BVerfGE 50, 386 - Schuldzinsen
Die Regelung des Steueränderungsgesetzes 1973, daß private Schuldzinsen nicht mehr steuerlich abgesetzt werden können, ist mit dem Grundgesetz vereinbar.
 
Beschluß
des Zweiten Senats vom 13. März 1979
-- 2 BvR 72/76 --
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde des Herrn Dr. Heinz Sch... gegen a) das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 10. Oktober 1975 -- VI R 19/75 --, b) das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 26. November 1974 -- IV 139/74 --, c) die Einspruchsentscheidung des Finanzamts Böblingen vom 5. Juni 1974 -- RL 1972/74 lfd. Nr. 24 --, d) den Bescheid des Finanzamts Böblingen vom 11. Januar 1974, -- e) mittelbar Art. 1 Nr. 3 Steueränderungsgesetz 1973 vom 26. Juni 1973 (BGBl. I S. 676).
 
Entscheidungsformel:
Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
 
Gründe:
 
A.
Gegenstand des Verfahrens ist die Frage, ob die Beseitigung der Möglichkeit, private Schuldzinsen als Sonderausgaben vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehen, mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
I.
Die Möglichkeit, private Schuldzinsen als Sonderausgaben vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehen (§ 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG a.F.), wurde durch Art. 1 Nr. 3 des Steueränderungsgesetzes 1973 vom 26. Juni 1973 (BGBl. I S. 676) beseitigt. Nach Art. 1 Nr. 5 a Steueränderungsgesetz 1973 war der Schuldzinsenabzug letztmals für den Veranlagungszeitraum 1973 möglich. Durch weitere Änderungen des Einkommensteuergesetzes wurden die Pauschbeträge für Sonderausgaben, zu denen auch die Beitrage zu bestimmten Lebensversicherungen zahlen, erhöht.
II.
1. Der Beschwerdeführer bezieht Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Im Jahre 1962 nahm er für private Anschaffungen einen Kredit in Höhe von 40 000 DM auf, für den er jährlich 2300 DM an Zinsen zu entrichten hat. Das Darlehen wurde dem Beschwerdeführer in Form eines sogenannten Lebensversicherungstilgungsdarlehens gewährt; dies bedeutet, daß das Darlehen nicht laufend getilgt, sondern die Rückzahlung bis zur Fälligkeit der Lebensversicherung gestundet wird. Das Darlehen wird dann mit der Lebensversicherungssumme zurückgezahlt. Bei dieser Darlehensform kann der Darlehensnehmer an Stelle der üblichen, steuerlich nicht berücksichtigungsfähigen Tilgungsraten steuerlich abzugsfähige Lebensversicherungsbeiträge erbringen und zudem die Schuldzinsen absetzen. Nachteilig ist, daß die Zinsen hier -- im Gegensatz zum üblichen Tilgungsdarlehen -- nicht kontinuierlich zugunsten einer höheren Tilgungsrate abnehmen, sondern bis zum Ablauf der Lebensversicherung gleich hoch bleiben; auch ist das Lebensversicherungstilgungsdarlehen deshalb später getilgt als das Tilgungsdarlehen. Der Beschwerdeführer wählte auf Grund der steuerlichen Vorteile 1962 das Lebensversicherungstilgungsdarlehen mit einer Laufzeit bis zum 1. August 1984.
2. Die vom Beschwerdeführer bezahlten Schuldzinsen wurden vom Finanzamt bis einschließlich 1973 als Sonderausgaben anerkannt. Die Berücksichtigung der Schuldzinsen im Lohnsteuerermäßigungsverfahren für 1974 lehnte das Finanzamt mit Bescheid vom 11. Januar 1974 unter Hinweis auf die Änderung des § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG ab. Der Einspruch des Beschwerdeführers wurde mit Einspruchsentscheidung vom 5. Juni 1974 als unbegründet zurückgewiesen.
Die Klage des Beschwerdeführers wurde durch Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 26. November 1974 abgewiesen.
