BGE 137 I 273 | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
27. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. AG gegen Steueramt des Kantons Solothurn, Steuerverwaltung des Kantons Basel-Landschaft und Kantonales Steueramt Nidwalden (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
2C_463/2010 vom 1. Juli 2011 | |
Regeste |
§§ 138-140 und 147 StG/SO; Art. 46 Abs. 3 StHG; Art. 127 Abs. 3 BV; Verfahrensverstösse bei der Durchführung der Ermessensveranlagung. |
Blosse Anfechtbarkeit, wenn die Ermessensveranlagung durchgeführt wird, nachdem der Pflichtigen eine Steuererklärung zugesandt und die Erklärung der Veranlagungsbehörde unausgefüllt zurückgeschickt worden ist, ohne dass diese die Pflichtige daraufhin zuerst gemahnt hätte (E. 3.5). | |
Sachverhalt | |
A. Die X. AG wurde im Jahr 1994 gegründet und bezweckt die Vermittlung von Kapitalanlagen und Versicherungen, die Ausbildung von Finanz- und Versicherungsberatern sowie die Erbringung von Dienstleistungen im Zusammenhang mit Finanzanlagen. Sie wurde für die Steuerperiode 2000 an ihrem Sitz in Reinach/BL und, nach einer Sitzverlegung, für das Jahr 2001 in Stansstad/NW aufgrund persönlicher Zugehörigkeit als unbeschränkt steuerpflichtig veranlagt. Diese Veranlagungen erwuchsen in Rechtskraft.
| 1 |
B. Ohne vorgängige Zustellung einer Steuererklärung nahm das Steueramt des Kantons Solothurn gegenüber der X. AG am 22. Dezember 2005 für die Periode 2000 eine Ermessensveranlagung vor, mit der es die Gesellschaft definitiv aufgrund wirtschaftlicher Zugehörigkeit (Betriebsstätte im Kanton Solothurn) für die Ertrags- und die Kapitalsteuer erfasste. Für das Jahr 2001 wurde der X. AG zwar eine Steuererklärung zugestellt, von dieser aber unausgefüllt der Behörde zurückgeschickt, weshalb das Steueramt am 22. Dezember 2006 erneut eine endgültige Ermessensveranlagung vornahm. Die von der X. AG gegen diese Veranlagungen im Kanton erhobenen Rechtsmittel blieben erfolglos.
| 2 |
C. Am 21. Mai 2010 hat die X. AG beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht. Sie beantragt, es sei festzustellen, dass die Staatssteuer-Veranlagungen des Steueramtes des Kantons Solothurn vom 22. Dezember 2005 für 2000 und vom 22. Dezember 2006 für 2001 nichtig seien, und es sei das Urteil des Kantonalen Steuergerichts Solothurn vom 29. März 2010 aufzuheben. Eventualiter sei festzustellen, dass die X. AG im Kanton Solothurn in den Jahren 2000 und 2001 nicht steuerpflichtig war. Subeventualiter seien die Veranlagung des Kantons Basel-Landschaft vom 27. Dezember 2000 für 2000 sowie die Veranlagung des Kantons Nidwalden vom 31. Juli 2002 für 2001 aufzuheben, und die Sache sei zur Neuveranlagung an die jeweiligen Steuerverwaltungen zurückzuweisen. (...)
