BVerfGE 75, 1 - Völkerrecht


BVerfGE 75, 1 (1):

Zur Frage einer Geltung des Grundsatzes ne bis in idem im allgemeinen Völkerrecht.
 
Beschluß
des Zweiten Senats vom 31. März 1987
-- 2 BvM 2/86 --
in dem Verfahren zur Prüfung der Frage, ob eine allgemein anerkannte Regel des Völkerrechts im Sinne des Art. 25 GG der Zulässigkeit einer Auslieferung nach dem Europäischen Auslieferungsübereinkommen vom 13. Dezember 1957 entgegensteht, wenn der Verfolgte wegen derselben Tat, die dem Auslieferungsersuchen zugrunde liegt, bereits in einem dritten Staat bestraft worden ist und eine Freiheitsentziehung erlitten hat, und wenn diese Freiheitsstrafe durch das in dem ersuchenden Staat ergangene Strafurteil nicht angerechnet oder sonst berücksichtigt worden ist, - Aussetzungs- und Vorlagebeschluß des Oberlandesgerichts München vom 10. Dezember 1986 (Ausl. 120/86) -.
Entscheidungsformel:
Eine allgemeine Regel des Völkerrechts des Inhalts, daß eine Person wegen desselben Lebenssachverhalts, dessentwegen sie bereits in einem dritten Staat zu einer Freiheitsentziehung verurteilt wurde und diese auch verbüßt hat, in einem anderen Staat nicht neuerlich angeklagt oder verurteilt werden darf, oder jedenfalls die Zeit der im dritten Staat erlittenen Freiheitsentziehung im Falle einer neuerlichen Verurteilung angerechnet oder berücksichtigt werden muß, ist nicht Bestandteil des Bundesrechts.  Ebensowenig ist eine allgemeine Regel des Völkerrechts, die der Zulässigkeit einer Auslieferung nach dem Europäischen Auslieferungsübereinkommen vom 13. Dezember 1957 entgegensteht, wenn der Verfolgte wegen desselben Lebenssachverhalts, der dem Auslieferungsersuchen zugrunde liegt, bereits in einem dritten Staat eine Freiheitsentziehung erlitten hat, und deren Zeit bei einer neuerlichen Verurteilung im ersuchenden Staat nicht angerechnet oder berücksichtigt wird, Bestandteil des Bundesrechts.
 
Gründe:
 
A. -- I.
1. a) Aufgrund eines telegraphischen Ersuchens der türkischen Behörden um vorläufige Festnahme zur Sicherung der Auslieferung wurde der Verfolgte, dessen Ausliefe

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rung Gegenstand des Ausgangsverfahrens ist, am 22. Oktober 1986 in München vorläufig festgenommen. Am 28. Oktober 1986 hat der zuständige Senat des Oberlandesgerichts München gegen den Verfolgten vorläufigen Auslieferungshaftbefehl erlassen. Mit Verbalnote vom 3. November 1986 hat die Botschaft der Republik Türkei in Bonn die Bundesrepublik Deutschland unter Übergabe des Urteils des Schwurgerichts (schweren Strafgerichts) in Edirne vom 31. Oktober 1975 (Ursprungsnummer: 971/81; Urteilsnummer: 975/81; C.M.U.: 971/763), eines Haftbefehls der Republikstaatsanwaltschaft in Edirne vom 15. Mai 1986 und weiterer Auslieferungsunterlagen um die Auslieferung des im Jahre 1933 geborenen, im Bundesgebiet wohnhaften Verfolgten türkischer Staatsangehörigkeit ersucht.
b) Nach dem genannten Urteil des Schwurgerichts Edirne vom 31. Oktober 1975 wurde der Verfolgte einer Straftat nach Art. 403 des türkischen Strafgesetzbuches für schuldig befunden. Diese Vorschrift lautet:
    (1) Wer Betäubungsmittel ohne Erlaubnis oder einer Erlaubnis zuwider herstellt, ein- oder ausführt oder versucht, diese Taten zu begehen, wird mit Zuchthaus nicht unter zehn Jahren sowie mit Verweisung von drei bis zu fünf Jahren bestraft ...
    (2) Ist das in der vorhergehenden Ziffer genannte Betäubungsmittel Heroin, Kokain, Morphium oder Haschisch, so wird der Täter mit lebenslänglichem Zuchthaus bestraft.
Nach den Feststellungen dieses Urteils schmuggelte der Verfolgte im Juli 1967 unter Überqueren des Grenzflusses Meric 8 kg Haschisch aus der Türkei nach Griechenland, wo er in der Folgezeit festgenommen und durch Urteil des Strafgerichts erster Instanz in Evros vom 30. Mai 1968 wegen dieser und anderer den Umgang mit Betäubungsmitteln betreffender Handlungen zu einer Gefängnisstrafe von drei Jahren verurteilt wurde. Diese Freiheitsstrafe hat der Verfolgte in Griechenland verbüßt.
Wegen dieses Verhaltens, das unter anderem auch Gegenstand der genannten Verurteilung durch das Strafgericht erster Instanz in Evros war, wurde gegen den Verfolgten mit Urteil des Schwur

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gerichts in Edirne vom 31. Oktober 1975 auf eine Strafe von 18 Jahren schweren Gefängnisses erkannt. Dabei wurde auf den Strafausspruch die in der Türkei erlittene Untersuchungshaft angerechnet, nicht jedoch -- auch nicht teilweise -- die in Griechenland verbüßte Freiheitsstrafe. Dieses Urteil ist aufgrund Beschlusses des türkischen Kassationsgerichtshofs vom 26. März 1977 rechts-kräftig. Die erkannte Freiheitsstrafe von 18 Jahren ist nach Abzug der in der Türkei erlittenen Untersuchungshaft noch vollständig zu verbüßen; zu ihrer Vollstreckung wird die Auslieferung begehrt.
Mit Verbalnote vom 12. Januar 1987 hat die Türkische Botschaft in Bonn mitgeteilt, daß gemäß Art. 36 Abs. 2 a) i) des Einheits-Übereinkommens über Suchtstoffe vom 30. März 1961 "illegale Einfuhr, Ausfuhr, Transitbeförderung sowie Verkauf usw. von Rauschgift als einzelne Schuld zu betrachten" sei; es sei daher nicht möglich, bei der Vollstreckung des Urteils des schweren Strafgerichts zu Edirne vom 31. Oktober 1975 die von dem Verfolgten in Griechenland verbüßte Strafe anzurechnen. Diese werde auch nicht anderweitig berücksichtigt, sondern lediglich als Vorstrafe registriert.
Art. 36 des Einheits-Übereinkommens über Suchtstoffe vom 30. März 1961 in der zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei anwendbaren Fassung lautet (BGBl. 1973 II S. 1354 ff., 1381 f.):
    (1) Jede Vertragspartei trifft vorbehaltlich ihrer Verfassungsordnung die erforderlichen Maßnahmen, um jedes gegen dieses Übereinkommen verstoßende Anbauen, Gewinnen, Herstellen, Ausziehen, Zubereiten, Besitzen, Anbieten, Feilhalten, Verteilen, Kaufen, Verkaufen, Liefern -- gleichviel zu welche Bedingungen --, Vermitteln, Versenden -- auch im Durchfuhrverkehr --, Befördern, Einführen und Ausführen von Suchtstoffen sowie jede nach Ansicht der betreffenden Vertragspartei gegen dieses Übereinkommen verstoßende sonstige Handlung, wenn vorsätzlich begangen, mit Strafe zu bedrohen sowie schwere Verstöße angemessen zu ahnden, insbesondere mit Gefängnis oder sonstigen Arten des Freiheitsentzugs.
    (2) Jede Vertragspartei gewährleistet vorbehaltlich ihrer Verfassungsordnung, ihres Rechtssystems und ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften,


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    a) i) daß jeder der in Absatz 1 aufgeführten Verstöße, wenn in verschiedenen Staaten begangen, als selbständiger Verstoß gilt, ...
    iv) daß die vorstehend bezeichneten schweren Verstöße, gleichviel ob von Staatsangehörigen oder Ausländern begangen, von der Vertragspartei verfolgt werden, in deren Hoheitsgebiet der Verstoß begangen wurde, oder von der Vertragspartei, in deren Hoheitsgebiet der Täter betroffen wird, wenn diese auf Grund ihres Rechts das Auslieferungsersuchen ablehnt und der Täter noch nicht verfolgt und verurteilt worden ist.
    b) Es ist wünschenswert, daß die in Absatz 1... bezeichneten Verstöße in jeden bestehenden oder künftigen Auslieferungsvertrag zwischen Vertragsparteien als auslieferungsfähige Straftaten aufgenommen werden und daß sie zwischen Vertragsparteien, welche die Auslieferung nicht vom Bestehen eines Vertrags oder von der Gegenseitigkeit abhängig machen, als auslieferungsfähige Straftaten anerkannt werden; Voraussetzung ist, daß die Auslieferung im Einklang mit den Rechtsvorschriften der ersuchten Vertragsparteien bewilligt wird und daß diese berechtigt ist, die Festnahme oder die Auslieferung in Fällen zu verweigern, in denen die zuständigen Behörden den Verstoß als nicht schwerwiegend genug ansehen.
In der Bundesrepublik Deutschland ist gegen den Verfolgten wegen des dem Auslieferungsersuchen zugrundeliegenden Sachverhalts ein Ermittlungsverfahren nicht eingeleitet worden.
c) Bei der Eröffnung des türkischen Auslieferungsersuchens einschließlich der genannten Auslieferungsunterlagen durch den Ermittlungsrichter des Amtsgerichts München am 1. Dezember 1986 hat sich der Verfolgte mit seiner vereinfachten Auslieferung in die Türkei nicht einverstanden erklärt; er hat vielmehr Einwendungen gegen seine Auslieferung erhoben und hierzu ausgeführt, er wolle freiwillig in die Türkei reisen.
2. Mit Beschluß vom 10. Dezember 1986 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts München auf Antrag der Staatsanwaltschaft und nach Anhörung des Verfolgten entschieden, die Fortdauer der Auslieferungshaft des Verfolgten wegen des genannten Urteils des Schwurgerichts in Edirne vom 31. Oktober 1975 anzuordnen. Zugleich hat er die Entscheidung über die Zulässigkeit der

