BVerfGE 77, 1 - Neue Heimat |
1. Der Bundestag kann innerhalb seines Aufgabenbereichs Untersuchungsaufträge zur Aufklärung von Mißständen jedenfalls auch im Bereich solcher privater Unternehmen - einschließlich der mit ihnen eng, insbesondere konzernmäßig verbundenen - erteilen, die aufgrund "gemeinwirtschaftlicher" Zielsetzung ihrer Tätigkeit in erheblichem Umfang aus staatlichen Mitteln gefördert oder steuerlich begünstigt werden und besonderen rechtlichen Bindungen unterliegen; dies gilt jedenfalls insoweit, als hieran ein öffentliches Untersuchungsinteresse von hinreichendem Gewicht besteht. |
2. Untersuchungsausschüsse des Bundestages, deren Mitglieder von den Fraktionen im Verhältnis ihrer Stärke benannt werden, besitzen die erforderliche demokratische Legitimation für eine hoheitliche Tätigkeit nach außen. |
a) Untersuchungsausschüsse haben zur Erfüllung des ihnen vom Bundestag erteilten Auftrags die Befugnis, unter Beachtung der Grundrechte und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit Beschlagnahmen gegenüber Privaten bei dem zuständigen Gericht zu beantragen. |
b) Das Gericht hat sicherzustellen, daß beschlagnahmte Unterlagen, die ersichtlich grundrechtlich bedeutsame Daten enthalten, erst dann im Untersuchungsausschuß erörtert werden, wenn ihre Beweiserheblichkeit im einzelnen und die Frage der Zulässigkeit der Beweiserhebung im Blick auf ausreichende Geheimschutzmaßnahmen geprüft wurden. Die Herausgabe der beschlagnahmten Gegenstände unmittelbar an den Untersuchungsausschuß darf nur angeordnet werden, wenn aus grundrechtlicher Sicht hiergegen keine Bedenken bestehen, insbesondere wenn ihre potentielle Beweisbedeutung im Gesamten von vornherein feststeht und nach dem mutmaßlichen Inhalt Geheimschutzmaßnahmen voraussichtlich nicht erforderlich werden oder solche bereits in hinreichendem Umfang getroffen sind. |
Beschluß |
des Zweiten Senats vom 1. Oktober 1987 |
-- 2 BvR 1178, 1179, 1191/86 -- |
in den Verfahren über die Verfassungsbeschwerden 1. der Beteiligungsgesellschaft für Gemeinwirtschaft Aktiengesellschaft (BGAG), ... 2.a) des Deutschen Gewekschaftsbundes ... , b) der Industriegewekschaft Metall für die Bundesrepublik Deutschland ... , c) der Treuhandverwaltung IGMET GmbH ... ; 3. der Bank für Gemeinwirtschaft Aktiengesellschaft (BfG) ... gegen a) den Beschluß des Landgerichts Frankfurt a. M. vom 22. Oktober 1986 - 5/28 Qs 16/86 -, b) dem Beschluß des Amtsgerichts Frankfurt a.M. vom 29. September 1986 - 931 Gs 3417/86 -, c) den Beschluß des Landgerichts Frankfurt a.M. vom 31. Oktober 1986 - 5/28 Qs 19/86 - (nur Beschwerdeführer zu 2) und 3). |
Entscheidungsformel: |
1. Die Beschlüsse des Landgerichts Frankfurt a.M. vom 22. Oktober 1986 - 5/28 Qs 16/86 - und vom 31. Oktober 1986 - 5/28 Qs 19/86 - sowie der Beschluß des Amtsgerichts Frankfurt a.M. vom 29. September 1986 - 931 Gs 3417/86 - verletzen die Beschwerdeführerin zu 1) in ihren Grundrechten aus Artikel 2 Absatz 1 und Artikel 14 in Verbindung mit Artikel 19 Absatz 3 des Grundgesetzes, die Beschwerdeführer zu 2) und 3) in ihrem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 19 Absatz 3 des Grundgesetzes, soweit eine unbeschränkte Herausgabe der beschlagnahmten Aufsichtsratsprotokolle an den Untersuchungsausschuß angeordnet wurde und es damit zunächst allein diesem überlassen blieb zu entscheiden, welche der Unterlagen im einzelnen für den vom Landgericht als Grundlage der Beschlagnahme herangezogenen Teil des parlamentarischen Untersuchungsauftrags von Bedeutung sein können. Die Entscheidungen werden insoweit aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Frankfurt a.M. zurückverwiesen. |
Im übrigen werden die Verfassungsbeschwerden zurückgewiesen. |
2. Das Land Hessen hat den Beschwerdeführern die Hälfte der notwendigen Auslagen zu erstatten. |
Gründe: |
A. |
Gegenstand der zu gemeinsamer Entscheidung verbundenen Verfassungsbeschwerde-Verfahren ist die Frage, ob die vom Amtsgericht und Landgericht Frankfurt a.M. angeordnete und bestätigte Beschlagnahme von Aufsichtsratsprotokollen der Beschwerdeführerin zu 1) zugunsten des 3. Untersuchungsausschusses "NEUE HEIMAT" des 10. Deutschen Bundestages mit dem Grundgesetz, insbesondere mit Art. 44 Abs. 1 Satz 2 GG und mit den Grundrechten der Beschwerdeführer aus Art. 2 Abs. 1, 9 Abs. 3, 12 Abs. 1 und 14 Abs. 1 GG vereinbar ist.
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I. |
Der 10. Deutsche Bundestag setzte auf Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP (BTDrucks. 10/5575) am 5. Juni 1986 mit großer Mehrheit bei einer Enthaltung gemäß Art. 44 GG den 3. Untersuchungsausschuß "NEUE HEIMAT" ein (Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 10. Wp., 219. Sitzung, S. 16 964 D). Dieser hatte nach dem Untersuchungsauftrag u. a. zu klären, ob und inwieweit die Neue Heimat, Gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsgesellschaft mbH, Hamburg (Neue Heimat), und die Beschwerdeführerin zu 1) gegen Bundesrecht verstoßen haben, welche Schäden daraus entstanden sind und ob die "Eigentümer" der Neuen Heimat und der Beschwerdeführerin zu 1) sowie deren Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder auf die Bundesregierung oder den Bundestag Einfluß genommen haben mit dem Ziel, daß Bundesrecht in einer die Neue Heimat oder die Beschwerdeführerin zu 1) begünstigenden Weise geschaffen oder geändert wird. Wesentliche Teile des Untersuchungsauftrags zielten ferner auf Feststellungen darüber, welche Maßnahmen die "Eigentümer" der Neuen Heimat zur Wiedergutmachung eingetretener Schäden ergriffen haben, sowie auf die Erarbeitung einer Empfehlung an die Bundesregierung, ob und gegebenenfalls welche Schritte unternommen werden sollen, um schädliche Folgen des Verhaltens der Neuen Heimat für alle Betroffenen, insbesondere die Mieter und Arbeitnehmer der Neuen Heimat sowie die öffentlichen Haushalte, möglichst gering zu halten. Außerdem sollte geprüft werden, ob und welche Folgerungen sich für die Bundesgesetzgebung ergeben. Der Untersuchungsauftrag lautete im einzelnen wie folgt:
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"- I.-
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Gemäß Artikel 44 des Grundgesetzes wird ein aus elf Mitgliedern bestehender Untersuchungsausschuß "NEUE HEIMAT" eingesetzt.
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- II.-
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Der Untersuchungsausschuß soll klären,
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1. ob, ggf. in welchem Umfang und aus welchen Gründen gegen Bundesrecht, das den Wohnungsbau, den Städtebau, die Wohnungsgemeinnützigkeit, die Wohnungsbauförderung, den Schutz der Mieter, die Aufsicht über gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaften und Pflichten ihrer Organe sowie die der Prüfverbände einschließlich der Durchführungsvorschriften zu den vorgenannten Gesetzen regelt, oder gegen Sinn und Zweck der vorgenannten Gesetze durch
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a) - die Neue Heimat, Gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsgesellschaft mbH, Hamburg, (NEUE HEIMAT),
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- Unternehmen, an denen die NEUE HEIMAT unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist oder war,
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- Unternehmen, mit denen die NEUE HEIMAT in anderer Weise, z.B. personell, verbunden ist oder war, insbesondere die Neue Heimat Städtebau (bzw. ihre Nachfolger) einschließlich deren jetzige und frühere Beteiligungsunternehmen im In- und Ausland,
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- die BGAG Beteiligungsgesellschaft für Gemeinwirtschaft AG, Frankfurt am Main, sowie deren Beteiligungsgesellschaften, insbesondere die BGI, BG-Immobiliengesellschaft mbH,
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c) sowie Unternehmen, an denen die unter b) genannten Personen unmittelbar oder mittelbar beteiligt sind oder waren, verstoßen worden ist, Unklarheiten der vorgenannten Gesetze oder Gesetzeslücken ausgenutzt worden sind, warum dies möglich war und welche Folgerungen der Bundesgesetzgeber daraus ziehen sollte,
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2. ob Schäden durch Verstöße im Sinne von Nummer 1
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a) der Bundesrepublik Deutschland,
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b) den durch das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG) Begünstigten, vor allem den Mietern der NEUEN HEIMAT einschließlich ihrer unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligungen
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c) Dritten, ggf. in welcher Höhe entstanden sind, was ggf. mit entsprechenden Geldbeträgen geschehen ist und welche Folgerungen der Bundesgesetzgeber ziehen sollte,
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3. ob von den unter Nummer 1 genannten Unternehmen und ihren unmittelbaren oder mittelbaren Eigentümern Maßnahmen zur Aufklärung und Wiedergutmachung entstandener Schäden getroffen sind, ob diese Maßnahmen im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten geeignet und ausreichend sind und welche Folgerungen der Bundesgesetzgeber daraus ziehen sollte.
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- III.-
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Im Rahmen der unter II. gestellten Fragen soll auch geklärt werden,
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1. ob die Verbindung der NEUEN HEIMAT und ihrer unmittelbaren und mittelbaren Beteiligungen mit der nicht gemeinnützigen Neuen Heimat Städtebau und deren unmittelbaren und mittelbaren Beteiligungen Vermögensverschiebungen zwischen gemeinnützigen und nicht gemeinnützigen Unternehmen ermöglicht hat, z.B. dadurch, daß Verluste in gemeinnützige und Gewinne in nicht gemeinnützige Unternehmen verschoben wurden, etwa durch
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- Grundstücksankäufe und Grundstücksverkäufe zu nicht marktgerechten Preisen,
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- Beteiligungsankäufe und Grundstücksverkäufe zu nicht marktgerechten Preisen,
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- Provisionsvereinbarungen für fingierte oder sachlich nicht gerechtfertigte Geschäftsbesorgungen,
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- Nichtweitergabe von Rabatten,
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- Zahlung überhöhter Zinsen,
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- willkürliche Aufteilung von Verwaltungskosten, und ob dies einerseits zu einer erhöhten Kostenmiete und andererseits zu überhöhter Förderung durch die öffentliche Hand geführt hat,
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2. ob die NEUE HEIMAT oder eine ihrer unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligungen ihren Aufwand entgegen gesetzlicher Vorschriften wegen
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- unangemessen hoher Entschädigungen für Organmitglieder,
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- unangemessen hoher Personalkosten,
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- unangemessen hoher Repräsentationsaufwendungen,
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- unangemessen hoher Reisekosten,
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- unangemessen hoher Kosten für Geschäftsräume, so erhöht hat, daß zum Nachteil ihrer Mieter überhöhte Kostenmieten verlangt wurden,
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3. ob die NEUE HEIMAT und ihre unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligungen zu Lasten ihrer Mieter bei der Erbringung von Bau- oder Baubetreuungsleistungen besonderen Personenkreisen Sonderkonditionen gewährt haben,
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4. ob die NEUE HEIMAT oder eine ihrer unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligungen entgegen gesetzlicher Vorschriften Spenden in private oder politische Bereiche, z.B. Großspenden an die Friedrich-Ebert-Stiftung gegeben und damit die von den Mietern zu zahlenden Kostenmieten unzulässig erhöht hat,
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5. ob die von den Mietern der NEUEN HEIMAT und ihrer unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligungen zu zahlenden Kostenmieten und Mietnebenkosten unzulässig überhöht waren z.B. durch die Nichtweitergabe von Rabatten oder durch den Abschluß von Beratungs-, Vermittlungs- und Versorgungsverträgen mit nicht gemeinnützigen Unternehmen, obwohl die NEUE HEIMAT und ihre unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligungen diese Geschäfte selbst hätten wirtschaftlicher besorgen können,
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6. ob die Baukosten der von der NEUEN HEIMAT und ihrer unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligungen errichteten Objekte unzulässig überhöht wurden durch Verträge der unter Nummer 4 genannten Art, und ob aufgrund dieser überhöhten Baukosten unzulässig öffentliche Gelder in Anspruch genommen worden sind,
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7. ob die von Mietern der NEUEN HEIMAT und ihrer unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligungen gezahlten Instandhaltungspauschalen statt für die Instandsetzung der Wohnungen für andere und ggf. welche Zwecke verwendet wurden,
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8. in welcher Höhe bei der NEUEN HEIMAT und ihren unmittelbaren und mittelbaren Beteiligungen Verluste eingetreten sind, und ob diese Verluste entstanden sind durch
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- Vermögensverschiebungen in nicht gemeinnützige Bereiche,
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- persönliche Bereicherung von Organmitgliedern oder Leitenden Angestellten,
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- zu geringe Kapitalausstattung,
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- Beteiligungen in nicht gemeinnützigen Bereichen,
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- überhöhten Verwaltungsaufwand,
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- wirtschaftliche Fehleinschätzung,
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9. ob Verluste der NEUEN HEIMAT und ihrer unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligungen sich auf die Höhe der Kostenmiete und den Bestand und Zustand ihrer Wohnungen ausgewirkt haben und noch auswirken,
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11. ob bei der NEUEN HEIMAT und ihren mittelbaren und unmittelbaren Beteiligungen im Vorstand, in den Aufsichtsräten und als Leitende Angestellte auch Personen tätig waren und sind, bei denen Tatsachen vorlagen und vorliegen, die Zweifel an ihrer geschäftlichen Zuverlässigkeit rechtfertigen, weil sie z.B.:
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- als Organmitglied oder Leitender Angestellter in einem nicht gemeinnützigen Unternehmen, welches in Geschäftsverbindung zur NEUEN HEIMAT oder einer ihrer mittelbaren oder unmittelbaren Beteiligungen stand oder steht, tätig sind oder waren,
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- persönlich unmittelbar oder mittelbar an einem nicht gemeinnützigen Unternehmen, welches in Geschäftsverbindung zur NEUEN HEIMAT oder einer ihrer unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligungen stand oder steht, beteiligt sind oder waren,
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- infolge Ämterhäufung Zweifel daran aufkommen lassen, ob für die Bewältigung der bei den gemeinnützigen Unternehmen anstehenden Aufgaben genügend Zeit zur Verfügung steht oder stand.
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- IV.-
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Der Untersuchungsausschuß soll auch klären, ob unmittelbare oder mittelbare Eigentümer - einschließlich der mit ihnen organisatorisch in Verbindung stehenden natürlichen Personen - der unter II. genannten Unternehmen bzw. ihnen angehörende natürliche Personen, Vorstandsmitglieder oder Mitglieder von Aufsichtsgremien in der Zeit bis zur öffentlichen Erörterung des NEUE HEIMAT-Skandals auf dem DGB-Kongreß 1982 Einfluß genommen haben auf Mitglieder der Bundesregierung oder des Deutschen Bundestages mit dem Ziel, daß Bundesrecht in einer die oben genannten Gesellschaften begünstigenden oder ihnen genehmen Weise geschaffen, geändert oder aber Änderungen unterlassen wurden.
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- V.-
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Der Untersuchungsausschuß soll die unter II. bis IV. genannten Themen auch mit dem Ziel der Erarbeitung einer Empfehlung an die Bundesregierung klären, ob und ggf. welche Maßnahmen ergriffen werden sollten, um die Folgen des NEUE HEIMAT- Skandals für alle Betroffenen, insbesondere Mieter, Arbeitnehmer der Neuen-Heimat-Gesellschaften sowie die öffentlichen Haushalte möglichst gering zu halten. In diesem Zusammenhang ist auch zu klären, ob die mittelbaren und unmittelbaren Eigentümer der NEUEN HEIMAT und ihrer unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligungen in der Lage und bereit sind, die bei der NEUEN HEIMAT einschließlich ihrer unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligungen entstandenen Probleme auf ihre - der Eigentümer - Kosten und ohne öffentliche Unterstützung zu lösen bzw. weshalb dies nicht möglich ist oder weshalb die Bereitschaft dazu fehlt.
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- VI.-
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Dem Verfahren des Untersuchungsausschusses werden die sog. IPA-Regeln (Entwurf eines Gesetzes über Einsetzung und Verfahren von Untersuchungsausschüssen des Deutschen Bundestages
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- Drucksache V/4209) zugrunde gelegt, soweit sie geltendem Recht nicht widersprechen und wenn nach übereinstimmender Auffassung der Mitglieder des Untersuchungsausschusses keine sonstigen Bedenken dagegen bestehen.
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Die Ausschlußmitglieder und ihre Stellvertreter wurden gemäß § 54 Abs. 2 in Verbindung mit § 57 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (GeschOBT) von den Fraktionen im Verhältnis ihrer Stärke (§§ 12 Satz 1, 57 Abs. 1 GeschOBT) benannt. Eine - ausdrückliche - Bestätigung dieser Ausschußbesetzung durch den Bundestag erfolgte nicht (vgl. § 57 Abs. 3 GeschOBT)."
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II. |
Die Anteile der im Jahr 1974 gegründeten Beschwerdeführerin zu 1), einer Aktiengesellschaft, werden vom Beschwerdeführer zu 2a), dem Deutschen Gewerkschaftsbund (20,47%), von der Beschwerdeführerin zu 2c), der Treuhandverwaltung IGMET GmbH (24,97%) als der Vermögensverwaltungsgesellschaft der Beschwerdeführerin zu 2b), von der IG-Bergbau und Energie (19,4%) und von den 15 sonstigen im DGB zusammengefaßten Einzelgewerkschaften gehalten.
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Die Beschwerdeführerin zu 1) hielt zum Zeitpunkt der angegriffenen Entscheidungen 89,55% der Aktien der Beschwerdeführerin zu 3), der Bank für Gemeinwirtschaft (BfG); sie war dieser gegenüber herrschende Gesellschaft.
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III. |
1. Am 26. Juni 1986 beschloß der Untersuchungsausschuß, Beweis zu erheben durch Beiziehung u. a. aller Geschäfts-, Jahres- und Sozialberichte sowie aller Protokolle von Sitzungen der Aufsichtsräte der Neuen Heimat und der mit ihr verflochtenen Gesellschaften einschließlich der Beschwerdeführerin zu 1) (Beweisbeschluß 10-6, abgedruckt in BTDrucks. 10/6779, S. 342 ff., Nr. 6). Der dem Beweisbeschluß entsprechenden Anforderung von Unterlagen kam die Beschwerdeführerin zu 1) nicht nach. Sie erhob vielmehr am 1. August 1986 Klage vor dem Verwaltungsgericht Köln (4 K 3850/86) und stellte am 21. August 1986 bei demselben Gericht einen - letztlich auch in der Beschwerdeinstanz erfolglos gebliebenen - Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung gegen den Deutschen Bundestag, durch die die beabsichtigte Beweiserhebung verhindert werden sollte.
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2. Der Untersuchungsausschuß faßte daraufhin am 21. August 1986 folgenden Beschluß (Beweisbeschluß 10-48, abgedruckt in BTDrucks. 10/6779, Tz. 20 und S. 356 Nr. 48):
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1. die Beschlagnahme
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- je eines Exemplars aller Geschäfts-, Jahres- und Sozialberichte der BGAG Beteiligungsgesellschaft für Gemeinwirtschaft AG, Theaterplatz 2, 6000 Frankfurt a.M., seit deren Gründung im Jahre 1974
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und
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- der Protokolle der Sitzungen des Aufsichtsrates der BGAG seit deren Gründung im Jahre 1974;
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2. die anordnung der Durchsuchung der Geschäftsräume der BGAG, Theaterplatz 2, 6000 Frankfurt a.M., zum Zwecke der Beschlagnahme der vorbezeichneten Beweismittel.
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II. Der Ausschuß ermächtigt den Vorsitzenden
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- den Antrag auf Beschlagnahme,
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- erforderliche Anträge zur Durchsetzung der Beschlagnahme nach §§ 95 Abs. 2, 70 StPO und
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- den Antrag auf Durchsuchung der Geschäftsräume je nach Prozeßlage auch stufenweise bei dem zuständigen Amtsgericht zu stellen.
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III. Der Ausschuß nimmt zustimmend zur Kenntnis, daß die Vollstreckung der Beschlagnahme und die Durchführung der Durchsuchung dem Vorsitzenden obliegt, der hierbei die Amtshilfe der zuständigen Vollstreckungsbehörde in Anspruch nehmen wird."
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Der Ausschuß beschloß am selben Tag weiterhin (abgedruckt in BTDrucks. 10/6779, Tz. 20):
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"1. Der 3. Untersuchungsausschuß "NEUE HEIMAT" wird unter Beachtung der Grundrechte der BGAG aus Artikel 14 GG, Artikel 9 Abs. 3 GG sowie unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit die von der BGAG erlangten Urkunden nur in einer Weise verwenden, die die Grundrechtssphäre der BGAG schützt.
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- die die Neue Heimat, gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsgesellschaft mbH, Hamburg, direkt oder indirekt betreffen,
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- die Verstöße gegen das in Nr. II 1 des Einsetzungsbeschlusses bezeichnete Bundesrecht bedeuten können,
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- Schäden und Maßnahmen nach Nr. II 2 und 3 des Einsetzungsbeschlusses betreffen, oder
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- die für den in Nr. IV und V des Einsetzungsbeschlusses genannten Untersuchungsauftrag erheblich sind.
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3. Soweit sich aus den Urkunden Tatsachen im Sinne der vorstehenden Ziffer 2 ergeben, behält sich der 3. Untersuchungsausschuß die Entscheidung darüber vor, ob er diese in öffentlicher oder nichtöffentlicher Sitzung erörtert. Bei dieser Entscheidung ist für den 3. Untersuchungsausschuß § 172 GVG maßgebend.
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4. Soweit bei der Auswertung der Urkunden der BGAG Tatsachen bekannt werden, die andere als die vorstehend unter 2. bezeichneten Vorgänge betreffen, wird diese der 3. Untersuchungsausschuß "NEUE HEIMAT" nicht in öffentlicher Sitzung erörtern und nicht in seinem Schlußbericht verwenden. Protokolle, die solche Tatsachen enthalten, wird der Vorsitzende des 3. Untersuchungsausschusses "NEUE HEIMAT" entsprechend der zu § 17 der Geschäftsordnung der Deutschen Bundestages ergangenen Geheimschutzordnung als "VS-Nur für den Dienstgebrauch" einstufen."
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3. Entsprechend diesen Beschlüssen beantragte der Ausschuß beim Amtsgericht Frankfurt a.M. zuletzt die Beschlagnahme je eines Exemplars aller Jahres- und Sozialberichte und der Protokolle der Sitzungen des Aufsichtsrates der Beschwerdeführerin zu 1) seit 1974. Zur Begründung machte der Ausschuß im wesentlichen geltend:
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Die Vorlage der im Beschlagnahmeantrag bezeichneten Urkunden sei für die Erfüllung des Untersuchungsauftrags durch den Antragsteller unerläßlich. Die Beschwerdeführerin zu 1) sei zum einen an der (nichtgemeinnützigen) Neuen Heimat Städtebau GmbH, Hamburg, beteiligt, zum anderen zu 98 v.H. "Eigentümerin" der (gemeinnützigen) Neuen Heimat. Diese habe nach dem vom Parlamentarischen Untersuchungsausschuß der Freien und Hansestadt Hamburg "zur Überprüfung der Aufsichtstätigkeit der Behörden gegenüber der Geschäftstätigkeit der Unternehmensgruppe Neue Heimat" gefundenen Ergebnis (Drucks. 11/5900) seit Mitte der sechziger Jahre in zahlreichen Fällen Vorschriften des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes verletzt. Der Deutsche Bundestag habe die Beschwerdeführerin zu 1) in seinen Untersuchungsauftrag einbezogen, um zu ermitteln, ob die "Eigentümer" der Neuen Heimat an Rechtsverstößen beteiligt waren und sie gefördert oder gebilligt haben. Ein dringender Verdacht dafür ergebe sich aus den Feststellungen des Hamburger Untersuchungsausschusses. Die "eigentlichen Entscheidungsträger" für das Verhalten der Neuen Heimat und der Neuen Heimat Städtebau seien auch für denjenigen Zeitraum im Bereich der Beschwerdeführerin zu 1) zu suchen, zu dem diese formell noch nicht an der Neuen Heimat, wohl aber an der Neuen Heimat Städtebau beteiligt war.
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Die angeforderten Beweismittel, insbesondere die Aufsichtsratsprotokolle, seien geeignet, zur Aufhellung der wirtschaftlichen und personellen Einbindung der Unternehmensgruppe Neue Heimat in den Konzernverbund der Beschwerdeführerin zu 1) beizutragen, deren Lenkungs- und Leitungsfunktion näher zu belegen und aufzudecken, ob sie Rechtsverstöße der Neuen Heimat veranlaßt, gefördert und gebilligt hat. Die Kenntnis hiervon spiele auch eine wichtige Rolle für die nach Nr. V Abs. 2 des Untersuchungsauftrags aufzuklärende Frage der möglichen Haftung der "Eigentümer". Die Beschlagnahme sei im Hinblick hierauf auch verhältnismäßig. Soweit die Beschwerdeführerin zu 1) geltend mache, die Aufsichtsratsprotokolle bezögen sich auch auf Tatsachen, die nicht Gegenstand des Untersuchungsauftrags seien, habe der Antragsteller dem durch seinen Beschluß vom 21. August 1986 (vgl. oben 2) Rechnung getragen.
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Der Ausschuß sei nach Art. 44 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 GG befugt, die Beschlagnahme zur Vorbereitung der Beweisaufnahme beim zuständigen Gericht zu beantragen. Der Rechtsschutz der Beschwerdeführerin zu 1) werde nicht verkürzt. Sie könne ihre Rechte im Rahmen des Beschlagnahme- und gegebenenfalls Beschwerdeverfahrens (§§ 304, 305 Satz 2 StPO) geltend machen. Im übrigen habe der zuständige Amtsrichter von Amts wegen die Voraussetzungen der Beschlagnahme zu prüfen und die Rechte der Betroffenen zu berücksichtigen.
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4. Das Amtsgericht Frankfurt a.M. ordnete mit Beschluß vom 29. September 1986 die Beschlagnahme der Protokolle der Sitzungen des Aufsichtsrates der Beschwerdeführerin zu 1) seit dem Jahr 1974 an und wies den Antrag im übrigen zurück. Zur Begründung der Beschlagnahme führte das Gericht im wesentlichen aus:
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Der Untersuchungsausschuß müsse für den Fall, daß beweiserhebliche Urkunden nicht herausgegeben werden, das Recht haben, sich diese im Wege der Beschlagnahme (und erforderlichenfalls der Durchsuchung) zu verschaffen, um seinen verfassungsmäßigen Aufklärungsauftrag erfüllen zu können. Er dürfe aber die Beschlagnahme (und Durchsuchung) nicht selbst anordnen, sondern müsse sie beim zuständigen Gericht beantragen.
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Der Antragsteller werde im Rahmen eines zulässigen, der Vorbereitung einer gesetzlichen Regelung im Bereich des Wohnungsgemeinnützigkeitsrechts dienenden Untersuchungsauftrags tätig. Die Aufsichtsprotokolle der Beschwerdeführerin zu 1) kämen als Beweismittel zur Erfüllung des Untersuchungsauftrags und des dazu ergangenen Beweisbeschlusses in Betracht. Es sei aufgrund der beherrschenden Stellung der Beschwerdeführerin zu 1) als Finanz- und Konzernholding und der personellen und organisatorischen Verflechtung der Neuen Heimat und der Neuen Heimat Städtebau anzunehmen, daß die Beschwerdeführerin zu 1) nicht erst seit ihrer Beteiligung an der Neuen Heimat im Jahr 1983, sondern bereits in dem Zeitraum, in dem sie noch nicht an dieser, wohl aber an der Neuen Heimat Städtebau beteiligt war, maßgeblichen Einfluß auf die Neue Heimat genommen habe. Darüber hinaus sei nach den Umständen davon auszugehen, daß die Beschwerdeführerin zu 1) bereits seit ihrer Gründung im Jahr 1974 die Unternehmensgruppe Neue Heimat berührende Entscheidungen mitgetragen und mitbestimmt habe. Mitverantwortlichkeiten dieser Art dürften in den Aufsichtsratsprotokollen der Beschwerdeführerin zu 1) seit dem Jahr 1974 ihren Niederschlag gefunden haben. Die hiernach gegebene potentielle Beweisbedeutung der Protokolle reiche als Rechtfertigung der Beschlagnahme aus. Deren Anordnung sei auch verhältnismäßig. Dem Interesse der Beschwerdeführerin zu 1), die Offenbarung von Firmeninterna und Geschäftsgeheimnissen abzuwenden, sei gegenüber dem öffentlichen Aufklärungsinteresse kein Vorrang beizumessen.
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5. Das Landgericht Frankfurt a.M. änderte mit Beschluß vom 22. Oktober 1986 auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin zu 1), die im wesentlichen wie die vorliegende Verfassungsbeschwerde begründet war, den Beschluß des Amtsgerichts dahin ab, daß nur noch die Beschlagnahme der Protokolle der Sitzungen des Aufsichtsrates der Beschwerdeführerin zu 1) vom 30. Juni 1977 bis zum 1. Oktober 1986 angeordnet wurde. Der weitergehende Antrag des Untersuchungsausschusses sowie die weitergehende, auf Aufhebung der Beschlagnahme insgesamt gerichtete Beschwerde wurden zurückgewiesen. Das Gericht begründete die Entscheidung im wesentlichen wie folgt:
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a) Gegen die Zulässigkeit des Untersuchungsauftrags, die im Hinblick auf Art. 1 Abs. 3, Art. 2 Abs. 1 GG entgegen der Auffassung des Antragstellers der richterlichen Nachprüfung unterliege, bestünden keine Bedenken. Der Auftrag vereinige höchst unterschiedliche Fragestellungen, wobei jedenfalls die Zulässigkeit der in Nr. IV vorgesehenen Mißstandsenquete im Bereich der Regierung außer Streit stehe. Im Ergebnis bedürfe es keiner Entscheidung, ob, wie die Beschwerdeführerin zu 1) meine, eine - grundsätzlich zulässige - Gesetzesenquete nicht ernsthaft beabsichtigt und die des weiteren genannten Empfehlungsenquete unzulässig sei. Das eigentliche Ziel des Untersuchungsauftrags liege in der Aufklärung von Mißständen, deren Grund Verstöße des gemeinnützigen Wohnungsbauunternehmens "Neue Heimat" gegen bundesgesetzliche Regelungen sein sollten. Das Parlament als Repräsentant des Volkssouveräns und oberstes Organ der staatlichen Willensbildung könne Mißstands- oder Skandalenqueten auch dann durchführen, wenn sie nicht den genuin staatlichen Bereich von Regierung und Verwaltung beträfen, aber - wie hier - durch "Staatsbezug" öffentliche Interessen berührten. Die im Vordergrund des Untersuchungsauftrags stehenden Geschäfte der Neuen Heimat ließen sich nicht uneingeschränkt dem Bereich privatautonomer Wirtschaftssubjekte zuordnen. Denn die erforderliche staatliche Anerkennung eines gemeinnützigen Wohnungsbauunternehmens, die gesetzliche Verpflichtung zum gemeinnützigen Handeln und die damit verbundenen Steuerprivilegien höben ein solches Unternehmen aus dem Bereich privater wirtschaftlicher Betätigung heraus und begründeten den staatlichen Bezug seines Verhaltens. Die Tätigkeit des privaten Wirtschaftsunternehmens der Beschwerdeführerin zu 1) gerate lediglich als Annex zum primären Untersuchungsgegenstand Neue Heimat in den Untersuchungsauftrag.
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Kompetenzbedenken bestünden nicht. Das durch die bundesweite Tätigkeit der Neuen Heimat konstituierte "gesamtstaatliche Interesse" eröffne aus der "Natur der Sache" die Zuständigkeit des Bundestages für die angeordnete Untersuchung.
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b) Einem Untersuchungsausschuß des Bundestages stehe grundsätzlich das Recht zu, über den zuständigen Richter die Beschlagnahme von Sachen zu bewirken. Die Möglichkeit, auf Urkunden gegen den Willen des Verwahrers notfalls im Wege der Beschlagnahme zuzugreifen, sei ein unerläßliches Mittel der Sachverhaltserforschung. Eine gesetzliche Regelung der Beschlagnahme sei nicht erforderlich, weil sich deren Zulässigkeit unmittelbar aus Art. 44 Abs. 2 GG ergebe.
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c) Die Beschlagnahme könne allerdings nur auf Nr. II 1 und 2 (in Verbindung mit III) sowie Nr. IV des Untersuchungsauftrags gestützt werden. Insoweit gehe das öffentliche Interesse an der Aufklärung von Mißständen in einem gemeinnützigen Wohnungsbaukonzern der Wirkkraft der zweifellos beeinträchtigten Grundrechte der Beschwerdeführer zu 1) (Eigentumsrecht, Datenschutz) bei der erforderlichen Abwägung vor. Die Verantwortlichkeit der Beschwerdeführerin zu 1), die mit den beschlagnahmten Unterlagen aufgeklärt werden solle, bestehe nicht nur in dem Zeitraum, in dem diese Anteilseigentum an der Neuen Heimat hielt, sondern bereits ab ihrer Beteiligung an der Neuen Heimat Städtebau. Denn diese beiden Unternehmen seien unter einheitlicher Leitung gestanden und hätten einen Gleichordnungskonzern gebildet. Die Beschwerdeführerin zu 1) habe erstmals 1977/78 eine Beteiligungsquote von 49,9% am Stammkapital der Neuen Heimat Städtebau erworben, diese ihrerseits am 4. Dezember 1981 49,9% des Stammkapitals der Neuen Heimat. Die letztgenannten Anteile seien am 4. Dezember 1982 an die Beschwerdeführerin zu 1) veräußert worden, die ihre Beteiligung an der Neuen Heimat Anfang 1975 (richtig: 1985) auf 98% des Stammkapitals aufgestockt habe. Die Aufsichtsratsprotokolle würden die Geschäftspolitik der Neuen Heimat bzw. Neuen Heimat Städtebau widerspiegeln, die wiederum Aufschluß über eine mögliche Mitverantwortlichkeit der Beschwerdeführerin zu 1) geben könne. Nicht gerechtfertigt sei demgegenüber die Beschlagnahme von Aufsichtsratsprotokollen vor dem Zeitpunkt der erstmaligen Beteiligung an der Neuen Heimat Städtebau.
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Kein Recht auf Beschlagnahme ergebe sich aus Nr. II 3 und V des Untersuchungsauftrags. Denn die dort aufgeworfenen Fragen zielten auf die Beurteilung einer möglichen Haftung gegenüber dem Fiskus oder privaten Dritten sowie der Durchsetzbarkeit etwaiger Ansprüche. Die zwangsweise Beschaffung von Beweismitteln für zivilrechtliche Schadensersatzansprüche liege jedoch außerhalb der Aufgaben der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse. Damit sei auch den Bedenken der Beschwerdeführerin zu 1) Rechnung getragen, eine Beschlagnahme verletze über eine unbegrenzte Ausforschung des gewerkschaftseigenen Vermögens das Grundrecht aus Art. 9 Abs. 3 GG. Diese Einschränkung verhindere freilich nicht die aus anderen Gründen zulässige Beschlagnahme der gesamten Aufsichtsratskontrolle, begrenze "aber das Zugriffsrecht des Ausschusses nach der Auswertung der beschlagnahmten Papiere".
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Soweit die Beschwerdeführerin zu 1) darauf hinweise, daß die Aufsichtsratsprotokolle auch Informationen enthielten, die mit dem Untersuchungsgegenstand in keiner Beziehung stünden, könne dies nicht zur Unzulässigkeit der Beschlagnahme selbst führen. Der Antragsteller sei nicht in der Lage, genau zu bezeichnen, welche Protokolle sich mit der Neuen Heimat befassen. Eine Auswahl der relevanten Protokollteile durch die Einschaltung eines Richters im Vollstreckungsverfahren greife in die Kompetenz des Untersuchungsausschusses zur eigenständigen Beweiswürdigung ein und sei im übrigen nicht praktikabel. Insofern sei der Wirkkraft der Grundrechte der Beschwerdeführerin zu 1) sowie der Unternehmen, an denen sie beteiligt ist, dadurch Rechnung zu tragen, daß der Ausschuß die beschlagnahmten Protokolle bis zu deren Auswertung vertraulich behandeln müsse und über sie erst danach öffentlich verhandeln dürfe; hinsichtlich der Verschwiegenheit der Ausschußmitglieder sei der Geheimschutzordnung Geltung zu verschaffen. Protokolle, die den Untersuchungsgegenstand nicht berührten oder ihrem Inhalt nach nicht der Beschlagnahme unterlägen, seien der Beschwerdeführerin zu 1) unverzüglich wieder auszuhändigen. Daneben bleibe ihr Recht unberührt, die Aufhebung der Beschlagnahme bestimmter Protokolle bei Gericht zu beantragen. Daß die Einhaltung des Geheimnisschutzes durch Ausschußmitglieder praktisch nicht gewährleistet sei, habe die Beschwerdeführerin zu 1) konkret nicht nachgewiesen.
