der europäischen Kulturgeschichte selbst, die auf noch anderen Religionen als allein der christlichen beruhe. Für die Beibehaltung der übrigen Regelungen der Vorschrift sprächen allerdings die Grundrechte von Schülern und Eltern.
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5. Das Aktionsbündnis muslimischer Frauen e.V. (amf) meint, § 57 Abs. 4 SchulG NW sei verfassungswidrig. Er missachte die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts aus der Kopftuch-Entscheidung des Zweiten Senats (BVerfGE 108, 282). Die Vorschrift verletze die staatliche Neutralitätspflicht, weil sie Religionen ungleich behandele. Das Kopftuch werde -- entgegen dem Sinngehalt, den die einzelnen Betroffenen und der Islam ihm gäben -- auf eine dem Gesetzgeber genehme, nämlich eine nicht mit der Verfassung kompatible Deutung reduziert. Die notwendigen empirischen Belege für eine beeinflussende und den Schulfrieden störende Wirkung des Kopftuchs seien nicht erbracht worden. Dabei habe in Nordrhein-Westfalen von 1970 bis 2010 eine Grundschullehrerin mit Kopftuch unterrichtet, so dass ein solcher Nachweis möglich gewesen wäre.
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Das Kopftuchverbot habe eine diskriminierende Wirkung. Es ![]() ![]() | |
Die Erfahrungen, die Kopftuch tragende Lehrerinnen nach Inkrafttreten des Gesetzes gemacht hätten, beschreibt das Aktionsbündnis wie folgt: Zu Beginn sei das Kopftuchverbot im schulischen Umfeld weitgehend auf Unverständnis gestoßen. Das Klima habe sich im Laufe der Zeit aber als Folge der emotionalen Diskussion eingetrübt. Die Situation der Lehrerinnen, die wegen der laufenden Verfahren noch mit Kopftuch unterrichten dürften, gestalte sich auch dann schwieriger, wenn eine vermeintlich muslimische Lehrerin in das Kollegium eintrete, die kein Kopftuch trage, weil diese ihnen als "Vorbild" vorgehalten werde. Auch laizistisch geprägte türkische Lehrerinnen reagierten oft ablehnend. Das soziale Umfeld der betroffenen Frauen sei hingegen bereit, jede ihrer Entscheidungen zu unterstützen, auch das Ablegen des Kopftuchs. Zuweilen werde durch Familienangehörige darauf sogar gedrängt, damit das Einkommen der Frauen nicht wegfalle.
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Unverständlich und mit dem Gesetz unvereinbar sei es, wenn die Schulverwaltung das Tragen einer Mütze als Kompromiss nicht zulasse. Denn eine verfassungsrechtlich bedenkliche Signalwirkung könne von dieser nicht ausgehen. Gleiches gelte für alternative Bindetechniken des Kopftuchs. Geduldet werde von den Behörden allenfalls das alternative Tragen einer Perücke, wenn ![]() ![]() | |
Die Lehrerinnen, die ihre Tätigkeit hätten aufgeben müssen, hätten zuvor verschiedentlich Ausweichversuche unternommen. Im schulnahen Bereich hätten sie dabei jedoch oft die Erfahrung gemacht, dass das Kopftuchverbot wohl mit Rücksicht auf die vermeintlich im Gesetz zum Ausdruck kommende Mehrheitsmeinung auch dort faktisch angewendet werde, wo es eigentlich nicht gelte. Selbst Privatschulen seien nicht bereit, Ausnahmen zuzulassen.
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6. Die Alevitische Gemeinde Deutschland e.V. erklärt, sie sei gegen das Kopftuchtragen von Lehrerinnen oder Angestellten des öffentlichen Dienstes, da der Staat in diesem Bereich seine strikte Neutralität wahren müsse. Mädchen sollten sich frei entscheiden können, ob sie ein Kopftuch tragen wollten oder nicht. Trage eine Lehrerin als Autoritätsperson ein Kopftuch, könne das Schülerinnen unter Druck setzen und ihre Entscheidungsfreiheit beeinträchtigen. Diese Vorbildwirkung könne auch dazu führen, dass die Familie Druck auf die Schülerinnen ausübe. Alevitische Mädchen, für die das Kopftuch keine religiöse Pflicht sei, erlebten das Kopftuch in der Schule oft als diskriminierend, weil ihnen von muslimischen Mitschülerinnen die Verletzung religiöser Regeln vorgeworfen werde. Schon der Druck, der hier von anderen Schülerinnen ausgeübt werde, sei groß. Insofern werde die Wahlfreiheit von Schülerinnen durch Kopftuch tragende Lehrerinnen enorm beeinträchtigt.
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7. Der Verband Bildung und Erziehung e.V. (VBE) hält die Verfassungsbeschwerden für unbegründet. § 57 Abs. 4 SchulG NW sei eine vertretbare und praxisorientierte Regelung, deren Bestand befürwortet werde. Gerade in Nordrhein-Westfalen zeige sich, dass die Schule vermehrt zu einem Ort werde, der mit unter ![]() ![]() | |
8. Der Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten e.V. (IBKA) ist der Ansicht, ein allgemeines Verbot religiöser Bekundungen durch Lehrer sei verfassungskonform. Der hierin liegende Grundrechtseingriff sei gerechtfertigt. Der mit der Religionsfreiheit gewährleistete staatsfreie Raum finde seine Schranken jedenfalls dort, wo durch den Grundrechtsträger der Staat selbst handele. Dem Freiheitsrecht des Lehrers trete nicht ein Anspruch des Staates auf Neutralität entgegen, sondern jene grundrechtlichen Ansprüche Dritter, die den Staat verpflichteten. Als Repräsentant des Staates dürfe der Lehrer nicht in einer Weise in Grundrechte eingreifen, die dem Staat selbst verboten sei. Dies gelte unabhängig von der Art des Dienstverhältnisses. Der Staat sei berechtigt, seine Organisation so zu gestalten, dass die Einhaltung der ihm auferlegten Grenzen durch die einzelnen Amtsträger möglich sei. Da auch der Amtsträger grundrechtsberechtigt sei, dürfe nicht jede religiöse Äußerung verboten werden, sondern nur jene, die geeignet sei, den Schulfrieden zu stören. Eine Einzelfall ![]() ![]() | |
Mit Blick auf die Feststellung einer Eignung der religiösen Bekundung, den religiösen Frieden zu stören, müsse gewährleistet sein, dass nicht jede religiöse Äußerung verboten werde; ein friedlicher Diskurs müsse möglich bleiben. Überdies dürfe die Friedensgefährdung nicht demjenigen zur Last gelegt werden, der die Intoleranz anderer auf sich ziehe.
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Die Ausnahmeregelung des § 57 Abs. 4 Satz 3 SchulG NW sei verfassungswidrig; eine verfassungskonforme Interpretation scheide aus. Schon die in Bezug genommenen Vorschriften des Landesverfassungsrechts seien verfassungswidrig. Das Bundesverfassungsgericht sei aufgefordert, seine Rechtsprechung zur Anerkennung des Christentums als prägendem Kultur- und Bildungsfaktor aufzugeben. Die Werteordnung des Grundgesetzes beruhe nicht auf dem Christentum. Soweit kulturelle Elemente christlichen Ursprungs seien, seien sie heute gänzlich säkularisiert und dürften deshalb nicht als Grundlage einer Privilegierung herangezogen werden. Schließlich habe sich die Gesellschaft in den letzten Jahren so sehr entkirchlicht, dass niemand mehr gezwungen sei, mit Elementen christlichen religiösen Lebens umzugehen.
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Die Anwendung des Kopftuchverbots auf sonstige pädagogische Mitarbeiter sei unbedenklich. Denn diese hätten durch ihre Schiedsfunktion sogar eine höhere Autorität als Lehrer. Insofern sei es bedenklich, wenn geltend gemacht werde, dass gerade durch das Kopftuch eine höhere Akzeptanz bestehe. Denn der schulische Erziehungsauftrag bestehe auch darin, Respekt für Frauen ohne Kopftuch zu erwirken. Es sei zu befürchten, dass die Kehrseite dieser besonderen Akzeptanz in einer Bestärkung der Ablehnung von Frauen ohne Kopftuch liege. Auch könne nicht eingewandt werden, dass das Angebot für Schüler freiwillig sei. Auf diese Weise würden Schüler diskriminiert, die das Kopftuch als Beeinträchtigung ihrer Rechte ansähen. Gleiches gelte für den muttersprachlichen Ergänzungsunterricht. Hier könne weder da ![]() ![]() | |
9. Die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V. (DITIB) hat folgende theologische Bewertung ihres Obersten Religionsrates mitgeteilt: Muslimische Frauen müssten ab Eintritt der Pubertät in Gegenwart von Männern, mit denen sie nicht verwandt seien und die zu ehelichen ihnen religionsrechtlich erlaubt sei, ihren Körper -- mit Ausnahme von Gesicht, Händen und Füßen -- mit Kleidung derart bedecken, dass die Konturen und Farbe des Körpers nicht zu sehen seien. Der Kopf gelte dabei als bedeckt, wenn Haare und Hals vollständig bedeckt seien. Dies sei ein nach den Hauptquellen der Rechtsfindung im Islam (Koran, Sunna, Gelehrtenkonsens und allgemeiner Übereinkunft der Gemeinden) bestimmtes religiöses Gebot definitiver Qualität. In welcher Weise die vorgeschriebene Bedeckung erfolge, sei allein die Entscheidung der muslimischen Frau. Das Tragen des Kopftuchs diene demnach ausschließlich der Erfüllung eines religiösen Gebots und habe darüber hinaus für die Trägerin weder einen symbolischen Charakter noch diene es der Bekundung nach außen.
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10. Der Zentralrat der Juden in Deutschland K.d.ö.R. erachtet das Verbot des Tragens einer Mütze durch eine Lehrerin für verfassungswidrig. Mit Blick auf Art. 4 GG sei nicht ersichtlich, welche konkrete Gefahr durch das Tragen einer Mütze oder eines Kopftuchs in Bezug auf Rechte Dritter gegeben sein könne. Es sei äußerst bedenklich, wenn es in Deutschland tatsächlich nicht möglich sein solle, in allen Bereichen erkennbar zeigen zu dürfen, welcher Religion man angehöre. Im vorliegenden Fall sei keinerlei Verhalten erkennbar, durch das Schüler oder Eltern gefährdet worden seien.
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Was § 57 Abs. 4 SchulG NW angehe, sei unabdingbar, dass aufgrund der gravierenden Beeinträchtigung der Religionsfreiheit jeder Einzelfall geprüft werde. Die Anerkennung der "christlichen und abendländischen Bildungs- und Kulturwerte oder Traditionen" sei zu begrüßen. Dies dürfe aber nicht zu einer "Rangfol ![]() ![]() | |
Die zulässigen Verfassungsbeschwerden sind im Wesentlichen begründet.
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Die Vorschriften des § 57 Abs. 4 Satz 1 und 2 und des § 58 Satz 2 SchulG NW sind in den Fällen religiöser Bekundungen durch das äußere Erscheinungsbild von Pädagoginnen und Pädagogen nur nach Maßgabe einer der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) gerecht werdenden einschränkenden Interpretation mit dem Grundgesetz vereinbar. Die von den Beschwerdeführerinnen beanstandeten arbeitsgerichtlichen Entscheidungen werden diesen Anforderungen nicht gerecht und verletzen sie deshalb in ihrem Grundrecht auf Glaubens- und Bekenntnisfreiheit. Der als Privilegierungsvorschrift zugunsten christlich-abendländischer Bildungs- und Kulturwerte oder Traditionen konzipierte § 57 Abs. 4 Satz 3 SchulG NW steht nicht im Einklang mit dem Verbot der Benachteiligung aus religiösen Gründen (Art. 3 Abs. 3 Satz 1 und Art. 33 Abs. 3 GG). Das lässt jedoch den Bestand der Regelung im Übrigen und die Möglichkeit der verfassungskonformen Auslegung der Sätze 1 und 2 des § 57 Abs. 4 SchulG NW unberührt.
