BVerfGE 61, 82 - Sasbach |
1. Auch außerhalb des Bereichs der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben steht einer Gemeinde das Eigentumsrecht aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG nicht zu. |
2. a) Zur Gewährleistung wirksamen Rechtsschutzes durch Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gehört vor allem, daß der Richter - bezogen auf das als verletzt behauptete Recht - eine hinreichende Prüfungsbefugnis über die tatsächliche und rechtliche Seite des Rechtsschutzbegehrens hat sowie über eine zureichende Entscheidungsmacht verfügt, um einer erfolgten oder drohenden Rechtsverletzung wirksam abzuhelfen. |
b) § 3 Abs. 1 Atomanlagen-Verordnung in der Auslegung des Bundesverwaltungsgerichts verwehrte den Verwaltungsgerichten weder, umfassend tatsächlich und rechtlich nachzuprüfen, ob ein Sachverhalt unter den Tatbestand der Vorschrift fällt und welche Rechtsfolgen sich daran anknüpfen, noch hindert er sie, einer insoweit festgestellten Verletzung von Rechten des Betroffenen wirksam abzuhelfen. |
Beschluß |
des Zweiten Senats vom 8. Juli 1982 gemäß § 24 BVerfGG |
-- 2 BvR 1187/80 -- |
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde der Gemeinde Sasbach ... |
Entscheidungsformel: |
Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen. |
Gründe: |
A. |
Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist im wesentlichen die Frage, ob die Beschwerdeführerin, eine Gemeinde, in bezug auf den Ausschluß von Einwendungen gemäß § 3 Abs. 1 der Verordnung über das Verfahren bei der Genehmigung von Anlagen nach § 7 des Atomgesetzes (Atomanlagen-Verordnung - AtAnlV -) vom 20. Mai 1960 (BGBl. I S. 310) in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. Oktober 1970 (BGBl. I S. 1518) in verfassungsrechtlichen Rechtsstellungen verletzt ist.
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I. |
1. Nach der für das vorliegende Verfahren zeitlich entscheidungserheblichen Atomanlagen-Verordnung war ein Antrag auf Genehmigung einer Atomanlage schriftlich bei der Genehmigungsbehörde des Landes zu stellen, in dem die Anlage errichtet werden sollte oder sich befand (§ 1 Abs. 1 AtAnlV). Dem Antrag waren die zur Prüfung erforderlichen Unterlagen beizufügen (§ 1 Abs. 2 AtAnlV). Weiter bestimmten §§ 2 und 3 AtAnlV:
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"§ 2 Bekanntmachung und Auslegung
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(1) Sind die Unterlagen vollständig, so hat die Genehmigungsbehörde das Vorhaben in ihrem amtlichen Veröffentlichungsblatt und in einer im Bereich des Standorts der Anlage verbreiteten Tageszeitung bekanntzumachen. Auf die Bekanntmachung ist imBundesanzeiger hinzuweisen.
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(2) Die Bekanntmachung muß
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1. darauf hinweisen, daß und wo der Antrag auf Erteilung einer Genehmigung oder eines Vorbescheides und die in § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 bezeichneten Unterlagen zur Einsicht ausgelegt sind;
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2. dazu auffordern, etwaige Einwendungen bei einer in der Bekanntmachung zu bezeichnenden Stelle vorzubringen, und zwar binnen eines Monats, von dem auf die Ausgabe des Veröffentlichungsblattes (Abs. 1 Satz 1) folgenden Tag an gerechnet; dabei ist auf die Rechtsfolge des § 3 Abs. 1 hinzuweisen;
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3. einen Erörterungstermin bestimmen und darauf hinweisen, daß die erhobenen Einwendungen in dem Termin ohne Rücksicht auf das Ausbleiben des Antragstellers oder der Personen, die Einwendungen erhoben haben, erörtert werden.
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(4) - (5) ...
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§ 3 Einwendungen
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(1) Durch Ablauf der in § 2 Abs. 2 Nr. 2 bezeichneten Frist werden alle Einwendungen ausgeschlossen, die nicht auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhen.
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(2) Einwendungen, die auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhen, sind auf den Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten zu verweisen. Die übrigen Einwendungen sind mit dem Antragsteller und den Personen, die Einwendungen erhoben haben, mündlich zu erörtern, ..."
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Gemäß § 4 Abs. 2 AtAnlV war der Bescheid der Genehmigungsbehörde dem Antragsteller sowie den Personen zuzustellen, die Einwendungen erhoben hatten.
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2. Die Atomanlagen-Verordnung beruhte unter anderem auf der gesetzlichen Ermächtigung in § 7 Abs. 3 Satz 3 des Gesetzes über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz - AtomG -) vom 23. Dezember 1959 (BGBl. I S. 814). In der bei Inkrafttreten der Atomanlagen-Verordnung geltenden Fassung lautete § 7 Abs. 3 AtomG:
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"Im Genehmigungsverfahren sind alle Behörden des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der sonstigen Gebietskörperschaften zu beteiligen, deren Zuständigkeitsbereich berührt wird. Bestehen zwischen der Genehmigungsbehörde und einer beteiligten Bundesbehörde Meinungsverschiedenheiten, so hat die Genehmigungsbehörde die Weisung des Bundesministers für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft einzuholen. Im übrigen wird das Genehmigungsverfahren nach den Grundsätzen der §§ 17 bis 19 und 49 der Gewerbeordnung durch Rechtsverordnung geregelt."
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§§ 17 und 19 der Gewerbeordnung vom 21. Juni 1869 (GewO; vgl. BGBl. III - 7100 -1) bestimmten über das Verfahren für die Genehmigung gewerblicher Anlagen:
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(1) Dem Antrag auf die Genehmigung einer ... Anlage müssen die zur Erläuterung erforderlichen Zeichnungen und Beschreibungen beigefügt werden.
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(2) Ist gegen die Vollständigkeit dieser Vorlage nichts zu erinnern, so wird das Unternehmen mittels einmaliger Einrückung in das zu den amtlichen Bekanntmachungen der Behörde (...) bestimmte Blatt zur öffentlichen Kenntnis gebracht, mit der Aufforderung, etwaige Einwendungen gegen die neue Anlage binnen vierzehn Tagen anzubringen. Die Frist ... ist für alle Einwendungen, welche nicht auf privatrechtlichen Titeln beruhen, präklusivisch.
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§ 19
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(1) Einwendungen, welche auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhen, sind zur richterlichen Entscheidung zu verweisen, ohne daß von der Erledigung derselben die Genehmigung der Anlage abhängig gemacht wird.
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(2) Andere Einwendungen dagegen sind mit den Parteien vollständig zu erörtern. Nach Abschluß dieser Erörterung erfolgt die Prüfung und Entscheidung ... Der Bescheid ist sowohl dem Unternehmer als dem Widersprechenden zu eröffnen."
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3. Die Atomanlagen-Verordnung trat mit Inkrafttreten der Verordnung über das Verfahren bei der Genehmigung von Anlagen nach § 7 des Atomgesetzes (Atomrechtliche Verfahrensverordnung - AtVfV -) vom 18. Februar 1977 (BGBl. I S. 280) am 1. März 1977 außer Kraft (vgl. § 22 AtVfV).
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II. |
1. a) Am 10. Oktober 1973 beantragte die Kernkraftwerk Süd GmbH (Beigeladene des Ausgangsverfahrens) beim Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Verkehr des Landes Baden-Württemberg (Beklagter des Ausgangsverfahrens) die atomrechtliche Genehmigung gemäß § 7 AtomG für die Errichtung des Blocks I (Süd) eines Kernkraftwerks auf der Gemarkung Wyhl am Kaiserstuhl. Die Genehmigungsbehörde gab das Vorhaben in den Ausgaben des Staatsanzeigers Baden-Württemberg und der Badischen Zeitung vom 18. Mai 1974 bekannt. Sie wies darauf hin, daß sich die Einzelheiten der Anlage aus den Unterlagen ergäben, die beim Bürgermeisteramt in Wyhl, beim Landratsamt in Emmendingen und beim Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Verkehr in Stuttgart einen Monat, von dem auf die Ausgabe der Blätter folgenden Tag an gerechnet, ausgelegt seien. Etwaige Einwendungen könnten während dieser Zeit erhoben werden. Mit Ablauf der Frist würden alle Einwendungen ausgeschlossen, die nicht auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhten. Zur Erörterung etwaiger Einwendungen finde am 9. Juli 1974 ein Termin statt. Auf die Bekanntmachung wurde im Bundesanzeiger (Nr. 93 vom 18. Mai 1974) hingewiesen. Die Antragsunterlagen lagen bei den genannten Behörden vom 19. Mai bis zum 18. Juni 1974 zur Einsicht aus. Bei der Genehmigungsbehörde wurden über 89 000 Einwendungen erhoben.
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b) Die Beschwerdeführerin, eine ländliche Gemeinde am Kaiserstuhl, deren Gemarkung an die Wyhler Gemarkung angrenzt und sich bis auf drei Kilometer dem geplanten Standort des Kernkraftwerks nähert, teilte der Genehmigungsbehörde mit Schreiben vom 11. Juni 1974, das am darauffolgenden Tag bei der Behörde einging, mit:
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"Die Gemeinde Sasbach erhebt hiermit zur Fristwahrung für den Bau eines Kernkraftwerks auf der Gemarkung Wyhl Einwendungen. Die Begründung wird in den nächsten Tagen nachgereicht."
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Mit einem weiteren Schreiben vom 19. Juni 1974 legte die Beschwerdeführerin ihre Einwendungen näher dar; unter anderem führte sie aus:
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Unsere Bedenken auf Beeinträchtigung dieser Sonderkulturen während der Vegetations- und Reifezeit, beispielsweise durch zusätzlich auftretenden Hagel oder Nebel, sind durch das offengelegene agrarmeteorologische Gutachten ... nicht ausgeräumt ...
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Solange nicht nachgewiesen ist, daß keine schädlichen Veränderungen der klimatologischen und ökologischen Verhältnisse auftreten, müssen wir die Einwendungen aufrechterhalten. Dies gilt selbstverständlich auch für die Sicherheit für Menschen, Tiere und Pflanzen sowohl bei einem Unfall im oder am Werk sowie durch zusätzliche Strahlenbelastung..."