| 3 |
4 | |
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
| 5 |
(Auszug)
| 6 |
Aus den Erwägungen: | |
7 | |
3.1 Fehlerhafte Verwaltungsakte sind in der Regel nicht nichtig, sondern nur anfechtbar, und sie werden durch Nichtanfechtung rechtsgültig. Nichtigkeit, d.h. absolute Unwirksamkeit, einer Verfügung wird nur angenommen, wenn sie mit einem tiefgreifenden und wesentlichen Mangel behaftet ist, wenn dieser schwerwiegende Mangel offensichtlich oder zumindest leicht erkennbar ist und wenn zudem die Rechtssicherheit durch die Annahme der Nichtigkeit nicht ernsthaft gefährdet wird. Inhaltliche Mängel haben nur in seltenen Ausnahmefällen die Nichtigkeit einer Verfügung zur Folge; erforderlich ist hierzu ein ausserordentlich schwerwiegender Mangel. Als Nichtigkeitsgründe fallen hauptsächlich funktionelle und sachliche Unzuständigkeit einer Behörde sowie schwerwiegende Verfahrensfehler in Betracht (wie z.B. der Umstand, dass der Betroffene keine Gelegenheit hatte, am Verfahren teilzunehmen). Fehlt einer Verfügung in diesem Sinne jegliche Rechtsverbindlichkeit, so ist das durch jede Behörde, die mit der Sache befasst ist, jederzeit und von Amtes wegen zu beachten (vgl. u.a. BGE 136 II 489 E. 3.3 S. 495 f.; BGE 133 II 366 E. 3.1 und 3.2 S. 367; BGE 132 II 342 E. 2.1 S. 346; BGE 130 III 430 E. 3.3 S. 434; BGE 129 I 361 E. 2.1 S. 363 f.; BGE 127 II 32 E. 3g S. 47 f.; ASA 73 S. 299 E. 2; 70 S. 529 E. 4b/aa; 65 S. 918 E. 2; StE 2010 B 92.8 Nr. 15 E. 2.3; StR 64/2009 S. 581 E. 2.1; RDAF 2006 I S. 139 E. 2.2; RDAT 1996 I Nr. 49 S. 137 E. 5; mit weiteren Hinweisen).
| 8 |
9 | |
10 | |
3.2.2 Gemäss dieser ausdrücklichen gesetzlichen Regelung ist die Ermessensveranlagung somit gerade kein taugliches oder zulässiges Mittel, um dem Pflichtigen die Möglichkeit vorzuenthalten, eine Steuererklärung einzureichen. Vielmehr ist sie ein unumgänglicher Notbehelf, um sogar dann zu einer sachgerechten Einschätzung zu gelangen, wenn die an sich unerlässlichen, aber selbst nach förmlicher Mahnung vom Pflichtigen nicht eingereichten Angaben fehlen oder wenn die Steuerfaktoren aus anderen Gründen mangels zuverlässiger Unterlagen nicht genau ermittelt werden können (vgl. § 147 Abs. 2 StG/SO und Art. 46 Abs. 3 StHG; siehe auch Art. 130 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer [DBG; SR 642.11]). Da die Steuerbehörde mangels genügender Unterlagen nicht alle Faktoren genau ermitteln kann und eine Ermessenseinschätzung deshalb naturgemäss eine gewisse Unschärfe aufweist, kann der Pflichtige sie nur wegen offensichtlicher Unrichtigkeit in Frage stellen. Auch das Bundesgericht prüft derartige Veranlagungen nur mit Zurückhaltung auf besonders schwere Fehler und Irrtümer hin (vgl. u.a. BGE 131 II 548 E. 2.3 S. 551; BGE 123 II 552 E. 4c S. 557 f.; StE 2009 B 95.1 Nr. 13 E. 2.1 und 3.2; 2009 B 95.1 Nr. 14 E. 2.1-2.2; 2005 B 96.22 Nr. 3 E. 3.2; StR 64/2009 S. 35 E. 5.2; 64/2009 S. 588 E. 4.2; 61/2006 S. 819 E. 3.3; 61/2006 S. 558 E. 2.3; 60/2005 S. 973 E. 5; ASA 77 S. 343 E. 1.3 und 4.3; 75 S. 329 E. 5.1; NStP 57/2003 S. 139 E. 4.1; RDAF 2000 II S. 41 E. 1c und 2b; mit weiteren Hinweisen).
| 11 |
12 | |
3.3.1 Das gilt vorab bei der direkten Bundessteuer: Gemäss dem Grundsatz der Einheit des Veranlagungsortes wird der Steuerpflichtige zwecks Vermeidung einer Aufsplitterung der Veranlagung für das gesamte in der Schweiz steuerbare Einkommen allein am Wohnsitz eingeschätzt. Wenn ein Kanton eine steuerpflichtige Person, die ihm wirtschaftlich zugehörig ist, für die direkte Bundessteuer veranlagt, obwohl sie die persönliche Zugehörigkeit in einem anderen Kanton hat, liegt - wegen Verstosses gegen die bundessteuerrechtliche Zuständigkeitsordnung - eine örtliche Unzuständigkeit vor, was unter Umständen die Nichtigkeit der betreffenden Einschätzungsverfügung zur Folge haben kann. Ist der Veranlagungsort im Einzelfall ungewiss oder streitig, so ist er - wenn mehrere Kantone in Frage kommen - von der Eidgenössischen Steuerverwaltung zu bestimmen (Art. 108 Abs. 1 Satz 1 DBG; vgl. dazu u.a. StR 62/2007 S. 127 E. 2; 54/1999 S. 118 E. 7a; StE 2004 B 91.3 Nr. 4 E. 2.1; ASA 70 S. 529 E. 4b; 59 S. 636 E. 2c).
| 13 |
3.3.2 Hier geht es nicht um die direkte Bundessteuer und besteht somit auch nicht die Möglichkeit, von der Eidgenössischen Steuerverwaltung eine verbindliche Beurteilung hinsichtlich der jeweiligen kantonalen Besteuerungskompetenzen zu erlangen. Im Bereich der Staatssteuer gilt deshalb gemäss ständiger Rechtsprechung eine andere Regelung: Wenn eine in einem bestimmten Kanton zur Veranlagung herangezogene Person die Steuerhoheit des betreffenden Kantons bestreitet, muss dieser grundsätzlich in einem Vorentscheid (dem sog. Steuerdomizilentscheid) rechtskräftig über die Steuerpflicht entscheiden, bevor er das Veranlagungsverfahren fortsetzen darf. Es ist unzulässig und verstösst gegen Art. 127 Abs. 3 BV, zu einer Ermessensveranlagung zu schreiten, obschon der Pflichtige die Steuerhoheit bestritten hat. Das ergibt sich direkt aus dem verfassungsmässigen Verbot der interkantonalen Doppelbesteuerung und unabhängig davon, ob das kantonale Recht ein solches Domizilverfahren kennt oder nicht (vgl. in diesem Sinne aber § 147 Abs. 3 StG/SO). Gegen den Vorentscheid kann der in Anspruch Genommene die kantonalen Rechtsmittel erheben und ans Bundesgericht gelangen (vgl. u.a. BGE 134 I 303 E. 1.1 S. 304 f.; BGE 131 I 145 E. 2.1 S. 147; BGE 125 I 54 E. 1a S. 55; BGE 123 I 289 E. 1a S. 291 f.; BGE 115 Ia 73 E. 3 S. 75 f.; ASA 61 S. 678 E. 2a; RDAF 2010 II S. 577 E. 2; StE 2002 A 24.22 Nr. 4 E. 1a).
| 14 |
3.3.3 Jedoch verwirkt der Pflichtige das Recht zur Anfechtung der Veranlagung eines Kantons nicht nur, wenn er seine dortige Steuerpflicht in Kenntnis des kollidierenden Steueranspruchs eines andern Kantons vorbehaltlos anerkennt, z.B. wenn er sich der Veranlagung ausdrücklich oder stillschweigend unterwirft (vgl. BGE 123 I 264 E. 2d S. 267; BGE 101 Ia 384 E. 1 S. 386; ASA 64 S. 167 E. 4a; StE 2000 A 24.5 Nr. 4 E. 1b; 1998 A 24.42.4 Nr. 1 E. 1b). Die Verwirkung kann sich auch daraus ergeben, dass der Pflichtige im Veranlagungsverfahren seiner Mitwirkungspflicht nicht nachkommt, z.B. wenn er die verlangte Steuererklärung, die Bilanz und Erfolgsrechnung sowie die Belege seiner Buchhaltung nicht einreicht oder andere für die Bemessung und die Ausscheidung der Steuerfaktoren notwendige Angaben verweigert, so dass zur Ermessensveranlagung geschritten werden muss (vgl. ASA 58 S. 538 E. 2c; 57 S. 582 E. 2b; StE 1987 A 24.5 Nr. 2 E. 1a). Eine solche Verwirkung wird indessen nicht von Amtes wegen berücksichtigt, sondern muss von den betroffenen Behörden/Kantonen geltend gemacht werden (vgl. BGE 123 I 264 E. 2d S. 267; Pra 2003 Nr. 172 S. 939 E. 4; StE 2000 A 24.5. Nr. 4 E. 1b). In diesem Sinne verwirkt der Pflichtige seinen Anspruch auf einen Vorentscheid auch dann, wenn er innert Frist die Steuererklärung nicht einreicht, einer Nachfrist ebenfalls keine Folge leistet, sich nach Ermessen veranlagen lässt und erst in der Einsprache gegen die Ermessensveranlagung die Steuerhoheit des Kantons bestreitet (vgl. u.a. ASA 57 S. 582 E. 2b; StE 1987 A 24.5 Nr. 2 E. 1a und 2b; im gleichen Sinne schon BGE 60 I 346 E. 2 S. 346 f.; siehe auch das Urteil 2C_249/2008 vom 10. Juni 2008 E. 4.2).