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I.
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Gegenstand der verfassungsrechtlichen Prüfung sind die angegriffenen Entscheidungen der Arbeitsgerichte und die ihnen zugrunde liegende Verbotsbestimmung des § 57 Abs. 4 Satz 1 SchulG NW, soweit diese religiöse Bekundungen durch das äußere Erscheinungsbild des pädagogischen Personals betrifft. Die Prüfung der Norm ist auch auf Satz 2 und Satz 3 des § 57 Abs. 4 SchulG NW zu erstrecken, obgleich sich die Arbeitsgerichte aus ![]() ![]() | |
II.
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Die in den Ausgangsverfahren ergangenen Urteile der Arbeitsgerichte beruhen auf einer gesetzlichen Grundlage, die der einschränkenden verfassungskonformen Auslegung bedarf. Deren Anforderungen genügen die Urteile nicht. Ein Verbot religiöser Bekundungen durch das äußere Erscheinungsbild, das bereits die abstrakte Gefahr einer Beeinträchtigung des Schulfriedens oder der staatlichen Neutralität ausreichen lässt, ist im Blick auf die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Pädagogen jedenfalls unangemessen und damit unverhältnismäßig, wenn die Bekundung nachvollziehbar auf ein als verpflichtend empfundenes religiöses Gebot zurückführbar ist. Erforderlich ist vielmehr eine hinreichend konkrete Gefahr. Eine entsprechende gebietsbezogene, möglicherweise auch landesweite Untersagung kommt von Verfassungs wegen für öffentliche bekenntnisoffene Gemeinschaftsschulen nur dann in Betracht, wenn eine hinreichend konkrete Gefahr für die genannten Schutzgüter im gesamten Geltungsbereich der Untersagung besteht.
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Das Bundesarbeitsgericht hat in beiden Ausgangsverfahren -- wie im Ergebnis schon die Vorinstanzen -- angenommen, das Verhalten der Beschwerdeführerinnen sei im Sinne von § 57 Abs. 4 ![]() ![]() | |
Ein so weit greifendes Verständnis des Verbots führt für Fälle der vorliegenden Art zu einem erheblichen Eingriff in das Grundrecht auf Glaubens- und Bekenntnisfreiheit des pädagogischen Personals, der in dieser Allgemeinheit verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt werden kann, weil er sich als unverhältnismäßig erweist.
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1. Der Schutz des Grundrechts auf Glaubens- und Bekenntnisfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) gewährleistet auch den Pädagoginnen und Pädagogen in der öffentlichen bekenntnisoffenen Gemeinschaftsschule die Freiheit, den Regeln ihres Glaubens gemäß einem religiösen Bedeckungsgebot zu genügen, wie dies etwa durch das Tragen eines islamischen Kopftuchs der Fall sein kann, wenn dies hinreichend plausibel begründet wird.
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a) Die Beschwerdeführerinnen können sich auch als Angestellte im öffentlichen Dienst auf ihr Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG berufen (ebenso für Beamte BVerfGE 108, 282 [297 f.]). Die Grundrechtsberechtigung der Beschwerdeführerinnen wird durch ihre Eingliederung in den staatlichen Aufgabenbereich der Schule nicht von vornherein oder grundsätzlich in Frage gestellt. Der Staat bleibt zudem auch dann an die Grundrechte gebunden, wenn er sich zur Aufgabenerfüllung zivilrechtlicher Instrumente bedient, wie das hier durch den Abschluss privatrechtlicher Arbeitsverträge mit den zur Erfüllung seines Erziehungsauftrags von ihm angestellten Pädagoginnen der Fall ist (Art. 1 Abs. 3 GG; vgl. BVerfGE 128, 226 [245]).
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b) Art. 4 GG garantiert in Absatz 1 die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses, in Absatz 2 das Recht der ungestörten Religionsausübung. Beide Absätze des Art. 4 GG enthalten ein umfassend zu ![]() ![]() | |
Bei der Würdigung dessen, was im Einzelfall als Ausübung von Religion und Weltanschauung zu betrachten ist, darf das Selbstverständnis der jeweils betroffenen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften und des einzelnen Grundrechtsträgers nicht außer Betracht bleiben (vgl. BVerfGE 24, 236 [247 f.]; 108, 282 [298 f.]). Dies bedeutet jedoch nicht, dass jegliches Verhalten einer Person allein nach deren subjektiver Bestimmung als Ausdruck der Glaubensfreiheit angesehen werden muss. Die staatlichen Organe dürfen prüfen und entscheiden, ob hinreichend substantiiert dargelegt ist, dass sich das Verhalten tatsächlich nach geistigem Gehalt und äußerer Erscheinung in plausibler Weise dem Schutzbereich des Art. 4 GG zuordnen lässt, also tatsächlich eine als religiös anzusehende Motivation hat. Dem Staat ist es indes verwehrt, derartige Glaubensüberzeugungen seiner Bürger zu bewerten oder gar als "richtig" oder "falsch" zu bezeichnen; dies gilt insbesondere dann, wenn hierzu innerhalb einer Religion divergierende Ansichten vertreten werden (vgl. BVerfGE 24, 236 ![]() ![]() | |
c) Die Musliminnen, die ein in der für ihren Glauben typischen Weise gebundenes Kopftuch tragen, können sich dafür auch bei der Ausübung ihres Berufs in der öffentlichen bekenntnisoffenen Gemeinschaftsschule, aber auch für das Tragen einer sonstigen Bekleidung, durch die Haare und Hals nachvollziehbar aus religiösen Gründen bedeckt werden, auf den Schutz der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG berufen (vgl. BVerfGE 108, 282 [298]).
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Die beiden Beschwerdeführerinnen machen mit ihren Verfassungsbeschwerden eine religiöse Motivation für das Tragen ihrer Kopfbedeckungen geltend. Sie bezeichnen deren Tragen als unbedingte religiöse Pflicht und als elementaren Bestandteil einer am Islam orientierten Lebensweise.
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Diese religiöse Fundierung der Bekleidungswahl ist auch mit Rücksicht auf die im Islam vertretenen unterschiedlichen Auffassungen zum sogenannten Bedeckungsgebot nach geistigem Gehalt und äußerer Erscheinung hinreichend plausibel. Dabei kommt es nicht darauf an, dass der genaue Inhalt der Bekleidungsvorschriften für Frauen unter islamischen Gelehrten durchaus umstritten ist. Es genügt, dass diese Betrachtung unter den verschiedenen Richtungen des Islam verbreitet ist und insbesondere auf zwei Stellen im Koran (Sure 24, Vers 31; Sure 33, Vers 59) zurückgeführt wird (vgl. Asad, Die Botschaft des Koran -- Übersetzung und Kommentar, 2009, S. 676 f., 810; vgl. auch Heine, Kleiderordnung, in: Handbuch Recht und Kultur des Islams in der deutschen Gesellschaft, 2000, S. 184 [186 f.]). Ein Bedeckungsgebot wird im Islam teilweise auch als unbedingte Pflicht eingeordnet (vgl. Khoury, Das islamische Rechtssystem, in: Handbuch Recht und Kultur des Islams in der deutschen Gesellschaft, 2000, S. 37 [52]). Unter diesen Umständen kommt es nicht darauf an, dass andere Richtungen des Islam ein als verpflichtend geltendes Bedeckungsgebot für Frauen nicht kennen (vgl. BVerfGE 108, 282 [298 f.]).
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2. Die auf § 57 Abs. 4 (im Fall der Beschwerdeführerin zu I.) ![]() ![]() | |
a) Die Einordnung des Tragens von Kleidungsstücken als äußere religiöse Bekundung im Sinne des § 57 Abs. 4 Satz 1 SchulG NW beruht auf einer zunächst den Fachgerichten obliegenden Auslegung des einfachen Rechts, die für sich genommen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist.
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Das Tatbestandsmerkmal der "äußeren Bekundung" im Sinne der einfachgesetzlichen Eingriffsgrundlage des § 57 Abs. 4 Satz 1 SchulG NW ist nicht auf verbale Äußerungen beschränkt. Das Bundesarbeitsgericht lässt insoweit nachvollziehbar jede "bewusste, an die Außenwelt gerichtete Kundgabe einer religiösen Überzeugung" genügen und stellt zur Ermittlung des Erklärungswerts einer Kundgabe auf diejenigen Deutungsmöglichkeiten ab, die für eine nicht unerhebliche Zahl von Betrachtern nahe liegt. Dieses auf den kommunikativen Charakter einer "äußeren Bekundung" im Sinne des § 57 Abs. 4 Satz 1 SchulG NW und auf den objektiven Betrachterhorizont abstellende Normverständnis steht in Einklang mit dem in dieser Vorschrift angelegten Wirkzusammenhang zwischen den dort genannten äußeren Bekundungen einerseits und den davon betroffenen Schutzgütern, also der staatlichen Neutralität und des Schulfriedens, andererseits.
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Allerdings kommt Kopfbedeckungen und anderen Kleidungsstücken nicht ohne Weiteres die Bedeutung eines nonverbalen Kommunikationsmittels im Sinne des § 57 Abs. 4 Satz 1 SchulG NW zu. Dies ist ausgehend vom objektiven Betrachterhorizont vielmehr nur dann der Fall, wenn das Kleidungsstück seiner Art nach typischerweise von vornherein Ausdruck eines politischen, weltanschaulichen, religiösen oder ähnlichen Bekenntnisses ist oder aber ein an sich neutrales Kleidungsstück nach einer Gesamtwürdigung der konkreten Begleitumstände ohne vernünfti ![]() ![]() | |
Namentlich ein Kopftuch ist nicht aus sich heraus religiöses Symbol. Eine vergleichbare Wirkung kann es erst im Zusammenwirken mit anderen Faktoren entfalten (vgl. BVerfGE 108, 282 [304]). Insofern unterscheidet es sich etwa vom christlichen Kreuz (vgl. dazu BVerfGE 93, 1 [19 f.]). Auch wenn ein islamisches Kopftuch nur der Erfüllung eines religiösen Gebots dient und ihm von der Trägerin kein symbolischer Charakter beigemessen wird, sondern es lediglich als Kleidungsstück angesehen wird, das die Religion vorschreibt, ändert dies nichts daran, dass es in Abhängigkeit vom sozialen Kontext verbreitet als Hinweis auf die muslimische Religionszugehörigkeit der Trägerin gedeutet wird. In diesem Sinne ist es ein religiös konnotiertes Kleidungsstück. Wird es als äußeres Anzeichen religiöser Identität verstanden, so bewirkt es das Bekenntnis einer religiösen Überzeugung, ohne dass es hierfür einer besonderen Kundgabeabsicht oder eines zusätzlichen wirkungsverstärkenden Verhaltens bedarf. Dessen wird sich die Trägerin eines in typischer Weise gebundenen Kopftuchs regelmäßig auch bewusst sein. Diese Wirkung kann sich -- je nach den Umständen des Einzelfalls -- auch für andere Formen der Kopf- und Halsbedeckung ergeben.
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b) Der Eingriff, der mit der Untersagung des Tragens eines islamischen Kopftuchs oder einer anderen Kopf- und Halsbedeckung in Erfüllung eines religiösen Gebots verbunden ist, wiegt schwer.
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Die Beschwerdeführerinnen berufen sich nicht nur auf eine religiöse Empfehlung, deren Befolgung für die einzelnen Gläubigen disponibel oder aufschiebbar ist. Vielmehr haben sie plausibel dargelegt, dass es sich für sie -- entsprechend dem Selbstverständnis von Teilen im Islam (dazu Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen [Hrsg.], Muslimisches Leben in Nordrhein-Westfalen, 2010, S. 95 ff.) -- um ein imperatives religiöses Bedeckungsgebot in der Öffentlichkeit handelt, das zudem nachvollziehbar ihre persönliche Identität berührt (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG), so dass ein Verbot dieser Bedeckung im Schuldienst für sie sogar den Zugang zum Beruf ![]() ![]() | |
3. Dieser Eingriff in die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Beschwerdeführerinnen erweist sich auf der Grundlage der Auslegung der Norm durch die Arbeitsgerichte als unverhältnismäßig und ist deshalb nicht gerechtfertigt.
