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12. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Stadt Liestal gegen Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
2C_455/2020 vom 2. Dezember 2020 | |
Regeste |
Art. 30 Abs. 1 BV; Beurteilung eines nach Fällung des letztinstanzlichen kantonalen Urteils, aber vor Ablauf der Beschwerdefrist beim Bundesgericht entdeckten Ausstandsgrunds in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts. |
Wirkt ein Richter, der zugleich als Exekutivmitglied einer Gemeinde amtiert, in einem Verfahren betreffend den interkommunalen Finanzausgleich mit, welches auf Gesuch einer anderen Gemeinde des gleichen Kantons veranlasst wurde, liegt eine Verletzung von Art. 30 Abs. 1 BV vor (E. 5). | |
Sachverhalt | |
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B. Mit Beschluss Nr. 1827 vom 20. Dezember 2016 lehnte der Regierungsrat das Gesuch der Stadt Liestal ab. Die gegen den Beschluss vom 20. Dezember 2016 erhobene Beschwerde der Stadt Liestal wies das Kantonsgericht Basel-Landschaft mit Urteil vom 13. September 2017 ab. Mit Urteil 2C_127/2018 vom 30. April 2019 hob das Bundesgericht das Urteil des Kantonsgerichts vom 13. September 2017 infolge einer unrechtmässigen Kognitionsbeschränkung bei der Auslegung und Anwendung des kantonalen Rechts auf und wies die Angelegenheit zur Neubeurteilung an das Kantonsgericht zurück. Mit Urteil vom 18. Dezember 2019 wies das Kantonsgericht die Beschwerde erneut ab. Das Urteil wurde gleichentags mündlich eröffnet. Das schriftlich begründete Urteil ging bei der Stadt Liestal am 5. Mai 2020 ein.
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C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 29. Mai 2020 gelangt die Stadt Liestal gegen das am 5. Mai 2020 schriftlich eröffnete Urteil vom 18. Dezember 2019 an das Bundesgericht. Sie verlangt die Feststellung, dass das Urteil vom 18. Dezember 2019 nichtig sei. Eventualiter sei ![]() ![]() | 3 |
(Zusammenfassung)
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Aus den Erwägungen: | |
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3.2.1 Gemäss § 51 Abs. 3 der Verfassung des Kantons Basel-Landschaft vom 17. Mai 1984 (KV/BL; SR 131.222.2) bestimmt das Gesetz das Nähere zur Unvereinbarkeit. Gestützt darauf sieht § 34 Abs. 3 des Gesetzes des Kantons Basel-Landschaft vom 22. Februar 2001 über die Organisation der Gerichte (Gerichtsorganisationsgesetz, GOG; SGS 170) vor, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kantons und der Gemeinden nicht in eine Abteilung des Kantonsgerichts Einsitz nehmen können, die Verfassungs- und Verwaltungssachen zu beurteilen hat. Ausserdem bleiben die Unvereinbarkeitsvorschriften anderer Gesetze vorbehalten (vgl. § 34 Abs. 5 GOG). Aus dem Gesetz des Kantons Basel-Landschaft vom 28. Mai 1970 über die Organisation und die Verwaltung der Gemeinden (Gemeindegesetz, GemG; SGS 180) ergibt sich sodann, dass die Mitglieder des Regierungsrats und des Kantonsgerichts sowie die ![]() ![]() | 8 |
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4. Die Beschwerdeführerin hat im Revisionsgesuch vom 21. Januar 2020, auf das die Vorinstanz nicht eingetreten ist, dargetan, die kantonalen Unvereinbarkeitsbestimmungen als qualifizierte Ausstandsregeln schützten wesentliche übergeordnete verfassungsmässige und völkerrechtliche Verfahrensgarantien (vgl. Art. 105 Abs. 2 BGG). Auch im vorliegenden bundesgerichtlichen Verfahren macht die Beschwerdeführerin mit Blick auf den Kantonsrichter A. einen Ausstandsgrund geltend. Ein (neuerliches) Revisionsgesuch nach Vorliegen des am 5. Mai 2020 schriftlich eröffneten Urteils vom 18. Dezember 2019 hat die Beschwerdeführerin bei der Vorinstanz nicht gestellt. Zunächst ist deshalb zu beurteilen, ob die ![]() ![]() | 11 |
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4.2 Die dargelegte bundesgerichtliche Rechtsprechung wirft die Frage auf, ob es in der vorliegenden Angelegenheit sachgerecht ![]() ![]() | 15 |
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5.1 Gemäss Art. 30 Abs. 1 BV hat jede Person Anspruch darauf, dass ihre Sache von einer oder einem unparteiischen, unvoreingenommenen und unbefangenen Richterin oder Richter ohne Einwirken sachfremder Umstände entschieden wird. Ob diese Garantien verletzt ![]() ![]() | 20 |
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5.2.1 Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung begründet die blosse Kollegialität zwischen den Mitgliedern eines Gerichts keine Ausstandspflicht: In diesem Sinne verneinte das Bundesgericht eine Ausstandspflicht für Bundesrichterinnen und Bundesrichter in einer Angelegenheit, in der (einer) der Beschwerdeführer vor Bundesgericht ein ehemaliger nebenamtlicher Bundesrichter gewesen war (vgl. BGE 141 I 78 E. 3.3 S. 82). Gleiches erwog es für eine Konstellation, in der der Rechtsvertreter, der eine Partei vor dem Verwaltungsgericht vertrat, zugleich nebenamtlicher Richter am selben Gericht war. Der blosse Umstand, dass ein Parteivertreter in Drittverfahren am (selben) Gericht ein Ersatzrichteramt bekleidet, stellt im Grundsatz die Unbefangenheit der Gerichtsmitglieder nicht in Frage (vgl. BGE 139 I 121 E. 5 S. 125 ff.). Als unbefangen erschien auch die Richterin in einem Prozess, in dem ein Mitglied der Rechtsmittelinstanz als Parteivertreter auftrat. Die Beziehung einer unterinstanzlichen Richterin zu einem Anwalt, der gleichzeitig Mitglied einer Rechtsmittelinstanz ist, geht im Allgemeinen nicht wesentlich ![]() ![]() | 22 |
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Das Bundesgericht hatte sich sodann wiederholt mit Fällen zu befassen, in denen ein nebenamtlicher Richter wegen seiner hauptberuflichen Tätigkeit in einer Anwaltskanzlei mit einer Prozesspartei besonders verbunden war: Ein als Richter amtender Anwalt erschien als befangen, solang zu einer der Prozessparteien ein noch offenes Mandat bestand oder wenn er für eine Prozesspartei in dem Sinne mehrmals anwaltlich tätig wurde, dass eine Art Dauerbeziehung vorlag (vgl. BGE 138 I 406 E. 5.3 f. S. 407 ff.; BGE 135 I 14 E. 4.1 S. 15 f.). Der Anschein der Befangenheit ergab sich auch bei einem nebenamtlichen Richter, wenn nicht er ein Mandat mit einer Prozesspartei unterhielt, sondern ein anderer Anwalt seiner Kanzlei (vgl. BGE 139 III 433 E. 2.1.5 S. 438). Ausserdem bejahte das Bundesgericht eine besondere Verbundenheit und damit den Anschein der Befangenheit, als ein offenes Mandat des als nebenamtlicher Richter tätigen ![]() ![]() | 24 |
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5.3.2 Für ein solches Verständnis sprechen überdies die einschlägigen kantonalen Bestimmungen: Auch wenn § 34 Abs. 3 GOG bloss vorsieht, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gemeinden nicht in eine Abteilung des Kantonsgerichts Einsitz nehmen können, die Verfassungs- und Verwaltungssachen zu beurteilen hat, scheint es, als hätte der kantonale Gesetzgeber mit § 34 Abs. 5 GOG für Gerichtsmitglieder in bestimmten Konstellationen bewusst eine ![]() ![]() | 27 |
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Somit stellt der geltend gemachte Ausstandsgrund eine erhebliche Tatsache dar, die im vorinstanzlichen Verfahren bis zur mündlichen Urteilseröffnung nicht hätte geltend gemacht werden müssen und als Beschwerdegrund im Rechtsmittelverfahren vor Bundesgericht noch vorgebracht werden kann (vgl. auch § 40 Abs. 2 lit. c des Verwaltungsverfahrensgesetzes Basel-Landschaft vom 13. Juni 1988 [VwVG/ BL; SGS 175]).
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5.4 Nach dem Dargelegten liegt eine Verletzung von Art. 30 Abs. 1 BV vor. Im Grundsatz ist nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ein unter Missachtung von Ausstandspflichten zustande gekommener Entscheid unabhängig von seiner inhaltlichen Richtigkeit aufzuheben (vgl. Urteil 1C_517/2018 vom 4. April 2019 E. 3). Damit erübrigt sich die Behandlung des Hauptantrags um Feststellung der ![]() ![]() ![]() | 30 |
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