BVerfGE 71, 81 - Arbeitnehmerkammern Bremen
1. Die Grundsätze, die das Bundesverfassungsgericht zur Chancengleichheit der Wahlbewerber bei allgemeinen politischen Wahlen entwickelt hat, gelten bei Wahlen im Arbeits- und Sozialwesen jedenfalls dann, wenn der Gesetzgeber für alle Arbeitnehmer die Zwangsmitgliedschaft in einer Körperschaft des öffentlichen Rechts anordnet und das Vertretungsorgan in unmittelbarer Wahl nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt wird.
2. Bei den Wahlen zu den Vollversammlungen der Arbeitnehmerkammern im Lande Bremen ist es verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt, nur Wahlvorschläge solcher Vereinigungen zuzulassen, die für das Arbeitsleben im Lande Bremen bereits "wesentliche Bedeutung" haben (§ 8 Abs. 1 des Gesetzes über die Arbeitnehmerkammern).
 
Beschluß
des Ersten Senats vom 22. Oktober 1985
- 1 BvL 44/83 -
in dem Verfahren zur verfassungsrechtlichen Prüfung des § 8 Abs.1 des Gesetzes über die Arbeitnehmerkammern im Lande Bremen - Aussetzungs- und Vorlagebeschluß des Verwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen vom 15. Juli 1983 ( 2 A 202/81) -.
Entscheidungsformel:
§ 8 Absatz 1 des Gesetzes über die Arbeitnehmerkammern im Lande Bremen vom 3. Juli 1956 (Gesetzbl. S. 79) in der Fassung des Artikels 1 Nummer 6 des Gesetzes zur Änderung der wahlrechtlichen Bestimmungen des Gesetzes über die Arbeitnehmerkammern im Lande Bremen vom 17. September 1979 (Gesetzbl. S. 371) ist mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig, soweit danach Wahlvorschläge nur von solchen Gewerkschaften, deren Dachorganisationen und selbständigen Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- und berufspolitischer Zwecksetzung eingereicht werden können, die für das Arbeitsleben im Lande Bremen wesentliche Bedeutung haben.
 
Gründe:
 
A.
Die Vorlage betrifft die Frage, ob § 8 Abs. 1 des Gesetzes über die Arbeitnehmerkammern im Lande Bremen insoweit mit dem Grundgesetz vereinbar ist, als danach Wahlvorschläge für die Wahlen zu den Vollversammlungen der Arbeitnehmerkammern nur von solchen Gewerkschaften, deren Dachorganisationen und selbständigen Vereinigungen mit sozial- und berufspolitischer Zwecksetzung eingereicht werden können, die für das Arbeitsleben im Lande Bremen wesentliche Bedeutung haben.
I.
1. Im Lande Bremen wurden erstmals 1921 Arbeitnehmerkammern (Arbeiterkammer und Angestelltenkammer) errichtet, die 1936 aufgelöst wurden. Durch das Gesetz über die Arbeitnehmerkammern im Lande Bremen vom 3. Juli 1956 (GBl. S. 79) - ArbnKG - wurde eine neue Rechtsgrundlage geschaffen. Danach sind die Kammern Körperschaften des öffentlichen Rechts (§ 2 ArbnKG), denen kraft Gesetzes alle im Lande beschäftigten Arbeitnehmer (Arbeiter und Angestellte) als Mitglieder angehören (§ 3 ArbnKG). Sie haben die Aufgabe, im Einklang mit dem Allgemeinwohl die Interessen der im Lande Bremen tätigen Arbeitnehmer in wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Hinsicht wahrzunehmen und zu fördern (§ 1 Abs. 1 ArbnKG). Unter anderem sind sie vor Erlaß landesrechtlicher Vorschriften über ihr Aufgabengebiet betreffende Angelegenheiten zu hören; ferner sollen sie die Behörden und Gerichte in Fachfragen unterstützen; im Zusammenwirken mit den zuständigen Körperschaften und Behörden sind sie berufen, Maßnahmen zur Förderung und Durchführung der beruflichen sowie der allgemeinen und politischen Bildung zu treffen (§ 1 Abs. 2, 3 und 5 ArbnKG). Zur Deckung des Finanzbedarfs erheben die Arbeitnehmerkammern von ihren wahlberechtigten Mitgliedern Beiträge (§ 22 ArbnKG). Organe der Arbeitnehmerkammern sind die Vollversammlung, der Vorstand, der Präsident und die Ausschüsse (§ 4 ArbnKG). Die Vollversammlung jeder Kammer besteht aus 21 Mitgliedern; sie kann nach Maßgabe der Satzung bis zu jeweils vier Mitglieder hinzuwählen (§ 6 Abs. 1 Satz 1 und 2 ArbnKG in der Fassung des Art. 1 Nr. 4 des Gesetzes zur Änderung der wahlrechtlichen Bestimmungen des Gesetzes über die Arbeitnehmerkammern im Lande Bremen vom 17. September 1979 - GBl. S. 371 -). Die Vollversammlung beschließt über alle Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung, bestimmt die Richtlinien, nach denen die Geschäfte der Kammer zu führen sind, und überwacht die Durchführung ihrer Beschlüsse; insbesondere beschließt sie über die Satzung, bestimmt die Höhe der Beiträge und stellt den Haushalts- und Stellenplan fest (§ 5 Abs. 1 ArbnKG).
Die Mitglieder der Vollversammlung werden von den der jeweiligen Kammer angehörenden wahlberechtigten Arbeitnehmern in unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt (§ 6 Abs. 3 ArbnKG). Das Wahlvorschlagsrecht zur Vollversammlung stand zunächst Gewerkschaften, Berufsvereinigungen von Arbeitnehmern und Einzelbewerbern zu; Wahlvorschläge von Gewerkschaften mußten von 250, bei Einzelbewerbern von 150 Wahlberechtigten unterzeichnet sein, es sei denn, es handelte sich um Wahlvorschläge von Gewerkschaften, die bereits in der vorigen Vollversammlung vertreten waren (§ 8 ArbnKG 1956). Durch Gesetz vom 24. März 1964 (GBl. S. 41) wurde Einzelbewerbern das Wahlvorschlagsrecht in Angleichung an das Wahlgesetz für die Bürgerschaft - Landtag - genommen. In dieser Fassung lag das Gesetz dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Dezember 1974 in den Verfahren über die Verfassungsbeschwerden gegen die Zwangsmitgliedschaft aller Arbeitnehmer nach dem Arbeitnehmerkammergesetz zugrunde (BVerfGE 38, 281), in dem über Fragen des Wahlvorschlagsrechts nicht entschieden worden ist.
2. Durch das Gesetz zur Änderung der wahlrechtlichen Bestimmungen des Gesetzes über die Arbeitnehmerkammern im Lande Bremen vom 17. September 1979 (GBl. S. 371) wurde unter anderem als Wahlvorschlagsrecht neu geregelt:
    § 8 Wahlvorschläge
    (1) Wahlvorschläge können nur von Gewerkschaften, deren Dachorganisationen und von selbständigen Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- und berufspolitischer Zwecksetzung, die für das Arbeitsleben im Lande Bremen wesentliche Bedeutung haben, eingereicht werden.
    (2) Die wesentliche Bedeutung für das Arbeitsleben im Lande Bremen setzt insbesondere eine Verwaltung der Organisation im Lande Bremen und eine planmäßige und auf Dauer angelegte Verwirklichung der gewerkschaftlichen oder sozial- und berufspolitischen Zwecksetzung mindestens für die Dauer von zwei Jahren vor dem Wahltag voraus.
    (3) Wahlvorschläge müssen von jeweils 500 Wahlberechtigten unterzeichnet sein.
    § 9 Wahlordnung
    (1) Das Wahlverfahren wird durch eine Wahlordnung geregelt, die die Aufsichtsbehörde nach Anhörung der jeweiligen Kammer erläßt. In der Wahlordnung ist insbesondere zu regeln
    a) die Bestimmung des Wahltages,
    b) Bildung und Aufgaben der Wahlorgane,
    c) die Wahlausschreibung und die Wahlvorschläge,
    d) bis j) ...