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a) Einschränkungen dieses Grundrechts müssen sich aus der Verfassung selbst ergeben, weil Art. 4 Abs. 1 und 2 GG keinen Gesetzesvorbehalt enthält. Zu solchen verfassungsimmanenten Schranken zählen die Grundrechte Dritter sowie Gemeinschaftswerte von Verfassungsrang (vgl. BVerfGE 28, 243 [260 f.]; 41, 29 [50 f.]; 41, 88 [107]; 44, 37 [49 f., 53]; 52, 223 [247]; 93, 1 [21]; 108, 282 [297]). Als mit der Glaubensfreiheit in Widerstreit tretende Verfassungsgüter kommen hier neben dem staatlichen Erziehungsauftrag (Art. 7 Abs. 1 GG), der unter Wahrung der Pflicht zu weltanschaulich-religiöser Neutralität zu erfüllen ist, das elterliche Erziehungsrecht (Art. 6 Abs. 2 GG) und die negative Glaubensfreiheit der Schüler (Art. 4 Abs. 1 GG) in Betracht (vgl. BVerfGE 108, 282 [299]). Das normative Spannungsverhältnis zwischen diesen Verfassungsgütern unter Berücksichtigung des Toleranzgebots zu lösen, obliegt dem demokratischen Gesetzgeber, der im öffentlichen Willensbildungsprozess einen für alle zumutbaren Kompromiss zu suchen hat. Die genannten Grundgesetz-Normen sind zusammen zu sehen, ihre Interpretation und ihr Wirkungsbereich sind aufeinander abzustimmen (vgl. BVerfGE 108, 282 [302 f.]).
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b) Der nordrhein-westfälische Landesschulgesetzgeber verfolgt ![]() ![]() | |
c) Die Erforderlichkeit der Regelung in § 57 Abs. 4 Satz 1 SchulG NW, die in der Interpretation der Fachgerichte schon die abstrakte Eignung äußerer religiöser Bekundungen durch das Tragen einer religiös konnotierten Kopfbedeckung zur Gefährdung der Schutzgüter genügen lässt, erscheint bereits fraglich. Es bedarf hier indes keiner Entscheidung, ob angesichts des mittlerweile zu verzeichnenden Verbreitungsgrades des islamischen Kopftuchs in der deutschen Gesellschaft und des gängigen Verständnisses von seiner Bedeutung, aber auch in Anbetracht der durchaus unterschiedlichen Deutungsmöglichkeiten der Beweggründe seiner Trägerinnen, insbesondere in einem flächengroßen und bevölkerungsreichen Land wie Nordrhein-Westfalen, ausnahmslos in allen öffentlichen bekenntnisoffenen Gemeinschaftsschulen und Schüleraltersgruppen schon einer abstrakten Gefahr für die Schutzgüter des Schulfriedens und der staatlichen Neutralität vorgebeugt werden muss, um konkrete Gefährdungen für sie gar nicht erst aufkommen zu lassen. Denn die Erfordernisse einer im engeren Sinne verhältnismäßigen gesetzlichen Regelung gebieten jedenfalls ein einschränkendes Verständnis des Merkmals einer Eignung zur Gefährdung der Schutzgüter. ![]() | |
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aa) Für die Beurteilung der tatsächlichen Gegebenheiten und Entwicklungen, von der abhängt, ob gegenläufige Grundrechtspositionen von Schülern und Eltern oder andere Werte von Verfassungsrang eine Regelung rechtfertigen, die Lehrkräfte aller Bekenntnisse zu äußerster Zurückhaltung in der Verwendung von Kennzeichen mit religiösem Bezug verpflichtet, verfügt der Gesetzgeber über eine Einschätzungsprärogative (vgl. BVerfGE 108, 282 [310 f.]). Allerdings muss er, zumal bei einem weitgehend vorbeugend wirkenden Verbot äußerer religiöser Bekundungen, ein angemessenes Verhältnis zu dem Gewicht und der Bedeutung des Grundrechts des pädagogischen Personals auf Glaubens- und Bekenntnisfreiheit ebenso wahren wie er bei einer Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des Eingriffs mit dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit beachten muss (vgl. BVerfGE 83, 1 [19]; 90, 145 [173]; 102, 197 [220]; 104, 337 [349]).
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bb) Das Einbringen religiöser oder weltanschaulicher Bezüge in Schule und Unterricht durch pädagogisches Personal kann den in Neutralität zu erfüllenden staatlichen Erziehungsauftrag, das elterliche Erziehungsrecht und die negative Glaubensfreiheit der Schüler beeinträchtigen. Es eröffnet zumindest die Möglichkeit ![]() ![]() | |
(1) Die negative Glaubensfreiheit der Schülerinnen und Schüler (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) gewährleistet die Freiheit, kultischen Handlungen eines nicht geteilten Glaubens fernzubleiben; das bezieht sich auch auf Riten und Symbole, in denen ein Glaube oder eine Religion sich darstellen. Die Einzelnen haben in einer Gesellschaft, die unterschiedlichen Glaubensüberzeugungen Raum gibt, allerdings kein Recht darauf, von der Konfrontation mit ihnen fremden Glaubensbekundungen, kultischen Handlungen und religiösen Symbolen verschont zu bleiben. Davon zu unterscheiden ist aber eine vom Staat geschaffene Lage, in welcher der Einzelne ohne Ausweichmöglichkeiten dem Einfluss eines bestimmten Glaubens, den Handlungen, in denen sich dieser manifestiert, und den Symbolen, in denen er sich darstellt, ausgesetzt ist (vgl. BVerfGE 93, 1 [15 f.]). In einer unausweichlichen Situation befinden sich Schülerinnen und Schüler zwar auch dann, wenn sie sich infolge der allgemeinen Schulpflicht während des Unterrichts ohne Ausweichmöglichkeit einer vom Staat angestellten Lehrerin gegenüber sehen, die ein islamisches Kopftuch trägt. Im Blick auf die Wirkung religiöser Ausdrucksmittel ist allerdings danach zu unterscheiden, ob das in Frage stehende Zeichen auf Veranlassung der Schulbehörde oder aufgrund einer eigenen Entscheidung von einzelnen Pädagoginnen und Pädagogen verwendet wird, die hierfür das individuelle Freiheitsrecht des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG in Anspruch nehmen können. Der Staat, der eine mit dem Tragen ![]() ![]() | |
Zwar trifft die für das Tragen eines islamischen Kopftuchs in der Schule in Anspruch genommene Glaubensfreiheit der Lehrerin auf die negative Glaubensfreiheit der Schülerinnen und Schüler (vgl. BVerfGE 108, 282 [301 f.]). Doch ist das Tragen eines islamischen Kopftuchs, einer vergleichbaren Kopf- und Halsbedeckung oder sonst religiös konnotierten Bekleidung nicht von vornherein dazu angetan, die negative Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Schülerinnen und Schüler zu beeinträchtigen. Solange die Lehrkräfte, die nur ein solches äußeres Erscheinungsbild an den Tag legen, nicht verbal für ihre Position oder für ihren Glauben werben und die Schülerinnen und Schüler über ihr Auftreten hinausgehend zu beeinflussen versuchen, wird deren negative Glaubensfreiheit grundsätzlich nicht beeinträchtigt. Die Schülerinnen und Schüler werden lediglich mit der ausgeübten positiven Glaubensfreiheit der Lehrkräfte in Form einer glaubensgemäßen Bekleidung konfrontiert, was im Übrigen durch das Auftreten anderer Lehrkräfte mit anderem Glauben oder anderer Weltanschauung in aller Regel relativiert und ausgeglichen wird. Insofern spiegelt sich in der bekenntnisoffenen Gemeinschaftsschule die religiös-pluralistische Gesellschaft wider.
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(2) Aus dem Elterngrundrecht ergibt sich nichts anderes. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG garantiert den Eltern die Pflege und Erziehung ihrer Kinder als natürliches Recht und umfasst zusammen mit Art. 4 Abs. 1 und 2 GG auch das Recht zur Kindererziehung in religiöser und weltanschaulicher Hinsicht; daher ist es zuvörderst Sache der Eltern, ihren Kindern diejenigen Überzeugungen in Glaubens- und Weltanschauungsfragen zu vermitteln, die sie für richtig halten (vgl. BVerfGE 41, 29 [44, 47 f.]; 52, 223 [236]; 93, 1 [17]). Dem entspricht das Recht, die Kinder von Glaubensüberzeugungen fernzuhalten, die den Eltern als falsch oder schädlich erscheinen (vgl. BVerfGE 93, 1 [17]). Jedoch enthält Art. 6 Abs. 2 ![]() ![]() | |
Ein etwaiger Anspruch, die Schulkinder vom Einfluss solcher Lehrkräfte fernzuhalten, die einer verbreiteten religiösen Bedeckungsregel folgen, lässt sich aus dem Elterngrundrecht danach nicht herleiten, soweit dadurch die negative Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Schülerinnen und Schüler nicht beeinträchtigt ist. Auch die negative Glaubensfreiheit der Eltern, die hier im Verbund mit dem elterlichen Erziehungsrecht ihre Wirkung entfalten kann, garantiert keine Verschonung von der Konfrontation mit religiös konnotierter Bekleidung von Lehrkräften, die nur den Schluss auf die Zugehörigkeit zu einer anderen Religion oder Weltanschauung zulässt, von der aber sonst kein gezielter beeinflussender Effekt ausgeht. Das gilt in Fällen der vorliegenden Art gerade deshalb, weil nicht ein dem Staat zurechenbares glaubensgeleitetes Verhalten in Rede steht, sondern eine erkennbar individuelle Grundrechtsausübung.
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(3) Darüber hinaus steht auch der staatliche Erziehungsauftrag (Art. 7 Abs. 1 GG), der unter Wahrung der Pflicht zu weltanschaulich-religiöser Neutralität zu erfüllen ist, der Betätigung der positiven Glaubensfreiheit der Pädagoginnen durch das Tragen eines islamischen Kopftuchs nicht generell entgegen. Er vermag ein Verbot solchen äußeren Verhaltens, das auf ein nachvollziehbar als imperativ verstandenes Glaubensgebot zurückgeht, erst dann zu rechtfertigen, wenn eine hinreichend konkrete Gefahr für den zur Erfüllung des Erziehungsauftrags notwendigen Schulfrieden oder die staatliche Neutralität feststellbar ist.
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Das Grundgesetz begründet für den Staat als Heimstatt aller Staatsbürger in Art. 4 Abs. 1, Art. 3 Abs. 3 Satz 1, Art. 33 Abs. 3 GG sowie durch Art. 136 Abs. 1 und 4 und Art. 137 Abs. 1 WRV in Verbindung mit Art. 140 GG die Pflicht zu weltanschaulichreligiöser Neutralität. Es verwehrt die Einführung staatskirchlicher ![]() ![]() | |
Die dem Staat gebotene weltanschaulich-religiöse Neutralität ist indessen nicht als eine distanzierende im Sinne einer strikten Trennung von Staat und Kirche zu verstehen, sondern als eine offene und übergreifende, die Glaubensfreiheit für alle Bekenntnisse gleichermaßen fördernde Haltung. Art. 4 Abs. 1 und 2 GG gebietet auch im positiven Sinn, den Raum für die aktive Betätigung der Glaubensüberzeugung und die Verwirklichung der autonomen Persönlichkeit auf weltanschaulich-religiösem Gebiet zu sichern (vgl. BVerfGE 41, 29 [49]; 93, 1 [16]). Der Staat darf lediglich keine gezielte Beeinflussung im Dienste einer bestimmten politischen, ideologischen oder weltanschaulichen Richtung betreiben oder sich durch von ihm ausgehende oder ihm zuzurechnende Maßnahmen ausdrücklich oder konkludent mit einem bestimmten Glauben oder einer bestimmten Weltanschauung identifizieren und dadurch den religiösen Frieden in einer Gesellschaft von sich aus gefährden (vgl. BVerfGE 93, 1 [16 f.]; 108, 282 [300]). Auch verwehrt es der Grundsatz weltanschaulich-religiöser Neutralität dem Staat, Glauben und Lehre einer Religionsgemeinschaft als solche zu bewerten (vgl. BVerfGE 33, 23 [29]; 137, 273 [305 Rn. 88]).
