BVerfGE 27, 18 - Ordnungswidrigkeiten
Die Gesetzgebungskompetenz "Strafrecht" (Art. 74 Nr. 1 GG) umfaßt heute nicht nur das Strafrecht im herkömmlichen Sinn, sondern auch das Ordnungswidrigkeitenrecht.
 
Beschluß
des Zweiten Senats vom 16. Juli 1969
- 2 BvL 2/69 -
in dem Verfahren wegen verfassungsrechtlicher Prüfung der §§ 24 und 26 des Straßenverkehrsgesetzes in der Fassung des Einführungsgesetzes zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten vom 24. Mai 1968 (BGBl. I S. 503) und der §§ 36 und 68 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten vom 24. Mai 1968 (BGBl. I S. 481) - Aussetzungs- und Vorlagebeschluß des Amtsgerichts Nidda vom 2. Januar 1969 (Es 14/68) -.
Entscheidungsformel:
§§ 24 und 26 Absatz 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes in der Fassung des Einführungsgesetzes zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten vom 24. Mai 1968 (Bundesgesetzbl. I S. 503) und §§ 36 Absatz 1 Nummer 1, 68 Absatz 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten vom 24. Mai 1968 (Bundesgesetzbl. I S. 481) sind mit dem Grundgesetz vereinbar.
 
Gründe:
 
A. - I.
Durch Art. 3 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (EGOWiG) sind mit Wirkung zum 1. Januar 1969 die bisher als Übertretungen, teilweise auch als Vergehen strafbaren Zuwiderhandlungen gegen Verkehrsvorschriften in Ordnungswidrigkeiten umgewandelt worden. § 24 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) in der Fassung des Art. 3 Nr. 6 EGOWiG lautet:
    (1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig einer Vorschrift einer auf Grund des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 5 erlassenen Rechtsverordnung oder einer auf Grund einer solchen Rechtsverordnung ergangenen Anordnung zuwiderhandelt, soweit die Rechtsverordnung für einen bestimmten Tatbestand auf diese Bußgeldvorschrift verweist. Die Verweisung ist nicht erforderlich, soweit die Vorschrift der Rechtsverordnung vor dem 1. Januar 1969 erlassen worden ist.
    (2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße geahndet werden.
Die am 1. Januar 1969 schwebenden Verfahren wegen einer Zuwiderhandlung, die nach Art. 3 EGOWiG nur noch mit Geldbuße bedroht ist, sind in der Lage, in der sie sich befinden, nach den Vorschriften des neuen Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) fortzusetzen (Art. 158 Abs. 1 Satz 1 EGOWiG).
Ordnungswidrigkeiten werden, soweit das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten nichts anderes bestimmt, durch Bußgeldbescheide geahndet (§ 65 OWiG). Für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten, also für den Erlaß von Bußgeldbescheiden, ist im Regelfall die Verwaltungsbehörde zuständig (§ 35 OWiG). Zur sachlichen Zuständigkeit bestimmt § 36 OWiG:
    (1) Sachlich zuständig ist
    1. die Verwaltungsbehörde, die durch Gesetz bestimmt wird,
    2. mangels einer solchen Bestimmung
    a) die fachlich zuständige oberste Landesbehörde oder
    b) der fachlich zuständige Bundesminister, soweit das Gesetz von Bundesbehörden ausgeführt wird.
    (2) Die Landesregierung kann die Zuständigkeit nach Absatz 1 Nr. 2 Buchstabe a durch Rechtsverordnung auf eine andere Behörde oder sonstige Stelle übertragen. Die Landesregierung kann die Ermächtigung auf die oberste Landesbehörde übertragen.
    (3) Der nach Absatz 1 Nr. 2 Buchstabe b zuständige Bundesminister kann seine Zuständigkeit durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, auf eine andere Behörde oder sonstige Stelle übertragen.
Diese Regelung wird ergänzt durch § 26 Abs. 1 StVG in der Fassung des Art. 3 Nr. 6 EGOWiG. Er lautet:
    (1) Bei Ordnungswidrigkeiten nach § 24, die im Straßenverkehr begangen werden, ist Verwaltungsbehörde im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten die Behörde oder Dienststelle der Polizei, die von der Landesregierung durch Rechtsverordnung näher bestimmt wird. Die Landesregierung kann die Ermächtigung auf die zuständige oberste Landesbehörde übertragen.
Der Betroffene kann gegen einen Bußgeldbescheid Einspruch einlegen (§ 67 OWiG). Darauf entscheidet das Amtsgericht durch Urteil auf Grund einer Hauptverhandlung über die Beschuldigung, ohne an den im Bußgeldbescheid enthaltenen Ausspruch gebunden zu sein (vgl. § 66 Abs. 2 Nr. 1 b OWiG). Widersprechen der Betroffene und die Staatsanwaltschaft der Meinung des Gerichts, daß eine Hauptverhandlung nicht erforderlich sei, nicht, so entscheidet das Gericht durch Beschluß. In diesem Fall darf das Gericht von der im Bußgeldbescheid getroffenen Entscheidung nicht zum Nachteil des Betroffenen abweichen (§ 72 Abs. 2 OWiG). Die Frage, welches Amtsgericht zu entscheiden hat, ist in § 68 OWiG wie folgt geregelt:
    (1) Bei einem Einspruch gegen den Bußgeldbescheid entscheidet das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Verwaltungsbehörde ihren Sitz hat. Der Amtsrichter entscheidet allein.
    (2) Im Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende ist der Jugendrichter zuständig.
    (3) Sind in dem Bezirk der Verwaltungsbehörde eines Landes mehrere Amtsgerichte vorhanden, so kann die Landesregierung durch Rechtsverordnung die Zuständigkeit des Amtsgerichts abweichend von Absatz 1 danach bestimmen, in welchem Bezirk
    1. die Ordnungswidrigkeit oder eine der Ordnungswidrigkeiten begangen worden ist (Begehungsort) oder
    2. der Betroffene im Zeitpunkt des Einspruchs seinen Wohnsitz hat (Wohnort),
    soweit es mit Rücksicht auf die große Zahl von Verfahren sowie die weite Entfernung zwischen Begehungsort- oder Wohnort und dem Sitz des nach Absatz 1 zuständigen Amtsgerichts sachdienlich erscheint, die Verfahren auf mehrere Amtsgerichte aufzuteilen; § 37 Abs. 3 gilt entsprechend. Der Bezirk, von dem die Zuständigkeit des Amtsgerichts nach Satz 1 abhängt, kann die Bezirke mehrerer Amtsgerichte umfassen. Die Landesregierung kann die Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltung übertragen.
II.
1. Im Ausgangsverfahren hat die Amtsanwaltschaft Gießen am 3. Dezember 1968 gegen den Betroffenen wegen einer Übertretung nach §§ 1, 8 Abs. 2, 9 Abs. 1 und 4 StVO, § 21 StVG, §§ 73, 42 m StGB Anklage beim Amtsgericht Nidda erhoben und beantragt, das Hauptverfahren zu eröffnen, Termin zur Hauptverhandlung zu bestimmen und dem Betroffenen nach § 111 a StPO die Fahrerlaubnis vorläufig zu entziehen. Nach dem Inkrafttreten des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten am 1. Oktober 1968 (§ 112 OWiG) und aller Vorschriften des Art. 3 EGOWiG am 1. Januar 1969 (Art. 167 EGOWiG) sieht sich das Amtsgericht an einer Entscheidung über diese Anträge gehindert, weil es örtlich nicht mehr zuständig sei. Es hält jedoch die Regeln über die örtliche Gerichtszuständigkeit und die Umwandlung von Verkehrsübertretungen und -vergehen in Ordnungswidrigkeiten, die den Anlaß zur Änderung der Zuständigkeitsvorschriften gegeben hat, für verfassungswidrig und will stattdessen die vor dem 1. Januar 1969 geltende Regelung anwenden. Das Amtsgericht hat deshalb am 2. Januar 1969 beschlossen, das Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber einzuholen, ob die §§ 24 und 26 des Straßenverkehrsgesetzes in der Fassung des Einführungsgesetzes zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten und die §§ 36 und 68 OWiG mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2, 92, 20 Abs. 2, 79 Abs. 3, 72 bis 75 GG vereinbar seien.
2. a) Das vorlegende Gericht meint, wenn Art. 158 EGOWiG vorschreibe, daß das Verfahren in der Lage, in der es sich befinde, nach den Vorschriften des neuen Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten fortzusetzen sei, so sei damit nicht gesagt, daß das vor dem 1. Januar 1969 mit diesem Verfahren befaßte Gericht weiterhin zur Entscheidung berufen bleibe. Örtlich zuständig sei vielmehr nunmehr das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Verwaltungsbehörde ihren Sitz habe (5 68 Abs. 1 OWiG). Zuständige Verwaltungsbehörde in Verkehrssachen im Sinne von § 36 Abs. 1 OWiG sei die Kreispolizeibehörde (§ 1 der Verordnung der Hessischen Landesregierung vom 7. Dezember 1968 - GVBl. I S. 296 -). Im Kreis Büdingen - zu dem auch Nidda gehört - habe die Kreispolizeibehörde ihren Sitz in Büdingen, wo es auch ein Amtsgericht gebe. Von der in § 68 Abs. 3 OWiG enthaltenen Ermächtigung habe die Landesregierung keinen Gebrauch gemacht. Deshalb sei das vorlegende Gericht für die zu treffende Entscheidung örtlich nicht mehr zuständig. Es müsse daher entweder das Verfahren nach den §§ 206 a, 260 Abs. 3 StPO, § 46 Abs. 1 OWiG einstellen oder die Sache an das nunmehr örtlich zuständige Amtsgericht in Büdingen abgeben.
b) § 68 OWiG sei mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht vereinbar. Es genüge nicht, daß ein Gesetz formal bestimme, welches Gericht zu entscheiden habe. Es müsse auch eine Beziehung zu den tatsächlichen Gegebenheiten vorhanden sein. Die Bestimmung des gesetzlichen Richters sei durch Gesetz so vollständig zu regeln, daß sich die Zuständigkeit des konkreten Gerichts aus dem Sachverhalt, über den das Gericht zu befinden habe, entnehmen lasse. Die Zuständigkeit dürfe nicht von weiteren staatlichen Akten abhängig gemacht werden, so daß letztlich nicht das Gesetz, sondern eine Behörde bestimme, welches Gericht im Einzelfall zu entscheiden habe. In § 68 OWiG werde die Zuständigkeit des Amtsgerichts von dem Sitz der Verwaltungsbehörde abhängig gemacht und nicht von Kriterien, die sich aus dem Sachverhalt selbst ergäben. Da die Errichtung von Verwaltungsbehörden im allgemeinen keines Gesetzes bedürfe, entscheide letztlich die Exekutive darüber, wer im Einzelfall der gesetzliche Richter sei.
