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20. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung i.S. X. und Y. gegen Schulkommission der Kantonsschule Z., Schulrekurskommission und Verwaltungsgericht des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) |
2P.210/2002 / 2P.211/2002 vom 31. März 2003 | |
Regeste |
Art. 6 Ziff. 1 EMRK; neue Kriterien für die Anwendbarkeit von Art. 6 EMRK auf die Beschäftigten im öffentlichen Dienst; Stellung der Lehrkräfte. | |
Sachverhalt | |
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B.- X. arbeitet seit 1976 als Lehrerin an der Kantonsschule Z., wo sie Französisch und Italienisch unterrichtet, zuletzt mit einem Pensum von durchschnittlich 70 Prozent.
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C.- Y. arbeitet - mit Unterbrüchen - seit 1970 als Lehrerin an der Kantonsschule Z., wo sie Französisch unterrichtet, zuletzt mit einem Pensum von durchschnittlich gut 80 Prozent.
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Nachdem die beiden als "Lehrbeauftragte I" unter der Geltung der Mittelschullehrerverordnung jeweilen nur auf ein Semester befristet angestellt waren (§ 6 Abs. 1 lit. a MSLV), wurden sie per 1. September 2000 als "Mittelschullehrpersonen" im Sinne von § 3 Abs. 1 lit. b MBVO mit einem (garantierten) Beschäftigungsgrad von 33,33 Prozent unbefristet angestellt; eingereiht wurden sie in die Lohnklasse 21 (Verfügung vom 22./23. August 2000).
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Hiergegen beschwerten sie sich bei der Schulrekurskommission, wo sie die Anstellung mit einem Beschäftigungsgrad von mindestens 70 Prozent und die Einreihung in die Lohnklasse 22 verlangten. Mit Entscheid vom 16. April 2002 wies diese den Rekurs ab, was das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich auf Beschwerde hin schützte. Dabei trat es auf das Rechtsmittel weitgehend nicht ein und beschränkte sich darauf, für "vertretbar" zu erklären, dass die ehemaligen Hauptlehrer im Rahmen der Überführung ihren Beschäftigungsgrad behalten, während dieser bei den vormals nur für jeweilen ein Semester ernannten Lehrbeauftragten I gekürzt werde (Entscheid vom 14. August 2002).
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D.- Am 18. September 2002 haben X. und Y. je staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht eingereicht.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerden wegen Verletzung von Art. 9 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK gut und hebt die angefochtenen Entscheide auf.
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Aus den Erwägungen: | |
3. Vorliegend sind, wie die kantonale Verwaltung anerkannt hat, Ansprüche aus einem bestehenden öffentlichen Dienstverhältnis streitig. Die Beschwerdeführerinnen rügen, bei der Überführung nach § 15 MBVO von einer befristeten in eine unbefristete Anstellung im Vergleich zu den Hauptlehrern in gesetz- und verfassungswidriger Weise benachteiligt worden zu sein. Dabei machen sie vor ![]() | 8 |
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3.2 Nun erklärt aber § 43 Abs. 2 VRG die (kantonale) Verwaltungsgerichtsbeschwerde - ungeachtet der Ausnahmen gemäss Abs. 1 der gleichen Bestimmung - dann für zulässig, wenn die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht offen steht oder wenn es sich um "Angelegenheiten gemäss Art. 6 Ziff. 1 EMRK" handelt. Mit dieser Regelung hat der Kanton Zürich die Anforderungen ![]() | 10 |
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Erwägung 4 | |
4.1 Käme die frühere Praxis zu Art. 6 Ziff. 1 EMRK zur Anwendung, so wäre zweifelhaft, ob es sich um eine Zivilsache handelt, betrifft das vorliegende Verfahren doch zwei vom Kanton öffentlichrechtlich angestellte Mittelschullehrerinnen. Streitigkeiten aus dem öffentlichen Dienstverhältnis waren dem Anwendungsbereich der Konventionsbestimmung bisher weitgehend entzogen; es galten grundsätzlich nur bestimmte rein vermögensrechtliche Ansprüche aus dem Dienstverhältnis als zivilrechtlich im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK (vgl. BGE 125 I 313 E. 4 S. 319 f.; Urteil des EGMR i.S. Neigel gegen Frankreich vom 17. März 1997, Recueil CourEDH 1997-II S. 399, Ziff. 40 ff.; vgl. auch RUTH HERZOG, Art. 6 EMRK und kantonale Verwaltungsrechtspflege, Diss. Bern 1995, S. 239 ff.). Die Beschwerdeführerinnen berufen sich jedoch implizit auf die neue Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu den öffentlichen Dienstverhältnissen, die den ![]() | 12 |
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4.3 Mangels Teilnahme an der öffentlichen Gewalt hat der Gerichtshof Art. 6 EMRK auf einen französischen Sektionschef des Diensts für Wirtschaftsförderung in New York (Urteil Frydlender) sowie eine Hauswartin einer öffentlichen Schule (Urteil i.S. Procaccini gegen Italien vom 30. März 2000, insb. Ziff. 12-15) angewandt. Nicht auf Art. 6 Ziff. 1 EMRK berufen konnte sich indessen ein vom französischen Ministerium für Zusammenarbeit und Entwicklung angestellter Experte, welcher als Projektleiter beim ![]() | 14 |
Das Bundesgericht hat sich der neuen Praxis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte angeschlossen. In einem - von den Beschwerdeführerinnen zitierten - Urteil vom 7. Februar 2000 (1P.529/1999, publ. in: Pra 89/2000 Nr. 80 S. 485 ff.) hat es gestützt auf die neue Rechtsprechung die Anwendbarkeit von Art. 6 Ziff. 1 EMRK auf Besoldungsansprüche von Polizeibeamten verneint; gleich hat es bezüglich einer kantonalen Steuerinspektorin entschieden (Urteil 2P.189/2000 vom 6. März 2001). Demgegenüber hat es die Konventionsbestimmung auf zwei Verwaltungsangestellte des "tuteur général" des Kantons Waadt zur Anwendung gebracht, weil diese nicht an der öffentlichen Gewalt teilhätten und nicht mit der Wahrung allgemeiner Staatsinteressen betraut seien (Urteile 2P.198/2001 und 2P.216/2001 vom 24. Oktober 2001; vgl. auch Urteil 2P.13/2001 vom 8. Mai 2001, E. 4).
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4.4 Die heutige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur Anwendung von Art. 6 EMRK auf öffentliche Dienstverhältnisse orientiert sich an der Praxis des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zum Begriff der "öffentlichen Verwaltung". Der Luxemburger Gerichtshof nahm wiederholt zur Tragweite der Ausnahme vom Freizügigkeitsrecht der Arbeitnehmer Stellung, welche in der Europäischen Union zugunsten des öffentlichen Diensts besteht (Art. 39 Abs. 4 EG-Vertrag, vormals Art. 48 Abs. 4). Er hat den Geltungsbereich dieser Ausnahme auf jene öffentlichen Funktionen beschränkt, deren Inhaber an der Ausübung hoheitlicher Befugnisse und an der Wahrnehmung von Aufgaben teilhaben, die auf die Wahrung allgemeiner staatlicher Belange gerichtet sind (Urteil des EuGH vom 17. Dezember 1980 in der Rechtssache 149/79, Kommission gegen Königreich Belgien, Slg. 1980, 3881, Randnr. 10; vgl. auch die Urteile des EuGH vom 2. Juli 1996 in der Rechtssache C-473/93, Kommission gegen Grossherzogtum Luxemburg, Slg. 1996, I-3207, Randnr. 27, in der Rechtssache C-173/94, Kommission gegen Königreich Belgien, Slg. 1996, I-3265, Randnr. 2 und in der Rechtssache C-290/94, Kommission gegen Republik Griechenland, Slg. 1996, I-3285, Randnr. 2). Bei der Anwendung der fraglichen Bestimmung stützte er sich insbesondere auf die zu dieser ergangenen Aktion der Kommission der Europäischen Gemeinschaften vom 18. März 1988 (ABl. 1988, C 72, S. 2). Dort legte die Kommission, welche über die korrekte und einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts zu wachen hat (vgl. ![]() | 16 |
4.5 Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat sich in seiner neuen Rechtsprechung direkt auf die Praxis der Organe der Europäischen Union berufen. Er stützt sich nicht nur auf die erwähnten Gerichtsurteile 149/79 vom 17. Dezember 1980 und C-473/93 vom 2. Juli 1996, sondern ausdrücklich auch auf die Aktion der Kommission vom 18. März 1988, die er neben der Praxis des Luxemburger Gerichtshofs für seine Entscheidfindung im Einzelfall heranzuziehen gedenkt (Urteil Frydlender, a.a.O., Ziff. 33). Aus diesen Quellen ergibt sich eindeutig, dass ein Mittelschullehrer keine spezifischen ![]() | 17 |
Erwägung 5 | |
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5.2 In den vorliegenden beiden Streitfällen geht es um Ansprüche von Mittelschullehrerinnen im Zusammenhang mit der Umgestaltung ihrer bisherigen Dienstverhältnisse; sie sind, was die Neufestlegung des Beschäftigungsgrades und der Besoldung betrifft, vermögensrechtlicher Natur. Es handelt sich demnach um Streitigkeiten gemäss Art. 6 Ziff. 1 EMRK, weshalb die Beschwerdeführerinnen ![]() | 19 |
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