| 15 |
16 | |
Diese Verwirkung ist aber ein Institut zugunsten der steuererhebenden Kantone und nicht der Pflichtigen. Ihr Sinn und Zweck liegt darin, den betroffenen Zweitkanton davor zu bewahren, schon bezogene Steuern auf Grund eines an sich vorrangigen, aber erst ungebührlich spät erhobenen Steueranspruches rückerstatten zu müssen (vgl. BGE 132 I 29 E. 3.3 S. 33 ff.; StE 2000 A 24.5 Nr. 4 E. 4b; ASA 56 S. 85 E. 4b; siehe auch schon BGE 91 I 467 E. 4 S. 475 ff.). Deshalb kann die Verwirkung auch nur durch den anderen Kanton und nicht durch den Pflichtigen selbst geltend gemacht werden (vgl. BGE 132 I 29 E. 3.1 S. 32; BGE 123 I 264 E. 2c S. 26; StE 2008 A 24.1 Nr. 6 E. 3.3; 2002 A 24.22 Nr. 4 E. 4).
| 17 |
Die Voraussetzungen für eine derartige Verwirkung wären hier bei der jeweils erst kurz vor Eintritt der fünfjährigen Verjährung erfolgten Inanspruchnahme der Besteuerungshoheit durch den Kanton Solothurn an sich für beide Steuerperioden deutlich erfüllt. Weder der Kanton Basel-Landschaft (für das Jahr 2000) noch der Kanton Nidwalden (für 2001) haben jedoch die ihnen zustehende Einrede erhoben.
| 18 |
19 | |
3.4.1 Mit der direkt vorgenommenen Ermessensveranlagung wollte das Kantonale Steueramt die einige Tage später drohende fünfjährige Veranlagungsverjährung im Sinne von § 138 Abs. 1 StG/SO bzw. Art. 47 Abs. 1 StHG unterbrechen. Dafür hätte es aber genügt, der Beschwerdeführerin eben gerade eine Steuererklärung zukommen zu lassen. Das hätte eine hinreichende Einforderungshandlung im Sinne des Gesetzes (vgl. § 138 Abs. 3 lit. a StG/SO) und der Praxis dargestellt (vgl. dazu insb. BGE 126 II 1 E. 2 S. 2 ff. mit weiteren Hinweisen). Dazu kommt die an sich ungebührlich späte Inanspruchnahme der Besteuerungskompetenz gegenüber der in einem anderen Kanton schon seit beträchtlicher Zeit unbeschränkt und rechtskräftig veranlagten Beschwerdeführerin. Zwar trifft zu, dass es ausschliesslich an diesem anderen Kanton sein kann, die Einrede der Verwirkung zu erheben. Und allgemein schädigt dieser andere Kanton nur sich selbst, wenn er die Einrede unterlässt. Ein Fall wie der vorliegende wirft indessen die Frage auf, ob den Verfahrensrechten des Pflichtigen nicht zumindest dann ein zusätzliches Gewicht beigemessen werden muss, wenn gegenüber einer in mehrfacher Hinsicht (sehr) problematischen Vorgehensweise eines Kantons andersweitig geregelte Korrekturmechanismen nicht zum Tragen kommen. Zumindest erweist es sich als umso schwerwiegender, wenn eine ungebührlich späte Beanspruchung der Steuerhoheit dann noch mit einem krassen Verfahrensmangel behaftet ist.