Nach § 26 StVG sei die zuständige Verwaltungsbehörde von der Landesregierung durch Rechtsverordnung zu bestimmen. Dies sei nichts anderes, als wenn ein Gesetz anordne, daß das zuständige Gericht von der Exekutive zu bestimmen sei.
§ 68 OWiG sei ferner deshalb verfassungswidrig, weil § 24 StVG in der Fassung des Einführungsgesetzes zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten nichtig sei. Das Prozeßrecht und die materiellen Vorschriften seien untrennbar miteinander verbunden. Die Umwandlung von Verkehrsstraftatbeständen in Ordnungswidrigkeitstatbestände stelle einen verfassungswidrigen Eingriff in die "Uraufgaben der rechtsprechenden Gewalt" dar, zu denen, jedenfalls seit Inkrafttreten des Grundgesetzes, die Entscheidungszuständigkeit der Gerichte in Verkehrsstrafsachen gehört habe. Die Verlagerung von Rechtsprechungsaufgaben dieser Art verstoße gegen Art. 92 GG und damit auch gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung.
Der Bundesgesetzgeber habe die Umwandlung von strafrechtlichen Tatbeständen in Ordnungswidrigkeiten nur in Wahrnehmung seiner Gesetzgebungskompetenz für das Strafrecht (Art. 74 Nr. 1 GG) vornehmen können. Auch daraus folge, daß das Ordnungswidrigkeitenrecht zum Strafrecht im Sinne des Grundgesetzes gehöre und deshalb nur von der rechtsprechenden Gewalt angewendet werden könne.
Die Umwandlung der ursprünglich strafrechtlich relevanten Verhaltensweisen in Ordnungswidrigkeiten sei eine bloße Umetikettierung. Ein innerer Grund für die Unterscheidung zwischen den vom Strafrecht und den vom Ordnungswidrigkeitenrecht mit Sanktionen bedrohten Verhaltensweisen sei nicht ersichtlich. Da die Verfassung eine Rechtsordnung und keine Moralordnung sei, lasse sie keine Differenzierung der mit Sanktionen bedrohten Zuwiderhandlungen danach zu, ob deren Unrechtsgehalt gewichtig oder weniger gewichtig, ethisch vorwerfbar sei oder nicht. Es widerspreche daher der Verfassung, unter diesen Gesichtspunkten Ordnungswidrigkeiten von Straftaten zu trennen und deren Wertigkeit nach außerrechtlichen Wertmaßstäben abzustufen. Nach alledem verstoße die Umwandlung von Straftatbeständen in Ordnungswidrigkeiten, die Verlagerung der Ahndungszuständigkeit für solche Ordnungswidrigkeiten auf Verwaltungsbehörden und die daran anknüpfende Zuständigkeitsregelung für die Rechtmäßigkeitskontrolle durch die Gerichte gegen das Grundgesetz.
III.
1. Der Bundesminister der Justiz, der sich namens der Bundesregierung geäußert hat, bezweifelt die Zulässigkeit der Vorlage und hält sie im übrigen für unbegründet.
2. Der Präsident des Oberlandesgerichts Frankfurt hat gemäß § 82 Abs. 4 Satz 1 BVerfGG mitgeteilt, daß § 24 StVG von den Strafsenaten als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen und angewandt wird.
 
B. - I.
Die Vorlage ist zulässig.
1. Das vorlegende Gericht sieht sich durch Art. 158 Abs. 1 EGOWiG in Verbindung mit §§ 68 Abs. 1, 36 Abs. 1 OWiG, § 26 Abs. 1 StVG vor die Notwendigkeit gestellt, das Verfahren nach §§ 206a, 260 Abs. 3 StPO, § 46 Abs. 1 OWiG einzustellen oder an das nunmehr örtlich zuständige Amtsgericht in Büdingen abzugeben, weil es meint, aus diesen Vorschriften ergebe sich, daß seine, bis zum 31. Dezember 1968 gegebene, örtliche Zuständigkeit nicht mehr fortbestehe.
Gegen die Richtigkeit dieser Auslegung bestehen zwar erhebliche Bedenken. § 68 Abs. 1 OWiG bestimmt, daß bei einem Einspruch gegen den Bußgeldbescheid das Amtsgericht entscheidet, in dessen Bezirk die Verwaltungsbehörde ihren Sitz hat. Ein Bußgeldbescheid ist jedoch in dem Ausgangsverfahren nicht ergangen; das Verfahren ist durch eine nach dem alten Recht erhobene Anklage des Amtsanwalts bei dem vorlegenden Gericht anhängig geworden. Auch der Wortlaut des Art. 158 Abs. 1 EGMG zwingt nicht zu der im Vorlagebeschluß vertretenen Rechtsauffassung. Diese Vorschrift verhält sich nur darüber, daß auf schwebende Verfahren das neue Recht anzuwenden ist, besagt aber nicht notwendig, daß § 68 OWiG auch für Verfahren gelten soll, in denen bereits vor dem 1. Januar 1969 eine Anklage der Staatsanwaltschaft erhoben worden war. Für die Nichtanwendbarkeit des § 68 Abs. 1 OWiG sprechen ferner der Grundsatz der Prozeßwirtschaftlichkeit sowie der Umstand, daß nach der Strafprozeßordnung, deren Vorschriften gemäß § 46 Abs. 1 0WiG auf das Bußgeldverfahren sinngemäß anwendbar sind, für den Gerichtsstand grundsätzlich der Zeitpunkt der Klageerhebung entscheidend ist und später eintretende Änderungen die örtliche Zuständigkeit unberührt lassen. Das Amtsgericht legt demgegenüber entscheidendes Gewicht darauf, daß in Art. 158 Abs. 1 Satz 3 EGOWiG für bestimmte schwebende Verfahren lediglich die Anwendbarkeit des § 72 OWiG, nicht dagegen. die des § 68 OWiG ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Da die vom vorlegenden Gericht vertretene Auslegung sich mit dem Wortlaut der Zuständigkeitsbestimmungen eben noch vereinbaren läßt, ist sie nicht offensichtlich unhaltbar. Sie ist daher für die Beurteilung der Entscheidungserheblichkeit maßgebend.
