BVerfGE 13, 123 - Fragestunde
 


BVerfGE 13, 123 (123):

Beschluß
des Zweiten Senats gemäß § 24 BVerfGG vom 18. Juli 1961
- 2 BvE 1/61 -
in dem Verfahren über den Antrag der Deutschen Friedens-Union gegen die Bundesregierung wegen eines behaupteten Verstoßes gegen Art. 21 GG - Antragsteller: Deutsche Friedens-Union, vertreten durch den Bundesvorstand, Köln..., a) Frau Prof. Dr. R... R..., b) Herrn K... Graf von W..., c) Herrn L... K..., Bevollmächtigter:..., - Antragsgegner: Die Bundesregierung, vertreten durch den Bundeskanzler, Bonn.
Entscheidungsformel:
Der Antrag wird als unzulässig verworfen.
 


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Gründe:
I.
In der 143. Sitzung des Deutschen Bundestages am 10. Februar 1961 stellte der Abgeordnete Müller-Hermann die den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern berührende Frage:
    "Ist die Bundesregierung in der Lage, nach dem neuesten Stand der Ermittlungen eine Übersicht über die kommunistischen Tarn- und Hilfsorganisationen und ihre Publikationsmittel zu geben?"
Der Bundesminister des Innern zählte in seiner Antwort eine Reihe kommunistischer Hilfs- und Tarnorganisationen sowie kommunistisch beeinflußter Organisationen auf und fuhr dann fort:
    "Ich weise ferner auf diejenigen Vereinigungen hin, mit deren Hilfe der Kommunismus sich eine Plattform verschaffen möchte, um in den Parlamenten des Bundes, der Länder und der Gemeinden wieder Fuß zu fassen und von dort aus Einfluß auf das politische Leben in der Bundesrepublik zu gewinnen. Auf der Bundesebene ist dies die Deutsche Friedensunion ..."
Gegen diese Äußerung wendet sich die Deutsche Friedens-Union, die sich im Frühjahr 1961 auf Bundesebene mit dem Ziel konstituiert hat, durch Teilnahme an den Wahlen zu den gesetzgebenden Körperschaften des Bundes und der Länder Einfluß auf die staatliche Willensbildung zu nehmen, mit der Organklage (Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, §§ 13 Nr. 5, 63 ff. BVerfGG). Sie begehrt die Feststellung, daß die angegriffene Äußerung gegen Art. 21 des Grundgesetzes verstößt.
Zur Begründung trägt sie im wesentlichen vor: Der Bundesminister des Innern habe sie vor dem Bundestag als eine "Hilfstruppe des Kommunismus abgestempelt" und ihr damit die Legitimation abgesprochen, an der politischen Willensbildung des Volkes teilzunehmen. Dadurch werde sie in dem ihr als politischer Partei durch Art. 21 GG gewährten organschaftlichen Status verletzt. Die Äußerung des Bundesministers des Innern werde nachhaltige Wirkungen zeitigen und sich für sie bei den

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kommenden Wahlen zum Bundestag ungünstig auswirken. So habe sich z. B. die Schulbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg unter Berufung auf die Erklärung des Bundesministers des Innern geweigert, der Deutschen Friedens-Union Räume in Schulgebäuden für Versammlungszwecke zur Verfügung zu stellen.
Die Bundesregierung hält den Antrag für unzulässig und für unbegründet.
II.
Nach § 64 Abs. 1 BVerfGG ist ein Antrag im Organstreit nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, daß er oder das Organ, dem er angehört, durch eine Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners in seinen ihm durch das Grundgesetz übertragenen Rechten und Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet ist. Die zur Nachprüfung gestellte Maßnahme muß rechtserheblich sein oder sich zumindest zu einem die Rechtsstellung der Antragstellerin beeinträchtigenden, rechtserheblichen Verhalten verdichten können (BVerfGE 2, 143 [168]; 3, 12 [17]); die Verletzung oder Gefährdung der Rechte und Pflichten muß sich aus dem Sachvortrag als mögliche Rechtsfolge ergeben (BVerfGE 2, 347 [366]). Von einer solchen Verletzung oder Gefährdung der Rechte der Antragstellerin kann aber im vorliegenden Fall nicht gesprochen werden.
Antworten der Bundesregierung auf mündliche Fragen in der Fragestunde des Bundestages sollen dazu dienen, dem einzelnen Abgeordneten die für seine Tätigkeit nötigen Informationen auf rasche und zuverlässige Weise zu verschaffen. Sie gehören in den Rahmen des Frage- und Interpellationsrechts des Parlaments das den Mitgliedern der Bundesregierung die verfassungsrechtliche Verpflichtung auferlegt, auf Fragen Rede und Antwort zu stehen. Die Beantwortung der Frage eines Abgeordneten durch den zuständigen Minister ist ein parlamentsinterner Vorgang, der sich in der Regel in der Äußerung einer Meinung erschöpft und eine rechtliche Außenwirkung nicht erzeugt. Dies gilt insbesondere, wenn, wie im vorliegenden Fall, der Bundesminister

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des Innern in Erfüllung seiner verfassungsrechtlichen Pflicht, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu schützen, in sachlicher Form die Frage eines Abgeordneten beantwortet.
Weder der Bundesminister des Innern noch die Bundesregierung hat im übrigen die verfassungsrechtliche Möglichkeit, von sich aus die Antragstellerin an der Ausübung der in Art. 21 GG umschriebenen Rechte und Pflichten zu hindern. Erstreckt sich das Verbotsurteil der KPD nicht auf die Antragstellerin - und dies ist weder vom Bundesminister des Innern noch von der Bundesregierung im vorliegenden Verfahren behauptet worden -, so genießt die Antragstellerin das Parteienprivileg des Art. 21 Abs. 2 GG, d.h. bis zu einer etwaigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kann niemand rechtlich geltend machen, daß die Deutsche Friedens-Union verfassungswidrig sei (Urteil vom 21. März 1961 - 2 BvR 27/60 - unter C II 2 [S. 12]). Art. 21 Abs. 2 GG schließt insbesondere ein administratives Einschreiten gegen den Bestand einer politischen Partei aus (BVerfGE 5, 85 [140]) und schützt bis zu einem Verbot die mit allgemein erlaubten Mitteln arbeitende partei-offizielle Tätigkeit ihrer Funktionäre und Anhänger vor dem Zugriff der Exekutive oder der Gesetzgeber (Urteil vom 21. März 1961 - 2 BvR 27/60 - S. 12 ff.). Die Bundesregierung hat lediglich das Recht, einen Antrag auf Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit der Deutschen Friedens-Union bei dem Bundesverfassungsgericht zu stellen.
Auf die Weigerung der Schulbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg, der Deutschen Friedens-Union Versammlungsräume zur Verfügung zu stellen, kann die Antragstellerin sich in diesem Zusammenhang nicht berufen. Diese Weigerung ist nicht eine Rechtsfolge der angegriffenen Äußerung, sondern eine von der Schulbehörde in eigener Verantwortung getroffene Entscheidung, gegen die allenfalls die allgemeinen Rechtsmittel im Verwaltungsverfahren ergriffen werden können.