Die Revision des Beschwerdeführers wurde durch Urteil des Bundesfinanzhofs vom 10. Oktober 1975 als unbegründet zurückgewiesen: Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz liege nicht vor. Alle Steuerpflichtigen seien von der Beseitigung des Schuldzinsenabzugs in gleicher Weise betroffen worden. Zwischen dem Schuldzinsenabzug, der private Schulden betreffe, und dem Schuldzinsenabzug bei betrieblich oder beruflich veranlaßten Schuldzinsen bestünden so gewichtige Unterschiede, daß beide Fälle nicht miteinander verglichen werden könnten und somit eine ungleiche Behandlung der betreffenden Gruppen der Steuerpflichtigen verfassungsrechtlich zulässig gewesen sei. Die Neuregelung des § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG sei auch keine echte Rückwirkung, da sie erst die nach der Gesetzesänderung anfallenden und nicht die in der Vergangenheit gezahlten Schuldzinsen betreffe. Ein Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes liege nicht vor. Denn im Streitfall ergebe die vorzunehmende Abwägung, daß das Interesse der Allgemeinheit Vorrang vor dem dem Beschwerdeführer zuzubilligenden Vertrauensschutz habe. Der Lebensversicherungsvertrag werde als solcher von der Änderung nicht betroffen. Der Wegfall des Schuldzinsenabzugs verteuere zwar den Kredit; eine Existenzgefährdung sei damit für den Beschwerdeführer jedoch nicht verbunden. Der Spielraum des Gesetzgebers dürfe nicht durch in die Zukunft reichende Verträge der Steuerpflichtigen allzu sehr eingeschränkt werden. Gerade bei Sonderausgaben dürfe der Vertrauensschutz nicht zu hoch bewertet werden, da insoweit die Steuervergünstigungen bekanntermaßen jederzeit änderbar seien. Das mit der Abschaffung des Schuldzinsenabzugs als Sonderausgaben verfolgte gesetzgeberische Anliegen liege auf dem Gebiet der Steuerreform; es habe ferner konjunkturelle Gründe. Die Steuerreform habe einerseits Steuervergünstigungen gebracht und andererseits zum finanziellen Ausgleich Steuervergünstigungen abgebaut. Die Abschaffung des Schuldzinsenabzugs hänge auch mit der Änderung der sozialen Verhältnisse und Anschauungen zusammen, die der Gesetzgeber zu berücksichtigen habe.
III.
Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG und einen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG: Die Beseitigung der Abzugsfähigkeit von Schuldzinsen widerspreche dem Gleichheitsgrundsatz, da nicht gleichzeitig die Besteuerung von Forderungszinsen aufgehoben worden sei. Weiter sei dadurch gegen den Gleichheitssatz verstoßen, daß nicht auch die Abzugsfähigkeit von Schuldzinsen, die Betriebsausgaben seien, beseitigt worden sei. Der Gewerbetreibende könne Gegenstände, die neben dem betrieblichen Zweck auch privat nutzbar seien, mit betrieblichen Krediten beschaffen und er könne privat benötigte Gelder dem Betrieb entnehmen und das fehlende betriebliche Kapital durch einen Betriebskredit ergänzen. Diese Möglichkeiten seien einem Lohnsteuerzahler verschlossen, ohne daß ein sachlich rechtfertigender Grund für diese unterschiedliche Behandlung der beiden Gruppen von Steuerpflichtigen bestehe. Durch die Beseitigung des Schuldzinsenabzugs sowie die Anhebung der Pauschsätze für Sonderausgaben sei auf die von ihm gewählte Vertragsgestaltung im Wege einer echten Rückwirkung eingewirkt worden; er sei in seinem Vertrauen auf das Bestehenbleiben der günstigen gesetzlichen Regelungen enttäuscht worden. Denn die steuerliche Absetzbarkeit der Lebensversicherungsprämien sei gleich Null gewesen, da die Sonderausgabenpauschale laufend erhöht worden sei. Durch die Beseitigung der Abzugsfähigkeit der Schuldzinsen sei auch seiner Planung hinsichtlich des Darlehens rückwirkend der Boden entzogen worden. Man könne nicht sagen, daß in seinem Fall die Einwirkung nur für die Zukunft erfolge und die Vergangenheit nicht erfasse. Denn der Beschwerdeführer habe 1962 eine abgeschlossene Entscheidung getroffen, auf deren Grundlage nunmehr nachträglich eingewirkt werde. Bei Bausparverträgen sei die Gewährung der Wohnungsbau-Prämien in verfassungsrechtlich zulässiger Weise eingeschränkt worden; damit sei die Vertragssituation des Beschwerdeführers aus verschiedenen Gründen jedoch nicht vergleichbar.