Mit § 68 Abs. 1 OWIG stehen § 36 Abs. 1 OWIG und § 26 Abs. 1 StVG in notwendigem Zusammenhang. Nach § 68 Abs. 1 Satz 1 OWiG ist das Amtsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die für den Erlaß eines Bußgeldbescheides zuständige Verwaltungsbehörde ihren Sitz hat. Welche Verwaltungsbehörde das ist, regeln für den vorliegenden Fall § 36 Abs. 1 OWiG in Verbindung mit § 26 Abs. 1 StVG und § 1 Abs. 1 der Verordnung der Hessischen Landesregierung vom 7. Dezember 1968. Aus § 36 Abs. 1 Nr. 1 OWiG ergibt sich, daß sachlich zuständig ist die Verwaltungsbehörde, die durch Gesetz bestimmt wird. § 26 Abs. 1 Satz 1 StVG ergänzt diese Regelung dahin, daß bei Ordnungswidrigkeiten nach § 24 StVG, die im Straßenverkehr begangen werden, Verwaltungsbehörde im Sinne des. § 36 Abs. 1 Nr. 1 OWiG die Behörde oder Dienststelle der Polizei ist, die von der Landesregierung durch Rechtsverordnung näher bestimmt wird. Nach § 1 Abs. 1 der Verordnung der Hessischen Landesregierung vom 7. Dezember 1968 ist das die Kreispolizeibehörde, also die Kreispolizeibehörde in Büdingen, die außerhalb des Bezirks des vorlegenden Gerichts ihren Sitz hat.
Legt man die Auslegung der Zuständigkeitsvorschriften durch das vorlegende Gericht zugrunde, so kommt es bei der von ihm zu treffenden Entscheidung auf die Gültigkeit des § 68 Abs. 1 in Verbindung mit § 36 Abs. 1 Nr. 1 OWiG und § 26 Abs. 1 Satz 1 StVG an. Sind sie gültig, so muß das Amtsgericht sich mangels örtlicher Zuständigkeit mit einer prozeßrechtlichen Entscheidung begnügen, sind sie dagegen ungültig, so ist das Amtsgericht zur Sachentscheidung berufen.
2. Das vorlegende Gericht hält ferner § 24 StVG als den für die von ihm zu fällende Sachentscheidung erheblichen Teil der Gesamtregelung, durch die die leichteren Verkehrsstraftaten in Ordnungswidrigkeiten umgewandelt worden sind, für verfassungswidrig. Das Amtsgericht möchte deshalb, falls es wegen Ungültigkeit des § 68 Abs. 1 OWiG nach wie vor zur Sachentscheidung berufen ist, auch in materieller Hinsicht "die vor dem 1. Januar 1969 geltende Regelung" anwenden.
Ist § 24 StVG gültig, so sind die in Frage stehenden Verkehrsverstöße als Ordnungswidrigkeiten zu ahnden. Wäre die Umwandlung dieser Verkehrsverstöße von Verkehrsstraftaten in Ordnungswidrigkeiten verfassungswidrig und § 24 StVG damit nichtig, so ergäbe sich daraus allein für das vorlegende Gericht zwar noch nicht die Möglichkeit, auf die vor dem 1. Januar 1969 geltende Regelung zurückzugreifen; denn diese ist durch Art. 3 EGOWiG außer Kraft gesetzt worden. Diese Möglichkeit bestünde also nur dann, wenn auch der Art. 3 EGOWiG in dem hier in Betracht kommenden Teil nichtig wäre. Art. 3 EGOWiG hat das Amtsgericht nicht ausdrücklich zur verfassungsrechtlichen Prüfung vorgelegt. Daß es unbeschadet dessen auch von der Verfassungswidrigkeit dieser Vorschrift ausgeht, ergibt sich jedoch mit hinreichender Deutlichkeit aus dem Zusammenhang des Vorlagebeschlusses. Das genügt für die Zulässigkeitsprüfung.
II.
Das Amtsgericht hat die von ihm für verfassungswidrig gehaltenen Vorschriften jeweils als ganze vorgelegt. Für seine Entscheidung kommt es, wie die Zulässigkeitsprüfung ergeben hat, lediglich auf die Gültigkeit von §§ 68 Abs. 1, 36 Abs. 1 Nr. 1 OWiG, §§ 24, 26 Abs. 1 Satz 1 StVG an. Die verfassungsrechtliche Prüfung ist daher auf den jeweils entscheidungserheblichen Teil der zu prüfenden Normen zu beschränken.