    (2) In der Wahlordnung kann bestimmt werden, daß die Wahlhandlung entfällt, wenn nur ein Wahlvorschlag eingereicht wird, oder mit allen eingereichten Wahlvorschlägen nur so viele Bewerber vorgeschlagen werden, wie Mitglieder der Vollversammlung zu wählen sind (Friedenswahl).
    (3) ...
Zum Inhalt und zur Form der Wahlvorschläge heißt es in der Wahlordnung vom 12. Dezember 1980 (GBl. 1981 S. 47):
    § 16 Inhalt und Form der Wahlvorschläge
    (1) Wahlvorschläge sind bis zum 14. Tag nach dem Aufruf, 12.00 Uhr, beim Hauptwahlleiter einzureichen.
    (2) Der Wahlvorschlag muß den Nachweis enthalten, daß es sich gemäß § 8 des Gesetzes bei dem Einreichenden um
    1. eine Gewerkschaft, deren Dachorganisation oder
    2. eine selbständige Vereinigung von Arbeitnehmern mit sozial- und berufspolitischer Zwecksetzung handelt, die für das Arbeitsleben im Lande Bremen wesentliche Bedeutung hat. Der Nachweis der wesentlichen Bedeutung für das Arbeitsleben im Lande Bremen setzt unter anderem eine Verwaltung der Organisation im Lande Bremen und eine planmäßige und auf Dauer angelegte Verwirklichung der gewerkschaftlichen oder sozial- und berufspolitischen Zielsetzung mindestens für die Dauer von zwei Jahren vor dem Wahltag voraus.
    (3) bis (4) ...
    (5) Mit dem Wahlvorschlag sind einzureichen:
    1. ...
    2. ...
    3. den Nachweis der Mitgliederzahl der einreichenden Organisation im Lande Bremen zu Beginn des Wahljahres und des vorhergehenden Jahres;
    4. den Nachweis der wesentlichen gewerkschaftlichen oder der wesentlichen sozial- und berufspolitischen Aktivitäten in den letzten zwei Jahren vor dem Wahltag;
    5. die Satzung und eine Erklärung über die Zusammensetzung des für das Wahlgebiet zuständigen Vorstandes der den Wahlvorschlag einreichenden Organisation;
    6. den Nachweis über den Sitz der Verwaltung im Lande Bremen während der letzten zwei Jahre vor dem Wahltag.
    (6) bis (7) ...
Der von der Fraktion der SPD eingebrachte Gesetzentwurf (Bremische Bürgerschaft - Landtag - Drucks. 9/1083) enthielt keine Begründung. In der ersten Lesung wurde die Beschränkung des Wahlvorschlagsrechts auf Organisationen, die für das Arbeitsleben Bremens wesentliche Bedeutung haben, mit dem Ziel einer möglichst effektiven Arbeit der Arbeitnehmerkammern begründet. Die Mitglieder der Vollversammlung bedürften hierzu der laufenden Rückkoppelung und Unterstützung einer Vereinigung, die für das Arbeitsleben im Lande Bremen eine wesentliche Bedeutung habe. Zugleich werde so die politisch gewünschte und erforderliche Zusammenarbeit der Arbeitnehmerkammern mit diesen Organisationen gesichert. Demselben Zweck diene die Erhöhung des Unterschriftenquorums für Wahlvorschläge von 250 auf 500 Unterschriften, die beizubringen keiner Organisation mit wesentlicher Bedeutung schwerfallen werde (Abg. Weinkauf, Bremische Bürgerschaft - Landtag -, 9. Wp., 84. Sitzung vom 11. Juli 1979, Plenarprotokoll S. 5341). Änderungsanträge der Opposition, die unter anderem im Interesse des Minderheitenschutzes auf eine Beibehaltung des bisherigen Rechtszustandes zielten, blieben ohne Erfolg. Das Änderungsgesetz wurde in zweiter Lesung einstimmig beschlossen (Bremische Bürgerschaft - Landtag -, 9. Wp., 86. Sitzung vom 12. September 1979, Plenarprotokoll S. 5442).
II.
1. Kläger der Ausgangsverfahren ist der Christliche Gewerkschaftsbund Deutschlands - CGB -, die Spitzenorganisation der Christlichen Gewerkschaften in der Bundesrepublik. In dessen Einzelgewerkschaften waren 1981 bundesweit etwa 300 000 Arbeitnehmer organisiert. Er war in der seit 1976 aufgrund einer Friedenswahl amtierenden Vollversammlung der Arbeiterkammer mit drei (von damals insgesamt 18) Mitgliedern vertreten. Über sein Landeskartell Bremen reichte er fristgerecht zu der am 26. November 1981 durchzuführenden Wahl der Vollversammlung der Arbeiterkammer einen Wahlvorschlag ein, der von 507 wahlberechtigten Arbeitern unterzeichnet war. Zum Nachweis seiner Bedeutung für das bremische Arbeitsleben verwies er auf die Zahl von 1924 Mitgliedern im Lande Bremen und die Aktivitäten der Einzelgewerkschaften wie Betriebsgruppenarbeit, Mitarbeit in den Arbeitnehmerkammern, Mitgliederschulung, Tarifabschlüsse im norddeutschen Raum und Entsendung von Vertretern in die Organe der Sozialversicherungsträger.
Der Hauptwahlausschuß der Arbeiterkammer ließ den Wahlvorschlag nicht zu; der Nachweis der Mitgliederzahl, der wesentlichen gewerkschaftlichen oder berufs- und sozialpolitischen Aktivitäten und des Sitzes einer Verwaltung im Lande Bremen sei nicht erbracht worden. Die hiergegen eingelegte Beschwerde bei der Vollversammlung, ein Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz bei den Verwaltungsgerichten und eine Verfassungsbeschwerde blieben unter anderem im Hinblick auf die Möglichkeit der Wahlanfechtung ohne Erfolg.
An den am 26. November 1981 durchgeführten Wahlen zur Vollversammlung der Arbeiterkammer nahmen von 132 900 Wahlberechtigten 51 008 (38,4 vom Hundert) teil. Von den gültigen Stimmen entfielen auf den Wahlvorschlag des Deutschen Gewerkschaftsbundes 90,6 vom Hundert, auf den der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft 9,4 vom Hundert.
2. Die von dem Kläger eingelegten Einsprüche gegen die Gültigkeit der Wahl wies die Vollversammlung der Arbeiterkammer zurück.
Der Kläger erhob gegen die Zurückweisung des Wahlvorschlages Fortsetzungsfeststellungsklage und gegen die Abweisung der Wahleinsprüche Klage vor dem Verwaltungsgericht.
3. Dieses hat die Klageverfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob § 8 Abs. 1 ArbnKG insoweit mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, als Wahlvorschläge nur von solchen Organisationen eingereicht werden können, die für das Arbeitsleben im Lande Bremen wesentliche Bedeutung haben.
Diese Frage sei entscheidungserheblich. Bei Verfassungswidrigkeit des § 8 Abs. 1 ArbnKG in dem zur Prüfung gestellten Umfange hätte der Wahlvorschlag als gültig zugelassen werden müssen; der Wahlanfechtungsklage sei wegen Nichtberücksichtigung des dann gültigen Wahlvorschlages stattzugeben. Der Kläger sei ungeachtet seiner Gewerkschaftseigenschaft jedenfalls eine selbständige Vereinigung von Arbeitnehmern mit sozial- und berufspolitischer Zwecksetzung. Bis auf das Merkmal der wesentlichen Bedeutung für das Arbeitsleben im Lande Bremen seien alle Voraussetzungen eines gültigen Wahlvorschlages gegeben. Der Kläger habe insbesondere die in § 8 Abs. 2 ArbnKG, § 16 Abs. 5 Nr. 4 WahlO genannten Mindestvoraussetzungen erfüllt, indem er die für ihn wesentlichen Aktivitäten dargelegt habe.