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Dies gilt auch für den vom Staat in Vorsorge genommenen Be ![]() ![]() | |
(4) (a) Davon ausgehend ist das -- nach der Auslegung durch die Arbeitsgerichte in den angefochtenen Entscheidungen -- an eine bloß abstrakte Gefährdung der in § 57 Abs. 4 Satz 1 SchulG NW genannten Schutzgüter anknüpfende strikte und landesweite Verbot einer äußeren religiösen Bekundung jedenfalls für die hier gegebenen Fallkonstellationen den betroffenen Grundrechtsträgerinnen nicht zumutbar und verdrängt in unangemessener Weise deren Grundrecht auf Glaubensfreiheit. Denn mit dem Tragen eines Kopftuchs durch einzelne Pädagoginnen ist -- anders als dies beim staatlich verantworteten Kreuz oder Kruzifix im Schulzimmer der Fall ist (vgl. BVerfGE 93, 1 [15 ff.]) -- keine Identifizierung des Staates mit einem bestimmten Glauben verbunden. Auch eine Wertung in dem Sinne, dass das glaubensgeleitete Verhalten der Pädagoginnen schulseits als vorbildhaft angesehen und schon deshalb der Schulfrieden oder die staatliche Neutralität gefährdet oder gestört werden könnte, ist einer entsprechenden Duldung durch den Dienstherrn nicht beizulegen. Hinzu kommt, dass die Beschwerdeführerinnen einem nachvollziehbar als verpflichtend empfundenen Glaubensgebot Folge leisten. Dadurch erhält ihre ![]() ![]() | |
(b) Anders verhält es sich dann, wenn das äußere Erscheinungsbild von Lehrkräften zu einer hinreichend konkreten Gefährdung oder Störung des Schulfriedens oder der staatlichen Neutralität führt oder wesentlich dazu beiträgt. Dies wäre etwa in einer Situation denkbar, in der -- insbesondere von älteren Schülern oder Eltern -- über die Frage des richtigen religiösen Verhaltens sehr kontroverse Positionen mit Nachdruck vertreten und in einer Weise in die Schule hineingetragen würden, welche die schulischen Abläufe und die Erfüllung des staatlichen Erziehungsauftrags ernsthaft beeinträchtigte, sofern die Sichtbarkeit religiöser Überzeugungen und Bekleidungspraktiken diesen Konflikt erzeugte oder schürte. Bei Vorliegen einer solchermaßen begründeten hinreichend konkreten Gefahr ist es den grundrechtsberechtigten Pädagoginnen und Pädagogen mit Rücksicht auf alle in Rede und gegebenenfalls in Widerstreit stehenden Verfassungsgüter zumutbar, von der Befolgung eines nachvollziehbar als verpflichtend empfundenen religiösen Bedeckungsgebots Abstand zu nehmen, um eine geordnete, insbesondere die Grundrechte der Schüler und Eltern sowie das staatliche Neutralitätsgebot wahrende Erfüllung des staatlichen Erziehungsauftrags sicherzustellen. Aber auch dann wird die Dienstbehörde im Interesse des Grundrechtsschutzes der Betroffenen zunächst eine anderweitige pädagogische Verwendungsmöglichkeit mit in Betracht zu ziehen haben.
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(c) Wird in bestimmten Schulen oder Schulbezirken aufgrund substantieller Konfliktlagen über das richtige religiöse Verhalten bereichsspezifisch die Schwelle zu einer hinreichend konkreten Gefährdung oder Störung des Schulfriedens oder der staatlichen Neutralität in einer beachtlichen Zahl von Fällen erreicht, kann ein verfassungsrechtlich anzuerkennendes Bedürfnis bestehen, äußere religiöse Bekundungen nicht erst im konkreten Einzelfall, ![]() ![]() | |
Solange der Gesetzgeber dazu aber keine differenziertere Regelung trifft, kann eine Verdrängung der Glaubensfreiheit von Lehrkräften nur dann als angemessener Ausgleich der in Rede stehenden Verfassungsgüter in Betracht kommen, wenn wenigstens eine hinreichend konkrete Gefahr für die staatliche Neutralität oder den Schulfrieden belegbar ist. Das gilt zumal vor dem Hintergrund, dass es gerade die Aufgabe namentlich der als "bekenntnisoffen" bezeichneten Gemeinschaftsschule ist, den Schülerinnen und Schülern Toleranz auch gegenüber anderen Religionen und Weltanschauungen zu vermitteln, da Schule offen zu sein hat für christliche, für muslimische und andere religiöse und weltanschauliche Inhalte und Werte. Dieses Ideal muss im Interesse einer ausgleichenden, effektiven Grundrechtsverwirklichung in der Gemeinschaftsschule auch gelebt werden dürfen. Das gilt folgerichtig auch für das Tragen von Bekleidung, die mit Religionen in Verbindung gebracht wird, wie neben dem Kopftuch etwa der jüdischen Kippa oder dem Nonnen-Habit oder auch für Symbole wie das Kreuz, das sichtbar getragen wird.
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4. Das Gewicht der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit des pädagogischen Personals in der bekenntnisoffenen Gemeinschaftsschule erfordert demnach jedenfalls für die hier gegebenen Fallkonstellationen eine reduzierende verfassungskonforme Auslegung des § 57 Abs. 4 Satz 1 SchulG NW, soweit er äußere religiöse Bekundungen untersagt. Hierfür ist das Merkmal der Eignung, den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität zu gefährden ![]() ![]() | |
Eine einschränkende Auslegung des § 57 Abs. 4 Satz 1 SchulG NW ist möglich und von Verfassungs wegen geboten. Sie dient der Vermeidung einer Normverwerfung und ist damit dem Gesichtspunkt der größtmöglichen Schonung der Gesetzgebung geschuldet. Sie nimmt Rücksicht darauf, dass die Norm auch andere Anwendungsbereiche hat, die sich von der hier vorliegenden Fallgestaltung unterscheiden. Dabei kann es sich etwa um verbale Äußerungen und ein offen werbendes Verhalten handeln. Hier kann die Untersagungsvorschrift auch in einer Interpretation, die schon die abstrakte Gefahr erfasst, ihre Bedeutung haben. Der einschränkenden Auslegung steht nicht entgegen, dass dem Gesetzgeber entstehungsgeschichtlich ein Kopftuchverbot als typischer Anwendungsfall der Vorschrift vorgeschwebt hat. Der ![]() ![]() | |
5. Diese Auslegungsmaßgaben gelten entsprechend für § 57 Abs. 4 Satz 2 SchulG NW. Die darin geforderte Eignung des äußeren Verhaltens, bei Schülerinnen und Schülern sowie Eltern den Eindruck hervorzurufen, dass eine Pädagogin oder ein Pädagoge gegen die Menschenwürde, die Gleichberechtigung nach Art. 3 GG, die Freiheitsgrundrechte oder die freiheitlich-demokratische Grundordnung auftritt, kann allein im Blick auf das äußere Erscheinungsbild nur bei Vorliegen hinreichend konkreter Anhaltspunkte aus der Sicht eines objektiven Betrachters bejaht werden. Allerdings ist mit Rücksicht auf die grundrechtlichen Gewährleistungen des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG die Annahme verfehlt, schon das Tragen eines islamischen Kopftuchs oder einer anderen, auf eine Glaubenszugehörigkeit hindeutenden Kopfbedeckung sei schon für sich genommen ein Verhalten, das gemäß § 57 Abs. 4 Satz 2 SchulG NW bei den Schülern oder den Eltern ohne Weiteres den Eindruck hervorrufen könne, dass die Person, die es trägt, gegen die Menschenwürde, die Gleichberechtigung nach Art. 3 GG, die Freiheitsgrundrechte oder die freiheitlich-demokratische Grundordnung auftrete. Diese pauschale Schlussfolgerung verbietet sich. Wenn das Tragen des Kopftuchs etwa als Ausdruck einer individuellen Kleidungsentscheidung, von Tradition oder Identität (vgl. BVerfGE 108, 282 [303 ff.]) erscheint, oder die Trägerin als Muslimin ausweist, die die Regeln ihres Glaubens, insbesondere das von ihr als verpflichtend verstandene Bedeckungsgebot, strikt beachtet, lässt sich das ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht als Distanzierung von den in § 57 Abs. 4 Satz 2 SchulG NW genannten verfassungsrechtlichen Grundsätzen interpretieren. Auch den Glaubensrichtungen des Islam, die das Tragen des Kopftuchs zur Erfüllung des Bedeckungsgebots verlangen, aber auch genügen lassen, kann nicht unterstellt werden, dass sie von den Gläubigen ein Auftreten gegen die Menschenwürde, die Gleichberechtigung nach Art. 3 GG, die Freiheitsgrundrechte oder die freiheitlich-demokratische Grundordnung fordern, erwarten oder auch nur erhoffen. ![]() | |
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7. Die angegriffenen Entscheidungen der Fachgerichte, namentlich die des Bundesarbeitsgerichts, werden den Erfordernissen der gebotenen verfassungskonformen einschränkenden Auslegung nicht gerecht; sie haben eine solche nicht für erforderlich gehalten. Die rechtliche Würdigung des Bundesarbeitsgerichts geht davon aus, dass das Bekundungsverbot des § 57 Abs. 4 Satz 1 SchulG NW bereits bei einer abstrakten Gefahr greift. Die Annahme, dass schon die "berechtigte Sorge" der Eltern vor einer ungewollten religiösen Beeinflussung ihrer Kinder den Schulfrieden gefährde, trägt der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Pädagoginnen in der bekenntnisoffenen Gemeinschaftsschule nicht in angemessener Weise Rechnung. Sie vernachlässigt das Gewicht der positiven Glaubensfreiheit des pädagogischen Personals im Zusammenhang mit einem plausibel dargestellten imperativen religiösen Bedeckungsgebot. Die bislang getroffenen Feststellungen geben im Übrigen keinerlei Anhalt für eine hinreichend konkrete Gefahr für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität durch das Auftreten der Beschwerdeführerinnen in ihren Schulen.
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In beiden Ausgangsverfahren sind die Fachgerichte nicht von einem zutreffenden, auf das Grundrecht der Glaubensfreiheit der Beschwerdeführerinnen hinreichend Bedacht nehmenden Verständnis der gesetzlichen Regelung ausgegangen. Weder die Feststellungen der Arbeitsgerichte in den Tatsacheninstanzen noch die rechtliche Würdigung auch durch das Bundesarbeitsgericht lassen Umstände erkennen, die eine hinreichend konkrete Gefahr für die Schutzgüter der Norm verdeutlichen könnten. Im Gegenteil: Die Beschwerdeführerin zu II.) hatte sich bereits um ihre Einstellung mit einem Lichtbild beworben, das sie mit Kopftuch zeig ![]() ![]() | |
Damit verletzen die angegriffenen Entscheidungen die Beschwerdeführerinnen in ihrem Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG.
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III.
