BVerfGE 159, 26 - Äußerungen Merkel
Äußerungen der Bundeskanzlerin Merkel in Südafrika -- Befangenheitsgesuch
 
Beschluss
des Zweiten Senats vom 20. Juli 2021
-- 2 BvE 4 und 5/20 --
in den Verfahren über die Anträge festzustellen, I. 1. dass die Antragsgegnerin durch die im Rahmen ihrer Rede am 6. Februar 2020 in Pretoria/Afrika getätigte Aussage "Die Wahl dieses Ministerpräsidenten war ein einzigartiger Vorgang, der mit einer Grundüberzeugung gebrochen hat, für die CDU und auch für mich, nämlich, äh, dass keine Mehrheiten mit Hilfe der AfD gewonnen werden sollen. Da dies absehbar war in der Konstellation, wie im dritten Wahlgang gewählt wurde, muss man sagen, dass dieser Vorgang unverzeihlich ist und, äh, deshalb auch das Ergebnis wieder rückgängig gemacht werden muss. Zumindest gilt für die CDU, dass die CDU sich nicht an einer Regierung unter dem gewählten Ministerpräsidenten beteiligen darf. Es war ein schlechter Tag für die Demokratie." die Antragstellerin in ihrem Recht auf Chancengleichheit der Parteien aus Artikel 21 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes verletzt hat, 2. dass die Antragsgegnerin durch die Veröffentlichung des nachfolgend abgebildeten Textes (Auszug aus der Mitschrift der Pressekonferenz vom 6. Februar 2020 mit dem Titel "Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und dem Präsidenten der Republik Südafrika, Cyril Ramaphosa") "Die Wahl dieses Ministerpräsidenten war ein einzigartiger Vorgang, der mit einer Grundüberzeugung für die CDU und auch für mich gebrochen hat, dass nämlich keine Mehrheiten mit Hilfe der AfD gewonnen werden sollen. Da dies in der Konstellation, in der im dritten Wahlgang gewählt wurde, absehbar war, muss man sagen, dass dieser Vorgang unverzeihlich ist und deshalb das Ergebnis rückgängig gemacht werden muss. Zumindest gilt für die CDU, dass sich die CDU nicht an einer Regierung unter dem gewählten Ministerpräsidenten beteiligen darf. Es war ein schlechter Tag für die Demokratie." auf der Website unter der URL https://www.bundeskanzlerin.de/bkinde/aktuelles/pressekonferenz-von-bundeskanzlerin-merkel-und-dem-praesidenten-der-republik-suedafrika-cyril-ramaphosa-1719738 die Antragstellerin in ihrem Recht auf Chancengleichheit der Parteien aus Artikel 21 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes verletzt hat, 3. dass die Bundesrepublik Deutschland der Antragstellerin die notwendigen Auslagen zu erstatten hat. Antragstellerin: Alternative für Deutschland (AfD), Bundesverband, diese vertreten durch den Bundesvorstand, dieser vertreten durch die Bundessprecher Herrn Prof. Dr. Jörg Meuthen und Herrn Tino Chrupalla, Schillstraße 9, 10785 Berlin, -- Bevollmächtigte: ... --, Antragsgegnerin: Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, Bundeskanzleramt, Willy-Brandt-Straße 1, 10557 Berlin, -- Bevollmächtigter: ... -- 2 BvE 4/20 --, II. 1. dass die Antragsgegnerin durch die Veröffentlichung des nachfolgend abgebildeten Textes (Auszug aus dem Mitschnitt der Pressekonferenz vom 6. Februar 2020 mit dem Titel "Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und dem Präsidenten der Republik Südafrika, Cyril Ramaphosa") "Die Wahl dieses Ministerpräsidenten war ein einzigartiger Vorgang, der mit einer Grundüberzeugung für die CDU und auch für mich gebrochen hat, dass nämlich keine Mehrheiten mit Hilfe der AfD gewonnen werden sollen. Da dies in der Konstellation, in der im dritten Wahlgang gewählt wurde, absehbar war, muss man sagen, dass dieser Vorgang unverzeihlich ist und deshalb das Ergebnis rückgängig gemacht werden muss. Zumindest gilt für die CDU, dass sich die CDU nicht an einer Regierung unter dem gewählten Ministerpräsidenten beteiligen darf. Es war ein schlechter Tag für die Demokratie." auf der Website unter der URL https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/pressekonferenz-von-bundeskanzlerin-merkel-und-dem-praesidenten-der-republik-suedafrika-cyril-ramaphosa-1719738 die Antragstellerin in ihrem Recht auf Chancengleichheit der Parteien aus Artikel 21 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes verletzt hat, 2. dass die Bundesrepublik Deutschland der Antragstellerin die notwendigen Auslagen zu erstatten hat. Antragstellerin: Alternative für Deutschland (AfD) Bundesverband, diese vertreten durch den Bundesvorstand, dieser vertreten durch die Bundessprecher Herrn Prof. Dr. Jörg Meuthen und Herrn Tino Chrupalla, Schillstraße 9, 10785 Berlin, -- Bevollmächtigte: ... --, Antragsgegnerin: Bundesregierung, vertreten durch die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, Bundeskanzleramt, Willy-Brandt-Straße 1, 10557 Berlin, -- Bevollmächtigter: ... -- 2 BvE 5/20 --;
hier: Antrag auf Richterablehnung.
 
Entscheidungsformel:
Das Ablehnungsgesuch gegen die Richterinnen und Richter des Zweiten Senats wird verworfen.
 
Gründe:
I.
1. Mit Schriftsätzen vom 22. Juli 2020 hat die Antragstellerin die vorliegenden Organstreitverfahren gegen die Bundeskanzlerin und die Bundesregierung eingeleitet. Mit Verfügung vom 10. Juni 2021 hat die Vizepräsidentin des Gerichts für den 21. Juli 2021 zur mündlichen Verhandlung über die Anträge geladen.
2. Mit Schriftsatz vom 9. Juli 2021 hat die Antragstellerin sämtliche Mitglieder des Zweiten Senats unter namentlicher Nennung wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Zur Begründung ihres Ablehnungsgesuchs trägt sie im Wesentlichen vor:
a) Ausweislich der Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts Nr. 54/2021 vom 1. Juli 2021 mit der Überschrift "Besuch des Bundesverfassungsgerichts bei der Bundesregierung" sei eine Delegation des Bundesverfassungsgerichts unter Leitung des Präsidenten und der Vizepräsidentin am 30. Juni 2021 zu einem Treffen mit den Mitgliedern der Bundesregierung nach Berlin gereist. In der Pressemitteilung heiße es weiter, dass auf Einladung der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel ein gemeinsames Abendessen mit der Bundesregierung stattgefunden habe. Der Besuch setze eine seit vielen Jahren bestehende Tradition fort.
b) Die Teilnahme an diesem Abendessen begründe die Besorgnis der Befangenheit gegen alle teilnehmenden Richterinnen und Richter des Zweiten Senats.
aa) Das Ablehnungsgesuch sei offensichtlich zulässig. Dem stehe nicht entgegen, dass die Antragstellerin sämtliche Richterinnen und Richter des Zweiten Senats ablehne, denn sie wisse nicht, welche Richterinnen und Richter an dem Abendessen teilgenommen hätten. Nach Eingang der dienstlichen Stellungnahmen werde sie das jeweilige Ablehnungsgesuch gegen diejenigen Richterinnen und Richter, die nicht teilgenommen hätten, nicht weiter verfolgen.
bb) Das Ablehnungsgesuch sei auch begründet. Da alle Richterinnen und Richter aus dem identischen Grund, nämlich der Teilnahme an dem gemeinsamen Abendessen mit der Bundeskanzlerin und der Bundesregierung, abgelehnt würden, werde der Ablehnungsgrund zur Vermeidung von Wiederholungen nur einmal ausgeführt. Diese Begründung gelte sinngemäß für alle abgelehnten Richterinnen und Richter.
(1) Es sei offensichtlich, dass ein gemeinsames Abendessen mit den Antragsgegnerinnen der Organstreitverfahren nur drei Wochen vor der mündlichen Verhandlung gegen ebendiese geeignet sei, Zweifel an der Unparteilichkeit der teilnehmenden Richterinnen und Richter zu begründen und zwar unabhängig davon, wer dieses Abendessen, die An- und Abreise sowie eine etwaige Übernachtung bezahlt habe. Unter Berücksichtigung der richterlichen Aufgabe, schon jeden "bösen Schein" einer Voreingenommenheit vermeiden zu müssen, sei nicht im Ansatz ersichtlich, wie die Teilnahme überhaupt habe zugesagt werden können.
(2) Dabei solle nicht verkannt werden, dass es sich bei dem Abendessen gegebenenfalls um eine "Tradition" handele und Verfassungsorgane untereinander in einem gewissen Austausch stehen dürften und müssten. Zudem sei grundsätzlich davon auszugehen, dass die Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts jene innere Unabhängigkeit und Distanz zu den rechtssuchenden Parteien besäßen, die sie befähigten, in Unvoreingenommenheit und Objektivität auch in politisch heiß umstrittenen Verfahren zu entscheiden. Ungeachtet dessen begründeten gerade die zeitliche Nähe zur mündlichen Verhandlung, der Umstand der Einladung durch eine der beiden Antragsgegnerinnen, die offenbar nach Einleitung der Organstreitverfahren erfolgt sei, sowie die Teilnahme in Kenntnis des laufenden Verfahrens die offensichtliche Besorgnis der Befangenheit in Bezug auf alle teilnehmenden Richterinnen und Richter im Sinne des erforderlichen "zusätzlichen besorgniserregenden Moments". Denn wer sich als Richterin beziehungsweise Richter in Kenntnis eines laufenden Verfahrens von einer Antragsgegnerin zum Abendessen einladen lasse, um sich dort mit dieser sowie mit der anderen Antragsgegnerin auszutauschen, lasse jede Form der dienstlichen Zurückhaltung vermissen. Es bestehe daher kein Zweifel, dass die abgelehnten Richterinnen und Richter die Organstreitverfahren nicht mit der gebotenen Neutralität betrieben.
(3) Ergänzend sei anzuführen, dass auch Verstöße gegen §§ 39, 69 DRiG sowie gegen die "Verhaltensleitlinien für Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts" gegeben seien. Das (einseitige) gemeinsame Abendessen mit Verfahrensbeteiligten sei offensichtlich geeignet, das Vertrauen in die Unabhängigkeit zu gefährden (§§ 39, 69 DRiG) beziehungsweise das Vertrauen in die Unabhängigkeit, Unparteilichkeit, Neutralität und Integrität zu beeinträchtigen (Ziffer I. 1. und 3., I. 7., II. 8., II. 10. der Verhaltensleitlinien).
c) Bereits jetzt lehne sie zudem die Mitglieder des Ersten Senats, die an dem Abendessen teilgenommen hätten, wegen Besorgnis der Befangenheit ab, sofern diese gemäß § 19 Abs. 1 BVerfGG über die Ablehnung der teilgenommenen Mitglieder des Zweiten Senats zu entscheiden hätten oder gemäß § 19 Abs. 4 Satz 1 BVerfGG als "Ersatzrichter" in den Organstreitverfahren entscheiden sollten.
3. Die Antragsgegnerinnen haben mit Schriftsatz vom 13. Juli 2021 erklärt, dass sie keinen Anlass sehen, zu dem offensichtlich unbegründeten Befangenheitsantrag der Antragstellerin Stellung zu nehmen.
II.
Das Ablehnungsgesuch gegen die Richterinnen und Richter des Zweiten Senats gemäß § 19 Abs. 1 BVerfGG ist offensichtlich unzulässig.
1. Offensichtlich unzulässig ist ein Ablehnungsgesuch vor allem dann, wenn es nicht begründet wird oder sich auf eine gänzlich ungeeignete Begründung stützt (vgl. BVerfGE 46, 200 [200]; 72, 51 [59]; 131, 239 [252]; 133, 377 [405 Rn. 69]; 142, 1 [4 Rn. 12]; 152, 53 [54 Rn. 2]; 153, 72 [73 Rn. 2]).
Die Begründungsanforderungen des § 19 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG verlangen, dass das Gesuch die Zweifel an der Unvoreingenommenheit für jeden abgelehnten Richter und jede abgelehnte Richterin mit Bezug auf das konkrete Verfahren hinreichend substantiiert darlegt (vgl. BVerfGE 156, 340 (347 Rn. 15); Lenz/Hansel, BVerfGG, 3. Aufl. 2020, § 19 Rn. 17; Sauer, in: Walter/Grünewald, BeckOK BVerfGG, § 19 Rn. 11 [Juli 2021]). Mit dem Ablehnungsgesuch müssen Tatsachen vorgetragen werden, aufgrund derer Zweifel an der Unvoreingenommenheit des abgelehnten Richters oder der abgelehnten Richterin zumindest möglich erscheinen (vgl. BVerfGE 156, 340 (347 Rn. 15); Lenz/Hansel, BVerfGG, 3. Aufl. 2020, § 19 Rn. 17). Behauptungen "ins Blaue hinein", die durch keine tatsächlichen Umstände unterlegt sind, sondern auf reinen Vermutungen beruhen, begründen die Besorgnis der Befangenheit dagegen nicht (vgl. BVerfGE 142, 9 [17 Rn. 25]; 142, 18 [24 Rn. 23]; BVerfGE 156, 340 (347 Rn. 15); Sauer, in: Walter/Grünewald, BeckOK BVerfGG, § 19 Rn. 12 [Juli 2021]).
2. Ausgehend von diesem Maßstab ist das Ablehnungsgesuch offensichtlich unzulässig. Dies folgt zwar nicht bereits daraus, dass es sich gegen sämtliche Mitglieder des Zweiten Senats richtet (a). Es stützt sich aber auf eine gänzlich unzureichende Begründung (b).
a) aa) Grundsätzlich bedarf es der namentlichen Nennung der abgelehnten Richterinnen und Richter (vgl. BVerfGE 46, 200 [200]; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 29. Juli 2020 -- 2 BvC 25/19 --, Rn. 6). Die pauschale Ablehnung von namentlich nicht genannten Richterinnen und Richtern ist ebenso unzulässig (vgl. BVerfGE 11, 1 [1]; 46, 200 [200]; 72, 51 [59]) wie die pauschale Ablehnung eines ganzen Spruchkörpers (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 3. Juni 2019 -- 2 BvR 910/19 --, Rn. 10 m.w.N.; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 2. November 2020 -- 1 BvQ 114/20 --, Rn. 1). Indes kann es genügen, dass aus dem Gesuch mit einer für das beschließende Gericht hinreichenden Deutlichkeit hervorgeht, welche Richterinnen und Richter abgelehnt werden sollen, wenn es den Antragstellern -- insbesondere wegen der besonderen Art des Ablehnungsgrundes -- im Einzelfall nicht zugemutet werden kann, die Befangenheit der einzelnen Richterinnen und Richter darzulegen (vgl. BVerfGE 2, 295 [297]).
bb) Das ist vorliegend der Fall. Aus der Pressemitteilung des Gerichts vom 1. Juli 2021, auf welche die Antragstellerin das vorliegende Ablehnungsgesuch stützt, geht -- mit Ausnahme der Person der Vizepräsidentin -- nicht hervor, welche Richterinnen und Richter des Zweiten Senats im Einzelnen an dem Abendessen mit der Bundeskanzlerin beziehungsweise der Bundesregierung teilgenommen haben. Die Antragstellerin war daher nicht in der Lage, den Kreis der von ihr abgelehnten Richterinnen und Richter konkreter zu fassen. Eine pauschale Ablehnung des gesamten Spruchkörpers ist damit nicht verbunden. Vielmehr hat die Antragstellerin hinreichend deutlich gemacht, dass sie lediglich diejenigen Richterinnen und Richter des Zweiten Senats wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnt, die an dem Abendessen mit der Bundesregierung teilgenommen haben.
b) Ungeachtet dessen genügt die Begründung des Ablehnungsgesuchs nicht den Anforderungen des § 19 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG. Der Vortrag der Antragstellerin ist gänzlich ungeeignet, die Besorgnis der Befangenheit der abgelehnten Richterinnen und Richter möglich erscheinen zu lassen.
(1) Die Besorgnis der Befangenheit eines Richters oder einer Richterin des Bundesverfassungsgerichts nach § 19 BVerfGG setzt einen Grund voraus, der geeignet ist, Zweifel an der Unparteilichkeit des Richters oder der Richterin zu rechtfertigen (vgl. BVerfGE 82, 30 [37]; 98, 134 [137]; 101, 46 [50 f.]; 102, 122 [125]; 108, 122 [126]; 142, 9 [14 Rn. 14]; 142, 18 [21 Rn. 11]; 142, 302 [307 Rn. 18]; 148, 1 [6 Rn. 17]; 152, 332 [337 Rn. 15]; 154, 312 [316 Rn. 13]; 156, 340 [348 f. Rn. 21]). Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Richter oder die Richterin tatsächlich parteilich oder befangen ist oder sich selbst für befangen hält. Entscheidend ist allein, ob bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass besteht, an der Unvoreingenommenheit des Richters oder der Richterin zu zweifeln (vgl. BVerfGE 20, 1 [5]; 73, 330 [335]; 82, 30 [37 f.]; 108, 122 [126]; 135, 248 [257 Rn. 23]; 142, 9 [14 Rn. 14]; 142, 18 [21 Rn. 11]; 142, 302 [307 Rn. 18]; 148, 1 [6 Rn. 17]; 152, 332 [337 Rn. 15]; 154, 312 [316 Rn. 13]; 156, 340 [348 f. Rn. 21]). Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn die Umstände Anlass zur Sorge geben, dass ein Richter oder eine Richterin aus persönlichen oder anderen Gründen auf eine bestimmte Rechtsauffassung schon so festgelegt ist, dass er oder sie sich gedanklich nicht mehr lösen kann oder will und entsprechend für Gegenargumente nicht mehr offen ist. Zwar ist grundsätzlich davon auszugehen, dass Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts über jene innere Unabhängigkeit und Distanz verfügen, die sie befähigen, in Unvoreingenommenheit und Objektivität zu entscheiden. Bei den Vorschriften über die Besorgnis der Befangenheit geht es aber auch darum, bereits den bösen Schein einer möglicherweise fehlenden Unvoreingenommenheit zu vermeiden (vgl. BVerfGE 108, 122 [129]; 148, 1 [6 Rn. 17]; 152, 332 [337 f. Rn. 15]; 156, 340 [348 f. Rn. 21]).
(2) Gemessen daran, vermag der Vortrag der Antragstellerin die Besorgnis der Befangenheit der abgelehnten Richterinnen und Richter offensichtlich nicht zu begründen.
(a) Dies gilt zunächst für den Umstand, dass überhaupt Treffen zwischen dem Bundesverfassungsgericht und der Bundesregierung stattfinden. Ein solcher "Dialog der Staatsorgane" (vgl. Brocker, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Art. 44 Rn. 14.3 [Mai 2021] zum parlamentarischen Untersuchungsrecht) ist im Grundgesetz selbst angelegt und als Ausdruck der Verpflichtung der obersten Verfassungsorgane zu gegenseitiger Achtung, Rücksichtnahme und Kooperation gänzlich ungeeignet, Zweifel an der Unvoreingenommenheit der Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts zu begründen.
(aa) Die Teilung der Gewalten, wie sie in Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG zum Ausdruck kommt, ist für das Grundgesetz ein tragendes Organisations- und Funktionsprinzip. Das Grundgesetz will die politische Machtverteilung und die daraus sich ergebende Mäßigung staatlicher Herrschaft. Dieser Grundsatz ist indes nicht streng durchgeführt. Vielmehr sind die Gewalten in vielfacher Weise aufeinander bezogen und miteinander verschränkt. Nicht absolute Trennung der Gewalten ist dem Verfassungsaufbau des Grundgesetzes zu entnehmen, sondern gegenseitige Kontrolle und Begrenzung, damit die Staatsmacht gemäßigt und die Freiheit des Einzelnen geschützt wird (vgl. BVerfGE 3, 225 [247]; 7, 183 [188]; 9, 268 [279]; 22, 106 [111]; 34, 52 [59]; 95, 1 [15]; 139, 321 [361 f. Rn. 125]; 147, 50 [138 Rn. 228]). Die rechtsprechende Gewalt ist allerdings gegen Einwirkungen stärker abgeschirmt als die anderen Gewalten (vgl. BVerfGE 7, 183 [188]).
(bb) Das Bundesverfassungsgericht ist Teil der rechtsprechenden Gewalt (vgl. Art. 92 GG) und zugleich oberstes Verfassungsorgan (vgl. BVerfGE 7, 1 [14]; vgl. auch Denkschrift des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Juni 1952, JöR n.F. 6 [1957], S. 144 [145]). Als solches ist es in das grundgesetzliche Gewaltenteilungsgefüge eingebunden. Mit Blick auf die Art seiner Zuständigkeiten (Art. 93, 94, 100, 115g GG) und die Verbindlichkeit seiner Entscheidungen (vgl. Art. 94 Abs. 2 Satz 1 GG i.V.m. § 31 Abs. 1 und 2 BVerfGG) hat es als "Hüter der Verfassung" (vgl. Denkschrift des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Juni 1952, JöR n.F. 6 [1957], S. 144 [145]) an der Ausübung der obersten Staatsgewalt teil (vgl. Leibholz, JöR n.F. 6 [1957], S. 110 [111]; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995, Rn. 566, 669; Detterbeck, in: Sachs, GG, 9. Aufl. 2021, Art. 93 Rn. 7) und ist mit gesamtstaatlicher Verantwortung betraut (vgl. Kischel, in: Isensee/Kirchhof, HStR III, 3. Aufl. 2005, § 69 Rn. 80; vgl. auch Schenke, Die Verfassungsorgantreue, 1977, S. 119 f.).
(cc) Das Gebot der Verfassungsorgantreue verpflichtet die obersten Verfassungsorgane bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu gegenseitiger Achtung, Rücksichtnahme und Kooperation (vgl. BVerfGE 12, 205 [254]; 35, 193 [199]; 36, 1 [15]; 45, 1 [39]; 89, 155 [191]; 90, 286 [337]; 143, 101 [144 Rn. 143]). Mit Blick auf ihre gemeinsame Teilhabe an der gesamtstaatlichen Verantwortung und die damit einhergehende Integrationsfunktion ist das Verhältnis der obersten Verfassungsorgane auch jenseits der eigentlichen Ausübung ihrer jeweiligen Kompetenzen auf wechselseitige Rücksichtnahme und gegenseitigen -- institutionellen -- Respekt angelegt (vgl. Schenke, Die Verfassungsorgantreue, 1977, S. 27; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995, Rn. 567), ohne dass damit eine Verpflichtung zu inhaltlicher Eintracht oder ein allgemeines Kritikverbot einhergingen (vgl. Voßkuhle, NJW 1997, S. 2216 [2217 f.]; zur Kritik am Gericht auch Roellecke, NJW 2001, S. 2924 [2930]).
Diese durch die Leitidee gesamtstaatlicher Integration gesteuerte Kooperation der obersten Verfassungsorgane (vgl. Schenke, Die Verfassungsorgantreue, 1977, S. 27) kommt unter anderem darin zum Ausdruck, dass der Präsident des Bundesverfassungsgerichts regelmäßig Repräsentationsaufgaben zusammen mit den Spitzen der anderen obersten Verfassungsorgane wahrnimmt, so anlässlich von Staatsakten, Gedenkstunden oder Feierlichkeiten der Bundesrepublik Deutschland (vgl. nur BVerfG, Pressemitteilung Nr. 33/2020 vom 7. Mai 2020; Pressemitteilung Nr. 77/2019 vom 8. November 2019; Pressemitteilung Nr. 7/2017 vom 24. Januar 2017). Traditionell wohnt zudem eine Delegation des Bundesverfassungsgerichts der Vereidigung des Bundespräsidenten gemäß Art. 56 GG vor den versammelten Mitgliedern des Bundestages und des Bundesrates bei (vgl. nur BVerfG, Pressemitteilung Nr. 20/2017 vom 22. März 2017).
(dd) Die regelmäßigen Treffen des Bundesverfassungsgerichts mit der Bundesregierung zum Gedanken- und Erfahrungsaustausch sind Ausdruck dieses Interorganrespekts sowie der kooperativen Gewaltenteilung des Grundgesetzes. Gleiches gilt für die regelmäßig stattfindenden Besuche des Bundespräsidenten beim Bundesverfassungsgericht (vgl. nur BVerfG, Pressemitteilung Nr. 47/2017 vom 21. Juni 2017; Pressemitteilung Nr. 72/2012 vom 18. Oktober 2012; Pressemitteilung Nr. 102/2010 vom 11. November 2010). Ebenso kommt das Bundesverfassungsgericht immer wieder mit Mitgliedern des Deutschen Bundestages zusammen, zuletzt etwa auf Einladung des Bundestagspräsidenten mit dem Präsidium des Deutschen Bundestages sowie Fraktions- und Ausschussvorsitzenden am 21. Juni 2021 in Berlin (vgl. BVerfG, Pressemitteilung Nr. 52/2021 vom 22. Juni 2021). Auch hat in der laufenden Legislaturperiode ein Besuch von Abgeordneten aus allen Fraktionen des Deutschen Bundestages -- einschließlich der Fraktion der Antragstellerin -- beim Bundesverfassungsgericht stattgefunden (vgl. BVerfG, Pressemitteilung Nr. 21/2019 vom 26. März 2019), ohne dass die Antragstellerin dies beanstandet hätte.
Solche Interaktionen zwischen den Gewalten tragen dazu bei, wechselseitigen Abschließungstendenzen (vgl. Möllers, in: Jestaedt/Suzuki, Verfassungsentwicklung II, S. 39 [68]), die in der Gewaltenteilung des Grundgesetzes gerade nicht gewollt sind, entgegenzuwirken und auf diese Weise das gedeihliche Zusammenwirken der obersten Verfassungsorgane mit Blick auf ihre jeweilige gesamtstaatliche Verantwortung zu stärken.
(b) An der grundsätzlichen Ungeeignetheit von Treffen zwischen dem Bundesverfassungsgericht und der Bundesregierung zur Begründung von Befangenheit der Mitglieder des Gerichts ändert sich nicht dadurch etwas, dass zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Treffens bei dem Bundesverfassungsgericht die vorliegenden Organstreitverfahren anhängig waren, an denen die Bundeskanzlerin beziehungsweise die Bundesregierung als Antragsgegnerinnen unmittelbar beteiligt sind.
(aa) Das Gericht ist permanent mit Verfahren befasst, welche das Handeln der Bundesregierung -- als Kollegialorgan oder einzelner ihrer Mitglieder -- oder anderer oberster Verfassungsorgane betreffen. Selbstverständlich verbietet es der Grundsatz der Gewaltenteilung ebenso wie die verfassungsrechtlich gemäß Art. 97 Abs. 1 GG verbürgte Rolle der Richterinnen und Richter als "nicht beteiligte Dritte" (vgl. BVerfGE 3, 377 [381]; 4, 331 [346]; 133, 168 [202 Rn. 62] m.w.N.), anlässlich von Treffen des Bundesverfassungsgerichts mit Mitgliedern der obersten Verfassungsorgane über konkrete Verfahren -- noch dazu solche, an denen diese Verfassungsorgane beteiligt sind -- zu sprechen. Ebenso gebietet es die Verpflichtung der Verfassungsorgane zu gegenseitigem Respekt und Rücksichtnahme, dass die Mitglieder der anderen Verfassungsorgane ihrerseits davon absehen, anhängige Verfahren mit dem Gericht zu erörtern. Jedenfalls in diesem Umfang begründet die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts zur Klärung einer verfassungsrechtlichen Streitigkeit eine besondere Verpflichtung der anderen Verfassungsorgane zur Respektierung der dem Bundesverfassungsgericht zugewiesenen Stellung (vgl. Schenke, Die Verfassungsorgantreue, 1977, S. 130 ff.).
(bb) Der Umstand allein, dass Verfahren unter Beteiligung von Verfassungsorganen bei dem Bundesverfassungsgericht anhängig sind, führt indes nicht dazu, dass von Zusammenkünften mit diesen im Rahmen des institutionalisierten Interorganaustauschs abgesehen werden müsste. Dagegen spricht bereits, dass andernfalls derartige -- der Gewaltenverschränkung Rechnung tragende -- Gespräche generell unmöglich würden. Zudem käme in einem Verzicht auf derartige Gespräche ein Misstrauen gegenüber den Mitgliedern des Bundesverfassungsgerichts zum Ausdruck, das dem grundgesetzlich und einfachrechtlich vorausgesetzten Bild des Verfassungsrichters widerspricht. Insbesondere die Bestimmungen über die Wahl der Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts (Art. 94 Abs. 1 GG, §§ 3 ff. BVerfGG) gehen davon aus, dass diese über jene Unabhängigkeit und Distanz verfügen, die sie befähigen, in Unvoreingenommenheit und Objektivität zu entscheiden (vgl. BVerfGE 35, 171 [173 f.]; 108, 122 [129]; 148, 1 [6 Rn. 18]) und sich gegenüber politischen Begehrlichkeiten resistent zu zeigen (vgl. Kischel, in: Isensee/Kirchhof, HStR III, 3. Aufl. 2005, § 69 Rn. 80). Es ist fernliegend anzunehmen, dass ein Gedanken- und Erfahrungsaustauch, welchen die Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts in dem institutionellen Rahmen, in den sie gestellt sind (vgl. BVerfGE 142, 9 [17 Rn. 23]; 142, 18 [24 Rn. 21]), mit Mitgliedern anderer Verfassungsorgane pflegen, daran etwas zu ändern vermag.
(cc) Soweit die Antragstellerin selbst darauf verweist, dass auch nach ihrer Auffassung "Verfassungsorgane in einem bestimmten Austausch stehen dürfen und müssen", und lediglich auf die besondere zeitliche Nähe des Treffens des Bundesverfassungsgerichts mit der Bundesregierung zu der mündlichen Verhandlung in den vorliegenden Organstreitverfahren am 21. Juli 2021 abstellt, rechtfertigt dies keine abweichende Beurteilung. Dass allein die zeitliche Nähe dieses Treffens ohne irgendeinen inhaltlichen Bezug zur mündlichen Verhandlung dazu führen soll, dass die Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr über die innere Unabhängigkeit und Distanz verfügen, die sie befähigt, über die Gegenstände der vorliegenden Organstreitverfahren unvoreingenommen und objektiv zu entscheiden, ist nicht nachvollziehbar. Auch insoweit besteht bei vernünftiger Würdigung offenkundig kein Anlass, an der Unparteilichkeit der abgelehnten Richterinnen und Richter zu zweifeln.
Dem steht nicht entgegen, dass das Bundesverfassungsgericht in Bezug auf Äußerungen von Richterinnen und Richtern in der Öffentlichkeit entschieden hat, dass umso mehr Anlass für Zurückhaltung und Mäßigung bestehen kann (§ 39 i.V.m. § 69 DRiG), je größer die zeitliche Nähe zu einem anhängigen Verfahren ist (vgl. BVerfGE 20, 9 [15 f.]; 73, 330 [337, 339]; 99, 51 [57]; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 11. Oktober 2011 -- 2 BvR 1010/10 --, Rn. 23), weil der Eindruck der Vorfestlegung aus der maßgeblichen Sicht der Verfahrensbeteiligten umso eher entstehen kann, je enger der zeitliche Zusammenhang mit einem solchen Verfahren ist. Denn das Zeitmoment ist selbst in diesem Fall für die Beurteilung der Besorgnis der Befangenheit gemäß § 19 BVerfGG nicht allein maßgeblich. Erforderlich ist vielmehr stets eine Gesamtwürdigung von Inhalt, Form und Rahmen (Ort, Adressatenkreis) der jeweiligen Äußerung sowie dem sachlichen und zeitlichen Bezug zu einem anhängigen Verfahren (vgl. BVerfGE 35, 246 [253 f.]; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 11. Oktober 2011 -- 2 BvR 1010/10 --, Rn. 23; jeweils m.w.N.). Hier fehlt es vor dem Hintergrund der oben dargestellten Funktion dieser Gespräche und der Verpflichtung der Verfassungsorgane zu wechselseitigem Respekt auch aus der Perspektive der Antragstellerin bereits an jedem sachlichen Bezug des Treffens des Bundesverfassungsgerichts mit der Bundesregierung zu den Gegenständen der Organstreitverfahren.
(c) Soweit die Antragstellerin anzudeuten scheint, dass die streitgegenständliche Einladung der Bundeskanzlerin an die Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts gerade aus Anlass der vorliegenden Organstreitverfahren ausgesprochen worden sei, handelt es sich um eine Mutmaßung ohne sachlichen Hintergrund. Insbesondere vermag der Umstand, dass die Einladung durch die Bundeskanzlerin erfolgte, nachdem die Verfahren anhängig gemacht worden waren, den von der Antragstellerin angedeuteten inneren Zusammenhang erkennbar nicht zu begründen. Treffen des Bundesverfassungsgerichts mit der Bundesregierung zum Zwecke des Gedanken- und Erfahrungsaustauschs zwischen den Verfassungsorganen sind, wie gezeigt, seit vielen Jahren Tradition, wobei die Einladung mal durch das eine, mal durch das andere der beiden Verfassungsorgane erfolgt (vgl. nur BVerfG, Pressemitteilung Nr. 106/2007 vom 2. November 2007 zum erstmaligen Treffen am Sitz des Gerichts in Karlsruhe).
(d) Der Verweis der Antragstellerin auf §§ 39, 69 DRiG und die "Verhaltensleitlinien für Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts" führt nicht weiter. Inwieweit sich aus diesem Verweis über das Vorstehende hinaus weitere Gründe für die Annahme der Besorgnis der Befangenheit der abgelehnten Richterinnen und Richter ergeben könnten, wird von der Antragstellerin nicht dargelegt und ist auch ansonsten nicht ersichtlich.
3. Bei offensichtlicher Unzulässigkeit bedarf es keiner dienstlichen Stellungnahme der abgelehnten Richterinnen und Richter; diese sind auch von der Entscheidung über das offensichtlich unzulässige Ablehnungsgesuch nicht ausgeschlossen (vgl. BVerfGE 11, 1 [3]; 142, 1 [4 Rn. 12] m.w.N.; 152, 53 [54 Rn. 2]; 153, 72 [73 Rn. 2]).
III.
Einer Entscheidung über das im vorliegenden Verfahren angebrachte Ablehnungsgesuch gegen die Richterinnen und Richter des Ersten Senats bedarf es nicht, da die Mitglieder des Zweiten Senats zur Entscheidung über den gegen sie gerichteten Ablehnungsantrag berufen sind.
König Huber Hermanns Müller Kessal-Wulf Maidowski Langenfeld Wallrabenstein