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4. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 17. Februar 1955 i.S. Aubry gegen Schuler. | |
Regeste |
1. Formalien der Berufung: Ist es zulässig, das Verhältnis von Haupt- und Eventualantrag, wie sie in kantonaler Instanz gestellt waren, vor Bundesgericht umzukehren? Erw. 2. |
3. Genügendes Interesse an einer gerichtlichen Feststellung. Erw. 5. |
4. Der Erblasser muss den Vermächtnisnehmer selber genau bezeichnen. Erw. 6. |
5. Zum Begriff der Auflage nach Art. 482 ZGB. Erw. 7. |
6. Zuwendungen mit Zweckbestimmung an eine Mehrheit von Personen insgesamt: Voraussetzungen zur Annahme einer gültigen Zuwendung solcher Art, so dass sie nach Art. 539 Abs. 2 ZGB als Stiftung gelten kann. Erw. 8. | |
Sachverhalt | |
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B.- Der Erblasser hatte am 20. Juli 1949 ein eigenhändiges Testament errichtet und darin verschiedene Vermächtnisse, unter anderem zugunsten der Adoptivtochter und seiner vier Schwestern, ausgesetzt. In Ziff. 7 bestimmte er, der Rest seines Vermögens falle an den Kläger. In Ziff. 8 ernannte er den Beklagten zum Willensvollstrecker.
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Die Ziff. 2 und 3 des Testamentes lauten:
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"2. Zehntausend Franken sind für meine Schwester Marie, z.Z. in Wil, St. Gallen, zu reservieren, wovon jedes Jahr die Zinsen und achthundert Franken vom Kapital für die Schwester aufzuwenden sind. Der bei ihrem Ableben eventuell noch vorhandene Rest dieser zehntausend Franken soll unter die noch lebenden Schwestern gleichmässig verteilt werden. Überlebt meine Schwester alle andern Schwestern, so soll der noch vorhandene Rest ihres Vermögens zur Heranbildung von katholischen Priesteramtskandidaten verwendet werden. Das Nähere bestimmt der Testamentsvollstrecker.
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3. Es ist mein Wunsch, dass der Testamentsvollstrecker zum Vormund oder Beistand von Karl Albert Aubry ernannt wird, falls er einmal einen solchen brauchen sollte. Aus dem Ertrag, ev. auch aus dem Erlös meiner Liegenschaft (mit den darauf lastenden Verpflichtungen) samt Haus in Erlenbach kann der Testamentsvollstrecker dem Sohn meiner Adoptivtochter, Karl Albert Aubry, eine gute römischkatholische Erziehung angedeihen lassen. Der Testamentsvollstrecker ist befugt, Beiträge zu dessen beruflicher Ausbildung zu verabfolgen und ihn nach Gutdünken ![]() | 5 |
C.- Das Testament wurde der Mutter des Klägers am 13. September 1949 zur Kenntnis gebracht. Am 3. August 1951 ernannte die Vormundschaftsbehörde der Stadt Zürich einen Rechtsanwalt zum Beistand des Klägers mit dem Auftrag, das Testament "wegen Rechtswidrigkeit und nicht genau bestimmter Erbeinsetzung" anzufechten. Das geschah mit einer am 10. August 1951 beim Friedensrichteramt Erlenbach und am 22. gl. Mts. beim Bezirksgericht Meilen gegen den Willensvollstrecker angehobenen Klage, mit folgenden Rechtsbegehren:
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"1. Das Testament sei wegen Testierunfähigkeit des Erblassers im Zeitpunkt der Erstellung (20. Juli 1949) als ungültig zu erklären.
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2. Eventuell: Die Bestimmung des Testamentes, die die Ausrichtung von Leistungen an den Kläger davon abhängig macht, dass er eine gute römisch-katholische Erziehung, bzw. eine gute katholische Erziehung erhält (Ziffer 3 des Testamentes) sei als ungültig und nicht erfolgt zu erklären.
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3. Eventuell: Die Bestimmungen des Testamentes (Ziffer 2 und 3 des Testamentes), die den Testamentsvollstrecker ermächtigen, Nachlassaktiven "zur Heranbildung von katholischen Priesteramtskandidaten" zu verwenden, seien als ungültig und nicht erfolgt zu erklären und es sei deren Einhaltung dem Beklagten ausdrücklich zu untersagen."
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D.- Nach Durchführung des Beweisverfahrens liess der Kläger das Klagebegehren 1 fallen. Zur Begründung der übrigen Begehren machte er geltend, die Bedingung, an die das Testament in Ziff. 3 die Ausrichtung von Leistungen an ihn knüpfe, verletze die Gewissensfreiheit und sei daher unsittlich (Begehren 2); sodann ermangle das in Ziff. 2 wie auch in Ziff. 3 des Testamentes zugunsten von Priesteramtskandidaten ausgesetzte Vermächtnis der erforderlichen bestimmten Angabe der bedachten Personen (Begehren 3).
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E.- Nach Abweisung der vom Beklagten vorweg erhobenen Einreden der fehlenden Passivlegitimation und der Verjährung erklärte das Bezirksgericht die in Ziff. 3 des Testamentes enthaltene Bedingung als unsittlich und daher die ganze Ziff. 3 als ungültig. Das Obergericht des Kantons Zürich, an das der Beklagte appellierte, verneinte dagegen mit Urteil vom 10. Juni 1954 die vom Bezirksgericht angenommene Unsittlichkeit und hielt das zugunsten von Priesteramtskandidaten ausgesetzte Vermächtnis als zu Recht bestehend. Es wies daher die Klage ab. Dabei stehe nur noch Ziff. 3 des Testamentes im Streit, da das Bezirksgericht sich zur Anfechtung von Ziff. 2 nicht ausgesprochen und der Kläger weder Haupt- noch Anschlussappellation eingelegt habe.
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F.- Gegen dieses Urteil richtet sich die vorliegende Berufung des Klägers mit folgenden Anträgen:
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"I. Die Bestimmung des Testamentes in Ziffer 3, wonach der Testamentsvollstrecker ermächtigt ist, Nachlassaktiven zur Heranbildung von katholischen Priesteramtskandidaten zu verwenden, sei als ungültig und nicht erfolgt zu erklären und es sei deren Einhaltung dem Beklagten ausdrücklich zu untersagen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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2. Der Kläger hat seine Anträge nicht in einer nach Art. 55 Abs. 1 lit. b OG unzulässigen Weise geändert. Die Anträge der Berufung sind dieselben, die er in kantonaler Instanz als Begehren 2 und 3 gestellt hatte. Das letztere Begehren ist wie schon vor Obergericht auf Ziff. 3 des Testamentes eingeschränkt. Im übrigen hat er nur die Reihenfolge der beiden Begehren geändert und das frühere Eventualbegehren 3 nun zum Hauptbegehren I der Berufung erhoben. Ob eine derartige Umstellung allgemein zulässig sei, kann dahingestellt bleiben. Sie ist jedenfalls dann nicht zu beanstanden, wenn beide Begehren, wie es hier zutrifft, auf Herbeiführung des nämlichen Rechtserfolges abzielen und sich nur auf verschiedene Rechtsgründe stützen. Mit beiden Begehren erhebt der Kläger unbedingten Anspruch auf die in Ziff. 3 des Testamentes erwähnten Vermögenswerte. Indem er erklärt, nach Ziff. 7 des Testamentes falle dieser Rest des Nachlasses bei Gutheissung der Klage "automatisch" an ihn (Ziff. 2 der Vorbemerkungen in der Berufungsschrift), gibt er der Meinung Ausdruck, die in Ziff. 3 des Testamentes vorgesehene Befristung bis zu seiner Mündigkeit sei nur im Hinblick auf die alternativ verfügte Verwendung für Priesteramtskandidaten erfolgt und falle bei Rechtsunwirksamkeit der letztern Verfügung dahin. Der Beklagte, der hiezu "keine Bemerkungen" anbringen zu wollen erklärt (Ziff. II der Berufungsantwort), scheint diese Ansicht zu teilen. Sie trifft in der Tat zu, denn die erwähnte Befristung steht offensichtlich im Zusammenhang mit dem beabsichtigten Vermächtnis zugunsten von Priesteramtskandidaten. Bei dieser Sachlage haben die Begehren auch im Nebenpunkt der Befristung die gleiche Tragweite. Sie sind somit, wie ![]() | 17 |
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5. Aus dem Gesagten ergibt sich auch, dass der Kläger ein schutzwürdiges Interesse an der verlangten Feststellung im Sinne von BGE 77 II 344 ff. hat. Wird das Begehren zugesprochen, so ist damit gesagt, dass der Beklagte nicht befugt sei, das in Ziff. 3 des Testamentes genannte Vermögen anders als zum Vorteil des Klägers zu ![]() | 20 |
6. In der Sache selbst folgt die Richtigkeit des vom Kläger eingenommenen Standpunktes unwiderleglich aus dem in BGE 68 II 165 /6 dargelegten Grundsatz, dass der Erblasser die mit einem Vermächtnis bedachten Personen selbst zu bezeichnen hat und deren Individualisierung keinem Dritten überlassen kann. Andernfalls liegt kein Vermächtnis im Sinne des Gesetzes vor. So verhält es sich im vorliegenden Falle, wo der Erblasser es gänzlich dem Belieben des Willensvollstreckers anheimgestellt hat, welchen Priesteramtskandidaten er Leistungen aus dem Nachlass zukommen lassen will. Die Gründe, aus denen das Obergericht vom erwähnten Präjudiz abgehen zu sollen glaubt, sind nicht durchschlagend. Ohne sich mit dessen Erwägungen auseinanderzusetzen, lässt es sich von der Überlegung leiten, es gebe Fälle, in denen sich das hier vom Erblasser gewählte Vorgehen aufdränge, sei es, dass die Institution, der er ein Vermächtnis ausrichten wolle, noch nicht bestehe, sei es, dass er sich im Ungewissen darüber befinde, welche der verschiedenen Institutionen seinem Willen am besten entspreche. Auf derartige Bedürfnisse ![]() | 21 |
Übrigens vermöchte ein allgemein zugunsten katholischer Priesteramtskandidaten ausgesetztes Vermächtnis auch vor § 2151 des deutschen BGB nicht standzuhalten, der dem Erblasser freistellt, "Mehrere mit einem Vermächtnis in der Weise (zu) bedenken, dass der Beschwerte oder ein Dritter zu bestimmen hat, wer von den Mehreren ![]() | 22 |
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Gegenüber dieser vor Obergericht noch nicht geltend gemachten Rechtskonstruktion erhebt sich in erster Linie das Bedenken, dass dem Willensvollstrecker in der verwirrlichen Folge unbestimmter Anordnungen, wie sie die Ziff. 3 des Testamentes enthält, überhaupt nichts in entschiedener Weise aufgegeben ist. Er "kann" den Liegenschaftsertrag oder -erlös vorerst dazu verwenden, dem Kläger eine gut katholische Erziehung angedeihen zu lassen, ist also dazu nicht verpflichtet. Ferner ist er bloss "befugt", aus diesen Mitteln an die berufliche Ausbildung des Klägers etwas beizutragen oder ihn "nach Gutdünken" anderweitig zu unterstützen. Auch die Verwendung des Restes des Vermögens ist dem Willensvollstrecker "anheimgestellt". Freilich bejaht das Obergericht in dieser Hinsicht das Vorliegen einer bestimmten Anordnung: Zwar sei es in das Ermessen des Willensvollstreckers gestellt, ob er den Restbetrag des Vermögens dereinst dem mündig gewordenen Kläger übergeben oder zur Heranbildung von Priestern verwenden wolle; das eine oder andere aber müsse er tun. Indessen ist nicht einmal dies klar ausgesprochen. Ferner läge darin wiederum eine unzulässigerweise einem Dritten überlassene Verfügung über ![]() | 24 |
Auf alle Fälle liegt schon begrifflich keine Auflage vor, weil die (allfällige) Verwendung des Restvermögens für Priesteramtskandidaten nach Ziff. 3 des Testamentes Sache des Willensvollstreckers wäre, also keinem Erben oder Vermächtnisnehmer aufgetragen ist. Nun gibt es aber im Erbrecht ausser den mit einer Erbeinsetzung oder einem Vermächtnis verbundenen Auflagen, worauf sich Art. 482 ZGB bezieht, nur noch sog. selbständige Auflagen zu Lasten eines gesetzlichen Erben (BGE 76 II 207; TUOR, 2. Aufl., N. 8 zu Art. 482 ZGB). Was dagegen einem Willensvollstrecker aufgetragen ist, kann niemals Auflage sein, denn der Willensvollstrecker hat keine eigenen Vermögensrechte am Nachlass, sondern, wie ein Erbschafts- oder auch etwa ein Konkursverwalter, nur Machtbefugnisse in bezug auf dieses ihm fremde Vermögen (vgl. v. TUHR, Allg. Teil des OR, § 3, III). Somit wären die Priesteramtskandidaten (oder ein mit ihrer Heranbildung befasstes Institut) als Empfänger von Nachlasswerten im Sinne von Ziff. 3 des Testamentes nach der Absicht des Erblassers direkte Erwerber dieser Werte, also Vermächtnisnehmer. Da aber der Willensvollstrecker die in diesem Sinne Bedachten erst zu bestimmen hätte, liegt, wie dargetan, ein rechtswirksames Vermächtnis nicht vor.
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Dem Beklagten kann nicht etwa neben der Rolle eines Willensvollstreckers diejenige eines (mit Auflagen belasteten) Vermächtnisnehmers zuerkannt werden. Er lehnt dies denn auch selber ab, und Ziff. 3 des Testamentes weiss in der Tat nur von Verrichtungen des Willensvollstreckers. Ferner lässt sich auch bei freiester Auslegung dieser Testamentsbestimmung keine Auflage zulasten des Klägers als des eingesetzten Erben annehmen. Er soll ja den Rest des Vermögens allenfalls statt der Priesteramtskandidaten bekommen, nicht etwas an diese auszurichten haben.
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8. Endlich lässt sich die in die Hand des Willensvollstreckers ![]() | 27 |
9. Das führt zur Gutheissung des Hauptbegehrens der Berufung in dem Sinne, dass die angefochtene Testamentsbestimmung als rechtsunwirksam (statt ungenau als "ungültig und nicht erfolgt") zu bezeichnen ist. Für das ferner ![]() | 28 |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
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Die Berufung wird, soweit darauf eingetreten wird, gutgeheissen und unter Aufhebung des Urteils des Obergerichts des Kantons Zürich vom 10. Juni 1954 festgestellt, dass die dem Beklagten gemäss Ziff. 3 der von Carl Martin Jung am 20. Juli 1949 errichteten letztwilligen Verfügung eingeräumte Befugnis zur Verwendung von Nachlassvermögen zur Heranbildung von Priesteramtskandidaten keinerlei Rechtswirkung hat.
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© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |