BVerfGE 12, 113 - Schmid-Spiegel


BVerfGE 12, 113 (113):

Die Wahrnehmung berechtigter Interessen deckt auch Gegenäußerungen in der Presse, die der Art eines Presseangriffs und seiner Wirkung auf die öffentliche Meinungsbildung entsprechen (Art. 5 Abs. 1 und Abs. 2 GG; § 193 StGB).
 


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Beschluß
des Ersten Senats vom 25. Januar 1961
-- 1 BvR 9/57 --
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde des Oberlandesgerichtspräsidenten..., - Bevollmächtigter: Rechtsanwalt... - gegen das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 11. Januar 1956 - 6 Ps. 26/55 - und gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Celle vom 24. Oktober 1956 - 1 Vs 5/56.
Entscheidungsformel:
Das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 11. Januar 1956 - 6 Ps. 26/55 - und das Urteil des Oberlandesgerichts Celle vom 24. Oktober 1956 - 1 Vs 5/56 - verletzen das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Artikel 5 Absatz 1 des Grundgesetzes und werden aufgehoben.
Das Verfahren wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Düsseldorf verwiesen.
 
Gründe:
I.
1. Der Beschwerdeführer hielt im November 1953 in Stuttgart einen Vortrag über den politischen Streik, den er im Januar 1954 in etwas abgeänderter Form in den Gewerkschaftlichen Monatsheften unter dem Titel "Zum politischen Streik" veröffentlichte. Seine Äußerungen über die Berechtigung politischer Streiks und seine Behauptung, daß etwa 95 % der Presse wirtschaftlich von der Unternehmerschaft abhängig und darum gewerkschaftsfeindlich seien, führte zu Presseanschriften gegen den Beschwerdeführer, in denen er der Neigung zum Kommunismus verdächtigt und in denen auch seine Eignung zum Amt eines hohen Richters in Zweifel gezogen wurde.
Aus diesem Anlaß erbat und erhielt der Stuttgarter Korrespondent der Wochenzeitschrift "Der Spiegel" ein Interview beim Beschwerdeführer. Die gegen diesen erhobenen Vorwürfe wurden besprochen; der Beschwerdeführer übergab dem Journalisten einige von ihm veröffentlichte Zeitungsartikel und Schriften, aus denen sich ergab, daß er sich entschieden gegen den Kommunis

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mus gewandt hatte, die also den Vorwurf, er sei ein Kommunistenfreund oder gar ein Kommunist, entkräften sollten.
Im Anschluß daran schrieb der Journalist - ohne dieses ihm überlassene Material auszuwerten - einen Artikel, der unter der Überschrift "Auf der Wolga verhaftet" in der Nummer des "Spiegel" vom 10. März 1954 anonym veröffentlicht wurde. Dieser Artikel enthält keine Auseinandersetzung mit den Thesen des Beschwerdeführers zum politischen Streik, sondern beschäftigt sich mit seinem Vortrag und seiner politischen Vergangenheit unter dem Gesichtspunkt seiner politischen Haltung. Die für das vorliegende Verfahren wesentlichen Teile des Artikels lauten:
    "... Aus dem Fragebogen des Dr. Schmid wollen seine Gegner ... den schlüssigen Beweis ziehen können, daß ein ausgesprochen roter Faden durch das politische Leben des obersten baden- württembergischen Richters gehe. Anlaß zu jener spätgezündeten Fragebogen-Exegese waren
    ein Vortrag ...
    der Abdruck dieses Vortrags ...
    Ausgerechnet während seines letzten Urlaubs im Oktober 1953 hatte den Oberlandesgerichtspräsidenten das heiße Problem des politischen Streiks derart bewegt, daß er, ungeachtet seines hohen unabhängigen Amtes, das ihm als vornehmste Pflicht das Hüten der bestehenden Rechtsordnung auferlegt, revolutionäre Veränderungen bestehender Rechtsordnungen für legitim erklärte...
    In den 'Gewerkschaftlichen Monatsheften' nennt Schmid als Beispiel für geschichtlich legitimierte Streiks den Kampf um die Einführung des allgemeinen und gleichen Wahlrechts in England, Belgien, Österreich und Schweden, in seinem Vortrag vor den Partei- und Gewerkschaftsfunktionären des Stuttgarter SPD-Montagskreises hatte er die russische Oktoberrevolution (1917) genannt. Für ihn war es also gleich,
    ob der revolutionäre Akt eines politischen Streiks die parlamentarische Demokratie herbeiführte, oder
    ob er die Entwicklung zur parlamentarischen Ordnung (Kerenski 1917) verhinderte, oder
    ob er gegen die schon bestehende demokratische Ordnung gerichtet ist."


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Es folgen Ausführungen darüber, daß diese "für einen so hohen Richter immerhin bemerkenswerten Versuche, den illegalen politischen Streik als rechtmäßig zu erklären", von der Öffentlichkeit wohl kaum bemerkt worden wären, wenn der Beschwerdeführer nicht zugleich die Presse wegen ihrer angeblichen Abhängigkeit von kapitalkräftigen Inserenten angegriffen hätte. Dann kehrt der Artikel zur politischen Vergangenheit des Beschwerdeführers zurück:
    "Schmids Vergangenheit nun ist tatsächlich bewegt. Der jetzt Vierundfünfzigjährige war bis zum Jahre 1931 'völlig unpolitisch und nur literarisch interessiert. 'Aber das wurde anders, als ich die Hitlerei kommen sah.'
    Als Rechtsanwalt, unter anderem mit dem jetzigen baden- württembergischen Justizminister Dr. Wolfgang Haussmann (FDP) assoziiert, kam er mit dem politischen Widerstand in Berührung, der ihn später vor den Volksgerichtshof in Berlin und fast an den Strang bringen sollte. Justizminister Haussmann deckt jetzt seinen ehemaligen Sozius Schmid gegen alle Angriffe wegen des Streikartikels."
Anschließend werden Einzelheiten aus dem Leben des Beschwerdeführers in der Zeit von 1932 bis 1945 aufgezählt, darunter seine Stimmabgabe bei Reichstagswahlen und eine Reise in die Sowjetunion im Jahre 1935, der der Artikel seine Überschrift verdankt; hierzu habe der Beschwerdeführer selbst erzählt:
    "Wir (d. h. sein Bruder und er) haben uns die Landwirtschaft angesehen und wurden sogar einmal von der GPU von einem Wolgaschiff herunter verhaftet, weil man uns aus den Augen verloren hatte."
Ferner wird eine Reihe von Presseangriffen wörtlich abgedruckt, darunter die Behauptung des damaligen Leiters der Pressestelle der CDU in Baden-Württemberg, Hein-Ullrich Carl, der Beschwerdeführer habe
    "immer wieder versucht, Linksradikalen zu helfen. So zum Beispiel im Fall Angenfort.
    Im März 1953 hatte Schmid in einem längeren Artikel dagegen protestiert, die Immunität des nordrhein-westfälischen KP- Abgeordneten Jupp Angenfort aufzuheben. Die kommunistische Presse hatte den Artikel stark hervorgehoben: ,Alle rechtlich denkenden Men

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    schen müssen mit dem Stuttgarter Generalstaatsanwalt [Der Beschwerdeführer bekleidete damals das Amt des Generalstaatsanwalts] ihre Stimme gegen diesen Rechtsbruch erheben...'
    Schon damals stellte der CDU-Pressedienst die anzügliche Frage, warum gerade Schmid ,seine Stimme erhebe' ...
    Diesmal wird noch hartnäckiger gefochten. Nicht mit dem Florett, sondern mit ganz schweren Säbeln:
    Am 15. Februar schreibt MdB Artur Jahn im CDU-Pressedienst:
    'Angesichts dieser Auffassung muß an den Justizminister (Schmids ehemaliger Kompagnon Dr. Wolfgang Haussmann) die Frage gerichtet werden, ob er sich mit dem Vorgehen und den Thesen Dr. Schmids identifiziert, oder welche Schritte er einleiten will, um das durch die politische Tätigkeit des ... Oberlandesgerichtspräsidenten fraglich gewordene Vertrauen in die Unparteilichkeit der Justiz wiederherzustellen."
Der Artikel schließt mit folgendem Abschnitt:
    "Pressechef Carl hat die Angelegenheit Schmid zu einer großen Sache aufgerührt. Trotzdem wird es ihm schwerfallen, ihn ,abzuschießen'. 'Wissen Sie', sagt Richard Schmid selbst, ,jetzt bin ich schon zu hoch oben.' Der Dritte im Bunde neben Schmid und Justizminister Haussmann, Ex-Ministerpräsident Dr. Reinhold Maier, hatte ihn nämlich noch kurz vor seinem - Maiers - Abgang zum Oberlandesgerichtspräsidenten und damit zum unabsetzbaren Richter gemacht."
Am 17. März 1954 veröffentlichte der Beschwerdeführer in der Stuttgarter "Allgemeinen Zeitung" eine Stellungnahme, die von der Redaktion mit der Überschrift: "Je größer der Stiefel ..." und dem Untertitel "Mit Reizliteratur lassen sich bessere Geschäfte machen" versehen wurde. Sie erschien unter demselben Datum auch in der "Botnanger Rundschau", einem Kopfblatt der "Allgemeinen Zeitung". Der vom Beschwerdeführer verfaßte Text lautet:
    "Sie fragen mich, was ich zu dem 'Spiegel'-Artikel über mich sage. Es ist Klatsch über meine Person; die Sache selbst, der politische Streik, wird kaum gestreift, so mit dem mißratenen Satz, es sei ,ein Versuch, den illegalen politischen Streik als rechtmäßig zu erklären.' Wie bei Klatsch ist Wahres, Falsches und Verzerrtes bunt gemischt. Weil der bösartige Klatsch interessanter ist, überwiegt der bösartige.

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    Unwahr ist zum Beispiel, daß ich in einem Artikel dagegen protestiert hätte, die Immunität des Abgeordneten Angenfort aufzuheben. Ich habe nie, weder in einem Artikel noch sonstwie, gegen die Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Angenfort protestiert. Das ist eine längst widerlegte Lüge. Ich habe mich einmal amtlich und publizistisch mit der Frage befaßt, ob die Immunität eines Landtagsabgeordneten auch gegenüber einer Bundesbehörde gelte. Damals wußte ich von dem Fall Angenfort nichts. Die Frage ist inzwischen vom Bundesgesetzgeber selbst in dem Sinne entschieden worden, den ich vertreten habe. Ebenso erlogen ist die Behauptung, ich hätte in meinem Vortrag über den politischen Streik die Oktober-Revolution (1917) genannt. Gott sei Dank habe ich das Manuskript meines Vortrages noch, an das ich mich wörtlich gehalten habe. Wer die Lüge aufgebracht hat, weiß ich nicht, der 'Spiegel' gibt sie weiter. Zahllos sind die bewußten Verdrehungen und auch die Verhatschungen aus Unzulänglichkeit. Es ist eine Gattung von Publizistik, die auf dem Gebiet der Politik das ist, was die Pornographie auf dem Gebiet der Moral, nur mit dem Unterschied, daß man die erstere noch offen lesen kann. Es ist die sogenannte Reizliteratur, die im Haushalt der Zivilisation offenbar notwendig ist. Dabei ist die Höhe des Absatzes der maßgebende Gesichtspunkt. Was dabei an Qualität herauskommt - man kann es nicht besser und einfacher ausdrücken als Karl Kraus: 'Je größer der Stiefel, desto größer der Absatz.'"
2. a) Am 20. Juni 1954 erhob der verantwortliche Redakteur des Deutschlandteils des "Spiegel" und am 23. Juli 1954 auch der Herausgeber auf Grund des Artikels in der "Botnanger Rundschau" Privatklage gegen den Beschwerdeführer wegen übler Nachrede und Beleidigung. Später wurden die Privatklagen auf den Artikel in der "Allgemeinen Zeitung" erstreckt.
Da alle Richter des Oberlandesgerichtsbezirks Stuttgart als von der Ausübung des Richteramts nach §§ 30, 24 StPO ausgeschlossen angesehen wurden, übertrug der Bundesgerichtshof durch Beschluß vom 20. Juli 1954 gemäß § 15 StPO die Entscheidung über die Sache dem Amtsgericht Göttingen.
Das Gericht verurteilte den Beschwerdeführer am 24. Januar 1955 wegen übler Nachrede (§ 186 StGB) zu einer Geldstrafe von 350 DM und sprach den Privatklägern die Veröffentlichungsbefugnis zu. Auf die Revision des Beschwerdeführers hob das

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Oberlandesgericht Celle am 22. Juni 1955 das amtsgerichtliche Urteil auf und verwies das Verfahren an den Amtsrichter in Einbeck. Dieser sprach den Beschwerdeführer mit Urteil vom 24. Oktober 1955 frei. Er bejahte das Vorliegen einer Beleidigung, nahm aber Wahrnehmung berechtigter Interessen an.
b) Auf die Berufung der Privatkläger wurde der Beschwerdeführer durch Urteil des Landgerichts Göttingen vom 11. Januar 1956 wegen Beleidigung zu 150 DM Geldstrafe, hilfsweise einer Woche Haft, verurteilt. Den Privatklägern wurde die Veröffentlichungsbefugnis zugesprochen.
Das Landgericht stellt fest, daß sich der erste Teil des Artikels des Beschwerdeführers nur gegen den sog. Wolga- Artikel, nicht gegen den "Spiegel" als Ganzes richte, und billigt insoweit dem Beschwerdeführer den Schutz des § 193 StGB zu: Es spreche zwar einiges für eine Hinneigung des Beschwerdeführers zum äußersten Linkssozialismus, doch seien die Ausführungen des sog. Wolga-Artikels im einzelnen zum Teil unwahr und das Bild, das von dem Beschwerdeführer als einem Kommunistenfreund entworfen werde, insgesamt unvollständig und verzerrt, also geeignet, bei den Lesern des Artikels eine unrichtige Vorstellung von ihm hervorzurufen. Der Beschwerdeführer habe deshalb zur Verteidigung seiner Ehre in Wahrnehmung berechtigter Interessen gegen den "Spiegel" den Vorwurf der Verbreitung unwahrer Tatsachen, bösartigen Klatsches und der Vermischung von Wahrem, Falschem und Verzerrtem erheben dürfen.
Dagegen richteten sich der Vergleich mit der Pornographie und die Behauptung, die Höhe des Absatzes sei der maßgebende Gesichtspunkt für den "Spiegel", nicht nur gegen den Wolga- Artikel, sondern gegen die Zeitschrift selbst. Sie enthielten ein Werturteil, das den Tatbestand der Beleidigung verwirkliche; denn in der herabsetzenden Würdigung des Inhalts des "Spiegel" liege zugleich ein erheblicher Angriff auf die Ehre der Privatkläger als Herausgeber und Redakteur. Diese Beleidigung könne auch weder als tadelndes Urteil noch als Äußerung zur Wahrung berechtigter Interessen aus § 193 StGB gerechtfertigt werden. § 193

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StGB sei ein Unterfall des Interessennotstandes, der dann entstehe, wenn die Erhaltung eines Rechtsgutes ohne die Verletzung eines anderen Rechtsgutes nicht möglich sei; er stehe unter dem leitenden Gesichtspunkt der Güter- und Pflichtenabwägung.
Als tadelndes Urteil im Sinne des § 193 StGB sei die Kritik des Beschwerdeführers nicht zulässig, weil ein solches Urteil nur dann gerechtfertigt erscheine, wenn es aus dem ehrlichen Bestreben hervorgehe, sachlichen Entgleisungen zu begegnen oder Mängel abzustellen, und wenn die Kritik subjektiv wahr sei. Zunächst sei es nach den Umständen schon nicht anzunehmen, daß der Angeklagte mit seiner herabsetzenden Äußerung hinsichtlich des "Spiegel" selbst überhaupt die Absicht gehabt habe, von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung gegenüber dieser Zeitschrift als Erscheinung des öffentlichen Lebens Gebrauch zu machen, wie er es in anderen Fällen auf dem Gebiet des Pressewesens getan habe. In diesem Fall aber habe er nicht objektiv den "Spiegel" bewertet oder zu bewerten versucht, sondern aus persönlicher Verlagerung über die in dem Wolga- Artikel gegen ihn erhobenen Vorwürfe den "Spiegel" als Ganzes angegriffen. Sein Urteil über den "Spiegel" sei auch nicht als subjektiv wahr anzusehen. Er habe nämlich, nachdem er eine Behandlung der gegen ihn erhobenen Vorwürfe vor der Landespressekonferenz abgelehnt habe, weil ihm einzelne Journalisten nicht zuverlässig erschienen, dem Korrespondenten des "Spiegel" ein längeres Interview gewährt, in dem er ihm Einzelheiten aus seinem Leben mitteilte; er habe somit den "Spiegel" für geeignet gehalten, Sprachrohr seiner Interessen in dem Pressestreit zu sein, obwohl ihm der "Spiegel" und seine Art, Tagesereignisse ähnlich wie in seinem Falle zu glossieren, vorher bekannt gewesen sei.
Auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen könne sich der Beschwerdeführer ebensowenig berufen. Zwar sei auch insoweit davon auszugehen, daß er seinen Artikel veröffentlicht habe, um seine Ehre gegenüber den im Wolga-Artikel enthaltenen, von ihm als kränkend empfundenen Angriffen wiederherzustellen. Nicht jede aus Anlaß der Interessenwahrnehmung gemachte

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Äußerung sei aber durch § 193 StGB geschützt. Vielmehr müsse die Kränkung des anderen das gebotene Mittel sein, um die eigene Ehre zu wahren. Der Umfang der zulässigen Verteidigung hänge einerseits von der Schwere des Angriffs, andererseits davon ab, ob es dem Betreffenden möglich und nach seiner Persönlichkeit zuzumuten sei, seine Äußerungen in eine weniger beleidigende Form zu kleiden. Mit Rücksicht auf seine Stellung im Leben und die Schwere der Verdächtigung, Kommunist im landläufigen Sinne zu sein, sei dem Beschwerdeführer auch eine Verteidigung mit heftigen und scharfen Worten zuzubilligen. Dagegen könne es nicht als das gebotene Mittel seiner Interessenwahrnehmung angesehen werden, wenn er durch ein selbst nicht als wahr empfundenes Werturteil über den "Spiegel" als Ganzes die Ehre der Privatkläger angegriffen habe, da ihm wirkungsvollere Mittel zur Verteidigung seiner Ehre zur Verfügung gestanden hätten, nämlich die sachliche Widerlegung der gegen ihn erhobenen Vorwürfe durch die Aufdeckung der Unvollständigkeit des verwendeten Materials, hier die Nichtverwertung seiner zahlreichen Veröffentlichungen gegen den Kommunismus in Rußland.
Eine Straffreierklärung nach § 199 StGB scheitere schon daran, daß eine rechtswidrige und schuldhafte Beleidigung des Beschwerdeführers jedenfalls seitens der beiden Privatkläger nicht erwiesen sei. Außerdem sei die Erwiderung des Beschwerdeführers nicht "auf der Stelle" erfolgt.
Das Oberlandesgericht Celle hat durch Urteil vom 24. Oktober 1956 die Revision des Beschwerdeführers verworfen, indem es den Ausführungen des Landgerichts im wesentlichen folgt.
3. Gegen diese Urteile des Landgerichts Göttingen vom 11. Januar 1956 und des Oberlandesgerichts Celle vom 24. Oktober 1956 richtet sich die Verfassungsbeschwerde. Sie rügt die Verletzung der Art. 1, 2, 5 Abs. 1, 38 Abs. 1 und 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
Der Beschwerdeführer sei durch den Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 20. Juli 1954, der die Entscheidung der Sache dem Amtsgericht Göttingen übertrug, seinem gesetzlichen Richter,

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nämlich den Richtern des Amtsgerichts Stuttgart, entzogen worden.
Das Grundrecht des Beschwerdeführers auf freie Meinungsäußerung aus Art. 5 Abs. 1 GG und seine Grundrechte aus Art. 1 und 2 Abs. 1 GG seien verletzt, weil das Landgericht Göttingen und das Oberlandesgericht Celle dem Beschwerdeführer zu Unrecht den Schutz der §§ 193 und 199 StGB versagt hätten. Die Veröffentlichung des "Spiegel" über den Beschwerdeführer verletze sein allgemeines Persönlichkeitsrecht in höchstem Maße. Um einen solchen Angriff abzuwehren, dürfe ein Verletzter bei dem allgemeinen Nichtgenügen des gegenwärtigen gerichtlichen Ehrenschutzes u. U. auch einen Exzeß begehen. Denn ein solcher Angriff müsse im Interesse der Rechtsordnung sehr rasch und kräftig zurückgeschlagen werden. Diesen Gesichtspunkt der pressemäßigen Abwehr gegen einen Presseangriff hätten die Gerichte nicht beachtet. Sie hätten es unterlassen, die ganze Problematik des Falles in das Verfassungsrecht einzubetten.
Art. 38 Abs. 1 GG sei verletzt, da das Landgericht Beweis über die Stimmabgabe des Beschwerdeführers bei den Wahlen im November 1932 und im März 1933 erhoben habe. Es sei zwar davon auszugehen, daß Art. 38 Abs. 1 GG nur für die Wahl zum Bundestag unmittelbar gelte. Jedoch beanspruche der in Art. 38 Abs. 1 GG normierte Grundsatz des Wahlgeheimnisses unter Einbeziehung des Normgehalts der Art. 1 und 2 GG Geltung auch für Wahlen vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes.
Der Niedersächsische Minister der Justiz hält die Rüge von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG wegen Fristversäumnis für unzulässig, der Sache nach für unbegründet. Das Grundrecht des Beschwerdeführers auf freie Meinungsäußerung sei nicht verletzt. Es finde nach Art. 5 Abs. 2 GG seine Schranken u. a. in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze und in dem Recht der persönlichen Ehre. Auslegung und Anwendung der diesen Vorbehalt ausfüllenden allgemeinen Gesetze und damit auch des § 193 StGB sei allein Sache der Strafgerichte.


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Den Privatklägern wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
Der Beschwerdeführer hat auf mündliche Verhandlung verzichtet.
II.
1. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, soweit Verletzung von Art. 1, 2, 5 und 38 Abs. 1 GG gerügt wird; insbesondere ist sie insoweit rechtzeitig erhoben.
Der Beschwerdeführer war bei Verkündung des Revisionsurteils nicht anwesend, so daß es ihm nach § 35 Abs. 2 StPO zugestellt werden mußte. Dem Verteidiger des Beschwerdeführers, der Zustellungsvollmacht besaß, wurde das Urteil am 2. November 1956 durch die Geschäftsstelle des Strafsenats zugestellt. Am 7. Dezember 1956 wurde es durch die Staatsanwaltschaft dem Verteidiger erneut zugestellt, dem Beschwerdeführer formlos mitgeteilt. Wäre die erste Zustellung des Urteils an den Verteidiger wirksam, so wäre die am 7. Januar 1957 eingegangene Verfassungsbeschwerde verspätet. Der Verteidiger ist jedoch im Strafverfahren nicht ipso jure Vertreter des Angeklagten. Auch wenn er Zustellungsvollmacht besitzt, ist jeweils nach dem prozeßrechtlichen Zwei zu prüfen, ob die Zustellung an den Verteidiger ausreicht. Urteile, die in Abwesenheit des Angeklagten ergehen, sind nach allgemeiner Meinung und ständiger Rechtsprechung ihm stets persönlich zuzustellen (Eberhard Schmidt, Lehrkommentar zur StPO und zum GVG, Teil II, Erläuterungen Nr. 15 und 16 zu §§ 36, 37 StPO; Löwe/Rosenberg, Kommentar zur StPO und zum GVG, 20. Aufl., § 37 StPO Anm. 6 c; RGSt 19, 390; 34, 331; 43, 321). Ebenso müssen in Strafsachen Revisionsurteile, um die Frist zur Erhebung der Verfassungsbeschwerde in Lauf zu setzen, dem Angeklagten persönlich mitgereicht werden; die Frist lief daher erst vom 8. Dezember 1956 an.
2. Soweit die Verfassungsbeschwerde eine Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG rügt, ist sie verspätet. Durch den Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 20. Juli 1954 wurde die örtliche Zu

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ständigkeit des angewiesenen Gerichts bindend festgestellt. Entscheidungen nach § 15 StPO ergehen in einem besonderen Verfahrensgang, der die örtliche Zuständigkeit für das künftige Hauptverfahren festlegt und den gesetzlichen Richter für das Verfahren endgültig bestimmt; die Richtigkeit des Verweisungsbeschlusses kann in dem anschließenden Hauptverfahren nicht mehr geprüft werden und ist nicht Gegenstand des Endurteils. Wenn der Beschwerdeführer in dem Beschluß des Bundesgerichtshofs eine Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG sah, so hätte er schon diesen Beschluß mit der Verfassungsbeschwerde anfechten müssen.
III.
Die Verfassungsbeschwerde ist begründet.
Ein Gericht, das über eine Beleidigung judiziert, wendet mit den Ehrenschutzbestimmungen der §§ 185 ff. StGB einfaches Gesetzesrecht an; seine Entscheidungen sind deshalb im allgemeinen der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht entzogen. Sie können nur darauf überprüft werden, ob bei der Anwendung der Ehrenschutzbestimmungen die Ausrichtung des gesamten Rechts auf die Wertordnung des Grundgesetzes verfehlt ist und dadurch Grundrechte des Verurteilten verletzt worden sind. Dies ist hier der Fall. Die Urteile des Landgerichts Göttingen und des Oberlandesgerichts Celle verletzen das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 5 Abs. 1 GG, weil sie die verfassungsrechtliche Bedeutung der Bildung öffentlicher Meinung verkennen und infolgedessen den Einfluß des Grundrechts der freien Meinungsäußerung auf Auslegung und Anwendung der Ehrenschutzbestimmungen unzutreffend werten.
1. Schon in seinem Urteil vom 15. Januar 1958 (BVerfGE 7, 198 [207 ff.] hat der Senat klargestellt, daß die Beziehung zwischen dem Grundrecht der freien Meinungsäußerung und den dieses begrenzenden "allgemeinen Gesetzen" nicht als einseitige Beschränkung der Geltungskraft des Grundrechts durch diese Gesetze aufzufassen ist; "vielmehr findet eine Wechselwirkung in dem Sinne statt, daß die allgemeinen Gesetze zwar dem Wortlaut

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nach dem Grundrecht Schranken setzen, ihrerseits aber aus der Erkenntnis der wertsetzenden Bedeutung dieses Grundrechts im freiheitlichen demokratischen Staat ausgelegt und so in ihrer das Grundrecht begrenzenden Wirkung selbst wieder eingeschränkt werden müssen." Das Grundgesetz hat dem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung erhöhte Bedeutung verliehen. Wie der Senat schon in früheren Urteilen ausgeführt hat, ist die Meinungsfreiheit als unmittelbarer Ausdruck der Persönlichkeit in der Gesellschaft eines der vornehmsten Menschenrechte; schon das verleiht ihr besonderes Gewicht. Darüber hinaus ist das Grundrecht für die freiheitliche demokratische Grundordnung schlechthin konstituierend, indem es den geistigen Kampf, die freie Auseinandersetzung der Ideen und Interessen gewährleistet, die für das Funktionieren dieser Staatsordnung lebensnotwendig ist [vgl. BVerfGE 5, 85 [205]; 7, 198 [208]]. Nur die freie öffentliche Diskussion über Gegenstände von allgemeiner Bedeutung sichert die freie Bildung der öffentlichen Meinung, die sich im freiheitlich demokratischen Staat notwendig "pluralistisch" im Widerstreit verschiedener und aus verschiedenen Motiven vertretener, aber jedenfalls in Freiheit vorgetragener Auffassungen, vor allem in Rede und Gegenrede vollzieht. Jedem Staatsbürger ist durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG das Recht gewährleistet, an dieser öffentlichen Diskussion teilzunehmen. Die Presse ist neben Rundfunk und Fernsehen das wichtigste Instrument der Bildung der öffentlichen Meinung; die Pressefreiheit genießt deshalb gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG spezifischen Grundrechtsschutz.
Die Tragweite des Grundrechts der Meinungsfreiheit muß gerade auf die in § 193 StGB gebotene Güterabwägung zwischen Ehre und Meinungsfreiheit - falls Gesichtspunkte der öffentlichen Meinungsbildung eine Rolle spielen - einen wesentlichen Einfluß ausüben. Der Bundesgerichtshof trägt dem Rechnung, indem er den Rechtfertigungsgrund des § 193 StGB als eine "Ausprägung" des Grundrechts der freien Meinungsäußerung wertet und die Bedeutung der Bildung öffentlicher Meinung bei seiner Anwendung berücksichtigt (BGHSt 12, 287 [293 f.]) und indem

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er - abweichend von der früheren Judikatur - die Wahrnehmung öffentlicher Interessen durch die Presse im Hinblick auf deren Funktion im demokratischen Staat als Wahrnehmung berechtigter Interessen im Sinne des § 193 StGB anerkennt (BGHZ 31, 308 [312]).
Aus dem Gesichtspunkt einer Gegenwirkung, die der in der öffentlichen Meinung erzielten Wirkung entspricht, bestimmt sich auch die dem Grundgesetz gemäße Abgrenzung des strafbaren Exzesses.
2. Im vorliegenden Fall haben die Gerichte den Sachverhalt zu Unrecht lediglich unter dem Gesichtspunkt der Verteidigung der persönlichen Ehre und des aus der Ehrverletzung resultierenden Interessennotstandes gesehen, ohne die Besonderheit einer in der Presse ausgetragenen Fehde und des ihr immanenten Elementes der öffentlichen Meinungsbildung zu würdigen.
a) Das tritt in der - vom Oberlandesgericht Celle nicht beanstandeten - Gedankenführung des landgerichtlichen Urteils mehrfach in Erscheinung.
So ist die Frage, ob die Presseerwiderung des Beschwerdeführers auf den Presseangriff des "Spiegel" das angemessene Mittel der Verteidigung war, zwar im Ergebnis zutreffend bejaht worden. Dieses Ergebnis folgt jedoch - ohne die vom Landgericht hierzu angestellten Erwägungen - unmittelbar aus der Bedeutung des Grundrechts der Meinungsfreiheit. Ein Angriff in der Presse trägt stets zur Bildung einer öffentlichen Meinung bei, so daß - weil Art. 5 Abs. 1 GG die freie Diskussion und die freie Bildung öffentlicher Meinung gewährleistet - die adäquate Reaktion ebenfalls die Einwirkung auf die öffentliche Meinung, d. h. also eine Erwiderung in der Presse ist.
Ferner stellt das Urteil bei der Versagung der Kompensation aus § 199 StGB Redakteur und Herausgeber einerseits von der Verantwortung für den anonymen Angriff des "Spiegel" gegen den Beschwerdeführer frei, während sie andererseits als die durch den Gegenangriff auf den "Spiegel" Beleidigten behandelt werden. Im Hinblick auf die öffentliche Meinungsbildung taucht hier

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eine Problematik auf, die in dem - im übrigen eingehenden - Urteil nicht zur Sprache kommt.
Nur einmal, nämlich bei der Ablehnung des Rechtfertigungsgrundes des "tadelnden Urteils" nach § 193 StGB klingt die öffentliche Meinungsbildung an; doch wird ihre Bedeutung für die Entscheidung mit der Begründung zurückgewiesen, daß das abwertende Urteil, das der Beschwerdeführer über den "Spiegel" geäußert habe, nicht seiner wirklichen Meinung entsprochen habe: er habe eben nur aus Verärgerung, nicht aber in der Absicht gehandelt, von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch zu machen. Es mag hier dahingestellt bleiben, ob die Feststellung subjektiver Unwahrhaftigkeit überzeugt, weil sich nämlich nach der Lebenserfahrung naheliegende andere Erklärungen für das Verhalten des Beschwerdeführers anbieten: daß gerade ein negatives Gesamturteil des Beschwerdeführers über den "Spiegel" und daraus resultierenden Sorge ihn zur Gewährung des Interviews veranlaßt oder daß selbst ein früheres günstigeres Urteil sich gerade durch die Nichtverwertung des beim Interview übergebenen Materials in dem Wolga-Artikel geändert haben könnte. Wie auch immer man diese Frage beantwortet - die Bedeutung des in der Presse erscheinenden tadelnden Urteils als Faktor der öffentlichen Meinungsbildung kann nicht mit dem Hinweis auf persönliche Motive abgetan werden, wenn auch das Grundrecht der freien Meinungsäußerung bei einer Güterabwägung dort besonders ins Gewicht fallen wird, wo eine Äußerung lediglich zur öffentlichen Meinungsbildung beitragen will, ohne daß persönliche Auseinandersetzungen im Spiel sind (vgl. BVerfGE 7, 198 [212]).
b) Einer endgültigen Stellungnahme zu den Ausführungen über Kompensation und tadelndes Urteil bedarf es nicht. Auch braucht die besondere Frage nicht geprüft zu werden, ob nicht das Wahlgeheimnis als Bereich der Privatsphäre durch Art. 2 Abs. i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG Grundrechtsschutz genießt und ob die Erörterung, wie der Beschwerdeführer bei den Reichstagswahlen im November 1932 und März 1933 abgestimmt habe, damit unver

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einbar sein könnte. Denn die Urteile unterliegen jedenfalls der Aufhebung, weil sie bei der Versagung des Rechtfertigungsgrundes der Wahrnehmung berechtigter Interessen der Wertentscheidung des Art. 5 Abs. 1 GG nicht Rechnung tragen.
c) In der umstrittenen Äußerung des Beschwerdeführers erscheint die "Wahrnehmung berechtigter Interessen" in der Gestalt einer Wertung, und zwar, wenn man der tatsächlichen Feststellung des Landgerichts folgt, nicht nur des Wolga-Artikels, sondern allgemein des "Spiegel" mindestens in wesentlichen Teilen seiner Veröffentlichungen.
Da die Äußerung nicht als spontaner Angriff, sondern in Verteidigung gegen den Wolga-Artikel erfolgt ist, hängt die Art der "berechtigten Interessen" wesentlich davon ab, welche Interessen dieser Artikel berührte. Das war nicht nur die persönliche Ehre des Beschwerdeführers. Vielmehr hatte der "Spiegel", indem er die politische Vergangenheit des Beschwerdeführers durchleuchtete, vor allem das Thema der Besetzung eines hohen Richteramtes mit einer angeblich ungeeigneten Persönlichkeit behandelt, d. h. zu einem Streit um die Personalpolitik und die Vertrauenswürdigkeit der Justiz Stellung genommen, in den neben dem Beschwerdeführer der frühere Ministerpräsident Dr. Maier und der Justizminister Dr. Haussmann hineingezogen worden waren; dies liegt grundsätzlich im Rahmen der öffentlichen Aufgabe der Presse, die Bürger über öffentliche Angelegenheiten zu unterrichten. Dann aber muß die Wahrnehmung des gleichen öffentlichen Interesses auch dem Beschwerdeführer bei seiner Presseerwiderung als berechtigt zugestanden werden. Das folgt aus dem in Art. 5 Abs. 1 GG gewährleisteten Recht jedes Bürgers, durch freie Äußerung seiner Meinung zur öffentlichen Meinungsbildung beizutragen.
Es kommt dabei nicht darauf an, ob es dem Beschwerdeführer zunächst nur um die Verteidigung seiner Ehre zu tun war, so daß er nicht die Absicht hatte, "von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung gegenüber dem 'Spiegel' als Erscheinung des öffentlichen Lebens" Gebrauch zu machen. Das Motiv ist für die Be

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urteilung einer Äußerung unter dem Gesichtspunkt der öffentlichen Meinungsbildung nicht allein ausschlaggebend. Meinungsäußerungen auch in der Presse sind häufig durch andere Motive als durch das Bestreben, der Öffentlichkeit zu dienen, bestimmt; persönliche Wertungen und Interessen verschiedenster Art pflegen im Spiel zu sein. Dennoch dienen sie der Unterrichtung und tragen zur öffentlichen Meinungsbildung bei. So geht es auch in der Äußerung des Beschwerdeführers zugleich mit der Verteidigung seiner persönlichen Ehre um die vom "Spiegel" angeschnittene Frage, ob ein hoher Richter, der dem Kommunismus so nahestehe wie angeblich der Beschwerdeführer, durch unsachliche Erwägungen in sein Amt gekommen und ob er weiterhin in diesem Amte tragbar sei. Daher wird im ersten Teil des Artikels bestritten, daß die Darstellung des "Spiegel" von der Neigung des Beschwerdeführers zum Kommunismus zutreffend sei, und in dem - beanstandeten - letzten Teil wird - wenn man den Feststellungen des Landgerichts folgt - durch den Vergleich mit der Pornographie und den Hinweis auf ein dieser Art von Berichterstattung zugrundeliegendes Gewinnstreben die Glaubwürdigkeit des "Spiegel" überhaupt in Zweifel gezogen. Der Beschwerdeführer versucht also, die vom "Spiegel" falsch unterrichtete Öffentlichkeit richtig zu orientieren und diese dem Wolga-Artikel entgegenwirkende Beeinflussung der Öffentlichkeit durch den Hinweis auf den behaupteten Mangel an Seriosität des "Spiegel" zu bekräftigen. Die Äußerung des Beschwerdeführers stellt sich hiernach objektiv als Beitrag zu einer die Öffentlichkeit stark interessierenden, das Vertrauen in Staatsführung und Justiz berührenden Frage dar und kann diesen Charakter nicht dadurch verlieren, daß der Beschwerdeführer zugleich seine Ehre und seine Stellung verteidigte. Zu den berechtigten Interessen, die er mit seiner Äußerung wahrnahm, gehörte also auch sein Recht, zur öffentlichen Meinungsbildung beizutragen.
Unter diesem Gesichtspunkt muß die Art der Verteidigung durch den Beschwerdeführer beurteilt werden. Es kommt nicht, wie die Gerichte annehmen, allein darauf an, ob die Gegenäuße

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rung des Beschwerdeführers zur Wiederherstellung seiner Ehre "unbedingt erforderlich" war; vielmehr ist auch zu fragen, ob sie der Art der Berichterstattung des "Spiegel" und ihrer Wirkung auf die öffentliche Meinung entsprach. Das ergibt sich aus der Bedeutung von Rede und Gegenrede für die Bildung der öffentlichen Meinung.
Mit der Pressefreiheit - unter deren Schutz der Wolga-Artikel an sich stand - gehen Pflichten einher, die um so ernster genommen werden müssen, je höher man das Grundrecht der Pressefreiheit einschätzt. Wenn die Presse von ihrem Recht, die Öffentlichkeit zu unterrichten, Gebrauch macht, ist sie zur wahrheitsgemäßen Berichterstattung verpflichtet. Die Erfüllung dieser Wahrheitspflicht wird nach gesicherter Rechtsprechung schon um des Ehrenschutzes des Betroffenen willen gefordert (vgl. BGHZ 31,308 [312 f.]; BGHSt 4,338; BGH Lindenmaier/Möhring, Nr. 4 zu § 354 Abs. 1 StPO; BGH in NJW 1952 S.194). Sie ist zugleich in der Bedeutung der öffentlichen Meinungsbildung im Gesamtorganismus einer freiheitlichen Demokratie begründet. Nur dann, wenn der Leser - im Rahmen des Möglichen - zutreffend unterrichtet wird, kann sich die öffentliche Meinung richtig bilden. Die Presse ist daher um ihrer Aufgabe bei der öffentlichen Meinungsbildung willen gehalten, Nachrichten und Behauptungen, die sie weitergibt, auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen. Wenn auch diese Prüfungs- und Wahrheitspflicht nicht überspannt werden darf, so ist es doch unzulässig, leichtfertig unwahre Nachrichten weiterzugeben. Erst recht darf die Wahrheit nicht bewußt entstellt werden; dies geschieht auch dann; wenn man wesentliche Sachverhalte, die einem bekannt sind, der Öffentlichkeit unterschlägt.
Wie das Landgericht feststellt, hat der Wolga-Artikel ein verzerrtes Bild von der politischen Einstellung des Beschwerdeführers gezeichnet, und zwar nicht nur durch Wiedergabe einiger unrichtiger Behauptungen, sondern auch und vor allem durch bewußtes Weglassen von Tatsachen, die geeignet waren, das Bild seiner politischen Gesinnung richtigzustellen. Es wird nicht ob

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jektiv dargelegt, was dem Verfasser bekannt und zur Beurteilung des politischen Standpunkts des Beschwerdeführers ersichtlich wesentlich ist. Der Artikel trägt vielmehr alles, auch weit Zurückliegendes, zusammen, was dazu dienen kann, den "ausgesprochen roten Faden" im Leben des Beschwerdeführers aufzuzeigen, verschweigt dagegen geflissentlich das, was den Verdacht kommunistischer Gesinnung entkräften könnte. Insbesondere wird der Leser nicht mit den Unterlagen bekanntgemacht, die der Beschwerdeführer dem Korrespondenten zum Beweis dafür übergeben hatte, daß er den Bolschewismus entschieden verurteile. Der "Spiegel" hat also seinen Lesern unter dem Anschein der vollen Wahrheit bewußt nur Teilwahrheiten geboten.
Wie der Beschwerdeführer erwidert, welche Gestalt er seinem Beitrag zu dem öffentlich zur Diskussion gestellten Thema geben durfte, wird entscheidend durch diese Art der Berichterstattung des "Spiegel" und durch die Notwendigkeit bestimmt, ihrer Einwirkung auf die öffentliche Meinung entgegenzuwirken. Wenn der "Spiegel" durch seine Berichterstattung über den Beschwerdeführer sich dem begründeten Verdacht, nicht zuverlässig zu berichten, ausgesetzt hatte, so konnte ein angemessener Beitrag zur öffentlichen Diskussion auch darin liegen, daß der "Spiegel" allgemein als Träger solcher Darstellungsweise entsprechend kritisiert wurde. Der "Spiegel" hatte insoweit zu einem abwertenden Urteil selbst Anlaß gegeben (vgl. BGHSt 12, 287 [294]) und mußte deshalb ein solches Urteil grundsätzlich hinnehmen, auch wenn es sein Ansehen minderte. Die von dem Landgericht dem Beschwerdeführer allein zugestandene "sachliche Widerlegung" der gegen ihn erhobenen Vorwürfe konnte als Gegenwirkung gegenüber dem Einfluß des Wolga-Artikels auf die öffentliche Meinungsbildung nicht genügen. Da der Artikel seine Gesamtwirkung weniger eigentlichen Unwahrheiten als der Unterdrückung von Tatsachen und der Verschiebung der Akzente verdankt, war eine solche Widerlegung überaus schwierig, und damit allein der nachhaltige Eindruck einer Publikation der vielgelesenen Wochenschrift kaum zu überwinden.


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d) Zusammenfassend ergibt sich: Wenn die Gerichte für den Vorwurf einer der Pornographie vergleichbaren geistigen Enthüllung als Reizmittel für die Leserschaft den Rechtfertigungsgrund der Wahrnehmung berechtigter Interessen nicht gelten lassen, so gehen sie von der Voraussetzung aus, daß der Beschwerdeführer nur an der Verteidigung seiner persönlichen Ehre ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 193 StGB hatte. Das Hineinwirken des Art. 5 Abs. 1 GG in diese Norm gebietet aber, auch sein berechtigtes Interesse an der Einwirkung auf die Bildung der öffentlichen Meinung über eine wichtige Frage der Ämterpolitik anzuerkennen und seine Äußerung auch als Gegenschlag gegen eine unzutreffende Information der Öffentlichkeit hierüber zu werten. Dadurch, daß diese Prüfung in den angefochtenen Urteilen fehlt, ist das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 5 Abs. 1 GG verletzt. Diese Urteile sind deshalb aufzuheben. Das Bundesverfassungsgericht hält es für geboten, das Verfahren an ein anderes Gericht zu verweisen. Da es an § 354 Abs. 2 StPO nicht gebunden ist, kann die Verweisung an jedes sachlich zuständige Gericht auch eines anderen Landes erfolgen.