 
C.
§§ 68 Abs. 1, 36 Abs. 1 Nr. 1 OWiG und 5§ 24, 26 Abs. 1 Satz 1 StVG sind mit dem Grundgesetz vereinbar.
I.
Das vorlegende Gericht meint, die Umwandlung von Übertretungen und weniger bedeutsamen Vergehenstatbeständen des Straßenverkehrsrechtes in Ordnungswidrigkeiten verstoße gegen Art. 92 GG. § 24 StVG sei deshalb verfassungswidrig. Diese Auffassung hält einer Prüfung nicht stand.
1. Nach Art. 92 GG sind der rechtsprechenden Gewalt zunächst alle diejenigen Aufgaben vorbehalten, die die Verfassung selbst an anderer Stelle den Gerichten überträgt. Darüber hinaus werden durch Art. 92 GG die traditionellen Kernbereiche der Rechtsprechung - insbesondere die bürgerliche Rechtspflege und die Strafgerichtsbarkeit - den Richtern anvertraut. Daraus folgt jedoch nicht, daß alles, was herkömmlich zu den Aufgaben der Gerichte gehört, als Rechtsprechung im materiellen Sinn anzusehen und den Richtern vorzubehalten ist. Abgesehen von den gerichtlichen Zuständigkeiten, die von vornherein nicht materielle Rechtsprechung zum Gegenstand haben, kann der Gesetzgeber in gewissem Umfang den Bereich der materiellen Rechtsprechung dadurch verändern, daß er beispielsweise die Materie Strafrecht reduziert oder in einer rechtspolitisch anderen Wertung des Unrechtsgehalts minder gewichtige strafrechtliche Unrechtstatbestände in bloße Ordnungswidrigkeiten umwandelt (BVerfGE 22, 49 [81], 125 [132]; 23, 113 [126]).
Zum Kernbereich des Strafrechts, in dem die Richter durch Art. 92 GG ausnahmslos und ausschließlich zur präventiven Rechtskontrolle berufen sind, gehören alle bedeutsamen Unrechtstatbestände (BVerfGE 22, 49 [81], 125 [132]; 23, 113 [126]). Der Bereich der Ordnungswidrigkeiten, in dem eine repressive Rechtskontrolle genügt (BVerfGE 22, 125 [133]), umgreift Gesetzesübertretungen, die nach allgemeinen gesellschaftlichen Auffassungen nicht als (kriminell) strafwürdig gelten (BVerfGE 8, 197 [207]), Fälle mit geringerem Unrechtsgehalt, die sich von den kriminellen Vergehen durch den Grad des ethischen Unwertgehaltes unterscheiden (BVerfGE 9, 167 [172]). Die von dem vorlegenden Gericht gegen diese Abgrenzungskriterien erhobenen Einwände greifen nicht durch.
2. a) Jede Strafnorm enthält ein mit staatlicher Autorität versehenes sozial-ethisches Unwerturteil über die von ihr pönalisierte Handlungsweise. Der konkrete Inhalt dieses Unwerturteils ergibt sich aus Straftatbestand und Strafandrohung (BVerfGE 25, 269 [286]). Der Abstufung der verschiedenen Straftaten nach ihrem Unrechtsgehalt entsprechen im Rechtsstaat die nach Strafart und Strafhöhe gestaffelten Sanktionen. Gemessen an der Idee der Gerechtigkeit müssen Tatbestand und Rechtsfolge sachgerecht ,aufeinander abgestimmt sein. Beide sind wechselseitig aufeinander bezogen. Einerseits richtet sich die Strafhöhe nach dem normativ festgelegten Wert des verletzten Rechtsgutes und der Schuld des Täters. Andererseits läßt sich das Gewicht einer Straftat, der ihr in der verbindlichen Wertung des Gesetzgebers beigemessene Unwertgehalt in aller Regel erst aus der Höhe der angedrohten Strafe entnehmen. Insofern ist auch die Strafandrohung für die Charakterisierung, Bewertung und Auslegung des Straftatbestandes von entscheidender Bedeutung (BVerfGE 25, 269 [286]). Erst von einer differenzierenden Bewertung des Unwertgehaltes der verschiedenen Straftaten her wird die Abstufung der strafrechtlichen Sanktionen verständlich und sachlich gerechtfertigt. Sie liegt auch der Unterscheidung zwischen Straftaten und Ordnungswidrigkeiten zugrunde.
b) Aufgabe des Strafrechts ist es, die elementaren Werte des Gemeinschaftslebens zu schützen. Was zweifellos in den Kernbereich des Strafrechts gehört, läßt sich an Hand der grundgesetzlichen Wertordnung (vgl. dazu BVerfGE 5, 85 [204 ff.]; 6, 32 [40 f.]; 7, 198 [204f.]; 21, 362 [372]) mit hinreichender Bestimmtheit ermitteln. Mit der gleichen Bestimmtheit läßt sich sagen, daß gewisse, minder gewichtige, überkommene strafrechtliche Tatbestände aus diesem Kernbereich herausfallen. Schwieriger ist es, die exakte Grenzlinie zwischen dem Kernbereich des Strafrechts und dem Bereich der bloßen Ordnungswidrigkeiten zu ziehen, zumal in diesem Grenzbereich die in der Rechtsgemeinschaft herrschenden Anschauungen über die Bewertung des Unrechtsgehaltes einzelner Verhaltensweisen in besonderem Maße dem Wechsel unterworfen sind.