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c) In dem Erörterungstermin am 9. und 10. Juli 1974 wurde das Vorbringen der Beschwerdeführerin in der Sache behandelt. Am 22. Januar 1975 erteilte das Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Verkehr der Kernkraftwerk Süd GmbH die Erste Teilgenehmigung für die Errichtung des Kernkraftwerks Süd Block I. Die Einwendungen der Beschwerdeführerin wurden als unbegründet zurückgewiesen.
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2. Die Beschwerdeführerin erhob beim Verwaltungsgericht Freiburg Klage mit dem Antrag, die Genehmigung vom 22. Januar 1975 aufzuheben.
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a) Durch Zwischenurteil vom 8. April 1976 (DVBl. 1976, S. 807) erklärte das Verwaltungsgericht die Klage für zulässig. Die Beschwerdeführerin sei klagebefugt. Sie könne geltend machen, durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Selbstverwaltungsrecht und in ihrem Eigentum verletzt zu sein, weil ihr - eigenem Vortrag zufolge - eine größere Zahl landwirtschaftlich genutzter, zum Teil als Rebland verpachteter Grundstücke gehörten, die nicht der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben dienten. Die Beschwerdeführerin sei auch nicht nach § 3 Abs. 1 AtAnlV mit ihren Einwendungen ausgeschlossen. Sie habe Einwendungen bereits mit dem Schreiben vom 11. Juni 1974 fristgerecht erhoben.
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b) Die Berufungen des Landes Baden-Württemberg und der Kernkraftwerk Süd GmbH gegen das Zwischenurteil des Verwaltungsgerichts wies der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg durch Urteil vom 19. Januar 1977 (DVBl. 1977, S. 345) zurück. Die Klagebefugnis der Beschwerdeführerin könne zwar nicht allgemein aus ihrem Selbstverwaltungsrecht hergeleitet werden. Sie ergebe sich aber aus ihrer Kompetenz, ihre Einwohner mit Wasser zu versorgen unter Berücksichtigung ihre Rechte an ihren Einrichtungen zur Trinkwasserversorgung sowie aus ihrem Eigentum an landwirtschaftlichen Nutzflächen. Die Frage der Versäumung der Einwendungsfrist beträfe nicht die Zulässigkeit, sondern die Begründetheit der Klage.
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c) Durch Urteil vom 14. März 1977 hob das Verwaltungsgericht Freiburg die Genehmigung vom 22. Januar 1975 auf. Das Gericht stellte fest, die Beschwerdeführerin bewirtschafte auf dem Grundstück Lgb. Nr. 6427 eine 21,2 ha große Obstanlage, die etwa 4,5 km von dem geplanten Standort entfernt liege. Sie sei Eigentümerin einer Reihe von Grundstücken, die landwirtschaftlich genutzt würden und verpachtet seien. Weitere ihr gehörende Grundstücke würden als Rebgelände genutzt. Die Klage sei aus den in dem Zwischenurteil genannten Gründen zulässig. Die Beschwerdeführerin habe rechtzeitig Einwendungen erhoben. Sinn der Einwendungsfrist gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 AtAnlV könne nämlich nur sein, den Kreis der Personen abzugrenzen, die Wert darauf legten, an dem Verfahren beteiligt zu werden, weil sie Bedenken gegen das Vorhaben hätten. Die Klage sei auch begründet. Der geplante Druckwasserreaktor dürfe allenfalls mit einer sogenannten Berstsicherung gebaut werden.
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3. a) Das Land Baden-Württemberg und die Kernkraftwerk Süd GmbH legten Berufung ein. In dem Berufungsverfahren machte die Beschwerdeführerin "fürsorglich" geltend, ihr seien im Zuge eines Flurbereinigungsverfahrens, das am 31. Januar 1975 angeordnet worden sei, mit vorläufiger Anordnung vom 24. März 1977 im Vorgriff auf die endgültige Zuteilung Rebflächen zu Besitz und Nutzung zugewiesen worden, die vorher teilweise ihr gehört hätten und mit Wald bestanden gewesen wären, teilweise anderen gehört hätten. Hinsichtlich der Waldflächen habe kein Anlaß bestanden, gegen das geplante Kernkraftwerk Einwendungen zu erheben. Der Umstand, daß die Rebflächen erst nach Ablauf der Einwendungsfrist erworben worden seien, könne der Zulässigkeit der Klage nicht entgegenstehen.
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b) Durch Urteil vom 17. Oktober 1978 änderte der Verwaltungsgerichtshof das Urteil des Verwaltungsgerichts und wies die Klage ab. Sie sei zwar zulässig, weil die Beschwerdeführerin geltend mache, in ihrem Eigentum verletzt zu sein; dabei sei gleichgültig, ob dieses durch Art. 14 GG geschützt werde oder nicht. Die Klage sei aber unbegründet, weil die Beschwerdeführerin mit ihren Einwendungen ausgeschlossen sei. Die Ausschlußwirkung des § 3 Abs. 1 AtAnlV erstrecke sich auf das gerichtliche Verfahren. § 17 Abs. 2 GewO, auf den die Ermächtigung des § 7 Abs. 3 AtomG Bezug nehme, sei im selben Sinne verstanden worden. Die Beschwerdeführerin habe substantiierte Einwendungen erst mit dem Schreiben vom 19. Juni 1974 erhoben. Die Substantiierung hätte aber bereits innerhalb der Auslegungsfrist erfolgen müssen. Die Beschwerdeführerin könne sich auch nicht auf das nachträglich erworbene Gelände berufen. Soweit es sich dabei um ehemalige Waldflächen handele, könne der etwaige spätere Wegfall von Voraussetzungen der Genehmigungserteilung diese nicht rechtswidrig machen, sondern der Genehmigungsbehörde lediglich die Möglichkeit geben, die Genehmigung nachträglich zu beseitigen (vgl. § 17 Abs. 2 Nr. 3 AtomG). Soweit der Beschwerdeführerin ehemals in fremdem Eigentum stehendes Rebgelände zugewiesen worden sei, gelte im Ergebnis nichts anderes.
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4. Durch Urteil vom 17. Juli 1980 (BVerwGE 60, 297) wies das Bundesverwaltungsgericht die Revision der Beschwerdeführerin zurück.
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a) Die Beschwerdeführerin habe Einwendungen im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 2 AtAnlV nicht rechtzeitig erhoben; sie sei deshalb gemäß § 3 Abs. 1 AtAnlV mit ihren später geltend gemachten Einwendungen ausgeschlossen. Einwendungen seien sachliches, auf die Verhinderung oder die Modifizierung des beantragten Vorhabens abzielendes Vorbringen. Die schlichte Mitteilung, es würden Einwendungen erhoben, reiche nicht aus. Dies ergebe sich schon daraus, daß § 2 Abs. 2 Nr. 2 AtAnlV davon spreche, Einwendungen seien "vorzubringen". § 3 AtAnlV differenziere überdies zwischen verschiedenen Arten von Einwendungen. Aus Sinn und Zweck dieser Regelungen ergebe sich dies ebenfalls. Das Vorbringen von Einwendungen solle zur sachlichen Bewältigung des Vorhabens durch die Genehmigungsbehörde beitragen; von daher rechtfertige sich die Beteiligung dessen, der solche Einwendungen vorbringe, am weiteren Verfahren. Aus § 3 AtAnlV werde deutlich, worauf das Gegenvorbringen abziele. Bei der Einwendung eines Drittbetroffenen handele es sich letztlich um das Geltendmachen eines Genehmigungsabwehranspruchs zum Schutz einer grundrechtlich abgesicherten Rechtsstellung.
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b) Der Einwendungsausschluß erstrecke sich auch auf das verwaltungsgerichtliche Verfahren. Dafür spreche bereits der Wortlaut der Vorschrift. Von "Ausschluß" spreche der Gesetzgeber erst dann, wenn ein endgültiger Rechtsverlust gemeint sei. Für die Annahme einer solchen Reichweite der Präklusion spreche ferner der systematische Zusammenhang mit der Ermächtigungsnorm des § 7 Abs. 3 AtomG. Diese Bestimmung verweise auf § 17 GewO; § 3 Abs. 1 AtAnlV entspreche § 17 Abs. 2 GewO, der immer im Sinne einer zum endgültigen Rechtsverlust führenden Präklusion ausgelegt worden sei. § 3 Abs. 1 AtAnlV entspräche kaum noch der Ermächtigung des § 7 Abs. 3 Satz 3 AtomG, enthielte er nur eine sich auf das Verwaltungsverfahren erstreckende Präklusion. Es bliebe dann nämlich ein ganz wesentliches Element des gewerberechtlichen Genehmigungsverfahrens ausgespart. Auch im Blick auf Sinn und Zweck des § 3 Abs. 1 AtAnlV müsse sich die Präklusion auf das Verwaltungsstreitverfahren erstrecken. Die Vorschrift grenze im Rahmen eines mehrpoligen Rechtsverhältnisses die geschützten Rechtssphären des Herstellers oder Betreibers einer Anlage und der durch sie potentiell betroffenen Dritten ab, indem sie das dem Dritten eingeräumte Abwehrrecht beschränke. Die materiellrechtlich wirkende Präklusion zwinge die potentiell Betroffenen, sich schon zu Beginn des Verwaltungsverfahrens darüber klar zu werden, ob und in bezug auf welche Rechtsposition sie sich gegen das Vorhaben zur Wehr setzen wollten; damit verschaffe sie der Genehmigungsbehörde den bestmöglichen Überblick.
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c) Die Präklusion begegne keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Staat komme seiner verfassungsrechtlich gebotenen Schutzpflicht in ausreichendem Maß nach, wenn er den von den Auswirkungen einer atomaren Anlage potentiell betroffenen Dritten nur einen nach Maßgabe des § 3 Abs. 1 AtAnlV bestehenden und insoweit eingeschränkten Abwehranspruch einräume. Die Präklusion knüpfe an den Umstand an, daß jemand eine ihm verfahrensrechtlich eingeräumte Rechtsposition zum vorbeugenden Schutz seiner Rechtsgüter nicht wahre; sie sei Ausdruck des Verwirkungsgedankens.
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Die den Dritten treffende Mitwirkungslast finde ihre Rechtfertigung darin, daß der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des atomrechtlichen Genehmigungsverfahrens auch die Rechtsposition der Hersteller oder Betreiber angemessen regeln müsse.
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Die Präklusion sei im Hinblick auf ihren Umfang angemessen begrenzt. Einmal sei bei jeder nachträglichen, für Drittbetroffene bedeutsamen Änderung des Verfahrensgegenstands oder der Verfahrensgrundlage Gelegenheit zu geben, erneut Einwendungen vorzubringen. Die Präklusion erstrecke sich weiter nicht auf Ansprüche, mit denen ein Recht auf Widerruf oder Rücknahme einer Genehmigung oder der Erlaß nachträglicher Auflagen (vgl. § 17 AtomG) geltend gemacht werde. Auch einer auf Feststellung der Nichtigkeit einer atomrechtlichen Genehmigung gerichteten Klage stehe sie nicht entgegen. Die Präklusion erstrecke sich überdies nicht auf solche Tatsachen, die während der Einwendungsfrist (noch) nicht hätten vorgebracht werden können. Wegen einer schuldlosen Versäumung der Einwendungsfrist sei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand möglich. Sei im Einzelfall eine Wiedereinsetzung nicht mehr möglich, weil die Genehmigung bereits erteilt und damit das Genehmigungsverfahren abgeschlossen sei, so greife die Präklusion nicht ein. Ausgeschlossene Einwendungen ließen auch das Amtsermittlungsprinzip unberührt. Im Hinblick auf die Umstände des vorliegenden Falles habe der Senat erwogen, ob verspätet vorgebrachte Einwendungen jedenfalls dann nicht präkludiert seien, wenn sie offensichtlich nicht zu einer Verzögerung des Genehmigungsverfahrens führen könnten. Die Frage sei aber wegen der mit einer solchen Einschränkung der Präklusion verbundenen Einbußen an Rechtssicherheit zu verneinen. Sei die starre, in ihrer Starre aber auch Klarheit und Berechenbarkeit verbürgende Frist des § 2 Abs. 2 Nr. 2 AtAnlV erst einmal durchbrochen, so sei eine Grenze, jenseits derer verspätete Einwendungen nicht mehr zulässig seien, nur schwer zu ziehen; sie stehe damit letztlich zur Disposition der Genehmigungsbehörde; dies widerspräche der gesetzlichen Regelung.
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Was die Vermeidung der Präklusion anbelange, würden an den Betroffenen keine unzumutbaren Anforderungen gestellt. Anhand der auszulegenden Unterlagen könnten sich Betroffene ein ausreichendes Bild über mögliche Gefährdungen verschaffen und sich darüber schlüssig werden, ob sie sich am Genehmigungsverfahren beteiligen wollten. Eine Einwendung sei bereits dann hinreichend substantiiert, wenn sie erkennen lasse, welche seiner Rechtsgüter der Einwender für gefährdet ansehe. Damit werde vom Einwender - auch unter Berücksichtigung der nur einmonatigen Auslegungsfrist - nichts Unzumutbares verlangt. Schließlich sei zu berücksichtigen, daß gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 AtAnlV auf die Rechtsfolge des § 3 Abs. 1 AtAnlV hinzuweisen sei. Der Revision sei allerdings nicht in der Auffassung zu folgen, es müsse auch darüber belehrt werden, welche Anforderungen an eine formgerechte Einwendung gestellt würden und daß die Präklusion sich auch auf das gerichtliche Verfahren erstrecke. Inhalt und Form von Einwendungen ergäben sich hinreichend aus den zugrundeliegenden Rechtsvorschriften.
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d) Der Beschwerdeführerin sei eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Einwendungsfrist nicht zu gewähren. Diese sei auch nicht im Genehmigungsverfahren in für das gerichtliche Verfahren bindender Weise gewährt worden. Die Fristversäumung sei schuldhaft gewesen.
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Es habe auch nicht in der Macht der Genehmigungsbehörde gestanden, die bereits eingetretene materielle Ausschlußwirkung durch (stillschweigende) Gewährung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nachträglich zu beseitigen. Der Hinweis der Revision, auch die Entscheidung der Widerspruchsbehörde über einen verspäteten Widerspruch eröffne den Klageweg wieder, gehe fehl.
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Die Beschwerdeführerin könne mithin ihr Klagebegehren nur auf solches Vorbringen stützen, das nicht der Präklusion unterliege. Ihr Vorbringen, sie habe im Rahmen eines Flurbereinigungsverfahrens Rebgelände erhalten, führe nicht weiter. Soweit es sich um ihre ehemaligen Waldflächen handele, sei die Zuweisung als Rebgelände erst erfolgt, nachdem die angefochtene Genehmigung bereits erteilt gewesen sei. Soweit sie auf die Zuteilung von bislang in fremdem Eigentum stehendem Rebgelände hinweise, verkenne sie, daß Einwendungen rechtsgutsbezogen seien und daher der nachträgliche Erwerb "präklusionsbelasteten" Eigentums den eingetretenen Ausschluß von an sich mit dem Eigentum verbundenen Abwehrrechten nicht wieder rückgängig mache. Auch eine beim Rechtsvorgänger eingetretene Bestandskraft müsse sich der Rechtsnachfolger zurechnen lassen.
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III. |
Gegen die Urteile des Verwaltungsgerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts richtet sich die Verfassungsbeschwerde. Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung der Art. 14 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 GG. Sie könne sich auf diese Verfassungsbestimmungen berufen. Soweit eine Gemeinde Grundeigentümerin sei und ihr Eigentum nicht unmittelbar zur Wahrnehmung ihrer öffentlichen Aufgaben, sondern wie eine Privatperson nach privatwirtschaftlichen Grundsätzen nutze, müsse ihr der Schutz des Art. 14 GG zustehen. Im vorliegenden Fall gehe es um etwaige Beeinträchtigungen ihr gehörender, landwirtschaftlich genutzter Grundstücke, die sie zum Teil selbst bewirtschafte, zum Teil verpachtet habe. Sie sei insoweit in einem grundrechtlich geschützten Bereich betroffen. Ihre Betroffenheit habe sie in dem Einwendungsschreiben vom 19. Juni 1974 dargetan. Sie trete lediglich als Träger fiskalischer Rechte in Erscheinung. Auch auf Art. 19 Abs. 4 GG könne sie sich berufen, weil auch Gemeinden einen Anspruch auf wirksamen Rechtsschutz hätten. Schließlich könne sie eine Verletzung ihres Verfahrensgrundrechts aus Art. 103 Abs. 1 GG geltend machen.
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Die Präklusion des § 3 Abs. 1 AtAnlV verletze das Grundgesetz. Jedenfalls wenn die öffentliche Bekanntmachung eines Vorhabens keine Belehrung über die Substantiierungslast bei der Erhebung von Einwendungen und die Erstreckung der Präklusionswirkung auf das gerichtliche Verfahren enthalte, dürfe sie nicht eingreifen.
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Das Verwaltungsverfahrensrecht müsse verfassungsrechtlichen Grundsätzen genügen. Der Grundrechtsschutz sei weitgehend auch durch die Gestaltung von Verfahren zu bewirken; dies gelte zumal für atomrechtliche Verfahren. Der Zugang potentiell Betroffener zum Verwaltungsverfahren dürfe nicht mehr erschwert werden, als unter Berücksichtigung gegenläufiger Interessen des Projektträgers und der Allgemeinheit an der gebotenen Verfahrenskonzentration und Verfahrensbeschleunigung vertretbar erscheine.
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Der Beschwerdeführerin sei nicht bekannt gewesen, daß sie ihre Einwendungen innerhalb der Auslegungsfrist substantiieren müsse. Sie habe dies auch nicht der Bekanntmachung des Vorhabens durch die Genehmigungsbehörde entnehmen können. Innerhalb der kurzen Auslegungsfrist habe sie keinen Rechtsrat einholen können. Nur wenn eine entsprechende Belehrung erfolge, werde vom Einwender nichts Unzumutbares verlangt, wenn ihm eine fristgerechte Substantiierung seiner Einwendungen angesonnen werde, zumal die Einwendungsfrist mit einem Monat sehr kurz bemessen gewesen sei. Im übrigen hätte ihr jedenfalls wegen der Versäumung der Einwendungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden müssen. Bei der Beurteilung des Verschuldens hätten die Gerichte einen mit Verfassungsrecht nicht mehr vereinbaren Maßstab angelegt.
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Fürsorglich macht die Beschwerdeführerin zu Art. 19 Abs. 4 GG geltend: Bei der Versäumung einer Einwendungsfrist vor Erlaß einer behördlichen Maßnahme könne der Betroffene nie gegen diese Maßnahme Rechtsbehelfe einlegen. Zwar würde Art. 19 Abs. 4 GG dann nicht eingreifen, wenn durch die Präklusionswirkung ein bestehender Abwehranspruch beseitigt wäre. Im Zweifel sei aber davon auszugehen, daß ein solcher Anspruch fortbestehe. Entfiele die Befugnis, ihn vor Gericht geltend zu machen, so sei das mit Art. 19 Abs. 4 GG nicht vereinbar. Noch weniger sei es hinzunehmen, daß die Präklusion schon die Entstehung subjektiv-öffentlicher Abwehrrechte hindern sollte. Der vom Bundesverwaltungsgericht angeführte Gesichtspunkt der Verwirkung könne dann nicht erheblich sein, wenn der Betroffene - wie die Beschwerdeführerin - der Genehmigungsbehörde fristgerecht mitteile, er erhebe Einwendungen gegen das geplante Vorhaben. Er könne innerhalb der kurzen Frist das Ausmaß seiner Betroffenheit nicht zureichend beurteilen. Ihm könne deshalb auch nicht angesonnen werden, er müsse seine Einwendungen innerhalb der Frist konkretisieren, um sich das Klagrecht zu erhalten.
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Auch die vom Bundesverwaltungsgericht aufgezeigten Grenzen der Erstreckung des Einwendungsausschlusses könnten die verfassungsrechtlichen Bedenken nicht ausräumen. Zur Beschleunigung des Verwaltungsverfahrens bedürfe es keiner materiellrechtlichen Präklusion. Sie sei auch nicht zum Schutz eines Antragstellers im Hinblick auf etwaige Verwaltungsstreitverfahren erforderlich. Im übrigen werde die Zahl der Klagebefugten praktisch weit weniger durch den Einwendungsausschluß als durch § 42 Abs. 2 VwGO begrenzt; die materiellrechtliche Präklusion bedeute deshalb eine rechtsstaatswidrige Überintervention.
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Besondere verfassungsrechtliche Bedenken bestünden gegen den Eintritt einer materiellrechtlichen Präklusion im Falle unzureichender Belehrung.
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IV. |
Zu der Verfassungsbeschwerde haben sich der Bundesminister des Innern namens der Bundesregierung, der Minister für Wirtschaft, Mittelstand und Verkehr namens des Landes Baden- Württemberg und die Kernkraftwerk Süd GmbH geäußert.
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1. Der Bundesminister des Innern erhebt Bedenken gegen die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde, soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung der Art. 14 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG rügt. Ob juristische Personen des öffentlichen Rechts im Bereich fiskalischer Tätigkeit grundrechtsfähig seien, sei umstritten. Es spreche einiges dafür, juristischen Personen des öffentlichen Rechts wie in ihrem öffentlichen Aufgabenkreis auch im Bereich privatrechtlicher Betätigung nur ausnahmsweise die Grundrechtssubjektivität zuzuerkennen, und zwar nur dann, wenn der betreffende Rechtsträger unmittelbar einem durch die Grundrechte geschützten Lebensbereich zuzuordnen sei; diese Voraussetzung liege nicht vor. Art. 19 Abs. 4 GG sei kein Verfahrensgrundrecht. Die Rüge der Verletzung des Verfahrensgrundrechts aus Art. 103 Abs. 1 GG, die freilich nicht den wesentlichen Punkt der Verfassungsbeschwerde betreffe, sei in zulässiger Weise erhoben worden.
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Die Verfassungsbeschwerde sei jedenfalls unbegründet. Die Präklusionswirkung berühre nicht den durch Art. 19 Abs. 4 GG gewährleisteten wirksamen Rechtsschutz. Ausschlußfristen oder andere formelle Voraussetzungen für das Beschreiten des Rechtswegs seien im Grundsatz verfassungsrechtlich unbedenklich. Im atomrechtlichen Verfahren wie auch in anderen gleichgelagerten Verfahren liege wegen der Drittbeteiligung eine vom Regelfall des Art. 19 Abs. 4 GG abweichende Konstellation vor. Werde die Vorabbeteiligung potentiell Betroffener am Verfahren als subjektives Recht anerkannt, so erscheine es auch gerechtfertigt, dem erheblichen Interesse des Antragstellers an einem rechtsbeständigen Verwaltungsakt insoweit Rechnung zu tragen, als der Dritte nicht nachträglich ein von ihm beeinflußbares, aber nicht beeinflußtes Ergebnis in Frage stellen könne. Angesichts der auszulegenden Unterlagen verfüge der Betroffene über einen hinreichend vollständigen Informationsstand, um auf Bedenken aufmerksam zu werden. Es entspreche allerdings Art. 19 Abs. 4 GG, daß die Präklusion nicht uneingeschränkt gelten könne; die insoweit bestehenden Grenzen habe das Bundesverwaltungsgericht zutreffend aufgezeigt. Die Präklusionsregelung begegne auch mit Blick auf Art. 14 GG keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Art. 103 Abs. 1 GG sei nicht verletzt. Insbesondere habe das Bundesverwaltungsgericht die Anforderungen an die Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht überspannt.
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2. Der Minister für Wirtschaft, Mittelstand und Verkehr des Landes Baden-Württemberg hält die Verfassungsbeschwerde für unzulässig, jedenfalls aber für unbegründet. Die Beschwerdeführerin sei erst nach Ergehen der angefochtenen Genehmigung Eigentümerin von Reblandgrundstücken geworden. Das Waldgelände, das ihr früher schon gehört habe, sehe sie nicht als durch das geplante Kernkraftwerk gefährdet an. Schon deshalb könne sie sich nicht auf eine Verletzung des Art. 14 Abs. 1 GG berufen. Sie könne auch nicht geltend machen, die angegriffenen Entscheidungen verstießen gegen Art. 19 Abs. 4 GG. Diese Verfassungsbestimmung gewähre kein materielles Recht, sondern setze es voraus. Ein solches Recht sei durch die angefochtene Genehmigung aber nicht betroffen. Deshalb sei die Beschwerdeführerin nicht klagebefugt. Im übrigen sei der Beschwerdeführerin der Rechtsweg zu den Gerichten nicht verwehrt worden. Da Art. 103 Abs. 1 GG keinen Schutz gegen Entscheidungen gewähre, die den Sachvortrag eines Beteiligten aus Gründen des materiellen Rechts oder des Prozeßrechts unberücksichtigt ließen, sei auch nicht erkennbar, inwieweit diese Bestimmung verletzt sein könnte.
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Die Verfassungsbeschwerde könnte auch in der Sache keinen Erfolg haben. Bereits im Hinblick auf § 17 GewO sei es einhellige Meinung gewesen, daß Einwendungen substantiiert werden müßten. Die Gerichte seien bei der Frage der Wiedereinsetzung nicht von einem zu strengen, mit Art. 19 Abs. 4 GG unvereinbaren Maßstab ausgegangen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die materiellrechtliche Wirkung der Präklusion bestünden nicht. Dem umfassenden Beteiligungsrecht in atomrechtlichen Verfahren entspreche eine Beteiligungslast. Die Einwendungsfrist sei nicht zu kurz bemessen, zumal an die Erhebung der Einwendungen nur sehr geringe Anforderungen hinsichtlich der Substantiierung gestellt würden. Das zugrundeliegende Verwaltungsverhältnis sei durch eine "Dreipoligkeit" gekennzeichnet. Genehmigungsbehörde und Betreiber hätten ein legitimes Interesse daran, frühzeitig zu erfahren, welche Einwendungen gegen das geplante Vorhaben erhoben würden; dem könne nur Rechnung getragen werden, wenn an die Versäumung der Einwendungsfrist die Rechtsfolge der materiellrechtlichen Präklusion geknüpft werde.
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3. Auch die Kernkraftwerk Süd GmbH vertritt die Auffassung, die Beschwerdeführerin könne eine Verletzung der Art. 14 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG nicht geltend machen. Sie sei hinsichtlich ihres Grundeigentums nicht "grundrechtstypisch" staatlicher Gewalt ebenso unterworfen wie jeder andere Grundeigentümer. Ihr Eigentum sei grundsätzlich den öffentlichen Aufgaben verpflichtet, wie nicht zuletzt aus den Regelungen des Gemeindewirtschaftsrechts deutlich werde. Für eine Gemeinde sei Grundeigentum nicht Mittel zur Gewährleistung persönlicher Freiheit, sondern sachliches Substrat zur Verfolgung ihrer öffentlichen Aufgaben. Die Beschwerdeführerin habe im übrigen mit dem Schreiben vom 19. Juni 1974 nicht die Beeinträchtigung eigenen Rebgeländes geltend gemacht. Solches habe sie erst während des Berufungsverfahrens erworben. Dessen Beeinträchtigung könne sie - ungeachtet der Frage der Präklusion - nicht mehr rügen. Eine Verletzung des Art. 19 Abs. 4 GG komme nicht in Betracht, weil die Beschwerdeführerin schon nicht in eigenen Rechten betroffen sei.
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Im übrigen begegne die Auslegung von § 2 Abs. 2 Nr. 2 und § 3 Abs. 1 AtAnlV keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Gesetzgeber sei von Verfassungs wegen nur gehalten, ein Verfahren zur Verfügung zu stellen, das in seiner Gesamtheit geeignet sei, die Beteiligung des Bürgers ohne unzumutbare Schwierigkeiten zu sichern. Aus dem Umstand, daß es sich bei dem atomrechtlichen Genehmigungsverfahren um ein "Dreiecksverhältnis" handele, ergäben sich Besonderheiten. Das Fehlen eines Genehmigungsanspruchs ändere nichts daran, daß auch der Betreiber sich hinsichtlich seines Antrags auf Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG berufen könne. Auch im Atomrecht habe das Verfahrensrecht mithin die Aufgabe, ein "bipolares Grundrechtsverhältnis" zu ordnen und zum Ausgleich zu bringen.
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Art. 19 Abs. 4 GG gebiete nicht ausnahmslos die Gewährung von Rechtsschutz nach Erlaß eines Hoheitsaktes. Zur Verhinderung der Präklusion müsse der Bürger nicht gegen einen unbekannten Verwaltungsakt "auf Verdacht" klagen; von ihm werde nur verlangt, daß er sich gegen das Vorhaben zu Wort melde. Dies sei möglich und zumutbar. Insgesamt biete das atomrechtliche Genehmigungsverfahren dem Betroffenen ein Mehr an Rechtsschutz als andere Genehmigungsverfahren. Die Kehrseite der vorverlagerten und intensivierten Beteiligung sei die Mitwirkungslast. Diese sei durch gewichtige Gründe, nämlich die Interessen des Betreibers und das Erfordernis der Verfahrensökonomie gerechtfertigt. Die Präklusion diene auch der frühzeitigen Eingrenzung des Streitstoffs. Eines besonderen Hinweises über die Substantiierungslast durch die Genehmigungsbehörde habe es nicht bedurft. Es sei hinreichend erkennbar gewesen, daß eine Substantiierung der Einwendungen erforderlich gewesen sei.
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Die Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
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4. In ihrer Erwiderung auf die eingegangenen Stellungnahmen hat die Beschwerdeführerin insbesondere darauf hingewiesen, sie sei seit jeher Eigentümerin landwirtschaftlich genutzter Grundstücke gewesen, etwa des verpachteten Rebgrundstücks Lgb.Nr. 4944 oder des Grundstücks Lgb.Nr. 6427, auf dem sie selbst die Obstanlage Hirschländer bewirtschafte. Diese Flächen seien unter anderen (ohne nähere Bezeichnung) in dem Schreiben vom 19. Juni 1974 angesprochen worden. Das Grundeigentum diene nicht unmittelbar der Verfolgung der öffentlichen Aufgaben der Gemeinde.
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B. |
Die Zulässigkeit der auf Art. 14 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 GG gestützten Verfassungsbeschwerde kann im Verfahren nach § 24 BVerfGG dahinstehen; die Verfassungsbeschwerde ist jedenfalls offensichtlich unbegründet.
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I. |
Soweit die Beschwerdeführerin die Verletzung des Grundrechts aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geltend macht, ist ihre Rüge unzulässig; denn die Beschwerdeführerin ist nicht Rechtsinhaberin des Grundrechts aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG.
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1. a) Im geschichtlichen Verlauf der Anerkennung und Positivierung von Grundrechten stand seit jeher der einzelne Mensch als private, natürliche Person im Mittelpunkt. Die Ausformung der Grundrechte geschah im Blick auf die Erfahrung typischer Gefährdungen und Verletzungen der Würde, der Freiheit und der rechtlichen Gleichheit der einzelnen Menschen oder von Menschengruppen durch öffentliche Gewalten. Besonders die vom Grundgesetz verbürgten materiellen Grundrechte wurzeln in dieser geistesgeschichtlichen Tradition. Ihre Sinnmitte bildet der Schutz der privaten natürlichen Person gegen hoheitliche Übergriffe; darüber hinaus sichern sie Voraussetzungen und Möglichkeiten für eine freie Mitwirkung und Mitgestaltung im Gemeinwesen (vgl. BVerfGE 15, 256 [262]).
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Art. 19 Abs. 3 GG steht in diesem Sinngefüge: er bestimmt, daß die Grundrechte auch für inländische juristische Personen gelten, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind. Nur wenn mithin die Bildung und Betätigung einer juristischen Person Ausdruck der freien Entfaltung der privaten, natürlichen Personen sind, wenn insbesondere der Durchblick auf die hinter den juristischen Personen stehenden Menschen es als sinnvoll und erforderlich erscheinen läßt, ist es gerechtfertigt, juristische Personen als Grundrechtsinhaber anzusehen und sie kraft dessen auch in den Schutzbereich bestimmter materieller Grundrechte einzubeziehen (vgl. BVerfGE 21, 362 [369]).
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Das Bundesverfassungsgericht hat grundsätzlich verneint, daß auch juristische Personen des öffentlichen Rechts Inhaber solcher materieller Grundrechte sein können. Es hat dies bislang allerdings nur für den Bereich entschieden, in dem diese juristischen Personen öffentliche Aufgaben wahrnehmen (vgl. BVerfGE 21, 362; 45, 63). Denn die Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch juristische Personen des öffentlichen Rechts vollzieht sich grundsätzlich nicht in Wahrnehmung unabgeleiteter, ursprünglicher Freiheiten, das eigene Leben, die Existenz, nach eigenen Entwürfen zu gestalten und über sich selbst zu bestimmen, sondern aufgrund von Kompetenzen, die vom positiven Recht zugeordnet und inhaltlich bemessen und begrenzt sind. Die Regelung dieser Beziehungen und die Entscheidung daraus entspringender Konflikte sind nicht Gegenstand der Grundrechte, weil der unmittelbare Bezug zum Menschen fehlt (BVerfGE 21, 362 [370]).
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Das Bundesverfassungsgericht hat dahinstehen lassen, ob bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts die Anwendung von Grundrechten überhaupt mit der Erwägung begründet werden kann, sie seien Sachwalter von Individualinteressen der durch sie repräsentierten Personen (BVerfGE 21, 362 [378]); es hat verneint, daß die Grundrechtsfähigkeit einer Landesversicherungsanstalt damit begründet werden kann, die behauptete Verfassungsverletzung betreffe nicht nur sie selbst, sondern zugleich die Vermögensinteressen ihrer "Mitglieder"; das Vermögen der Beschwerdeführerin könne nicht als das "gebündelte" Einzelvermögen dieser Personen angesehen werden (BVerfGE 21, 362 [377]). Es hat auch verneint, daß bei Maßnahmen von Gemeinden, eines Landkreises oder einer privatrechtlich organisierten städtischen Unternehmung zur Sicherung der Wasserversorgung "individuelle Rechte der hinter ihnen stehenden natürlichen Personen gegenüber der öffentlichen Gewalt verfolgt" würden; vielmehr handele es sich hierbei um die Erfüllung einer "staatlichen Aufgabe", die eine Berufung auf die Grundrechte aus den Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG ausschließe; die betreffenden kommunalen Gebietskörperschaften stünden dem Staat nicht in der gleichen "grundrechtstypischen Gefährdungslage" gegenüber wie der einzelne Eigentümer (BVerfGE 45, 63 [78 f.]).
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b) Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen hat das Bundesverfassungsgericht nur für solche juristische Personen des öffentlichen Rechts oder ihre Teilgliederungen anerkannt, die wie Universitäten und Fakultäten oder Rundfunkanstalten von der ihnen durch die Rechtsordnung übertragenen Aufgabe her unmittelbar einem durch bestimmte Grundrechte geschützten Lebensbereich zugeordnet sind oder wie die Kirchen und andere mit dem Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts versehene Religionsgesellschaften kraft ihrer Eigenart ihm von vornherein zugehören (vgl. BVerfGE 15, 256 [262]; 18, 385 [386 f.]; 19, 1 [5]; 21, 362 [373 f.]; 31, 314 [322]; 42, 312 [321 f.]; 45, 63 [79]; 53, 366 [387]; BVerfG, Beschluß 13. Januar 1982 - 1 BvR 848/77 u. a. -, Umdruck S. 26 ff.). Ob dies auch noch auf andere juristische Personen des öffentlichen Rechts, etwa auf bestimmte Arten von Stiftungen zutrifft, bedarf hier nicht der Entscheidung.
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Bei den in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anerkannten Ausnahmen handelt es sich durchweg um juristische Personen des öffentlichen Rechts, die den Bürgern auch zur Verwirklichung ihrer individuellen Grundrechte dienen, und die als eigenständige, vom Staat unabhängige oder jedenfalls distanzierte Einrichtungen bestehen (vgl. BVerfGE 45, 63 [79]). Als in dieser Art eigenständige, vom Staat unabhängige oder jedenfalls distanzierte Einrichtungen sind die Gemeinden nicht anzusehen (vgl. BVerfGE 45, 63 [79]; Dürig in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz, Art. 19 Abs. 3 Rdnr. 48). Einem grundrechtsgeschützten Lebensbereich zugeordnet sind sie nicht schon deshalb, weil ihnen durch die Verfassungen des Bundes und der Länder gewährleistete Selbstverwaltungsrechte zustehen (BVerfGE 21, 362 [370]; 39, 302 [314]; Bethge, AöR 104 [1979], S. 265, 275, 277-279, 290). Zwar kann ein Selbstverwaltungsrecht gerade auch deshalb eingeräumt sein, weil die betreffende Körperschaft einem "grundrechtsgeschützten Lebensbereich" zuzuordnen ist, wobei dann "das Selbstverwaltungsrecht" als "freiheitsstabilisierend und sogar freiheitskonstituierend in Erscheinung tritt" (Bethge, a.a.O., S. 280), wie dies etwa bei den Rundfunkanstalten oder den Universitäten der Fall ist. Auch die Garantie der gemeindlichen Selbstverwaltung dient der allgemeinen politischen Bürgerfreiheit. Sie läßt sich aber dem Schutzbereich materieller Grundrechte nicht in vergleichbarer Weise zuordnen.
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Der Umstand allein, daß eine juristische Person des öffentlichen Rechts öffentliche Aufgaben, also Aufgaben im Interesse der Allgemeinheit wahrnimmt, macht sie nicht zum grundrechtsgeschützten "Sachwalter" des Einzelnen bei der Wahrnehmung seiner Grundrechte, mag die Erfüllung der öffentlichen Aufgaben auch der Verwirklichung seiner Grundrechte (möglicherweise mittelbar) förderlich sein, wie dies etwa bei der Daseinsvorsorge möglich ist. Verläßt die juristische Person des öffentlichen Rechts den Bereich der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben, so besteht noch weniger Grund, sie als "Sachwalterin" des privaten Einzelnen anzusehen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß der Bürger selbst seine Grundrechte wahrnimmt und etwaige Verletzungen geltend macht. Eine "Vertretung", wie hier angesprochen, würde eine gefährliche Einbruchstelle in die Individualfreiheit eröffnen; die grundrechtlich verbürgten Freiheiten des Menschen sollen prinzipiell nicht von der Vernunfthoheit öffentlicher Einrichtungen verwaltet werden.
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c) Das Bundesverfassungsgericht hat es allerdings als zulässig angesehen, daß auch juristische Personen des öffentlichen Rechts sich jedenfalls auf die grundrechtsähnlichen Rechte der Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 GG berufen können (BVerfGE 6, 45 [49 f.]; 13, 132 [139 f.]). Dies rechtfertigt sich indessen aus Gründen, die wesentlich anderer Art und nicht mit jenen vergleichbar sind, nach denen sich der personale Geltungsbereich der materiellen Grundrechte bestimmt. Diese Verfassungsbestimmungen gehören formell nicht zu den Grundrechten im Sinne von Art. 19 GG; sie gewährleisten auch nach ihrem Inhalt keine Individualrechte wie die Art. 1 bis 17 GG, sondern enthalten objektive Verfahrensgrundsätze, die für jedes gerichtliche Verfahren gelten und daher auch jedem zugute kommen müssen, der nach den Verfahrensnormen parteifähig ist oder von dem Verfahren unmittelbar betroffen wird (BVerfGE 3, 359 [363]; 12, 6 [8]; 21, 362 [373]).
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Eröffnet die Rechtsordnung den Rechtsweg für Verfahrensgegenstände, an denen juristische Personen des öffentlichen Rechts beteiligt sind, so bekundet sie, daß die für ein gerichtliches Verfahren im Rechtsstaat konstitutiven Gewährleistungen des gesetzlichen Richters und des rechtlichen Gehörs wie auch weitere, etwa aus dem Rechtsstaatsprinzip und dem Verbot der Verfahrenswillkür abzuleitende Gewährleistungen auch zugunsten der verfahrensbeteiligten juristischen Person des öffentlichen Rechts zu wirken haben. Denn die Funktion richterlicher Entscheidungen im Rechtsstaat rechtfertigt sich nur, wenn sie unter Beachtung der Erfordernisse eines gehörigen Verfahrens gewonnen werden, die im Interesse gerechter richterlicher Urteilsfindung unverzichtbar sind.
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2. Die Beschwerdeführerin macht geltend, die im Ausgangsverfahren angegriffene atomrechtliche Genehmigung betreffe sie in ihrem landwirtschaftlich genutzten Grundeigentum, das nicht der Wahrnehmung ihrer öffentlichen Aufgaben diene; deshalb dürfe sie sich in diesem Bereich auf den Schutz des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG berufen.
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Die Frage, ob einer Gemeinde außerhalb des Bereichs der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben das Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG zusteht, ist zu verneinen; die Gemeinde befindet sich auch bei Wahrnehmung nicht-hoheitlicher Tätigkeit in keiner "grundrechtstypischen Gefährdungslage" (vgl. BVerfGE 45, 63 [79]); sie wird auch in diesem Raum ihres Wirkens durch einen staatlichen Hoheitsakt nicht in gleicher Weise wie eine Privatperson "gefährdet" und ist mithin auch insoweit nicht "grundrechtsschutzbedürftig".
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a) An die (gleichartige) "Situation des Gewaltunterworfenseins" (Fuß, DVBl. 1958, S. 739 [740]), den vergleichbaren "status subiectionis" der fiskalisch handelnden öffentlichen Hand wird zwar zumeist angeknüpft, wenn ihre Grundrechtsfähigkeit in diesem Bereich behauptet wird (vgl. Bettermann, NJW 1969, S. 1321 ff.; Bethge, a.a.O., S. 269 f., m. w. N. Fußnote 326). Aus dem Umstand allein, daß eine sich außerhalb der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben betätigende juristische Person des öffentlichen Rechts wie jede andere Person hoheitlichen Eingriffen gleichermaßen unterworfen sein kann, folgt jedoch nicht, daß sie insoweit des Schutzes des Grundrechts aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG bedürfte.
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b) Verfehlt ist es schon, undifferenziert davon auszugehen, juristische Personen des öffentlichen Rechts seien bei ihrer Betätigung außerhalb dieses Bereichs in jedem Fall hoheitlichen Eingriffen ebenso unterworfen wie private Personen. Öffentliche Körperschaften genießen bei ihrer wirtschaftlichen Betätigung oder als Vermögensträger verschiedene "Vorrechte" (sogenannte "Fiskusprivilegien"), die Privaten nicht zustehen (vgl. Dürig, a.a.O., Rdnr. 46; Starck, JuS 1977, S. 732 [736] m. w. N.) und die - wenn auch verfassungsrechtlich nicht gewährleistet - ihre Stellung von der Privater abhebt. Diese Privilegien können bei der Beurteilung ihrer Schutzbedürftigkeit schon deshalb nicht außer Betracht gelassen werden. Dies gilt beispielsweise für Sonderregelungen bei der Geltendmachung und Durchsetzung von Ansprüchen gegen eine juristische Person des öffentlichen Rechts (vgl. etwa Art. 22 des Bayerischen Gesetzes zur Ausführung des Gerichtsverfassungsgesetzes und von Verfahrensgesetzen des Bundes vom 23. Juni 1981 - GVBl. S. 188 -, wonach Ansprüche gegen den Freistaat grundsätzlich zunächst in einem - behördlichen - Abhilfeverfahren geltend zu machen sind; § 17 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes des Bundes, wonach Zwangsmittel gegen Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts grundsätzlich unzulässig sind; vgl. ferner § 882 a ZPO zur Zwangsvollstreckung gegen juristische Personen des öffentlichen Rechts; siehe hierzu BVerfG, Beschluß vom 23. März 1982 - 2 BvL 13/79 -). Weitere Besonderheiten ergeben sich etwa hinsichtlich der Polizeipflichtigkeit oder der Steuerpflichtigkeit öffentlichrechtlicher Körperschaften (vgl. Dürig, a.a.O., Rdnr. 46; Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht I, 9. Aufl., 1974, § 23 II a 1 ß, 2, 3). Ins Gewicht fallen hier zudem außerrechtliche "Vorzüge", die mit der Stellung der juristischen Person des öffentlichen Rechts verbunden sind. Auch die mannigfachen Einflußmöglichkeiten über staatsinterne Wege schließen jedenfalls eine Vergleichbarkeit mit der "Abhängigkeit" des Bürgers, die materielle Grundrechtsverbürgungen besonders dringend macht, aus (vgl. Dürig, a.a.O., Rdnr. 46).
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c) Hinzu kommt: Das Gemeindewirtschaftsrecht untersagt weithin eine wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden ohne Bezug zu ihren öffentlichen Aufgaben (vgl. Pagenkopf, Kommunalrecht, Bd. 2, 2. Aufl. 1976, S. 145 ff.). So ist es nicht Aufgabe der Gemeinden, Vermögensgegenstände mit der alleinigen Zielsetzung zu erwerben, das Gemeindevermögen zu mehren. § 91 der Baden-Württembergischen Gemeindeordnung in der Fassung vom 22. Dezember 1975 (GBl. 1976, S. 1; Bad-WürttGO) etwa bestimmt, daß die Gemeinde Vermögensgegenstände nur erwerben soll, "wenn dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist". Veräußert werden dürfen Vermögensgegenstände gemäß § 92 Abs. 1 Satz 1 Bad-WürttGO nur, wenn die Gemeinde sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht mehr benötigt. Entsprechende, an § 67 der Deutschen Gemeindeordnung von 1935 anknüpfende Regelungen finden sich auch in anderen Gemeindeordnungen. Auch die wirtschaftliche Betätigung von Gemeinden ist grundsätzlich an ihren öffentlichen Zweck gebunden. Gemäß § 102 Abs. 1 Nr. 1 Bad-WürttGO darf die Gemeinde wirtschaftliche Unternehmen nur errichten, übernehmen oder wesentlich erweitern, wenn der öffentliche Zweck das Unternehmen rechtfertigt. Weiter gehen Art. 89 Abs. 1 Nr. 1 der Bayerischen Gemeindeordnung, wonach der öffentliche Zweck die wirtschaftliche Betätigung erfordern muß, und § 88 der nordrhein-westfälischen Gemeindeordnung, wonach ein dringender öffentlicher Zweck die wirtschaftliche Betätigung erfordern muß. Dabei muß das Unternehmen unmittelbar durch seine Leistung, nicht nur mittelbar durch seine Gewinne und Erträge dem Wohl der Gemeindebürger dienen. Rein erwerbswirtschaftlich-fiskalische Unternehmen sind den Gemeinden untersagt (Gönnenwein, Gemeinderecht, 1963, S. 477; BVerwGE 39, 329 [333 f.]). Hinsichtlich anderer juristischer Personen des öffentlichen Rechts besteht aufgrund haushaltsrechtlicher Bestimmungen zumeist eine ähnliche Lage (vgl. etwa §§ 63 und 65 der Bundeshaushaltsordnung zu Erwerb und Veräußerung von Vermögensgegenständen sowie zu der Beteiligung an privatrechtlichen Unternehmen). Nach den genannten gesetzlichen Bestimmungen ist davon auszugehen, daß die Nutzung von Vermögen und die erwerbswirtschaftliche Betätigung öffentlichrechtlicher Körperschaften in der Regel nur im Zusammenhang mit der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben zulässig ist. Die angeführten gesetzlichen Regelungen machen beispielhaft deutlich, daß jedenfalls Gemeinden, soweit sie nicht öffentliche Aufgaben wahrnehmen, sich regelmäßig außerhalb ihres eigentlichen Aufgabenbereichs bewegen; ihre öffentliche Zwecksetzung erfordert eine solche Betätigung nicht zwingend. Das muß sich auch auf die Frage ihrer Schutzbedürftigkeit mindernd auswirken.
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3. Nach alledem besteht kein ausreichender Grund, das Eigentum der Beschwerdeführerin als durch das Grundrecht des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG verbürgt anzusehen.
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Gewiß billigt die geltende Rechtsordnung den Gemeinden die Möglichkeit zu, (privatrechtliches) Eigentum innezuhaben. Das besagt aber noch nicht, daß dieses Eigentum grundrechtsgeschützt sein müßte. Soweit gemeindliches Eigentum der Erfüllung öffentlicher Aufgaben gewidmet ist, kommt ein Grundrechtsschutz ohnehin von vornherein nicht in Betracht. Davon geht auch der Gesetzgeber aus: § 6 Abs. 1 des Bundesfernstraßengesetzes etwa sieht den entschädigungslosen Eigentumsübergang vor, wenn der Träger der Straßenbaulast wechselt. Aber auch soweit Eigentum der Gemeinden nicht der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dient, ist es nicht durch das Grundrecht des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt. Eine besondere "grundrechtstypische Gefährdungslage" besteht nicht; sie ergibt sich insbesondere nicht schon aus dem Umstand, daß auch das Eigentum der öffentlichen Hand privatrechtlich - also als Privateigentum - ausgestaltet ist. Denn in der Hand einer Gemeinde dient das Eigentum nicht der Funktion, derentwegen es durch das Grundrecht geschützt ist, nämlich dem Eigentümer "als Grundlage privater Initiative und in eigenverantwortlichem privatem Interesse von Nutzen" zu sein (vgl. BVerfGE 52, 1 [30], m.w.N.; vgl. auch BVerfGE 24, 367 [389]). Art. 14 als Grundrecht schützt nicht das Privateigentum, sondern das Eigentum Privater.
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4. Der vorliegende Sachverhalt bietet keine Veranlassung, der Frage nachzugehen, ob es ganz besonders gelagerte Ausnahmefälle geben kann, in denen es denkbar ist, einer Gemeinde den Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG oder einen gleichartigen Schutz zuzubilligen, wenn sie in ihrem Eigentum außerhalb der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben beeinträchtigt wird.
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II. |
Soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung des durch Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleisteten Rechtsschutzes geltend macht, wäre die Rüge, ihre Zulässigkeit dahingestellt, jedenfalls unbegründet.
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1. Die vom Bundesverwaltungsgericht in der angegriffenen Entscheidung zugrunde gelegte Auslegung und die Anwendung des § 3 Abs. 1 AtAnlV sind von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Die Vorschrift verwehrt in dieser Auslegung nicht den Rechtsweg des Art. 19 Abs. 4 GG; sie errichtet weder eine unzumutbare Schranke für den Zugang zum Gericht, noch verkürzt sie die Wirksamkeit gerichtlichen Rechtsschutzes.
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Das Bundesverwaltungsgericht erblickt in § 3 Abs. 1 AtAnlV eine Vorschrift, die nicht nur das Recht eines jeden, gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 AtAnlV Einwendungen vorzubringen, grundsätzlich erlöschen läßt, sondern auch den aus subjektiven materiellen Rechten des betroffenen Dritten folgenden Störungsabwehranspruch gegenüber der Genehmigung eines bestimmten Vorhabens im Sinne des § 7 AtomG materiellrechtlich grundsätzlich beschränkt oder gänzlich entfallen läßt, soweit er sich auf Sachverhalte nicht oder verspätet vorgebrachter Einwendungen gründet und sofern Einwendungen nicht auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhen; diese Rechtsfolgen sind dabei tatbestandlich daran geknüpft, daß Einwendungen nicht oder nicht in dem von der Atomanlagen-Verordnung vorgeschriebenen Verfahren oder innerhalb der dort vorgeschriebenen Frist erhoben worden sind.
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Mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG ist eine derartige Ausgestaltung der Stellung im Verwaltungsverfahren oder der subjektiven materiellen Rechte grundsätzlich vereinbar. Die Vorschrift gewährleistet nicht selbst den sachlichen Bestand oder Inhalt einer als verletzt behaupteten Rechtsstellung dieser Art; dieser Bestand und sein Inhalt richtet sich vielmehr nach der Maßgabe der Rechtsordnung im übrigen (vgl. BVerfGE 15, 275 [281]).
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Allerdings können sich aus Art. 19 Abs. 4 GG Vorwirkungen auf die Ausgestaltung des dem gerichtlichen Rechtsschutzverfahren vorgelagerten Verwaltungsverfahrens ergeben: Dieses darf nicht so angelegt werden, den gerichtlichen Rechtsschutz zu vereiteln oder unzumutbar zu erschweren (vgl. BVerfGE 22, 49 [81 f.]). Daraus ergeben sich in erster Linie Anforderungen an das Verhalten der Verwaltungsbehörde im Verwaltungsverfahren selbst - etwa nicht den Bürger über seine gerichtlichen Rechtsschutzmöglichkeiten irrezuleiten oder spätere Nachprüfungsmöglichkeiten des Gerichts auszuschalten. In bezug auf ein Verhalten des Bürgers selbst im Verwaltungsverfahren, das eine Einschränkung oder den Verlust grundrechtsschützender materieller Abwehransprüche zur Folge hat, dürfen solche Ausschlußnormen auch insoweit keine unzumutbaren Erschwerungen für den Zugang zu den Gerichten bewirken, als es darum geht, dem Bürger den Rechtsweg für ein Begehren zu eröffnen, mit dem er im konkreten Fall festgestellt wissen will, daß seine Rechte nach Maßgabe der Ausschlußnorm nicht eingeschränkt worden oder erloschen sind. § 3 Abs. 1 AtAnlV schränkte den Zugang zu den Gerichten für ein derartiges Rechtsschutzbegehren indes nicht ein.
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2. § 3 Abs. 1 AtAnlV in der Auslegung des Bundesverwaltungsgerichts verletzt ferner nicht die Gewährleistung wirkungsvollen Rechtsschutzes im Sinne des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG. Diese Vorschrift gewährleistet nicht allein den Rechtsweg in dem Sinne, daß ein Rechtsschutzbegehren wegen behaupteter Verletzung seiner Rechte durch die öffentliche Gewalt von dem Betroffenen einem Richter muß unterbreitet werden können; sie verbürgt auch die Wirksamkeit des gerichtlichen Rechtsschutzes (BVerfGE 40, 272 [275], st. Rspr.). Dazu gehört vor allem, daß der Richter - bezogen auf das als verletzt behauptete Recht - eine hinreichende Prüfungsbefugnis über die tatsächliche und rechtliche Seite des Rechtsschutzbegehrens hat sowie über eine zureichende Entscheidungsmacht verfügt, um einer erfolgten oder drohenden Rechtsverletzung wirksam abzuhelfen. Unbeschadet normativ eröffneter Gestaltungs-, Ermessens- und Beurteilungsspielräume sowie der Tatbestandswirkung von Hoheitsakten schließt dies grundsätzlich eine Bindung der rechtsprechenden Gewalt an tatsächliche oder rechtliche Feststellungen seitens anderer Gewalten hinsichtlich dessen, was im Einzelfall Rechtens ist, aus (vgl. auch BVerfGE 15, 275 [282]).
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In der Auslegung des Bundesverwaltungsgerichts verwehrt § 3 Abs. 1 AtAnlV den Verwaltungsgerichten indes weder, umfassend tatsächlich und rechtlich nachzuprüfen, ob ein Sachverhalt unter den Tatbestand der Vorschrift fällt und welche Rechtsfolgen sich daran anknüpfen, noch hindert er sie, einer insoweit festgestellten Verletzung von Rechten des Betroffenen wirksam abzuhelfen.
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a) Die Gültigkeit des § 3 Abs. 1 AtAnlV kann nicht mit der Begründung in Frage gestellt werden, die Vorschrift habe die gesetzliche Verordnungsermächtigung in § 7 Abs. 3 Satz 3 AtomG (in der bei Erlaß der Atomanlagen-Verordnung geltenden Fassung - BGBl., 1959 I S. 814 -) überschritten, weil die Ermächtigung nur eine Regelung des Verwaltungsverfahrens zur Genehmigung, nicht jedoch die Rechtsfolge eines Einwendungsausschlusses mit Wirkung für das gerichtliche Verfahren decke.
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§ 3 Abs. 1 AtAnlV regelt nicht das gerichtliche Verfahren. Hierum handelt es sich nicht, wenn als Rechtsfolge eines Verhaltens im Verwaltungsverfahren normativ angeordnet wird, daß eine bestimmte Rechtsstellung im Verwaltungsverfahren selbst entfällt oder daß bestimmte subjektive materielle Abwehransprüche hierdurch eingeschränkt werden oder gänzlich entfallen. Hieraus entspringende Folgen etwa für die Klagebefugnis sind nicht dem gerichtlichen Verfahrensrecht zuzuordnen; sie haben ihren Ursprung in materiellrechtlichen oder das Verwaltungsverfahren regelnden Sachnormen.
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Die durch § 3 Abs. 1 AtAnlV angeordnete Einschränkung oder Beseitigung verwaltungsverfahrensrechtlicher oder materiellrechtlicher Rechtsstellungen hielt sich in den Grenzen der gesetzlichen Ermächtigung des § 7 Abs. 3 Satz 3 AtomG. Diese Bestimmung nahm ausdrücklich auf die Grundsätze der §§ 17 bis 19 und 49 GewO Bezug. § 17 Abs. 2 GewO wurde - auch im Zusammenwirken mit weiteren Verfahrensvorschriften der Gewerbeordnung - eine grundsätzlich umfassende Ausschlußwirkung beigemessen (vgl. Landmann/Rohmer, Die Gewerbeordnung für das Deutsche Reich, 3. Aufl., 1897, § 17 Anm. 5; BVerwG, DVBl. 1973, S. 645; auch die Entscheidung BVerwGE 9, 9 ff. weicht von diesem Grundsatz nicht ab). An dieser grundsätzlichen sachlichen Auswirkung auf Rechtsstellungen im Verwaltungsverfahren und auf materielle Störungsabwehransprüche, die damit hinreichend bestimmt für den Verordnungsgeber als Regelungsmaßstab in Bezug genommen war (Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG), ändert es nichts, daß es bei Erlaß des § 17 Abs. 2 GewO und während geraumer Zeit seiner Geltung einen umfassenden Verwaltungsgerichtsschutz nicht gab und mögliche Folgewirkungen für ein verwaltungsgerichtliches Verfahren vom Gesetzgeber der Gewerbeordnung daher nicht ins Auge gefaßt werden konnten. Dem Gesetzgeber des Atomgesetzes war dieser Wandel bekannt; er hat gleichwohl diesen Maßstab gewählt.
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b) Eine andere Frage ist, ob die Ausschlußwirkung des § 3 Abs. 1 AtAnlV mit materiellen Grundrechten vereinbar ist. Zwar steht der Beschwerdeführerin das Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG als Rechtsinhaberin nicht zu; gleichwohl könnte die Vorschrift gegen die Grundrechte anderer Normadressaten und damit auch gegen objektives Verfassungsrecht verstoßen und infolgedessen auch gegenüber der Beschwerdeführerin nichtig gewesen sein. Dies trifft jedoch nicht zu. § 7 Abs. 3 Satz 3 AtomG in Verbindung mit § 3 Abs. 1 AtAnlV beschränkte in zulässiger Weise Grundrechte (vgl. insoweit auch BVerfGE 53, 30 [60] für die im dortigen Ausgangsverfahren entscheidungserheblichen Genehmigungsvorschriften).
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Das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG ist nicht verletzt. Das Erlöschen von Einwendungsmöglichkeiten im Verwaltungsverfahren und die Einschränkung oder der Wegfall von subjektiven materiellen Störungsabwehransprüchen gegenüber einem bestimmten Vorhaben im Sinne des § 7 AtomG als Folge dessen, daß Einwendungen im Genehmigungsverfahren nicht oder verspätet erhoben worden sind, stellt keine neuartige, dem bisherigen Recht fremde Möglichkeit des Eingriffs in Grundrechte dar. Mit der Bezugnahme auf §§ 17 bis 19 und 49 GewO griff das Gesetz vielmehr auf herkömmliche Einschränkungsarten zurück. Damit entfiel die verfassungsrechtliche Notwendigkeit, das einzuschränkende Grundrecht unter Angabe des Artikels zu benennen (vgl. BVerfGE 5, 13 [16]; 15, 288 [293]; 16, 194 [199 f.]; 35, 185 [189 f.]).
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Die Regelung verletzt auch nicht den Wesensgehalt von Grundrechten im Sinne des Art. 19 Abs. 2 GG. Zwar kann der Wesensgehalt eines Grundrechts, etwa des Art. 2 Abs. 2, Art. 12 oder Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG, betroffen sein, wenn jeglicher Störungsabwehranspruch, den die Rechtsordnung zum Schutze eines Grundrechts einräumt, materiellrechtlich beseitigt oder wenn verfahrensrechtlich verwehrt wird, ihn wirkungsvoll geltend zu machen, mag er oder das Grundrecht, zu dessen Schutz er gewährt ist, auch - unbewehrt in bezug auf ein bestimmtes Vorhaben - materiellrechtlich bestehen bleiben. Ob eine derartige Auswirkung vorliegt, muß indes anhand des gesamten Wirkungsgefüges bemessen werden, in das die einschränkende Norm gestellt ist.
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Im vorliegenden Fall ist sie zu verneinen, weil die Atomanlagen- Verordnung dem durch die künftige Genehmigung der Anlage in Rechten Betroffenen ermöglichte, durch fristgemäßes Vorbringen von Einwendungen verfahrensrechtliche wie materiellrechtliche Rechtsstellungen in bezug auf das Genehmigungsvorhaben ungeschmälert zu wahren, und die hierfür gestellten Anforderungen weder unverhältnismäßig noch unzumutbar waren.
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Das triftige öffentliche Interesse daran, Rechts- und Verkehrssicherheit in bezug auf den Bestand der künftigen Genehmigung der Anlage, soweit sie den ausgelegten Unterlagen entspricht, innerhalb einer angemessenen Frist herbeizuführen, rechtfertigt bei Genehmigungsverfahren der hier in Rede stehenden Art die Ausschlußwirkung des § 3 Abs. 1 AtAnlV in der Auslegung des Bundesverwaltungsgerichts. Nicht nur ist der Kreis derjenigen unüberschaubar, die möglicherweise Einwendungen erheben; auch der Kreis derjenigen Dritten, die von einer Genehmigung in subjektiven Rechtsstellungen betroffen sein können, ist in aller Regel nicht zu überblicken. Neben einer Reihe weiterer Zwecke, denen die gewählte Ausgestaltung des Verfahrens zu dienen geeignet ist - wie zum Beispiel der bei Massenverfahren unerläßlichen Verfahrenskonzentration und -zügigkeit, der umfassenden Ermittlung und Erörterung aller genehmigungserheblichen Sachverhalte und Beurteilungsgesichtspunkte, zumal auch in "mehrpoligen" Rechts- und Interessenlagen - sind es vor allem drei Gründe, die die Ausschlußwirkung des § 3 Abs. 1 AtAnlV in der Auslegung des Bundesverwaltungsgerichts als verfassungsrechtlich unbedenklich erscheinen lassen:
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aa) Nur wenn die in ihren Rechten möglicherweise Betroffenen gehalten sind, ihre Einwendungen bereits im Genehmigungsverfahren vorzubringen, ist gewährleistet, daß die Genehmigungsbehörde die Sachverhalte zureichend ermitteln und rechtlich würdigen kann, auf die sich diese Einwendungen beziehen. Dabei hat die Genehmigungsbehörde im Rahmen normativer Vorgaben und willkürfreier Ermittlungen auch Bewertungen, zum Beispiel am Maßstab des Standes von Wissenschaft und Technik, der Erforderlichkeit der Vorsorge gegen Schäden (§ 7 Abs. 2 Nr. 3 AtomG) oder des Schutzes gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen, zu treffen. Die Gerichte haben solche Feststellungen und Bewertungen nur auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen, nicht aber ihre eigenen Bewertungen an deren Stelle zu setzen (vgl. BVerfGE 49, 89 [136]; BVerwG, DVBl. 1978, S. 591 [594]; VG Schleswig, NJW 1980, S. 1296). Diese Prüfungsabfolge, die sich im Einklang mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung hält, wäre durchbrochen, wenn im Verwaltungsverfahren nicht oder verspätet vorgebrachte Einwendungen erst im gerichtlichen Verfahren zu klären wären, obwohl sie im Verwaltungsverfahren hätten vorgebracht und geklärt werden können; der Grundsatz der Amtsermittlung allein vermag bei Massenverfahren dies nicht in gleichem Ausmaß zu gewährleisten.
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bb) Das Einwendungsverfahren verstärkt die Wirksamkeit des Rechtsschutzes für den möglicherweise in seinen Rechten Betroffenen. Zwar ist ihm eine Mitwirkungslast auferlegt; er muß seine Einwendungen form- und fristgerecht vorbringen. Genügt er dieser Last indes, bleiben ihm nicht nur die von der Ausschlußwirkung bedrohten Rechtspositionen erhalten; er veranlaßt die Genehmigungsbehörde auch zu einer Erörterung und Prüfung gerade seiner individuellen konkreten Rechtsstellung und der zu ihrer Behauptung vorgebrachten Einwendungen; hierdurch wird zugleich einem der Zwecke des Verfahrens entsprochen, frühzeitig einen Ausgleich der betroffenen Interessen zu ermöglichen, der durch den Amtsermittlungsgrundsatz nicht gleich wirksam gewährleistet werden kann. Diese Ausgestaltung des Verwaltungsverfahrens ist insbesondere auch deshalb sachgerecht und dient einer Verstärkung des Rechtsschutzes, weil das atomrechtliche Genehmigungsverfahren (unbeschadet der in § 7 b AtomG angeordneten besonderen Ausschlußwirkung) in aller Regel, wie auch im Ausgangsfall, als mehrstufiges Entscheidungsverfahren mit Teilgenehmigungen sowohl der Errichtung wie der Inbetriebnahme der Anlage gehandhabt wird. Das Einwendungsverfahren ermöglicht es dabei, Rechtsschutz bereits in einem Zeitraum wirksam werden zu lassen, in dem vollendete Tatsachen auf den Entscheidungsprozeß noch nicht zu wirken vermögen.
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cc) Die Ausschlußregelung des § 3 Abs. 1 AtAnlV findet eine sachliche Rechtfertigung schließlich auch in dem Erfordernis, die Funktionsfähigkeit der Verwaltung wie der Gerichte zu wahren. Sie wirkt auf eine Konzentration und Zügigkeit der Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen wie der erhobenen Einwendungen hin. Dies ist bei Massenverfahren auch erforderlich, um neben der Rechtssicherheit die Funktionsfähigkeit von Verwaltung und Gerichten zu erhalten - nicht zuletzt im wohlverstandenen Interesse der möglicherweise von der Genehmigung in ihren Rechten betroffenen Dritten wie auch der Antragsteller, binnen angemessener Frist Gewißheit darüber zu erhalten, ob die Genehmigung erteilt wird oder nicht und ihrer Möglichkeit, dagegen den Rechtsweg zu beschreiten.
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3. Die Atomanlagen-Verordnung stellte auch keine unzumutbaren Anforderungen an das form- und fristgerechte Vorbringen von Einwendungen. Zwar ist einzuräumen, daß die Einwendungsfrist des § 2 Abs. 2 Nr. 2 AtAnlV knapp bemessen war; bedenklich könnte dabei weniger die Monatsfrist als solche als vielmehr der Umstand erscheinen, daß diese Frist zugleich mit der Monatsfrist lief, in der die in § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 AtAnlV bezeichneten Unterlagen zur Einsicht auszulegen waren.
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Diese Unterlagen stellen in der Regel das Ergebnis jahrelanger Planungen durch Fachleute dar. An ihrer Hand die möglichen abträglichen Auswirkungen des geplanten Vorhabens auf seine Rechte zu erkennen, ist für den nicht sachkundigen Bürger nur schwer möglich; ausreichender sachverständiger Rat wird während dieser Frist kaum einzuholen sein, zumal die damit verbundenen Kosten sich zusätzlich hemmend auswirken. Angesichts dieser typischen Lage und der Einschränkung oder des Wegfalls subjektiver materieller Abwehrrechte als Rechtsfolge der Ausschlußwirkung des § 3 Abs. 1 AtAnlV ist das Erfordernis, zur Vermeidung dieser Rechtsfolgen Einwendungen innerhalb der Monatsfrist vorzubringen, nur dann zumutbar, wenn die damit gestellten Anforderungen für den Bürger typischerweise erkennbar und die Ausschlußfolgen für seine möglicherweise betroffenen Rechte überschaubar und entsprechend begrenzt sind.
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§ 3 Abs. 1 AtAnlV in der Auslegung des Bundesverwaltungsgerichts genügt diesen Anforderungen. Das Bundesverwaltungsgericht hat in der angegriffenen Entscheidung die gegenständlichen und zeitlichen Grenzen der Ausschlußwirkung aufgezeigt und von dort her die Anforderungen an den Inhalt und Umfang der Einwendungslast bestimmt; darauf kann verwiesen werden. Diese Ausführungen sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere ist auch nicht zu beanstanden, daß das Gericht verspätet vorgebrachte Einwendungen auch dann als ausgeschlossen erachtet hat, wenn sie offensichtlich nicht dazu führen könnten, das Genehmigungsverfahren zu verzögern. Es hat dies verfassungsrechtlich unbedenklich aus Gründen der Rechtssicherheit verneint. Aus gleichen Gründen begegnet die Auslegung keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, es stehe nicht in der Macht der Genehmigungsbehörde, eine bereits eingetretene Ausschlußwirkung durch (stillschweigende) Gewährung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nachträglich zu beseitigen.
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Auch die Anforderungen, die § 2 Abs. 2 Nr. 2 AtAnlV in der Auslegung des Bundesverwaltungsgerichts an den Inhalt der vorzubringenden Einwendungen stellt, um die Ausschlußwirkung zu vermeiden, sind im Ergebnis verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Zwar wird man Zweifel daran hegen können, ob sich der Betroffene anhand der auszulegenden Unterlagen ein abschließendes Bild darüber verschaffen kann, ob und mit welchen Gefährdungen er zu rechnen hat. Um - angesichts der drohenden Ausschlußwirkung der in Rede stehenden Art - der Darlegungslast zu genügen, muß es von Verfassungs wegen schon deswegen ausreichen, wenn seine Einwendungen in groben Zügen erkennen lassen, welche Rechtsgüter als gefährdet angesehen und welche Beeinträchtigungen befürchtet werden. Dabei darf nicht mehr gefordert werden als das durchschnittliche Wissen eines nicht sachverständigen Bürgers in bezug auf mögliche Beeinträchtigungen von Leben, Gesundheit und sonstiger geschützter Rechtspositionen durch das in Rede stehende Vorhaben.
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Das Auslegungsergebnis des Bundesverwaltungsgerichts verletzt diese - angesichts der Ausschlußwirkung verfassungsrechtlich gebotene - Auslegungsgrenze nicht; in den angegriffenen Entscheidungen ging es im übrigen, da sie die Einwendungen verfassungsrechtlich unbedenklich als verspätet erachteten, nicht um den Umfang der geforderten Darlegung.
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Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist auch die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts, es sei nicht geboten gewesen, darüber zu belehren, welche Anforderungen an eine formgerechte Einwendung gestellt werden sowie darüber, daß sich die Ausschlußwirkung auf das gerichtliche Verfahren erstreckt. Dies ergab sich mit hinreichender Bestimmtheit aus den in Rede stehenden Vorschriften; über ihren Inhalt ließ sich, gegebenenfalls unter Inanspruchnahme rechtskundigen Rats, seit Erlaß dieser Vorschriften eine Gewißheit erlangen, die jedenfalls hinreichte, um mögliche Rechtspositionen im Einwendungsverfahren zu wahren und die Ausschlußwirkung zu vermeiden.
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III. |
Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage liegen Anhaltspunkte für eine Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG nicht vor.
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Zeidler, Rinck, Wand, Dr. Rottmann, Dr.Dr.h.c. Niebler, Steinberger, Träger, Mahrenholz |