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6. a) Die Beschwerdeführer zu 2) und 3) erhoben gegen den Beschluß des Amtsgerichts vom 29. September 1986 ebenfalls Beschwerde, zu deren Begründung sie auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin zu 1) und auf die besondere Schutzwürdigkeit und -bedürftigkeit ihrer in den beschlagnahmten Aufsichtsratsprotokollen enthaltenen Daten verwiesen.
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b) Das Landgericht Frankfurt a.M. verwarf mit Beschluß vom 31. Oktober 1986 diese Beschwerden - ihre Zulässigkeit unterstellt - als unbegründet; es führte ergänzend zum Beschluß vom 22. Oktober 1986 im wesentlichen folgendes aus:
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Art. 9 Abs. 3 GG, der das Recht auf koalitionsmäßige Betätigung lediglich in seinem Kernbereich schütze, eröffne den Koalitionen keinen gesetzlich unbegrenzbaren Handlungsspielraum. Soweit hier der Schutzbereich dieses Grundrechts betroffen sein könnte, sei bereits aus tatsächlichen Gründen nicht nachvollziehbar, wie der Tarifgegner über die Protokolle Kenntnis von der finanziellen Situation der Gewerkschaften erhalten könne. Auch bestehe zwischen der Aufklärung eines in der Vergangenheit liegenden Tatbestands und einer Beeinträchtigung der jetzigen (finanziellen) Streikfähigkeit nur ein mittelbarer Zusammenhang. Das Zwangsmittel der Beschlagnahme dürfe im übrigen nicht verwandt werden, um Informationen über die (privat-autonome) Willensentschließung der "Eigentümer" der Neuen Heimat zur Schadenswiedergutmachung oder über deren Vermögenslage zu gewinnen. An der Aufklärung fiskalischer oder privater Ansprüche bzw. ihrer Durchsetzbarkeit bestehe kein die Anwendung von Zwangsmitteln legitimierendes überwiegendes öffentliches Interesse. Da der Antragsteller jedoch nicht wissen könne, welche Protokollteile für die die Beschlagnahme rechtfertigenden Untersuchungsgegenstände bedeutsam sind, unterlägen zunächst sämtliche Protokolle in dem angegebenen Zeitraum aufgrund ihrer potentiellen Beweiseignung dieser Maßnahme. Der Antragsteller sei jedoch verpflichtet, die Protokolle unverzüglich auszuwerten und sie bis dahin vertraulich zu behandeln; er dürfe über sie erst danach öffentlich verhandeln. Die Ausschußmitglieder seien hinsichtlich der Protokollteile, die Daten der Beschwerdeführer zu 2) und 3) enthalten, die den Untersuchungsauftrag nicht berühren oder ihrem Inhalt nach nicht der Beschlagnahme unterliegen, zur Verschwiegenheit zu verpflichten; dies habe der Antragsteller bereits verbindlich zugesichert. Die Verpflichtung zur Verschwiegenheit sei durch die Einstufung als "VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH" entsprechend der zu § 17 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestags ergangenen Geheimschutzordnung zudem strafbewehrt.
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IV. |
1. Die Beschwerdeführer haben gegen die Beschlüsse des Landgerichts Frankfurt a.M. vom 22. und 31. Oktober 1986, soweit diese den Beschwerden nicht abgeholfen haben, sowie gegen den diesen Entscheidungen zugrundeliegenden Beschluß des Amtsgerichts Frankfurt a.M. vom 29. September 1986 Verfassungsbeschwerde eingelegt. Sie haben die Verletzung von Art. 2, 9 Abs. 3, 12 Abs. 1 sowie Art. 14 Abs. 1 GG gerügt; sie beantragten die Aufhebung der angegriffenen Entscheidungen. Gleichzeitig begehrten sie, im Wege der einstweiligen Anordnung den Vollzug der angeordneten Beschlagnahme auszusetzen.
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Aufgrund mündlicher Verhandlung erließ das Bundesverfassungsgericht am 5. November 1986 eine einstweilige Anordnung (BVerfGE 74, 7), wonach vorläufig nur die Teile der beschlagnahmten Aufsichtsratsprotokolle an den Untersuchungsausschuß herauszugeben waren, die nach Maßgabe des Beschlusses des Landgerichts Frankfurt a.M. vom 22. Oktober 1986 in Verbindung mit dem Untersuchungsauftrag und dem Beweisbeschluß 10-6 beweiserheblich sein können. Die Aussonderung wurde dem im Ausgangsverfahren zuständigen Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Frankfurt a.M. übertragen. Außerdem wurden Geheimhaltungsmaßnahmen angeordnet. Der Ermittlungsrichter prüfte die ihm von der Beschwerdeführerin zu 1) übergebenen Aufsichtsratsprotokolle auf ihre Beweiserheblichkeit im Sinne dieses Urteils, fertigte von den als beweiserheblich erachteten Teilen je zwei Ablichtungen und übergab je eine dem Untersuchungsausschuß und der Beschwerdeführerin zu 1). Nach Beendigung der Durchsicht wurden die gesamten Originale an die Beschwerdeführerin zu 1) herausgegeben. Die dem Untersuchungsausschuß überlassenen Ablichtungen befinden sich noch in der Verfügungsgewalt des Deutschen Bundestages.
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2. Die Beschwerdeführer halten ihre Verfassungsbeschwerden auch nach Ablauf der Wahlperiode des 10. Deutschen Bundestages und nach Wegfall des 3. Untersuchungsausschusses "NEUE HEIMAT" für zulässig. Die Beschwerdeführerin zu 1) verfolgt ihren ursprünglichen Antrag weiter, die Beschwerdeführer zu 2) und 3) haben ihren Antrag im Blick auf die durch den Vollzug der einstweiligen Anordnung veränderte prozessuale Lage auf die Feststellung der Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Entscheidungen beschränkt.
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aa) Dem Untersuchungsausschuß habe die notwendige demokratische Legitimation gefehlt, weil seine Mitglieder nicht vom Deutschen Bundestag bestimmt, sondern von den Fraktionen benannt worden seien. Dieses Verfahren genüge ebensowenig wie das früher bei der Bestellung hauptamtlicher Stadträte in Schleswig- Holstein praktizierte (vgl. BVerfGE 38, 258) den Anforderungen des Grundgesetzes. Die Tätigkeit von Untersuchungsausschüssen sei aufgrund der diesen gegenüber Dritten zustehenden Befugnisse mit anderen Parlamentsausschüssen nicht vergleichbar.
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bb) Die Beschwerdeführerin zu 1) sei die juristische Person, in der die wirtschaftlichen Interessen der deutschen Gewerkschaften in ihrer Form als Einzelgewerkschaften und als Deutscher Gewerkschaftsbund konzentriert seien. Ihre Aufgabe sei es, das Beteiligungsvermögen der Gewerkschaften zu verwalten und die Zusammenarbeit zwischen den gemeinwirtschaftlichen Unternehmen zu fördern.
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Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG gewährleiste der Beschwerdeführerin zu 1) das Recht auf einen ungestörten und geheim bleibenden innerorganisatorischen Ablauf. Das Bundesverfassungsgericht habe die Übereinstimmung der angeordneten Beschlagnahme mit der verfassungsmäßigen Ordnung vollständig zu prüfen. Es gehe um die verfassungsrechtliche Befugnis eines Untersuchungsausschusses, die sich ausschließlich aus Art. 44 GG entwickeln lasse, da eine einfachgesetzliche Regelung der Grundlage und der Bedingungen des beanstandeten Eingriffs fehle.
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Der Untersuchungsauftrag sei als privatgerichtete Enquete unzulässig gewesen; er habe zumindest nicht die Ausübung von Zwangsrechten gegen private Dritte gerechtfertigt. Das parlamentarische Untersuchungsrecht habe seine Aufgabe darin, die ausführenden Behörden zu kontrollieren, nicht aber unmittelbar gesetzesunterworfene private Unternehmen. Einem "Skandal" komme insoweit ebensowenig kompetenzbegründende Wirkung zu wie der Gemeinnützigkeit eines in die Untersuchung einbezogenen Unternehmens. Erst recht fehle ein Staatsbezug bei der nicht gemeinnützigen Beschwerdeführerin zu 1). Auch die Erarbeitung von Grundlagen für die Gesetzgebung gebe nach Einführung der parlamentarischen Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland kein Untersuchungsrecht im Sinn des Art. 44 Abs. 1 GG mehr. Jedenfalls erlaube ein auf die Gesetzesvorbereitung beschränktes Untersuchungsziel den Einsatz von Zwangsmitteln gegen Private nicht. Dies gelte insbesondere für den bloßen Wunsch des Parlaments, gegenüber der Regierung eine unverbindliche Empfehlung auszusprechen. Im übrigen habe der Untersuchungsauftrag in wesentlichen Teilen gegen die bundesstaatliche Kompetenzverteilung verstoßen.
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Abgesehen davon, daß ein Beschlagnahmerecht Untersuchungsausschüssen des Bundestages schon wegen des Fehlens eines die Bedingungen und Schranken dieses Eingriffs näher bestimmenden Untersuchungsausschußgesetzes nicht zustehe, hätten die angegriffenen Entscheidungen die Wettbewerbsposition der Beschwerdeführerin zu 1) und ihr Recht auf Datenschutz im Übermaß beeinträchtigt. Die Beschlagnahme sämtlicher Aufsichtsratsprotokolle seit 30. Juni 1977 sei unverhältnismäßig gewesen, weil die Beschwerdeführerin zu 1) an der Neuen Heimat nur zeitweise, im wesentlichen nur mit einer Minderheitsbeteiligung und ohne Einfluß auf die Geschäftsführung beteiligt gewesen sei, während die Aufsichtsratsprotokolle notwendig den gesamten, eine große Geschäftsbank (auf deren Bankgeheimnis zu verweisen sei), einen großen Versicherungskonzern und eine Fülle anderer Unternehmen umfassenden Aufgabenbereich widerspiegelten und die wichtigsten Interna dieser Unternehmen enthielten. Zudem werde damit das wesentliche Vermögen der Deutschen Gewerkschaften und ihre Disposition über den Zeitraum von zwölf Jahren notwendigerweise offenbart. Vorliegend berührten sich die Schutzbereiche von Art. 2 Abs. 1 und Art. 9 Abs. 3 GG. Die rechtliche Verselbständigung des Gewerkschaftsvermögens ändere nicht dessen Funktion, die wirtschaftliche Basis für die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte und von der Verfassung gewollte Aktivität der Gewerkschaften zu sein. Die Beschwerdeführerin zu 1) könne eine Verletzung des Art. 9 Abs. 3 GG mittelbar über Art. 2 Abs. 1 GG rügen. Die Beschlagnahme sei schließlich auch deshalb unverhältnismäßig gewesen, weil das Landgericht die Untersuchungsaufträge aus Nr. II 3 und Nr. V des Einsetzungsbeschlusses als Grundlage ausgeschieden habe, dem Untersuchungsinteresse im übrigen aber gegenüber dem Schutzinteresse der Beschwerdeführer kein höheres Gewicht zukomme.
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Schließlich sei das Recht der Beschwerdeführerin zu 1) auf Geheimhaltung durch den Beschluß des Untersuchungsausschusses vom 21. August 1986 nicht hinreichend gewahrt worden. Es sei nicht ihre Sache gewesen, den konkreten Nachweis der Gefahr einer Verletzung der Geheimhaltung zu erbringen. Insoweit habe sich das Gericht die Entscheidungsfindung zu leicht gemacht.
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cc) Die Beschwerdeführerin zu 1) vertiefte ihr Vorbringen durch Vorlage von vier Rechtsgutachten:
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- Prof. Dr. Winfried Hassemer, Rechtsgutachten zu der Frage nach den Voraussetzungen und Grenzen strafprozessualer Zwangsmaßnahmen, insbesondere von Durchsuchung und Beschlagnahme, aufgrund Art. 44 II GG;
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- Verfahrensbevollmächtigter zu 1a),
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-- Rechtsgutachten zur Frage der Rechtsstellung der Beteiligungsgesellschaft für Gemeinwirtschaft AG und ihrer Organe bei einer Inanspruchnahme im Rahmen der Beweiserhebung durch den aufgrund des gemeinsamen Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und FDP vom 4. 6. 1986 (BT-Drucks. 10/5575) eingesetzten dritten Untersuchungsausschuß des Deutschen Bundestages "Neue Heimat";
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-- Rechtsgutachten zur Frage, ob eine beabsichtigte Empfehlung des Deutschen Bundestages an die Bundesregierung zulässiger Anlaß für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses im Sinne des Art. 44 GG und für die Ausübung strafprozessualen Zwanges gegenüber Privaten sein kann;
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-- Rechtsgutachten zur Frage der Zulässigkeit und der Begründetheit des am 25. 8. 1986 an das Amtsgericht Frankfurt gerichteten Antrages des 3. Untersuchungsausschusses "NEUE HEIMAT" auf richterliche Anordnung der Beschlagnahme je eines Exemplares aller Geschäfts-, Jahres- und Sozialberichte sowie der Protokolle der Sitzungen des Aufsichtsrates der BGAG seit dem Jahre 1974.
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b) Die Beschwerdeführer zu 2a) und b) rügen die Verletzung ihres Grundrechts aus Art. 9 Abs. 3 GG, die Beschwerdeführerin zu 2c) die Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG. Ihr Vortrag deckt sich in wesentlichen Punkten mit den Ausführungen der Beschwerdeführerin zu 1); ergänzend machen sie geltend:
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aa) Die Aufsichtsratsprotokolle der Beschwerdeführerin zu 1) enthielten nicht nur Informationen über die Verwaltung, Bewirtschaftung und Anlage des vorhandenen Gewerkschaftsvermögens, sondern gäben auch Auskunft über dessen Höhe, den Dispositionsspielraum der Einzelgewerkschaften und nicht zuletzt über den Zeitpunkt der Bereitstellung von Mitteln für einen Arbeitskampf und deren Umfang. Die Beschwerdeführerin zu 1) verwalte das Gewerkschaftsvermögen, d.h. im wesentlichen die Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen, nicht um seiner selbst willen, sondern zur finanziellen Absicherung eventueller Streikmaßnahmen; sie verfüge praktisch über die "Streikkasse" der Gewerkschaften. Ihre wirtschaftliche Aktivität schaffe überhaupt erst die materiellen Streikvoraussetzungen und müsse daher als ein Stück spezifisch koalitionsmäßiger Betätigung zum Kernbereich des Art. 9 Abs. 3 GG gerechnet werden. Dieses Grundrecht schütze danach den Bestand und die wirtschaftliche Betätigung der Beschwerdeführerin zu 1) als "materielles Substrat" der koalitionsmäßigen Betätigung des Beschwerdeführers zu 2a) und der ihm angeschlossenen Einzelgewerkschaften.
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Durch die Anordnung der pauschalen Beschlagnahme von Aufsichtsratsprotokollen der Beschwerdeführerin zu 1) sei in das Recht der Beschwerdeführer zu 2a) und b) auf spezifisch koalitionsmäßige Betätigung, namentlich in ihr Streikrecht (Art. 9 Abs. 3 GG), eingegriffen worden, weil die Geheimhaltung der Unterlagen bei einer Herausgabe an den Untersuchungsausschuß nicht hinreichend sichergestellt gewesen sei; jedenfalls aber hätten Abgeordnete, die im Untersuchungsausschuß - zu Recht - ein Forum der politischen Auseinandersetzung erblickten und als Mitglieder der Regierungsmehrheit den Beschwerdeführern zu 2a) und b) gegenüber eine eher kritische und distanzierte Haltung einnähmen, Kenntnis von Vermögensdispositionen erlangen können, die in unmittelbarem funktionellen Zusammenhang mit dem Streikrecht der Gewerkschaften stünden. Letztlich sei nicht auszuschließen gewesen, daß der Tarifgegner direkt oder auf Umwegen den Aufsichtsratsprotokollen der Beschwerdeführerin zu 1) Informationen über die Vermögens- und Anlagepolitik der Gewerkschaften, über finanzielle Streikvorbereitungen oder über den Umfang von für bestimmte Streikmaßnahmen bereitszustellenden Mitteln hätte erhalten können. Dann wäre deren Streikfähigkeit empfindlich geschwächt, die Kampfparität in Frage gestellt und das Prinzip der Gegnerunabhängigkeit verletzt worden, weil die andere Seite durch entsprechende Vorkehrungen den Gewerkschaften hätte in den Arm fallen können. Eine über die Mitteilung der beschlagnahmten Aufsichtsratsprotokolle hergestellte "gläserne Streikkasse" sei praktisch das Ende der Streikfreiheit und damit auch des Systems freier Gewerkschaften. Bekanntlich begännen Streikvorbereitungen stets mit einer sorgfältigen Finanzplanung, die darauf abziele, eine "Streikkasse" zu bilden, d. h. zu einem bestimmten Zeitpunkt erhebliche finanzielle Mittel kurzfristig bereitzustellen, die normalerweise langfristig angelegt seien.
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Gegenüber dem Untersuchungsausschuß uneingeschränkt geheimzuhalten seien die Teile der Aufsichtsratsprotokolle ohne Bezug zum Untersuchungsauftrag. Die erforderliche Aussonderung dürfe daher nicht dem Untersuchungsausschuß überlassen werden; vielmehr müsse sie - wie im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 5. November 1986 (BVerfGE 74, 7) vorgesehen - ein neutraler Dritter (Gericht) vornehmen. Die Vorlage der Teile der Protokolle, die für das Untersuchungsthema unmittelbar von Bedeutung sind, habe der Untersuchungsausschuß beanspruchen können, wenngleich erhebliche Zweifel daran bestünden, ob eine Gesetzgebungsenquete, wie sie auch nach den Ausführungen des Deutschen Bundestages und des Untersuchungsausschusses im wesentlichen vorgelegen habe, überhaupt den zwangsweisen Zugriff auf private Unterlagen erlaube; auch diese Teile seien im Ausschuß aber geheimzuhalten gewesen.