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Die weitere von den Beschwerdeführerinnen erhobene verfassungsrechtliche Beanstandung von Satz 3 des § 57 Abs. 4 SchulG NW ist begründet. Die vom Gesetzgeber als Privilegierungsbestimmung zugunsten der Darstellung christlicher und abendländischer Bildungs- und Kulturwerte oder Traditionen gewollte Teilregelung in Satz 3 der Vorschrift stellt eine gleichheitswidrige Benachteiligung aus Gründen des Glaubens und der religiösen Anschauungen dar (Art. 3 Abs. 3 Satz 1, Art. 33 Abs. 3 GG). Dieser Verfassungsverstoß hat sich in den angegriffenen Entscheidungen niedergeschlagen. Zwar sind diese nicht auf Satz 3 des § 57 Abs. 4 SchulG NW gestützt, weil Satz 3 auf die beiden muslimischen Beschwerdeführerinnen keine Anwendung findet. Gerade der Ausschluss von der in Satz 3 vorgesehenen Privilegierung führt aber dazu, dass auch die beiden konkret zu beurteilenden Entscheidungen die Beschwerdeführerinnen in verfassungswidriger Weise benachteiligen. Kämen die Beschwerdeführerinnen in den Genuss der Privilegierung, wären sie den arbeitsrechtlichen ![]() ![]() | |
1. § 57 Abs. 4 Satz 3 SchulG NW führt zu einer Benachteiligung anderer als christlicher und jüdischer Religionsangehöriger, die verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen ist.
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a) Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG verlangt, dass niemand wegen seines Glaubens oder seiner religiösen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt wird. Die Norm verstärkt den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und die durch Art. 4 Abs. 1 und 2 GG geschützte Glaubensfreiheit.
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Nach Art. 33 Abs. 3 Satz 2 GG darf keinem Träger eines öffentlichen Amtes aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnis oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen. Der Begriff des öffentlichen Amtes in Art. 33 Abs. 3 GG ist im selben Sinne zu verstehen, wie er auch in Art. 33 Abs. 2 GG verwendet wird; er erfasst mithin auch Angestellte des öffentlichen Dienstes (vgl. BVerwGE 61, 325 [330]; BAGE 104, 295 [299]; Jachmann, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, 6. Aufl. 2010, Bd.2, Art. 33 Rn. 25; Kunig, in: von Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Art. 33 Rn. 37). Die Regelung enthält ein Benachteiligungsverbot für den öffentlichen Dienst auch über die Frage der Zulassung zu öffentlichen Ämtern hinaus (vgl. dazu § 57 Abs. 6 SchulG NW), die in Satz 1 der Vorschrift angesprochen ist. Die Bestimmung verbietet es, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern aus Gründen zu verwehren, die mit der in Art. 4 Abs. 1 und 2 GG geschützten Glaubensfreiheit unvereinbar sind (vgl. BVerfGE 79, 69 [75]). Dies schließt die Begründung von Dienstpflichten nicht aus, die in die Glaubensfreiheit von Amtsinhabern und Bewerbern um öffentliche Ämter eingreifen und damit für glaubensgebundene Bewerber den Zugang zum öffentlichen Dienst erschweren oder gar ausschließen. Solche etwaigen Pflichten sind jedoch den strengen Rechtfertigungsanforderungen unterworfen, ![]() ![]() | |
b) Die Gesamtkonzeption des § 57 Abs. 4 SchulG NW sollte nach den Vorstellungen, die im Gesetzgebungsverfahren hervorgetreten sind (vgl. LTDrucks 13/4564, S. 8; 14/569, S. 9), in Satz 3 der Regelung eine Freistellung vom Verbot äußerer religiöser Bekundungen des Satzes 1 und damit eine unmittelbare Ungleichbehandlung aus Gründen der Religion bewirken. Die Beschwerdeführerinnen machen in nachvollziehbarer Weise geltend, die Regelung des § 57 Abs. 4 SchulG NW habe die aus religiösen Gründen getragene Kopfbedeckung einer Muslimin anders behandeln sollen als religiös konnotierte Kleidungsstücke, die von Angehörigen christlicher Bekenntnisse und solcher des Judentums getragen werden. Diese Bewertung wird durch die genannten Materialien des Gesetzgebungsverfahrens belegt (siehe sogleich d).
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c) Eine solche Ungleichbehandlung ist verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen. Werden äußere religiöse Bekundungen durch das pädagogische Personal in der Schule untersagt, so muss dies grundsätzlich unterschiedslos geschehen.
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Tragfähige Gründe für eine Benachteiligung äußerer religiöser Bekundungen, die sich nicht auf christlich-abendländische Kulturwerte und Traditionen zurückführen lassen, sind nicht erkennbar. Soweit von einem bestimmten äußeren Verhalten etwa eine besondere indoktrinierende Suggestivkraft ausgehen kann, wird dem ohne Weiteres durch das Verbot des Satzes 1 des § 57 Abs. 4 SchulG NW in der von Verfassungs wegen gebotenen einschränkenden Auslegung Rechnung getragen. Wenn vereinzelt in der Literatur geltend gemacht wird, im Tragen eines islamischen Kopftuchs sei vom objektiven Betrachterhorizont her ein Zeichen für die Befürwortung einer umfassenden auch rechtlichen Ungleichbehandlung von Mann und Frau zu sehen und deshalb stelle es auch die Eignung der Trägerin für pädagogische Berufe infrage ![]() ![]() | |
Ebenso wenig ergeben sich für eine Bevorzugung christlich und jüdisch verankerter religiöser Bekundungen tragfähige Rechtfertigungsmöglichkeiten. Die Wahrnehmung des Erziehungsauftrags, wie er in Art. 7 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 3 der Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen umschrieben ist, rechtfertigt es nicht, Amtsträger einer bestimmten Religionszugehörigkeit bei der Statuierung von Dienstpflichten zu bevorzugen. Soweit diesen landesverfassungsrechtlichen Bestimmungen ein christlicher Bezug des staatlichen Schulwesens entnommen werden kann, soll sich dies auf säkularisierte Werte des Christentums beziehen. Zudem wird das landesverfassungsrechtliche Erziehungsziel in Art. 7 Abs. 1 Verf NW ("Ehrfurcht vor Gott") nach wohl überwiegender Auffassung nicht nur auf den christlichen Glauben bezogen; es soll offen sein für ein persönliches Gottesverständnis, also nicht nur das christliche, sondern auch das islamische Gottesverständnis ebenso umfassen wie polytheistische oder unpersönliche Gottesvorstellungen (vgl. Ennuschat, in: Löwer/Tettinger, Kommentar zur Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen, 2002, Art. 7 Rn. 23 m.w.N., Art. 12 Rn. 22; Dästner, Die Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl. 2002, Art. 7 Rn. 3; Söbbeke, in: Heusch/Schönenbroicher, Die Landesverfassung Nordrhein-Westfalen, 2010, Art. 12 Rn. 10; Häberle, in: Festschrift für Wolfgang Zeidler, Bd.1, 1987, S. 3 [14]). Schließlich beziehen sich die landesverfassungsrechtlichen Bestimmungen, die in § 57 Abs. 4 Satz 3 SchulG NW in Bezug genommen werden, vornehmlich auf die Gestaltung des Unterrichts und seiner Rahmenbedingungen, sind aber keine tragfähige Grundlage für eine differen ![]() ![]() | |
d) Eine verfassungskonforme einschränkende Auslegung des Satzes 3 von § 57 Abs. 4 SchulG NW, wie sie das Bundesarbeitsgericht zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Benachteiligung aus religiösen Gründen seinen Entscheidungen zugrunde gelegt hat, ist nicht möglich. Sie würde die Grenzen verfassungskonformer Norminterpretation überschreiten und wäre mit der richterlichen Gesetzesbindung nicht vereinbar (Art. 20 Abs. 3 GG).
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Die verfassungskonforme Auslegung findet ihre Grenze dort, wo sie zum Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde. Der Respekt vor dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber verbietet es, im Wege der Auslegung einem nach Sinn und Wortlaut eindeutigen Gesetz einen entgegengesetzten Sinn beizulegen oder den normativen Gehalt einer Vorschrift grundlegend neu zu bestimmen (vgl. BVerfGE 90, 263 [274 f.]; 119, 247 [274]; 128, 193 [209 ff.]; 132, 99 [127 ff.]).
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Das Bundesarbeitsgericht hat darauf abgestellt, dass die "Darstellung" christlicher und abendländischer Bildungs- und Kulturwerte im Sinne des Satzes 3 nicht gleichzusetzen sei mit der "Bekundung" eines individuellen Bekenntnisses im Sinne des Satzes 1. Zudem bezeichne der Begriff des "Christlichen" eine von Glaubensinhalten losgelöste, aus der Tradition der christlich-abendländischen Kultur hervorgegangene Wertewelt, die erkennbar auch dem Grundgesetz zugrunde liege und unabhängig von ihrer religiösen Fundierung Geltung beanspruche.
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Zwar mag der unterschiedliche Sprachgebrauch in Satz 1 ("Bekundungen") und Satz 3 ("Darstellung") einen Ansatz für die vom Bundesarbeitsgericht gefundene Auslegung bieten. Auch dem Landesgesetzgeber war im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsvorhabens die Möglichkeit einer einschränkenden Auslegung in diesem Sinne bewusst. Denn noch vor dem endgültigen ![]() ![]() | |
Gleichwohl wurde ebenso wie von den Gesetzesinitiatoren auch im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens die Absicht gehegt, jedenfalls keine Regelung zu treffen, die beispielsweise Lehrerinnen das Unterrichten in einem Ordenshabit verbietet oder das Tragen der jüdischen Kippa untersagen sollte (LTDrucks 14/569, S. 9). Insofern folgerichtig hat der Gesetzgeber die Regelung des § 57 Abs. 4 Satz 3 SchulG NW ausdrücklich auf das Bekundungsverbot des Satzes 1 bezogen und diese gesetzgebungstechnisch als Ausnahme konstruiert. Dies wird noch dadurch verstärkt, dass Satz 3 in seinem Wortlaut zwar den Erziehungsauftrag der Landesverfassung insgesamt erwähnt, dann aber nur die entsprechende Darstellung christlicher und abendländischer Bildungs- und Kulturwerte oder Traditionen vom Verhaltensgebot des Satzes 1 ausnimmt. Die im Wortlaut der Verfassungsbestimmung des Art. 12 Abs. 3 Satz 1 Verf NW daneben ausdrücklich erwähnte Offenheit auch für andere religiöse und weltanschauliche Überzeugungen wird indessen außer Acht gelassen und nicht mehr aufgeführt. All das verdeutlicht, dass die vom Bundesarbeitsgericht gefundene einschränkende Auslegung der Vorschrift deren normativen Gehalt im Grunde neu bestimmt und damit auch den im Gesetzgebungsverfahren klar erkennbar hervorgetretenen Willen des Gesetzgebers nicht mehr trifft. Dieser Wille hat sich nicht durch die vor Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens erfolgte Erörterung der Möglichkeit einer anderen Auslegung verändert; diese lässt lediglich erkennen, dass der Landtag sich des verfassungsrechtlichen Risikos bewusst war. ![]() | |
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Verfehlt der Ansatz des Bundesarbeitsgerichts damit aber die Grenzen verfassungskonformer Auslegung, so erweist sich, dass § 57 Abs. 4 Satz 3 SchulG NW zu einer gleichheitswidrigen Benachteiligung aus Glaubensgründen führt, die nicht zu rechtfertigen ist.
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2. § 57 Abs. 4 Satz 3 SchulG NW ist hiernach für mit Art. 3 Abs. 3 Satz 1, Art. 33 Abs. 3 GG unvereinbar und nichtig zu erklären. Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auch auf dieser Vorschrift (dazu III., vor 1.).
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IV.
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In der hier verfassungsrechtlich gebotenen Auslegung verstößt die Regelung des § 57 Abs. 4 (gegebenenfalls i.V.m. § 58 Satz 2) SchulG NW, soweit sie religiöse Bekundungen durch das äußere Erscheinungsbild von Lehrkräften betrifft, nicht gegen weitere Grundrechte oder sonstiges Bundesrecht (Art. 31 GG); sie ist insbesondere mit den einschlägigen Bestimmungen des Allgemeinen ![]() ![]() | |
1. Unter der Maßgabe der im Lichte der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Lehrkräfte gebotenen Auslegung des Verbots religiöser Bekundungen durch das äußere Erscheinungsbild begegnet die mittelbar zur Prüfung stehende Regelung (§ 57 Abs. 4, § 58 Satz 2 SchulG NW) insoweit keinen weiteren durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.
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a) Andere Grundrechte gewährleisten hier keinen weitergehenden Schutz als er aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG sowie aus Art. 3 Abs. 3 Satz 1 und Art. 33 Abs. 3 GG folgt. Selbst unter der Annahme, dass im Einzelfall die Freiheit der Berufswahl (Art. 12 Abs. 1 GG) betroffen wäre, wenn ein als verpflichtend empfundenes religiöses Gebot in Frage steht, wären die vom Landesgesetzgeber verfolgten Ziele mittels einer auf eine hinreichend konkrete Gefahr für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität begrenzten Untersagungsnorm besonders gewichtige Gemeinschaftsbelange, die die Regelung rechtfertigen (vgl. BVerfGE 119, 59 [83]).
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b) § 57 Abs. 4 Satz 1 SchulG NW verstößt in der gebotenen einschränkenden Auslegung nicht gegen das Gebot der Gleichbehandlung wegen des Geschlechts. In der angegriffenen Auslegung durch das Bundesarbeitsgericht wäre die Regelung, soweit sie entsprechend der den Gesetzgeber bestimmenden Intention religiöse Bekundungen durch das äußere Erscheinungsbild betrifft, hingegen nicht mit dem Gleichbehandlungsgebot vereinbar.
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Soweit § 57 Abs. 4 Satz 1 SchulG NW nach der angegriffenen Auslegung durch das Bundesarbeitsgericht religiöse Bekundungen im Schuldienst allein durch das äußere Erscheinungsbild unabhängig von einer konkreten Gefahr unterbindet, benachteiligt die Regelung Frauen, weil sie die pädagogische Tätigkeit im Schuldienst von Voraussetzungen abhängig macht, die tatsächlich ganz überwiegend Frauen nicht erfüllen können. Zwar handelt es sich um eine geschlechtsneutral formulierte Regelung. Intendierte Bedeutung des § 57 Abs. 4 Satz 3 SchulG NW ist aber, das Tragen von Kleidungsstücken, die christlichen und abendländischen Bildungs- und Kulturwerten oder Traditionen entsprechen, vom Be ![]() ![]() | |
Das Grundgesetz bietet Schutz auch vor faktischen Benachteiligungen aufgrund des Geschlechts (vgl. BVerfGE 97, 35 [43]; 104, 373 [393]; 113, 1 [15]; 121, 241 [254 f.]; 126, 29 [53]; 132, 72 [97 f. Rn. 57]). Eine Rechtfertigung faktischer Benachteiligungen kommt zwar grundsätzlich in Betracht. Ein hinreichender Rechtfertigungsgrund ist hier jedoch mit Blick auf die angegriffene Regelung in der auch vom Gesetzgeber intendierten Fassung (vgl. LTDrucks 13/4564, S. 8; 14/569, S. 9; dazu bereits oben C. III.) nicht ersichtlich. Die für ein Bekundungsverbot aufgeführten Gründe (oben B. II. 3. a) rechtfertigen ein unabhängig von einer konkreten Gefahr eingreifendes Bekundungsverbot gegenüber dem Schutz vor faktischer Benachteiligung ebenso wenig wie gegenüber der Religionsfreiheit der Pädagoginnen (oben B. II. 3. d). Auch soweit argumentiert wird, ein Kopftuchverbot schütze Frauen vor derjenigen Diskriminierung, die einem religiösen Bedeckungsgebot selbst innewohne, trägt dies nicht, denn dieser Schutz wirkt sich hier tatsächlich als Benachteiligung aus (vgl. BVerfGE 85, 191 [209]). Die Benachteiligung lässt sich auch nicht damit rechtfertigen, das Kopftuch signalisiere eine ablehnende Haltung zur Gleichberechtigung von Männern und Frauen, denn dies ist weder automatisch noch durchgängig der Fall (dazu oben B. II. 5.).
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Soweit die Norm auch in der gebotenen einschränkenden Auslegung zu faktischen Benachteiligungen von Frauen führt, ist dies hingegen aus den Gründen zu rechtfertigen, die auch einen Eingriff in Art. 4 GG tragen können (oben B. II. 3. d) bb) [4]).
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c) Die Berufung der Beschwerdeführerinnen auf einen bei ihrer Einstellung in den Schuldienst begründeten Vertrauensschutz zeigt keinen verfassungsrechtlich erheblichen Mangel auf. Das ![]() ![]() | |
d) § 57 Abs. 4 (gegebenenfalls i.V.m. § 58 Satz 2) SchulG NW ist in der hier verfassungsrechtlich gebotenen Auslegung als landesrechtliche Norm mit sonstigem Bundesrecht vereinbar und deshalb auch unter diesem Gesichtspunkt von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden (Art. 31 GG; vgl. BVerfGE 80, 137 [153]). Eine weitergehende Verletzung der Grundrechte der Beschwerdeführerinnen unter diesem Gesichtspunkt scheidet mithin aus. Die Regelung steht in dieser Auslegung mit Art. 9 und Art. 14 EMRK ebenso im Einklang wie mit § 7 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 AGG.
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aa) Eine Verletzung von Garantien der Europäischen Menschenrechtskonvention liegt nicht vor.
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(1) Innerhalb der deutschen Rechtsordnung stehen die Europäische Menschenrechtskonvention und ihre Zusatzprotokolle -- soweit sie für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten sind -- im Range eines Bundesgesetzes (vgl. BVerfGE 74, 358 ![]() ![]() | |
(2) Die konventionsrechtlich garantierte Religionsfreiheit (Art. 9 EMRK) und das Diskriminierungsverbot (Art. 14 EMRK) sind in ihrer Auslegung durch die hierzu ergangene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) offensichtlich nicht verletzt. Der Gerichtshof hat im Zusammenhang mit Bekleidungsvorschriften für Lehrkräfte, namentlich dem Verbot des Tragens des islamischen Kopftuchs, den Vertragsstaaten im Blick auf das in dem betreffenden Land geltende weltanschaulich-religiöse Neutralitätsprinzip und den Schutz der negativen Religionsfreiheit Dritter, die er der Aufrechterhaltung der ![]() ![]() | |
Ein Verbot religiöser Symbole, das sich nicht direkt gegen eine bestimmte Religionszugehörigkeit richtet, ist auch im Lichte des Diskriminierungsverbots von Art. 14 EMRK jedenfalls aus denjenigen Gründen unbedenklich, aus denen auch ein darin liegender Eingriff in Art. 9 EMRK gerechtfertigt werden kann (vgl. EGMR [GK], Sahin v. Türkei, Urteil vom 10. November 2005, Nr. 44774/98, NVwZ 2006, S. 1389 [1396], § 165). Das ist hier der Fall, weil die Untersagungsregelung alle religiösen Bekundungen gleichermaßen trifft und weit über solche durch äußeres Auftreten hinausgreift, vor allem auch verbale Bekundungen erfasst.
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Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung des Gerichtshofs, von der die Bewertung auszugehen hat (vgl. BVerfGE 111, 307 [319]; 128, 326 [368 ff.]), ergibt sich, dass die den angegriffenen Entscheidungen zugrunde liegenden landesschulgesetzlichen Bestimmungen in der oben von Verfassungs wegen vorgegebenen einschränkenden Interpretation keinen weitergehenden, aus der Europäischen Menschenrechtskonvention folgenden Bedenken begegnet.
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bb) Ebenso wenig verletzen die in Rede stehenden landesschulgesetzlichen Regelungen in der hier gebotenen einschränkenden Auslegung die Benachteiligungsverbote des bundesrechtlichen Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. ![]() | |
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Auch unter dem Gesichtspunkt einer mittelbaren Benachteiligung wegen des Geschlechts (§ 3 Abs. 2 Satz 1 AGG) lässt sich ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG durch die Regelung in der gebotenen verfassungskonformen Auslegung aus den auch für das verfassungsrechtliche Gebot der Gleichbehandlung geltenden Gründen nicht feststellen.
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2. Es bedarf keiner näheren Befassung mit der Frage, ob das Bundesarbeitsgericht als letztinstanzliches Fachgericht den Beschwerdeführerinnen ihren gesetzlichen Richter vorenthalten hat (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG), indem es von einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV abgesehen hat. Die vom Bundesarbeitsgericht getroffenen Entscheidungen erweisen sich bereits aus anderen Gründen als mit dem Grundgesetz nicht vereinbar.
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V.
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Danach ist die Vorschrift des § 57 Abs. 4 Satz 3 SchulG NW mit Art. 3 Abs. 3 und Art. 33 Abs. 3 GG unvereinbar und nichtig (§ 95 Abs. 3 BVerfGG). Die angegriffenen Urteile der Arbeitsgerichte verletzen die Beschwerdeführerinnen jeweils in ihrem Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG. Die Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte und des Bundesarbeitsgerichts sind aufzuheben. Der Senat verweist die Sachen jeweils an das Landesarbeitsgericht zurück (§ 95 Abs. 2 BVerfGG). Auf diese Weise wird in der ![]() ![]() | |
C. | |
Die Auslagenentscheidung beruht auf § 34a Abs. 2 und 3 BVerfGG.
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Die Entscheidung ist mit 6 : 2 Stimmen ergangen.
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Die vom Senat geforderte einschränkende Auslegung des § 57 Abs. 4 Satz 1 SchulG NW dahin, dass nur eine hinreichend konkrete Gefahr für den Schulfrieden und die staatliche Neutralität ein Verbot religiöser Bekundungen durch das äußere Erscheinungsbild von Pädagogen zu rechtfertigen vermag, wenn es um die Befolgung eines imperativ verstandenen religiösen Gebots geht, misst den zu dem individuellen Grundrecht der Pädagogen gegenläufigen Rechtsgütern von Verfassungsrang bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu geringes Gewicht bei. Sie vernachlässigt die Bedeutung des staatlichen Erziehungsauftrags, der unter Wahrung der Pflicht zu weltanschaulich-religiöser Neutralität zu erfüllen ist, sowie den Schutz des elterlichen Erziehungsrechts und der negativen Glaubensfreiheit der Schüler. Damit beschneidet der Senat zugleich in nicht akzeptabler Weise den Spielraum ![]() ![]() | |
Anders als der Senat meint, ist Satz 3 des § 57 Abs. 4 SchulG NW, wonach die Wahrnehmung des Erziehungsauftrags der Schulen nach der nordrhein-westfälischen Landesverfassung und die entsprechende Darstellung christlicher und abendländischer Bildungs- und Kulturwerte oder Traditionen dem Verhaltensgebot nach Satz 1 nicht widerspricht, in der Auslegung durch das Bundesarbeitsgericht verfassungsrechtlich unbedenklich. Diese Interpretation, die an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anknüpft, hält sich in den Grenzen richterlicher Gesetzesbindung (Art. 20 Abs. 3 GG). Liegt damit für christliche und jüdische Religionen keine Freistellung vom Bekundungsverbot des Satzes 1 in § 57 Abs. 4 SchulG NW und damit keine Privilegierung vor -- eine solche wäre auch unserer Ansicht nach gleichheitswidrig --, so besteht auch kein Grund, die Teilregelung des Satzes 3 für verfassungswidrig und nichtig zu erklären (dazu II.).
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In der Folge bestehen gegen die angegriffene Vorschrift des § 57 Abs. 4 SchulG NW auch keine durchgreifenden Bedenken, die sich aus anderen Grundrechten der Beschwerdeführerinnen, ![]() ![]() | |
I.
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Die vom nordrhein-westfälischen Landesschulgesetzgeber gewollte Untersagung religiöser Bekundungen auch durch das äußere Erscheinungsbild von Pädagogen nach § 57 Abs. 4 Satz 1 SchulG NW, wenn diese geeignet sind, den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität zu gefährden oder zu stören, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Bekundungswirkung hinreichend stark ist. Eine einschränkende Auslegung der Bestimmung, wonach die Untersagung in der hier gegebenen Konstellation eine hinreichend konkrete Gefahr für die Schutzgüter erfordert, ist von Verfassungs wegen nicht geboten. Im Gegenteil: Sie misst dem elterlichen Erziehungsrecht und der negativen Glaubensfreiheit der Schüler sowie dem staatlichen Erziehungsauftrag, der unter Wahrung der Pflicht zu weltanschaulich-religiöser Neutralität zu erfüllen ist, im Verhältnis zu der Glaubensfreiheit der Pädagogen in dem zu einem schonenden Ausgleich zu bringenden multipolaren Grundrechtsverhältnis in der Schule zu geringes Gewicht bei und verkürzt den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers. Es steht dem Gesetzgeber im Rahmen dieses Gestaltungsspielraums offen, solche Bekundungen schon bei nur abstrakter Gefahr für die Schutzgüter zu untersagen.
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1. Die bekenntnisoffene öffentliche Gemeinschaftsschule ist durch das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Glaubensüberzeugungen von Pädagogen, Schülern und Eltern gekennzeichnet, ![]() ![]() ![]() ![]() | |
Diese Maßgaben, die der Zweite Senat in der zitierten Entscheidung mindestens nahe gelegt hat, auch wenn der hier zur Entscheidung berufene Erste Senat sie jetzt unausgesprochen als nicht entscheidungstragend bewertet, wären der verfassungsrechtlichen Beurteilung unseres Erachtens auch im Interesse einer berechenbaren Verfassungsrechtsprechung zugrunde zu legen gewesen. Denn die Landesschulgesetzgeber, die wie vorliegend in Nordrhein-Westfalen die Entscheidung des Zweiten Senats aus dem Jahr 2003 (BVerfGE 108, 282) zum Anlass für eine entsprechende gesetzliche Regelung genommen haben, sind von genau diesem Verständnis jener Entscheidung ausgegangen. In verschiedenen Anhörungen durch Landtagsausschüsse auch anderer Länder, die sich damals mit den Folgen der Entscheidung des Zweiten Senats befasst haben, ist dementsprechend ein generelles und für alle Religionen geltendes Verbot des Tragens religiös konnotierter Kleidungsstücke im Schuldienst für verfassungsrechtlich statthaft erachtet worden (vgl. etwa Muckel, Landtag Nordrhein-Westfalen, Ausschussprotokoll 14/137, S. 12 ff.; Oebbecke, Landtag Nordrhein-Westfalen, Zuschrift 13/3910, S. 5 sowie Stellungnahme 14/0184, S. 1; ferner Baer/Wrase, Schleswig-Holsteinischer Landtag, Umdruck 15/4513, S. 5; Masing, Bayerischer Landtag, 15. Wahlperiode, Ausschüsse, Wortprotokoll vom 15. Juni 2004, S. 12 bis 14).
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Das vom Gesetzgeber beabsichtigte Verständnis der Norm, das das Bundesarbeitsgericht mit seiner Auslegung in den Ausgangsverfahren aufgenommen hat und wonach schon eine abstrakte Gefahr für den Schulfrieden und die staatliche Neutralität für die ![]() ![]() | |
2. Die vom Senat seiner Verhältnismäßigkeitsprüfung zugrunde gelegte Würdigung halten wir auf dieser Grundlage, namentlich den Ausführungen im Urteil des Zweiten Senats vom 24. September 2003 (BVerfGE 108, 282), für nicht überzeugend. Vielmehr kann der Landesschulgesetzgeber gute und tragfähige Gründe für sich in Anspruch nehmen, die schon die abstrakte Gefahr für den Schulfrieden und die staatliche Neutralität für das in Rede stehende generelle Verbot religiöser Bekundungen auch durch das äußere Erscheinungsbild genügen lassen. Auch eine solche Lösung für die Umsetzung des vom Gesetzgeber verfolgten legitimen Ziels ist als angemessen und zumutbar zu beurteilen.
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a) Der Senat geht davon aus, das Tragen einer religiös konnotierten Bekleidung durch Pädagogen, die im sozialen Umfeld als religiöse Bekundung wahrgenommen wird, sei als individuelle Grundrechtsausübung erkennbar. Die Betrachtung erschöpfe sich in der visuellen Wahrnehmung und sei nicht von vornherein dazu angetan, die negative Glaubensfreiheit und das Elterngrundrecht zu beeinträchtigen. Auch könne das Tragen etwa eines islamischen Kopftuchs durch Pädagoginnen nicht als vorbildhaft bewertet werden. Zudem gebe es keinen Anspruch auf Verschonung vor ![]() ![]() | |
Damit ist die Betroffenheit von Schülerinnen und Schülern sowie von Eltern in ihrer negativen Glaubensfreiheit sowie im Elterngrundrecht nur unzureichend erfasst und gewichtet. Diese Bewertung halten wir für nicht realitätsgerecht. Sie vernachlässigt, dass das Schüler-Pädagogen-Verhältnis ein spezifisches Abhängigkeitsverhältnis ist, dem Schüler und Eltern unausweichlich und nicht nur flüchtig ausgesetzt sind. Das Maß der Betroffenheit unterscheidet sich grundlegend von dem, das beim Zusammentreffen verschiedener religiöser Bekenntnisse und Bekundungen im gesellschaftlichen Alltag gegeben ist, und mit dem Menschen in einer pluralistischen Gesellschaft umgehen und das sie dulden müssen, auch wenn sie dem im Einzelfall, etwa im öffentlichen Raum nur begrenzt entgehen können. In jedem Falle sind solche Berührungen in der Regel nur punktuell und nicht von nennenswerter Dauer. Schon das unterscheidet sie von der Begegnung und Konfrontation in der Schule, der die Schüler sich nicht entziehen können und bei der die Nichtteilnahme am Unterricht sogar sanktioniert ist. Schüler können also hier den Lehrpersonen und ihren Überzeugungen nicht aus dem Weg gehen. Darüber hinaus ist es Aufgabe der Lehrpersonen, Schülerinnen und Schüler zu unterrichten, zu erziehen, zu beraten, zu beurteilen, zu beaufsichtigen und zu betreuen (§ 57 Abs. 1 SchulG NW). Daraus erhellt sich auch das besondere Abhängigkeitsverhältnis zwischen Schülern und Pädagogen, die über die Versetzung und einen erfolgreichen Schulabschluss mitbefinden. Sie können schon deshalb nicht mit beliebigen Personen aus der Gesellschaft verglichen werden, die von den Schülerinnen und Schülern lediglich angeschaut werden und deren Auffassung diese ertragen müssen; vielmehr treten sie in der Schule als Autoritätsperson auf. Das gilt auch für sozialpädagogische Mitarbeiter, die mit der Lösung von Schulkonflikten betraut sind (vgl. § 58 Satz 2 SchulG NW). Dies bedingt ein weitaus stärkeres Ausgesetztsein gegenüber religiösen Bekundungen als es bei Begegnungen im gesellschaftlichen Alltag der Fall ist. Beides ist nicht vergleichbar. ![]() | |
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Das Tragen religiös konnotierter Kleidung durch Pädagogen kann schließlich zu Konflikten innerhalb der Schülerschaft und unter den Eltern führen und sie befördern, zumal wenn die Betroffenen möglicherweise ähnlichen, aber hinsichtlich bestimmter religiöser Regeln -- wie etwa dem Bedeckungsgebot -- verschiedenen Glaubensrichtungen angehören, in denen unterschiedliche Anschauungen über das "richtige" glaubensgeleitete Verhalten ![]() ![]() | |
c) Die Pädagogen genießen zwar ihre individuelle Glaubensfreiheit. Zugleich sind sie aber Amtsträger und damit der fördernden Neutralität des Staates auch in religiöser Hinsicht verpflichtet. Denn der Staat kann nicht als anonymes Wesen, sondern nur durch seine Amtsträger und seine Pädagogen handeln. Diese sind seine Repräsentanten. Die Verpflichtung des Staates auf die Neutralität kann deshalb keine andere sein als die einer Verpflichtung seiner Amtsträger auf Neutralität. Für den Pädagogen in der Schule als Individuum ist es deshalb anders als für das Individuum in ausschließlich gesellschaftlichen Zusammenhängen geboten, bei religiösen Bekundungen Zurückhaltung zu üben, wenn seine Überzeugung bei der Wahrnehmung des staatlichen Erziehungsauftrags mit den Grundrechten anderer kollidieren kann. Das gilt für äußere religiöse Bekundungen gleichermaßen wie für politische Bekundungen, die freilich den unter Gesetzesvorbehalt stehenden Grundrechten auf Meinungsfreiheit und allgemeine Handlungsfreiheit zuzuordnen sind.
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d) Der Gesetzgeber konnte sich bei seiner Entschließung für ein weitgehend schon vorbeugendes Verbot auch auf die damals -- im Anschluss an die Kopftuch-Entscheidung des Zweiten Senats (BVerfGE 108, 282) -- bei den Anhörungen in verschiedenen Landtagen hervorgetretene, weitgehend übereinstimmende Einschätzung sachkundiger Pädagogen stützen. So hat etwa bei einer vorangegangenen Anhörung zu einer ähnlichen landesschulgesetzlichen Regelung im Landtag von Baden-Württemberg der Vorsitzende der Vereinigung von Schulleitern betont, durch die Persönlichkeit der Lehrkraft, zu der auch das äußere Erscheinungsbild gehöre, würden Schülerinnen und Schüler bestimmter Altersgruppen angesprochen und direkt oder indirekt beeinflusst. Er hat dabei eine Erklärung des Landesschulbeirats vorgetragen ![]() ![]() | |
Diese Stellungnahmen verdeutlichen die Bedeutung eines generellen, etwa auch landesweiten und -einheitlichen Verbots religiöser Bekundungen schon bei abstrakter Gefahr für den Schulfrieden und die staatliche Neutralität. Zudem liegt auf der Hand, dass mit einer Einschränkung des Verbots auf Fälle einer hinreichend konkreten Gefahr für die Schutzgüter in der Schulpraxis in ![]() ![]() | |
e) Die spezifische Situation in der Schule ist, wie dargelegt, zum einen durch die Unausweichlichkeit, zum anderen durch den appellativen Charakter entsprechend starker religiöser Bekundungen sowie durch das besondere Abhängigkeitsverhältnis geprägt. In dieser Situation liegt nicht fern, dass Zweifel von Schülern und Eltern an der gebotenen Neutralität der betreffenden Pädagogen aufkommen können. Diese Umstände tragen die Einschätzung des Gesetzgebers, dass in einer vielgestaltigen Gesellschaft, in der eine weitgehende religiöse Homogenität nicht länger unterstellt werden kann, zum Schutz der positiven und negativen Glaubensfreiheit von Schülerinnen und Schülern sowie des entsprechenden Elterngrundrechts und zur Wahrung der gebotenen staatlichen Neutralität bei der Wahrnehmung des Erziehungsauftrags ein Verbot jedweder religiösen Bekundung mit starker Wirkung durch Pädagogen in der Schule erforderlich und angemessen ist, wenn diese auch nur abstrakt eine Gefahr für die genannten Schutzgüter darstellt. Die Würdigung des Senats, nach der es allein angemessen und zumutbar ist, wenn den Pädagogen im Schulverhältnis bei der Wahrnehmung des staatlichen Erziehungsauftrags die Inanspruchnahme ihres individuellen Grundrechts auf Glaubensfreiheit in einem Maße zugestanden wird, die erst an der Schwelle zur gezielten Beeinflussung und zu einer hinreichend konkreten Gefahr für den Schulfrieden und die staatliche Neutralität halt macht, vernachlässigt demgegenüber die spezifische Situation in der Schule. Denn der Staat verlangt von ![]() ![]() | |
3. Zusammengefasst ist nach unserem Dafürhalten die Untersagung religiöser Bekundungen durch das äußere Erscheinungsbild von Pädagogen schon bei einer abstrakten Gefahr für den Schulfrieden und die staatliche Neutralität verfassungsrechtlich unbedenklich. Mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ist einschränkend allerdings zu verlangen, dass es sich für die Untersagung des Tragens religiös konnotierter Kleidung um eine solche von starker Ausdruckskraft handeln muss. Es steht dem Landesschulgesetzgeber von Verfassungs wegen jedoch auch offen, religiöse Bezüge in weitem Maße zuzulassen, etwa wenn er dies im Interesse einer Erziehung zu Toleranz und Verständnis für angemessen erachtet. Verpflichtet ist er dazu von Verfassungs wegen indessen nicht.
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4. Eine Erstreckung der verfassungsrechtlichen Prüfung auf Satz 2 des § 57 Abs. 4 SchulG NW war nicht geboten. Diese Bestimmung hat zwar die Schulverwaltung in den Ausgangsfällen mit herangezogen. Die angegriffenen arbeitsgerichtlichen Entscheidungen sind darauf jedoch nicht mehr gestützt. Allerdings ist dem Senat darin zuzustimmen, dass allein das Tragen eines sogenannten islamischen Kopftuchs keinen Schluss darauf zulässt, ![]() ![]() | |
II.
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Das vom Bundesarbeitsgericht zugrunde gelegte Normverständnis des Satzes 3 des § 57 Abs. 4 SchulG NW, wonach die Wahrnehmung des Erziehungsauftrags der Schule nach der nordrhein-westfälischen Landesverfassung und die entsprechende Darstellung christlicher und abendländischer Bildungs- und Kulturwerte oder Traditionen dem Verhaltensgebot nach Satz 1 nicht widerspricht, wahrt die Grenzen richterlicher Gesetzesbindung (Art. 20 Abs. 3 GG) und ist verfassungsrechtlich in dieser Interpretation nicht zu beanstanden. Dieser Teil der Vorschrift war deshalb nicht für verfassungswidrig zu erklären.
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Dem Senat ist darin zuzustimmen, dass ein Verständnis des Satzes 3 von § 57 Abs. 4 SchulG NW im Sinne einer echten Freistellungs- und Privilegierungsklausel zum Bekundungsverbot des Satzes 1 wegen Verstoßes gegen das Gleichbehandlungsgebot verfassungswidrig wäre. Die vom Bundesarbeitsgericht gefundene Auslegung hingegen, die derjenigen des Bundesverwaltungsgerichts zu einer entsprechenden Regelung im baden-württembergischen Schulgesetz folgt (BVerwGE 121, 140 [147, 150]), vermeidet ein solches Ergebnis jedoch. Diese Auslegung ist naheliegend, steht mit dem Wortlaut des Gesetzes im Einklang, widerspricht -- entgegen der Auffassung des Senats -- keineswegs dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers und bestimmt auch den normativen Gehalt der Regelung nicht grundlegend neu.
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Es trifft zwar zu, dass die Gesetzesinitiatoren sowohl in der 13. als auch in der 14. Wahlperiode des nordrhein-westfälischen Landtags ausweislich der Gesetzentwurfsbegründungen mit Satz 3 der Vorschrift die Vorstellung verbanden, anders als das islamische Kopftuch etwa könnten bestimmte traditionelle, im christlichen oder jüdischen Glauben wurzelnde Bekleidungsformen zugelassen werden (vgl. Gesetzentwurfsbegründungen LTDrucks 13/4564, S. 8 zum damaligen Schulordnungsgesetz NW; LTDrucks 14/569, S. 9). Dabei kann die Beurteilung aus der Ent ![]() ![]() | |
Die Ursprungsvorstellungen bei der Abfassung der Begründungen zu den Gesetzentwürfen haben im weiteren Verlauf des von vielfältigen Einflüssen bestimmten Gesetzgebungsverfahrens einen Wandel erfahren. Nachdem das Bundesverwaltungsgericht -- noch vor den letzten Anhörungen in dem zuständigen Ausschuss des Landtags von Nordrhein-Westfalen und vor dem endgültigen Gesetzesbeschluss des Landtags -- die entsprechende baden-württembergische schulgesetzliche Regelung bereits einschränkend ausgelegt hatte, und auch bei den Sachverständigen-Anhörungen im nordrhein-westfälischen Landtagsausschuss Entsprechendes vertreten worden war (vgl. etwa Muckel, LT-Stellungnahme 14/0188, LT-Ausschussprotokoll 14/137, S. 9 ff., S. 53 f.; Stephan, LT-Stellungnahme 14/0174), wurde die Landesregierung vom Hauptausschuss des Landtags um eine verfassungsrechtliche Bewertung des Ergebnisses der Sachverständigen-Anhörungen gebeten. Deren schriftliche Äußerung zur Anhörung ging -- wie der Senat zutreffend hervorhebt -- im Blick auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts dahin, die bei den Anhörungen geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken zu Satz 3 bezögen sich nicht auf die gesetzliche Regelung als solche, sondern allein auf die Frage, wie die Norm verfassungskonform auszulegen und anzuwenden sei (LT-Vorlage 14/0463, S. 2). In Verbindung mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts war daher vor dem endgültigen Gesetzesbeschluss des Landtags klar, dass eine sol ![]() ![]() | |
Die vom Senat zur Begründung seiner Ansicht weiter angeführten Erwägungen rechtfertigen keine andere Beurteilung: Dass Satz 3 in der Interpretation des Bundesarbeitsgerichts lediglich noch klarstellende Funktion zukomme und sich nicht in den Regelungskontext füge, ist ohne Bedeutung für die Frage, ob er verfassungswidrig ist. Im Übrigen können regelungstechnisch durchaus auch lediglich klarstellende, ergänzende Vorschriften für die Abgrenzung einer Hauptnorm und für deren Interpretation hilfreich und sinnvoll sein. Sie sind in der Rechtsordnung vielfach anzutreffen, ohne dass sie deshalb in die Nähe der Verfassungswidrigkeit gerückt würden. Unerheblich ist weiter, dass Satz 3 des § 57 Abs. 4 SchulG NW den Bezug auf Art. 12 Abs. 3 Satz 1 Verf NW inhaltlich unvollständig aufnimmt, weil in ihm -- anders als in der Landesverfassung -- nur die christlich-abendländischen Bildungs- ![]() ![]() | |
Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass der Senat dem für die Auslegung maßgeblichen, in der Norm zum Ausdruck kommenden objektivierten Willen des Gesetzgebers (vgl. BVerfGE 1, 299 [312]; 11, 126 [132]; 105, 135 [157]; 110, 226 [248]; stRspr) ebenso wenig gerecht wird wie den im Verlaufe des Gesetzgebungsverfahrens zutage getretenen subjektiven Vorstellungen der Gesetzgebungsorgane. Bei zutreffender Würdigung ist gegen Satz 3 des § 57 Abs. 4 SchulG NW in der Auslegung des Bundesarbeitsgerichts von Verfassungs wegen nichts zu erinnern.
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III.
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Auf der Grundlage der hier vertretenen verfassungsrechtlichen Würdigung nach dem Maßstab des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG lässt sich aus den (oben unter I.) angeführten Gründen auch kein Verstoß gegen weitere Grundrechte, die Europäische Konvention für Menschenrechte und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz als bundesrechtliche Vorschrift (vgl. Art. 31 GG) feststellen. Das soll im Rahmen dieser abweichenden Meinung nicht weiter ausgeführt werden. Anzumerken bleibt allerdings:
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Auf der Grundlage unserer abweichenden Auffassung zur Würdigung des Satzes 3 von § 57 Abs. 4 SchulG NW ergibt sich das schon daraus, dass das vom Senat angenommene Verständnis der Vorschrift als echte Ausnahmeklausel für das Tragen von Kleidungsstücken, die christlichen und abendländischen Bildungs- und Kulturwerten entsprechen, nach unserem Dafürhalten auch bei der Prüfung einer geschlechtsspezifischen Benachteiligung nicht zugrunde zugelegt werden kann (siehe dazu oben II.). Damit gilt das Verbot religiöser Bekundungen durch das äußere Erscheinungsbild für weibliche wie männliche Angehörige aller Religionen und Weltanschauungen.
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Aber auch auf der Grundlage der Beurteilung durch die Senatsmehrheit, wonach es sich bei Satz 3 um eine Freistellungs- und Privilegierungsklausel zu Satz 1 zugunsten christlicher und jüdischer Religionen handeln soll, liegt keine Benachteiligung wegen des Geschlechts vor. Entgegen der Ansicht des Senats betrifft das Verbot auch dann nicht ganz überwiegend nur muslimische Frauen. Die Vorschrift des § 57 Abs. 4 Satz 1 SchulG NW in der Variante des Verbots religiöser Bekundungen erfasst nicht nur Bekundungen durch das äußere Erscheinungsbild. Sie greift sehr viel weiter und untersagt vor allem auch verbale und sonstige religiöse Bekundungen. Deshalb betrifft sie mit dem Tatbestandsmerkmal "religiöser Bekundungen" Männer und Frauen gleichermaßen. Der Senat kommt zur Annahme einer Benachteiligung aufgrund des Geschlechts nur dadurch, dass er nicht die Norm in der hier maßgeblichen Alternative als Ganzes -- als Verbot religiöser Bekundungen --, sondern nur eine ihrer tatsächlichen Anwendungsfallgruppen zum Ausgangspunkt seiner Beurteilung nimmt, nämlich die Bekundung durch das äußere Erscheinungsbild. Nur eine ihrer tatsächlichen Anwendungsfallgruppen kann jedoch nicht die Grundlage für die Beurteilung einer gesetzlichen Vorschrift dahin sein, sie betreffe tatsächlich ganz überwiegend Frauen. Mit ihrem gesamten Anwendungsbereich erfasst § 57 Abs. 4 Satz 1 SchulG NW in der Variante des Verbots religiöser ![]() ![]() | |
IV.
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Die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin zu I.) wäre auch nach unserer Auffassung im Ergebnis für begründet zu erachten gewesen. Die von ihr getragene Bedeckung, eine Wollmütze und ein gleichfarbiger Rollkragenpullover, ist nicht aus sich heraus religiös konnotiert und wird auch im gegebenen Umfeld der Schule nicht ohne Weiteres als religiöse Bekundung von starker Ausdruckskraft deutbar sein. Hierzu fehlt in den angegriffenen Entscheidungen eine vertretbare, tragfähige Begründung. Diese wäre nach dem Wechsel der Kopfbedeckung von einem in typischer Weise gebundenen Kopftuch zu einer Wollmütze umso mehr erforderlich gewesen, als dieser Zusammenhang mit zunehmendem Zeitablauf sukzessive verblasst.
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Die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin zu II.) erscheint dagegen nach den oben unter I. bis III. dargelegten Maßstäben unbegründet. Vorstellbar wäre allenfalls gewesen, aufgrund ihres Eintritts in den Schuldienst lange vor der Verkündung der in Rede stehenden Regelung, der unter Offenlegung ihrer glaubensgeleiteten Bekleidungspraxis erfolgt war, und wegen der langdauernden, im Blick auf die Schutzgüter unbeanstandet gebliebenen Lehrtätigkeit unter dem Gesichtspunkt rechtsstaatlich gebotenen Vertrauensschutzes (Art. 20 Abs. 3 GG) eine differenziertere gesetzliche Lösung für solche Altfälle einzufordern.
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