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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: | |||
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90. Urteil der I. Zivilabteilung vom 26. November 1985 i.S. X. gegen Bank D. (Berufung) | |
Regeste |
Haftung der Bank für Kreditauskunft über einen Bankkunden. |
2. Wahrheits- und Sorgfaltspflicht der Bank. Widerrechtliche Auskunfterteilung durch unrichtige Angaben oder Verschweigen wesentlicher Tatsachen (E. 3); Berücksichtigung der besonderen Vertrauensstellung der Bank gegenüber dem Publikum (E. 4). |
3. Anwendung dieser Grundsätze auf eine Auskunft über die Kreditwürdigkeit einer Handelsgesellschaft im Hinblick auf den Abschluss eines umfangreichen Handelsgeschäfts (E. 5-8). |
4. Wegbedingung der Haftung durch den Zusatz "ohne obligo" (E. 11)? | |
Sachverhalt | |
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"Mit der angefragten Gesellschaft stehen wir seit einigen Jahren in Geschäftsverbindung. Das Konto wurde bisher nur auf Guthabenbasis geführt, so dass wir keine Veranlassung hatten, näheren Einblick in die Vermögensverhältnisse zu nehmen.
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Unseres Wissens soll in Deutschland Immobilienbesitz vorhanden sein, der nur teilweise belastet sein soll. Etwas Nachteiliges ist uns nicht bekannt. Eine Geschäftsverbindung kann empfohlen werden."
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Einige Tage später erging ebenfalls im Auftrag der A. GmbH eine entsprechende Anfrage auch von der deutschen Bank E., die gleichlautend beantwortet wurde.
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Aufgrund dieser Auskünfte schloss die A. GmbH mit der Firma B. einen Vertrag über Textillieferungen ab und nahm als Sicherheit fünf Wechsel entgegen. Am 10. April 1981 sprach der Prokurist P. der A. GmbH bei der Bank D. in Zürich vor und legte dem Bankprokuristen Z. die Wechsel zur Prüfung vor. Gleichzeitig wurde ein Teil der Ware geliefert; die Wechsel wurden jedoch nicht honoriert. Am 7. Juli 1981 fiel die Firma B. in Konkurs. In der Folge ergab sich, dass diese Gesellschaft für grössere betrügerische Machenschaften missbraucht worden war.
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B.- Die A. GmbH trat am 15. März 1982 ihre Ansprüche gegen die Bank D. an X. ab. Dieser klagte am 25. August 1982 gegen die Bank auf Zahlung von DM 318'752.-- nebst Zins sowie Fr. 37.--. Das Handelsgericht des Kantons Zürich wies die Klage am 31. Oktober 1984 ab. Eine Nichtigkeitsbeschwerde des Klägers wies das Kassationsgericht des Kantons Zürich am 22. Juli 1985 ab, soweit es darauf eintrat.
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C.- Auf Berufung des Klägers hebt das Bundesgericht das Urteil des Handelsgerichts auf und weist die Sache zur neuen Entscheidung im Sinn der Erwägungen an dieses zurück.
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b) Das Handelsgericht hat unbestritten auf die Klage schweizerisches Recht angewendet. Dem ist beizupflichten, unbekümmert darum, ob der Anspruch aus unerlaubter Handlung oder aus Vertrag herzuleiten ist, da sowohl der Handlungsort wie ein allfälliger vertraglicher Schwerpunkt in der Schweiz liegen (BGE 100 II 210 E. 6; BGE 99 II 318 f. E. 3; BGE 96 II 149 E. 2 mit Hinweisen).
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c) Im Berufungsverfahren ist das Bundesgericht an die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz gebunden, sofern sie weder offensichtlich auf Versehen beruhen noch unter Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften, insbesondere von Art. 8 ZGB, zustande gekommen sind (Art. 63 Abs. 2 OG). Vorbehalten bleibt auch eine Vervollständigung des Sachverhalts gemäss Art. 64 OG durch Tatsachen, die der Kläger im kantonalen Verfahren prozesskonform vorgebracht, die Vorinstanz aber zu Unrecht für unerheblich gehalten oder übersehen hat. Dabei obliegt es dem Kläger, sowohl die Erheblichkeit der Vorbringen darzutun als auch zu belegen, dass diese bereits im kantonalen Verfahren gehörig erfolgt sind (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG; BGE 108 II 227; BGE 107 II 224 E. 3).
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b) An der grundsätzlichen Verantwortlichkeit der Beklagten ändert auch nichts, dass diese die beiden Fernschreiben nicht an die A. GmbH, sondern an die von dieser beauftragten deutschen Banken richtete und ausdrücklich erklärte, die Auskunft sei nur für die beiden Banken bestimmt und vertraulich zu behandeln. Dem Einwand der Beklagten, sie habe mit der unbefugten Weitergabe ihrer Auskunft nicht rechnen müssen, ist mit dem angefochtenen Urteil entgegenzuhalten, dass solche Auskünfte in aller Regel für Bankkunden bestimmt sind und der Diskretionsklausel daher nach Treu und Glauben keine erhebliche Bedeutung zukommt. Das gilt besonders dort, wo wie vorliegend die Auskunft günstig oder allenfalls nichtssagend, jedenfalls nicht ehrenrührig oder kreditschädigend ist. Musste aber die Beklagte damit rechnen, dass ![]() | 14 |
c) Die Tragweite der Auskunft ergibt sich sodann schon aus der Anfrage, ob die Firma B. für Warenverbindlichkeiten von über DM 300'000.-- gut sei. Unbekümmert darum, was der sorgfältige Kaufmann vorzukehren pflegt, musste die Beklagte damit rechnen, dass der hinter den Anfragen der deutschen Banken stehende Kunde sich auf die Auskunft verlassen werde, zumal diese von der schweizerischen Hausbank seines schweizerischen Geschäftspartners stammte. Wollte die Beklagte das vermeiden, so musste sie in ihrer Antwort klar zum Ausdruck bringen, dass der Auskunft eine solche Bedeutung nicht beigemessen werden dürfe.
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6. Am 10. April 1981, wenige Tage nach Erteilung der Telex-Auskünfte, sprach der Prokurist P. der A. GmbH bei der Beklagten in Zürich vor und wurde von deren Prokuristen Z. empfangen. Nach der Darstellung des Klägers fragte P., ob die Firma B. für Warenverbindlichkeiten in der Grössenordnung von DM 542'250.-- auch gut sei, worauf Z. geantwortet habe, Geschäfte in dieser Grössenordnung seien von der Firma schon oft ![]() | 17 |
a) Dass die Beklagte sich das Verhalten ihres Prokuristen anrechnen lassen muss, ist zu Recht anerkannt (Art. 718 Abs. 3 OR). Der Kläger hält an der Erheblichkeit seiner Vorbringen fest und beanstandet, dass darüber nicht Beweis erhoben worden ist. Er will damit belegen, dass sich die A. GmbH nicht mit den schriftlichen Auskünften begnügt, sondern zusätzliche Auskunft verlangt und erhalten habe, deren Bedeutung Z. habe klar sein müssen und die unwahr gewesen sei.
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b) Dass P. den behaupteten Äusserungen Z.'s nicht habe vertrauen dürfen, weil die Beklagte in den Fernschreiben Einblick in die Vermögensverhältnisse der Firma B. verneint habe, geht offensichtlich fehl. Das rief im Gegenteil gerade nach solchen ergänzenden Fragen. Auch wenn die reibungslose Abwicklung früherer Geschäfte keine sicheren Rückschlüsse auf die Zukunft erlaubt, war die angebliche Antwort Z.'s für die A. GmbH gleichwohl klar erkennbar von Bedeutung. Das klägerische Vorbringen ist daher entgegen dem angefochtenen Urteil für die Beurteilung erheblich; die Sache ist demgemäss zur ergänzenden Abklärung des Sachverhalts an die Vorinstanz zurückzuweisen (Art. 64 Abs. 1 OG). Diese wird prüfen müssen, was Z. gesagt hat und ob seine Äusserungen irreführend gewesen sind.