Diese Grenzlinie unter Berücksichtigung der jeweiligen konkreten historischen Situation im einzelnen verbindlich festzulegen, ist Sache des Gesetzgebers. Das Bundesverfassungsgericht kann dessen Entscheidung nicht darauf überprüfen, ob er dabei im einzelnen die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden hat. Es hat lediglich darüber zu wachen, daß die Entscheidung des Gesetzgebers materiell in Einklang mit der verfassungsrechtlichen Wertordnung steht und auch den ungeschriebenen Verfassungsgrundsätzen und Grundentscheidungen des Grundgesetzes entspricht. Dafür, daß der Gesetzgeber diese Grenze seines Ermessensspielraums bei der Neufassung des § 24 StVG nicht beachtet habe, besteht keinerlei Anhalt.
3. Die Umwandlung der Übertretungen und weniger bedeutsamen Vergehenstatbestände des Straßenverkehrsrechtes in Ordnungswidrigkeiten durch Art. 3 Nr. 6 EGOWiG, auf der auch die Neufassung des § 24 StVG beruht, paßt sich in eine jahrzehntelange Entwicklung ein, die auf eine fortschreitende Herauslösung bloßen Ordnungsunrechts aus dem Kriminalstrafrecht abzielt.
Die Unterscheidung zwischen echtem Kriminalunrecht und bloßem Ordnungs- oder Polizeiunrecht war schon der älteren Gesetzgebung bekannt; gleichwohl hat der Reichstag des Norddeutschen Bundes und ihm folgend der Deutsche Reichstag die Verletzung polizeirechtlicher Vorschriften unter einem besonderen Abschnitt "Übertretungen" in das Strafgesetzbuch hereingenommen (vgl. dazu im einzelnen BVerfGE 23, 113 [123]). Je mehr jedoch die auf soziale Daseinsvorsorge bedachte öffentliche Hand sich immer weiteren Lebensbereichen der modernen Massengesellschaft ordnend und verwaltend zuwenden mußte und je größer damit die Zahl der sanktionsbedürftigen Gebote und Verbote wurde, um so mehr wuchs die Gefahr eines Übermaßes staatlichen Strafens, bei dem der Sinn der Strafe verlorenzugehen drohte. Daraus ergab sich das Bedürfnis, "Ordnungsstraftatbestände" zu schaffen. Verschiedene Entwürfe für ein neues Strafgesetzbuch zwischen 1911 und 1936 zielten bereits darauf ab, die Übertretungstatbestände auch äußerlich von dem Kriminalunrecht zu trennen. So war bei den Arbeiten am Entwurf eines allgemeinen Strafgesetzbuches von 1925 vorgesehen, die Verkehrsübertretungen als Polizeiunrecht aus dem Kriminalstrafrecht herauszunehmen und in ein besonderes Polizeistrafgesetzbuch zu verweisen.
Nach dem zweiten Weltkrieg wurde zunächst den Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet des Wirtschaftsstrafrechts die Befugnis eingeräumt, einfache Zuwiderhandlungen gegen Bewirtschaftungsvorschriften durch Ordnungsstrafen zu ahnden. Das Wirtschaftsstrafgesetz vom 26. Juli 1949 (WiGBl. S. 193) nahm erstmals eine materielle Abgrenzung zwischen Straftaten und Ordnungswidrigkeiten vor. Sodann wurde das Ordnungswidrigkeitengesetz vom 25. März 1952 (BGBl. I S. 177) als allgemeines Rahmengesetz für Ordnungswidrigkeiten auf allen Sachgebieten erlassen. In der Folgezeit wurde auf der Grundlage dieses Gesetzes die Trennung des Ordnungsunrechts vom Kriminalunrecht ständig fortgesetzt. Der Bundesgesetzgeber beseitigte bei der Reform älterer Gesetze Übertretungstatbestände und sah in neuen nebenstrafrechtlichen Gesetzen keine Übertretungstatbestände mehr vor. Dafür wurden die Bußgeldtatbestände in den Bundes- und Landesgesetzen ständig vermehrt. Der Entwurf eines Strafgesetzbuches von 1962 kennt überhaupt keine Übertretungstatbestände mehr. Er geht davon aus, daß sie entweder in Ordnungswidrigkeiten umgewandelt oder als Vergehen eingestuft werden.
In diese allgemeine Rechtsentwicklung, an deren Ende die vollständige Aussonderung des Ordnungsunrechts aus Kriminalstrafrecht stehen soll, ist die Umwandlung der bisherigen Verkehrsübertretungen und weniger bedeutsamen Vergehenstatbestände des Straßenverkehrsrechtes zu Ordnungswidrigkeiten zu Recht einbezogen worden. Daß gerade in dem vom § 24 StVG erfaßten Bereich durch das Anschwellen des modernen Massenverkehrs die Zahl der sanktionsbedürftigen Gebote und Verbote ungewöhnlich gewachsen und damit die Gefahr eines Übermaßes staatlichen Strafens besonders bedrohlich geworden war, ergibt sich schon aus der großen Zahl von Verurteilungen wegen solcher Zuwiderhandlungen. Wenn der Gesetzgeber daraus die in § 24 StVG umschriebenen Konsequenzen gezogen hat, so ist das aus Verfassungsgründen nicht zu beanstanden. Von einem Eingriff in den Kernbereich des Strafrechts unter Verletzung der verfassungsrechtlichen Wertordnung, ungeschriebener Verfassungsgrundsätze oder Grundentscheidungen des Grundgesetzes kann jedenfalls nicht die Rede sein.