IV.
Zu der Verfassungsbeschwerde haben das Finanzamt und der Bundesminister der Finanzen Stellung genommen.
1. Das Finanzamt weist darauf hin, daß der vorliegende Fall dem Sachverhalt vergleichbar sei, den das Bundesverfassungsgericht am 20. Juni 1978 entschieden habe (2 BvR 71/76 = BVerfGE 48, 403). Nach den Grundsätzen dieser Entscheidung habe auch die Verfassungsbeschwerde gegen die Beseitigung des Schuldzinsenabzugs keine Aussicht auf Erfolg.
2. Der Bundesminister der Finanzen hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet.
Der Gleichheitssatz sei nicht verletzt. Selbständige und Nichtselbständige würden gleichbehandelt, da beide Gruppen ihre privaten Schuldzinsen nicht von der Besteuerungsgrundlage abziehen dürften. Ein Steuerpflichtiger, der das für private Anschaffungen entnommene Betriebskapital durch Aufnahme von Betriebskrediten auffülle, dürfe gemäß § 42 AO wegen des Verbots der Steuerumgehung die Schuldzinsen auch im betrieblichen Bereich steuerlich nicht absetzen. Die Beseitigung des Schuldzinsenabzugs verstoße auch im Vergleich zur Besteuerung der Forderungszinsen nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Es handle sich um unterschiedliche Sachverhalte; deshalb sei der Gesetzgeber berechtigt gewesen, unterschiedliche Rechtsfolgen zu setzen. Der Wegfall des Schuldzinsenabzugs verletze auch nicht den aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Vertrauensschutz. Verfassungsrechtlich gesichert sei der Vertrauensschutz nur, soweit das Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage sachlich gerechtfertigt sei. Diese Voraussetzung treffe für den privaten Schuldzinsenabzug nicht zu. Nach den in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Juni 1978 (2 BvR 71/76 = BVerfGE 48, 403) dargelegten Grundsätzen sei eine Regelung nur dann unzulässig, wenn die Abwägung des Einzelinteresses mit der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Wohl der Allgemeinheit ergebe, daß das Vertrauen auf die Fortgeltung der bestehenden Lage den Vorrang verdiene. Niemand habe einen verfassungsrechtlich gesicherten Vertrauensschutz darauf, daß steuerliche Vergünstigungen langfristig unverändert bestehenbleiben. Der Beschwerdeführer habe außerdem über einen relativ langen Zeitraum die steuerliche Vergünstigung in Anspruch nehmen können. Auch nach Wegfall des Schuldzinsenabzugs habe die vom Beschwerdeführer gewählte Vertragsgestaltung zivilrechtlich zu keinem wirtschaftlichen Nachteil geführt, da der Lebensversicherungsvertrag des Beschwerdeführers auch weiterhin die versicherten Risiken abdecke. Der Beschwerdeführer habe die von ihm nun als wirtschaftlich nachteilig dargestellte zivilrechtliche Gestaltung bewußt gewählt, weil er erwartet habe, durch den steuerlichen Schuldzinsenabzug einen finanziellen Vorteil zu gewinnen. Das Einkommensteuerreformgesetz habe keine Beseitigung des steuerlichen Abzugs von Vorsorgeaufwendungen gebracht, sondern habe im Gegenteil generell zu steuerlichen Erleichterungen auf diesem Sektor geführt.
 
B.
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.
I.
Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ist durch die gesetzgeberische Regelung zur steuerlichen Behandlung von Zinsen nicht verletzt.