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7. Der Kläger macht ausserdem geltend, die Beklagte habe von Umständen Kenntnis gehabt, welche eine Geschäftsempfehlung ausgeschlossen hätten und die sie gegen Treu und Glauben verschwiegen habe. So habe ihr eine Bilanz der Firma B. vorgelegen, deren Inhalt in krassem Gegensatz zum Kontoverkehr der Gesellschaft mit der Beklagten gestanden habe. Zudem habe die Beklagte Kenntnisse über die prekäre Vermögenslage der Firma gehabt. Die ungewöhnliche Flut von Auskunftsbegehren von Dezember 1980 ![]() | 20 |
Mit der Berufung wird durch Aktenhinweise belegt und ist unwidersprochen, dass der Kläger diese Behauptungen schon im kantonalen Verfahren aufgestellt hat. Die Beklagte meint zu Unrecht, die Vorinstanz habe sie als unerheblich übergehen dürfen. Die Vorbringen können für sich oder zumindest im Zusammenhang dartun, dass die Beklagte über die Vermögensverhältnisse der Firma B. mehr wusste, als sie bekanntgab, und dass ihr entgegen ihrer Bestätigung durchaus auch Nachteiliges bekannt war. So lässt sich der Hinweis auf eine von der Gesellschaft vorgelegte, von der Beklagten als frei erfunden anerkannte Bilanz nicht im vornherein damit entkräften, dass die Beklagte sie nicht habe prüfen müssen und dass die Gesellschaft möglicherweise noch andere Bankverbindungen gehabt habe.
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Die von der Klägerin weiter behauptete auffallende Häufung von mindestens vierzig Auskunftbegehren in kurzer Zeit, die offenbar eine formelhafte Antwort erhielten, kann nicht einfach als unerheblich oder als "nicht besonders beunruhigend" abgetan werden. Ebensowenig lässt sich die Frage der drei im März 1981 fälligen Wechsel mit dem Hinweis erledigen, weil die Beklagte Einblick in die Vermögensverhältnisse verneint habe, habe sie nicht laufenden Verbindlichkeiten nachgehen müssen. Erst recht ändert die Bestreitung der Behauptung, die Beklagte habe schon im Juni 1980 und April 1981 die prekäre Vermögenslage der Firma B. gekannt, nichts an deren Erheblichkeit.
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Falls sich diese Behauptungen als richtig erweisen, lässt sich eine irreführende Formulierung der Bankauskunft nicht mehr in Abrede stellen. Das angefochtene Urteil ist daher auch insoweit aufzuheben und die Sache zur Beweiserhebung und Neubeurteilung an das Handelsgericht zurückzuweisen (Art. 64 Abs. 1 OG).
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8. Das Handelsgericht und die Beklagte anerkennen, dass die Firma B. zu betrügerischen Machenschaften missbraucht worden ist. Das Landgericht Augsburg hat am 8. Dezember 1983 drei Beteiligte wegen Betrugs zu Freiheitsstrafen von drei Jahren bis zu fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Das Handelsgericht misst dem keine Bedeutung bei, weil das Urteil noch nicht rechtskräftig ![]() | 24 |
Ob das Handelsgericht annehmen durfte, die Voraussetzungen einer boshaften Vermögensschädigung seien nicht behauptet, ist unerheblich. Jedenfalls entband das nicht von der Pflicht, die tatsächlichen Vorbringen des Klägers bei der Würdigung der erteilten Auskünfte zu berücksichtigen, selbst wenn es sich nur um Verdachtsmomente handelte. Der Kläger macht geltend, er habe Z. der Gehilfenschaft zum Betrug beschuldigt, und er belegt das mit Vorbringen, die jedenfalls sinngemäss diesen Vorwurf enthalten und namentlich Geschenke oder Bestechungen zum Gegenstand haben; dabei hat er sich auch auf das inzwischen ergangene Strafurteil berufen. Dem behaupteten systematischen Zusammenwirken der Betrüger um die Firma B. mit Z. misst der Kläger zu Recht Bedeutung bei, weil dabei das Vertrauen der deutschen Opfer in die guten Referenzen einer Schweizerbank ausgenützt worden sei; diese mindestens vierzig Auskunftbegehren, die alle mit dem gleichen Text beantwortet worden seien, bilden für den Kläger den Eckstein des gesamten Betrugsgebäudes.
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Die Beklagte anerkennt, dass die Betrügergruppe um die Firma B. es verstanden habe, die Waren, das Geld und gleich auch noch die Käufer verschwinden zu lassen. Sie bestreitet aber die gegen Z. erhobenen Vorwürfe und macht geltend, inzwischen sei auch eine auf ihre Anzeige eingeleitete Strafuntersuchung gegen Z. eingestellt worden. Das ändert indes nichts daran, dass der Kläger im kantonalen Verfahren konkrete Vorwürfe gegen Z. erhoben hat, die erheblich und einstweilen nicht abgeklärt sind. Aus ihnen kann sich ergeben, dass Z. über die Hintergründe dieser vielen Auskunftbegehren - damit auch der streitigen - sowie über die Firma B. mehr wusste, als das Handelsgericht bisher angenommen hat und in den Bankauskünften zum Ausdruck kommt. Hat er sich tatsächlich vorsätzlich oder fahrlässig zur Mitwirkung bei solchen Machenschaften missbrauchen lassen, müsste auch das der Beklagten angerechnet werden und die Würdigung ihrer Auskünfte beeinflussen. Auch insoweit ist daher die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen (Art. 64 Abs. 1 OG). Dabei versteht es sich von selbst, dass nachträgliche Erkenntnisse aus dem Strafverfahren in ![]() | 26 |
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Dass die Auskunft nicht einfach als nichtssagend bezeichnet werden kann, wie das Handelsgericht annimmt, ist bereits dargelegt worden. Selbst wenn - weitere Abklärungen vorbehalten - die Auskunft der Beklagten weder unrichtig noch irreführend war, liegt es sodann keineswegs ausserhalb des natürlichen Gangs der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung, dass ihre widersprüchliche Fassung missverstanden worden oder der darin enthaltene Vorbehalt unbeachtet geblieben ist. Indem die A. GmbH gestützt darauf wie beabsichtigt ihre Ware auf Kredit verkaufte, kann darin auch nicht ein grobes Selbstverschulden gesehen werden, welches den Kausalzusammenhang mit dem Verhalten der Beklagten als nicht mehr adäquat erscheinen liesse.
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Die Eventualerwägung der Vorinstanz erlaubt daher nicht, von einer Rückweisung abzusehen. Ob allenfalls ein Selbstverschulden der A. GmbH anzunehmen ist, welches verglichen mit dem Verschulden der Beklagten bzw. ihres Organs Z. eine Herabsetzung der Ersatzpflicht rechtfertigt, lässt sich erst aufgrund des vervollständigten Sachverhalts beurteilen.
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Das Bundesgericht hat im zitierten Urteil in SJZ 31/1934-35 (E. 3, S. 187) eine Wegbedingung bei ausservertraglicher Haftung verneint. In der Lehre wird auch die gegenteilige Auffassung vertreten (SCHÖNLE, a.a.O., S. 401 mit weiteren Hinweisen in Anm. 61). Eine Auseinandersetzung dazu erübrigt sich im vorliegenden Fall, da die Wegbedingung der Haftung nach Art. 100 und 101 OR auf jeden Fall eine Vereinbarung voraussetzt. Eine solche hat das Handelsgericht zu Recht verneint, soweit das die A. GmbH anbelangt. Die Beklagte lässt offen, ob die deutschen Banken ihrer Kundin gegenüber die Haftung wegbedungen haben. Darauf kommt indes nichts an; entscheidend wäre vielmehr, ob die deutschen Banken der A. GmbH die Auskunft samt allen Vorbehalten vollumfänglich weitergegeben haben, was dem angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen und vor Bundesgericht auch nicht behauptet ist. Das schliesst im vornherein eine Zustimmung der A. GmbH zur Freizeichnungsklausel der Beklagten aus.
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