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bb) Die Beschwerdeführerin zu 2c) sei die Vermögensverwaltungsgesellschaft der Beschwerdeführerin zu 2b) und als Anteilseignerin mit 24,9% an der Beschwerdeführerin zu 1) beteiligt. Sie sei somit von der Beschlagnahme der Aufsichtsratsprotokolle ebenfalls unmittelbar in ihren Grundrechten betroffen worden. Der Untersuchungsausschuß habe im Hinblick auf den grundrechtlichen Datenschutz vor einer unspezifischen Beschlagnahme sämtlicher Aufsichtsratsprotokolle der Beschwerdeführerin zu 1) zunächst alle ihm bereits vorliegenden oder zugänglichen Erkenntnisquellen ausschöpfen müssen, um danach genau zu bestimmen, welche Teile der Protokolle er zur Erfüllung des Untersuchungsauftrags noch benötige; ohne eine solche Substantiierung sei der angeordnete Eingriff nicht zu rechtfertigen.
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c) Die Beschwerdeführerin zu 3) sieht sich in ihren Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG verletzt. Zur Begründung ihrer Verfassungsbeschwerde nimmt sie auf das Vorbringen der Beschwerdeführer zu 1) und 2) Bezug und legt ergänzend dar:
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Sie sei durch die Anordnung der Beschlagnahme der Aufsichtsratsprotokolle der Beschwerdeführerin zu 1) unmittelbar in ihren Grundrechten betroffen worden. Die Geheimhaltung der für ihre Geschäftspolitik entscheidenden Daten und das für eine Bank lebenswichtige Vertrauen ihrer Kunden auf das Bankgeheimnis wären beeinträchtigt worden, wenn der Untersuchungsausschuß darauf hätte zugreifen dürfen. Aufgrund ihrer damaligen Stellung als gegenüber der Beschwerdeführerin zu 1) abhängige Konzerngesellschaft enthielten die betroffenen Aufsichtsratsprotokolle eine Vielzahl solcher Informationen, nicht zuletzt diejenigen, die zum Kern ihrer Geschäftsgeheimnisse gehörten und für den Erfolg ihrer zukünftigen wirtschaftlichen Aktivität von existentieller Bedeutung seien, insbesondere über Geschäftsverlauf, Kreditvergabe und Personalpolitik.
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Sie könne die Geheimhaltung dieser für ihre wirtschaftliche Handlungs- und Wettbewerbsfähigkeit und ihre Vermögenssituation entscheidenden Daten gegenüber dem Untersuchungsausschuß und erst recht gegenüber der Öffentlichkeit beanspruchen. Sie stehe außerhalb der Vorgänge um die "Neue Heimat". Soweit Nr. IV und V des Untersuchungsauftrags es zugelassen oder gefordert hätten, daß sich der Untersuchungsausschuß auch mit ihr befasse, sei der Einsetzungsbeschluß verfassungswidrig und daher unbeachtlich gewesen.
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Das Bundesverfassungsgericht habe im Urteil vom 5. November 1986 (BVerfGE 74, 7) einen praktikablen Weg gewiesen, durch den die Gefährdung privater Daten, die mit dem Untersuchungsauftrag eines Ausschusses nichts zu tun hätten, weitgehend vermieden werden könne.
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V. |
Gelegenheit zur Äußerung wurde dem Deutschen Bundestag, dem Untersuchungsausschuß, der Bundesregierung, dem Hessischen Minister der Justiz, allen Landtagen und Bürgerschaften der Bundesländer, dem Abgeordnetenhaus von Berlin und dem Bayerischen Senat gegeben. Stellung genommen haben der Deutsche Bundestag, der Untersuchungsausschuß, der Bundesrat, für die Bundesregierung der Bundesminister des Innern sowie der Niedersächsische Landtag und der Landtag Rheinland-Pfalz.
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1. Die Darlegungen des Deutschen Bundestages beziehen sich vor allem auf seinen Beschluß zur Einsetzung des Untersuchungsausschusses und die in diesem angelegten Ermächtigungen, darüber hinaus auf Aufgabe, Kompetenz und Befugnis des Untersuchungsausschusses zu einem Informationseingriff in private Daten.
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a) Der Untersuchungsauftrag sei zulässig gewesen. Er habe den Zuständigkeits- und Aufgabenbereich des Deutschen Bundestages nicht überschritten.
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Der Untersuchungsauftrag habe sich auf eine anerkanntermaßen als zulässig anzusehende Gesetzgebungs- und Kontrollenquete beschränkt. Die Unterscheidung zwischen staatlichen und gesellschaftlichem Tätigkeitsbereich definiere keine Grenzen staatlicher Gesetzgebung. Auch die Kontrollaufgaben des Parlaments bezögen private Vorgänge und Tatsachen in den Kreis parlamentarischer Beobachtung ein, soweit - wie hier - parlamentarische Beratungen und Entschließungen vorbereitet werden sollten.
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Nach dem Untersuchungsauftrag hätten nur Tatsachen untersucht werden sollen, die für das Handeln des Bundestages erheblich seien und einen (objektivierbaren) Aufklärungsbedarf begründeten. Der Gesetzgeber habe sich im Blick auf die offensichtlichen und anerkannten Fehlentwicklungen innerhalb des Unternehmensverbundes "Neue Heimat", deren Ursachen und Folgen indessen unübersichtlich und ungeklärt gewesen seien, vor der Aufgabe gesehen, die Auswirkungen seiner Rechtsetzung und seiner Haushaltsbewilligungen sowie die Rückwirkungen unternehmerischen Verhaltens auf die Rechts- und Haushaltspraxis zu analysieren und als Entscheidungsgrundlage für parlamentarische Entschließungen bereitzuhalten. Die Untersuchung habe auch der Regierungskontrolle und der parlamentarischen Selbstkontrolle gedient. Ernstlichkeit und Gewicht der auf Bundesgesetzgebung gerichteten Enquete bestätige der Bericht des Untersuchungsausschusses, der im Bereich des Wohnungsgemeinnützigkeitsrechts zahlreiche Gesetzgebungsvorschläge enthalte (BTDrucks. 10/6779, Tz. 341 bis 365). Die Frage nach der Zulässigkeit einer eigenständigen Skandalenquete könne danach offenbleiben.
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Kompetenzrechtliche Bedenken bestünden ebenfalls nicht. Zum einen sei die Verbandskompetenz gegeben gewesen; der Untersuchungsauftrag habe nicht etwa auf eine Kontrolle der Landesverwaltungen und der Landesregierungen gezielt; die Parallelzuständigkeit der Landesparlamente zur Aufklärung desselben Sachverhalts, jedoch mit eigenständiger Zielsetzung (Aufklärung von Fehlverhalten von Landesorganen) sei nicht berührt worden. Zum anderen bestünden auch keine Bedenken gegen die Organkompetenz. Den grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich der Bundesregierung habe der Untersuchungsauftrag gewahrt, auch soweit der Untersuchungsausschuß Empfehlungen an die Bundesregierung zur Eindämmung der "Folgen des Neue Heimat-Skandals" erarbeiten sollte.
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Die Aufsichtsratsprotokolle eines privaten Unternehmens könnten grundrechtlichen Datenschutz beanspruchen. Sie unterrichteten über den Bestand, das Jahresergebnis, die Planungen und die Marktstrategien; sie gehörten demnach zu den gegen einen Zugriff Dritter abgeschirmten Interna privatwirtschaftlicher Unternehmen. Jeder Zugriff auf diese Protokolle bedürfe besonderer Rechtfertigung. Das Untersuchungsrecht des Parlaments und seine Bedeutung für die parlamentarische Demokratie und für das Ansehen des Staates seien geeignet, den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und des Eigentums einzuschränken. Allerdings müßten beide widerstreitenden Rechtsprinzipien unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu einem schonenden Ausgleich gebracht werden. Insbesondere sei die Weitergabe von Informationen mit streng persönlichem Charakter für den Betroffenen grundsätzlich unzumutbar. Beschlagnahmen zur bloßen Ausforschung seien nicht zulässig.
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Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuß habe die Befugnis zum Informationseingriff in grundrechtlich geschützte Sachverhalte jedenfalls dann, wenn - wie hier - die parlamentarische Kontrolle sich auf staatliche Organe oder Stellen und den Erfolg ihres Handelns beziehe, wenn aufklärungsbedürftige Vorwürfe sich auf Tatsachen stützten und diese Tatsachen mit erheblicher Wahrscheinlichkeit Fehlentwicklungen vermuten ließen, wenn der betroffene Private sich freiwillig besonderen Gemeinwohlverpflichtungen und entsprechenden Kontrollen unterworfen und auf dieser Grundlage Staatsleistungen empfangen habe, wenn der Aufklärungsbedarf sich gerade auf diese Selbstbindung beziehe, für die der Private vom Staat Vorteile empfangen habe, und wenn der Informationseingriff seiner Art nach bereits von der verfassungsgemäßen Rechtsordnung zugelassen sei. Die Neue Heimat sei aufgrund der erlangten Vergünstigungen besondere Verpflichtungen und Bindungen eingegangen. Die zuständigen Stellen könnten auch Einblick in die Aufsichtsratsprotokolle nehmen. Der Verdacht gesetzgebungserheblicher Fehlentwicklungen sei dringlich gewesen und habe sich inzwischen nach den Ergebnissen der Untersuchungen bestätigt. Durch das Erfordernis einer richterlichen Anordnung der Beschlagnahme bestehe eine weitere Übermaßschranke. Die parlamentarische Prüfungskompetenz müsse sich auch auf Unternehmen erstrecken, die selbst nicht gemeinnützig sind bzw. staatliche Vergünstigungen in Anspruch nehmen, wenn die Leitungsbefugnis des gemeinnützigen Unternehmens auf sie verlagert worden ist. Anderenfalls könne ein Unternehmensverbund durch privatrechtliche Gestaltung eine effektive Aufsicht unmöglich machen.
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Die sinngemäße Anwendung strafprozeßrechtlicher Vorschriften lege es nahe, bei der Beschlagnahme eine vertrauliche Vorprüfung der Beweiserheblichkeit zwischenzuschalten, wie dies im Strafverfahren vor der öffentlichen Hauptverhandlung der Fall sei; sie verlange eine Verfahrensgestaltung, die eine Aussonderung und Rückgabe der für den Untersuchungsauftrag nicht beweiserheblichen Akten vor ihrer Verwertung in öffentlicher Verhandlung sicherstellt. Sinngemäß anwendbar sei auch § 172 GVG über den Ausschluß der Öffentlichkeit. Gegebenenfalls sei von den Möglichkeiten der Geheimschutzordnung Gebrauch zu machen. Übertrage man die verfassungsrechtliche Wertung des Bundesverfassungsgerichts in BVerfGE 67, 100 (137) auf die Beschlagnahme gegenüber einem eigene Geheimhaltungsinteressen verfolgenden, aber nicht wie die Bundesregierung rechtsstaatlich gebundenen Privaten, so scheine es erwägenswert, die Wahrung der Geheimhaltungsinteressen gegenüber dem prinzipiell öffentlichen Untersuchungsverfahren in die Verantwortlichkeit des Beschlagnahmeverfahrens und seine Abwicklung zu weisen. Eine verfassungsrechtlich gebotene besondere Vertraulichkeit möge dadurch erreicht werden, daß bestimmte Informationen nur dem Vorsitzenden des Ausschusses oder seinem Stellvertreter zugänglich gemacht werden. Verboten sei ein abrupter Übergang von der Beschlagnahme nach Wahrscheinlichkeit und Verdacht zur Offenlegung der beschlagnahmten Schriftstücke in öffentlicher Verhandlung.
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Der Beschlagnahme stehe auch Art. 9 Abs. 3 GG nicht entgegen. Die von den Gewerkschaften zum Zweck der wirtschaftlichen Betätigung gegründeten Kapitalgesellschaften unterlägen der staatlichen Aufsicht, insbesondere je nach Sachlage der Gewerbe-, Steuer-, Wohnungsgemeinnützigkeits- und Kreditaufsicht sowie der regelmäßigen Abschlußprüfung. Diese Gesellschaften könnten daher auch gegenüber Untersuchungsausschüssen keine weitergehenden Abwehrrechte beanspruchen. Soweit - wie hier - eine verfassungsrechtlich notwendige Vertraulichkeit im Untersuchungsverfahren gewahrt sei, stelle sich die Frage einer Information potentieller Arbeitskampfgegner nicht. Wolle die Beschwerdeführerin zu 1) Geld für Streikzwecke zur Verfügung stellen, so sei das ihre Eigentümerentscheidung, jedoch noch nicht eine von Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tätigkeit.
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c) Die Beschwerdeführer zu 2) und 3) seien nur mittelbar betroffen. Allein aufgrund ihrer gesellschaftsrechtlichen Stellung seien sie nicht berechtigt, aus der etwaigen Verletzung von Grundrechten "ihrer" Gesellschaft eigene Rechte herzuleiten. Diese lediglich privatrechtliche Rechtsposition vermittle kein Beschwerderecht.
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2. Der 3. Untersuchungsausschuß "NEUE HEIMAT" hat zu seiner Zusammensetzung, zu kompetenzrechtlichen Fragen, zur Zulässigkeit der Beschlagnahme im parlamentarischen Untersuchungsverfahren und zum Verhältnis von Untersuchungsrecht und Geheimschutz Stellung genommen.
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a) Das in der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages vorgesehene Benennungsrecht der Fraktionen bei der Besetzung von Untersuchungsausschüssen unterliege keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Es beruhe auf dem seit über 100 Jahren praktizierten allgemeinen deutschen Parlamentsrecht und trage der rechtlichen und politischen Bedeutung der Fraktionen im Bundestag Rechnung. Die Ausschußmitglieder schöpften die für ihre Tätigkeit notwendige demokratische Legitimation aus der volksunmittelbaren Wahl, die ihnen ein Mandat verschaffe für alle dem Deutschen Bundestag gestellten Tätigkeiten. Eines besonderen, durch das Plenum vorzunehmenden Wahlaktes, der dem Abgeordneten für die Ausschußarbeit eine spezifisch-demokratische Legitimation verschaffe, bedürfe es nicht.
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Eine Bestimmung der Ausschußmitglieder durch die Parlamentsmehrheit wäre unvereinbar mit dem verfassungsrechtlich gerade für parlamentarische Untersuchungsverfahren gebotenen Minderheitenschutz. Vorgesehen werden könnte hiernach nur eine Verhältnislistenwahl. Die Abgeordnetensitze würden dann entsprechend der Stärke der Fraktionen auf die von diesen aufgestellten Listen verteilt. Im Ergebnis würde dies das personelle Bestimmungsrecht der Fraktionen wahren. Der Wahlakt wäre eine reine Scheinwahl. Es wäre unverständlich, wenn das grundgesetzliche Demokratiegebot den Bundestag zwingen würde, eine solche Scheinwahl als verfassungsgeboten in seiner Geschäftsordnung zu verankern.
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b) Dem Bund habe im vorliegenden Fall ein Untersuchungsrecht zugestanden. Gegenstand einer parlamentarischen Untersuchung könnten alle Vorgänge und Geschehnisse sein, die der Deutsche Bundestag zum Gegenstand seiner Erörterungen machen und über die er (zumindest) einen schlichten Parlamentsbeschluß fassen kann. Der Bundestag dürfe sich aller Materien annehmen, die einerseits nicht der Zuständigkeit anderer Staatsorgane zugeordnet seien, andererseits aber einen politischen, öffentlichen oder moralischen Handlungsbedarf im politischen System erzeugten.
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Was die bundesstaatliche Kompetenzordnung betreffe, stehe zunächst außer Streit, daß das parlamentarische Untersuchungsrecht des Deutschen Bundestages für die eine Gesetzgebungsenquete betreffenden Bereiche gegeben gewesen sei. Eine solche sei ernsthaft beabsichtigt gewesen, wie auch der Abschlußbericht des Untersuchungsausschusses belege. Die Bundeskompetenz sei ferner unter dem Gesichtspunkt der Skandalenquete begründet gewesen. Art. 30 GG stelle lediglich eine Verteilungsnorm für die im Grundgesetz selbst aufgezählten Zuständigkeiten dar. Eine parallele Aufklärung eines bundesweiten Mißstands im gesellschaftlichen Bereich durch alle Länderparlamente scheide aus praktischen Gründen aus.
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Die parlamentarische Untersuchung sei hier auch nicht deshalb ausgeschlossen gewesen, weil sie im Schwerpunkt Vorgänge im gesellschaftlichen Bereich betroffen habe. Die Abgrenzung öffentlicher, eine parlamentarische Untersuchung rechtfertigender Angelegenheiten von rein privaten sei möglich. Das Parlament als Repräsentationsorgan des Staatsvolkes in einer demokratisch-parlamentarischen Verfassungsordnung habe die Vermutung der Zuständigkeit für sich, in allen öffentliches Interesse beanspruchenden und den Staat angehenden Fragen tätig zu werden. Das Parlament könne seine Untersuchungskompetenz nicht nur als Instrument der Regierungs- und Verwaltungskontrolle im weiteren Sinne einsetzen; es könne grundsätzlich zu jedem Beweisthema Ermittlungen durchführen lassen, so insbesondere auch zu Vorgängen im öffentlichen Leben und Vorkommnissen im gesellschaftlichen Bereich, sofern sie - wie hier - ein öffentliches Interesse beanspruchten.
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c) Untersuchungsausschüssen des Deutschen Bundestages stehe das Recht der Beschlagnahme zu. Hierfür ergäben sich Anhaltspunkte aus Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte des Art. 44 GG. Eine Untersuchung ohne die Möglichkeit, Zwangsmittel wie eine Beschlagnahme einzusetzen, entbehre der verfassungsrechtlich geforderten Wirksamkeit. Da nach allgemeiner Auffassung eine Beschlagnahme nur durch den Richter angeordnet werden könne, sei verfahrensrechtlich ausreichend dafür Sorge getragen, daß ein Untersuchungsausschuß nicht im Übereifer die Rechte der Betroffenen übergehe.
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Es bestehe weder ein absoluter Vorrang des parlamentarischen Untersuchungsrechts gegenüber den Grundrechten noch ein absoluter Vorrang der Grundrechte gegenüber dem parlamentarischen Untersuchungsrecht. Das grundsätzlich gegebene parlamentarische Interesse an der Aufklärung eines Sachverhalts einerseits und der Schutz der Privatsphäre des Bürgers andererseits seien im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung abzuwägen.
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Vorliegend sei es um die im öffentlichen Interesse gebotene Aufklärung von weitreichenden Verstößen gegen das Recht der Gemeinnützigkeit gegangen, um aus dem gewonnenen Befund die notwendigen Konsequenzen für die Gesetzgebung zu ziehen. Nicht weniger als 10 Milliarden DM seien der Neuen Heimat an Steuergeldern zugeflossen; deren ordnungsgemäße Verwendung habe der Prüfung bedurft. Betroffen seien ca. 300 000 Mietparteien der Neuen Heimat. Das ganze System des gemeinnützigen Wohnungswesens sei durch das Verhalten der Neuen Heimat in Mißkredit geraten. Auf welche Weise dies habe geschehen können, ob gesetzliche Defizite dies ermöglichten oder begünstigten etc., habe dringend der Aufklärung bedurft. Dies sei nicht möglich gewesen, ohne die Schaltstelle der Neuen Heimat in die Untersuchungen einzubeziehen: die Beschwerdeführerin zu 1). Die Geheimschutzprobleme seien von den Beschwerdeführern selbst mitverursacht und deshalb auch zu vertreten. Sie beruhten nämlich im wesentlichen darauf, daß die Neue Heimat als gemeinnütziges Unternehmen in eine Konzernstruktur eingebunden worden sei, die sowohl die Verantwortlichkeiten für die richtige Verwendung der öffentlichen Gelder verdunkle wie auch durch die Verquickung mit Entscheidungen über andere Unternehmen eine ungehinderte Kontrolle vereitle. Die Beschlagnahme der nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 5. November 1986 geheimzuhaltenden Unterlagen sei für die Ausschußarbeit notwendig gewesen. Eine vollständige Veröffentlichung des nach dieser Entscheidung geheimzuhaltenden Teils des Abschlußberichts halte der Ausschuß im öffentlichen Interesse für unbedingt erforderlich. Eine Gefährdung der Streikkassen der Gewerkschaften sei hierbei völlig ausgeschlossen.
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3. Die Stellungnahme des Bundesrates (BRDrucks. 597/86, Beschluß) befaßt sich im Blick auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 5. November 1986 (BVerfGE 74, 7) mit dem Zutrittsrecht seiner Mitglieder und ihrer Beauftragten zu den Sitzungen des Untersuchungsausschusses (Art. 43 Abs. 2 Satz 1 GG). Dieses Recht, das nicht dem Bundesrat als Verfassungsorgan insgesamt, sondern den einzelnen Bundesratsmitgliedern individuell zustehe, sei vorbehaltlos gewährt. Auch eine etwa gebotene Rücksichtnahme auf verfassungsrechtlich geschützte Positionen der Beschwerdeführer könne nicht eine Einschränkung dieses Rechts rechtfertigen; insoweit wären allenfalls entsprechende Geheimschutzmaßnahmen auch hinsichtlich der Mitglieder des Bundesrates und ihrer Beauftragten zu fordern. Zur Wahrung der Grundrechte der Beschwerdeführer sei es indes nicht erforderlich, den Teilnehmern an Sitzungen des Untersuchungsausschusses schlechthin zu verwehren, die dabei erlangten Informationen in einer dem Zweck ihres Teilnahmerechts entsprechenden Weise zu verwerten. Ein absolutes und generelles Verwertungsverbot würde das Zutrittsrecht substantiell beeinträchtigen.
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4. Die Bundesregierung teilt die Auffassung des Bundesrates auch in bezug auf das Teilnahme- und Informationsverwertungsrecht ihrer Mitglieder und deren Beauftragten.
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5. Der Niedersächsische Landtag hält den Besetzungsmodus für den Untersuchungsausschuß für verfassungskonform. Er entspreche dem Recht der weitaus überwiegenden Anzahl der deutschen Parlamente. Untersuchungsausschüsse seien lediglich Unterorgane des Parlaments, die dessen Arbeit fördern und erleichtern, insbesondere wie alle anderen Ausschüsse dessen Entscheidungen und Beschlüsse vorbereiten sollten. Einer demokratischen Legitimation durch Wahl bedürften sie angesichts ihrer starken Unterordnung unter das Plenum insgesamt und der geringen Bandbreite ihrer hoheitlichen Befugnisse nicht. Für die bestehende Regelung spreche auch der durch das Demokratieprinzip gebotene Minderheitenschutz, der durch eine Verhältniswahl nicht gleich gut erreicht werden könne. Das freie Mandat des Abgeordneten werde nicht stärker beeinträchtigt als es zur Sicherung des Ablaufs der Parlamentsarbeit geboten sei; die notwendige Entscheidungsfreiheit und Selbstverantwortlichkeit des einzelnen Abgeordneten bleibe erhalten. Die These von der Anwendbarkeit des Grundsatzes des gesetzlichen Richters sei im Blick auf die Aufgaben und Befugnisse des Untersuchungsausschusses schon im Ansatz verfehlt.
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Die Beschlagnahme sei aufgrund der Regelung in Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG auch ohne Vorliegen eines Untersuchungsausschußgesetzes zulässig. Eine gerichtliche Beschlagnahmeanordnung auf Antrag des Untersuchungsausschusses sei zwar möglich; dem Ausschuß stehe jedoch auch das Recht zu, selbst eine solche Anordnung zu erlassen.
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6. Der Landtag Rheinland-Pfalz hält die Verfassungsbeschwerden ebenfalls für unbegründet.
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a) Die Untersuchung im privaten Bereich sei rechtmäßig, soweit sie objektiv geeignet sei, parlamentarisches Handeln (Gesetzgebung einschließlich Verfassungsänderung und parlamentarische Kontrolle) vorzubereiten, und soweit sie im öffentlichen Interesse liege. Eine gerichtliche Kontrolle könne sich indes nur auf die Einhaltung der - relativ weiten - Grenzen des parlamentarischen Ermessens beziehen. Untersuchungen, die nur das Ziel hätten, aus parteipolitischen Erwägungen eine bestimmte Person oder ein bestimmtes Unternehmen in der Öffentlichkeit zu diskreditieren, seien unzulässig.
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Art. 44 GG ermächtige die Untersuchungsausschüsse grundsätzlich zu zwangsweisen Beweiserhebungen. Allerdings sei das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu beachten: Soweit ein Untersuchungsausschuß die erforderlichen Informationen aus privatem Bereich in vollem Umfang ohne den Einsatz von Zwangsmitteln erhalten könne, habe er zunächst diesen Weg zu gehen.
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Die Regelungen in §§ 171 a, 172 GVG über den Ausschluß der Öffentlichkeit bei Gerichtsverhandlungen seien auf Untersuchungsausschüsse nicht anwendbar, da Art. 44 Abs. 1 Satz 2 GG insoweit eine Sonderregelung enthalte. Die im sogenannten Flick- Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 67, 100) geforderte Geheimhaltung betreffe nur die Aktenvorlage durch die Verwaltung an einen Untersuchungsausschuß und lasse sich auf Beweiserhebungen der Untersuchungsausschüsse nicht ohne weiteres übertragen.
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Ob und wie im Einzelfall private Geheimnisse im Untersuchungsverfahren zu wahren seien, ergebe sich aus einer Abwägung zwischen ihrer Bedeutung und Schutzwürdigkeit und den Interessen, denen der Grundsatz der Öffentlichkeit der Beweisaufnahme Rechnung tragen solle. Diese Abwägung obliege allein dem Untersuchungsausschuß, dessen Entscheidung allerdings gerichtlicher Kontrolle unterliege. Grundsätzlich sei, wie § 172 Nr. 2 GVG zeige, von einem Vorrang des Öffentlichkeitsprinzips vor privaten Geheimhaltungsinteressen auszugehen. Dies gelte insbesondere bei sogenannten "Skandalenqueten". Wenn es Aufgabe eines Untersuchungsausschusses sei, dem Parlament vorbereitend Informationen für eine von allen Fraktionen einmütig erstrebte Gesetzesinitiative zu verschaffen, sei demgegenüber eine Notwendigkeit, die Beweisaufnahme in öffentlicher Sitzung durchzuführen, kaum ersichtlich.
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Soweit für einen Untersuchungsausschuß Regelungen gälten, die eine Geheimhaltung in gleichwertiger Weise sicherstellten, wie dies bei der Exekutive der Fall sei, gebe es entgegen den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in BVerfGE 67, 100 (138 f.) keinen überzeugenden Grund, nicht den gesamten Ausschuß, sondern nur dessen Vorsitzenden und Stellvertreter zu informieren. Den Mitgliedern des Parlaments könne dasselbe Vertrauen entgegengebracht werden wie denjenigen der Exekutive und der Judikative. Das Gebot der formalen Gleichheit aller Parlamentsmitglieder sei von besonderer Bedeutung, wenn in Untersuchungsausschüssen drei oder mehr Fraktionen vertreten seien und die Fraktionen, die den Untersuchungsausschuß beantragt haben, weder den Vorsitzenden noch dessen Stellvertreter stellten.
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b) Der Landtag wähle in Rheinland-Pfalz den Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses und seinen Stellvertreter. Die übrigen Ausschußmitglieder und deren ständige Stellvertreter würden von den Fraktionen benannt. Sie besäßen dennoch die wegen der Ausübung von Staatsgewalt erforderliche demokratischen Legitimation. Die Fraktionen hätten vom Landtag in zulässiger, sachgerechter Weise die Ermächtigung zur Benennung der Ausschußmitglieder erhalten, wie die entsprechende Regelung in der Geschäftsordnung belege, die außerdem auch durch Gewohnheitsrecht vorgegeben sei.
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B. |
Die Verfassungsbeschwerden sind zulässig.
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1. Die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu 2) und 3) gegen die Beschlüsse vom 29. September und 22. Oktober 1986 sind nicht deshalb unzulässig, weil lediglich die Beschlagnahme von Aufsichtsratsprotokollen der Beschwerdeführerin zu 1) angeordnet wurde. Die Beschwerdeführer zu 2) und 3) stehen aufgrund ihrer gesellschaftsrechtlichen Verknüpfung mit der Beschwerdeführerin zu 1) in einer so engen Beziehung zum Sachverhalt, daß sie durch die Beschlagnahme selbst betroffen sind (vgl. BVerfGE 4, 96 [101]; 15, 256 [262 f.]; 15, 283 [286]; 16, 25 [27]; 44, 353 [366]). Der angegriffene Beschluß vom 31. Oktober 1986 ist nur gegenüber den Beschwerdeführern zu 2) und 3) ergangen; er hat über die von diesen erhobenen Beschwerden zur Sache entschieden.
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2. Das Rechtsschutzinteresse der Beschwerdeführer ist nicht dadurch entfallen, daß die Tätigkeit des Untersuchungsausschusses beendet ist (vgl. Art. 39 Abs. 1 Satz 2 GG). Die angeordnete Beschlagnahme wurde nach Maßgabe des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 5. November 1986 vollzogen. Die dem Untersuchungsausschuß übergebenen Unterlagen befinden sich noch in der Verfügungsgewalt des Deutschen Bundestages. Aus den beschlagnahmten Unterlagen erworbene Informationen wurden in einen - wenngleich geheimen - Bericht des Untersuchungsausschusses aufgenommen. Die Beschlagnahmeanordnung hat daher weiterhin Wirkungen gegen die Beschwerdeführer (vgl. BVerfGE 15, 226 [230]; 21, 378 [383]; 33, 247 [257 f.]; 44, 353 [367]; 50, 244 [247 f.]; 69, 161 [168]).
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C. |
Die Verfassungsbeschwerden sind begründet, soweit durch die angegriffenen Entscheidungen eine unbeschränkte Herausgabe der beschlagnahmten Aufsichtsratsprotokolle an den Untersuchungsausschuß angeordnet wurde und es damit zunächst allein diesem überlassen blieb zu entscheiden, welche der Unterlagen im einzelnen für den vom Landgericht als Grundlage der Beschlagnahme herangezogenen Teil des parlamentarischen Untersuchungsauftrags von Bedeutung sein können. Insoweit sind die Beschwerdeführerin zu 1) in ihren Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG, die Beschwerdeführer zu 2) und 3) jedenfalls in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG verletzt.
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Im übrigen sind die Verfassungsbeschwerden nicht begründet. Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG ist nicht dadurch verletzt, daß die Fachgerichte bei ihren Entscheidungen über den Beschlagnahmeantrag des Untersuchungsausschusses von einer wirksamen Antragstellung ausgingen und in Art. 44 GG eine hinreichende rechtliche Grundlage für die Anordnung der Beschlagnahme sahen.
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I. |
Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages, deren Mitglieder von den Fraktionen im Verhältnis ihrer Stärke benannt werden, besitzen die erforderliche demokratische Legitimation für eine hoheitliche Tätigkeit nach außen. Der Bundestag kann innerhalb seines Aufgabenbereichs Untersuchungsaufträge zur Aufklärung von Mißständen jedenfalls auch im Bereich solcher privater Unternehmen - einschließlich der mit ihnen eng, insbesondere konzernmäßig verbundenen - erteilen, die aufgrund "gemeinwirtschaftlicher" Zielsetzung ihrer Tätigkeit in erheblichem Umfang aus staatlichen Mitteln gefördert oder steuerlich begünstigt werden und besonderen rechtlichen Bindungen unterliegen; dies gilt jedenfalls insoweit, als hieran ein öffentliches Untersuchungsinteresse von hinreichendem Gewicht besteht. Untersuchungsausschüsse haben zur Erfüllung des ihnen vom Bundestag erteilten Auftrags die Befugnis, unter Beachtung der Grundrechte und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit Beschlagnahmen gegenüber Privaten bei dem zuständigen Gericht zu beantragen.
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1. Den von den Beschwerdeführern erhobenen Rügen, der Untersuchungsausschuß sei in einer nicht dem Grundgesetz entsprechenden Weise besetzt worden und der vorliegende Untersuchungsauftrag biete keine rechtliche Grundlage für einen Beschlagnahmeantrag, kann nicht entgegengehalten werden, der Strafrichter sei im Rahmen des Beschlagnahmeverfahrens nicht befugt, seine Prüfung auf diese Fragen zu erstrecken. Wird das Gericht gemäß Art. 44 GG im parlamentarischen Untersuchungsverfahren für eine richterliche Untersuchungsmaßnahme in Anspruch genommen, so ist ihm grundsätzlich nicht verwehrt, die rechtlichen Voraussetzungen zu prüfen, die für die Wirksamkeit des Antrags und die Zulässigkeit der beabsichtigten Beweiserhebung von Bedeutung sind. Dies gilt insbesondere dann, wenn die beantragte Maßnahme sich als Eingriff in grundrechtlich geschützte Bereiche Dritter darstellt.
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a) Parlamentarische Untersuchungsausschüsse üben öffentliche Gewalt aus (BVerfGE 67, 100 [142]). In der freiheitlichen Demokratie geht alle Staatsgewalt vom Volk aus; sie wird vom Volk in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt - Art. 20 Abs. 1 und 2 GG - (BVerfGE 44, 125 [138]; 47, 253 [271 f.]). Alle Organe und Vertretungen, die Staatsgewalt ausüben, bedürfen hierfür einer Legitimation, die sich auf die Gesamtheit der Bürger als Staatsvolk zurückführen läßt (vgl. BVerfGE 38, 258 [271]; 47, 253 [272]). Das demokratische Prinzip erstreckt sich nicht nur auf bestimmte, sondern auf alle Arten der Ausübung von Staatsgewalt (BVerfGE 47, 253 [273]). Die verfassungsrechtlich notwendige demokratische Legitimation erfordert eine ununterbrochene Legitimationskette vom Volk zu den mit staatlichen Aufgaben betrauten Organen und Amtswaltern. Die Legitimation muß jedoch nicht in jedem Fall durch unmittelbare Volkswahl erfolgen. In aller Regel genügt es, daß sie sich mittelbar auf das Volk als Träger der Staatsgewalt zurückführen läßt (BVerfGE, a.a.O., S. 275).
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b) Die Mitglieder des Deutschen Bundestages erlangen die für ihre Tätigkeit als Volksvertreter erforderliche demokratische Legitimation unmittelbar durch die Bundestagswahl (Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG; vgl. BVerfGE 44, 125 [139 f.]). Die in regelmäßig wiederkehrenden zeitlichen Abständen stattfindende Wahl stellt sicher, daß die Abgeordneten dem Volk verantwortlich bleiben (vgl. BVerfGE 44, 125 [139]). Durch diese Wahl erhält der Deutsche Bundestag seine Legitimation als Repräsentationsorgan des Volkes (Art. 39 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 38 Abs. 1 GG). Diese - unmittelbar vom Volk herrührende - demokratische Legitimation bezieht sich auf alle Aufgaben, Tätigkeiten und Befugnisse, die das Grundgesetz dem Bundestag zuweist. Hierzu gehört auch das Untersuchungsrecht, das der Bundestag kraft des Art. 44 GG durch jeweils von ihm eingesetzte Untersuchungsausschüsse ausübt. Wenngleich die Untersuchungsausschüsse mit dem ihnen zuerkannten Beweiserhebungsrecht (Art. 44 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 GG) hoheitliche Befugnisse gegenüber Dritten innehaben, die dem Plenum des Bundestages nicht zukommen, handelt es sich hierbei doch um Befugnisse des Bundestages; sie werden für den Bundestag durch den Untersuchungsausschuß ausgeübt. Der Untersuchungsausschuß bleibt auch insoweit - wie die Ausschüsse insgesamt - Hilfsorgan des Bundestages; er erfüllt nur die Aufgaben, die ihm durch den Einsetzungsbeschluß des Bundestages oder unmittelbar nach Maßgabe des Antrags gemäß Art. 45 a Abs. 2 GG übertragen worden sind, und erhält nicht die Stellung eines selbständigen, unabhängig von der vorhandenen demokratischen Legitimation des Bundestages und seiner Mitglieder erst eigens demokratisch zu legitimierenden Organs. Entscheidend für die Wahrung des Demokratieprinzips (Art. 20 Abs. 2 GG) ist somit neben der Einsetzung des Untersuchungsausschusses durch das Plenum der Volksvertretung (Art. 44 Abs. 1 GG) die auf dem individuellen Berufungsakt der Wahl beruhende demokratische Legitimation der Abgeordneten, die Mitglieder des Ausschusses sind. Der Einsetzung durch den Bundestag entspricht im Falle des Art. 45 a Abs. 2 GG die vorangegangene Bestellung des Verteidigungsausschusses durch das Parlament. Welche einzelnen Abgeordneten des Bundestages den jeweiligen Ausschüssen angehören, ist nicht mehr eine Frage der demokratischen Legitimation der Ausschüsse, sondern eine solche der personellen Zuständigkeit innerhalb des Organbereichs des Bundestages.
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Grundlegend anders zu beurteilen ist die Bestellung der Mitglieder eines nicht der Volksvertretung zugeordneten, selbständigen, mit eigenen Befugnissen ausgestatteten Organs einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, das innerhalb des ihm durch Gesetz oder Satzung zugewiesenen eigenen Aufgabenbereichs öffentliche Gewalt ausübt. Ein solches Organ bedarf einer demokratischen Legitimation, die sich auf die Gesamtheit der jeweils wahlberechtigten Bürger zurückführen läßt. Die Volksvertretung kann diese Legitimation nur durch einen Akt vermitteln, der ihr in ihrer Gesamtheit zuzurechnen ist. Eine Benennung der Organmitglieder durch die Fraktionen reicht hier nicht aus (vgl. BVerfGE 38, 258 [270 ff.]).
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c) Die danach verbleibende Frage der personellen Zuständigkeit betrifft, wie bereits ausgeführt, nur die innere Organisation des Deutschen Bundestages, die ihrerseits den Anforderungen des parlamentarischen Aufgabenbereichs und der Stellung der Fraktionen und der Abgeordneten Rechnung zu tragen hat. Diese Frage berührt die Rechtsstellung der Beschwerdeführer nicht. Das Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) läßt sich auf parlamentarische Untersuchungsausschüsse nicht übertragen. Untersuchungsausschüsse sind keine Gerichte; sie üben keine rechtsprechende Gewalt aus (Art. 92 GG); ihre Mitglieder sind keine Richter im Sinne des Grundgesetzes (vgl. Art. 97 GG und hierzu BVerfGE 4, 331 [344 f.]). Durch die Untersuchungsverfahren erhalten die Parlamente lediglich die Möglichkeit, unabhängig von Regierung, Behörden und Gerichten mit hoheitlichen Mitteln, wie sie sonst nur Gerichten und besonderen Behörden zur Verfügung stehen, selbständig die Sachverhalte zu prüfen, die sie in Erfüllung ihres Verfassungsauftrags als Vertretung des Volkes für aufklärungsbedürftig halten (BVerfGE 49, 70 [85]). Die Berichte, die die Untersuchung abschließen, sind nicht mit richterlichen Entscheidungen und ihrer Wirkkraft zu vergleichen.
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d) Die historische Entwicklung des parlamentarischen Verfahrens zur Ausschußbesetzung und die damit verbundene Prägung des verfassungsrechtlichen Ausschußbegriffs bestätigen das gewonnene Ergebnis. Im Reichstag des Deutschen Reiches von 1871 wurden die Kommissionen (Ausschüsse) von den Abteilungen des Reichstages mit absoluter Mehrheit ihrer anwesenden Mitglieder gewählt (§ 26 der Geschäftsordnung, abgedruckt bei E. R. Huber, Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 2, 1964, Nr. 234). Der Reichstag umfaßte sieben Abteilungen von möglichst gleicher Mitgliederzahl; die Teilung erfolgte durch das Los (§ 2 Abs. 1 der Geschäftsordnung). Bereits vor der Wahl verständigten sich die Fraktionsvorstände jedoch über die Wahl der Kommissionsmitglieder (E. R. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. 3, 2. Aufl., 1970, S. 886; Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Bd. 1, 5. Aufl., 1911, S. 353). In späterer Zeit wurden die Ausschußmitglieder durch die Fraktionen selbst berufen (Hatschek, Das Parlamentsrecht des Deutschen Reiches, Erster Teil, 1915, S. 185 ff., 229 f.). Zur Zeit der Weimarer Reichsverfassung legte der Reichstag lediglich die Zahl der Mitglieder der Ausschüsse fest, während - nicht zuletzt aus Gründen des Minderheitsschutzes - die Fraktionen die Ausschußmitglieder und ihre Stellvertreter bestimmten. Der Reichstagspräsident machte die erstmalig gewählten Mitglieder dem Reichstag bekannt (§ 28 der Geschäftsordnung für den Reichstag vom 12. Dezember 1922, Bekanntmachung vom 17. Februar 1923, RGBl. 1923 II S. 101). Das Grundgesetz hat sich - wie noch näher darzulegen sein wird - bei seiner Regelung des Untersuchungsverfahrens eng an die Weimarer Verfassung angelehnt. Dies spricht dafür, daß der Verfassungsgeber, der den damaligen Besetzungsmodus kannte, an diesem nichts ändern wollte (vgl. BVerfGE 44, 308 [314 f.]; 70, 324 [360 f.]). Hiervon ging ersichtlich auch der 1. Deutsche Bundestag aus, der das zur Weimarer Zeit vorgesehene Besetzungsverfahren bereits mit Beschluß vom 20. September 1949 in seine vorläufige Geschäftsordnung übernahm (Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 1. Wp., 5. Sitzung, S. 19 f.).
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3. Untersuchungsverfahren haben in der parlamentarischen Demokratie eine wichtige Aufgabe zu erfüllen. Die Untersuchungsausschüsse sollen in Ausführung des Untersuchungsauftrags das Parlament bei seiner Arbeit unterstützen und seine Entscheidungen vorbereiten. Das Schwergewicht der Untersuchungen liegt naturgemäß in der parlamentarischen Kontrolle von Regierung und Verwaltung, insbesondere in der Aufklärung von in den Verantwortungsbereich der Regierung fallenden Vorgängen, die auf Mißstände hinweisen. Gerade solcher Kontrolle kommt im Rahmen der Gewaltenteilung besonderes Gewicht zu (BVerfGE 49, 70 [85] m.w.N.). Die parlamentarische Untersuchungskompetenz des Deutschen Bundestages ist jedoch nicht auf diesen Kernbereich beschränkt. Sie erstreckt sich innerhalb des Aufgabenbereichs des Bundestages jedenfalls auch auf die Aufklärung von Mißständen im Bereich solcher privater Unternehmen, die aufgrund "gemeinwirtschaftlicher" Zielsetzung ihrer Tätigkeit in erheblichem Umfang aus staatlichen Mitteln gefördert oder steuerlich begünstigt werden und besonderen rechtlichen Bindungen unterliegen; dies gilt jedenfalls insoweit, als hieran ein öffentliches Untersuchungsinteresse von hinreichendem Gewicht besteht (vgl. auch BVerfGE 67, 100 [140]). Eingriffe in Grundrechte sind allerdings, abgesehen von den im Grundgesetz ausdrücklich vorgesehenen Schranken (vgl. insbesondere Art. 44 Abs. 2 Satz 2 GG), nur im Rahmen des Verfassungsgrundsatzes der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit (vgl. z.B. BVerfGE 32, 54 [72]) zulässig, wobei die Intensität des Grundrechtseingriffs gegen das Gewicht des Untersuchungszwecks und des Beweisthemas abgewogen werden muß (vgl. BVerfGE 67, 100 [143 f.]). Insoweit kann ein Untersuchungsausschuß des Deutschen Bundestages auch Unterlagen Privater durch die zuständigen Gerichte beschlagnahmen lassen.
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a) Art. 44 GG enthält in seinem Wortlaut keine Beschränkung der Befugnis des Bundestages, Untersuchungsausschüsse einzusetzen. Wie jede Verfassungsbestimmung ist jedoch auch diese Norm aus dem Gesamtzusammenhang des Grundgesetzes heraus auszulegen (vgl. BVerfGE 1, 14 [32 f.]; 30, 1 [19]; 55, 274 [300]). Danach dürfen Untersuchungsausschüsse nur im Rahmen des Aufgabenbereichs des Bundestages eingesetzt werden. Ausgenommen sind sowohl Angelegenheiten, an deren parlamentarischer Behandlung kein öffentliches Interesse von hinreichendem Gewicht besteht (vgl. BVerfGE 67, 100 [140]), als auch solche, die entweder nicht zu den Bundesaufgaben gehören (vgl. den Grundsatz des Art. 30 GG) oder in die ausschließliche Kompetenz anderer Verfassungsorgane fallen (vgl. BVerfGE 67, 100 [139]).
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Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ist mithin nicht nur zur Vorbereitung rechtsverbindlichen parlamentarischen Handelns im Bereich der Gesetzgebung und der Kontrolle von Regierung und Verwaltung sowie der Wahrung des Ansehens des Bundestages selbst zulässig. Vielmehr können im Rahmen der parlamentarischen Aufgaben und Zuständigkeiten grundsätzlich auch Vorgänge im öffentlichen Leben und Vorkommnisse im gesellschaftlichen Bereich in die Untersuchung einbezogen werden, wenn ein die parlamentarische Beratung und gegebenenfalls Beschlußfassung rechtfertigendes öffentliches Interesse besteht; hierfür kann es auch ausreichen, daß lediglich Empfehlungen politischer Art angestrebt werden. Inwieweit dabei auch die Privatwirtschaft und die Lebensverhältnisse und -umstände von Privatpersonen zum Gegenstand parlamentarischer Untersuchung gemacht werden dürfen, braucht im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden. Jedenfalls hinsichtlich solcher privater Unternehmen - einschließlich der mit ihnen eng, insbesondere konzernmäßig verflochtenen Gesellschaften -, die aufgrund gemeinwirtschaftlicher Zielsetzung ihrer Tätigkeit in erheblichem Umfang aus staatlichen Mitteln gefördert oder steuerlich begünstigt werden und besonderen gesetzlichen Bindungen unterliegen, besteht für die Aufklärung behaupteter, damit in Zusammenhang stehender Mißstände ein erhebliches öffentliches Interesse, das eine parlamentarische Beratung und Beschlußfassung rechtfertigt.
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Dies wird durch die Entwicklung des Untersuchungsausschußrechts bestätigt. § 52 des ersten Entwurfs der Weimarer Reichsverfassung sah eine Beschränkung dahin vor, daß ein Untersuchungsausschuß nur eingesetzt werden dürfe, wenn die Gesetzlichkeit oder Lauterkeit von Regierungs- oder Verwaltungsmaßnahmen angezweifelt wird. Die Frage, ob eine solche Einschränkung einer unbegrenzten Vollmacht des Reichstags zur parlamentarischen Untersuchung vorzuziehen sei, wurde im Verfassungsausschuß der Weimarer Nationalversammlung eingehend erörtert (Verhandlungen der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung, Aktenstück Nr. 391, Bd. 336, zu Art. 55, S. 264 bis 266). Die vorgeschlagenen Begrenzungen fanden letztlich jedoch keine Mehrheit. Art. 34 Abs. 1 Satz 1 WRV erhielt vielmehr eine Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG vergleichbare Fassung:
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"Der Reichstag hat das Recht und auf Antrag von einem Fünftel seiner Mitglieder die Pflicht, Untersuchungsausschüsse einzusetzen."
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Diese Übereinstimmung der beiden Verfassungsvorschriften spricht dafür, daß sich auch Sinn und Inhalt der Regelungen entsprechen (vgl. BVerfGE 3, 407 [415]; 29, 183 [190]; 67, 299 [320]), zumal im Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee der Vorschlag der Minderheit, wonach die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen lediglich "zur Sammlung und Prüfung von Materialien für die Gesetzgebung und zur Kontrolle der Gesetzmäßigkeit und Lauterkeit von Verwaltungsmaßnahmen von Bundesbehörden" zulässig sein sollte, ausdrücklich abgelehnt wurde (vgl. Bericht des Verfassungsausschusses der Ministerpräsidenten-Konferenz der Westlichen Besatzungszonen, Darstellender Teil, S. 36 f.).
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Die Enquete-Kommission Verfassungsreform (Schlußbericht, BTDrucks. 7/5924, S. 50) kam aus ähnlichen Erwägungen zu dem Ergebnis, daß die Institution des Untersuchungsausschusses nach Art. 44 GG im Regierungssystem der Bundesrepublik Deutschland - aber nicht nur hier - eine Tradition als Organ zur Untersuchung von Mißständen im Bereich alles dessen habe, was in die Verantwortung der Bundesregierung oder eines Bundesministers sowie des Bundestages selbst fällt. Ein Untersuchungsausschuß pflege ad hoc eingesetzt zu werden, wenn Behörden oder Einzelpersonen in den Verdacht nachlässiger, unredlicher oder sonst unzulässiger Wahrnehmung der ihnen übertragenen Aufgaben und Befugnisse geraten. Solche "Mißstands- Enqueten" hätten das Bild des Untersuchungsausschusses, auch in der Öffentlichkeit, geprägt, wiewohl die Möglichkeiten des Art. 44 GG auch einen wesentlich breiteren Einsatzbereich für diese Institution zuließen.
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b) Parlamentarische Untersuchungsausschüsse üben öffentliche Gewalt aus. Über die in Art. 44 Abs. 2 Satz 2 GG bezeichneten Schranken hinaus haben sie gemäß Art. 1 Abs. 3 GG die Grundrechte zu beachten. Diese können insbesondere das Beweiserhebungsrecht einschränken (BVerfGE 67, 100 [142]). Die Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 und Art. 14 GG, gegebenenfalls in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG, verbürgen ihren Trägern Schutz gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung oder Weitergabe der auf sie bezogenen, individualisierten oder individualisierbaren Daten (vgl. BVerfGE 65, 1 [43]; 67, 100 [142 f.]). Dieses Recht darf nur im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden; die Einschränkung darf nicht weiter gehen als es zum Schutze öffentlicher Interessen unerläßlich ist (vgl. BVerfGE 65, 1 [44]; 67, 100 [143]).
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Das Beweiserhebungsrecht des parlamentarischen Untersuchungsausschusses (Art. 44 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 GG) und der grundrechtliche Datenschutz stehen sich auf der Ebene des Verfassungsrechts gegenüber und müssen im konkreten Fall einander so zugeordnet werden, daß beide soweit wie möglich ihre Wirkungen entfalten (BVerfGE 67, 100 [143 f.]). Bei der hiernach gebotenen Abwägung sind namentlich Art und Bedeutung des mit der beabsichtigten Beweiserhebung verfolgten Ziels im Rahmen des dem Untersuchungsausschuß erteilten Auftrags und die Schutzwürdigkeit und -bedürftigkeit der betroffenen Daten angemessen zu berücksichtigen. Auf Informationen, deren Weitergabe wegen ihres streng persönlichen Charakters für die Betroffenen unzumutbar ist, erstreckt sich das Beweiserhebungsrecht nicht (vgl. BVerfGE 67, 100 [144]). Schließlich ist stets zu prüfen, ob nach den Umständen eine öffentliche Beweisaufnahme gerechtfertigt ist oder ob die Grundrechte bestimmte Vorkehrungen parlamentarischer Geheimhaltung erfordern (vgl. BVerfGE 67, 100 [144]).
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Die Möglichkeit zur Geheimhaltung eröffnen Art. 44 Abs. 1 Satz 2 GG, der im Untersuchungsverfahren einen Ausschluß der Öffentlichkeit mit einfacher Mehrheit (vgl. BVerfGE 67, 100 [137]) ohne Festlegung bestimmter Voraussetzungen zuläßt, und Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG, dessen Verweisung auf eine sinngemäße Anwendung der Vorschriften über den Strafprozeß auch die §§ 171 b, 172 GVG (früher: § 172 GVG) mitumfaßt (vgl. BVerfGE 67, 100 [134]). Diese gerichtsverfassungsrechtlichen Bestimmungen, die in ihrer jeweils geltenden Fassung anzuwenden sind (vgl. Beschluß des Senats vom 1. Oktober 1987 - 2 BvR 1165/86 - unter C II 1 d), regeln den Ausschluß der Öffentlichkeit zur Geheimhaltung von Umständen aus dem persönlichen Lebensbereich und wichtiger Geschäfts-, Betriebs-, Erfindungs- oder Steuergeheimnisse. Sie sind so auszulegen und anzuwenden, daß die sich aus den Grundrechten ergebenden datenschutzrechtlichen Anforderungen (vgl. BVerfGE 65, 1 [41 ff.]; 67, 100 [142 ff.]) gewahrt werden. Zu berücksichtigen ist hierbei allerdings auch die Bedeutung des Öffentlichkeitsprinzips im demokratischen Parlamentarismus (vgl. BVerfGE 40, 237 [249]; 70, 324 [355]), das nicht weniger Gewicht hat als der Grundsatz der Öffentlichkeit der Hauptverhandlung im Strafprozeß und dem, wie Art. 44 Abs. 1 GG belegt, gerade für das parlamentarische Untersuchungsverfahren insbesondere bei Mißstandsenqueten, ein besonderer Stellenwert zukommt. Die Voraussetzungen und das Verfahren für die Wahrung von Dienstgeheimnissen bei seiner Aufgabenerfüllung hat der Bundestag in detaillierter Weise in der Geheimschutzordnung (sowie in einzelnen Gesetzen) festgelegt (vgl. BVerfGE 67, 100 [135 f.]; 70, 324 [359]).
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c) Das den Untersuchungsausschüssen des Bundestages durch Art. 44 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 GG eingeräumte Beweiserhebungsrecht umfaßt in dem durch die Grundrechte gezogenen Rahmen (vgl. oben b) auch die Befugnis, die im Strafverfahrensrecht vorgesehenen Möglichkeiten zur zwangsweisen Beschaffung von Beweismitteln einzusetzen. Hierzu gehört die Beschlagnahme von Gegenständen, die nicht freiwillig herausgegeben werden (§§ 94 Abs. 1 und 2, 97 ff. StPO).
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aa) Sinn und Zweck des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens fordern eine Auslegung des Art. 44 GG dahin, daß mit der Vorschrift die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für eine wirksame parlamentarische Kontrolle geschaffen werden sollten (vgl. BVerfGE 67, 100 [130]). Dies wäre nicht gewährleistet, wenn sie nicht in der Lage wären, die erforderlichen Beweise auch dann zu erheben, wenn die freiwillige Mitwirkung verweigert wird. Der Aufklärung des Sachverhalts durch Untersuchungsausschüsse kommt keine geringere Bedeutung zu als der Tatsachenermittlung im Strafverfahren (vgl. BVerfGE 67, 100 [146]). Die Möglichkeit der Beschlagnahme von schriftlichen Unterlagen kann für eine effektive Untersuchungstätigkeit unentbehrlich sein. Urkunden und andere schriftliche Beweismittel haben gegenüber Zeugenaussagen oft einen höheren Beweiswert, zumal - insbesondere bei Mißstandsenqueten - das Erinnerungsvermögen von Zeugen aus mancherlei Gründen unergiebig werden kann (vgl. BVerfGE 67, 100 [132]). Die Auslegung des Art. 44 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 GG, wonach im parlamentarischen Untersuchungsverfahren Beschlagnahmen grundsätzlich statthaft sind, ist mit dessen Wortlaut vereinbar. Die Vorschrift nimmt ohne Einschränkung auf die Beweiserhebung im Strafprozeß Bezug; sie will damit ersichtlich alle Bestimmungen berücksichtigt wissen, die die strafprozessuale Sachverhaltsaufklärung regeln (vgl. BVerfGE 67, 100 [133]). Hierzu gehören nicht nur die Vorschriften über die zulässigen Arten von Beweismitteln und deren Verwertung, sondern auch die Regelungen über deren Beschaffung und Sicherung. Dieses Verständnis des Begriffs "Beweiserhebung" liegt auch dem Strafverfahrensrecht zugrunde (vgl. §§ 201, 202, 244 Abs. 3 StPO). Für die Auswertung von Beweismitteln verwendet das Gesetz die engere Bezeichnung "Beweisaufnahme" (§ 244 Abs. 1 StPO).