Sei die zur Prüfung gestellte Regelung hingegen gültig, müßten die Klagen abgewiesen werden, weil der Kläger nicht seine wesentliche Bedeutung für das Arbeitsleben im Lande Bremen im Sinne des § 8 Abs. 1 letzter Halbsatz ArbnKG nachgewiesen habe. Die Vorschriften des § 8 Abs. 2 ArbnKG und des § 16 Abs. 5 Nr. 4 WahlO enthielten keine Legaldefinition oder gesetzliche Konkretisierung des in § 8 Abs. 1 ArbnKG verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffes. Um von einer wesentlichen Bedeutung für das Arbeitsleben im Lande Bremen ausgehen zu können, reiche die Erfüllung dieser Mindestvoraussetzungen nicht aus. Zumindest für das bremische Arbeitsleben habe der Kläger nicht die vom Gesetz geforderte wesentliche Bedeutung. Er sei nicht derart gewichtig und entscheidend, daß er für die Verwirklichung der gewerkschaftlichen oder sozial- und berufspolitischen Zwecksetzung essentiell bestimmend wäre und nicht hinweggedacht werden könnte. Er bilde keinen Schwerpunkt gewerkschaftlicher oder berufspolitischer Betätigung. Ihm fehlten auch offenkundig die erheblichen Gestaltungsmöglichkeiten, die eine wesentliche Bedeutung voraussetze. Dies bestätige ein Vergleich mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund und der Deutschen Angestellten- Gewerkschaft, die einen wesentlichen, bestimmenden Faktor im Wirtschafts- und Sozialleben bildeten.
Nach Auffassung des Gerichts ist § 8 Abs. 1 ArbnKG in dem zur Prüfung vorgelegten Umfange mit dem aus Art. 3 Abs. 1 GG abzuleitenden Grundsatz der Chancengleichheit unvereinbar. Dieser Grundsatz sei auch bei den Wahlen zu den Arbeitnehmerkammern zu berücksichtigen. Der Gesetzgeber habe sich für ein Verhältniswahlsystem mit unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl entschieden; damit habe er im Interesse des Minderheitenschutzes eine Einbuße an Geschlossenheit der Vollversammlung hingenommen. Dann aber dürfe er den Zugang zum Wahlvorgang nicht sachwidrig erschweren. Ein sachlich vertretbarer Grund für die Beschränkung des Wahlvorschlagsrechts auf Organisationen mit wesentlicher Bedeutung sei nicht ersichtlich. Einer Stimmenzersplitterung beuge das Unterschriftenquorum nach § 8 Abs. 3 ArbnKG hinreichend vor. Die Gefahr sei nicht groß, daß die Aufgabenerfüllung der Vollversammlung durch Zersplitterung ihrer Mitglieder in kleine Gruppen leiden könne. Der Aufgabenbereich der Kammer und ihrer Organe trage zudem zu einer Versachlichung der Arbeit bei. Um die Effektivität der Arbeit der Vollversammlungsmitglieder durch Unterstützung und Rückkoppelung zu einer Organisation zu sichern, sei es nicht erforderlich, Minderheiten bereits im Stadium der Zulassung zur Wahl auszuschließen. Als Voraussetzung für die Teilnahme an der Wahl dürfe der Gesetzgeber für den Nachweis einer gewissen Erfolgsaussicht über das Unterschriftenquorum hinaus jedenfalls nicht eine wesentliche Bedeutung der einen Wahlvorschlag einreichenden Organisation verlangen.
Eine einschränkende Auslegung des Begriffs der wesentlichen Bedeutung im Wege der verfassungskonformen Auslegung komme nicht in Betracht, da sie im Ergebnis zur Nichtbeachtung dieses im Wortlaut der Vorschrift enthaltenen Tatbestandsmerkmals führe.
III.
Zu dem Vorlagebeschluß haben sich die CDU-Fraktion der Bremischen Bürgerschaft, der Senat der Freien Hansestadt Bremen, der Staatsgerichtshof der Freien Hansestadt Bremen, der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts, der Deutsche Gewerkschaftsbund sowie die Beteiligten der Ausgangsverfahren geäußert.
1. Die CDU-Fraktion der Bremischen Bürgerschaft hat sich der Beurteilung des vorlegenden Gerichts angeschlossen. Sie hat darauf hingewiesen, das Stimmenergebnis für eine dem Kläger angehörende Einzelgewerkschaft bei der Wahl zur Angestelltenkammer von etwa 10 vom Hundert und für die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft bei der Wahl zur Arbeiterkammer lasse erkennen, daß das für den Kläger zu erwartende Wahlergebnis dessen Bedeutung bestätigt hätte.
2. Der Senat der Freien Hansestadt Bremen hält die Vorlage für unzulässig, jedenfalls für unbegründet.
Auf die Gültigkeit der zur Prüfung gestellten Norm komme es für die Entscheidung nicht an. Das Verwaltungsgericht habe den Nachweis der wesentlichen sozial- und berufspolitischen Aktivitäten im Sinne des § 16 Abs. 5 Nr. 4 WahlO als geführt angesehen; es hätte daher auch die wesentliche Bedeutung des Klägers im Sinne des § 8 Abs. 1 ArbnKG bejahen müssen. Der Begriff "wesentlich" habe in beiden Vorschriften bei der gebotenen systematischen Auslegung - entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts - denselben Bedeutungsgehalt. § 8 Abs. 2 ArbnKG konkretisiere den unbestimmten Rechtsbegriff der wesentlichen Bedeutung in § 8 Abs. 1 ArbnKG. Wegen des inneren Zusammenhangs sei auch § 8 Abs. 2 ArbnKG als zur verfassungsrechtlichen Prüfung vorgelegt anzusehen und der Vorlagebeschluß entsprechend auszulegen. Der Begriff "insbesondere" in § 8 Abs. 2 ArbnKG sei nicht so zu verstehen, daß über die dort genannten Voraussetzungen hinaus die vorschlagende Organisation eine "wesentliche" Bedeutung haben und nachweisen müsse. Er lasse nur die - hier nicht gegebene - Ausnahme zu, im Einzelfall das Vorliegen eines ungeschriebenen Tatbestandsmerkmals zu verlangen.
Jedenfalls seien die verfassungsrechtlichen Bedenken des vorlegenden Gerichts nicht begründet. Art. 3 Abs. 1 GG sei nicht verletzt. Die zum Wahlrecht zu politischen Wahlen entwickelten Wahlrechtsgrundsätze ließen Ausnahmen von den Grundsätzen der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl aus sachgerechten Gründen zu. Zweck und Aufgabe der Bildung der Arbeitnehmerkammern sei, vorhandene gesellschaftliche Kräfte in die staatliche Willensbildung einzubeziehen. Diesem Zweck diene § 8 Abs. 1 ArbnKG, wenn er noch nicht wirksam gewordene Organisationen vom Wahlvorschlagsrecht ausnehme. Hieran und an der vorgegebenen Konkretisierung durch § 8 Abs. 2 ArbnKG habe sich die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der "wesentlichen Bedeutung" zu orientieren. Die Leistungskraft oder Bedeutung des Deutschen Gewerkschaftsbundes oder der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft seien ohne Belang. Die Auslegung durch das vorlegende Gericht sei insoweit offenkundig unrichtig. Die Vorschrift sei in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise unter Berücksichtigung der Besonderheiten der sozialgeschichtlichen Entwicklung im Lande Bremen dahin zu verstehen, daß nur eine planmäßige und auf Dauer angelegte tatsächliche Umsetzung sozial- und berufspolitischer Vorstellungen nachzuweisen sei. Für Gewerkschaften begründe die Mitwirkung an einem Tarifabschluß mit Geltungswirkung für bremische Arbeitnehmer eine wesentliche Bedeutung. Für sonstige Vereinigungen seien unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung wahlvorschlagsberechtigter Organisationen vergleichbare Anforderungen zu stellen.
3. Der Staatsgerichtshof der Freien Hansestadt Bremen teilt in seiner Stellungnahme die verfassungsrechtlichen Bedenken des vorlegenden Gerichts. Er stellt dabei im wesentlichen auf die Pflichtmitgliedschaft aller Arbeitnehmer in den Arbeitnehmerkammern und das dem Verhältniswahlrecht innewohnende Prinzip des Minderheitenschutzes ab.
4. Der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts neigt in seiner Äußerung ebenfalls dazu, die Ausgestaltung des Wahlvorschlagsrechts zur Vollversammlung der Arbeiterkammer an den für politische Wahlen und Abstimmungen entwickelten Maßstäben zu messen. § 8 Abs. 1 ArbnKG sei mit diesen Grundsätzen wohl unvereinbar.
5. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hält die zur Prüfung gestellte Norm für verfassungsgemäß, sinnvoll und sachgerecht. Durch die Zulassung von Wahlvorschlägen selbständiger Vereinigungen mit sozial- und berufspolitischer Zwecksetzung enthalte § 8 Abs. 1 ArbnKG bereits eine günstige Regelung für den Kläger, der keine Gewerkschaft sei. Die Vorschrift diene wie ein Unterschriftenquorum der Beschränkung des Wahlaktes auf ernsthafte Bewerber.
6. Der Kläger der Ausgangsverfahren ist im wesentlichen der Auffassung des vorlegenden Gerichts beigetreten. Auch er hält eine Erweiterung der Vorlagefrage auf § 8 Abs. 2 ArbnKG für erforderlich. Unrichtig sei allerdings die Annahme des Gerichts, er habe für das Arbeitsleben im Lande Bremen keine wesentliche Bedeutung. Konkrete Maßstäbe für die Beurteilung der wesentlichen Bedeutung habe das vorlegende Gericht nicht entwickelt.
7. Die in den Ausgangsverfahren beklagte Arbeiterkammer hält wegen ihrer im Schwerpunkt beratenden Funktion die für politische Wahlen und die Wahlen zu Organen der Körperschaften der Sozialversicherung entwickelten Grundsätze für das Wahlvorschlagsrecht nicht für anwendbar. § 8 Abs. 1 ArbnKG entspreche den Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes. Es werde im Interesse der Funktionsfähigkeit der Vollversammlung durch Vermeidung einer Aufsplitterung des Wählerwillens erreicht, daß nur solche Kandidaten aufgestellt würden, die der Unterstützung der vorschlagenden Organisation gewiß sein könnten.
 
B.
Die Vorlage ist zulässig.
1. Das Verwaltungsgericht hat in einer den Anforderungen des Art. 100 Abs. 1 GG, § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG genügenden Weise dargelegt, daß es für seine in den Ausgangsverfahren zu treffenden Entscheidungen auf die Gültigkeit des § 8 Abs. 1 ArbnKG ankommt, soweit er zur Prüfung gestellt ist. Die Entscheidungserheblichkeit entfällt nicht deshalb, weil das Gericht die wesentliche Bedeutung des Klägers der Ausgangsverfahren zu Unrecht verneint hätte. Zwar hat es die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 ArbnKG als erfüllt und den in § 16 Abs. 5 Nr. 4 WahlO geforderten Nachweis als geführt angesehen. Dies beruht jedoch erkennbar auf der Auffassung, daß nach § 16 Abs. 5 Nr. 4 WahlO anders als für den Begriff der wesentlichen Bedeutung in § 8 Abs. 1 ArbnKG lediglich der Nachweis der für die vorschlagende Organisation wesentlichen Aktivitäten zu führen ist und daß in § 8 Abs. 2 ArbnKG nur die Mindestvoraussetzungen geregelt sind, die für die Ausfüllung des weitergehenden Begriffs in § 8 Abs. 1 letzter Halbsatz ArbnKG gegeben sein müssen. Das vorlegende Gericht hat sich aus diesem Grund auch nicht in der Lage gesehen, seinen verfassungsrechtlichen Bedenken durch eine einschränkende verfassungskonforme Auslegung Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 48, 40 [47]). Die tatsächlichen und rechtlichen Darlegungen des Verwaltungsgerichts hierzu sind jedenfalls nicht offensichtlich unhaltbar. Dies genügt für die Zulässigkeit (vgl. BVerfGE 46, 268 [283]; 50, 142 [152]; 56, 128 [136]; 65, 237 [244]; 68, 155 [169]; st. Rspr.).
2. Die verfassungsgerichtliche Prüfung ist nicht auf § 8 Abs. 2 ArbnKG zu erstrecken. Für die in den Ausgangsverfahren zu treffenden Entscheidungen ist die Vorschrift nicht erheblich; nach der jedenfalls nicht offensichtlich unhaltbaren Ansicht des vorlegenden Gerichts erfüllt der Kläger die in dieser Vorschrift enthaltenen Mindestvoraussetzungen der Wahlvorschlagsberechtigung. Diese werden vom Gericht auch nicht beanstandet. Allerdings ist § 8 Abs. 2 ArbnKG für die Auslegung des § 8 Abs. 1 ArbnKG heranzuziehen; wäre § 8 Abs. 1 letzter Halbsatz ArbnKG mit der Verfassung unvereinbar, verlöre zunächst auch § 8 Abs. 2 ArbnKG seinen Sinn und könnte nicht mehr angewendet werden. Gleichwohl erscheint es auch im Blick auf die Befriedungsfunktion der Normenkontrollentscheidung (vgl. BVerfGE 44, 322 [338]; 62, 354 [364]) nicht geboten, die verfassungsrechtliche Prüfung auf die Verfassungsmäßigkeit der in § 8 Abs. 2 ArbnKG ausdrücklich genannten Voraussetzungen des Wahlvorschlagsrechts zu erstrecken. Soweit sich aus § 8 Abs. 1 über § 8 Abs. 2 ArbnKG hinausgehende Anforderungen an die wesentliche Bedeutung einer Organisation ergeben, sind diese abtrennbar und einer gesonderten verfassungsrechtlichen Beurteilung zugänglich.
 
C.
§ 8 Abs. 1 ArbnKG ist insoweit mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar und nichtig, als Wahlvorschläge nur von solchen Gewerkschaften, deren Dachorganisationen und selbständigen Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- und berufspolitischer Zwecksetzung eingereicht werden können, die für das Arbeitsleben im Lande Bremen wesentliche Bedeutung haben.
I.
1. Prüfungsmaßstab ist das aus Art. 3 Abs. 1 GG folgende Gebot der Chancengleichheit aller Wahlbewerber. Dieses Prinzip hängt aufs engste mit dem Grundsatz der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl zusammen, der seinerseits ein Anwendungsfall des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) ist (vgl. BVerfGE 24, 300 [340 f.]; 52, 63 [89] m.w.N.). Das Bundesverfassungsgericht hat die Anforderungen, die sich aus Art. 3 Abs. 1 GG für die Gestaltung des Wahlrechts bei allgemeinen politischen Wahlen ergeben, wiederholt konkretisiert; sie sind nicht auf den eigentlichen Wahlakt beschränkt, sondern beziehen sich auch auf die Wahlvorbereitungen, insbesondere das Wahlvorschlagsrecht (vgl. zusammenfassend BVerfGE 60, 162 [167 f.] m.w.N.). Bei allgemeinen politischen Wahlen gebietet der Grundsatz der Chancengleichheit, jeder Partei und jedem Wahlbewerber grundsätzlich die gleichen Möglichkeiten im Wahlkampf und im Wahlverfahren offenzuhalten (vgl. BVerfGE 47, 198 [226]; 52, 63 [89 f.]). Kennzeichnend für die Grundsätze der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl ist wegen ihres engen Zusammenhangs mit dem demokratischen Prinzip ihr formaler Charakter: Jeder soll sein aktives und passives Wahlrecht in formal möglichst gleicher Weise ausüben können (BVerfGE 60, 162 [167]).
Ebenso wie es heute die Parteien sind, welche die Aktivbürger für die Wahlen zu politischen Handlungseinheiten organisatorisch zusammenschließen, geschieht dies bei Wahlen im Arbeits- und Sozialbereich durch die Gewerkschaften und die Vereinigungen mit sozial- und berufspolitischer Zielsetzung. Die Vorlage gibt keinen Anlaß zur erschöpfenden Erörterung der Frage, inwieweit die in erster Linie für politische Wahlen und Abstimmungen entwickelten Grundsätze auf die Wahlen im Bereich des Arbeits- und Sozialwesens anzuwenden sind. Jedenfalls haben sie zu gelten, wenn der Gesetzgeber für alle Arbeitnehmer die Zwangsmitgliedschaft mit Beitragspflicht in einer Körperschaft des öffentlichen Rechts anordnet (vgl. BVerGE 38, 281 [310]) und die Mitglieder des Repräsentativorgans durch Urwahl aller Wahlberechtigten nach dem Verhältniswahlsystem zu ermitteln sind. Dann führt der Grundsatz der formalen Chancengleichheit zu einer Verengung der Gestaltungsfreiheit für den Gesetzgeber: Der Grundsatz der Chancengleichheit der Gewerkschaften und Vereinigungen mit sozial- und berufspolitischer Zielsetzung ist formal und strikt zu handhaben (vgl. BVerfGE 24, 300 [340 f.]; 52, 63 [89]). Dem Gesetzgeber ist jede Verschiedenbehandlung der Gewerkschaften und sozial- und berufspolitischen Vereinigungen verfassungskräftig versagt, die sich nicht ausnahmsweise durch einen besonderen zwingenden Grund rechtfertigen läßt (vgl. BVerfGE 24, 300 [341]; st. Rspr.).
2. Der Gesetzgeber hat für alle im Lande Bremen tätigen Arbeitnehmer die Zwangsmitgliedschaft mit Beitragspflicht in einer Körperschaft des öffentlichen Rechts angeordnet, um der Arbeitnehmerschaft als einer sozialen Gruppe eine neutrale, unpolitisch objektive Vertretung ihrer allgemeinen Interessen zu sichern (vgl. BVerfGE 38, 281 [310]); er hat sich weiter dafür entschieden, die Mitglieder der Vollversammlung grundsätzlich in geheimer und unmittelbarer Wahl und bei Vorliegen mehrerer Wahlvorschläge nach den Grundsätzen der Verhältniswahl ermitteln zu lassen. Damit hat er die Entscheidung über die Zusammensetzung der als Repräsentativorgan aller kammerangehörigen Arbeitnehmer ausgestalteten Vollversammlung und die Gewichtung der zu repräsentierenden Interessen grundsätzlich allein den Wahlberechtigten anvertraut. Nach welchem System der Gesetzgeber die Besetzung der Vollversammlung ordnen will, obliegt zwar, ebenso wie die Zweckmäßigkeit einer Regelung, grundsätzlich seiner Entscheidung (vgl. BVerfGE 59, 36 [49]; 61, 138 [149]); entscheidet er sich jedoch für eine Urwahl nach dem Verhältniswahlsystem, so unterwirft er sich damit grundsätzlich dem stärker formalisierten Gleichheitsgebot im Wahlrecht und den spezifischen Ausprägungen, welche die Wahlrechtsgleichheit unter dem Verhältniswahlsystem erfährt (vgl. BVerfGE 34, 81 [100]; 60, 162 [171]). Gründe für eine Durchbrechung des einmal gewählten Ordnungssystem müssen, um überzeugend zu sein, in ihrem Gewicht der Intensität der Abweichung von der zugrunde gelegten Ordnung entsprechen (vgl. BVerfGE 59, 36 [49] m.w.N.). Bei Zugrundelegung des Systems der Urwahl nach dem Verhältniswahlsystem dürfen dann Regelungen des Wahlvorschlagsrechts der Wählerentscheidung nur möglichst wenig vorgreifen (vgl. BVerfGE 60, 162 [168 f.] m.w.N.). Der Grundsatz der Chancengleichheit aller Wahlbewerber darf dabei nur durchbrochen werden, wenn sich dies durch einen besonderen, zwingenden Grund rechtfertigen läßt (vgl. BVerfGE 24, 300 [341]; 51, 222 [235]; 60, 162 [168] m.w.N.; st. Rspr.).
3. Der Grad der zulässigen Differenzierungen richtet sich auch bei Wahlen im Arbeits- und Sozialwesen nach der Struktur des jeweils in Frage stehenden Sachbereiches (vgl. BVerfGE 60, 162 [168] m.w.N.); er läßt sich nicht losgelöst vom Aufgabenkreis des zu wählenden Repräsentativorgans bestimmen (vgl. BVerfGE 51, 222 [235]). Das Ausmaß erlaubter Differenzierungen richtet sich weiter danach, auf welcher Stufe des Wahlverfahrens der Gesetzgeber mit welcher Intensität eingreift; so können etwa an den Nachweis der Ernsthaftigkeit von Wahlkampfbemühungen als Grundlage einer Wahlkampfkostenerstattung erheblich höhere Anforderungen gestellt werden als an diesen Nachweis bei Wahlvorschlägen (vgl. BVerfGE 24, 300 [342]; 41, 399 [422]). An einem verfassungsrechtlich legitimen Zweck orientierte Ausnahmeregelungen sind auch dann für nichtig zu erklären, wenn sie das Maß des zur Erreichung dieses Zweckes Erforderlichen überschreiten (vgl. BVerfGE 51, 222 [238] m.w.N.).
a) Auf dieser Grundlage hat das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung das Erfordernis einer bestimmten Unterschriftenzahl für Wahlvorschläge als sachlich gerechtfertigt angesehen, wenn und soweit es dazu dienen sollte, den Wahlakt auf ernsthafte Bewerber zu beschränken, dadurch das Stimmgewicht der einzelnen Wählerstimmen zu sichern und so indirekt der Gefahr der Stimmenzersplitterung vorzubeugen (vgl. BVerfGE 60, 162 [168]). Dieses Erfordernis muß sich jedoch in einem engen Rahmen halten, um der Wählerentscheidung möglichst wenig vorzugreifen; die notwendige Unterschriftenzahl darf nicht so hoch sein, daß einem neuen Bewerber die Teilnahme an der Wahl praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird (BVerfGE, a.a.O.).
b) Zur Sicherung der Funktionsfähigkeit des zu wählenden Vertretungsorgans und des Charakters der Wahl als eines Integrationsvorganges steht es dem Gesetzgeber weiter frei, in einem bestimmten Ausmaß bei der Verhältniswahl den Erfolgswert der Wählerstimmen zu differenzieren; in aller Regel ist dabei ein Quorum von 5 vom Hundert verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BVerfGE 51, 222 [237] m.w.N.; st. Rspr.). Aber auch unter diesem Blickwinkel ist es verfassungsrechtlich nicht uneingeschränkt erlaubt, schon im Vorfeld der Wahl kleinere Gruppierungen entscheidend zu benachteiligen (vgl. BVerfGE 41, 399 [421]). Es liegt in der Natur des Systems der Verhältniswahl, daß es das Aufkommen kleinerer Gruppierungen begünstigt; der in ihm verankerte Minderheitenschutz ist darauf angelegt, ein Vertretungsorgan zu schaffen, in dem der Sitzanteil in möglichst genauer Übereinstimmung mit dem Stimmenanteil der verschiedenen berufsständischen und gewerkschaftlichen Organisationen sowie der von ihnen vertretenen berufs- und sozialpolitischen Auffassungen steht (vgl. BVerfGE 60, 162 [171]). Dies schließt eine Einbuße an Geschlossenheit des Vertretungsorgans im Interesse einer Repräsentanz auch kleinerer Minderheiten ein.
c) Der Gesetzgeber kann schließlich das Wahlvorschlagsrecht mit dem Ziel regeln, Irreführungen der Wähler (etwa durch den Namen eines Wahlbewerbers), welche die Chancengleichheit bei den Wahlen beeinträchtigen oder gefährden können, in angemessener Weise zu verhindern (vgl. BVerfGE 30, 227 [245 f.]).
II.
Nach diesen Grundsätzen ist die Beschränkung des Wahlvorschlagsrechts auf Gewerkschaften und sonstige Vereinigungen von Arbeitnehmern, die wesentliche Bedeutung für das Arbeitsleben im Lande Bremen haben, durch keinen zwingenden Grund gerechtfertigt.
1. Das Erfordernis der "wesentlichen Bedeutung für das Arbeitsleben im Lande Bremen" geht über das notwendige und damit zulässige Maß hinaus, insoweit es darauf zielt, nicht ernsthafte oder von vornherein aussichtslose Wahlvorschläge auszuscheiden und schon bei der Wahl einer Zersplitterung der Stimmen sowie der Bildung von wahlteilnahmeberechtigten Kleinstorganisationen vorzubeugen. Diesem berechtigten Anliegen hat der Gesetzgeber bereits durch das in § 8 Abs. 3 ArbnKG geforderte Unterschriftenquorum für die Einreichung von Wahlvorschlägen Rechnung getragen. Das Quorum begründet regelmäßig die Vermutung, daß hinter dem Wahlvorschlag eine ernst zu nehmende Gruppe steht (vgl. BVerfGE 41, 399 [421] m.w.N.). Aus der bisherigen Zusammensetzung der Vollversammlung, ihren Aufgaben oder der besonderen geschichtlichen und sozialpolitischen Entwicklung und Stellung der Arbeiterkammer ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, daß das in § 8 Abs. 3 ArbnKG festgesetzte Quorum von 500 Unterschriften nicht genügte, um nicht ernsthafte oder von vornherein aussichtslose Wahlvorschläge auszuscheiden. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, daß ein Wahlberechtigter regelmäßig nur solche Wahlvorschläge mit seiner Unterschrift unterstützen wird, bei denen er für den Fall des Erfolges eine ernsthafte und dauerhafte Interessenvertretung gewährleistet sieht. Ein Vergleich mit den für Kreiswahlvorschläge bei den Wahlen zum Deutschen Bundestag (§ 20 Abs. 3 BWahlG: 200), den für Wahlvorschläge bei den Wahlen zur Bremer Bürgerschaft (§ 18 Abs. 2 Satz 1 Brem WahlG: 1983 Bremen etwa 420; Bremerhaven etwa 100) sowie den für Vorschlagslisten bei den Sozialversicherungswahlen (§ 48 Abs. 2 SGB IV: von 5 bei bis zu 150 Versicherten bis zu 2000 bei mehr als 3 Mill. Versicherten) geforderten Unterschriftenquoren spricht ebenfalls dagegen, daß durch das Quorum des § 8 Abs. 3 ArbnKG aussichtslosen oder nicht ernsthaften Wahlvorschlägen nicht hinreichend vorgebeugt wäre.
2. Die Regelung des § 8 Abs. 1 ArbnKG wird auch nicht durch die Erwägung gerechtfertigt, eine ernsthafte, dauerhafte und wirkungsvolle Vertretung der Interessen der Arbeitnehmerschaft sei nur durch die Vertreter solcher Organisationen gewährleistet, die nach ihrer Struktur und ihrem tatsächlichen Erscheinungsbild zur sachgerechten Unterstützung der auf ihren Vorschlag hin gewählten Organmitglieder in der Lage seien. Dieser Gesichtspunkt hängt aufs engste mit dem möglichen Anliegen zusammen, Vereinigungen ohne Sachprogramm und ohne Interesse an sachlicher Arbeit in den Organen der Arbeitnehmerkammern von den Wahlen auszuschließen oder die Wähler vor Irreführungen über die Leistungskraft der hinter einem Wahlvorschlag stehenden Organisation zu schützen.
a) Von diesem Blickpunkt aus ist es grundsätzlich verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, ein organisationsgebundenes Wahlvorschlagsrecht von der Erfüllung bestimmter äußerer, formaler Mindestvoraussetzungen einer ernst- und dauerhaften Organisationstätigkeit abhängig zu machen. Auf dieser Ebene liegen die in § 8 Abs. 2 ArbnKG geregelten Mindestanforderungen an eine wahlvorschlagsberechtigte Organisation, die hier nicht einer verfassungsrechtlichen Überprüfung zu unterziehen sind. Im vorliegenden Fall geht es allein um die Frage, ob es sich rechtfertigen läßt, das organisationsgebundene Wahlvorschlagsrecht darüber hinaus von der Bedeutung einer Vereinigung, also dem Nachweis erfolgreicher Bemühungen um die Gestaltung des Arbeitslebens im Lande Bremen, abhängig zu machen. Das ist zu verneinen.
Eine an die sozial- und berufspolitische Bedeutung einer Vereinigung anknüpfende Differenzierung des Wahlvorschlagsrechts verstößt jedenfalls bei einer Urwahl nach dem Verhältniswahlsystem gegen das formale Prinzip der Chancengleichheit der Wahlbewerber. Sie greift der Wählerentscheidung unverhältnismäßig vor. Sie verstärkt die tatsächliche, vom Staat vorgefundene unterschiedliche Wettbewerbslage, die sich aus der unterschiedlichen Größe und Leistungsfähigkeit der Vereinigungen mit sozial- und berufspolitischer Zielsetzung ergibt. Kleineren, nach personellem, ideellem oder materiellem Potential weniger bedeutenden oder unbedeutenden Vereinigungen wird die Chance genommen, anläßlich der Kammerwahl auf sich und ihre Ziele aufmerksam zu machen, für sie zu werben und - durch entsprechende Wahlerfolge - ihre Bedeutung und Durchsetzungsmacht zu stärken. Die Wahlberechtigten haben keine Möglichkeit, der ihnen bei einer Urwahl im Grundsatz übertragenen Aufgabe der Gewichtung der zu repräsentierenden Interessen durch ihre Wahlentscheidung Ausdruck zu verleihen, wenn kleineren Organisationen und den von ihnen vertretenen Interessen bereits die Teilnahme an der Wahl selbst versagt wird. Das Wahlergebnis, zu dem jeder Wahlberechtigte beigetragen hat, liefert auch bei Wahlen im Bereich des Arbeits- und Soziallebens einen zuverlässigen Maßstab für die Bedeutung einer sozial- und berufspolitischen Vereinigung (vgl. BVerfGE 24, 300 [344]).
b) Die Verengung des organisationsgebundenen Wahlvorschlagsrechts berührt zudem das grundsätzlich freie Wahlvorschlagsrecht für die Wahlberechtigten als Bestandteil der Wahlfreiheit (vgl. BVerfGE 41, 399 [417]). Bei der Beurteilung der beanstandeten Vorschrift sind weiter die Wirkungen der hier nicht zur verfassungsrechtlichen Prüfung gestellten Regelungen über die Friedenswahl (§ 9 Abs. 2 ArbnKG) und der Umstand von Bedeutung, daß einzelne Wahlberechtigte oder Gruppen von Wahlberechtigten keine Wahlvorschläge einreichen können. Nach § 9 Abs. 2 ArbnKG entfällt die Wahlhandlung, wenn nur ein Wahlvorschlag eingereicht wird oder mit allen eingereichten Wahlvorschlägen nur so viele Bewerber vorgeschlagen werden, wie Mitglieder der Vollversammlung zu wählen sind. Die für das bremische Arbeitsleben wesentlichen Arbeitnehmervereinigungen haben es also in der Hand, durch eine abgestimmte Ausübung des Wahlvorschlagsrechts nach Einigung über die Sitzverteilung im Vorfeld der Wahl eine Bestimmung der Vollversammlungsmitglieder durch Urwahl der Kammerangehörigen auszuschließen. Kleinere Vereinigungen oder organisatorisch ungebundene Kammerangehörige haben nach der derzeitigen Gestaltung des Wahlrechts zu den Vollversammlungen rechtlich überhaupt keine Möglichkeit, durch eigene Wahlvorschläge eine Wahlhandlung zu erzwingen. Sie können sich auch nicht durch Unterstützung freier Listen oder von Wahlvorschlägen von Einzelbewerbern mittelbar um einen Sitz in der Vollversammlung bemühen. Neuen Bewerbern wird die Teilnahme an der Wahl somit nicht nur durch die an die Bedeutung einer Organisation anknüpfenden Anforderungen an das organisationsgebundene Wahlvorschlagsrecht übermäßig erschwert. Ihnen ist auch der Ausweg über die Kandidatur als Einzelbewerber versperrt. Im Hinblick darauf ist es von Verfassungs wegen jedenfalls geboten, die Anforderungen an das organisationsgebundene Wahlvorschlagsrecht so auszugestalten, daß die Gründung einer wahlvorschlagsberechtigten Organisation auch von einer kleinen Anzahl von Wahlberechtigten relativ einfach ins Werk zu setzen ist. Über formale Mindestanforderungen an eine Vereinigung hinausgehende, an deren tatsächliche Bedeutung anknüpfende Anforderungen an das Wahlvorschlagsrecht sind hiermit unvereinbar. Ebensowenig sind sie zur Vermeidung einer Irreführung der Wähler zwingend geboten.
3. Der Aufgabenkreis der Vollversammlung oder das Ziel, ihre Funktionsfähigkeit zu sichern, reichen ebenfalls nicht aus, um die Ungleichbehandlung zu rechtfertigen.
a) Die möglichen Auswirkungen des Verhältniswahlsystems auf die Handlungs- und Funktionsfähigkeit der Vollversammlungen lassen zwar eine begrenzte Durchbrechung des Gebotes des grundsätzlich gleichen Erfolgswertes aller Wählerstimmen durch eine Sperrklausel zu (vgl. BVerfGE 51, 222 [236 f.]); unter diesem Gesichtspunkt ist jedoch ein zwingender Grund für eine Differenzierung bereits beim Vorschlagsrecht nicht anzuerkennen. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 ArbnKG sind zudem nur 21 Mitglieder der Vollversammlung durch Urwahl zu ermitteln. Rechnerisch ergibt sich hieraus eine Sperrwirkung, die bei etwa 4,5 vom Hundert der abgegebenen Stimmen liegt. Dieses Quorum entspricht nahezu dem Quorum von 5 vom Hundert, das in aller Regel verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, wenn und soweit sich ein Gesetzgeber dazu entschließt, die Funktionsfähigkeit der zu wählenden Vertretung durch eine Sperrklausel zu sichern (vgl. BVerfGE 51, 222 [237]; st. Rspr.). Besondere Gründe, die zum Ausschluß von Splittergruppen eine Erhöhung des Quorums über 5 vom Hundert hinaus oder weitergehende Einschränkungen bereits im Vorfeld der Wahl zu rechtfertigen vermögen, sind hier nicht erkennbar.
b) Aus den Zwecken und Aufgaben der Arbeitnehmerkammern und der Vollversammlung ergeben sich ebenfalls keine Besonderheiten. Entgegen der Auffassung des Bremer Senats rechtfertigt der Zweck der Arbeitnehmerkammern, vorhandene gesellschaftliche Kräfte in die staatliche Willensbildung einzubeziehen, keine Beschränkung des Wahlvorschlagsrechts auf bereits wirksam gewordene Vereinigungen von wesentlicher Bedeutung. Die Arbeitnehmerkammern sind keine Zusammenschlüsse der vorhandenen gesellschaftlich relevanten Arbeitnehmervereinigungen oder ihrer Mitglieder; sie erfassen als Zwangsmitglieder alle, auch nicht organisierte oder in kleinen Vereinigungen organisierte Arbeitnehmer. Durch das Wahlrecht zu der Vollversammlung ist allen Arbeitnehmern der gleiche Einfluß auf die Willensbildung in den Kammerorganen eingeräumt wie den in Vereinigungen von wesentlicher Bedeutung zusammengeschlossenen Arbeitnehmern. Der Arbeitnehmerschaft im ganzen, als einer sozialen Gruppe, soll nach der Konzeption des Gesetzgebers eine neutrale, objektive Vertretung ihrer allgemeinen Interessen gesichert werden; die Gegensätze, die etwa zwischen einzelnen Gewerkschaften aus der besonderen Sicht ihrer Wirtschaftszweige oder Berufsgruppen bestehen können, sollen von vornherein ausgeschaltet bleiben (vgl. BVerfGE 38, 281 [308, 310]). Dies schließt es aus, die Arbeitnehmerkammern von vornherein auf die Zusammenarbeit nur mit den für das Arbeitsleben im Lande Bremen wesentlichen Arbeitnehmervereinigungen, insbesondere den Gewerkschaften, festzulegen; jedenfalls besteht kein zwingender Grund, diese Zusammenarbeit durch Regelungen des Wahlvorschlagsrecht für das Repräsentativorgan aller Kammerangehörigen, also auch der in kleineren Vereinigungen organisierten und der nichtorganisierten Arbeitnehmer, personell zu sichern.
c) Die Kammerarbeit ist nach der Konzeption des Gesetzgebers immer auf das Ganze von Staat und Gesellschaft bezogen, nicht auf einen sozialen Gegenspieler; der besondere Wert der in Wahrnehmung der vorrangig beratenden und aufklärenden Aufgaben der Kammern abgegebenen Stellungnahmen, Gutachten und Berichte liegt darin, daß sie sich auf das Votum von Organen stützen können, in denen mutmaßlich die Anschauungen aller Arbeitnehmer zu Wort gekommen und gegeneinander abgewogen worden sind (vgl. BVerfGE 38, 281 [308, 310]). Gerade die Arbeit der Vollversammlung beruht so auf dem Pluralismus der in ihr vertretenen Interessen und Sichtweisen der aufzugreifenden wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Belange der Arbeitnehmer. Die Notwendigkeit, den unbefangenen gleichmäßigen Überblick über die Bedürfnisse aller Arbeitnehmerschichten zu sichern, steht hiernach Regelungen des Wahlvorschlagsrechts eher entgegen, die von vornherein zu den Organen der Arbeitnehmerkammern nur Wahlvorschläge solcher Organisationen zulassen, die ohnehin für das Arbeitsleben von wesentlicher Bedeutung sind. Eine zwingende Notwendigkeit für eine Einschränkung ist um so weniger anzuerkennen, als das Votum der für das Arbeitsleben wesentlichen Organisationen in der Öffentlichkeit und auch bei den staatlichen Stellen, bei Legislative und Exekutive unabhängig von dem der Organe der Arbeitnehmerkammern erhebliches Gewicht besitzt (vgl. BVerfGE 38, 281 [305]); auch bei den Organen der Arbeitnehmerkammern werden sie ohne Schwierigkeit Gehör finden. Der für die Erfüllung der beratenden und aufklärenden Aufgaben der Kammern notwendige Überblick über die Belange der Arbeitnehmer wird für die Mitglieder der Vollversammlung weiter durch die Tätigkeit der Ausschüsse (§§ 4 Nr. 4, 18 ArbnKG), die sachverständige Personen zuwählen können, und den fachlich gegliederten Stab hauptamtlicher Mitarbeiter erleichtert (vgl. hierzu Franke, RdA 1971, S. 200 [201 f.]). Hierdurch ist eine abgewogene und umfassende Beurteilung der für eine wirksame Bewältigung der gestellten Aufgaben einzustellenden Belange der Arbeitnehmerschaft durch die Vollversammlung hinreichend gesichert. Vorkehrungen, die darauf abzielen, bereits die Wahlteilnahme von Vorschlägen kleinerer, möglicherweise weniger am Gesamtwohl aller Arbeitnehmer denn an der Vertretung punktueller Interessen orientierter Vereinigungen zu unterbinden, sind aus diesem Blickwinkel ebenfalls sachlich nicht gerechtfertigt.
d) Aufgaben der selbständigen Rechtsetzung zur sinnvollen Ordnung des Arbeitslebens stehen den Arbeitnehmerkammern nicht zu. Sie können weder Tarifverträge abschließen noch auf den Inhalt solcher Verträge Einfluß nehmen; ihnen obliegen keine rechtsgestaltenden Aufgaben im Bereich der Personal- und Betriebsvertretungen. Es sind daher auch keine Regelungen des Wahlvorschlagsrechts zwingend notwendig, die darauf zielen, daß die Arbeitnehmerkammern den in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 58, 233 [248 f.]) für die Tariffähigkeit von Gewerkschaften entwickelten Anforderungen an die Durchsetzungsfähigkeit und soziale Mächtigkeit entsprechen.
4. Schließlich ergeben sich aus den zahlreichen Regelungen über Vorschlags-, Anhörungs- oder Beteiligungsrechte im Bereich des Arbeits- und Sozialrechts, die an die tatsächliche Mächtigkeit einer Arbeitnehmervereinigung, ihre Gewerkschaftseigenschaft oder ihre Bedeutung anknüpfen (vgl. etwa §§ 14 Abs. 5, 20 Abs. 1 ArbGG, § 14 Abs. 2 SGG oder § 195 Abs. 1 AFG), keine Anhaltspunkte, die eine Beschränkung des Wahlvorschlagsrechts auf Vereinigungen von wesentlicher Bedeutung rechtfertigen. Diese Regelungen betreffen die politisch erwünschte Einbindung der Arbeitnehmerschaft in den staatlichen oder privaten Bereich zur Ordnung des Wirtschafts- oder Soziallebens, bei denen die Vertreter der Arbeitnehmerinteressen nicht durch Urwahl der Arbeitnehmerschaft selbst ermittelt werden. Der Gestaltungs- und Beurteilungsraum des Gesetzgebers, durch welche Verbände er die einzubindenden Interessen wirksam vertreten sieht, ist hier nicht durch die engen Grenzen des formalisierten Grundsatzes der Wahlrechtsgleichheit beschränkt.
III.
Eine verfassungskonforme Auslegung des § 8 Abs. 1 letzter Halbsatz ArbnKG, mit der ein Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit vermieden werden könnte (vgl. BVerfGE 49, 148 [157]; 55, 159 [169]), ist nicht möglich. Die verfassungskonforme Auslegung findet ihre Grenzen dort, wo sie mit dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzes in Widerspruch treten würde (vgl. BVerfGE 18, 97 [111]); im Wege der Auslegung darf einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz nicht ein entgegengesetzter Sinn verliehen, der normative Gehalt der auszulegenden Norm nicht grundlegend neu bestimmt oder das gesetzgeberische Ziel nicht in einem wesentlichen Punkt verfehlt werden (vgl. BVerfGE 54, 277 [299 f.] m.w.N.). Diese Grenzen wären hier überschritten.
Mit dem Begriff der "wesentlichen Bedeutung für das Arbeitsleben im Lande Bremen" hat der Gesetzgeber zwar einen auslegungsfähigen und auslegungsbedürftigen unbestimmten Rechtsbegriff verwendet, der nicht unbedingt in einer undifferenzierten, weiten Weise verstanden zu werden braucht (vgl. BVerfGE 59, 360 [386]; 67, 70 [88]); es mag hiernach zweifelhaft erscheinen, ob die hohen, auch an den Vergleich zu der Bedeutung des Deutschen Gewerkschaftsbundes und der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft anknüpfenden Anforderungen des vorlegenden Gerichts an die wesentliche Bedeutung der nach einfachem Recht einzig möglichen, zwingend gebotenen Auslegung entsprechen; indes läßt der im Zusammenhang mit § 8 Abs. 2 ArbnKG auszulegende Gesetzeswortlaut des § 8 Abs. 1 ArbnKG keine einschränkende Auslegung zu, die gegenüber den Anforderungen Bestand haben könnte, die sich aus Art. 3 Abs. 1 GG an die Chancengleichheit der Wahlbewerber ergeben.
1. Bereits der Wortlaut des § 8 Abs. 1 letzter Halbsatz ArbnKG läßt nur die Auslegung zu, daß jedenfalls auch auf den tatsächlichen Erfolg der Bemühungen einer Vereinigung abzustellen ist. Gewerkschaften und Vereinigungen mit Bedeutung für das Arbeitsleben werden gegenüber solchen ohne Bedeutung abgegrenzt; das bloße Vorliegen einer sozial- und berufspolitischen Zwecksetzung kann hiernach für sich allein für die Wahlvorschlagsberechtigung nicht ausreichen. Eine noch weitergehende Beschränkung ergibt sich aus dem Erfordernis, daß diese Bedeutung "wesentlich" sein muß.
2. Die Möglichkeit einer verfassungskonform restriktiven Auslegung ergibt sich ferner nicht aus § 8 Abs. 2 ArbnKG. Nach Wortlaut und Sinngehalt dieser Bestimmung handelt es sich nicht um eine abschließende Legaldefinition des in Abs. 1 verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffs der "wesentlichen Bedeutung". Mit der Wendung "setzt insbesondere ... voraus" ist nur eine Auslegung vereinbar, nach der § 8 Abs. 2 ArbnKG lediglich die Mindestvoraussetzungen regelt, die in jedem Fall für die Anerkennung der "wesentlichen Bedeutung" im Sinne des § 8 Abs. 1 letzter Halbsatz ArbnKG erfüllt sein müssen. Sie läßt den Willen des Gesetzes erkennen, daß damit der Begriff in § 8 Abs. 1 letzter Halbsatz ArbnKG nicht abschließend ausgefüllt ist, sondern für das organisationsgebundene Wahlvorschlagsrecht weiter der Nachweis erfolgreicher Bemühungen gefordert wird. Eine etwaige entgegenstehende Absicht des Gesetzgebers hat jedenfalls im Wortlaut der Norm keinen "objektivierten" Niederschlag gefunden (vgl. BVerfGE 53, 135 [147] m.w.N.).
Die in § 8 Abs. 2 ArbnKG ausdrücklich genannten Kriterien haben zudem - bis auf das Merkmal der "Verwirklichung" der Zielsetzung - einen vernünftigen Sinn eher als Konkretisierung des Begriffs der selbständigen Vereinigung von Arbeitnehmern mit sozial- und berufspolitischer Zwecksetzung. Dies zeigt auch ein Vergleich mit den in § 2 Abs. 1 PartG für den Begriff der Partei und in § 48 a SGB IV für die bei Sozialversicherungswahlen vorschlagsberechtigten Arbeitnehmervereinigungen enthaltenen Anforderungen. Diese Regelungen beschränken sich auf die Festlegung von formalen, äußeren Voraussetzungen, die Vereinigungen erfüllen müssen, um die ihnen im jeweiligen Sachbereich übertragenen Aufgaben sachgerecht wahrnehmen zu können. Anforderungen an die Bedeutung der Vereinigung enthalten diese Vorschriften nicht. § 5 Abs. 1 Satz 2 PartG setzt sogar voraus, daß zwischen Parteien, die den Anforderungen des § 2 Abs. 1 PartG genügen, Unterschiede in der Bedeutung bestehen können (vgl. BVerfGE 24, 300 [345]).
Die Regelung des § 8 Abs. 2 ArbnKG wäre nur dann eine sinnvolle Konkretisierung des § 8 Abs. 1 letzter Halbsatz ArbnKG, wenn die "Verwirklichung der Zwecksetzung" eine erfolgreiche, im Arbeitsleben gestalterisch wirksame Durchsetzung der Ziele voraussetzte. In dieser Auslegung begegnete der Begriff allerdings den dargelegten verfassungsrechtlichen Bedenken. Bei einer möglichen und vorzuziehenden verfassungskonformen Interpretation, die planmäßige und auf Dauer angelegte Bemühungen für die Verwirklichung der Zielsetzung ausreichen läßt, enthält § 8 Abs. 2 ArbnKG auch insoweit keine Bestimmung des Begriffs der wesentlichen Bedeutung.
IV.
Nach allem ist § 8 Abs. 1 ArbnKG mit dem Grundgesetz unvereinbar, soweit Wahlvorschläge nur von solchen Gewerkschaften, deren Dachorganisationen und selbständigen Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- und berufspolitischer Zwecksetzung eingereicht werden dürfen, die für das Arbeitsleben im Lande Bremen wesentliche Bedeutung haben. Die Vorschrift ist nach § 82 Abs. 1 in Verbindung mit § 78 BVerfGG für nichtig zu erklären. Dem Gesetzgeber steht kein Gestaltungsraum zu, um diesen Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit der Wahlbewerber anderweitig zu beseitigen. Wegen der Nichtigkeit des § 8 Abs. 1 letzter Halbsatz ArbnKG verliert § 8 Abs. 2 seine Bedeutung; die dort genannten grundsätzlich zulässigen Voraussetzungen sind gegenstandslos, solange der Gesetzgeber nicht eine andere Regelung des organisationsgebundenen Wahlvorschlagsrechts trifft, welche die dargelegten, aus dem Gleichheitssatz folgenden Wahlgrundsätze beachtet.
Herzog Simon Hesse Katzenstein Niemeyer Heußner