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Auslieferung des Verfolgten zurückgestellt und die Sache dem Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 2 GG zur Klärung folgender Rechtsfrage vorgelegt:
    Steht eine allgemein anerkannte Regel des Völkerrechts im Sinne des Artikel 25 GG der Zulässigkeit einer Auslieferung nach dem Europäischen Auslieferungsübereinkommen vom 13. Dezember 1957 entgegen, wenn der Verfolgte wegen derselben Tat, die dem Auslieferungsersuchen zugrundeliegt, bereits in einem dritten Staat bestraft worden ist und eine Freiheitsentziehung erlitten hat, und wenn diese Freiheitsstrafe durch das in dem ersuchenden Staat ergangene Strafurteil nicht angerechnet oder sonst berücksichtigt worden ist?
a) Dem Auslieferungshaftbefehl sei das genannte Urteil des Schwurgerichts in Edirne vom 31. Oktober 1975 zugrundezulegen. Das Verhalten des Verfolgten, das zu dieser Verurteilung geführt habe, sei auch nach deutschem Recht gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG strafbar. Die Auslieferungsfähigkeit ergebe sich aus Art. 2 Abs. 1 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens (EuAlÜ) vom 13. Dezember 1957 (BGBl. 1964 II S. 1369); Gründe, die nach dessen Art. 2 bis 11 der Auslieferung entgegenstehen könnten, seien nicht ersichtlich. Insbesondere sei auch nach deutschem Recht die Vollstreckungsverjährung nicht eingetreten (§ 79 Abs. 3 Nr. 1 StGB). Ferner stehe auch der Umstand, daß die in Griechenland gegen den Verfolgten verhängte und von diesem verbüßte Freiheitsstrafe nicht ganz oder teilweise auf die durch das Urteil des Schwurgerichts in Erdine vom 31. Oktober 1975 erkannte schwere Gefängnisstrafe von 18 Jahren angerechnet worden ist, der Zulässigkeit der Auslieferung im Sinne von § 15 Abs. 2 IRG nicht schon von vornherein entgegen. Insbesondere ergebe sich insoweit ein Auslieferungshindernis nicht aus Art. 9 Satz 1 EuAlÜ, der bestimmt, daß die Auslieferung nicht bewilligt wird, wenn der Verfolgte wegen Handlungen, derentwegen um Auslieferung ersucht wird, von den zuständigen Behörden des ersuchten Staates rechtskräftig abgeurteilt worden ist: Diese Vor

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schrift sei nach ihrem eindeutigen Wortlaut weder unmittelbar noch analog auf den Fall einer rechtskräftigen Aburteilung in einem Drittstaat -- hier Griechenland -- anwendbar. Ferner habe die Bundesrepublik Deutschland bei der Ratifizierung des Europäischen Auslieferungsübereinkommens auch nicht einen die Anrechnung von Strafen aus Urteilen dritter Staaten betreffenden Vorbehalt abgegeben. Daher könnte die Nichtanrechnung der in Griechenland gegen den Verfolgten verhängten und von diesem verbüßten Freiheitsstrafe der Zulässigkeit der Auslieferung nur dann entgegenstehen, wenn eine allgemein anerkannte Regel des Völkerrechts bestünde, welche die Anrechnung einer in einem anderen Staat wegen derselben Tat verhängten und verbüßten Strafe gebieten und damit dem Grundsatz ne bis in idem auch im internationalen Bereich in gewissem Umfang Rechnung tragen würde.
Eine solche allgemeine Regel des Völkerrechts bestehe aber zumindest derzeit noch nicht: Die Geltung des Grundsatzes ne bis in idem sei bisher auf Verurteilungen durch denselben Staat beschränkt geblieben. Auch das "Anrechnungsprinzip", das heißt die Anrechnung einer in einem anderen Staat verhängten und vollstreckten Strafe, das letztlich nur eine abgeschwächte Form des Grundsatzes ne bis in idem darstelle und in verschiedenen Staaten -- so etwa in § 51 Abs. 3 StGB -- innerstaatlich vorgesehen sei, habe auf internationaler Ebene allgemeine Anerkennung noch nicht gefunden.
Die sich aus § 15 Abs. 2 IRG ergebende Voraussetzung für die Anordnung und Fortdauer der Auslieferungshaft sei danach erfüllt; da auch der Haftgrund der Fluchtgefahr fortbestehe -- wie näher ausgeführt wird --, sei die Fortdauer der Auslieferungshaft gemäß § 16 Abs. 3 IRG anzuordnen.
b) Da sich der Verfolgte mit seiner vereinfachten Auslieferung nicht einverstanden erklärt habe, werde gemäß § 29 Abs. 1 IRG über die Zulässigkeit der Auslieferung zu entscheiden sein. Diese Entscheidung könne indes noch nicht getroffen werden, weil sie davon abhänge, wie die Frage nach dem Bestehen einer das "Anrechnungsprinzip" betreffenden, allgemein anerkannten Regel des Völkerrechts im Sinne des Art. 25 GG zu beantworten sei; hierzu

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müsse die Sache gemäß Art. 100 Abs. 2 GG dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt werden.
c) Zwar sei der vorlegende Senat des Oberlandesgerichts München nicht der Auffassung, eine allgemein anerkannte Regel des Völkerrechts im Sinne des Art. 25 GG stehe der beantragten Auslieferung entgegen; eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 2 GG sei aber bereits dann geboten, wenn das Gericht bei der Prüfung, ob und mit welcher Tragweite eine allgemeine Regel des Völkerrechts gilt, auf objektiv ernst zu nehmende Zweifel stoße und nicht nur, wenn es selbst solche Zweifel hege. Ernst zu nehmende Zweifel bestünden dann, wenn das Gericht von der Meinung eines Verfassungsorgans oder den Entscheidungen hoher deutscher, ausländischer oder internationaler Gerichte oder von den Lehren anerkannter Autoren der Völkerrechtswissenschaft abwiche (vgl. BVerfGE 23, 288; 64, 1 [14 f.]).
Danach sei hier die Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 2 GG zwingend geboten: Aus dem Beschluß des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 17. Juli 1986 (Az. 3 Ausl. Reg. 108/83), mit dem ein unter dem Aktenzeichen 2 BvM 1/86 als Parallelverfahren geführter Fall dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt wurde, ergebe sich, daß der Bundesminister der Justiz als der zuständige Repräsentant des Verfassungsorgans Bundesregierung die Meinung vertrete, der völkerrechtliche ordre public verbiete in Fällen der vorliegenden Art die Auslieferung des Verfolgten an die Türkei. Der Bundesminister der Justiz habe ausgeführt, daß die Forderung nach Anerkennung des Grundsatzes ne bis in idem auch im internationalen Bereich in jüngster Zeit verstärkt erhoben werde. Dies werde auf die Erkenntnis der Notwendigkeit gestützt, die Konkurrenz von in zwei verschiedenen Staaten zum selben Sachverhalt ergangenen Strafurteilen befriedigend zu regeln. Im Verhältnis zur Republik Türkei stelle sich der Bundesregierung in mehreren Fällen die Frage, ob einer Auslieferung zur Strafverfolgung wegen einer bereits in einem Drittstaat abgeurteilten strafbaren Handlung jedenfalls dann der völkerrechtliche ordre public entgegenstehe, wenn diese Tat in dem um Auslieferung ersuchenden Staat ebenfalls mit hoher Freiheitsstrafe bedroht

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sei und darüber hinaus in diesem Staat weder eine Anrechnung der im Drittstaat wegen derselben Tat bereits verbüßten Freiheitsstrafe noch deren Berücksichtigung im Strafmaß stattfinde. Der Bundesminister der Justiz neige zur Bejahung dieser Frage jedenfalls dann, wenn der Täter ohne Anrechnungsmöglichkeit dem vollen Strafanspruch des um Auslieferung ersuchenden Staates in einer Weise ausgesetzt werde, als ob die Verurteilung und Verbüßung im Drittstaat nicht existent sei. Zwar könne gegenwärtig von einer allgemeinen Anerkennung des Grundsatzes ne bis in idem auch im internationalen Bereich weiterhin nicht ausgegangen werden, da sich die auf Auslandsverurteilungen bezogene Anerkennung eines Verbots der Doppelbestrafung lediglich in den Strafgesetzen einiger Staaten finde. Indes trügen jedoch fast alle Staaten, welche bei im Ausland begangenen strafbaren Handlungen auf die Durchsetzung des eigenen Strafanspruches regelmäßig nicht verzichteten, einer bereits erfolgten Verurteilung durch das "Anrechnungsprinzip" Rechnung. Daneben lasse das Recht einiger Staaten eine Berücksichtigung einer Auslandsverurteilung und hierauf beruhender Freiheitsentziehung bei der Strafbemessung zu. Diese Regelungen verhinderten im Ergebnis ebenso wie der Grundsatz ne bis in idem, daß ein Täter einer mehrmaligen Ahndung seiner Tat unterworfen werde. Fehle hingegen im Recht des um Auslieferung ersuchenden Staates jegliche Regelung solcher Art, liege ein Verstoß gegen den völkerrechtlichen ordre public auch dann nahe, wenn man davon ausgehe, daß jedes Element der im ersuchenden Staat anwendbaren Regelung für sich allein einen Verstoß gegen völkerrechtliche Normen nicht darstelle.
Von einem Fall der Vorlagepflicht gemäß Art. 100 Abs. 2 GG ist nach Auffassung des vorlegenden Gerichts danach auch hier auszugehen, ohne daß es darauf ankomme, daß bei dem Verfolgten die Auslieferung zur Vollstreckung eines bereits rechtskräftigen Urteils begehrt werde, während der vom Oberlandesgericht Stuttgart vorgelegte Sachverhalt ein Ersuchen um Auslieferung zur Strafverfolgung betreffe. Im übrigen habe der Bundesminister der Justiz gegenüber dem Oberlandesgericht München ausdrücklich auf den Vorlagebeschluß des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 17.

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Juli 1986 hingewiesen und angemerkt, daß die noch ausstehende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auch für die im vorliegenden Fall zu treffende Entscheidung von Bedeutung sein dürfte.
II.
Zu der am 29. Dezember 1986 beim Bundesverfassungsgericht eingegangenen Vorlage des Oberlandesgerichts München hat das Bundesverfassungsgericht dem Bundestag, dem Bundesrat, der Bundesregierung, der Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht München gemäß §§ 83 Abs. 2 Satz 1, 84 i.V.m. 82 Abs. 3 BVerfGG sowie dem Bundesgerichtshof und dem Generalbundesanwalt Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Diese Gelegenheit wurde gemäß §§ 84, 82 Abs. 3 BVerfGG auch dem Verfolgten gegeben; das entsprechende Schreiben des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Januar 1987 und der Beschluß des Oberlandesgerichts München vom 10. Dezember 1986, jeweils mit Übersetzung in die türkische Sprache, sind dem Verfolgten am 28. Januar 1987 persönlich ausgehändigt worden.
Für die Bundesregierung hat der Bundesminister der Justiz unter Hinweis auf seine im Vorlagebeschluß des Oberlandesgerichts Stuttgart wiedergegebene Stellungnahme von einer Äußerung abgesehen. Der Bundesgerichtshof hat die Mitteilung des 4. Strafsenats übermittelt, wonach dieser an seiner im Parallelverfahren 2 BvM 1/86 abgegebene Stellungnahme festhält. Danach ist der Senat der Auffassung, daß dem Bundesminister der Justiz im Ergebnis für den Fall zu folgen sei, daß infolge der Nichtanrechnung einer bereits verbüßten Strafe -- oder überhaupt -- eine Bestrafung drohe, die im Vergleich zu dem international üblichen Standard als in grobem Maße überhöht anzusehen sei und damit gegen den völkerrechtlich verbindlichen Mindeststandard verstoße.
Der Generalbundesanwalt hat weitgehend auf seine ausführliche Stellungnahme vom 18. August 1986 im Parallelverfahren 2 BvM 1/86 verwiesen: Dort hatte er ausgeführt, daß die Nichtberücksichtigung einer vom Verfolgten in einem Drittstaat erlittenen Freiheitsentziehung die Auslieferung nicht unzulässig mache, da

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weder Regeln des Völkerrechts noch des deutschen Rechts einer Auslieferung des Verfolgten entgegenstünden. Die Berücksichtigung einer Strafverbüßung in einem Drittstaat bei der Vollstreckung einer Verurteilung stelle ein Weniger gegenüber dem Grundsatz des Verbots der Doppelbestrafung dar. Dieser Grundsatz hindere indes nicht die Auslieferung des Verfolgten: Zum einen sei Art. 9 Satz 1 EuAlÜ auf den Fall einer Verurteilung eines Verfolgten in einem Drittstaat für die Bundesrepublik Deutschland im Verhältnis zur Türkei nicht anwendbar; zum anderen verbiete Art. 14 Abs. 7 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte lediglich die neuerliche Verfolgung und Bestrafung einer Person in dem Staat, in dem sie bereits rechtskräftig verurteilt worden sei, während die Europäische Menschenrechtskonvention den Grundsatz ne bis in idem nicht enthalte. Dieser Grundsatz habe auch international noch keine Anerkennung gefunden: Zwar sei in der Staatenpraxis eine Tendenz zu verzeichnen, ausländischen Verurteilungen unter bestimmten Voraussetzungen im Hinblick auf das Verbot der Doppelbestrafung zu berücksichtigen; es könne jedoch nicht festgestellt werden, daß sich insoweit bereits eine allgemeine Regel des Völkerrechts im Sinne des Art. 25 GG herausgebildet habe. Die Bundesrepublik Deutschland selbst messe in ihrer vertraglichen Praxis wie auch im übrigen dem Grundsatz des Verbots der Doppelbestrafung in Fällen von Verurteilungen, die in einem Drittstaat erfolgt seien, keine hervorragende Bedeutung bei. Die nur zögerliche Anerkennung des Grundsatzes ne bis in idem bei Verurteilungen in Drittstaaten sei insbesondere auf die Tatsache zurückzuführen, daß die Befriedigung des Bedürfnisses nach Sühne durch solche Verurteilungen als nicht in jedem Fall gesichert erachtet werde. Ferner könnten Gegenstand und Begründung einer Verurteilung in einem Drittstaat häufig nicht hinreichend genau festgestellt werden. Im Bereich der Bundesrepublik Deutschland stehe Art. 103 Abs. 3 GG einer neuerlichen Strafverurteilung nach einer Auslandsverurteilung nicht entgegen. Deshalb lasse sich dieser Verfassungsvorschrift auch nicht die Unzulässigkeit einer Auslieferung in Fällen der vorliegend in Rede stehenden Art entnehmen. Aus § 51 Abs. 3 StGB

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und § 153c Abs. 1 Nr. 3 StPO ergebe sich, daß auch deutschem Gesetzesrecht ein solches Hindernis nicht entnommen werden könne. Entsprechendes gelte, wenn ein um Auslieferung ersuchender Staat bei einer Verurteilung des Verfolgten wegen eines Sachverhalts, der bereits in einem Drittstaat Gegenstand einer Verurteilung gewesen sei, die dort verbüßte Strafe nicht anrechne. Weder aus Völkervertragsrecht noch aus allgemeinem Völkerrecht ergebe sich für diesen Fall ein Auslieferungshindernis.
Von den anderen Äußerungsberechtigten, insbesondere vom Verfolgten selbst, ist eine Stellungnahme nicht eingegangen.
 
B.
Die Vorlage ist zulässig.
1. Bei dem vor dem Oberlandesgericht anhängigen Verfahren handelt es sich um einen "Rechtsstreit" im Sinne des Art. 100 Abs. 2 GG. Der Begriff des Rechtsstreits in Art. 100 Abs. 2 GG ist weit auszulegen. Er umfaßt jedes gerichtliche Verfahren (vgl. Stern in: Bonner Kommentar, Zweitbearbeitung, Art. 100 GG Rdnr. 230). Der Gewährleistungsfunktion des Art. 100 Abs. 2 GG zugunsten der allgemeinen Regeln des Völkerrechts wäre nicht Genüge getan, wenn der Begriff "Rechtsstreit" eng gefaßt, beispielsweise auf kontradiktorische Verfahren begrenzt würde.
Im Ausgangsverfahren waren beachtliche Zweifel im Sinne des Art. 100 Abs. 2 GG am Bestehen oder Nichtbestehen einer allgemeinen Regel des Völkerrechts zu verzeichnen. Daß das Oberlandesgericht selbst diese Zweifel nicht teilte, schloß eine Pflicht zur Vorlage gemäß Art. 100 Abs. 2 GG nicht aus. Zweifel im Sinne des Art. 100 Abs. 2 GG sind objektiv vorliegende Zweifel. Sie wurden im vorliegenden Fall namentlich durch die Stellungnahme begründet, welche die Bundesregierung durch den Bundesminister der Justiz im genannten Parallelverfahren zu 2 BvM 1/86 abgegeben hatte und auf welche er gegenüber dem Oberlandesgericht München ausdrücklich hingewiesen hat (vgl. BVerfGE 23, 288 [316 ff.]; 65, 1 [14 f.]). Der Umstand, daß diese Stellungnahme nur auf einer vorläufigen Würdigung der völkerrechtlichen Lage be

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ruhte, mache sie nicht ungeeignet, Zweifel im Sinne des Art. 100 Abs. 2 GG hervorzurufen.
2. Eine Vorlage gemäß Art. 100 Abs. 2 GG ist ferner nur dann zulässig, wenn die im Ausgangsverfahren aufgetauchten Zweifel entscheidungserheblich, das heißt zur Erledigung des Ausgangsrechtsstreits der Klärung bedürftig sind (vgl. BVerfGE 15, 25 [30]; 46, 342 [385]). Auch diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall erfüllt.
Da sich der Verfolgte mit seiner vereinfachten Auslieferung nach § 41 IRG nicht einverstanden erklärt hat, muß das Oberlandesgericht gemäß § 29 Abs. 1 IRG auf Antrag der Staatsanwaltschaft über die Zulässigkeit der Auslieferung entscheiden. Es ist dabei in jedenfalls nachvollziehbarer Weise zu der Auffassung gelangt, daß ein anderes Hindernis für die Zulässigkeit der Auslieferung des Verfolgten als die im Vorlagebeschluß bezeichnete Regel nicht ersichtlich sei.
Es kann dahinstehen, ob eine Klärungsbedürftigkeit nach Art. 100 Abs 2 GG bereits im Auslieferungshaftverfahren nach §§ 15 ff. IRG bestünde. Dies mag im Hinblick darauf fraglich erscheinen, daß es bei der Entscheidung über die Verhängung von Auslieferungshaft für die Beurteilung der voraussichtlichen Zulässigkeit der Auslieferung nach § 15 Abs. 2 IRG bei einer summarischen Prüfung der diesbezüglichen Tatsachen- und Rechtslage bewenden kann. Diese Frage bedarf hier indessen keiner Entscheidung, da die Vorlage des Oberlandesgerichts im Rahmen des Auslieferungs(haupt)verfahrens ergangen ist, das nach der Verhaftung des Verfolgten auf Antrag der Staatsanwaltschaft gemäß § 29 Abs. 1 IRG eingeleitet wurde.
a) Das Oberlandesgericht hat die Zulässigkeit der Auslieferung des Verfolgten nach dem Europäischen Auslieferungsübereinkommen beurteilt. Es ist davon ausgegangen, daß der Verfolgte und die Person, gegen die sich das Ersuchen um die Auslieferung richtet, identisch sind, daß der Verfolgte nicht Deutscher ist, daß die Formerfordernisse des Art. 12 EuAlÜ erfüllt sind, und daß das Verhalten, welches dem Verfolgten vorgeworfen wird, eine gemeine, beiderseitig strafbare, auslieferungsfähige Handlung im Sinne des

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Art. 2 ff. EuAlÜ darstellt, die durch § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG unter Strafe gestellt ist. Dieser Standpunkt ist nachvollziehbar und daher der weiteren Prüfung zugrundezulegen.
Nachvollziehbar ist auch die dem Vorlagebeschluß des Oberlandesgerichts München jedenfalls stillschweigend zugrundeliegende Auffassung, daß die Republik Türkei dem Verfolgten gegenüber den Spezialitätsgrundsatz einhalten werde. Anhaltspunkte dafür, daß dies den Anforderungen, die der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts im Verfahren 1 BvR 990/82 zum Auslieferungsverkehr mit der Türkei aufgestellt hat (BVerfGE 63, 197 [208 ff.]), nicht gerecht würde, sind nicht ersichtlich.
Ebenso haltbar ist die Auffassung des Oberlandesgerichts, daß die Auslieferung des Verfolgten auch nicht im Hinblick auf Art. 10 EuAlÜ als unzulässig angesehen werden könne. Nach § 79 Abs. 3 Nr. 1 StGB beträgt die gemäß § 79 Abs. 6 StGB mit Rechtskraft der Entscheidung -- das ist hier der 26. März 1977 -- beginnende Verjährungsfrist zur Strafvollstreckung für Freiheitsstrafen von mehr als 10 Jahren 25 Jahre. Es besteht auch keine (zwingende) Regel des allgemeinen Völkerrechts, die es hinderte, einen Verfolgten, der zur Vollstreckung eines Urteils wegen einer Tat, wie sie dem Auslieferungsersuchen zugrundeliegt, ausgeliefert werden soll, annähernd 20 Jahre nach der Tat und 10 Jahre nach Eintritt der Rechtskraft des zu vollstreckenden Urteils auszuliefern. Angesichts der Vielgestaltigkeit der Verjährungsregelungen in den einzelnen Rechtsordnungen (vgl. die Nachweise bei Walter, Neue Verjährungsbestimmungen in deutschen Auslieferungsverträgen, GA 1981, S. 250 ff. [261]) spricht vieles für die Annahme, daß eine allgemeine Regel des Völkerrechts, die eine Auslieferung allein im Hinblick auf den Zeitablauf seit der betreffenden Tat und dem Eintritt der Rechtskraft des Urteils hinderte, nicht besteht (in diesem Sinne auch der Bundesgerichtshof, NJW 1985, S. 570, 572). Jedenfalls aber hätte eine entsprechende Regel des (zwingenden) allgemeinen Völkerrechts allenfalls einen Inhalt dahingehend, daß eine Auslieferung unzulässig ist, wenn zwischen der Tat und dem Eintritt der Rechtskraft einerseits und dem Eingang des Auslieferungsersuchens, der Entscheidung über die Zulässigkeit der Aus

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lieferung, ihrer Bewilligung oder der Überstellung des Verfolgten andererseits ein Zeitraum liegt, der unter Berücksichtigung der Umstände der Tat, der Schwere der Schuld und der zu vollstreckenden Strafe als so außergewöhnlich lang anzusehen ist, daß er als jedes hinnehmbare Maß überschreitend erachtet werden müßte. Diese äußerste Grenze war im Ausgangsfall jedenfalls nicht erreicht.
Die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage scheitert auch nicht daran, daß möglicherweise die Voraussetzungen der Art. 7 Abs. 2 oder Art. 9 Satz 2 EuAlÜ erfüllt sind, denen zufolge die Auslieferung eines Verfolgten nach Ermessen abgelehnt werden kann. Die gerichtliche Entscheidung über die Zulässigkeit einer Auslieferung bleibt von der Möglichkeit unberührt, die Auslieferung im Ermessenswege abzulehnen (BGH, NJW 1985, S. 570, 572; vgl. auch BGHSt 30, 55 [63 f.]). Nachvollziehbar ist schließlich auch die Auffassung des Oberlandesgerichts, daß eine Unzulässigerklärung der Auslieferung in Anwendung von Art. 9 Satz 1 EuAlÜ nicht in Betracht kommt, weil diese Bestimmung Fälle rechtskräftiger Verurteilungen in einem Drittstaat nicht erfasse (vgl. hierzu unten C. 2. b) aa)).
b) Das Oberlandesgericht ist nach alledem in vertretbarer Weise zu dem Schluß gekommen, daß gemäß Art. 1 EuAlÜ eine völkervertragliche Pflicht der Bundesrepublik Deutschland zur Auslieferung des Verfolgten bestehe. Es hat dieses Ergebnis offensichtlich als mit dem Grundgesetz vereinbar angesehen. Diese Ansicht ist im vorliegenden Verfahren vom Bundesverfassungsgericht zu überprüfen. Denn es ist eine für seine Entscheidung bestimmende Vorfrage, ob die Auslieferung des Verfolgten bereits aus verfassungsrechtlichen Gründen unzulässig ist; es fehlte an der Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage, wenn dies zu bejahen wäre. Auslegung und Anwendung der einschlägigen Normen des Europäischen Auslieferungsübereinkommens durch das Oberlandesgericht begegnen indes unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten keinen Bedenken.


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Dies gilt zunächst im Hinblick auf Art. 10 EuAlÜ. Schon der Umstand, daß nach deutschem Recht die Frist für die absolute Verjährung der betreffenden Tat zum Zeitpunkt der Verurteilung nicht verstrichen war und die Frist für die Verjährung der Vollstreckung gleichfalls nicht abgelaufen ist, schließt die Annahme aus, die Auslieferung des Verfolgten sei von Verfassungs wegen unzulässig.
Der den Gegenstand der Verurteilung des Verfolgten in Griechenland bildende und die dem Auslieferungsersuchen zugrundeliegende Verurteilung in der Türkei betreffen ein und dieselbe Tat im Sinne der in der Bundesrepublik Deutschland anwendbaren Rechtsvorschriften. Dem steht auch Art. 36 Abs. 2 (a) (i) des Einheits-Übereinkommens über Suchtstoffe vom 30. März 1961 nicht entgegen. Die genannte Bestimmung will verhindern, daß die Bestrafung bestimmter Taten, die sich an ein Betäubungsmitteldelikt anschließen, nicht aus Gründen fehlender Gerichtsbarkeit des Staates scheitert, in dem diese Anschlußtaten begangen wurden. Sie zielt jedoch nicht darauf ab, den Inhalt der in den einzelnen Vertragsstaaten geltenden Regeln zu Fragen der Tateinheit oder Tatmehrheit von Straftaten zu beeinflussen; einer solchen Auslegung stünde schon die Art. 36 Abs. 2 Buchst. a des Übereinkommens einleitende Wendung "vorbehaltlich ihrer Verfassungsordnung, ihres Rechtssystems und ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften" entgegen (vgl. Commentary on the Single Convention on Narcotic Drugs 1961, herausgegeben vom Generalsekretär der Vereinigten Nationen, New York 1973, S. 431).
Daß das Oberlandesgericht die Aburteilung des Lebenssachverhalts, der dem Auslieferungsbegehren zugrundeliegt, in Griechenland und der Türkei nicht als Hindernis für eine Überstellung des Verfolgten an die Republik Türkei angesehen hat, begegnet mit Blick auf Art. 103 Abs. 3 GG oder andere verfassungsrechtliche Gewährleistungen keinen Bedenken. Art. 103 Abs. 3 GG verwehrt grundsätzlich nur eine mehrmalige Verurteilung eines Straftäters durch deutsche Gerichte. Das verfassungsrechtliche Verbot der erneuten Strafklage nach rechtskräftigem richterlichem Sachentscheid gilt nur, wenn ein Gericht der Bundesrepublik

BVerfGE 75, 1 (16):

Deutschland entschieden hat (BVerfGE 12, 62 [66]). Art. 103 Abs. 3 GG hindert dementsprechend nicht eine neuerliche strafrechtliche Verfolgung einer im Ausland rechtskräftig abgeurteilten Tat durch die zuständigen Organe der Bundesrepublik Deutschland, soweit nicht das ausländische Urteil als vollstreckbar anerkannt und vollzogen und hierdurch auf den deutschen Strafanspruch verzichtet wird. Das verfassungsrechtliche Verbot der Doppelbestrafung steht daher auch der Mitwirkung der Bundesrepublik Deutschland an einer Vollstreckung eines zweiten Strafurteils einer in einem fremden Staat abgeurteilten Straftat durch Auslieferung des Täters an einen anderen fremden Staat nicht entgegen. Eine solche Mitwirkung verstößt als solche auch nicht gegen den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit oder sonstige verfassungsrechtliche Gewährleistungen.
Allerdings gehört es zu dem aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, daß die Schwere einer Straftat und das Verschulden des Täters zu der gesetzlich angedrohten oder der verhängten Strafe in einem gerechten Verhältnis stehen müssen. Eine Strafandrohung oder Verurteilung darf nach Art und Maß dem unter Strafe stehenden Verhalten nicht schlechthin unangemessen sein. Tatbestand und Rechtsfolge müssen sachgerecht aufeinander abgestimmt sein (st. Rspr. vgl. nur BVerfGE 25, 269 [286]; 45, 187 [228]; 50, 205 [214 f.]). Der Kernbereich dieser Anforderungen zählt zu den unabdingbaren Grundsätzen der verfassungsrechtlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland und ist auch im Auslieferungsverkehr zu beachten (vgl. BVerfGE 63, 332 [337 ff.]). Den zuständigen Organen der Bundesrepublik Deutschland wäre es verwehrt, einen Verfolgten auszuliefern, wenn die Strafe, die gegen ihn im ersuchenden Staat verhängt wurde, unerträglich hart, mithin unter jedem denkbaren Gesichtspunkt unangemessen erschiene. Entsprechendes gilt, wenn die im ersuchenden Staat verhängte Strafe mit Blick auf eine Nichtanrechnung oder Nichtberücksichtigung der in einem Drittstaat wegen derselben Tat erlittenen Strafe diese äußerste Grenze überschritte. Schließlich zählt es wegen Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG zu den unabdingbaren Grundsätzen der deutschen ver

BVerfGE 75, 1 (17):

fassungsrechtlichen Ordnung, daß eine angedrohte oder verhängte Strafe nicht grausam, unmenschlich oder erniedrigend sein darf; die zuständigen Organe der Bundesrepublik Deutschland sind deshalb gehindert, an der Auslieferung eines Verfolgten mitzuwirken, wenn dieser eine solche Strafe zu gewärtigen oder zu verbüßen hat. Anderes gilt hingegen dann, wenn die zu vollstreckende Strafe lediglich als in hohem Maße hart anzusehen ist und bei einer strengen Beurteilung anhand deutschen Verfassungsrechts bereits nicht mehr als angemessen erachtet werden könnte. Das Grundgesetz geht von der Eingliederung des von ihm verfaßten Staates in die Völkerrechtsordnung der Staatengemeinschaft aus (Präambel, Art. 24 bis 26 GG). Es gebietet damit zugleich, fremde Rechtsordnungen und -anschauungen grundsätzlich zu achten. Das bedeutet, daß die Auffassung der deutschen Rechtsordnung von maß- und sinnvollem Strafen -- zumal auf einem Gebiet wie dem der Betäubungsmitteldelikte, auf dem sich die entsprechenden Auffassungen der einzelnen Staaten insgesamt derart unterscheiden, daß vom Bestehen eines internationalen Mindeststandards nicht gesprochen werden kann (vgl. Commentary, a.a.O., S. 425) -- im Auslieferungsverkehr nur insoweit zur Geltung zu bringen ist, als sie Bestandteil zwingender, unabdingbarer verfassungsrechtlicher Grundsätze der Bundesrepublik Deutschland ist. Diese Grundsätze stehen im vorliegenden Fall einer Auslieferung nicht entgegen. Angesichts der Folgen von Betäubungsmitteldelikten überschreitet die hier zu vollstreckende Freiheitsstrafe von 18 Jahren auch in Anbetracht der bereits in Griechenland verbüßten Freiheitsstrafe die äußerste Grenze der Angemessenheit nicht. Hinzu kommt, daß eine gegenteilige Wertung mit den von der Bundesrepublik Deutschland im Bereich des Betäubungsmittelrechts übernommenen völkervertragsrechtlichen Verpflichtungen nur schwerlich in Einklang zu bringen wäre. Art. 36 Abs. 1 des Einheits-Übereinkommens über Suchtstoffe vom 30. März 1961 verpflichtet die Vertragsstaaten, soweit mit ihrem Verfassungsrecht vereinbar, schwerwiegende Fälle von Betäubungsmittelkriminalität "angemessen" zu bestrafen. Als angemessen erachtet das Übereinkommen Gefängnisstrafe oder andere Formen des Freiheitsentzuges.

BVerfGE 75, 1 (18):

Zwar konnte sich bei der Ausarbeitung des Übereinkommens der Wille der wohl überwiegenden Zahl der beteiligten Staaten nicht durchsetzen, statt einer "angemessenen" sogar eine "schwere" Strafe zu fordern, wie dies Art. 2 Abs. 1 des Abkommens zur Unterdrückung des unerlaubten Handels mit Betäubungsmitteln vom 26. Juni 1936 (Convention of 1936 for the Suppression of the Illicit Traffic in Dangerous Drugs [LNTS 198, 299]) getan hatte. Im Kommentar des Generalsekretärs der Vereinten Nationen zum Einheits-Übereinkommen über Suchtstoffe vom 30. März 1961 heißt es indessen dazu, daß es einer hinreichend schweren Strafe bedürfe, um unter den Bedingungen des Staates, in dem sie verhängt werde, die erwünschte abschreckende Wirkung zu erzielen (Commentary, a.a.O., S. 429). Schließlich ist die Verhängung einer Strafe von 18 Jahren Freiheitsentzug nicht schon als solche grausam, unmenschlich oder erniedrigend (vgl. zum Problem lebenslänglichen Freiheitsentzugs BVerfGE 45, 187).
 
C.
Die Vorlagefrage ist zu verneinen.
Es besteht derzeit noch keine allgemeine Regel des Völkerrechts des Inhalts, daß eine Person wegen desselben Lebenssachverhalts, dessentwegen sie bereits in einem dritten Staat zu einer Freiheitsentziehung verurteilt wurde und diese Strafe auch verbüßt hat, in einem anderen Staat nicht neuerlich angeklagt oder verurteilt werden darf, oder jedenfalls die Zeit der im dritten Staat erlittenen Freiheitsentziehung im Falle einer neuerlichen Verurteilung angerechnet oder berücksichtigt werden muß. Desgleichen besteht derzeit noch nicht eine allgemeine Regel des Völkerrechts, die der in einem Auslieferungsvertrag bestimmten Zulässigkeit einer Auslieferung entgegenstünde, wenn der Verfolgte wegen desselben Lebenssachverhalts, der Gegenstand des Auslieferungsersuchens ist, bereits in einem dritten Staat eine Freiheitsentziehung erlitten hat und deren Zeit bei einer neuerlichen Verurteilung im ersuchenden Staat nicht angerechnet oder berücksichtigt wird.
1. Art. 25 GG zufolge sind bei der Gestaltung der innerstaatlichen Rechtsordnung durch den Normgeber und bei der Auslegung

BVerfGE 75, 1 (19):

und Anwendung von Vorschriften des innerstaatlichen Rechts durch Verwaltung und Gerichte die allgemeinen Regeln des Völkerrechts zu beachten (BVerfGE 23, 288 [300]; 31, 145 [177]; Vorprüfungsausschuß, Beschluß vom 11. Oktober 1985, EuGRZ 1985, S. 654 [Pakelli]); dies gilt gleichermaßen für das durch Zustimmungsgesetz gebilligte und von der Bundesrepublik Deutschland ratifizierte Europäische Auslieferungsübereinkommen vom 13. Dezember 1957. Hieraus folgt insbesondere, daß die Behörden und Gerichte der Bundesrepublik Deutschland kraft Art. 25 GG grundsätzlich daran gehindert sind, innerstaatliches Recht in einer Weise auszulegen und anzuwenden, welche die allgemeinen Regeln des Völkerrechts verletzt. Sie sind auch verpflichtet, alles zu unterlassen, was einer unter Verstoß gegen allgemeine Regeln des Völkerrechts vorgenommenen Handlung nichtdeutscher Hoheitsträger im Geltungsbereich des Grundgesetzes Wirksamkeit verschafft, und gehindert, an einer gegen die allgemeinen Regeln des Völkerrechts verstoßenden Handlung nichtdeutscher Hoheitsträger bestimmend mitzuwirken.
a) Dieser allgemeine Grundsatz ist bislang insbesondere im Bereich des Auslieferungsrechts konkretisiert worden. So hat das Bundesverfassungsgericht mehrmals (BVerfGE 59, 280 [282 ff.]; 60, 348 [355 f.]; 63, 197 [206 ff.]) entschieden, daß die Gerichte der Bundesrepublik Deutschland bei der Prüfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Auslieferung zwar grundsätzlich von der Wirksamkeit eines dem Auslieferungsersuchen zugrundeliegenden Strafurteils auszugehen und dessen Rechtmäßigkeit nicht nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts des ersuchenden Staates zu überprüfen haben. Dies hindert jedoch nicht eine Überprüfung, ob die Auslieferung und ihr zugrundeliegende Akte gegen den völkerrechtlich verbindlichen Mindeststandard, der nach Art. 25 GG von den Gerichten der Bundesrepublik Deutschland zu beachten ist, sowie gegen unabdingbare verfassungsrechtliche Grundsätze ihrer öffentlichen Ordnung verstoßen. Dieser Grundsatz ist inzwischen in den §§ 49 Abs. 1 Nr. 2 und 73 IRG auch gesetzlich verankert worden; § 73 IRG, der auf alle Formen der Rechtshilfe in Strafsachen, insbesondere auch die Auslieferung an

BVerfGE 75, 1 (20):

zuwenden ist, erklärt jegliche Rechtshilfe für unzulässig, die fundamentalen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung oder dem völkerrechtlich verbindlichen Mindeststandard auf dem Gebiet der Menschenrechte widerspräche (vgl. die Begründung der Bundesregierung in BTDrucks. 9/1338; S. 93 f.; Uhlig/Schomburg, IRG, vor § 2 Rdnr. 6 und 7; § 73 Rdnr. 2). Der genannte Grundsatz liegt ferner der Neufassung der §§ 54, 55 BZRG i.d.F. der Bekanntmachung vom 21. September 1984 (BGBl. 1984 I S. 1229; ber. BGBl. 1985 I S. 195) zugrunde (vgl. Götz, Das Bundeszentralregister, 3. Aufl., 1985, Rdnr. 13 zu § 55 BZRG und Rebmann/Uhlig, BZRG, § 54 Rdnr. 46 bis 50 und § 55 Rdnr. 33).
b) Das Oberlandesgericht ist nach der von ihm vorgenommenen rechtlichen Würdigung verpflichtet, gemäß dem Europäischen Auslieferungsübereinkommen auf die Zulässigkeit der Auslieferung zu erkennen. Eine die Zulässigkeit der Auslieferung verneinende Entscheidung des Oberlandesgerichts würde daher nur dann nicht die auf einer Verletzung von Völkervertragsrecht, nämlich des Europäischen Auslieferungsübereinkommens, beruhende völkerrechtliche Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland gegenüber der Türkei begründen, wenn der sich aus dem Europäischen Auslieferungsübereinkommen ergebenden Pflicht zur Auslieferung eine höherrangige Norm des Völkerrechts entgegenstünde: Dieser müßte gemäß den Art. 53 und 64 des Wiener Übereinkommens vom 23. Mai 1969 über das Recht der Verträge, dem mit Gesetz vom 3. August 1985 zugestimmt wurde (BGBl. 1985 II S. 926), die Qualität von ius cogens zukommen (zum völkerrechtlichen ius cogens vgl. statt aller Frowein, Ius Cogens, in: Bernhardt, Encyclopedia of Public International Law, Instalment 7, 1984, S. 327 ff. m.w.N.). Mit anderen Worten: Um hier eine völkerrechtliche Verantwortlichkeit der Bundesrepublik Deutschland gegenüber der Türkei wegen Nichterfüllung des Europäischen Auslieferungsübereinkommens auszuschließen, müßte der Auslieferung eine zwingende allgemeine Regel des Völkerrechts im Sinne des Art. 25 GG entgegenstehen. Diese müßte besagen, daß eine Person wegen desselben Lebenssachverhalts, dessentwegen sie bereits in einem dritten Staat zu einer Freiheitsentziehung verurteilt wur

BVerfGE 75, 1 (21):

de und diese Strafe auch verbüßt hat, in einem anderen Staat nicht neuerlich angeklagt oder verurteilt werden darf; oder jedenfalls die Zeit der im dritten Staat erlittenen Freiheitsentziehung im Falle einer neuerlichen Verurteilung in einem anderen Staat angerechnet oder berücksichtigt werden muß; oder daß eine Auslieferung nicht erfolgen darf, wenn der Verfolgte wegen desselben Lebenssachverhalts, der dem Auslieferungsersuchen zugrundeliegt, bereits in einem dritten Staat eine Freiheitsentziehung erlitten hat und deren Zeit im ersuchenden Staat nicht angerechnet oder berücksichtigt wird. Eine entsprechende allgemeine Regel des Völkergewohnheitsrechts läßt sich derzeit indes nicht feststellen.
2. a) In den Rechtsordnungen einer Vielzahl von Staaten ist der Grundsatz ne bis in idem oder das Verbot des double jeopardy im Hinblick auf im selben Staat durchgeführte Strafverfahren anerkannt. Diese Anerkennung hat sich teils in Bestimmungen des Verfassungsrechts (vgl. neben Art. 103 Abs. 3 GG Art. 42 der Verfassung von Costa Rica, Art. 20 Abs. 2 der Verfassung von Indien, Art. 39 der Verfassung von Japan, Art. 11 Buchst. h der kanadischen Charter of Rights and Freedoms, Art. 29 Abs. 5 der Verfassung von Portugal und das 5. Amendment zur Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika [vgl. hierzu Osakwe, The Bill of Rights for the Criminal Defendant in American Law, in: Andrews, Human Rights in Criminal Procedure [1982], S. 259 ff. [286]], teils im einfachen Straf- oder Strafprozeßrecht [vgl. z. B. Art. 6 des französischen Code de Proc dure Penale und das in England geltende Common-Law-Prinzip des "Autrefois Acquit/Convict" [vgl. hierzu Lidstone, Human Rights in the English Criminal Trial, in: Andrews, a.a.O., S. 63 ff. [85 ff.]]] niedergeschlagen.
Der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 19. Dezember 1966 (BGBl. 1973 II S. 1533) sieht in Art. 14 Abs. 7 vor:
    Niemand darf wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht des jeweiligen Landes rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, erneut verfolgt oder bestraft werden.


BVerfGE 75, 1 (22):

Dieser Pakt ist inzwischen von mehr als 80 Staaten aus allen weltweit bestehenden Rechtskreisen ratifiziert worden, ohne daß dabei in bezug auf die genannte Bestimmung des Art. 14 Abs. 7 dessen Geltung ausschließende Vorbehalte in nennenswertem Umfang abgegeben wurden. Allein Dänemark hat die Bindungswirkung von Art. 14 Abs. 7 durch einen Vorbehalt ausgeschlossen,
Der dänische Vorbehalt hat folgenden Wortlaut:
    ... Article 14, paragraphs 5 und 7, shall not be binding on Denmark. The Danish Administration of Justice Act contains detailed provisions regulating the matters dealt with in these two paragraphs. In some cases, Danish legislation is less restrictive than the Covenant (e. g. a verdict returned by a jury on the question of guilt cannot be reviewed by a higher tribunal, cf. paragraph 5); in other cases, Danish legislation is more restrictive than the Covenant (e. g. with respect to resumption of a criminal case in which the accused party was acquitted, cf. paragraph 7);
während Finnland, Island und Österreich Vorbehalte abgegeben haben, durch die klargestellt wird, daß die in den jeweiligen nationalen Rechtsordnungen vorgesehenen Wiederaufnahmegründe durch Art. 14 Abs. 7 nicht ausgeschlossen werden; die Niederlande haben erklärt, daß Art. 14 Abs. 7 der Geltung des Art. 68 des niederländischen Strafgesetzbuches nicht entgegensteht.
Der Vorbehalt der Niederlande hat folgenden Wortlaut:
    The Kingdom of the Netherlands accepts this provision only insofar as no obligations arise from it further to those set out in article 68 of the Criminal Code of the Netherlands and article 70 of the Criminal Code of the Netherlands Antilles as they now apply. They read:
    1. Except in cases where court decisions are eligible for review, no person may be prosecuted again for an offence in respect of which a court in the Netherlands or the Netherlands Antilles has delivered an irrevocable judgement.
    2. If the judgement has been delivered by some other court, the same person may not be prosecuted for the same offence in the case of (I) acquittal or withdrawal of proceedings or (II) conviction followed by complete execution, remission or lapse of the sentence.
(Vgl. zu Art. 14 Abs. 7 Noor Muhammad, Due Process of Law for Persons Accused of Crime, in: Henkin, The International Bill of Rights (1981), S. 138 ff. [1569]).


BVerfGE 75, 1 (23):

Auf regionaler Ebene garantiert Art. 8 Abs. 4 der inzwischen in 19 Staaten geltenden amerikanischen Menschenrechtskonvention vom 22. November 1969 (OAS Treaty Series No. 36), daß "an accused person acquitted by a non-appealable judgement shall not be subjected to a new trial for the same cause".
Die bisher für den Bereich des europäischen Rechtsschutzsystems unter der Geltung der Europäischen Menschenrechtskonvention bestehende Lücke wird nach dem Inkrafttreten des Siebten Zusatzprotokolls zur EMRK vom 22. November 1984 geschlossen sein (Text des Protokolls und Explanatory Memorandum in: Human Rights Law Journal 6 [1985], S. 80 ff.; vgl. auch Nowak, Neuere Entwicklungen im Menschenrechtsschutz des Europarates, EuGRZ 1985, S. 240 ff. [241]); dessen Art. 4 bestimmt:
    1. No one shall be liable to be tried or punished again in criminal proceedings under the jurisdiction of the same State for an offence for which he has already been finally acquitted or convicted in accordance with the law on penal procedure of that State.
    2. The provisions of the preceding paragraph shall not prevent the reopening of the case in accordance with the law and penal procedure of the State concerned, if there is evidence of new or newly discovered facts, or if there has been a fundamental defect in the previous proceedings, which could affect the outcome of the case.
    3. No derogation from this Article shall be made under Article 15 of the Convention.
Die Europäische Menschenrechtskommission hat in neueren Entscheidungen bereits angedeutet, daß der von Art. 6 Abs. 3 EMRK geschützte Anspruch eines Angeklagten auf ein rechtsstaatlichen Mindestanforderungen genügendes Verfahren unter Umständen einer Doppelverurteilung im selben Vertragsstaat entgegenstehen könnte (vgl. die Nachweise bei Peukert; in: Frowein/ Peukert, EMRK-Kommentar [1985], Art. 6 Rdnr. 120).
Alle diese Umstände rechtfertigen indes allenfalls den Schluß, daß der Grundsatz ne bis in idem eine allgemeine Regel des Völkerrechts i.S.d. Art. 25 GG ist, die die neuerliche Verurteilung eines Angeklagten wegen desselben Lebenssachverhalts im selben Staat verwehrt (in diesem Sinne auch Miehsler/Vogler in: Gol

BVerfGE 75, 1 (24):

song/Karl u.a., Internationaler Kommentar zur Europäischen Menschenrechtskonvention, 1986, Art. 6 Rdnr. 375).
Dagegen besteht derzeit noch keine allgemeine Regel des Völkerrechts im Sinne des Art. 25 GG, nach der niemand wegen desselben Lebenssachverhalts, dessentwegen er bereits nach den Gesetzen eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, von einem Gericht eines anderen Staates, dessen strafrechtliche Gerichtsbarkeit gleichfalls gegeben ist, neuerlich verfolgt oder bestraft werden darf oder jedenfalls eine im Ausland verbüßte Freiheitsstrafe bei einer neuerlichen Verurteilung auf den Strafausspruch anzurechnen oder bei der Dauer des Strafvollzugs zu berücksichtigen ist. Dies wird insbesondere an der Tatsache deutlich, daß keines der genannten, universell oder regional geltenden völkerrechtlichen Menschenrechtsinstrumente nach seinem Wortlaut die Geltung des Grundsatzes ne bis in idem oder des Verbots des double jeopardy auf vorangegangene Strafverfahren in einem anderen Staat erstreckt (vgl. die Denkschrift der Bundesregierung zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 19. Dezember 1966, BTDrucks. 7/660, S. 35, wo ausgeführt wird, daß "in den Diskussionen in den Vereinten Nationen weiter festgestellt [wurde], daß mit Art. 14 Abs. 7 keine grenzüberschreitende Bedeutung, sondern Verurteilungen im jeweils eigenen Land angesprochen sein sollten"; vgl. ferner die Darstellung der einschlägigen Beratungen in UN Doc. A/4299 vom 3. Dezember 1959, S. 17 ff. und Noor Muhammad, a.a.O., S. 156; vgl. zu Art. 4 des Siebten Zusatzprotokolls zur EMRK das Explanatory Memorandum, wo betont wird, daß "the words under the jurisdiction of the same State limit the application of the Article to the national level" [wiedergegeben in Human Rights Law Journal 6 [1985], S. 86]).
Andererseits ist eine zunehmende Tendenz staatlicher Gesetzgebung festzustellen, im Ausland ergangene Verurteilungen zu Freiheitsstrafen, die verbüßt wurden, oder auch Freisprüche bei der Durchführung neuerlicher Strafverfahren teilweise als Verfahrenshindernisse zu werten oder zumindest bei einer neuerlichen Verurteilung auf den Strafausspruch anzurechnen oder jedenfalls

BVerfGE 75, 1 (25):

im Hinblick auf die Dauer des Strafvollzuges zu berücksichtigen, eine Tendenz, die zumal in den europäischen Staaten zu beobachten ist.
    Vgl. aus älterer Zeit die Nachweise bei A. Barbey, De l'application internationale de la regle non bis in idem en matiere repressive, Lausanne, 1930, S. 100 ff.; aus neuerer Zeit vor allem die Angaben in: Council of Europe, Aspects of the International Validity of Criminal Judgments (1968), S. 22 ff. und in: The "non bis in idem" principle in criminal law in the EEC, Report of the Legal Affairs Committee (des Europaparlaments) vom 20. Februar 1984 (wiedergegeben in: Human Rights Law Journal 5 [1984], S. 391 ff.) zu den Bestimmungen des Art. 13 Abs. 1 des belgischen Code Penal (Abzug der Dauer im Ausland erlittener Freiheitsentziehung bei neuerlicher Verurteilung in Belgien) und des Art. 360 des belgischen Code Penal (Verfolgungshindernis bei Freispruch in anderem Staat), des § 10 a des dänischen Strafgesetzbuches (Verfolgungshindernis bei Freispruch oder Verbüßung einer Freiheitsstrafe in einem Mitgliedsstaat des Europäischen Übereinkommens über die Internationale Geltung von Strafurteilen vom 28. Mai 1970) und des § 10 b des dänischen Strafgesetzbuches (in anderen Fällen als den in § 10 a genannten Abzug der im Ausland verbüßten Freiheitsstrafe auf neuerliche Verurteilung), des § 153 c StPO der Bundesrepublik Deutschland (Möglichkeit der Nichtverfolgung von Auslandstaten), des Art. 692 des französischen Code de Procedure Penale (Verfolgungshindernis bei Freispruch oder Verbüßung einer Freiheitsstrafe im Ausland), des Art. 9 des griechischen Strafgesetzbuches (Verfolgungshindernis bei Freispruch oder Verbüßung einer Freiheitsstrafe im Ausland), des Art. 68 Abs. 2 des niederländischen Strafgesetzbuches (Verfolgungshindernis bei Freispruch oder Verbüßung einer Freiheitsstrafe im Ausland), des Art. 12 a des norwegischen Strafgesetzbuches (Verfolgungshindernis bei Freispruch oder Verbüßung einer Freiheitsstrafe in einem Mitgliedstaat des Europäischen Übereinkommens über die Internationale Geltung von Strafurteilen vom 28. Mai 1970) und des Art. 13 Abs. 4 des norwegischen Strafgesetzbuches (in anderen Fällen als den in Art. 12 a genannten Abzug der im Ausland verbüßten Freiheitsstrafe bei neuerlicher Verurteilung in Norwegen), des § 66 des österreichischen Strafgesetzbuches (Anrechnung einer im Ausland verbüßten Freiheitsstrafe auf neuerliche Verurteilung im Inland) und des § 65 Abs.4 des österreichischen Strafgesetzbuches (Verfolgungshindernis bei Freispruch oder Verbüßung einer Freiheitsstrafe im Ausland hinsichtlich in § 65 Abs.1 StGB näher bestimmter Straftaten; vgl. hierzu Epp, Der Grundsatz "Ne bis in idem" im internationalen Rechtsbereich, ÖJZ 1979, S. 36 ff.), des § 6 des 2. Kapitels des schwedischen Kriminalge

    BVerfGE 75, 1 (26):

    setzbuches (Verfolgungshindernis bei Freispruch oder Verbüßung einer Freiheitsstrafe in einem Mitgliedsstaat des Europäischen Übereinkommens über die Internationale Geltung von Strafurteilen vom 28. Mai 1970 bzw. falls diese Voraussetzung nicht vorliegt, Abzug der im Ausland verbüßten Freiheitsstrafe bei neuerlicher Verurteilung in Schweden) sowie der Art. 3-5 des schweizerischen Strafgesetzbuches (grundsätzliche Anrechnung einer im Ausland verbüßten Freiheitsstrafe bei neuerlicher Verurteilung in der Schweiz oder, bei näher bestimmten Straftaten, Verfolgungshindernis bei Freispruch oder Verbüßung einer Freiheitsstrafe im Ausland); in Großbritannien darf eine im Ausland freigesprochene oder eine Freiheitsstrafe verbüßt habende Person nicht wegen derselben Straftat neuerlich verfolgt werden (vgl. die zitierte Rechtsprechung im genannten Report of the Legal Affairs Committee des Europaparlaments, Human Rights Law Journal 5 [1984], S. 392, nämlich R. v. Hutchinson [1677] 3 Keb 785, R. v. Roche [1775] 1 Leach 134 und R. v. Aughet [1918] 118 L.T. 658 C.C.A.); in der Türkei gilt für von Ausländern begangene Straftaten Art. 7 Abs. 2 des türkischen Strafgesetzbuches, wonach eine im Ausland verhängte Freiheitsstrafe bei der grundsätzlich zulässigen neuerlichen Verurteilung durch ein türkisches Gericht von dessen Strafausspruch abzuziehen ist (vgl. hierzu Mezger u.a., Das ausländische Strafrecht der Gegenwart, Bd. 4, S. 442); für weitere Nachweise siehe Oehler, Internationales Strafrecht, 2. Aufl., 1983, S. 577 und Markees, Mehrfache territoriale Gerichtsbarkeit, ne bis in idem und Auslieferung, SchwJbIntR XLI (1985), S. 121 ff. (124.).
Diese offenbar zunehmende Entwicklung hat aber noch nicht die erforderliche weltweite Breite, um das Bestehen einer allgemeinen Regel des Völkerrechts im Sinne des Art. 25 GG annehmen zu können (vgl. Oehler, a.a.O., S. 577 ff. [585 f.]; Epp, a.a.O., S. 40 f. und Markees, a.a.O., S. 127).
b) Auf dem Gebiet des internationalen Auslieferungsrechts (siehe hierzu Stein, Extradition in: Bernhardt, Encyclopedia of Public International Law, Instalment 8, 1985, S. 222 [227]) besteht derzeit noch keine allgemeine Regel des Völkerrechts im Sinne des Art. 25 GG, die der Zulässigkeit der Auslieferung eines Verfolgten entgegensteht, wenn dieser wegen desselben Lebenssachverhaltes, der dem Auslieferungsersuchen zugrundeliegt, bereits in einem dritten Staat eine Freiheitsentziehung erlitten hat und deren Zeit bei einer neuerlichen Verurteilung im ersuchenden Staat nicht angerechnet oder berücksichtigt wird.


BVerfGE 75, 1 (27):

aa) Das zwei- und mehrseitige Auslieferungsvertragsrecht (siehe hierzu Stein, Extradition Treaties, a.a.O., Instalment 8, 1985, S. 229 ff.) läßt zwar eine zunehmende Tendenz erkennen, daß der Zulässigkeit der Auslieferung einer Person aus dem ersuchten Staat die Tatsache entgegensteht, daß die vom Verfolgten in einem Drittstaat erlittene Freiheitsentziehung auf eine neuerliche Verurteilung im ersuchenden Staat wegen desselben Lebenssachverhalts, der dem Auslieferungsersuchen zugrundeliegt, nicht angerechnet oder bei der Dauer des Strafvollzuges nicht berücksichtigt wird oder werden kann; doch hat diese Entwicklung gleichfalls noch nicht international eine solche Breite gewonnen, daß das Bestehen einer allgemeinen Regel des Völkerrechts im Sinne des Art. 25 GG festgestellt werden könnte.
Im Bereich des mehrseitigen Auslieferungsvertragsrechts enthält das Europäische Auslieferungsübereinkommen in seinem Art. 9 nur die Vorschrift, daß die Auslieferung nicht zu bewilligen ist, wenn der Verfolgte wegen der Handlung, deretwegen um Auslieferung ersucht wird, von den zuständigen Behörden des ersuchten Staates rechtskräftig verurteilt worden ist, nicht aber eine Bestimmung, die sich auf Freispruch oder Verurteilung in einem Drittstaat bezieht (vgl. auch Council of Europe, Explanatory Report on the European Convention on Extradition [1969], S. 19 f. und Denkschrift der Bundesregierung, BTDrucks.IV/382, S. 22). Das Europäische Auslieferungsübereinkommen steht daher der Auslieferung einer in einem Drittstaat verurteilten Person nicht entgegen (vgl. auch Schultz, The Principles of the Traditional Law of Extradition, in: Council of Europe, Legal Aspects of Extradition Among European States [1970], S. 1 ff. [19]; Duk, Principles Underlying the European Convention on Extradition, ebenda, S. 43 f.).
Auch die für den lateinamerikanischen Raum einschlägige Convencion Interamericana sobre Extradicion vom 25. Februar 1981 (abgedruckt in International Legal Materials, Vol. 20, 1981, S. 723 ff.) enthält in ihrem Art. 4 Abs. 1 nur eine Bestimmung zur Unzulässigkeit einer Auslieferung, wenn der Verfolgte wegen des Sachverhaltes, dessentwegen um Auslieferung ersucht wird, im ersuchten Staat freigesprochen oder verurteilt wurde.


BVerfGE 75, 1 (28):

Die genannte Bestimmung hat folgenden Wortlaut:
    Article 4 Grounds for Denying Extradition
    Extradition shall not be granted
    1. When the person sought has completed his punishment or has been granted amnesty, pardon or grace for the offense for which extradition is sought, or when he has been acquitted or the case against him for the same offense has been dismissed with prejudice.
    2. When the prosecution or punishment is barred by the statute of limitations according to the laws of the requesting State or the requested State prior to the presentation of the request for extradition.
    3. When the person sought has been tried or sentenced or is to be tried before an extraordinary, or ad hoc tribunal of the requesting State.
    4. When, as determined by the requested State, the offense for which the person is sought is a political offense, an offense related thereto, or an ordinary criminal offense prosecuted for political reasons. The requested State may decide that the fact that the victim of the punishable act in question performed political functions does not in itself justify the designation of the offense as political.
    5. When, from the circumstances of the case, it can be inferred that persecution for reasons of race, religion or nationality is involved, or that the position of the person sought may be prejudiced for any of these reasons.
    6. With respect to offenses that in the requested State cannot be prosecuted unless a complaint or charge has been made by a party having a legitimate interest.
    Vgl. hierzu Zanotti, La nueva Convencion Interamericana sobre Extradicion, Revista Peruana de Derecho Internacional 1982, Nr. 83, S. 16 ff. und Nr. 85, S. 32 ff. und Vieira, L'evolution recente de l'extradition dans le continent americain, in: Recueil des Cours 185 (1984 II), S. 151 ff. (276 f.).
Inhaltlich übereinstimmende Regelungen finden sich in Art. V des Auslieferungsabkommens der Liga der Arabischen Staaten vom 3. November 1952 (abgedruckt in Revue Egyptienne de Droit International, Vol. 8, 1952, S. 328 und British and Foreign State Papers, Vol. 159, S. 606; siehe auch Bassiouni, International Extradition and World Public Order [1974], S. 456 f.) und Art. 11 der Articles Containing the Principles Concerning Extradition of Fugitive Offenders des Asian-African Legal Consultative Committee

BVerfGE 75, 1 (29):

aus dem Jahre 1961 (wiedergegeben bei Bassiouni, a.a.O., S. 457 f.). Während etwa die Cambridge Resolution des Institut de Droit International aus dem Jahre 1983 (AnnIDI, Vol. 60 II, 1984, S. 304 ff.) keine Regeln zur Drittstaatenproblematik enthält, bestimmt das Scheme Relating to the Rendition of Fugitive Offenders within the Commonwealth Formulated at a Meeting of Commonwealth Law Ministers, London, April 26-May 3, 1966 (abgedruckt bei Shearer, Extradition in International Law [1971], S. 251 [255]) in Art. 9 Abs. 4, daß "the return of a fugitive offender will be precluded by law if the competent judicial or executive authority is satisfied that he has been convicted ... or has been acquitted, whether within or outside the Commonwealth, of the offence of which he is accused" (vgl. hierzu Robinson, The Commonwealth Scheme Relating to the Rendition of Fugitive Offenders: A Critical Appraisal of Some Essential Elements, ICLQ, Vol. 33, 1984, S. 614 ff.).
Somit läßt sich das Bestehen einer allgemeinen Regel des Völkerrechts im Sinne des Art. 25 GG des Inhalts, daß einer Auslieferung eines Verfolgten dessen Freispruch oder Verurteilung in einem dritten Staat entgegensteht, derzeit noch nicht feststellen. Dem entspricht auch, daß von den nunmehr 17 Mitgliedstaaten des Europäischen Auslieferungsübereinkommens nur fünf Staaten Vorbehalte mit unterschiedlicher Tragweite zu Art. 9 EuAlÜ im Hinblick auf Verurteilungen in einem dritten Staat abgegeben haben: So hat Dänemark erklärt, daß die Auslieferung abgelehnt werden kann, wenn die zuständigen Behörden eines dritten Staates die Person wegen der Straftat, deretwegen um Auslieferung ersucht wird, rechtskräftig abgeurteilt oder freigesprochen haben oder wenn die zuständigen Behörden eines dritten Staates entschieden haben, wegen derselben Straftat kein Strafverfahren einzuleiten oder ein bereits eingeleitetes Verfahren einzustellen; (vgl. Grützner/Pötz, Internationaler Rechtshilfeverkehr in Strafsachen [2. Aufl.], II D 1 S. 17); der Vorbehalt Irlands lautet, daß die irischen Behörden die Auslieferung nicht bewilligen, wenn der Verfolgte wegen der Straftat, deretwegen um Auslieferung ersucht wird, in einem dritten Staat rechtskräftig abgeurteilt worden ist (vgl. Grützner/Pötz, a.a.O., II I 10 S. 12); für Luxemburg gilt der Vorbehalt, daß die Auslieferung nicht bewilligt wird, wenn der Verfolgte wegen der Straftat, deretwegen um Auslieferung ersucht wird, von den zuständigen Behörden eines dritten Staates rechtskräftig abgeurteilt worden ist, und wenn im Fall der Verurteilung wegen dieser Straftat er seine Strafe verbüßt, sie bereits verbüßt hat oder sie ihm erlassen worden ist

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(vgl. Grützner/Pötz, a.a.O., II L 15 S. 16); der niederländische Vorbehalt ist wortgleich dem Luxemburgs (vgl. Grützner/Pötz, a.a.O., II N 13 S. 24); nach dem schweizerischen Vorbehalt kann eine Auslieferung auch dann abgelehnt werden, wenn die die Ablehnung der Auslieferung begründenden Entscheidungen in einem dritten Staat ergangen sind und es sich dabei um den Tatortstaat handelt (vgl. Grützner/Pötz, a.a.O., II S 16 S. 28). Das erste Zusatzprotokoll zum Europäischen Auslieferungsübereinkommen vom 15. Oktober 1975 (European Treaty Series No. 86), völkerrechtlich in Kraft seit dem 20. August 1979, erweitert zwar den Anwendungsbereich des Art. 9 Satz 1 EuAlÜ auf Fälle, in denen der Verfolgte wegen des dem Auslieferungsersuchen zugrundeliegenden Sachverhalts in einem Drittstaat verurteilt oder freigesprochen worden ist. Es ist jedoch bisher nur von einem Teil der Staaten, die Partei des Europäischen Auslieferungsübereinkommens sind, ratifiziert worden; auch die Bundesrepublik Deutschland ist ihm bisher nicht beigetreten. Im übrigen ist sein Anwendungsbereich auf Verurteilungen oder Freisprüche beschränkt, die in einem Drittstaat ergangen sind, welcher Partei des Europäischen Auslieferungsübereinkommens ist; darüber hinaus läßt es eine Auslieferung zu, "if the offence in respect of which judgment has been rendered was committed against a person, an institution or any thing having public status in the requesting State; if the person on whom judgment was passed had himself a public status in the requesting State" oder "if the offence in respect of which judgment was passed was committed completely or partly in the territory of the requesting State or in a place treated as its territory."
Aus dem bilateralen Auslieferungsvertragsrecht läßt sich das Bestehen einer allgemeinen Regel des Völkerrechts des genannten

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Inhaltes ebenfalls nicht erhärten: So enthält etwa von den 59 von der Bundesrepublik Deutschland geschlossenen Auslieferungsverträgen nur der Vertrag mit Jugoslawien vom 26. November 1970 (BGBl. 1974 II S. 1257) in Art. 7 Abs. 2 eine Regelung, derzufolge die Auslieferung auch mit Rücksicht auf eine rechtskräftige Verurteilung in einem Drittstaat nicht bewilligt wird; gemäß Art. VI Abs. 2 des Auslieferungsvertrages mit Kanada vom 11. Juli 1977 (BGBl. 1979 II S. 665) und Art. 7 Nr. 2 des Auslieferungsvertrages mit Monaco vom 21. Mai 1962 (BGBl. 1964 II S. 1297) kann die Auslieferung bei Aburteilung der dem Auslieferungsersuchen zugrundeliegenden Tat in einem Drittstaat abgelehnt werden.
bb) Auch im vertragsfreien, auf den nationalen Auslieferungsgesetzen der jeweiligen Staaten beruhenden Auslieferungsrecht läßt sich zwar eine zunehmende Tendenz feststellen, eine Auslieferung dann nicht zu bewilligen, wenn der Verfolgte wegen desselben Lebenssachverhalts, der dem Auslieferungsersuchen zugrundeliegt, in einem dritten Staat bereits eine Freiheitsentziehung erlitten hat und deren Zeit bei einer neuerlichen Verurteilung im ersuchenden Staat nicht angerechnet oder bei der Dauer des Strafvollzuges nicht berücksichtigt wird oder werden kann; doch hat diese Entwicklung noch nicht eine solche Breite angenommen, daß das Bestehen einer allgemeinen Regel des Völkerrechts im Sinne des Art. 25 GG festgestellt werden könnte (vgl. auch Markees, a.a.O., S. 127).
Schon vor Inkrafttreten des schweizerischen Bundesgesetzes über Internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRSG) vom 20. März 1981 (abgedruckt bei Grützner/Pötz, a.a.O., IV S 16 S. 1 ff.) befolgte die schweizerische Auslieferungspraxis die Regel, daß eine Auslieferung dann nicht bewilligt wurde, wenn der Verfolgte wegen derselben Tat in einem dritten Staat rechtskräftig freigesprochen oder die verhängte Strafe verbüßt worden war (vgl. Schultz, Das schweizerische Auslieferungsrecht [1953], S. 475 f.; derselbe, Aktuelle Probleme der Auslieferung, ZStW 81 [1969], S. 199 ff. [228 f.]). Nunmehr bestimmt Art. 5 Abs. 1 IRSG, daß einem Auslieferungsersuchen nicht entsprochen wird, soweit entweder in der Schweiz oder im Tatortstaat der Richter aus materiell

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rechtlichen Gründen den Verfolgten freigesprochen oder das Verfahren eingestellt oder auf eine Sanktion verzichtet oder einstweilen von ihr abgesehen hat oder wenn die Sanktion vollzogen wurde oder nach dem Recht des Urteilsstaates nicht vollziehbar ist. Das Auslieferungsverbot gilt jedoch nicht, wenn der ersuchende Staat "Gründe für eine Revision des rechtskräftigen Urteils im Sinne von Art. 229 des Bundesgesetzes über die Bundesstrafrechtspflege anführt" (vgl. Schultz, Das neue Schweizer Recht der internationalen Zusammenarbeit in Strafsachen, SJZ 1981, S. 89 ff.).
In Österreich bestimmt § 17 des Auslieferungs- und Rechtshilfegesetzes von 4. Dezember 1979 (abgedruckt bei Grützner/Pötz, a.a.O., IV O 5 S. 26 ff.), daß eine Auslieferung dann unzulässig ist, wenn die auszuliefernde Person wegen der strafbaren Handlung entweder von einem Gericht des Tatortstaates rechtskräftig freigesprochen oder sonst außer Verfolgung gesetzt worden oder wenn sie von einem Gericht eines dritten Staates rechtskräftig verurteilt worden ist und die Strafe ganz vollstreckt oder zur Gänze oder für den noch nicht vollstreckten Teil "nachgesehen" worden oder ihre Vollstreckbarkeit nach dem Recht des dritten Staates verjährt ist (vgl. Linke, Grundriß des Auslieferungsrechts, 1983, S. 56 f.).
Bestimmungen, welche der Auslieferung von Personen entgegenstehen, die wegen derselben Tat bereits in einem dritten Staat rechtskräftig freigesprochen wurden oder die verhängte Strafe verbüßt haben, finden sich ferner in § 17 des irischen Auslieferungsgesetzes vom 19. Juli 1965, in Art. 8 Abs. 3 des norwegischen Auslieferungsgesetzes vom 13. Juni 1975 und in § 10 des schwedischen Auslieferungsgesetzes vom 6. Dezember 1957.
Andererseits ergibt sich aus der Formulierung des § 9 des deutschen Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen, daß eine frühere Aburteilung und Strafverbüßung in einem dritten Staat wegen der dem Auslieferungsersuchen zugrundeliegenden Straftat die Auslieferung nicht hindert. Das Auslieferungsverbot des § 9 IRG betrifft nur die abschließende Beurteilung durch deutsche Gerichte und Behörden. Der Verfolgte kann sich unter Bezugnahme auf ein ausländisches Strafurteil nicht auf den Grundsatz ne bis in idem berufen, weil ein ausländisches Urteil keine Rechts

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kraft in der Bundesrepublik Deutschland entfaltet (vgl. Vogler in: Grützner/Pötz, a.a.O., I A 2, § 9 S. 7). Diesem Grundsatz folgt auch die deutsche Rechtsprechung (vgl. Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluß vom 23. November 1979 -- Ausl. 60/79 -; Kammergericht, Beschluß vom 29. November 1984 -- 4 Ausl. 22/84 -; Oberlandesgericht Bamberg, Beschluß vom 3. Oktober 1985 -- 3 Ausl. Reg. 6/86 -- und Kammergericht, Beschluß vom 19. Dezember 1985 -- 4 Ausl. A 356/84 -). Auch das im 5. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika verankerte Verbot des double jeopardy steht der Auslieferung einer Person, die wegen der dem Auslieferungsersuchen zugrundeliegenden Tat in einem dritten Staat bereits abgeurteilt wurde und eine Freiheitsstrafe verbüßt hat, nicht entgegen. So hat das Bundesdistriktsgericht für New York in dem insoweit grundlegenden Urteil vom 1. Mai 1973 (In re Ryan, 360 F. Supp. 270, 274, 275 [1973]) festgestellt, daß "... there is no constitutional right to be free from double jeopardy resulting from extradition to the demanding country ... . The Fifth Amendment right not 'to be twice put in jeopardy of life or limb' is available only to prosecutions in this country. The essential elements of a plea of double jeopardy are identity of successive sovereigns .... There is clearly no identity of sovereignty between Austria and the Federal Republic of Germany". Die Auslieferungsanordnung wurde vom zuständigen Berufungsgericht bestätigt (478 F. 2 d 1397 [2 d Cir. 1973]). Dieser Rechtsprechung folgte später auch das Bundesdistriktsgericht für Connecticut im Fall United States v. Galanis vom 8. März 1977 (429 F. Supp. 1215 [1977]).
3. Nach alledem ist festzustellen: Derzeit besteht weder eine allgemeine Regel des Völkerrechts im Sinne des Art. 25 GG des Inhalts, daß eine Person wegen desselben Lebenssachverhalts, dessentwegen sie bereits in einem dritten Staat zu einer Freiheitsentziehung verurteilt wurde und diese Strafe auch verbüßt hat, in einem anderen Staat nicht neuerlich angeklagt oder verurteilt werden darf oder jedenfalls die Zeit der im dritten Staate erlittenen Freiheitsentziehung im Fall einer neuerlichen Verurteilung angerechnet oder berücksichtigt werden muß, noch eine allgemeine

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Regel des Inhalts, daß der Zulässigkeit einer Auslieferung nach einem Auslieferungsvertrag die Tatsache entgegensteht, daß der Verfolgte wegen desselben Lebenssachverhalts, der dem Auslieferungsersuchen zugrundeliegt, bereits in einem dritten Staat eine Freiheitsentziehung erlitten hat und deren Zeit bei einer neuerlichen Verurteilung im ersuchenden Staat nicht angerechnet oder berücksichtigt wird. Fehlt es schon am Bestehen einer entsprechenden Regel des einfachen Völkergewohnheitsrechts, so erübrigt sich die Untersuchung der Frage, ob eine solche Regel, so sie bestünde, zum Katalog jener Normen gehörte, die den völkerrechtlichen Mindeststandard auf dem Gebiet der Menschenrechte darstellen, oder die Qualität von zwingendem Völkerrecht aufwiese.
Zeidler Niebler Steinberger Träger Mahrenholz Böckenförde Klein Graßhof