BVerfGE 70, 297 - Fortdauer der Unterbringung
Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beherrscht Anordnung und Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Das sich hieraus ergebende Spannungsverhältnis zwischen dem Freiheitsanspruch des betroffenen Einzelnen und dem Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit vor zu erwartenden erheblichen Rechtsgutsverletzungen verlangt nach gerechtem und vertretbarem Ausgleich. Je länger die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus andauert, um so strenger werden die Voraussetzungen für die Verhältnismäßigkeit des Freiheitsentzuges sein.
 
Beschluß
des Zweiten Senats vom 8. Oktober 1985
-- 2 BvR 1150/80 und 1504/82 --
in den Verfahren über die Verfassungsbeschwerden des Herrn L ... - Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Reinhard Zimmermann und Lutz Eisel, Kurt-Schumacher-Platz 8, Bochum 1 - gegen a) den Beschluß des 4. Strafsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 29. August 1980 - 4 Ws 395/80 -, b) den Beschluß des Vorsitzenden des 4. Strafsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 29. August 1980 - 4 Ws 395/80 -, c) den Beschluß der 2. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Paderborn vom 6. Mai 1980 - 12 StVK 125/80 -, d) mittelbar gegen Art. 314 Abs. 1 EGStGB vom 2. März 1974 (BGBl. I S. 469) - 2 BvR 1150/80 -, e) den Beschluß des 4. Strafsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 18. September 1982 - 4 Ws 125/82 -, f) den Beschluß der 2. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Paderborn vom 19. Januar 1982 - 12 StVK 386/81 -, g) den Beschluß der 2. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Paderborn vom 12. Mai 1981 - 12 StVK 140/81 -, h) mittelbar gegen Art. 314 Abs. 1 EGStGB vom 2. März 1974 (BGBl. I S. 469) - 2 BvR 1504/82 -.
Entscheidungsformel:
1. Die Beschlüsse des Landgerichts Paderborn vom 6. Mai 1980 - 12 StVK 125/80 - und des Oberlandesgerichts Hamm vom 29. August 1980 - 4 Ws 395/80 - sowie die Beschlüsse des Landgerichts Paderborn vom 19. Januar 1982 - 12 StVK 386/81 - und des Oberlandesgerichts Hamm vom 18. September 1982 - 4 Ws 125/82 - verletzten das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Artikel 2 Absatz 2 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip.
Die genannten Entscheidungen werden aufgehoben.
Die Sachen werden zur Entscheidung über die Kosten an das Oberlandesgericht Hamm zurückverwiesen.
2. Der Beschluß des Oberlandesgerichts Hamm vom 29. August 1980 - 4 Ws 395/80 -, durch den der Antrag auf Beiordnung des Rechtsanwalts Lutz Eisel als Verteidiger abgelehnt wurde, verletzt das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Artikel 2 Absatz 2 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip.
Die Entscheidung wird aufgehoben und die Sache an das Oberlandesgericht Hamm zurückverwiesen.
3. Die gegen den Beschluß des Landgerichts Paderborn vom 12. Mai 1981 - 12 StVK 140/81 - gerichtete Verfassungsbeschwerde wird verworfen.
4. Das Land Nordrhein-Westfalen hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.
 
Gründe:
 
A.
Die zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Verfahren betreffen die Frage, welchen grundrechtlichen Beschränkungen die Entscheidungen über die Aussetzung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus unterliegen (§§ 63, 67 e i.V.m. 67 d Abs. 2 StGB).
I.
Der 1943 geborene Beschwerdeführer wurde am 10. März 1970 vom Landgericht Essen wegen Diebstahls im Rückfall zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt. Gleichzeitig ordnete das Gericht gemäß § 42b StGB a.F. die Unterbringung des Beschwerdeführers in einer Heil- oder Pflegeanstalt an. Auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens gelangte es zu der Feststellung, daß der Beschwerdeführer zeitweise an einer schizophrenen Psychose leide und die Tat im Zustand erheblich verminderter Zurechnungsfähigkeit (§ 51 Abs. 2 StGB a.F.) begangen habe. Danach sei damit zu rechnen, daß er in Zukunft in gleicher Weise wie bisher straffällig werde. Die "absolut negative Zukunftsprognose" folge auch aus den Vorstrafen des Beschwerdeführers.
Der Verurteilung lag der Diebstahl eines Pelzmantels zugrunde, den der Beschwerdeführer im September 1968 unter Alkoholeinfluß (Blutalkoholgehalt 1,9 o/oo) begangen hatte. Er wurde am Tage der Tat verhaftet; seitdem befindet er sich mit Ausnahme einiger Wochen in staatlichem Gewahrsam, sei es in der Untersuchungshaft oder zur Vollstreckung - nach Widerruf einer Strafaussetzung - in Strafhaft, sei es zur Beobachtung oder Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus.
Der Verurteilung durch das Landgericht Essen waren zwischen 1958 und 1967 mehrere Verurteilungen zu Jugend- und Freiheitsstrafen wegen Eigentumsdelikten, zum Teil in Tateinheit mit versuchter Nötigung, vorangegangen; in einem Fall handelte es sich um Raub.
Seit 1976 befindet sich der Beschwerdeführer im Westfälischen Landeskrankenhaus Eickelborn. Aus ihm hat er sich wiederholt - teils für einige Tage, teils für Wochen - eigenmächtig entfernt. Während dieser Zeiten ist er strafrechtlich nicht erneut aufgefallen. Anfang 1982 wurde der Beschwerdeführer wegen Geistesschwäche entmündigt.
II.
1. Nachdem frühere gerichtliche Überprüfungen gemäß § 42 f Abs. 3 StGB a.F. und §§ 67 e, 67 d StGB n.F. jeweils zur Anordnung der Fortdauer der Unterbringung geführt hatten, beantragte der Beschwerdeführer im April 1980 erneut die Aufhebung der Unterbringung, hilfsweise die Aussetzung der weiteren Vollstreckung zur Bewährung gemäß § 67 d Abs. 2 StGB. Zur Begründung machte er geltend, der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebiete es, die Unterbringung zu beenden. Er sei nur wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt worden, befinde sich aber aufgrund der Tat seit mehr als 11 1/2 Jahren nicht mehr in Freiheit.
Mit Beschluß vom 6. Mai 1980 ordnete das Landgericht Paderborn die Fortdauer der Unterbringung an, da noch nicht verantwortet werden könne zu erproben, ob der Beschwerdeführer außerhalb des Maßregelvollzuges keine rechtswidrigen Taten mehr begehe. Nach der Stellungnahme des Krankenhauses mache der Beschwerdeführer erhebliche Schwierigkeiten; seine paranoiden Wahnideen seien noch nicht abgeklungen; er weigere sich, die verordneten Medikamente zu nehmen. Das Krankenhaus sehe keine Anhaltspunkte dafür, daß der Beschwerdeführer zu einem Leben unter freiheitlichen Bedingungen fähig sei, und befürchte, daß er nach seinen psychischen Voraussetzungen bei Schwierigkeiten rückfällig werden könne.
Mit seiner sofortigen Beschwerde wandte sich der Beschwerdeführer gegen diese Entscheidung. Er machte zusätzlich die Verfassungswidrigkeit der Überleitungsvorschrift des Art. 314 Abs. 1 EGStGB geltend, wonach die Unterbringung in einer Heil- und Pflegeanstalt mit Wirkung vom 1. Januar 1975 als Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus vollzogen wird. Diese Überleitung der Vollstreckung ignoriere, daß die Voraussetzungen des § 42 b StGB a.F. weiter gefaßt seien als die des § 63 StGB n.F. Bei der Prüfung einer Aussetzung der Unterbringung zur Bewährung nach § 67 d Abs. StGB sei daher zu differenzieren, ob eine Unterbringung nach der früheren "weiten" oder nach der jetzigen "engen" Unterbringungsnorm vorliege. Der Beschwerdeführer beantragte hilfsweise die Einholung eines ärztlichen Gutachtens zu der Frage, ob aus ärztlicher Sicht verantwortet werden kann zu erproben, ob er außerhalb der Unterbringung keine rechtswidrigen Taten mehr begehen werde. Gleichzeitig beantragte er, ihm seinen gewählten Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger beizuordnen.
Mit Beschluß vom 29. August 1980 verwarf das Oberlandesgericht Hamm die sofortige Beschwerde als unbegründet. Es könne aus den zutreffenden Gründen der angegriffenen Entscheidung nicht verantwortet werden zu erproben, ob der Beschwerdeführer außerhalb des Maßregelvollzuges keine rechtswidrigen Taten mehr begehen werde. Der Senat verneinte auch die Notwendigkeit eines zusätzlichen psychiatrischen Gutachtens. Im März 1974 sei der Beschwerdeführer durch den (anstaltsexternen) Sachverständigen Dr. P. begutachtet worden. Dieser sei zu dem Ergebnis gelangt, die psychischen Störungen des Beschwerdeführers seien in den vorangegangenen Jahren immer deutlicher hervorgetreten. Eine Behandlung sei derzeit nur in einem besonders gesicherten Hause möglich. Die seit dieser Begutachtung eingeholten (anstaltsinternen) fachärztlichen Stellungnahmen ließen eine Besserung der Erkrankung des Untergebrachten und eine Verringerung der von ihm für die Allgemeinheit ausgehenden Gefahr nicht erkennen. Zur Rüge der Verfassungswidrigkeit des Art. 314 Abs. 1 EGStGB äußerte sich das Gericht nicht.
Gleichzeitig lehnte der Vorsitzende des erkennenden Strafsenats des Oberlandesgerichts Hamm den Antrag auf Bestellung des Bevollmächtigten des Beschwerdeführers zum Pflichtverteidiger ab. Im vorliegenden einfach gelagerten Beschwerdeverfahren sei die Bestellung eines Pflichtverteidigers nicht angezeigt.
2. Mit Beschluß vom 8. Mai 1981 gab das Landgericht Paderborn dem erneuten Antrag des Beschwerdeführers auf Bestellung seines gewählten Rechtsanwalts zum Pflichtverteidiger statt.
Den Antrag auf Aufhebung oder Aussetzung der Unterbringung zur Bewährung beschied das Landgericht durch Beschluß vom 12. Mai 1981 abschlägig: Das konkrete Krankheitsbild lasse sich aus der gutachtlichen Außerung des Landeskrankenhauses nicht eindeutig erkennen; wegen des Zeitabstandes könne auch nicht auf das 1974 erstellte Gutachten des Sachverständigen Dr. P. Bezug genommen werden. Es beauftragte gleichzeitig Prof. Dr. W. mit einem Gutachten über die Frage, ob aus ärztlicher Sicht verantwortet werden kann zu erproben, ob der Beschwerdeführer außerhalb der Unterbringung keine rechtswidrigen Taten mehr begehen werde.
Gegen den Beschluß vom 12. Mai 1981 erhob der Beschwerdeführer sofortige Beschwerde, die er mit der Klarstellung verband, daß er sie lediglich zur Fristwahrung einlege.
Nach Eingang des Sachverständigengutachtens und einer ergänzenden Stellungnahme des Landeskrankenhauses ordnete das Landgericht Paderborn am 19. Januar 1982 die Fortdauer der Unterbringung an. Mit dem Sachverständigen sei zu hoffen, daß der Beschwerdeführer bei einer guten Vorbereitung der Entlassung keine weiteren Eigentumsdelikte mehr begehen werde. Die Gefahr von Taten aggressiver Natur sei zwar nicht völlig auszuschließen, erscheine jedoch nicht sehr hoch. Das Landeskrankenhaus habe sich dieser Prognosebeurteilung angeschlossen, allerdings auch darauf hingewiesen, daß sich Mitpatienten durch den Beschwerdeführer belästigt und bedroht gefühlt hätten, so daß dieser wieder in eine gesicherte Abteilung zurückverlegt worden sei. Auch hier sei er wiederholt in erhebliche Unruhe- und Spannungszustände verfallen. Mit dem Landeskrankenhaus und dem Sachverständigen sei das Gericht der Auffassung, daß derzeit eine bedingte Entlassung des Beschwerdeführers aus dem Maßregelvollzug nicht gewagt werden könne. Erst nach erfolgreicher Verhaltenserprobung oder nach Regelung der zivilrechtlichen Unterbringung des Beschwerdeführers könne eine solche Entscheidung in Erwägung gezogen werden. Würde er nach über zehnjähriger Unterbringung ohne Vorbereitung in die Freiheit entlassen werden, bestünde erhebliche Gefahr, daß er wiederum rechtswidrige Taten begehen werde. Die Fortdauer der Unterbringung sei auch verhältnismäßig, da der Beschwerdeführer seit seinem 14. Lebensjahr regelmäßig Eigentumsdelikte begangen habe und in den Jahren 1958 bis 1967 fünfmal zu Jugend- und Freiheitsstrafen verurteilt worden sei.
Das Oberlandesgericht holte im Beschwerdeverfahren ein weiteres Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Br. ein. Es verwarf sodann die sofortige Beschwerde mit Beschluß vom 18. September 1982 als unbegründet. Die vom Sachverständigen geschilderten schweren Erregungszustände und Verhaltensstörungen begründeten die Gefahr, daß der Beschwerdeführer in solchen Phasen zu erheblichem strafbaren Verhalten neige, wobei - nach Auffassung des Oberlandesgerichts so im Ergebnis übereinstimmend sowohl der Sachverständige Prof. Dr. W. als auch der Sachverständige Prof. Dr. Br. - auch möglicherweise Gewalttätigkeiten zu erwarten seien. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei gewahrt, da der Beschwerdeführer keine Straftaten begehe, die im Bereich der Bagatelldelinquenz lägen.
3. In weiteren Beschlüssen vom 15. Februar 1983 und 13. Mai 1985 hat das Landgericht die Aussetzung der Unterbringung des Beschwerdeführers zur Bewährung abgelehnt. Das Oberlandesgericht hat die gegen den ersten Beschluß erhobene sofortige Beschwerde vom 2. September 1983 verworfen. Ober die sofortige Beschwerde gegen den zweiten Beschluß des Landgerichts hat es noch nicht entschieden.
III.
1. Mit seiner Verfassungsbeschwerde - 2 BvR 1150/80 - wendet sich der Beschwerdeführer gegen den Beschluß des Oberlandesgerichts Hamm vom 29. August 1980, den Beschluß des Landgerichts Paderborn vom 6. Mai 1980, insoweit mittelbar auch gegen Art. 314 Abs. 1 EGStGB, sowie gegen den Beschluß des Senatsvorsitzenden vom 29. August 1980. Er rügt die Verletzung der Art. 1, 2, 3, 11, 101, 103 und 104 GG. Die Überleitungsvorschrift des Art. 314 Abs. 1 EGStGB verletze ihn in den zuvor genannten Grundrechten und in seinen Rechten aus Art. 103 Abs. 2 GG. Der Beschwerdeführer wiederholt und vertieft das insoweit bereits dem Oberlandesgericht Vorgetragene.
Zusätzlich führt er aus: Er werde durch die Fortdauer der Unterbringung in seinen Rechten aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 und 2 GG verletzt, weil die Unterbringung gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße. Der Diebstahl eines Pelzmantels im Jahre 1968 sei ein vergleichsweise geringfügiger Anlaß, der unter keinen Umständen eine so lange Unterbringung rechtfertigen könne. Die Rechte aus Art. 3, 20 Abs. 3, 104 Abs. 1 GG seien dadurch verletzt worden, daß die Gerichte für den Fall einer Entmündigung eine günstigere Entscheidung über die Aussetzung der Vollstreckung in Aussicht gestellt hätten. Diese Verknüpfung sei willkürlich, denn die Frage der Entmündigung sei für eine Entscheidung gemäß § 67 d Abs. 2 StGB bedeutungslos.
Die angegriffenen Entscheidungen verletzten seinen Anspruch auf rechtliches Gehör, weil sie sich auf die Stellungnahme des Landeskrankenhauses vom Februar 1980 stützten, obwohl diese kein ernstzunehmendes ärztliches Gutachten sei. Da das letzte ausführliche und anstaltsexterne Gutachten aus dem Jahr 1974 stammte, hätte antragsgemäß eine neue Begutachtung durchgeführt werden müssen.
Schließlich verletze ihn der Beschluß des Vorsitzenden des erkennenden Senats, mit dem die Bestellung eines Pflichtverteidigers abgelehnt worden sei, in seinem Anspruch auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip). Die Rechtslage sei schwierig; er selbst sei völlig mittellos und müsse befürchten, wegen eines Diebstahls lebenslänglich in einem psychiatrischen Krankenhaus zu bleiben.
2. Die weitere, am 6. November 1982 erhobene Verfassungsbeschwerde - 2 BvR 1504/82 - richtet sich gegen den Beschluß des Oberlandesgerichts vom 18. September 1982, die Beschlüsse des Landgerichts Paderborn vom 12. Mai 1981 und 19. Januar 1982 sowie erneut gegen Art. 314 Abs. 1 EGStGB. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 1, 2, 3, 11, 101, 103 und 104 GG und wiederholt im wesentlichen sein Vorbringen in der Verfassungsbeschwerde 2 BvR 1150/80.
IV.
Das Bundesverfassungsgericht hat dem Bundestag, dem Bundesrat, der Bundesregierung, allen Landesregierungen sowie dem Präsidenten des Bundesgerichtshofes Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
1. Für die Bundesregierung hat sich der Bundesminister der Justiz geäußert. Nach seiner Auffassung verletzen die Überleitung der Vollstreckung der Unterbringung von einer Heil- oder Pflegeanstalt in ein psychiatrisches Krankenhaus zufolge Art. 314 Abs. 1 EGStGB und die auf diesem Rechtszustand fußenden Beschlüsse des Landgerichts und des Oberlandesgerichts keine Grundrechte des Beschwerdeführers. Die eine richterliche Entscheidung nicht vorsehende Überleitungsvorschrift sei erforderlich gewesen, weil andernfalls die rechtsprechende Gewalt zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des 2. Strafrechtsreformgesetzes am 1. Januar 1975 mit einer Fülle von Verfahren überhäuft worden wäre, der sie nicht "zeitgerecht" hätte Herr werden können. Die Regelung sei überdies um so unbedenklicher, als das Gericht seit dem 1. Januar 1975 gemäß § 67 e Abs. 1 Satz 1 StGB jederzeit hätte prüfen können, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zur Bewährung auszusetzen sei, und gemäß § 67 e Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 StGB zudem verpflichtet sei, dies jeweils spätestens vor Ablauf eines Jahres zu tun. Ob die in den angegriffenen Beschlüssen angeordnete Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletze, sei eine Frage des konkreten Einzelfalles. Grundrechtlich nicht unbedenklich erscheine aber, daß die Bestellung des Bevollmächtigten des Beschwerdeführers als Pflichtverteidiger vom Oberlandesgericht abgelehnt worden sei. Der Krankheitszustand des Beschwerdeführers und das vom Oberlandesgericht befürwortete Entmündigungsverfahren hätten eine solche Bestellung analog § 140 Abs. 2 StPO nahegelegt, um dem Anspruch, auf ein faires Verfahren zu genügen.
2. Der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen hat zur zweiten Verfassungsbeschwerde vom 4. November 1982 Stellung genommen. Hinsichtlich der Überleitungsvorschrift des Art. 314 Abs. 1 EGStGB hat er sich der verfassungsrechtlichen Beurteilung des Bundesministers der Justiz angeschlossen. Die angegriffenen Beschlüsse ließen im übrigen keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erkennen. Nach den Strafgesetzen werde Unterbringung als Maßregel der Besserung und Sicherung nur angeordnet, wenn durch die zugrundeliegende Tat dargetan sei, daß der Täter in Freiheit eine Gefahr für die Rechtsgemeinschaft darstelle. Daß die zur Entscheidung berufenen Richter der langen Dauer der bisherigen Unterbringung keine entscheidende Bedeutung beigemessen hätten, liege in der Systematik der einschlägigen Strafgesetze und in der Natur der Sache begründet.
3. Der Präsident des Bundesgerichtshofes hat mitgeteilt, daß der zuständige 3. Strafsenat zu den in der Verfassungsbeschwerde angesprochenen Rechtsfragen eine Entscheidung noch nicht getroffen habe.
 
B.
1. Soweit sich der Beschwerdeführer gegen den Beschluß des Landgerichts vom 12. Mai 1981 wendet, hat er den Rechtsweg nicht erschöpft (§ 90 Abs. 2 BVerfGG). Die gegen diesen Beschluß lediglich zur Fristwahrung erhobene sofortige Beschwerde ist vom Oberlandesgericht nicht beschieden worden. Die Verfassungsbeschwerde ist daher insoweit unzulässig.
2. Soweit der Beschwerdeführer Art. 314 Abs. 1 EGStGB angreift, ist seine Verfassungsbeschwerde nicht in der hierfür geltenden Jahresfrist (§ 93 Abs. 2 BVerfGG) eingelegt worden. Der Ablauf der Frist würde der Zulässigkeit nur dann nicht entgegenstehen, wenn es sich bei den mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Gerichtsbeschlüssen zur Fortdauer der Unterbringung um Akte zur Vollziehung des Art. 314 EGStGB handelte (vgl. BVerfGE 9, 338 [342]). Dies ist indessen nicht der Fall. Die Gerichte haben nicht eine vom Beschwerdeführer für die Überleitung verlangte Einzelfallprüfung unter Hinweis auf die gesetzliche Regelung abgelehnt. Sie haben lediglich auf Antrag geprüft, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung auszusetzen ist, und dies nach § 67 d Abs. 2 StGB verneint.
3. Im übrigen sind die Verfassungsbeschwerden zulässig.
 
C.
Die Verfassungsbeschwerden sind - soweit zulässig - auch begründet.
I.
Die Entscheidungen über die Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus verletzen diesen in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes. Die Beschlüsse des Landgerichts vom 6. Mai 1980 und des Oberlandesgerichts vorn 29. August 1990 tragen der Wirkkraft des Freiheitsgrundrechts für die Sachverhaltsaufklärung nicht hinreichend Rechnung; die Beschlüsse des Landgerichts vom 19. Januar 1982 und des Oberlandesgerichts vom 18. September 1982 würdigen das Gewicht des Freiheitsanspruchs des Beschwerdeführers nicht zutreffend und werden deshalb dem verfassungsverbürgten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht gerecht.
1. a) Die Freiheit der Person darf nur aus besonders gewichtigen Gründen und unter strengen formellen Gewährleistungen eingeschränkt werden (Art. 2 Abs. 2, 104 Abs. 1 GG). Zu diesen wichtigen Gründen gehören in erster Linie solche des Strafrechts und des Strafverfahrensrechts. Eingriffe in die persönliche Freiheit auf diesem Gebiet dienen vor allem dem Schutz der Allgemeinheit (vgl. BVerfGE 22, 180 [219]; 45, 187 [223]; 58, 208 [224 f.]); zugleich haben diese gesetzlichen Eingriffstatbestände freiheitsgewährleistende Funktion, da sie die Grenzen zulässiger Einschränkung: bestimmen. Das gilt auch für die Unterbringung eines schuldunfähigen oder erheblich vermindert schuldfähigen Straftäters, von dem zukünftig infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind, in einem psychiatrischen Krankenhaus (siehe § 63 StGB). Der Gesetzgeber hat im Blick auf das Gewicht des Freiheitsanspruchs des Untergebrachten für die Vollstreckung dieser Maßregel besondere Regelungen getroffen, die insbesondere deren Aussetzung zur Bewährung vorsehen, sobald verantwortet werden kann zu erproben, ob der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzuges keine rechtswidrigen Taten mehr begehen wird (§ 67 d Abs. 2 StGB). Der Strafvollstreckungsrichter (vgl. §§ 463 Abs. 3, 454, 462 a StPO) kann diese sogenannte Aussetzungsreife der Maßregel jederzeit überprüfen; er ist dazu jeweils spätestens vor Ablauf eines Jahres verpflichtet (§ 67e Abs. 1 und 2 StGB). Mit diesem Regelungsgefüge hat der Gesetzgeber der Bedeutung des Freiheitsgrundrechts für den hier entscheidungserheblichen Bereich grundsätzlich genügt.
b) Darüber hinaus erfordert die freiheitssichernde Funktion des Art. 2 Abs. 2 GG aber auch allgemein im Verfahrensrecht Beachtung. Das Bundesverfassungsgericht hat schon früher hervorgehoben, daß hier eine der Wurzeln des Prozeßgrundrechts auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren liegt (BVerfGE 57, 250 ]247 f.]). Aus diesem ergeben sich Mindesterfordernisse für eine zuverlässige Wahrheitserforschung (vgl. BVerfGE 57, 250 [275]), die nicht nur im strafprozessualen Hauptverfahren, sondern auch für die im Vollstreckungsverfahren zu treffenden Entscheidungen zu beachten sind. Sie setzen u.a. Maßstäbe für die Aufklärung des Sachverhalts und damit für eine hinreichende tatsächliche Grundlage für richterliche Entscheidungen. Denn es ist unverzichtbare Voraussetzung rechtsstaatlichen Verfahrens, daß Entscheidungen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, auf zureichender richterlicher Sachaufklärung beruhen (vgl. BVerfGE 58, 208 [222]) und eine in tatsächlicher Hinsicht genügende Grundlage haben, die der Bedeutung der Freiheitsgarantie entspricht (vgl. BVerfGE a.a.O. [230]). Das folgt letztlich aus der Idee der Gerechtigkeit, die wesentlicher Bestandteil des Grundsatzes der Rechtsstaatlichkeit ist (vgl. BVerfGE 33, 367 [383]) und an der sich jedwede Rechtspflege messen lassen muß.
Allerdings enthält das Recht auf ein faires Verfahren keine in allen Einzelheiten bestimmten Ge- oder Verbote; es bedarf vielmehr der Konkretisierung je nach den sachlichen Gegebenheiten. Dabei ist im Blick auf die Weite und Unbestimmtheit des Rechtsstaatsprinzips mit Behutsamkeit vorzugehen. Erst wenn sich unzweideutig ergibt, daß rechtsstaatlich unverzichtbare Erfordernisse nicht mehr gewahrt sind, können aus dem Prinzip selbst konkrete Folgerungen für die Verfahrensgestaltung gezogen werden; diese haben sich tunlichst im Rahmen der vom Gesetzgeber gewählten Grundstruktur des Verfahrens zu halten (siehe BVerfGE 57,250 [276]).
c) Straf- und Strafverfahrensrecht tragen diesen Grundsätzen Rechnung: Auch in denjenigen Verfahren, die dem sogenannten Freibeweis unterliegen, gilt die richterliche Aufklärungspflicht, wie sie für die Hauptverhandlung in der Regelung des § 244 Abs. 2 StPO ihren Niederschlag gefunden hat; sie wird auch als "Gebot bestmöglicher Sachaufklärung" verstanden (vgl. BVerfGE 57, 250 [277]; Kleinknecht/Meyer, StPO, 37. Aufl., § 244 Rdnr. 9; Schlüchter, Das Strafverfahren, 2. Aufl., Rdnr. 472). Geht es um Prognoseentscheidungen, bei denen geistige und seelische Anomalien in Frage stehen, so besteht in der Regel die Pflicht, einen erfahrenen Sachverständigen hinzuzuziehen. Dies gilt in Sonderheit dort, wo die Gefährlichkeit eines in einem psychiatrischen Krankenhaus Untergebrachten zu beurteilen ist; denn die Umstände, die diese bestimmen, sind für den Richter oft schwer erkennbar und abzuwägen. Bei der Vorbereitung der Entscheidung über die Aussetzung einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (nach § 67d Abs. 2 StGB) hängt es von dem sich nach den Umständen des einzelnen Falles bestimmenden pflichtgemäßen Ermessen des Richters ab, in welcher Weise er die sogenannte Aussetzungsreife prüft (vgl. Dreher/ Tröndle, StGB, 42. Aufl., § 67 d Rdnr. 7). Dabei ist allgemein anerkannt, daß je nach den Gegebenheiten Erhebungen erforderlich sind über die Persönlichkeit des Untergebrachten einschließlich seines Gesundheitszustandes, sein Verhalten im Vollzug, die Wirkungen der Behandlung, seine Lebensverhältnisse sowie die Umstände und Maßnahmen, die einen günstigen Einfluß auf die Verhältnisse nach seiner Entlassung aus der Unterbringung nehmen können. Indessen muß nicht bei jeder Überprüfung der Unterbringung der gleiche Aufwand veranlaßt sein; immer ist jedoch eine für den Einzelfall hinreichende Gründlichkeit bei der Entscheidungsfindung zu gewährleisten.
d) Diese so umschriebenen einfachrechtlichen Maßstäbe für die Schaffung der Grundlagen einer Entscheidung nach § 67d Abs. 2 StGB konkretisieren in genügender Weise die Anforderungen, die sich aus der freiheitssichernden Funktion des Art. 2 Abs. 2 GG für das faire, rechtsstaatliche Verfahren ergeben. Die Bedeutung der Freiheitsgarantie gebietet allerdings darüber hinaus, bei der Sachaufklärung und Handhabung der richterlichen Aufklärungspflicht stets das Gewicht des Freiheitsanspruchs des Untergebrachten im Auge zu behalten. Dieser wirkt in die Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens bei der Bestimmung des Aufklärungs- und Prüfungsumfangs hinein, um sicherzustellen, daß der Richter seine Entscheidung auf einer der Sachbedeutung entsprechenden Tatsachengrundlage aufbaut.
Vor diesem Hintergrund gilt für die Anwendung einfachen Rechts: Hat der Strafvollstreckungsrichter die Hilfe eines ärztlichen Sachverständigen in Anspruch genommen - was bei Entscheidungen nach §§ 67d Abs. 2, 63 StGB in der Regel der Fall sein wird -, so muß er sich bewußt sein, daß er Aussagen oder Gutachten des Sachverständigen selbständig zu beurteilen hat. Der Richter leitet dessen Tätigkeit nicht nur (vgl. § 78 StPO), er hat auch die Prognoseentscheidung selbst zu treffen; er darf sie nicht dem Sachverständigen überlassen (vgl. BVerfGE 58, 208 [223]). Dabei ist darauf Bedacht zu nehmen, daß das ärztliche Gutachten hinreichend substantiiert ist. Es muß den Richter in den Stand setzen, sich - zumindest im Verbund mit dem übrigen Akteninhalt - die tatsächlichen Voraussetzungen für seine Entscheidung zu erarbeiten und auch die Frage zu beantworten, ob und gegebenenfalls welche Art Straftaten von dem Untergebrachten infolge seines Zustandes zu erwarten sind. Dazu wird es - je nach Sachlage - ein möglichst umfassendes Bild der zu beurteilenden Person zu zeichnen haben. Das Gutachten sollte zudem nicht aus länger zurückliegender Zeit stammen. Befindet sich der Untergebrachte seit langer Zeit in ein und demselben psychiatrischen Krankenhaus, so ist es in der Regel geboten, von Zeit zu Zeit einen anstaltsfremden Sachverständigen hinzuziehen. Denn je länger die Unterbringung dauert, desto strengere Anforderungen sind aufgrund der Wirkkraft des Freiheitsgrundrechts des Untergebrachten auch an die Sachverhaltsaufklärung zu stellen, um der Gefahr von Routinebeurteilungen möglichst vorzubeugen.
2. Erst die so geschaffene hinreichende Tatsachengrundlage setzt den Richter in den gehörigen Stand, darüber zu entscheiden, ob die Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zur Bewährung auszusetzen ist (nach § 67 d Abs. 2 StGB), insbesondere die von ihm geforderte Prognose zu stellen und die Verantwortbarkeit einer Erprobung des Untergebrachten in Freiheit sowie die Verhältnismäßigkeit einer eventuellen weiteren Unterbringung zu prüfen. Diese Verhältnismäßigkeitsbeurteilung ist auch von Verfassungs wegen geboten; sie muß bestimmten Mindesterfordernissen genügen. Die strafrechtlichen Vorschriften über die Aussetzungsentscheidung eröffnen dafür genügenden Raum.
a) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist mit Verfassungsrang ausgestattet. Er beherrscht Anordnung und Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Das sich daraus ergebende Spannungsverhältnis zwischen dem Freiheitsanspruch des betroffenen Einzelnen und dem Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit vor zu erwartenden erheblichen Rechtsgutverletzungen verlangt nach gerechtem und vertretbarem Ausgleich. Dieser läßt sich für die Entscheidungen über die Aussetzung der Maßregelvollstreckung nur dadurch bewirken, daß Sicherungsbelange und der Freiheitsanspruch des Untergebrachten als wechselseitiges Korrektiv gesehen und im Einzelfall gegeneinander abgewogen werden. Vergleichbares hat das Bundesverfassungsgericht für die Fortdauer der Untersuchungshaft bereits mehrfach betont (vgl. BVerfGE 20, 45 [49f.]; 20, 144 [148]; 36, 264 [270]; 53, 152 [158 f.]). Unter Beachtung der Besonderheiten der Maßregel der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) gilt das auch hier: Hält das Gericht ein Risiko im Sinne des § 67 d Abs. 2 StGB bei einem nach § 63 StGB Untergebrachten für gegeben, so hat es die mögliche Gefährdung der Allgemeinheit zu der Dauer des erlittenen Freiheitsentzuges in Beziehung zu setzen.
b) Der Gesetzgeber hat den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit für die Maßregeln der Besserung und Sicherung in § 62 StGB auch gesetzlich festgelegt: Eine solche Maßregel darf nicht angeordnet werden, wenn sie zur Bedeutung der vom Täter begangenen und zu erwartenden Taten sowie zum Grad der von ihm ausgehenden Gefahr außer Verhältnis steht. Damit hat er ohnehin von Verfassungs wegen geltendes Recht nochmals im sachlichen Kodifikationszusammenhang hervorgehoben, um dem Grundsatz besonderen Nachdruck zu verleihen (vgl. Erster Schriftlicher Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform, BTDrucks. V/4094, S. 17).
{*absatznummer40}{*absatznummer40}erhebliche rechtswidrige Taten erwarten läßt. Hierzu zählen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs indessen nicht lediglich Fälle der schweren Kriminalität (vgl. BGH, NJW 1976, S. 1949); ausgeschieden werden allerdings geringfügige Taten (vgl. die Nachweise bei Dreher/Tröndle, StGB, 42. Aufl., § 63 Rdnr. 8). Es ist zudem anerkannt, daß der Gesetzgeber mit der Vorschrift des § 62 StGB nicht nur die Geltung des Gesichtspunktes der Verhältnismäßigkeit für die Anordnung der Maßregeln betonen, sondern auch seine besondere Bedeutung für die notwendigen Folgeentscheidungen verdeutlichen wollte (vgl. Sonderausschuß für die Strafrechtsreform, a.a.O.; Hanack in: Leipziger Kommentar zum StGB, 10. Aufl., § 62 Rdnr. 7).
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist in die Prüfung der sogenannten Aussetzungsreife der Maßregel nach § 67d Abs. 2 StGB einzubeziehen (integrative Betrachtung). Die dem Richter auferlegte Prognose erfordert eine wertende Entscheidung. Die darauf aufbauende Gesamtwürdigung hat die von dem Täter ausgehenden Gefahren zur Schwere des mit der Maßregel verbundenen Eingriffs ins Verhältnis zu setzen (vgl. BGHSt 24, 134 zur Anordnung einer Maßregel nach altem Recht, sowie BGH bei Holtz, MDR 1979, S. 280). Allgemeingültige, scharfe Formeln hierfür gibt es indessen nicht. Denn die Klausel von der "Verantwortbarkeit der Erprobung" ist ausfüllungsbedürftig; sie schließt es ein, daß mit der Aussetzung ein vertretbares Risiko eingegangen wird. In diesen Grenzen der Verantwortbarkeit kommt der Erprobung folglich der Charakter eines Experiments zu. Die Entlassungsprognose erfordert also nicht etwa die sichere Erwartung zukünftigen Wohlverhaltens des Untergebrachten (vgl. Horstkotte in: Leipziger Kommentar zum StGB, 10. Aufl., § 67 d Rdnr. 22 f., 71). In die Prognose, die die Aussetzungsentscheidung verlangt, fließen vielfältige und unterschiedliche Gesichtspunkte ein. Stets bleibt jedoch die Fortdauer der Unterbringung an ihren Zweck gebunden. Daraus folgt u. a., daß auf die Gefahr solcher rechtswidriger Taten abzustellen ist, die ihrer Art und ihrem Gewicht nach ausreichen, auch die Anordnung der Maßregel zu tragen; diese müssen mithin "erheblich" im Sinne des § 63 StGB sein (vgl. Dreher/Tröndle, a.a.O., § 67 d Rdnr. 6 mit Rechtsprechungsnachweisen). Die Beurteilung hat sich demnach darauf zu erstrecken, ob und welche Art rechtswidrige Taten von dem Untergebrachten drohen, wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist (Häufigkeit, Rückfallfrequenz) und welches Gewicht den bedrohten Rechtsgütern zukommt (vgl. Horstkotte, a.a.O., § 67 d Rdnr. 24). Dabei ist die von dem Untergebrachten ausgehende Gefahr hinreichend zu konkretisieren; der Grad der Wahrscheinlichkeit zukünftiger rechtswidriger Taten ist zu bestimmen; deren bloße Möglichkeit vermag die weitere Maßregelvollstreckung nicht zu rechtfertigen (vgl. BGH, Urteil vom 17. Oktober 1978 - 1 StR 480/78 -; BGH bei Holtz, MDR 1979, S. 280; 1981, S. 265; Horstkotte, a.a.O., 67 d Rdnr. 3). Bei allem ist auf die Besonderheiten des Falles einzugehen. Zu erwägen sind das frühere Verhalten des Untergebrachten und von ihm bislang begangene Taten. Abzuheben ist vor allem aber auf die seit der Anordnung der Maßregel veränderten Umstände, die für die künftige Entwicklung bestimmend sind. Dazu gehören nicht nur der Zustand des Untergebrachten, sondern auch die zu erwartenden Lebensumstände. Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit kann es auf die voraussichtlichen Wirkungen der im Falle der Aussetzung der Maßregelvollstreckung zur Bewährung kraft Gesetzes eintretenden Führungsaufsicht (§ 67d Abs. 2 Satz 2 StGB) und der damit verbindbaren weiteren Maßnahme der Aufsicht und Hilfe ankommen (vgl. §§ 68 a, 68 b StGB), insbesondere also die Tätigkeit eines Bewährungshelfers und die Möglichkeit bestimmter Weisungen. Auch kann der Einfluß einer Entmündigung oder einer Gebrechlichkeitspflegschaft mit dem Recht der Aufenthaltsbestimmung für die Prognose zu berücksichtigen sein (vgl. BGH bei Holtz, MDR 1985, S. 979; Horstkotte, a.a.O., § 67 d Rdnr. 46 und § 67 b Rdnr. 68 f.).
c) Die danach unter Würdigung vielfältiger Umstände zu treffende Entscheidung obliegt allein dem Richter. Das Bundesverfassungsgericht wacht nur darüber, daß der zuständige Richter der verfassungsrechtlichen Freiheitsgarantie des Untergebrachten bei seiner Entscheidungsfindung hinreichendes Gewicht beilegt; es hat dann einzuschreiten, wenn sich feststellen läßt, daß dies nicht der Fall war. Dafür gelten folgende Maßstäbe:
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet, die Unterbringung eines Täters in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB nur solange zu vollstrecken, wie der Zweck dieser Maßregel es unabweisbar erfordert und zu seiner Erreichung den Untergebrachten weniger belastende Maßnahmen - im Rahmen der Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung (vgl. §§ 67 d Abs. 2, 68 a, 68 b StGB) - nicht genügen. Die Gesamtwürdigung der für die Frage der Aussetzung (§ 67 d Abs. 2 StGB) maßgeblichen Umstände im Lichte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes hat eingriffsbegrenzende Funktion. Da es sich um eine wertende Entscheidung handelt, die nach ausfüllungsbedürftigen Kriterien und unter Prognosegesichtspunkten fällt, kann das Bundesverfassungsgericht sie nicht in allen Einzelheiten, sondern nur daraufhin nachprüfen, ob eine Abwägung überhaupt stattgefunden hat und ob die dabei zugrunde gelegten Bewertungsmaßstäbe der Verfassung entsprechen, insbesondere Inhalt und Tragweite des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nicht verkennen (vgl. BVerfGE 27, 211 [219]). Allerdings kann es Fallgestaltungen geben, in denen sich die Verhältnismäßigkeit der Unterbringungsfortdauer von selbst verstehen mag, in denen sie offen zutage liegt und deshalb keiner weiteren Begründung bedarf. je länger aber die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus andauert, um so strenger werden den ie Voraussetzungen für die Verhältnismäßigkeit des Freiheitsentzugs sein. Das Freiheitsgrundrecht gewinnt wegen des sich verschärfenden Eingriffs immer stärkeres Gewicht für die Wertungsentscheidung des Strafvollstreckungsrichters. Es liegt nahe, daß er ihm bei der Frage der Verantwortbarkeit einer eventuellen Erprobung des Untergebrachten in Freiheit Raum gibt. Die besondere Bedeutung, die dem Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkt hier zukommt, folgt bei langdauernden Unterbringungen nach § 63 StGB nicht zuletzt daraus, daß der Gesetzgeber für diese Maßregel im grundsätzlichen Unterschied zur Strafe eine absolute zeitliche Höchstgrenze ihrer Vollstreckung nicht vorgesehen hat (siehe demgegenüber § 67 d Abs. 1 StGB für die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt oder die erstmalige Anordnung der Sicherungsverwahrung). Der im Einzelfalle unter Umständen nachhaltige Einfluß des gewichtiger werdenden Freiheitsanspruchs wird jedoch dort an Grenzen stoßen, wo es im Blick auf die Art der von dem Untergebrachten drohenden Taten, deren Bedeutung und Wahrscheinlichkeit vor dem staatlichen Schutzauftrag für die Rechtsgüter des Einzelnen und der Allgemeinheit unvertretbar erscheint, den Untergebrachten in die Freiheit zu entlassen.
Das zunehmende Gewicht des Freiheitsanspruchs bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung wirkt sich bei solchen langdauernden Unterbringungen in einem Psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) auch auf die an die Begründung einer Entscheidung nach § 67 d Abs. 2 StGB zu stellenden Anforderungen aus. In diesen Fällen engt sich der Bewertungsrahmen des Strafvollstreckungsrichters ein; mit dem immer stärker werdenden Freiheitseingriff wächst die verfassungsgerichtliche Kontrolldichte (vgl. - insoweit allerdings in anderem Zusammenhang - BVerfGE 42, 143 [148 f.]; 54, 208 [215]; 66, 116 [131]). Dem läßt sich angesichts der in besonderem Maße wertenden Natur der Entscheidung, ob die Erprobung des Untergebrachten in Freiheit verantwortet werden kann, dadurch Rechnung tragen, daß der Richter seine Würdigung eingehender abfaßt, sich also nicht etwa mit knappen, allgemeinen Wendungen begnügt, sondern seine Bewertung anhand der dargestellten einfachrechtlichen Kriterien substantiiert offenlegt. Erst dadurch wird es möglich, im Rahmen verfassungsgerichtlicher Kontrolle (vgl. BVerfGE 27, 211 [219]) nachzuvollziehen, ob die von dem Täter ausgehende Gefahr seinen Freiheitsanspruch gleichsam aufzuwiegen vermag. Zu verlangen ist mithin vor allem die Konkretisierung der Wahrscheinlichkeit weiterer rechtswidriger Taten, die von dem Untergebrachten drohen, und deren Deliktstypus. Dem Verblassen des Besserungszwecks der Unterbringung wird in diesem Zusammenhang nur begrenzte Bedeutung zukommen können. Bleibt das Bemühen des Richters um Zuverlässigkeit der Prognose trotz Ausschöpfung der zu Gebote stehenden Erkenntnismittel mit großen Unsicherheiten behaftet, so hat auch dies Eingang in seine Bewertung zu finden.
Die Frage, wann eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) als langdauernd bezeichnet werden kann, läßt sich nicht allgemeingültig beantworten. Anhalt hierfür mögen die Strafrahmen derjenigen Tatbestände geben, die der Täter verwirklicht hat und an die seine Unterbringung anknüpft, aber auch diejenigen der von ihm drohenden Delikte (enger noch Horstkotte, a.a.O., § 67 d Rdnr. 64 a. E.).
Genügen die Gründe einer Entscheidung über die Fortdauer einer bereits außergewöhnlich lange währenden Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§§ 63, 67 d Abs. 2 StGB) diesen Maßstäben nicht, so führt das dazu, daß die Freiheit der Person des Untergebrachten auf solcher Grundlage nicht rechtmäßig eingeschränkt werden kann; sein Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG ist verletzt, weil es an einer verfassungsrechtlich tragfähigen Grundlage für die Unterbringung fehlt.
3. Die Beschlüsse des Landgerichts vom 6. Mai 1980 und des Oberlandesgerichts vom 29. August 1980 tragen den hier von Verfassungs wegen an ihre tatsächliche Grundlage und die Sachverhaltsaufklärung zu stellenden Anforderungen nicht hinreichend Rechnung (vgl. oben C. I. 1., S. 307 ff.). Beide Entscheidungen werden überdies dem Gewicht des fortdauernden Eingriffs in das Freiheitsgrundrecht des Beschwerdeführers nicht gerecht.
Zum Zeitpunkt der jeweiligen Beschlußfassung hatte der Beschwerdeführer bereits seit mehr als elf Jahren Freiheitsentzug erlitten; zumeist war er nach § 63 StGB in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. Anlaß für seine Unterbringung war der unter Alkoholeinfluß begangene Diebstahl eines Pelzmantels im Jahr 1968. Die Tat zählte also lediglich zum Bereich der mittleren Kriminalität. Das letzte ausführlichere, von einem anstaltsfremden Sachverständigen erstattete Gutachten stammte von dem Psychiater Dr. P. und datierte aus dem Jahr 1974, lag also sechs Jahre zurück. Dr. P. hatte sich der Diagnose "Schizophrenie" angeschlossen, die bereits dem Urteil im Verfahren gegen den Beschwerdeführer zugrunde lag, mit dem dessen Unterbringung angeordnet worden war. Die folgenden ärztlichen Stellungnahmen, abgegeben von den psychiatrischen Krankenhäusern, in denen der Beschwerdeführer seitdem untergebracht worden war, enthalten lediglich in jeweils wenigen Zeilen eine Schilderung seines Zustandes und weisen unspezifisch auf die Gefahr strafbarer Handlungen hin. Sie erstrecken sich nur teilweise auf kurze Bemerkungen zur Symptomatik; eingehende und substantiierte Feststellungen sowie konkretisierte ärztliche Bewertungen fehlen indessen.
Danach war die Beurteilungsgrundlage, wie sie sich dem Landgericht darstellte, in beträchtlichem Maße unklar; das erhellen nicht zuletzt seine eigenen Erwägungen. Eine Besserung im Bilde des bereits verhältnismäßig lange untergebrachten Beschwerdeführers war nicht absehbar. Daher lag es nahe, auch die Frage zu beantworten, ob die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus unter Berücksichtigung ihrer tatsächlichen Bedingungen überhaupt noch geeignet war, dem Beschwerdeführer zu helfen. Zwar ist der Besserungsgesichtspunkt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für die Verhältnismäßigkeitsabwägung nach § 62 StGB bedeutungslos (vgl. BGH bei Holtz, MDR 1978, S. 110). Aus der Sicht der verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung kann ihm aber nicht jede Erheblichkeit abgesprochen werden, mag die Besserung als Nebenzweck der Unterbringung auch nachrangig sein. Die Wirkungen der Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus waren aber ersichtlich auch insoweit von Einfluß auf die zu treffende Entscheidung, als sie die immer wieder beobachteten Phasen aggressiven Verhaltens des Beschwerdeführers nicht unwesentlich mitverursacht haben konnten. In der Entscheidung des Landgerichts wird diese Frage lediglich entfernt dadurch berührt, daß es erwogen hat, ob der Beschwerdeführer mit Hilfe eines Vormundes und im Wege einer Heimunterbringung wieder in die Gesellschaft eingegliedert werden könne.
Die Sachlage war schließlich weiter dadurch gekennzeichnet, daß die psychiatrische Diagnose früher gewisse Unsicherheiten hatte erkennen lassen. In dem Strafverfahren, das zur Unterbringung des Beschwerdeführers führte, hatte der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten eine Psychose des Beschwerdeführers verneint, dessen erhebliche Verhaltensauffälligkeiten aber als Haftreaktion und "psychogen-demonstrativ" aufgefaßt. In der Hauptverhandlung hatte er den Urteilsgründen zufolge dann allerdings - in Abstimmung mit seinem Kollegen Dr. Sch. - die Ansicht vertreten, der Beschwerdeführer leide zeitweise an einer schizophrenen Psychose.
Bei dieser Ausgangslage bedurfte es ersichtlich besonderer Beachtung, ob sich Diagnose und Krankheitsbild des Beschwerdeführers seit dem Gutachten des Sachverständigen Dr. P. aus dem Jahr 1974 verfestigt hatten. Die folgenden, knappen und wenig substantiierten ärztlichen Stellungnahmen mußten überdies den Eindruck aufdrängen, daß hier von der Krankheitsdiagnose ohne weiteres auf die Gefährlichkeit des Beschwerdeführers geschlossen worden sein könnte. Die Stellungnahmen lassen nicht erkennen, ob und gegebenenfalls welche Arten von Delikten mit welcher Wahrscheinlichkeit und gegebenenfalls in welchem zeitlichen Abstand von dem Beschwerdeführer zu erwarten gewesen wären.
Auch das Oberlandesgericht hatte keine weitergehende tatsächliche Grundlage für seine Beschwerdeentscheidung. Es bezieht sich auf den Beschluß des Landgerichts. Hinzu tritt, daß es nur schwer miteinander in Einklang zu bringen ist, wenn das Oberlandesgericht einerseits die Notwendigkeit einer neuerlichen Begutachtung des Beschwerdeführers durch einen anstaltsfremden Sachverständigen unter Hinweis auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. P. verneint, der die Unterbringung des Beschwerdeführers in einem besonders gesicherten Haus für erforderlich erachtet hatte, andererseits aber der Erwägung des Landgerichts zustimmt, daß eine Entmündigung des Beschwerdeführers seine Eingliederung ermöglichen könne.
Im Blick auf die hier fraglos bereits langdauernde Unterbringung des Beschwerdeführers, die Diagnoseprobleme im Hauptverfahren, die bereits sechs Jahre zurückliegende ausführlichere Begutachtung durch einen anstaltsfremden Sachverständigen, die nur knappen ärztlichen Folgestellungnahmen, die hinreichende Konkretisierung vermissen ließen und auf die Prognoseproblematik nicht weiter eingingen, war weitere Sachaufklärung zwingend geboten, um eine zureichende Tatsachengrundlage für die Entscheidungsfindung zu gewinnen. Sie hätte naheliegenderweise durch Einholung eines neuen, "externen" Gutachtens, möglicherweise auch durch die Aufforderung an das psychiatrische Krankenhaus bewirkt werden können, ergänzend und erläuternd Stellung zu nehmen. Angesichts der Dauer der Unterbringung des Beschwerdeführers und des Gewichts der Tat, die den Anlaß zu dieser gegeben hat, handelt es sich bei den aufgezeigten Aufklärungsmängeln nicht lediglich um Fehler in der Verfahrensgestaltung und bei der Sachverhaltsfeststellung, die im Bereich des einfachen Rechts verbleiben; in ihrer nach Lage des außergewöhnlichen Falles sich summierenden Wirkung erreichen sie die Ebene des Verfassungsrechts (vgl. BVerfGE 28, 151 [162]; 52, 131 [164]; siehe auch BVerfGE 27, 211 [219]).
4. Die Beschlüsse des Landgerichts vom 19. Januar 1982 und des Oberlandesgerichts vom 18. September 1982 genügen nicht den verfassungsrechtlichen Mindesterfordernissen, die um der Bedeutung des Freiheitsgrundrechts des Untergebrachten (nach § 63 StGB) willen an die Begründung solcher Entscheidungen und ihre Verhältnismäßigkeitsprüfung zu stellen sind. Angesichts der Dauer der Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus sowie des Charakters der Anlaß zur Unterbringung gebenden Tat mußten die Beschlüsse die einzelnen die Fortdauer der Unterbringung tragenden Umstände substantiiert darlegen und gewichten, um so deutlich zu machen, daß diese das Freiheitsgrundrecht des Beschwerdeführers auch zukünftig sollten aufwiegen können. In diesem Zusammenhang kann nicht außer acht bleiben, wie die Entscheidungen die zwischenzeitig eingeholten Gutachten der anstaltsfremden Sachverständigen Prof. Dr. W. und Prof. Dr. Br. bewertet haben.
Soweit sich der Beschluß des Landgerichts vom 19. Januar 1982 auf das Gutachten des Prof. Dr. W. stützt, wird er dessen Inhalt nicht gerecht. Der Sachverständige hatte sich zusammenfassend gegen ein weiteres Verbleiben des Beschwerdeführers in der Unterbringung ausgesprochen und darauf verwiesen, daß der Beschwerdeführer bei einer Unterbringung nach den landesrechtlichen Unterbringungsvorschriften und bei gleicher Symptomatik bereits entlassen und möglicherweise nur im Falle akuter Verschlechterung seines Zustandes zur "Krisenintervention" wieder eingewiesen worden wäre. Eine dauerhafte Einweisungssymptomatik habe sich nach dem Krankheitsbild bei ihm indessen nicht ergeben. Die Vermögenskriminalität des Beschwerdeführers sei von einer möglichen schizophrenen Motivation praktisch unabhängig. Die Gefahr von Delikten aggressiver Natur könne nicht völlig ausgeschlossen werden, erscheine jedoch nicht als sehr hoch. Die Aggressionen des Beschwerdeführers stellten sich größtenteils als Kampf gegen die Institution dar; während seines Entweichens aus dem psychiatrischen Krankenhaus sei er offenbar nicht durch aggressives Verhalten aufgefallen. Demzufolge rechtfertige sich aus einer Gefahr aggressiver Delikte eine Fortdauer der Unterbringung nicht. Aus ärztlicher Sicht könne, ja müsse verantwortet werden zu erproben, ob der Beschwerdeführer außerhalb der Unterbringung keine rechtswidrigen Taten mehr begehe. Hinzu komme, daß der Maßregelvollzug sich bereits seit einiger Zeit für den Beschwerdeführer eher als ungeeignet erweise; denn von ihm gingen schädliche Wirkungen aus. Er schirme den Beschwerdeführer von der Realität ab und begünstigte eine Konfusion zwischen Wirklichkeit und wunsch- bzw. angstbesetzten Phantasien.
Dieser Prognosebeurteilung hatte sich das Landeskrankenhaus in seiner Stellungnahme vom 9. November 1981 ausdrücklich angeschlossen, freilich unter Hervorhebung des weiterhin erheblich unangepaßten Verhaltens des Beschwerdeführers im Maßregelvollzug.
Das Landgericht hingegen hat das Risiko einer Erprobung des Beschwerdeführers in Freiheit unter Berufung auf das in Wahrheit gegenläufige Gutachten als nicht verantwortbar erachtet. Zwar war es nicht Sache des Sachverständigen, abschließend über die Verantwortbarkeit zu befinden. Wenn das Landgericht aber in wesentlichen Punkten von ärztlichen Stellungnahmen abweichen wollte, hätte es dies ausführlicher begründen müssen. Dies um so mehr, als bereits in dem Beschluß vom 8. Mai 1981 über die Beiordnung eines Pflichtverteidigers Zweifel an dem Bild anklingen, das die Stellungnahmen des psychiatrischen Krankenhauses vermittelten. Dort wird darauf hingewiesen, daß das Krankenhaus noch im Jahr 1980 die Fortdauer der Unterbringung für notwendig gehalten habe, gegenwärtig indessen die Möglichkeit einer ambulanten Betreuung außerhalb des Krankenhauses in Betracht ziehe, ohne eine zwischenzeitliche Besserung im Zustand des Beschwerdeführers zum Positiven hin aufzuzeigen.
Dem Oberlandesgericht lag außer dem Gutachten des Prof. Dr. W. auch dasjenige des Prof. Dr. Br. vor, der die Diagnose, der Beschwerdeführer sei schizophren, in Abrede stellte und die Ansicht vertrat, daß eine schwere andere seelische Abartigkeit im Sinne des § 21 StGB (in Verbindung mit § 20 StGB) vorliege. Trete dazu die Wirkung des Genusses alkoholischer Getränke, so könne es in der Folge einer weiteren Herabsetzung des ohnehin geringen Hemmungsvermögens des Beschwerdeführers zu Rechtsbrüchen kommen. Art und Ausmaß der dadurch bedingten Gefahr bezeichnete das Gutachten nicht näher.
Auch danach ergab sich kein ausreichender Anhalt für eine genügend sichere Prognose, die die weitere Unterbringung des Beschwerdeführers zu tragen vermochte und bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung ein genügendes Gegengewicht zu seinem Freiheitsanspruch hätte bilden können.
5. Den aufgehobenen Beschlüssen zur Unterbringung des Beschwerdeführers sind weitere des Oberlandesgerichts und des Landgerichts gefolgt (vgl. oben unter A. II. 3., S. 303), die der Beschwerdeführer mit der Verfassungsbeschwerde nicht angegriffen hat. Das Oberlandesgericht wird somit nur noch über die Kosten zu entscheiden haben (vgl. BVerfGE 44, 353 [383]).
II.
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts vorn 29. August 1980, mit der eine Bestellung des Bevollmächtigten zum Pflichtverteidiger abgelehnt wurde, verletzt ebenfalls den Beschwerdeführer in seinem Anspruch auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes; vgl. BVerfGE 39, 238 [242 f.]; 63, 380 [390 f.], m.w.N.). Der Vorsitzende des Strafsenats war hier von Verfassungs wegen verpflichtet, dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem Oberlandesgericht einen Pflichtverteidiger zu bestellen.
Die Vorschriften der Strafprozeßordnung über die notwendige Mitwirkung und die Bestellung eines Verteidigers (§§ 140 ff. StPO) stellen sich als Konkretisierung des Rechtsstaatsprinzips in seiner Ausgestaltung als Gebot fairer Verfahrensführung dar. Die Verfassung selbst will sicherstellen, daß der Beschuldigte auf den Gang und das Ergebnis des gegen ihn geführten Strafverfahrens Einfluß nehmen kann. Für den Vollzug der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gilt nichts anderes. Auch hier darf der Untergebrachte nicht nur Objekt des Verfahrens sein (vgl. auch BVerfGE 46, 202 [210]). Ihm ist von Verfassungs wegen jedenfalls dann ein Pflichtverteidiger beizuordnen, wenn es nach der konkreten Fallgestaltung, insbesondere bei Besonderheiten und Schwierigkeiten im Diagnose- und Prognosebereich, als evident erscheint, daß er sich angesichts seiner Erkrankung nicht selbst verteidigen kann (vgl. hierzu BVerfGE 63, 380 [391]). Daß diese Voraussetzung hier gegeben war, bedarf nach allem keiner näheren Begründung. Der Beschwerdeführer war im Ausgangsverfahren ersichtlich nicht in der Lage, die Besonderheiten des Sachverhalts zu erfassen, selbst Folgerungen aus der Beweislage zu ziehen und durch geeignetes Vorbringen zur Wahrung seiner Rechte auf den Gang und das Ergebnis des Verfahrens Einfluß zu nehmen, das für ihn von entscheidender Bedeutung war.
 
D.
Diese Entscheidung ist im Ergebnis einstimmig ergangen.
Zeidler, Steinberger, Rinck, Dr. Dr. h.c. Niebler, Träger, Mahrenholz, Böckenförde, Klein