1. Der Gleichheitssatz hat im Steuerrecht seine besondere Ausprägung in Form des Grundsatzes der Steuergerechtigkeit und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung gefunden (vgl. BVerfGE 6, 55 [70]; 35, 324 [335]; 36, 321 [330]). Die Anwendung des Art. 3 Abs. 1 GG beruht stets auf einem Vergleich von Lebensverhältnissen, die nie in allen, sondern stets nur in einzelnen Elementen gleich sind. Es ist Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, welche Elemente der zu ordnenden Lebens Verhältnisse er als maßgebend dafür ansieht, sie im Recht gleich oder verschieden zu behandeln (vgl. BVerfGE 13, 181 [202]; 26, 302 [310]). Voraussetzung für die Übereinstimmung einer Regelung mit dem Gleichheitssatz ist lediglich, daß die gewählte Differenzierung auf sachgerechten Erwägungen beruht (vgl. BVerfGE 21, 12 [26]; 26, 1 [8]). Im Rahmen seiner weitgehenden Gestaltungsfreiheit im Bereich des Steuerrechts kann sich der Gesetzgeber beispielsweise von finanzpolitischen, volkswirtschaftlichen, sozialpolitischen oder steuertechnischen Erwägungen leiten lassen. Seine Gestaltungsfreiheit endet erst dort, wo die gleiche oder ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise vereinbar ist, wo also ein sachlicher Grund für die Gleichbehandlung oder Ungleichbehandlung fehlt. Nur die Einhaltung dieser äußersten Grenzen der gesetzgeberischen Freiheit ist vom Bundesverfassungsgericht nachzuprüfen (vgl. BVerfGE 26, 302 [310]; ständige Rechtsprechung).
2. Nach diesen Grundsätzen ist die vom Gesetzgeber bei der Besteuerung von Zinsen gewählte Lösung mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.
a) Für den Wegfall der steuerlichen Begünstigungen der Schuldzinsen bei gleichzeitiger Beibehaltung der Besteuerung der Forderungszinsen lagen sachliche Gründe vor. Aus Zielsetzung und Begründung des Steueränderungsgesetzes 1973 ergibt sich, daß vor dem Hintergrund der 1972/1973 bestehenden Wirtschaftslage und Beschäftigungssituation mit der Gesetzesänderung insgesamt eine Wirtschaftsentwicklung angestrebt werden sollte, die neben einem befriedigenden Wachstum des Bruttosozialprodukts und einem hohen Beschäftigungsstand eine Begrenzung des Anstiegs der Verbraucherpreise ermöglichen sollte. Mit den einzelnen gesetzgeberischen Maßnahmen, zu denen auch die Abschaffung des Schuldzinsenabzugs gehörte, sollte einerseits in konjunkturell erwünschter Weise eine Begrenzung der Gesamtnachfrage sowohl nach Verbrauchsgütern wie nach Investitionsgütern bewirkt werden; andererseits sollten für notwendig erachtete Einnahmeverbesserungen erzielt werden (vgl. BTDrucks. 7/419, S. 1, 13). Die Beseitigung des Schuldzinsenabzugs wie auch die Beibehaltung der Besteuerung der Forderungszinsen wurden also aus konjunkturellen, wirtschaftslenkenden Erwägungen und aus finanzpolitischen Gründen vorgenommen. Diese Gesichtspunkte können eine differenzierende steuerliche Regelung sachlich rechtfertigen (vgl. BVerfGE 3, 4; 13, 181 [203]; 16, 147 [161]; 29, 327 [331]; 30, 250 [264]; 36, 66 [70 f.]).
b) Die gleichen Zielvorstellungen des Gesetzgebers rechtfertigen auch die unterschiedliche Behandlung der betrieblich oder beruflich veranlaßten Schuldzinsen und der privaten Schuldzinsen. Der Gesetzgeber hat die steuerliche Begünstigung betrieblich oder beruflich veranlaßter Schuldzinsen als geeignetes Mittel angesehen, ein befriedigendes Wachstum des Bruttosozialprodukts und einen hohen Beschäftigungsstand zu erreichen. Denn durch derartige Steuerregelungen erhalten Betriebe und Selbständige sowohl Anreize wie auch finanzielle Mittel zur Fortsetzung ihrer wirtschaftlichen Betätigung; ihre dadurch geförderte Wirtschaftstätigkeit ermöglicht die Beschäftigung von Arbeitnehmern und bildet insgesamt die Grundlage zur Steigerung des Bruttosozialprodukts. Die unterschiedliche Behandlung "betrieblicher" und "privater" Schuldzinsen ist daher durch wirtschafts- und arbeitspolitische Gründe sachlich gerechtfertigt. Die Regelung mag es zwar rein tatsächlich ermöglichen, daß bei Einkünften aus Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit entgegen den Vorstellungen des Gesetzgebers die Grenzen zwischen betrieblicher und privater Nutzung von den Steuerpflichtigen nicht immer genau gezogen und dadurch unrechtmäßige Steuervorteile erlangt werden. Dem ist jedoch durch entsprechende Handhabung der steuerrechtlichen und strafrechtlichen Bestimmungen zu begegnen.
II.
Die Beseitigung des privaten Schuldzinsenabzugs verletzt nicht den aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden Grundsatz des Vertrauensschutzes.
1. Ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot liegt nicht vor. Nach Art. 1 Nr. 5 a des Steueränderungsgesetzes vom 26. Juni 1973 war der private Schuldzinsenabzug letztmals für den Veranlagungszeitraum 1973 anzuwenden. Der zeitliche Anwendungsbereich des Gesetzes war somit ausschließlich in die Zukunft gerichtet. Eine Rückwirkung hätte das Gesetz nur entfaltet, wenn auch die vor 1974 gezahlten Zinsen nachträglich steuerlich nicht berücksichtigt würden. Das ist jedoch gerade nicht der Fall.
Durch die Beseitigung des Schuldzinsenabzugs wird zwar auf noch nicht vollständig abgewickelte Darlehensverträge eingewirkt. Dabei handelt es sich jedoch -- auch wenn Rechtsbeziehungen betroffen werden, die ihre Grundlage in der Vergangenheit haben und noch in der Abwicklung stehen -- nur um Einwirkungen für die Gegenwart und Zukunft, so daß auch darin keine Rückwirkung gesehen werden kann. Die Schuldzinsen werden in gleichbleibenden zeitlichen Perioden gezahlt und auch die steuerrechtliche Absetzungsmöglichkeit für Schuldzinsen ist nur für den einzelnen Veranlagungszeitraum gegeben, also jeweils neu geltend zu machen. Es ist durch den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit nicht geboten, diese einzelnen Vorgänge als Einheit zu behandeln; eine Rückwirkung auf einen in der Vergangenheit endgültig abgeschlossenen Sachverhalt kann somit nicht angenommen werden.
2. Auch eine unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes verfassungsrechtlich unzulässige Einwirkung auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte (sog. unechte, retrospektive Rückwirkung) liegt nicht vor.
Der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes kann, je nach der besonderen Fallgestaltung, einer gesetzlichen Regelung in Anknüpfung an aus der Vergangenheit herrührende, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte Schranken setzen, wenn damit zugleich die vom Gesetz betroffene Rechtsposition des Bürgers nachträglich im ganzen entwertet würde (vgl. BVerfGE 11, 139 [146]; 13, 274 [278]; 14, 288 [297]; 25, 269 [290]; 30, 392 [402]; 48, 403 [415]).
Die Nachteile, die der Beschwerdeführer durch die Beseitigung des Schuldzinsenabzugs erleidet, bestehen unmittelbar darin, daß er ab dem Veranlagungszeitraum 1974 bis zum Ende der Laufzeit seines Vertrags die jährlichen Zinsbeträge steuerlich nicht mehr absetzen kann. Die Nutzung fremden Kapitals, die der Beschwerdeführer in erster Linie erreichen wollte, bleibt ihm aber ungeschmälert erhalten, wenngleich sich der Kredit wirtschaftlich betrachtet insgesamt verteuert. Ob diese Nachteile, die der Beschwerdeführer durch die Gesetzesänderung erlitten hat, ein solches Gewicht haben, daß man davon sprechen kann, seine Rechtsposition sei im ganzen entwertet worden, bedarf -- wie sich aus der Entscheidung vom 20. Juni 1978 (BVerfGE 48, 403 [415 f.]) ergibt -- keiner abschließenden Würdigung. Denn die Bestimmung der verfassungsrechtlichen Grenzen von Gesetzen, die dem Vertrauen des Einzelnen auf den Fortbestand einer bestimmten gesetzlichen Regelung zuwiderlaufen, verlangt eine Abwägung des Einzelinteresses mit der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Wohl der Allgemeinheit (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerfGE 14, 288 [300]; 25, 142 [154]; 30, 392 [404]; 48, 403 [416]). Nur wenn die Abwägung ergibt, daß das Vertrauen auf die Fortgeltung der bestehenden Lage den Vorrang verdient, ist die Regelung unzulässig (vgl. BVerfGE 30, 250 [268]; 48, 403 [416]).
Hier verdient das gesetzgeberische Anliegen den Vorrang vor dem Interesse des betroffenen Darlehensschuldners am Fortbestand der ihm günstigeren Rechtslage:
a) Der Bürger kann grundsätzlich nicht darauf vertrauen, daß der Gesetzgeber steuerliche Vergünstigungen, die er bisher mit Rücksicht auf bestimmte Tatsachen oder Umstände, etwa aus konjunkturpolitischen Erwägungen, gewährt hat, immer und uneingeschränkt auch für die Zukunft aufrechterhalten werde (vgl. BVerfGE 14, 76 [104]; 18, 135 [144]; 19, 119 [127]; 27, 375 [386]; 48, 403 [416]). Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz geht also nicht so weit, den Staatsbürger vor jeder "Enttäuschung" zu bewahren (BVerfGE 14, 288 [299]; 22, 241 [252]; 24, 220 [230]; 48, 403 [416]).
b) Dem Einzelinteresse des Beschwerdeführers an der Ersparung finanzieller Aufwendungen steht die Bedeutung gegenüber, die die beanstandete gesetzliche Regelung nach ihrer Zielsetzung für das Wohl der Allgemeinheit hat. Das Steueränderungsgesetz 1973 diente dazu, den Preisanstieg bei Verbrauchsgütern zu begrenzen und damit der volkswirtschaftlich schädlichen Inflation zu begegnen. Außerdem sollten ein befriedigendes Wachstum des Bruttosozialprodukts und ein hoher Beschäftigungsstand gewährleistet werden. Gleichzeitig hatte das Gesetzesvorhaben notwendige Einnahmeverbesserungen für die öffentliche Hand zum Ziel. Diese Ziele hielten sich im Rahmen der dem Gesetzgeber zukommenden politischen Verantwortung und Gestaltungsfreiheit. Zur Erreichung dieser Ziele konnte der Gesetzgeber neben anderen Maßnahmen auch zur Beseitigung des privaten Schuldzinsenabzugs greifen. Insgesamt zeigt sich, daß die durch das Steueränderungsgesetz 1973 angestrebten Verbesserungen als Anliegen, die dem Wohle aller Bürger dienen, das Interesse des betroffenen Darlehensnehmers an dem Fortbestand der früheren Regelung überwiegen. Hinzu kommt, daß der Gesetzgeber in seinen Dispositionsmöglichkeiten unvertretbar eingeengt wäre, wenn eine Einwirkung auf bestehende Rechtsverhältnisse grundsätzlich unzulässig wäre. Der Gesetzgeber wäre gezwungen, eine von ihm nicht mehr als sachgerecht und zweckmäßig erachtete Regelung möglicherweise über sehr lange Zeit hinweg aufrechtzuerhalten, wenn er nicht in die laufenden Rechtsverhältnisse einwirken dürfte. Weiter würden durch denkbare Übergangsregelungen verschiedene Rechtssituationen für gleiche Sachverhalte entstehen, was zu deutlich sichtbaren Ungleichheiten auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet führen würde. Alle diese Überlegungen stützen zusätzlich das Ergebnis, daß im vorliegenden Fall wegen übergeordneter Interessen der Allgemeinheit die Beseitigung des steuerlichen Abzugs privater Schuldzinsen zulässig ist.
c) Auch die Erhöhung der Pauschalsätze für Sonderausgaben, die Verbesserungen für eine Vielzahl von Steuerpflichtigen -- und auch keine Belastung des Beschwerdeführers -- mit sich brachte, verstößt aus grundsätzlich gleichen Überlegungen nicht gegen den Vertrauensgrundsatz. Die Vorschriften des § 10c EStG über die Vorsorgepauschale dienen lediglich einer Vereinfachung des Lohnsteuerverfahrens bei der Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen. Wird im Einzelfall die Vorsorgepauschale durch die Höhe der Aufwendungen nicht ausgeschöpft, so erwächst dem Steuerpflichtigen daraus kein Nachteil. Die durch die Vorsorgepauschale eingeräumte Steuerermäßigung liegt dann höher als sie bei Einzelnachweis anerkannt werden könnte.
(gez.) Zeidler Rinck Wand Hirsch Dr. Rottmann Dr. Dr. h. c. Niebler Steinberger