§ 24 StVG ist mit Art. 92 GG vereinbar.
II.
Die Umwandlung der ursprünglich strafrechtlich relevanten Verhaltensweisen in Ordnungswidrigkeiten erschöpft sich nicht in einer bloßen Umbenennung der Unrechtsfolgen. Die Auffassung des vorlegenden Gerichts, dies ergebe sich auch daraus, daß der Bundesgesetzgeber die Umwandlung nur in Wahrnehmung seiner Gesetzgebungskompetenz für die Materie Strafrecht habe vornehmen können, geht fehl.
1. a) Art. 74 Nr. 1 GG ermächtigt den Bundesgesetzgeber nicht nur zum Erlaß von Strafrechtsnormen.
Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das "Strafrecht" geht auf Art. 4 Nr. 13 der Reichsverfassung von 1871 und auf Art. 7 Nr. 2 WRV zurück. In allen drei Verfassungen findet sich derselbe Begriff. Der Reichsgesetzgeber war nach der im staatsrechtlichen Schrifttum des Kaiserreichs und der Weimarer Zeit herrschenden Lehre kraft dieser Kompetenz befugt, auch im Bereich des Polizei- (Verwaltungs-) Strafrechts Straftatbestände zu schaffen (vgl. dazu im einzelnen BVerfGE 23, 113 [123 f.]). Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, daß der Parlamentarische Rat dem Begriff "Strafrecht" einen anderen Sinn beigemessen hat als die herrschende Lehre der Weimarer Zeit. Die Gesetzgebungskompetenz "Strafrecht" umfaßt heute nicht nur das Strafrecht im herkömmlichen Sinn, sondern auch das Ordnungswidrigkeitenrecht.
b) Bei der Umwandlung der Straftatbestände des Straßenverkehrsrechtes in Ordnungswidrigkeiten sind auch nicht - wie das Amtsgericht meint - die Sanktionen die gleichen geblieben und lediglich deren Bezeichnungen ausgewechselt worden. Zwar wirken sich die Geldstrafe und die Geldbuße finanziell gleichermaßen nachteilig für den Betroffenen aus. Sie unterscheiden sich jedoch dadurch, daß nach allgemeiner Anschauung mit der Verhängung einer Kriminalstrafe ein ehrenrühriges, autoritatives Unwerturteil über eine Verhaltensweise des Täters, der Vorwurf einer Auflehnung gegen die Rechtsordnung und die Feststellung der Berechtigung dieses Vorwurfs verbunden sind (BVerfGE 22, 49 [80]). Demgegenüber wird die an eine Ordnungswidrigkeit geknüpfte Geldbuße lediglich als eine nachdrückliche Pflichtenmahnung angesehen und empfunden, die keine ins Gewicht fallende Beeinträchtigung des Ansehens und des Leumundes des Betroffenen zur Folge hat, mag sie dessen Vermögen auch ebenso stark belasten wie eine vergleichbare Geldstrafe. Ihr fehlt der Ernst der staatlichen Strafe (BVerfGE 9, 167 [171]; 22, 49 [79]). In ähnlicher Weise unterscheiden sich das Fahrverbot des § 37 StGB und das des § 25 StVG (vgl. dazu die Entscheidung des Senats vom 16. Juli 1969 - 2 BvL 11/69 - = BVerfGE 27, 36 ff.) und die strafrechtliche Ersatzfreiheitsstrafe von der in § 96 OWiG vorgesehenen Erzwingungshaft, über deren Anordnung nach Maßgabe des Art. 104 GG in jedem Falle ein Richter zu entscheiden hat.
2. Ist nach alledem die Ahndung der in § 24 Abs. 1 StVG umschriebenen Ordnungswidrigkeiten der Sache nach keine Ausübung von Strafgewalt, so ist die Übertragung der Ahndungsbefugnis auf die Verwaltungsbehörden durch § 35 Abs. 2, § 36 Abs. 1 Nr. 1 OWiG in Verbindung mit § 26 Abs. 1 StVG verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BVerfGE 22, 49 [ 81 ]). Art. 19 Abs. 4 GG ist dadurch hinreichend Rechnung getragen, daß der Betroffene gegen den Bußgeldbescheid Einspruch einlegen kann und daß dann die ordentlichen Strafgerichte über die Beschuldigung entscheiden, wobei sie in der Feststellung und rechtlichen Würdigung frei sind und auch die Unrechtsfolgen nach eigenem Ermessen bestimmen können.
III.
Nach § 68 Abs. 1 Satz 1 OWIG entscheidet bei einem Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Verwaltungsbehörde ihren Sitz hat. Für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten zuständig ist jeweils die Verwaltungsbehörde, die durch Gesetz dazu bestimmt wird (§ 36 Abs. 1 Nr. 1 OWiG). Diese Regelung ergänzt § 26 Abs. 1 Satz 1 StVG dahin, daß bei Ordnungswidrigkeiten nach § 24 StVG als Verwaltungsbehörde im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 1 OWiG die Behörde oder Dienststelle der Polizei tätig wird, die von der Landesregierung durch Rechtsverordnung dazu bestimmt wird. Nach § 1 Abs. 1 der Verordnung der Hessischen Landesregierung vom 7. Dezember 1968 ist das die Kreispolizeibehörde, also für das Ausgangsverfahren die Kreispolizeibehörde in Büdingen, die außerhalb des Bezirks des vorlegenden Gerichts ihren Sitz hat. Diese Zuständigkeitsregelung ist mit Art. 101 Abs. 1 GG vereinbar.
1. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG erfordert, daß der gesetzliche Richter sich im Einzelfall möglichst eindeutig aus einer allgemeinen Norm ergibt (BVerfGE 6, 45 [51]; 17, 294 [298]). Er setzt einen Bestand von Rechtssätzen voraus, die für jeden denkbaren Streitfall den zuständigen Richter bezeichnen (BVerfGE 21, 139 [145] mit weiteren Nachweisen). Die danach erforderlichen gesetzlichen Bestimmungen werden durch Organisationsakte" ergänzt und praktikabel gemacht. Hierzu gehören unter anderem Maßnahmen, durch die die örtliche Zuständigkeit eines Gerichts berührt wird. Auch solche Maßnahmen fallen traditionell in den Zuständigkeitsbereich der Legislative und unterliegen, da sie Eingriffe in die durch Art. 97 GG garantierte persönliche Unabhängigkeit der Richter ermöglichen, dem Vorbehalt des Gesetzes (BVerfGE 2, 307 [319 f.]). Hieraus folgt jedoch nicht, daß es der Legislative verwehrt wäre, ihre Befugnis zu solchen Maßnahmen innerhalb der vom Grundgesetz für die Übertragung rechtsetzender Gewalt bestimmten Grenzen der Exekutive zu übertragen (BVerfGE 2, 307 [326]). Das gilt auch für die Konzentrierung der örtlichen Zuständigkeit für bestimmte Sachbereiche bei einem von mehreren gleichgeordneten Gerichten (BVerfGE 24, 155 [167]), wie sie sich im vorliegenden Fall aus § 68 Abs. 1 Satz 1 OWiG in Verbindung mit § 36 Abs. 1 Nr. 1 OWiG, § 26 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 1 Abs. 1 der Verordnung der Hessischen Landesregierung vom 7. Dezember 1968 ergibt.
2. Die Ermächtigung des § 26 Abs. 1 Satz 1 StVG genügt den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 GG. Adressaten der Ermächtigung sind - wie in Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG vorgesehen - die Landesregierungen. Die Ermächtigung ist nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt. Die Möglichkeit, die Behörde oder Dienststelle der Polizei näher zu bestimmen, welche als Verwaltungsbehörde im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 1 OWiG tätig werden soll, bildet ihren Inhalt. Dieser ist damit ausreichend klar umrissen. Das Ausmaß der Ermächtigung ist durch die Umschreibung "Ordnungswidrigkeiten nach § 24, die im Straßenverkehr begangen werden" klar umrissen. Sie bezieht sich nur auf diese, aber auch auf alle derartigen Ordnungswidrigkeiten. Der Zweck der Ermächtigung ergibt sich aus deren Inhalt und Ausmaß sowie dem Sinnzusammenhang, in den sie gestellt ist. Die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr soll bei den Behörden oder Dienststellen der Polizei zusammengefaßt werden, die nach Zuständigkeitsbereich und personeller Besetzung eine Gewähr für eine sachgemäße und reibungslose Erledigung bieten.
3. Wenn § 68 Abs. 1 Satz 1 OWiG in Anbetracht dieser Zuständigkeitsregelung den Gerichtsstand mit dem Sitz der an dem Verfahren beteiligten Behörde verknüpft, so ist das verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Durch diese Verknüpfung wird der Exekutive kein verfassungswidriger Einfluß auf die Bestimmung des gesetzlichen Richters im Einzelfall eingeräumt. Die tatbestandlichen Merkmale, nach denen sich der örtliche Gerichtsstand bestimmt, sind in § 68 Abs. 1 Satz 1 OWiG abschließend festgelegt. Die Exekutive könnte lediglich mittelbar auf den Gerichtsstand Einfluß nehmen, wenn sie den Behördensitz verlegen würde oder die Landesregierung im Wege der Rechtsverordnung andere Behörden oder Dienststellen der Polizei mit der Verfolgung und Ahndung der Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr betraute. Angesichts des mit der Verlegung eines Behördensitzes verbundenen organisatorischen und technischen Aufwandes erscheint es jedoch praktisch ausgeschlossen, daß die Exekutive im Einzelfall die gerichtliche Zuständigkeit auf diesem Wege in sachwidriger Weise zu beeinflussen versucht. Auch eine gezielte Änderung der Zuständigkeitsverteilung im Rahmen des § 26 Abs. 1 StVG durch Rechtsverordnung ist so unwahrscheinlich, daß diese abstrakte Möglichkeit eines Mißbrauchs die Verfassungsmäßigkeit der in § 68 Abs. 1 OWiG in Verbindung mit § 26 Abs. 1 Satz 1 StVG getroffenen Regelung nicht in Frage zu stellen vermag.
Die Entscheidung ist einstimmig ergangen.
Seuffert, Geller, Dr. v. Schlabrendorff, Dr. Rupp, Dr. Geiger, Dr. Kutscher, Dr. Rinck
Der Richter Dr. Leibholz ist an der Unterschrift verhindert. Seuffert