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Der Auffassung, die Beschlagnahme sei im parlamentarischen Untersuchungsverfahren statthaft, kann nicht entgegengehalten werden, es handle sich hierbei um eine spezifisch strafprozessuale Maßnahme, die nicht auf andere Verfahren übertragen werden könne. Es ist nichts ersichtlich, was einen solchen Ausschluß sinngemäßer Anwendung geböte oder nahelegen würde. Die Möglichkeit der Beschlagnahme findet sich nicht nur in der Strafprozeßordnung, sondern auch in verwaltungsrechtlichen Gesetzen, die sie mit verschiedener Zielrichtung vorsehen (vgl. z.B. § 76 Abs. 3 AO; § 7 Abs. 2 und 3 des Gesetzes über die Anwendung unmittelbaren Zwanges und die Ausübung besonderer Befugnisse durch Soldaten der Bundeswehr und zivile Wachpersonen). Daß bei Untersuchungsaufträgen, die sich auf die Aufklärung von Sachverhalten im Bereich der Exekutive beziehen, Beschlagnahmemaßnahmen oft entbehrlich sein werden, weil in der Regel ausreichende andere Zugriffsmöglichkeiten bestehen, rechtfertigt es nicht, das Beschlagnahmerecht im parlamentarischen Untersuchungsverfahren für unstatthaft zu halten.
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Aus der Entstehungsgeschichte des Art. 34 WRV, des Vorläufers des Art. 44 GG, folgt nichts anderes. Der Verfassungsausschuß der Weimarer Nationalversammlung nahm die Bezugnahme auf die Vorschriften der Strafprozeßordnung während seiner Beratungen in den Text der Vorschrift (Art. 34 Abs. 3 WRV) auf, um zum Recht der Zeugeneinvernahme, das er mit Art. 34 Abs. 1 WRV als geregelt ansah, das Recht des Zeugniszwanges und der Zeugenvereidigung hinzuzufügen (vgl. BVerfGE 67, 100 [131]). Der dieser Regelung ersichtlich zugrundeliegende Gedanke, Machtlosigkeit des Untersuchungsausschusses durch die Einräumung von Zwangsrechten zu vermeiden (vgl. die Ausführungen des Geheimen Regierungsrats Zweigert im Verfassungsausschuß, a.a.O. [oben a], S. 266), ist auch auf den Urkundenbeweis zu übertragen. Zeugniszwang und Beschlagnahme weisen weder nach ihrer Rechtsnatur noch im Hinblick auf die jeweils betroffenen Grundrechte Unterschiede auf, die es rechtfertigen könnten, jenen dem Untersuchungsausschuß zuzugestehen, diese aber nicht, obwohl gerade schriftliche Unterlagen besonders zuverlässige Beweismittel darstellen können (vgl. BVerfGE 67, 100 [132]).
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bb) Art. 44 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GG in Verbindung mit § 94 Abs. 1 und 2 StPO stellt eine hinreichend bestimmte Rechtsgrundlage für die Beschlagnahme im parlamentarischen Untersuchungsverfahren dar.
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Vorschriften solcher Art müssen, insbesondere wenn sie Grundrechtseingriffe vorsehen oder zulassen, den rechtsstaatlichen Grundsätzen der Normklarheit und -bestimmtheit entsprechen. Sie müssen in ihren tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so formuliert sein, daß die Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können. Die Gerichte müssen in der Lage sein, die gesetzgeberische Entscheidung zu konkretisieren (vgl. BVerfGE 31, 255 [264]).
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Diesen Anforderungen wird Art. 44 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GG gerecht, indem er für die Beweiserhebung die sinngemäße Anwendung der Vorschriften über den Strafprozeß vorschreibt. Auszugehen ist danach zunächst vom Sinn und Zweck des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens. Von daher ist jeweils zu prüfen, welche strafprozessualen Vorschriften heranzuziehen und in welchem Umfang sie anzuwenden sind (vgl. BVerfGE 67, 100 [128]). Die Notwendigkeit der Auslegung des Art. 44 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GG im aufgezeigten Rahmen nimmt der Vorschrift nicht die Bestimmtheit, die zu ihrer unmittelbaren Anwendung ohne Einschaltung eines speziellen Ausführungsgesetzes erforderlich ist (vgl. z.B. BVerfGE 21, 245 [261]; 31, 255 [264]; 45, 400 [420]; 63, 312 [324]), zumal die gesetzlichen Regelungen, die sinngemäß anzuwenden sind, die notwendige inhaltliche Bestimmtheit aufweisen. Es ist Aufgabe der Rechtsanwendungsorgane, die Zweifelsfragen zu klären, die sich aus einer komplexe Sachverhalte erfassenden Regelung ergeben (vgl. BVerfGE 31, 255 [264]).
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cc) Die Verweisung auf die Strafprozeßordnung setzt der Beweiserhebung durch den Untersuchungsausschuß selbst Grenzen; Beschlagnahmeanordnungen, die im Untersuchungsverfahren notwendig werden, können vom Untersuchungsausschuß grundsätzlich nicht selbst getroffen werden, sondern sind beim zuständigen Gericht zu beantragen.
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Im Strafverfahren dürfen Beschlagnahmen grundsätzlich nur durch den Richter angeordnet werden. Lediglich bei Gefahr im Verzug sind auch die Staatsanwaltschaft und ihre Hilfsbeamten hierzu befugt (§ 98 Abs. 1 StPO, Ausnahme: § 98 Abs. 1 Satz 2 StPO). In diesem Fall ist grundsätzlich eine richterliche Bestätigung der Beschlagnahme erforderlich. Nur unter der Voraussetzung, daß der Betroffene oder ein Angehöriger bei der Beschlagnahme anwesend ist und keinen Widerspruch erhebt, ist die Einschaltung eines Richters nicht zwingend vorgesehen (§ 98 Abs. 2 Satz 1 StPO). Diese Regelungen dienen dem Schutz des Betroffenen. Das Grundgesetz (Art. 13 Abs. 2, Art. 19 Abs. 4 und Art. 104 Abs. 2 GG) und der Gesetzgeber gehen davon aus, daß Richter aufgrund ihrer persönlichen und sachlichen Unabhängigkeit und ihrer nur dem Gesetz unterworfenen Stellung (Art. 97 GG) die Wahrung der Rechte Betroffener im Einzelfall am besten und sichersten gewährleisten.
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Die Beweiserhebung durch den Untersuchungsausschuß mag zwar in mancher Hinsicht dem richterlichen Handeln im Strafverfahren ähnlich sein; eine Gleichsetzung mit richterlicher Tätigkeit scheidet jedoch aus. Die Mitglieder des Ausschusses besitzen nicht die Stellung eines Richters; das Verfahren ist nicht auf eine Entscheidung, wie sie Gerichte zu treffen haben, angelegt (vgl. oben 2 c). Es handelt sich vielmehr um eine Tätigkeit, gegen die gegebenenfalls gerichtlicher Rechtsschutz in Anspruch genommen werden kann (Art. 19 Abs. 4 GG; vgl. auch BVerwG, BayVBl. 1981, S. 214 f.; BayVGH, BayVBl. 1981, S. 209 [210 f.]; OVG Lüneburg, NVwZ 1986, S. 845 f.; OVG Nordrhein-Westfalen, DÖV 1987, S. 115 f.; Kopp, Verwaltungsgerichtsordnung, 7. Aufl., 1986, § 40 Rdnr. 34). Das parlamentarische Untersuchungsverfahren weist auch sonst keine Besonderheiten auf, die es rechtfertigen könnten, den Untersuchungsausschuß einem Gericht gleichzustellen und ihm allgemein das Beschlagnahmerecht zuzuerkennen. Es muß insoweit bei der Zuständigkeitsregel des § 98 Abs. 1 StPO verbleiben, wonach grundsätzlich der Richter für die Beschlagnahme zuständig ist. Hierdurch wird die Tätigkeit des Untersuchungsausschusses nicht unzumutbar erschwert. Auch handelt es sich nicht um einen nach der verfassungsrechtlichen Aufteilung der Kompetenzen auf die Staatsgewalten unzulässigen Eingriff in den Aufgabenbereich des Untersuchungsausschusses. Sollten die Gerichte den Beschlagnahmeantrag ablehnen, muß der Ausschuß dies ebenso hinnehmen, wie wenn eine von ihm selbst verfügte Beschlagnahme in einem hiergegen gerichteten Rechtsschutzverfahren (vgl. Art. 19 Abs. 4 GG) als rechtswidrig aufgehoben würde.
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Der Deutsche Bundestag geht selbst davon aus, daß die Besonderheiten des Untersuchungsausschußverfahrens nicht eine allgemeine Beschlagnahmebefugnis des Untersuchungsausschusses erfordern. Er legt dem Untersuchungsverfahren grundsätzlich die sog. IPA-Regeln zugrunde (Nr. VI des Untersuchungsauftrags), die in § 13 Abs. 4 Satz 1 die Beschlagnahme durch das zuständige Gericht auf Antrag des Untersuchungsausschusses vorsehen. Eine entsprechende Bestimmung enthält § 16 Abs. 4 Satz 1 des vom Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages erarbeiteten und am 29. November 1985 den Fraktionen zur Stellungnahme übermittelten Entwurfes eines Gesetzes über Einsetzung und Verfahren von Untersuchungsausschüssen des Deutschen Bundestages.
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d) Im parlamentarischen Untersuchungsverfahren ist nach den aufgezeigten Grundsätzen eine Beschlagnahme bei Privaten nur dann zulässig, wenn sie durch das Gewicht des Untersuchungszwecks und die Bedeutung des Beweisthemas gerechtfertigt ist. Die Maßnahme darf nur soweit in die Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 und Art. 14 GG, gegebenenfalls in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG, eingreifen, wie es im öffentlichen Interesse geboten ist; der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist zu beachten (vgl. BVerfGE 65, 1 [44]; 67, 100 [143]).
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Die Vorschriften der Strafprozeßordnung über das strafrechtliche Ermittlungsverfahren tragen dem Rechnung. § 94 Abs. 1 und 2 StPO, der die Beschlagnahme von Gegenständen zuläßt, die als Beweismittel für die Untersuchung von Bedeutung sein können, schließt zwar nicht aus, daß auch solche Dinge beschlagnahmt werden, die letztlich im Strafverfahren keine Verwendung finden. Dies ist unvermeidbar, weil das strafrechtliche Ermittlungsverfahren auf einem Tatverdacht beruht. Die dort rechtsstaatlich geforderte umfassende Ermittlungstätigkeit (vgl. BVerfGE 29, 183 [194]; 32, 373 [381]; 33, 367 [383]) bringt Nachforschungen mit sich, auch wenn sie später nicht zu einer Anklage oder Verurteilung führen. Entscheidend ist nur die potentielle Bedeutung des zu beschlagnahmenden Materials. Auf der anderen Seite sieht das Strafverfahren von vornherein Vorkehrungen zum Schutz der Geheimsphäre des Betroffenen vor. Das staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren ist nichtöffentlich; die an ihm beteiligten Personen unterliegen einer straf- und disziplinarrechtlich bewehrten Schweigepflicht (vgl. §§ 353 b Abs. 1, 355 Abs. 1 StGB; §§ 61 ff. BBG und die entsprechenden beamtenrechtlichen Vorschriften der Länder). Die öffentliche Anklage (§ 170 Abs. 1 StPO) wird nur dann erhoben, wenn die Staatsanwaltschaft einen hinreichenden Tatverdacht bejaht. Die Veröffentlichung der Anklageschrift oder anderer amtlicher Schriftstücke im Wortlaut vor ihrer öffentlichen Erörterung in der Hauptverhandlung ist mit Strafe bedroht (§ 353 d Nr. 3 StGB). Darüber, ob die Anklage in öffentlicher Sitzung erörtert werden soll, entscheidet ein unabhängiges Gericht (§ 203 StPO). Die Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung wird von einem Richter geleitet (§ 238 Abs. 1 StPO). Dieser hat auch die Grundrechte Dritter zu wahren (vgl. §§ 171 b, 172 GVG) und ist verpflichtet, von der Erhebung unzulässiger Beweise abzusehen (vgl. § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO). Zudem kann ein Betroffener regelmäßig noch während des nichtöffentlichen Ermittlungsverfahrens eine gegebenenfalls richterliche Entscheidung über die Freigabe beschlagnahmter Gegenstände herbeiführen (vgl. Kleinknecht/Meyer, Strafprozeßordnung, 38. Aufl., 1987, § 98 Rdnr. 30). Im Strafverfahren sind damit weitgehende Vorkehrungen getroffen, daß der Inhalt beschlagnahmter Unterlagen erst dann in der Öffentlichkeit bekannt wird, wenn sie nach richterlicher Einschätzung für die Ermittlung des Sachverhalts von Bedeutung sind und die Grundrechte des Betroffenen einer Verwertung nicht entgegenstehen. Mit Blick auf diese Vorkehrungen ist es verfassungsrechtlich unbedenklich, daß nach §§ 94 ff. StPO beschlagnahmte Gegenstände ohne weitere richterliche Prüfung unmittelbar den Strafverfolgungsbehörden ausgehändigt werden.
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Das parlamentarische Untersuchungsverfahren sieht demgegenüber vergleichbare Sicherungen zum Schutz des Betroffenen nicht vor. Der Ausschuß kann zwar verschiedene Maßnahmen zum Schutz der Geheimhaltung treffen. Dies ändert jedoch nichts daran, daß im Regelfall die in Betracht kommenden Beweismittel alsbald in öffentlicher Verhandlung erörtert werden, ohne daß vorher eine förmliche Entscheidung über die Beweiserheblichkeit im einzelnen und die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Beweiserhebung im Blick auf die Rechtsstellung des Betroffenen erfolgt, die vor der öffentlichen Erörterung einen rechtzeitigen und effektiven gerichtlichen Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) ermöglicht. Das Verfahren vor dem Untersuchungsausschuß, das sich anders als das strafrechtliche Ermittlungsverfahren im politischen Raum und in den damit vorgegebenen Spannungsfeldern vollzieht, weist damit gegenüber dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren Besonderheiten auf, die hinsichtlich der Grundrechte des Betroffenen von Gewicht sind. Dies erfordert bei der Beschlagnahme Vorkehrungen zu seinem Schutz, die bereits in diesem Stadium diesen Besonderheiten Rechnung tragen. Insoweit ist sicherzustellen, daß beschlagnahmte Unterlagen, die ersichtlich grundrechtlich bedeutsame Daten enthalten, erst dann im Ausschuß erörtert werden, wenn ihre Beweiserheblichkeit im einzelnen und die Frage der Zulässigkeit der Beweiserhebung im Blick auf ausreichende Geheimschutzmaßnahmen geprüft wurden.
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Die Herausgabe der beschlagnahmten Gegenstände unmittelbar an den Untersuchungsausschuß darf danach nur angeordnet werden, wenn aus grundrechtlicher Sicht hiergegen keine Bedenken bestehen, so regelmäßig, wenn ihre potentielle Beweisbedeutung im Gesamten von vornherein feststeht und nach dem mutmaßlichen Inhalt Geheimschutzmaßnahmen voraussichtlich nicht erforderlich werden oder solche bereits in hinreichendem Umfang getroffen sind.
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Soll hingegen auf Unterlagen zurückgegriffen werden, die grundrechtlich geschützte Daten enthalten, die aber ersichtlich nur zum Teil potentiell beweiserheblich sind, und läßt sich eine nähere Unterscheidung erst nach Durchsicht dieser Unterlagen treffen, so ist es geboten, die Beschlagnahme zunächst als vorläufige Maßnahme anzuordnen. Diese darf dann nur dazu dienen, dem Gericht den Gewahrsam an allen in Betracht kommenden Papieren zu verschaffen, um so eine Einzelprüfung der potentiellen Beweiserheblichkeit zu ermöglichen. Erst aufgrund dieser am Maßstab des § 94 Abs. 1 StPO vorgenommenen Durchsicht wird die endgültige Entscheidung über den Umfang der Beschlagnahme zu treffen sein. Die hiernach nicht benötigten Unterlagen sind freizugeben.
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Zuständig für diese Regelung und die entsprechenden Entscheidungen ist in sinngemäßer Anwendung des § 98 Abs. 1 StPO das Gericht. Die effektive Erfüllung der dem Untersuchungsausschuß obliegenden Aufgaben wird nicht wesentlich beeinträchtigt, wenn er in den bezeichneten, besonders gelagerten Fällen nicht selbst über die potentielle Beweiserheblichkeit entscheiden kann. Diese Befugnis steht ihm auch dann nicht zu, wenn er im Rahmen einer gegen die Bundesregierung gerichteten Kontrollenquete deren Akten anfordert. Die Regierung entscheidet hier in eigener Verantwortung, welche Akten oder Teile davon in sachlichem Zusammenhang mit dem Untersuchungsauftrag stehen, wie ihn der Bundestag formuliert hat (vgl. BVerfGE 67, 100 [134]), obwohl sie nicht neutral wie ein Gericht, sondern selbst betroffen ist. Die gerichtliche Kontrolle greift in die Kompetenz des Untersuchungsausschusses zur Beweiserhebung nicht stärker ein als die Prüfungsbefugnis der Regierung. Es ist auch nicht generell zu besorgen, daß die Gerichte zu einer sachgerechten Entscheidung nicht in der Lage wären. Sie können und müssen sich wie auch in zahlreichen anderen schwierigen Verfahren die erforderliche Sachkenntnis verschaffen. In Zweifelsfällen kann der Richter auch den Untersuchungsausschuß veranlassen, die Begründung des Beschlagnahmeantrags zu ergänzen und dabei zu den ihm maßgeblich erscheinenden Fragen erläuternd Stellung zu nehmen. Zu diesem Zweck kann das Gericht dem Ausschuß in dem nach Sachlage gebotenen Umfang auch Aufschluß über den Inhalt der beschlagnahmten Unterlagen geben, wobei jedoch immer die Grundrechtspositionen des Betroffenen zu beachten sein werden. Lassen diese Rechtspositionen eine Offenlegung gegenüber sämtlichen Ausschußmitgliedern nicht zu, muß diese auf eine kleine Zahl von Ausschußmitgliedern, gegebenenfalls auf den Vorsitzenden und seinen Stellvertreter, beschränkt werden (vgl. BVerfGE 67, 100 [138 f.]). Sie sind nach Maßgabe der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages zur Geheimhaltung der im gerichtlichen Verfahren erlangten Kenntnisse auch gegenüber den anderen Ausschußmitgliedern zu verpflichten. Lehnt der Ausschuß den erforderlichen Geheimschutz ab, ist der Einblick in die Unterlagen zu versagen (vgl. BVerfGE 67, 100 [137]).
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Die Vorlage der beschlagnahmten Unterlagen zunächst an das Gericht ist auch dann anzuordnen, wenn zwar hinsichtlich der Beweiserheblichkeit keine Bedenken bestehen, jedoch konkrete Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, daß die beschlagnahmten Papiere grundrechtlich geschützte Daten enthalten, die bisher noch nicht getroffenen Geheimhaltungsmaßnahmen erforderlich machen können (vgl. oben b). Das Gericht hat dann zu prüfen, welche Maßnahmen im einzelnen geboten sind (vgl. BVerfGE 67, 100 [142 ff.]), und die Herausgabe der beschlagnahmten Gegenstände an den Ausschuß von entsprechenden Ausschußbeschlüssen abhängig zu machen (vgl. BVerfGE 67, 100 [137]). Ebenso ist zu verfahren, wenn die aufgrund der gerichtlichen Aussonderung dem Ausschuß zu übergebenden Unterlagen schutzbedürftige Daten enthalten, die Anlaß zu Geheimschutzvorkehrungen geben.
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II. |
Gegenstand des Verfassungsbeschwerde-Verfahrens sind die angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen. Für die verfassungsgerichtliche Überprüfung ist danach davon auszugehen, daß das eigentliche Ziel des Untersuchungsauftrags in der Aufklärung von Mißständen lag, deren Grund Verstöße des gemeinnützigen Wohnungsbauunternehmens Neue Heimat gegen bundesgesetzliche Regelungen sein sollten, daß Nr. II 3 und V des Untersuchungsauftrags nach fachgerichtlicher Auffassung die Beschlagnahme nicht rechtfertigen konnten und daß offen bleibt, ob eine Gesetzesenquete ernsthaft beabsichtigt war.
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In dem hiernach gezogenen Rahmen sind die angegriffenen Beschlüsse insoweit verfassungsrechtlich zu beanstanden, als eine unbeschränkte Herausgabe der beschlagnahmten Aufsichtsratsprotokolle an den Untersuchungsausschuß angeordnet wurde und es damit zunächst allein diesem überlassen blieb zu entscheiden, welche der Unterlagen im einzelnen für den vom Landgericht als Grundlage der Beschlagnahme herangezogenen Teil des Untersuchungsauftrags von Bedeutung sein können. Insoweit sind die Beschwerdeführer in ihren Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 14 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG verletzt.
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Im einzelnen gilt:
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1. Bedenken gegen die Befugnis des Deutschen Bundestages zur Einsetzung des Ausschusses bestehen nicht.
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a) Die Untersuchung diente - wovon auch das Landgericht ausging - der Aufklärung eines nach Umfang und Bedeutung der vermuteten Rechtsverstöße und nach dem Gewicht der Folgen der angenommenen Mißstände schwerwiegenden Skandals in der privaten Wirtschaft. Die Neue Heimat und ihre Konzerngesellschaften sind die größten Wohnungsbauträger der Bundesrepublik Deutschland. Neben anderen unternehmerischen Betätigungen errichteten sie in den letzten Jahrzehnten ca. 540 000 Wohnungen, davon ca. 440 000 Mietwohnungen, und übernahmen die Bewirtschaftung einer Vielzahl von Wohnungen, Kleinsiedlungen und Wohnanlagen (vgl. BTDrucks. 10/6779, Tz. 69). Ihr unternehmerisches Verhalten beeinflußte daher den Wohnungs- und Arbeitsmarkt im gesamten Bundesgebiet erheblich. Entsprechend ihrer umfangreichen Bautätigkeit wurden die beteiligten Firmen als gemeinnützige Wohnungsbauunternehmen unmittelbar und mittelbar durch öffentliche Mittel gefördert. Das öffentliche Interesse an der Prüfung der ordnungsgemäßen Mittelverwendung wird durch die erfolgte (teilweise) Rückzahlung von Krediten nicht ausgeschlossen; die Tilgung ändert an der Pflicht zum Einsatz der Darlehen entsprechend ihrer Zweckbestimmung während ihrer Laufzeit nichts. Die vermuteten erheblichen Mißstände im Bereich der Anwendung der für den sozialen Wohnungsbau innerhalb und außerhalb des Steuerrechts bestehenden Subventionsbestimmungen wiesen auf erhebliche volkswirtschaftliche und haushaltsmäßige Auswirkungen hin (vgl. BVerfGE 67, 100 [145]). Die Relevanz und Schwere des gegen die Unternehmensgruppe Neue Heimat bestehenden Verdachts ergaben sich insbesondere auch aus dem umfangreichen Bericht des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg "Neue Heimat" (Drucks. 11/ 5900).
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Keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen gegen die Einbeziehung der Beschwerdeführerin zu 1) in die parlamentarische Untersuchung, obwohl diese selbst nicht gemeinnützig ist und nicht Subventionsempfängerin war. Nach den Feststellungen des Landgerichts lag für den Beschlagnahmezeitraum zumindest ein Anfangsverdacht auf Beteiligung der Beschwerdeführerin zu 1) an den aufzuklärenden Mißständen vor. Das Landgericht stützte sich hierbei auf die konzernmäßigen Verflechtungen der Beschwerdeführerin zu 1), der Neuen Heimat und der Neuen Heimat Städtebau, auf das Gutachten der Monopolkommission 1980/1981 (BTDrucks. 9/1892, S. 243) und auf die Ausführungen des Hamburger Untersuchungsausschusses "Neue Heimat" (a.a.O., S. 179). Diese Feststellungen des Landgerichts lassen einen Verstoß gegen spezifisches Verfassungsrecht nicht erkennen. Sie sind vertretbar, jedenfalls nicht willkürlich, und beruhen auch nicht auf einer Verletzung prozessualer Grundrechte (vgl. BVerfGE 18, 85 [92 f.]; 70, 93 [97]; 74, 102 [127]).
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b) Die Aufklärung von Rechtsverstößen der Unternehmensgruppe Neue Heimat und der BGAG fällt nicht in die ausschließliche Kompetenz der Länder. Der Untersuchungsauftrag zielte nicht auf die Kontrolle der Ausführung von Bundesrecht durch die Länder ab, sondern bezog sich unmittelbar auf das Gebaren dieser Unternehmensgruppe. Die Untersuchungsbefugnis des Deutschen Bundestages im Verhältnis zu den Ländern ergab sich jedenfalls aus der Gesamtheit mehrerer Anknüpfungspunkte. Zum einen ging es um Verstöße gegen Bundesrecht. Zum anderen waren Haushaltsmittel des Bundes (vgl. §§ 1, 18 ff. II. WoBauG, § 5 Abs. 1 Nr. 10 KStG) in beträchtlichem Umfang betroffen. Darüber hinaus berührte die Geschäftstätigkeit der Neuen Heimat eine Vielzahl von Mietern und Arbeitnehmern im gesamten Bundesgebiet.
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c) Die Untersuchung griff nicht in den ausschließlichen Kompetenzbereich anderer Bundesorgane ein, insbesondere nicht in den "Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung" (vgl. BVerfGE 67, 100 [139]) der Bundesregierung. Der Untersuchungsauftrag sprach diese in den Abschnitten, die vom Landgericht als Grundlage der Beschlagnahme herangezogen wurden, nur in Nr. IV an. Hierbei ging es um die Ermittlung einer etwaigen Einflußnahme Dritter auf Mitglieder der Bundesregierung in einem zurückliegenden Zeitraum, also um einen abgeschlossenen Vorgang, der den auch von Untersuchungsausschüssen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich der Regierung (vgl. BVerfGE, a.a.O.) nicht berührte.
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2. Die Beschlagnahme der Aufsichtsratsprotokolle war verhältnismäßig. Das Landgericht hat die für diese Maßnahme sprechenden Gründe mit den Rechten der Beschwerdeführer abgewogen und hierbei der Verfassung entsprechende Bewertungsmaßstäbe zugrunde gelegt. Eine weitergehende, alle Einzelheiten umfassende Prüfung obliegt dem Bundesverfassungsgericht nicht (vgl. BVerfGE 27, 211 [219]). Der Eingriff wurde durch das Gewicht des Untersuchungsauftrags und die Bedeutung des Beweisthemas gerechtfertigt.
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a) Das Landgericht ordnete auch die Beschlagnahme der Protokolle von Sitzungen des Aufsichtsrats der Beschwerdeführerin zu 1) nach der Einsetzung des Untersuchungsausschusses am 5. Juni 1986 für einen begrenzten Zeitraum bis zum 1. Oktober 1986 an. Es ging in Übereinstimmung mit der Auffassung des Untersuchungsausschusses (vgl. BVerfGE 67, 100 [128]) davon aus, auch diese Unterlagen könnten zur Aufklärung im Sinn des von ihm als Grundlage der Beschlagnahme herangezogenen Teils des Untersuchungsauftrags beitragen. Diese ihm als Fachgericht obliegende Wertung des Sachverhalts (vgl. BVerfGE 18, 85 [92 f.]; 70, 93 [97]; 74, 102 [127]) ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie läßt sich mit Wortlaut sowie Sinn und Zweck des Untersuchungsauftrags vereinbaren und ist nach den Umständen nicht sachwidrig. Dem Bundestag war ersichtlich an einer möglichst vollständigen und aktuellen Berichterstattung durch den Ausschuß zu dem Enqueteauftrag gelegen.
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b) Das dem Beschlagnahmeantrag zugrunde liegende Beweisthema bezog sich zwar auf den gesamten Untersuchungsauftrag, der vom Landgericht nur teilweise als zulässig befunden wurde. Hieraus lassen sich jedoch keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken ableiten. Das Landgericht ist davon ausgegangen, daß die Nr. II 1, 2, III und IV des Untersuchungsauftrags, die nach seiner Auffassung einen zwangsweisen Zugriff auf Beweismittel zuließen, die Beschlagnahme im angeordneten Umfang rechtfertigten. Diese Beurteilung ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, zumal diese Teile den wesentlichen Inhalt des Einsetzungsbeschlusses umfassen.
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c) Das Landgericht konnte davon ausgehen, die Aufsichtsratsprotokolle der Beschwerdeführerin zu 1) als jedenfalls faktisch konzernleitender Gesellschaft würden wichtige Aufschlüsse für die Untersuchung ergeben, die nicht auf einfachere, weniger belastende Art und Weise zu erlangen waren. Es war nicht gehalten, den Untersuchungsausschuß auf den Bericht des Hamburger Untersuchungsausschusses "Neue Heimat" zu verweisen, dem die Aufsichtsratsprotokolle der Beschwerdeführerin zu 1) nicht vorgelegen hatten und der ersichtlich nicht die Aufklärung gebracht hatte, die mit dem Untersuchungsauftrag des Bundestages angestrebt wurde.
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3. Die Fachgerichte durften im vorliegenden Fall jedoch nicht die unbeschränkte Herausgabe der beschlagnahmten Aufsichtsratsprotokolle an den Untersuchungsausschuß anordnen und diesem die Entscheidung überlassen, welche der Unterlagen im einzelnen für den vom Landgericht als Grundlage der Beschlagnahme herangezogenen Teil des Untersuchungsauftrags von Bedeutung sein können (§ 94 Abs. 1 StPO). Nach dem im Hinblick auf die Konzernzusammensetzung und -struktur glaubhaften Vortrag der Beschwerdeführer enthalten die beschlagnahmten Aufsichtsratsprotokolle Teile, die nur die Beschwerdeführer zu 2) und 3) und andere Anteilseigner und Konzernunternehmen der Beschwerdeführerin zu 1) betreffen, daher für die Abschnitte des Untersuchungsauftrags, die das Landgericht als Grundlage der Beschlagnahme herangezogen hat, nicht beweiserheblich sind und offensichtlich grundrechtlichen Datenschutz genießen. Das Gericht hätte daher die Vorlage an sich anordnen und eine Aussonderung nach dem oben I 3 d dargelegten Verfahren vornehmen müssen. Nur die Aufsichtsratsprotokolle oder Teile davon, die nach einer Prüfung im einzelnen als beweiserheblich (§ 94 Abs. 1 StPO) erachtet worden wären, hätten dem Untersuchungsausschuß übergeben werden dürfen. Indem die Gerichte demgegenüber eine Herausgabe der vollständigen Protokolle an den Ausschuß ohne vorherige gerichtliche Durchsicht auf die Beweisbedeutsamkeit anordneten, verletzten sie nicht nur die Beschwerdeführerin zu 1) als unmittelbar von der Beschlagnahme Betroffene, sondern auch die übrigen Beschwerdeführer in ihren Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1, Art. 14 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG (vgl. BVerfGE 65, 1 [41 ff.]; 67, 100 [142 ff.]).
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4. Weitere Vorkehrungen waren vom Fachgericht im vorliegenden Fall allerdings nicht zu verlangen. Das Landgericht hätte nach entsprechender Aussonderung im Hinblick auf die detaillierte Regelung in der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages und auf den Beschluß des Untersuchungsausschusses vom 21. August 1986 (oben A III 2) davon ausgehen können, daß der Untersuchungsausschuß in eigener Verantwortung die Geheimhaltungsmaßnahmen ergreifen werde, die aufgrund des gerichtlich überprüften Materials veranlaßt waren. Im angeführten Beschluß hatte sich der Ausschuß zur Wahrung der Grundrechte der Beschwerdeführerin zu 1) aus Art. 14 und 9 Abs. 3 GG und zur Anwendung des § 172 GVG verpflichtet. Anhaltspunkte dafür, daß auch nach der hier erforderlichen Aussonderung (oben 3) die Grundrechte der Beschwerdeführer weitergehende Anforderungen an den Geheimschutz verlangt hätten, sind weder vorgetragen (§ 92 BVerfGG) noch sonst ersichtlich. Daß auch die Vorschriften zur Wahrung von Dienstgeheimnissen keine absolute Sicherheit bieten können, läßt sich dem Bundestag nicht entgegenhalten (vgl. BVerfGE 67, 100 [136]). Kommt es im Einzelfall zu einer Verletzung des Dienstgeheimnisses durch Offenbarung von Daten, so kann der Betroffene hiergegen gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen (vgl. Art. 19 Abs. 4 GG). Solche Rechtsverletzungen von vornherein auszuschließen, ist im gerichtlichen Beschlagnahmeverfahren nicht möglich.
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5. Die Beschwerdeführer zu 2) und 3) können keinen weitergehenden grundrechtlichen Schutz gegen die Beschlagnahme beanspruchen als die Beschwerdeführerin zu 1). Aufgrund ihrer Konzernverflechtung mit der Beschwerdeführerin zu 1) mußten sie im Hinblick auf das gewichtige öffentliche Untersuchungsinteresse und die Bedeutung des Beweisthemas und des Beweismittels die Beschlagnahme sowie die Übergabe der Teile der Aufsichtsratsprotokolle, die für die Untersuchung von Bedeutung sein können (§ 94 Abs. 1 StPO), an den Ausschuß hinnehmen. Die Beschwerdeführer zu 2a) und b) können auch aus Art. 9 Abs. 3 GG keine weitergehenden Abwehrrechte herleiten. Dem Schutz des Grundrechts auf Koalitionsfreiheit unterliegt eine auf Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ihrer Mitglieder gerichtete Tätigkeit der Koalitionen nur, soweit sie eine spezifisch koalitionsmäßige ist (BVerfGE 42, 133 [138]; 50, 290 [367 f.]; 57, 29 [37]). Ob diese Voraussetzung bereits gegeben ist, wenn Gewerkschaften ihr auch für eventuelle Arbeitskampfmaßnahmen bestimmtes Vermögen in Unternehmen anlegen, die, wie die Beschwerdeführerin zu 1), als privatrechtliche Gesellschaften betrieben werden und Zwecken dienen, die auch von anderen privaten Unternehmen verfolgt werden, ist zumindest zweifelhaft. Jedenfalls schützt Art. 9 Abs. 3 GG die Koalitionsfreiheit nur in ihrem Kernbereich (BVerfGE 58, 233 [247]; st. Rspr.). Das Grundrecht räumt den geschützten Personen und Vereinigungen keinen inhaltlichen unbegrenzten und unbegrenzbaren Handlungsspielraum ein (BVerfGE 38, 386 [393]; 58, 233 [247]). Dem Betätigungsrecht der Koalitionen dürfen allerdings nur solche Schranken gezogen werden, die zum Schutz anderer Rechtsgüter von der Sache her geboten sind (BVerfGE 58, 233 [247]). Eine solche Schranke setzt das parlamentarische Untersuchungsrecht des Art. 44 GG für Unternehmen der genannten Art, soweit aufgrund der konkreten Umstände Eingriffe in deren Grundrechte gerechtfertigt sind.
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6. Die angegriffenen Entscheidungen sind nach alledem aufzuheben, soweit durch sie eine unbeschränkte Herausgabe der beschlagnahmten Aufsichtsratsprotokolle an den Untersuchungsausschuß angeordnet wurde und es damit zunächst allein diesem überlassen blieb zu entscheiden, welche der Unterlagen im einzelnen für den vom Landgericht als Grundlage der Beschlagnahme herangezogenen Teil des Untersuchungsauftrags von Bedeutung sein können. Die Sache ist an das Landgericht zurückzuverweisen. Die Auflösung des Untersuchungsausschusses "NEUE HEIMAT" steht dem nicht entgegen (vgl. BVerfGE 69, 257). Das Landgericht wird unter Beachtung des vorliegenden Beschlusses nach dem Stand des Verfahrens eine abschließende Entscheidung zu treffen haben.
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III. |
1. Mit der Entscheidung über die von den Beschwerdeführern erhobenen Verfassungsbeschwerden erledigt sich die ausdrücklich bis zu diesem Zeitpunkt befristete einstweilige Anordnung vom 5. November 1986 (BVerfGE 74, 7).
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2. Nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind die Fragen, ob die noch in der Verfügungsgewalt des Deutschen Bundestages befindlichen Ablichtungen von Aufsichtsratsprotokollen der Beschwerdeführerin zu 1) nach dem Ende der Wahlperiode des 10. Deutschen Bundestages und nach der Auflösung von dessen 3. Untersuchungsausschuß "NEUE HEIMAT" an die Beschwerdeführerin zu 1) herauszugeben sind und ob der vom Untersuchungsausschuß entsprechend dem Urteil vom 5. November 1986 erstellte geheime Teil des Abschlußberichts ganz oder teilweise veröffentlicht werden darf und wem gegebenenfalls die Entscheidung hierüber zusteht. Im Streitfall obläge die Klärung dieser Probleme zunächst den zuständigen Fachgerichten (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG).
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IV. |
Im Hinblick auf den teilweisen Erfolg der Verfassungsbeschwerden ist eine Erstattung der Hälfte der notwendigen Auslagen der Beschwerdeführer angezeigt (§ 34 a Abs. 2 BVerfGG). Erstattungspflichtig ist das Land Hessen (vgl. BVerfGE 25, 156; 25, 156 [157]; 25, 157 [158]).
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D. |
Diese Entscheidung ist einstimmig ergangen.
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Zeidler, Dr. Dr. h.c. Niebler, Steinberger, Träger, Mahrenholz, Böckenförde, Klein, Graßhof |