| 20 |
21 | |
22 | |
Bezüglich der Rechtsfolgen ist jedoch zu unterscheiden: Die Vorgehensweise des Solothurner Steueramtes für das Jahr 2000 ist wohl als Veranlagungshandlung nichtig. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass die sich darin äussernde Inanspruchnahme der Besteuerungskompetenz mit entsprechender verjährungsunterbrechender Wirkung im Sinne von § 139 Abs. 3 lit. a StG/SO nie erfolgt wäre. Eine solche Verjährungsunterbrechung muss angesichts des praxisgemäss weiten Begriffs der Einforderungshandlung angenommen werden, wie er namentlich im Recht der direkten Bundessteuer geprägt worden ist. Unter diesen Begriff fallen nicht nur die eigentlichen Bezugshandlungen, sondern auch alle auf Feststellung des Steueranspruchs gerichteten Amtshandlungen, die dem Pflichtigen zur Kenntnis gebracht werden. Das kann selbst amtliche Mitteilungen umfassen, die lediglich eine spätere Veranlagung in Aussicht stellen und deren Zweck sich in der Unterbrechung des Verjährungsablaufs erschöpft (vgl. dazu insb. BGE 126 II 1 E. 2 S. 2 ff.; siehe auch u.a. ASA 73 S. 237 E. 3; je mit weiteren Hinweisen). Genau eine solche Amtshandlung steht hier aber zur Diskussion (vgl. oben E. 3.4.1).
| 23 |
Wenn in diesem Sinne die Unterbrechung der Verjährung angenomen werden kann, so bedeutet das indessen noch nicht, dass der Kanton Solothurn die von ihm so in Anspruch genommene Besteuerungskompetenz hier auch tatsächlich umsetzen könnte. Unter Verwirkungsgesichtspunkten (vgl. dazu oben E. 3.3.4) könnte der Kanton Basel-Landschaft die ihm zustehende Einrede auf jeden Fall wegen der seit dieser Unterbrechung verstrichenen Zeit erheben. Zudem müsste der Beschwerdeführerin ein weiterhin vollumfänglicher verfahrens- und materiellrechtlicher Schutz zugestanden werden. Mit Blick auf den Verfahrensausgang sind diese Fragen vorliegend aber nicht weiter zu erörtern.
| 24 |
3.5 Für die Steuerperiode 2001 sind hier gegenüber derjenigen von 2000 zwei wesentliche Unterschiede festzuhalten: Einerseits stellte das Steueramt des Kantons Solothurn der Beschwerdeführerin wohl eine Steuererklärung zu, welche diese ihm unausgefüllt zurückschickte. Darauf nahm das Amt, ohne die Pflichtige zu mahnen, direkt eine endgültige Ermessensveranlagung vor. Darin liegt zwar ein unbestreitbarer Verstoss gegen den bereits im Gesetz geregelten Verfahrensablauf (vgl. oben E. 3.2.1). Er wiegt jedoch weniger schwer als die vollumfängliche Unterdrückung der ersten Verfahrensphase. Schon das spricht dagegen, für 2001 ebenfalls die Nichtigkeit der nachmaligen Veranlagung anzunehmen. Andererseits hat die Beschwerdeführerin nicht angemessen auf die Inanspruchnahme der Besteuerungshoheit durch den Kanton Solothurn reagiert: Statt die ihr zugestellte Steuererklärung bloss unausgefüllt zurückzuschicken, hätte sie dies damit verbinden müssen, in aller Form die solothurnische Steuerhoheit zu bestreiten und ausdrücklich die Einleitung des Steuerdomizilverfahrens zu verlangen. Dass sie das unterlassen hat, schwächt zusätzlich die Tragweite des durch die Veranlagungsbehörde begangenen Verfahrensverstosses. Gleichzeitig kann die blosse Zurücksendung der unausgefüllt gelassenen Steuererklärung nicht so gewertet werden, dass die Beschwerdeführerin damit die Solothurner Steuerhoheit stillschweigend akzeptiert hätte (vgl. oben E. 3.3.3).
| 25 |
Unter den gegebenen Umständen kann und muss es gesamthaft genügen, dass das Bundesgericht das angefochtene Urteil bezüglich der Steuerperiode 2001 ohne die Einschränkungen überprüft, die sich üblicherweise aus dem Übergang zur Ermessensveranlagung ergeben, sei es in Bezug auf die materielle Einschätzung oder die interkantonale Ordnung der Besteuerungskompetenzen (vgl. oben E. 3.2.2 und 3.3.3). In diesem Sinne ist nun zu beurteilen, ob die Behörden des Kantons Solothurn für die genannte Periode zu Recht eine Betriebsstätte der Beschwerdeführerin im Kanton angenommen haben.
| 26 |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |