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9. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 18. Dezember 1998 i.S. Sektion Bern des Schweizer Berufsverbandes der Krankenschwestern und Krankenpfleger u. Mitb. gegen Kanton Bern (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Art. 4 Abs. 2 Satz 3 BV; Art. 88 OG, Art. 90 Abs. 1 lit. b OG und Art. 93 Abs. 2 OG; Gleichstellungsgesetz (GlG); Lohngleichheit; Berner Krankenschwestern. |
Beschwerdelegitimation eines Berufsverbandes und einzelner Privater (E. 1b). |
Tragweite von Art. 90 Abs. 1 lit. b und Art. 93 Abs. 2 OG: An die Rüge- und Begründungspflicht sind mit Blick auf Art. 6 GlG keine überspitzten Anforderungen zu stellen, doch kann das Verfahren nicht im zweiten Schriftenwechsel auf mit konkreten Einstufungsvorgängen verbundene spätere Akte oder auf ursprünglich nicht angefochtene weitere Bestimmungen ausgedehnt werden (E. 1c u. 1d). |
Inhalt von Art. 4 Abs. 2 Satz 3 BV (E. 2) und verfassungsrechtlicher Stellenwert von Bewertungssystemen (E. 3). |
Zulässigkeit der Einreihung einer Funktion in Abweichung von der im Arbeitsplatzbewertungsverfahren vorgeschlagenen Einstufung (E. 4). | |
Sachverhalt | |
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Der Regierungsrat regelte hierauf die weiteren Einzelheiten in der Gehaltsverordnung vom 26. Juni 1996 (GehV). Dabei wies er die Funktionen «dipl. Krankenschwester/-pfleger DN II» und «dipl. Krankenschwester/-pfleger mit dreijähriger Ausbildung AKP, Psy. KP, KWS» der Gehaltsklasse 15 zu (vgl. Anhang I zur Gehaltsverordnung), obwohl die Bewertungskommission im Rahmen der analytischen Arbeitsplatzbewertung, die der Besoldungsrevision zugrunde lag, im November 1991 gestützt auf die Arbeitswerte für die Schlüsselstelle 302 (Regula Brassel/Dipl. Krankenschwester AKP/Frauenspital) eine Einreihung in der Besoldungsklasse 17 vorgeschlagen hatte.
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Die Sektion Bern des Schweizer Berufsverbandes der Krankenschwestern und Krankenpfleger sowie Liliane Stoffel, Veronika Schneckenburger und Monika Mäder-Wegmüller haben hiergegen am 20. September 1996 beim Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde eingereicht. Sie beantragen, die «'Einreihung der Stellen in die Gehaltsklassen' (Anhang zur Gehaltsverordnung des Kantons Bern vom 26. Juni 1996) sei insoweit aufzuheben, als die Einreihung der diplomierten Krankenschwester/-pfleger (Diplomniveau II) sowie der diplomierten Krankenschwester/-pfleger mit 3-jähriger Ausbildung AKP, Psy. KP, KWS, in die Gehaltsklasse 15 vorgeschrieben wird». Sie machen geltend, die «Zurückstufung» der entsprechenden Funktionen durch den Regierungsrat sei aus finanzpolitischen Gründen erfolgt, nachdem die Arbeitsplatzanalyse einen zu grossen Aufholbedarf ergeben habe; sie vermöge sich auf keine sachlichen Gründe zu stützen. Ein typischer Frauenberuf werde dadurch weiter indirekt diskriminiert, was Art. 4 Abs. 2 Satz 3 BV verletze.
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Der Regierungsrat des Kantons Bern beantragt, auf die Beschwerde nicht einzutreten bzw. sie abzuweisen.
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Im Rahmen des zweiten Schriftenwechsels haben die Parteien an ihren Ausführungen und Anträgen festgehalten. In ihrer Beschwerdeergänzung ![]() | 5 |
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt,
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aus folgenden Erwägungen: | |
1. a) Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet die Einreihung der Funktionen «dipl. Krankenschwester/-pfleger DN II» und «dipl. Krankenschwester/-pfleger mit dreijähriger Ausbildung AKP, Psy. KP, KWS» in die Gehaltsklasse 15. Gegen eine solche generell-abstrakte Regelung ist auch nach dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom 24. März 1995 über die Gleichstellung von Frau und Mann (Gleichstellungsgesetz, GlG; SR 151) nur die staatsrechtliche Beschwerde gegeben: Zwar stellt das Gleichstellungsgesetz nicht bloss eine Grundsatz- oder Rahmenregelung dar, an die sich das kantonale Recht halten muss, sondern es bildet vielmehr - soweit es um Fragen der Gleichstellung von Frau und Mann geht - selber die Grundlage für den kantonalen Entscheid, auch wenn dieser im Rahmen eines Rechtsstreits um an sich kantonal geregelte Besoldungsansprüche für öffentlichrechtlich Angestellte ergeht (BGE 124 II 409 E. 1d/ii S. 417). Dies gilt indessen zum Vornherein nicht, wenn wie hier ein kantonaler Gesetzesakt als solcher angefochten wird. Nach Art. 13 Abs. 1 GlG richtet sich der Rechtsschutz bei öffentlichrechtlichen Arbeitsverhältnissen nach den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege. Das Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist auf den individuellen Rechtsschutz ausgerichtet (vgl. Art. 97 OG in Verbindung mit Art. 5 VwVG) und kennt keine abstrakte Normenkontrolle (vgl. BGE 112 Ia 180 E. 2c S. 185 f., mit Hinweisen; FRITZ GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., Bern 1983, S. 133 f.). Einzelne Bestimmungen einer kantonalen Besoldungsverordnung können im Hinblick auf eine allfällige Verletzung von Art. 4 Abs. 2 Satz 3 BV deshalb - wie bisher - nur mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten werden (zur verfahrensrechtlichen Ausgangslage vor Inkrafttreten des Gleichstellungsgesetzes: BGE 120 Ia 95 E. 1c/bb ![]() | 7 |
b) aa) Zur staatsrechtlichen Beschwerde ist legitimiert, wer durch die angefochtene Bestimmung unmittelbar oder virtuell (d.h. mit einer minimalen Wahrscheinlichkeit früher oder später einmal) in seiner rechtlich geschützten Stellung betroffen wird (Art. 88 OG; BGE 124 I 11 E. 1b S. 13, mit Hinweis). In diesem Rahmen kann ein als juristische Person konstituierter Verband die Interessen einer Mehrheit oder einer Grosszahl seiner Mitglieder vertreten, soweit deren Wahrung zu seinen statutarischen Aufgaben gehört und die einzelnen Mitglieder ihrerseits beschwerdebefugt wären (sog. «egoistische Verbandsbeschwerde»: BGE 119 Ib 374 E. 2a S. 376 ff.; BGE 113 Ib 363 E. 2a S. 365; bestätigt in BGE 123 II 376 E. 5b/dd S. 384).
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bb) Die Sektion Bern des Schweizer Berufsverbandes der Krankenschwestern und Krankenpfleger ist als Verein nach Art. 60 ZGB konstituiert. Gemäss Art. 3 lit. a ihrer Statuten hat sie «die beruflichen, sozialen und wirtschaftlichen Interessen ihrer Mitglieder gegenüber Behörden, Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern sowie andern Organisationen» zu wahren. Durch die umstrittene Einstufung wird - zumindest virtuell - ein grosser Teil bzw. eine Mehrzahl ihrer Mitglieder betroffen, die ihrerseits beschwerdebefugt wären. Sie ist deshalb zur Erhebung der vorliegenden Verbandsbeschwerde legitimiert.
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cc) Die privaten Beschwerdeführerinnen waren bei Beschwerdeeinreichung als dipl. Kinderkrankenschwestern am Kantonalen Frauenspital Bern bzw. als dipl. Psychiatrieschwester an der Psychiatrischen Universitätsklinik Waldau tätig und somit durch die beanstandete Einreihung betroffen. Dass der Kanton, wie er einwendet, seit Anfang 1997 das Frauenspital nicht mehr betreibt und selber nur noch drei psychiatrische Kliniken unterhält, ändert hieran nichts, da die Beschwerdeführerinnen auf jeden Fall als potentielle Bedienstete des Kantons durch die gerügte Einreihung virtuell berührt bleiben. Ob die von ihnen geltend gemachten Interessen tatsächlich verletzt sind, ist nicht eine Frage des Eintretens, sondern der materiellen Beurteilung. Der Einwand, der Kanton selber beschäftige im Gegensatz zu den Gemeinden, Gemeindeverbänden oder privaten Betrieben einen hohen Anteil an männlichem Pflegepersonal, weshalb zum Vornherein nicht von einer einen typischen Frauenberuf betreffenden Regelung ausgegangen werden könne, vermag die Legitimation der Beschwerdeführerinnen deshalb nicht in Frage zu stellen.
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d) aa) Dies bedeutet indessen nicht, dass die Beschwerdeführerinnen im bundesgerichtlichen Verfahren jederzeit noch alle möglichen Rügen vorbringen könnten. Beschwerdegegenstand vor Bundesgericht bildet die rechtzeitig und begründet angefochtene kantonale Regelung. Das Verfahren der abstrakten Normenkontrolle kann nicht während der Instruktion auf mit konkreten Einstufungsvorgängen verbundene spätere kantonale Akte oder nachträglich auf weitere Bestimmungen des ursprünglichen Erlasses ausgedehnt werden. Findet in Anwendung von Art. 93 Abs. 2 OG ein zweiter Schriftenwechsel statt, so ist eine Beschwerdeergänzung nur soweit zulässig, als erst die Erwägungen der kantonalen Behörden hierzu Anlass geben. Anträge und Rügen, die bereits in der Beschwerde selber hätten gestellt bzw. vorgebracht werden können, sind unstatthaft; innert der Beschwerdefrist Versäumtes darf nicht im zweiten Schriftenwechsel nachgeholt werden (vgl. BGE 118 Ia 305 E. 1c S. 308; BGE 102 Ia 211 E. 1 S. 213; 99 Ia 364 E. 1 S. 366; BGE 98 Ia 491 E. 1b S. 494; Walter Kälin, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, 2. Aufl., Bern 1994, S. 376 f.).
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bb) Die Beschwerdeschrift vom 20. September 1996 richtete sich ausschliesslich gegen die von den Beschwerdeführerinnen als «Rückstufung» bezeichnete Einreihung der umstrittenen Funktionen in die Besoldungsklasse 15 statt 17.
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Dies ergibt sich unzweideutig aus ihrer Beschwerdebegründung, wenn sie festhalten: «Beide Funktionen, welche der Schlüsselstelle 'diplomierte Krankenschwester AKP' entsprechen, wurden gegenüber dem Ergebnis der analytischen Arbeitsplatzbewertung im Laufe des politischen Prozesses um zwei Gehaltsklassen hinuntergestuft und in Gehaltsklasse 15 eingereiht. Gegen diese Mindereinstufung richtet sich die vorliegende Beschwerde». Auf die Ausführungen in der Beschwerdeergänzung vom 3. Juli 1997 ist deshalb nicht einzutreten, soweit die Beschwerdeführerinnen darin anhand abstrakter Beispiele nachträglich neu geltend machen, der Kanton Bern verletze Art. 4 Abs. 2 Satz 3 BV auch durch die vorgesehene frankenmässige Überführung in das neue Besoldungssystem und die für die Bediensteten im Pflegebereich vorgesehenen Anlaufstufen: Sowohl die frankenmässige Überführung wie auch die Anlaufstufen bildeten bereits Gegenstand des Dekrets vom 8. November 1995 ![]() | 14 |
cc) Die Beschwerdeführerinnen beanstanden in ihrer Beschwerdeergänzung in verschiedener Hinsicht neu auch das im Kanton Bern durchgeführte Bewertungsverfahren als solches. Dieses habe frauendiskriminierende Elemente enthalten und damit dazu beigetragen, «dass der typische Frauenberuf der Krankenschwester gehaltsmässig zu tief eingestuft wurde». Zu diesen Rügen gab an sich wiederum nicht erst die Vernehmlassung des Kantons Anlass, weshalb sie ebenfalls bereits in der Beschwerdeschrift selber hätten erhoben werden müssen. Die entsprechenden Vorbringen erscheinen im Übrigen insofern als widersprüchlich, als sich die Beschwerdeführerinnen gerade selber auf die betreffenden Resultate berufen, um geltend zu machen, der Regierungsrat sei aus rein politischen Überlegungen vom Ergebnis der wissenschaftlichen Analyse abgewichen. Es ist nicht ersichtlich, welches schutzwürdige Interesse die Beschwerdeführerinnen ausserhalb ihres Beschwerdeantrags daran haben könnten, dass sich das Bundesgericht abstrakt mit der Frage nach allfälligen «frauentypischen Diskriminierungsquellen» in den zurzeit gebräuchlichen Arbeitsplatzbewertungen auseinandersetzt. Ihre Kritik überzeugt - wie zu zeigen sein wird (vgl. E. 3) - letztlich aber auch inhaltlich nicht.
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2. a) Die Bundesverfassung (Art. 4 Abs. 2) bzw. das Gleichstellungsgesetz (Art. 3 Abs. 1) verbieten jede direkte oder indirekte Benachteiligung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aufgrund ![]() | 16 |
b) Eine verpönte Ungleichbehandlung besteht insbesondere, wenn Frau und Mann für eine gleiche oder gleichwertige Arbeit unterschiedlich entlöhnt werden (Art. 4 Abs. 2 Satz 3 BV; Art. 3 Abs. 2 GlG). Untersagt sind Lohnunterschiede, die auf geschlechtsspezifischen Umständen beruhen (BGE 117 Ia 270 E. 2b S. 273, mit Hinweisen). Dabei kann sich eine Diskriminierung sowohl aus der generellen Einstufung bestimmter geschlechtsspezifischer Funktionen ergeben als auch aus der konkreten Entlöhnung einer bestimmten Person im Vergleich zu einer solchen des anderen Geschlechts (vgl. den Sachverhalt von BGE 113 Ia 107 ff.). Der Begriff der gleichwertigen Arbeit umfasst nicht bloss ähnliche, das heisst gleichartige Arbeiten, sondern bezieht sich darüber hinaus im Zusammenhang mit sogenannten versteckten Lohndiskriminierungen auch auf Arbeiten unterschiedlicher Natur (BGE 117 Ia 270 E. 2b S. 273, mit Hinweisen).
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c) aa) Ob Tätigkeiten als gleichwertig zu betrachten sind, kann nicht wissenschaftlich objektiv und wertfrei entschieden werden, sondern hängt von Beurteilungen ab, die unterschiedlich ausfallen können (vgl. Andreas C. Albrecht, Der Begriff der gleichwertigen Arbeit im Sinne des Lohngleichheitssatzes «Mann und Frau haben Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit» [Art. 4 Abs. 2 BV], Basel 1998, S. 29 f., 33 f. und 162). Die verschiedenen arbeitswissenschaftlichen Bewertungsverfahren unterscheiden sich in Aufgliederung, Gewichtung und Bewertung der Anforderungen; keines ist dabei verfassungsrechtlich allein zulässig: Den zuständigen Behörden steht bei der Ausgestaltung des Besoldungssystems im öffentlichen Dienst ein erheblicher Gestaltungsspielraum zu; sie können aus der Vielzahl denkbarer Anknüpfungspunkte jene Tatbestandsmerkmale auswählen, die für die Besoldung von Beamten massgebend sein sollen (BGE 123 I 1 E. 6b/c S. 8; BGE 121 I 49 E. 4c S. 53 f.). Das Lohngleichheitsgebot schränkt diesen grossen Ermessensspielraum ![]() | 18 |
bb) Als geschlechtsspezifisch - und ohne sachliche Rechtfertigung diskriminierend - haben Anforderungsmerkmale zu gelten, welche von den Angehörigen eines Geschlechts wesentlich leichter oder anteilmässig wesentlich häufiger erfüllt werden können als von den Angehörigen des andern. Hingegen dürfen nicht Kriterien als geschlechtstypisch bezeichnet werden, die - ohne die genannten Bedingungen zu erfüllen - bloss aufgrund traditioneller gesellschaftlicher Rollenbilder einem Geschlecht zugeschrieben werden. Diese würden damit lediglich verstärkt, was dem verfassungsmässigen und gesetzlichen Gleichstellungsgebot geradezu widerspräche. Ob ein bestimmtes, einer Arbeitsplatzbewertung zugrundeliegendes Kriterium geschlechtstypisch ist, muss entweder aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung oder durch wissenschaftliche Untersuchungen statistisch nachweisbar sein. Bloss unbewiesene oder nicht glaubhaft gemachte Behauptungen oder Vermutungen, bestimmte Eigenschaften seien spezifisch weiblich oder männlich, können demgegenüber nicht genügen (BGE 124 II 409 E. 9d S. 428 f.).
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a) Der Kanton Bern hat seiner strukturellen Besoldungsrevision im Wesentlichen eine «Vereinfachte Funktionsanalyse» zugrunde gelegt, wie sie vom Bundesgericht im Kanton Zürich bereits als nicht bundesrechtswidrig beurteilt worden ist (BGE 124 II 409 E. 10 S. 429 ff.). Der Einwand, die Auswahl und Gewichtung der Kriterien, namentlich die gegenüber dem Kriterium «Ausbildung/Erfahrung» und «Geistige Anforderungen/Belastung» geringe Bedeutung der «Psychischen Anforderungen» benachteilige die Frauen, setzte voraus, dass das entsprechende Kriterium von diesen wesentlich einfacher erfüllt werden könnte als von Männern und dass typische Männerberufe bzw. «neutrale» Berufe diesbezüglich regelmässig tiefere Anforderungen stellten; dies ist jedoch weder gerichtsnotorisch noch nachgewiesen oder glaubhaft gemacht (BGE 124 II 409 E. 10d S. 430). Das betreffende Kriterium fand denn mit der gleichen ![]() | 21 |
b) Soweit die Beschwerdeführerinnen einwenden, die Kriterien «Ausbildung/Erfahrung» und «geistige Anforderungen/Belastung» überschnitten sich und bewirkten eine Mehrfachbewertung der intellektuellen Anforderungen der analysierten Funktionen, übersehen sie, dass auch der analytischen Arbeitsplatzbewertung Wertentscheide zugrunde liegen (vgl. BGE 124 II 409 E. 9b S. 426 f.). Diese sind nur zu beanstanden, soweit sie im dargelegten Sinn geschlechtsdiskriminierend wirken. Wenn der Realität in der Arbeitswelt entsprechend intellektuelle Merkmale bei der Bewertung in grösserer Zahl oder stärker gewichtet Berücksichtigung finden als körperliche Anforderungen, ist nicht ersichtlich, inwiefern dies typische Frauenberufe diskriminieren soll. Dass die nach Ansicht der Beschwerdeführerinnen untergewichteten psycho-sozialen Kriterien frauenspezifisch wären, ist ebensowenig erstellt wie der Einwand, das Kriterium «Zwischenmenschliche Beziehungen» sei frauenbegünstigend und deshalb zu wenig berücksichtigt (vgl. BGE 124 II 409 E. 10d am Ende S. 430). Im übrigen weist der Kanton Bern zu Recht darauf hin, dass selbst die von den Beschwerdeführerinnen zitierten Experten Katz und Baitsch bezüglich ihres Systems vorschlagen, den intellektuellen Bereich mit 25-50%, den psycho-sozialen mit 20-40%, den physischen mit 5-25% und die Verantwortung mit 20-30% zu gewichten (Eidgenössisches Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann [Hrsg.], KATZ/BAITSCH, Lohngleichheit für die Praxis, 2. Aufl., Bern 1997, S. 40 f. [FN 20]).
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c) Schliesslich ist nicht ersichtlich, inwiefern der Einwand, die mit der Bewertung betrauten Organe seien überwiegend mit Männern und hohen «KadermitarbeiterInnen» besetzt gewesen, eine verfassungswidrige Diskriminierung zu begründen vermöchte: Im Rahmen des Bewertungsverfahrens war in erster Linie Sachkunde gefragt. Ein absoluter Anspruch auf eine mehrheitliche oder paritätische Vertretung des einen oder anderen Geschlechts lässt sich Art. 4 Abs. 2 BV entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerinnen nicht entnehmen (vgl. BGE 123 I 152 ff.).
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b) Der Regierungsrat begründet die Einstufung der Funktionen «dipl. Krankenschwester/-pfleger DN II» bzw. «dipl. Krankenschwester/-pfleger mit dreijähriger Ausbildung AKP, Psy. KP, KWS» in die Gehaltsklasse 15 in erster Linie damit, dass die in der Schlüsselposition 302 beurteilte Tätigkeit von Regula Brassel, welche im November 1991 zu einer provisorischen Einreihung in die Klasse 17 geführt hatte, nicht den Anforderungen einer Krankenschwester mit normaler Grundausbildung entsprochen habe. Die beurteilte Stelle sei eine solche in einer spezifischen, speziell anspruchsvollen Pflegesituation gewesen (Onkologie), welche an sich eine Zusatzausbildung erfordert hätte, weshalb sich der Antrag der Bewertungskommission nicht auf eine «normale» Krankenschwester mit Basisausbildung bezogen habe.
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aa) Aus dem Stellenbeschrieb und dem Interview mit Regula Brassel ergibt sich, dass diese eine ganze Reihe von sehr anspruchsvollen und belastenden Aufgaben in einem Bereich zu erfüllen hatte (Pflege und Betreuung von Tumorpatientinnen [Onkologie]), der besonders hohe Anforderungen stellt. Mangels einer Stationssekretärin musste sie neben den pflegerischen Aufgaben überdurchschnittlich viele Administrativgeschäfte erledigen. Im übrigen unterhielt sie in ihrer Funktion in mehreren Bereichen regelmässige Kontakte nach aussen (Abteilung Onkologie, Strahlentherapie, Radiologie, Nuklearmedizin und Stomaberatung des Inselspitals). Regula Brassel wies ausdrücklich selber darauf hin, dass für ihre Funktion eine höhere Fachausbildung (Onkologie) wünschbar erschiene. Die Beschwerdeführerinnen wenden zwar ein, diese Aufgaben entsprächen den durchschnittlichen Anforderungen an eine Krankenschwester schlechthin. Wie es sich damit verhält, braucht hier indessen nicht weiter untersucht zu werden: Es liegt verfassungsrechtlich im Rahmen des dem kantonalen Besoldungsgebers zustehenden Spielraums, einen Einsatz im Gebiet der Onkologie (oder etwa der Intensivstation bzw. des Operationssaals) als speziell anspruchsvoll zu beurteilen und diese Tatsache einstufungsmässig entsprechend zu berücksichtigen.
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bb) Die Einschätzung des Bewertungsausschusses im November 1991, auf die sich die Beschwerdeführerinnen berufen, bildete lediglich einen ersten provisorischen Plan für die Einreihung der Schlüsselstellen und schloss das Bewertungsverfahren nicht ab. Dessen Resultate waren mit Blick auf den vollständigen Einreihungsplan im Folgenden zu vernetzen und weiter zu überprüfen. In diesem Rahmen traf der Bewertungsausschuss bei den von ihm beurteilten 130 Schlüsselstellen selber 19 Minus- und 15 Plusklassenkorrekturen; schon ihm selber schienen damit in 26% der Fälle Änderungen angezeigt. Der Regierungsrat, der einen Einreihungsplan für 507 Stellen auszuarbeiten hatte, war seinerseits gehalten und berechtigt, allfällige weitere für die innere Struktur und das Lohngefüge nötige Anpassungen vorzunehmen. Es ist nicht ersichtlich, warum dem vorbereitenden Gremium in den zur Diskussion stehenden besoldungsrechtlichen Ermessensfragen eine höhere Sachkompetenz und Legitimation zustehen sollte als den für den politischen Entscheid ![]() | 29 |
d) Die Beschwerdeführerinnen wenden ein, die Zurückstufung sei in Wirklichkeit aus rein finanziellen Überlegungen erfolgt. Indem sich der Regierungsrat auf die Besoldung der Krankenschwestern in anderen Kantonen berufe, rechtfertige er diskriminierende Besoldungen mit anderen diskriminierenden Löhnen. Der Vergleich mit anderswo bezahlten Gehältern verfälsche die innere Lohngerechtigkeit des aufgrund der analytischen Arbeitsplatzbewertung erarbeiteten Systems.
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aa) Nach der Rechtsprechung dürfen objektive Umstände, die nicht geschlechtsspezifisch motiviert sind und sich nicht auf die Person oder die Tätigkeit des Arbeitnehmers beziehen, bei der Gehaltsfestsetzung im Rahmen des Anspruchs auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit berücksichtigt werden. Hierzu gehört auch die konjunkturelle Lage, die zumindest zeitweise eine unterschiedliche ![]() | 31 |
bb) Mit den Beschwerdeführerinnen ist davon auszugehen, dass rein budgetäre Schwierigkeiten eine Abweichung vom verfassungsmässigen Anspruch auf gleichen Lohn nicht zu rechtfertigen vermöchten.
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