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20. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Euro-Lotto Tipp AG gegen Lotterie- und Wettkommission (Comlot), Société de la Loterie de la Suisse Romande (Loterie Romande) sowie Swisslos, Interkantonale Landeslotterie (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
2C_1086/2013 vom 9. Juli 2015 | |
Regeste |
Art. 106 BV (Fassung vom 11. März 2012); Art. 2, 13 und 20 IVLW; Art. 1 Abs. 2 sowie Art. 48 und 50 SBG; Art. 1, 3, 5 ff., 13, 15 und 38 ff. LG; Art. 48 VwVG; Kompetenz der Interkantonalen Lotterie- und Wettkommission (Comlot) zur Durchführung von Unterstellungs- bzw. Qualifikationsverfahren. | |
Sachverhalt | |
1 | |
A.a Die Euro-Lotto Tipp AG bezweckt die Vermittlung der Teilnahme an Lottotippgemeinschaften und Einzeltipps, die Übernahme von Administrations- und Verwaltungsmandaten jeglicher Art sowie die Erbringung von weiteren Dienstleistungen im Zusammenhang ![]() | 2 |
A.b Am 17. Februar 2012 wandte sich die Loterie Romande an die Interkantonale Lotterie- und Wettkommission (Comlot); sie machte geltend, die Euro-Lotto Tipp AG verstosse mit diversen ihrer Aktivitäten im Zusammenhang mit der Lotterie "EuroMillions" gegen lotterierechtliche Vorgaben; sie ersuchte die Comlot darum, die erforderlichen Massnahmen zu ergreifen bzw. die unzulässigen Aktivitäten zu verbieten. Die Loterie Romande rügte insbesondere, die Euro-Lotto Tipp AG veranstalte eine im Sinne von Art. 1 des Bundesgesetzes vom 8. Juni 1923 betreffend die Lotterien und die gewerbsmässigen Wetten (LG; SR 935.51 [nachfolgend: Lotteriegesetz]) verbotene Lotterie, indem ihre Kunden um die von ihr in eigenem Namen bei der Lotterie "EuroMillions" realisierten Gewinne spielten und die Euro-Lotto Tipp AG eine Geld-Zurück-Garantie anbiete. Die betreffende Firma bewerbe und empfehle zudem (auf dem Gebiet der Westschweiz) verbotene Lotterien und vermittle allenfalls entsprechende Lose.
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B.
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B.a Mit Zwischenverfügung vom 20. September 2012 bejahte die Comlot ihre Zuständigkeit. Entgegen der Ansicht der Euro-Lotto Tipp AG seien die Kantone befugt, Widerhandlungen gegen das Lotteriegesetz zu verfolgen und zu beurteilen. Deren (Aufsichts-)Befugnisse beschränkten sich nicht allein auf die bewilligten Veranstaltungen. Mit der Interkantonalen Vereinbarung vom 7. Januar 2005 über die Aufsicht sowie die Bewilligung und Ertragsverwendung von interkantonal oder gesamtschweizerisch durchgeführten Lotterien und Wetten (IVLW) seien die entsprechenden Kompetenzen auf die Comlot übertragen worden (Art. 20). Ein anderes Verständnis führe zu einer "absurden" Situation: Die Aufsicht der Comlot müsste verneint werden, wenn diese vorgängig nicht um eine Bewilligung ersucht worden sei oder sie diese verweigert hätte, obwohl dann von Gesetzes wegen eine verbotene Veranstaltung vorliege. Zwar blieben die entsprechenden Strafnormen anwendbar, doch bezweckten diese die Sanktionierung des Täters, indessen nicht die Wiederherstellung des gesetzmässigen Zustands, weshalb die Comlot generell im Falle von Verstössen gegen die gesetzlichen Vorschriften gestützt auf die ihr von den Kantonen übertragenen ![]() | 5 |
B.b Die Rekurskommission Interkantonale Vereinbarung Lotterien und Wetten bestätigte diese Auffassung am 4. Oktober 2013: Als Zulassungsbehörde verfüge die Comlot über einen weitgehenden Beurteilungsspielraum. Ihre Prüfungspflicht beschränke sich nicht auf spieltechnische Fragen. Das auf Bundesrecht und interkantonales Recht abgestützte Zusammenspiel von Zulassungs- und Aufsichtsbehörde stelle ein kohärentes Rechtssystem dar. Diesem würde es zuwiderlaufen, hätte die Comlot als Zulassungsbehörde die Kompetenz, die Bewilligung für Lotterien, die sie als illegal beurteile, zu verweigern, sie jedoch nicht berechtigt wäre, als Aufsichtsbehörde zu intervenieren, nachdem sie von der Organisation von nicht bewilligten Lotterien in der Schweiz Kenntnis erhalten habe. (...)
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C. Die Euro-Lotto Tipp AG beantragt vor Bundesgericht, das angefochtene Urteil aufzuheben und auf die Anzeige der Loterie Romande vom 17. Februar 2012 sowie die dort gestellten Anträge nicht einzutreten. Eventuell sei Ziffer 2 des Dispositivs des Urteils der Vorinstanz in dem Sinn zu ändern, dass ihr die Verfahrenskosten im Betrag von Fr. 2'000.- (statt Fr. 7'000.-) auferlegt und mit dem Kostenvorschuss von Fr. 5'000.- verrechnet würden. Die Euro-Lotto Tipp AG bestreitet "mangels genügender gesetzlicher Grundlage im Lotteriegesetz sowie aufgrund der Zuständigkeiten der Strafverfolgungsbehörden im Bereich der durch das Lotteriegesetz als verboten erklärten Lotterien (und ex lege auch nicht bewilligungsfähigen Lotterien)" das Bestehen einer allgemeinen Aufsichtskompetenz der Comlot; deren Kontrolle beziehe sich nur auf die Bewilligungsträger bzw. die von ihr bewilligten Aktivitäten.
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(...)
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D.b Am 29. Juni 2015 führten die I. und II. öffentlichrechtliche Abteilung sowie die strafrechtliche Abteilung einen Meinungsaustausch zu den Kompetenzen von Straf- und Aufsichtsbehörden bzw. der diesbezüglichen Auslegung des Lotterierechts durch (Art. 23 Abs. 2 BGG). Gestützt hierauf wird die Beschwerde abgewiesen, soweit das Bundesgericht darauf eintritt.
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(Auszug)
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Aus den Erwägungen: | |
1. Der angefochtene Entscheid der Rekurskommission Interkantonale Vereinbarung Lotterien und Wetten erging im ![]() | 11 |
Erwägung 2 | |
2.1 Nach Art. 106 Abs. 1 BV (in der Fassung vom 11. März 2012; Gegenentwurf zur Volksinitiative "Für Geldspiele im Dienste des Gemeinwohls" [AS 2012 3629]; vgl. die Botschaft vom 20. Oktober 2010 zur Volksinitiative "Für Geldspiele im Dienst des Gemeinwohls", BBl 2010 7961 ff.) erlässt der Bund Vorschriften über die Geldspiele. Er trägt dabei den Interessen der Kantone Rechnung (vgl. SCHERRER/MURESAN, Handbuch zum schweizerischen Lotterie- und Wettrecht, 2014, N. 26 ff.). Die aktuelle Gesetzgebung umfasst das Bundesgesetz vom 18. Dezember 1998 über Glücksspiele und Spielbanken (Spielbankengesetz [SBG; SR 935.52]; Botschaft vom 26. Februar 1997 zum Bundesgesetz über das Glücksspiel und über die Spielbanken, BBl 1997 III 145 ff.) einerseits und das Lotteriegesetz von 1923 andererseits (vgl. Botschaft vom 13. August 1918 zum Entwurfe eines Bundesgesetzes betreffend die Lotterien und lotterieähnlichen Unternehmungen, BBl 1918 IV 333 ff.). Die Durchführung von Grosslotterien wird derzeit im Rahmen der kantonalen Restkompetenzen durch die Interkantonale Vereinbarung über die Aufsicht sowie die Bewilligung und Ertragsverwendung von interkantonal und gesamtschweizerisch durchgeführten Lotterien und ![]() | 12 |
2.2 In der Zwischenzeit gelten die bestehenden Rechtsgrundlagen weiter; diese sind nach den allgemeinen Regeln auszulegen (hierzu E. 4 unten; BGE 137 II 164 E. 4.1 S. 170 f.). Art. 106 BV in seiner neuen Fassung enthält keine direkt anwendbaren Bestimmungen (vgl. zur direkten Anwendbarkeit von Verfassungsrecht: BGE 139 II 243 E. 8 [Verfassungsauslegung] und E. 10 [unmittelbare Anwendbarkeit]; BGE 139 I 16 E. 4; jeweils mit weiteren Hinweisen), auch wenn er in seinem Absatz 3 vorsieht, dass die Kantone unter anderem "für die Bewilligung und die Beaufsichtigung" der Geldspiele zuständig sind, die einer unbegrenzten Zahl Personen offenstehen, an mehreren Orten angeboten werden und derselben Zufallsziehung oder einer ähnlichen Prozedur unterliegen. Der Bundesrat hat in seiner Botschaft darauf hingewiesen, dass mit dem Gegenvorschlag eine umfassende konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes im gesamten Bereich der Geldspiele und zur Vermeidung von Kompetenzkonflikten zwischen Bund und Kantonen ein Koordinationsorgan geschaffen werde. Art. 106 Abs. 1 BV unterstreiche die bisherige Auslegung, wonach es sich bei der Geldspielgesetzgebung um eine konkurrierende und keine ausschliessliche Kompetenz des Bundes handle, sodass die Kantone weiterhin gesetzgeberisch tätig sein könnten (BBl 2010 7961, 7997 f. Ziff. 4.2), solange und soweit der Bund nicht von seinen Befugnissen Gebrauch gemacht habe; der entsprechende Umfang werde Gegenstand der "Umsetzungsgesetzgebung" bilden (BBl 2010 7961 ff., 7999 Ziff. 4.2). Die Gesetzgebungskompetenz umfasst im Übrigen die implizite Ermächtigung, ![]() | 13 |
Erwägung 2.3 | |
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2.3.2 Nicht unter das Spielbankengesetz und damit in den Aufsichtsbereich der Eidgenössischen Spielbankenkommission fallen die im Lotteriegesetz geregelten Glücksspiele (Art. 1 Abs. 2 SBG; ZÜND/HUGI YAR, a.a.O., Rz. 7). Lotterien sind bundesrechtlich grundsätzlich verboten (Art. 1 Abs. 1 LG; zur Abgrenzung gegenüber den anderen Glücksspielen um Geld oder geldwerte Vorteile über das Kriterium der "Planmässigkeit": BGE 135 II 338 ff. ["Vorgezogene Lose"]; BGE 137 II 164 ff. ["Wingo"], BGE 137 II 222 ff. ["Tactilo"]). Das ![]() | 15 |
2.3.3 Die Anpassung des Lotteriegesetzes an die heutigen Verhältnisse ist wiederholt gescheitert. Der Bundesrat erklärte sich am 18. Mai 2004 bereit, die laufenden Revisionsarbeiten zu sistieren, nachdem die Kantone vorgeschlagen hatten, die im Lotteriebereich festgestellten Mängel durch den Abschluss eines Konkordats zu beheben (vgl. BGE 137 II 164 E. 3.2 S. 168 ff., BGE 137 II 222 E. 6.3 S. 226 ff.; BGE 135 II 338 E. 3.2 S. 346 ff.). Die entsprechende Interkantonale Vereinbarung (IVLW) trat nach Annahme durch die Kantone am 1. Juli 2006 in Kraft. Sie regelt die Aufsicht sowie die Bewilligung und die Ertragsverwendung für die sogenannten "Grosslotterien", d.h. die interkantonal oder gesamtschweizerisch durchgeführten Lotterien und Wetten, die der "Interkantonalen Vereinbarung betreffend die gemeinsame Durchführung von Lotterien vom 26. Mai 1937 (IKV)" oder der "Convention relative à la Loterie de la Suisse Romande vom ![]() | 16 |
Erwägung 3 | |
3.1 Die interkantonalen Behörden gehen davon aus, dass der Comlot im Bereich der Grosslotterien - analog der Eidgenössischen Spielbankenkommission im Spielbankenbereich - eine allgemeine Aufsichtsfunktion und insbesondere die Befugnis zukommt, verwaltungsrechtlich für die Durchsetzung des bundesrechtlich - mit gewissen Ausnahmen zugunsten der Kantone (vgl. BGE 135 II 338 E. 4 S. 348) - vorgesehenen absoluten Lotterieverbots zu sorgen (Art. 1 Abs. 1 LG). Die Beschwerdeführerin bestreitet dies: Der Interkantonalen Aufsichtsbehörde fehle "mangels genügender gesetzlicher Grundlage im Lotteriegesetz sowie aufgrund der Zuständigkeit der Strafverfolgungsbehörden im Bereich der durch das Lotteriegesetz als verboten erklärten (und ex lege auch nicht bewilligungsfähigen) Lotterien eine (umfassende) Untersuchungs-, Aufsichts- oder sonstige Verfügungskompetenz". Die Aufsicht durch die Comlot setze kumulativ voraus, dass es sich beim abzuklärenden Sachverhalt zum einen um eine Lotterie im Sinne von Art. 1 LG handle und zum andern die Lotterie einem gemeinnützigen und wohltätigen Zweck diene. Für Lotterien, die keinem gemeinnützigen oder wohltätigen Zweck dienten, habe der Bundesgesetzgeber ein abschliessendes Verbot ![]() | 17 |
3.2 Die Loterie Romande und die Swisslos unterstützen die Rechtsauffassung der interkantonalen Behörden: Die Situation im Lotteriebereich sei analog jener im Bereich der Spielbanken im Sinne einer weitreichenden Kompetenz der Bewilligungs- und Aufsichtsbehörde zu verstehen (Art. 48 SBG). Es sei nicht am Einzelnen, nach Gutdünken darüber zu entscheiden, ob eine Aktivität bewilligungspflichtig bzw. -fähig sei oder nicht; diese Kompetenz komme der Aufsichtsbehörde zu, was bedinge, dass sie auch diesbezüglich Verfügungskompetenzen wahrnehmen könne. Ziel der Bundesgesetzgebung sei es, dass keine illegalen Lotterien gespielt würden. Die für die zulässigen Lotterien zuständige Bewilligungsbehörde habe hierfür zu sorgen. Art. 20 IVLW übertrage diese Zuständigkeit von den Kantonen auf die Comlot, was nicht bundesrechtswidrig sei, da die Bundesregelung damit ergänzt und dieser nicht widersprochen werde (vgl. Art. 43 BV). Im Übrigen stünden die Aktivitäten der Euro-Lotto Tipp AG im Zusammenhang mit einer bewilligten Lotterie, nämlich "EuroMillions", weshalb die Kompetenz der Comlot auch dann bejaht werden müsste, wenn von einem engeren Aufsichtsverständnis ausgegangen würde. Unter Art. 4 LG fallende Durchführungshandlungen für eine der Euro-Lotto Tipp AG nicht bewilligte Lotterie seien gesetzeswidrig. Die zugelassenen Lotteriegesellschaften seien gehalten, für eine korrekte Abwicklung der ihnen bewilligten Lotterien zu sorgen, was nicht möglich sei, wenn Dritte mit ihren Handlungen im Rahmen der bewilligten Lotterie gegen Lotterierecht verstiessen. Den bewilligten Lotterieträgern komme Parteistellung zu (BGE 127 II 264 ff. ["Trägerverein Lotterie Umwelt & ![]() | 18 |
Erwägung 4 | |
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4.2 Die Gesetzesmaterialien sind nicht unmittelbar entscheidend, dienen aber als Hilfsmittel dazu, den Sinn der Norm zu erkennen (BGE 139 II 404 E. 4.2 S. 416; BGE 138 II 217 E. 4.1 S. 224; BGE 137 III 217 E. 2.4.1 S. 221). Bei der Auslegung neuerer Bestimmungen kommt den Materialien eine besondere Bedeutung zu, weil veränderte Umstände oder ein gewandeltes Rechtsverständnis eine andere Lösung weniger rasch nahelegen (BGE 139 III 98 E. 3.1 S. 100; BGE 138 II 440 E. 13 S. 453; BGE 133 III 497 E. 4.1 S. 499). Vom klaren, d.h. eindeutigen und unmissverständlichen Wortlaut soll nur abgewichen werden, wenn triftige Gründe dafür sprechen, dass dieser nicht den wahren Sinn der Bestimmung wiedergibt. Solche Gründe können sich aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung, aus ihrem Sinn und Zweck oder aus dem Zusammenhang mit andern Vorschriften ergeben (BGE 140 II 289 E. 3.2 S. 292, BGE 140 II 129 E. 3.2 S. 131, 80 E. 2.5.3 S. 87; BGE 139 V 66 E. 2.2 S. 68; BGE 138 V 86 E. 5.1 S. 94; je mit Hinweisen). In objektiv-zeitgemässer Auslegung darf einer Gesetzesnorm ein Sinn beigelegt werden, der für den historischen Gesetzgeber infolge eines Wandels der tatsächlichen Verhältnisse nicht voraussehbar war und in der bisherigen Anwendung auch nicht zum Ausdruck gekommen ist, ![]() | 20 |
Erwägung 5 | |
5.1 Der Wortlaut von Art. 1 LG ist klar: In der Schweiz sind von Bundesrechts wegen Lotterien seit 1923 grundsätzlich verboten; vorbehalten bleiben Tombolas und Lotterien für gemeinnützige und wohltätige Zwecke im Rahmen der einschlägigen Bundes- bzw. kantonal-rechtlichen Vorgaben (vgl. BBl 1918 IV 333, 343 Ziff. IV). Mit dem Lotteriegesetz sollte das bisher ausschliesslich durch das kantonale Recht geregelte Lotteriewesen unter Beachtung der kantonalen Verschiedenheiten grenzüberschreitend ergänzt werden, um den mit den entsprechenden Aktivitäten verbundenen wirtschaftlichen und moralischen Schäden "wirksam entgegenzutreten" (BBl 1918 IV 333 Ziff. I.). Ziel der Gesetzgebung war es, die eigentlichen gewerbsmässigen Lotterien zu bekämpfen, hingegen die von Kanton zu Kanton unterschiedlichen Zwecklotterien unter Vorgabe gewisser "eidgenössischer Normativbestimmungen" nicht zu beeinträchtigen. Die Bekämpfung unbewilligter Aktivitäten erfolgte bis zum Inkrafttreten des eidgenössischen Lotteriegesetzes nach den jeweiligen lokalen Vorgaben über das kantonale Recht; mit dem Lotteriegesetz sollten strafrechtlich - noch vor Inkrafttreten des schweizerischen Strafgesetzbuches am 1. Januar 1942 (AS 57 1328) - die entsprechenden Bestimmungen harmonisiert und in der ganzen Schweiz angewendet und durchgesetzt werden. Die wirksame Handhabung - so der Bundesrat - der im Entwurf vorgesehenen Bestimmungen und Massnahmen mache die Aufstellung detaillierter Straf- und Strafverfahrensvorschriften notwendig. Diese bildeten das wirksamste Mittel, den Geboten und Verboten des Gesetzes Nachachtung zu verschaffen; gerade das Fehlen einheitlicher Strafnormen und die Unmöglichkeit der Verfolgung der strafbaren Handlungen über die Kantonsgrenzen hinaus werde als "fühlbarster Mangel des gegenwärtigen Rechtszustands empfunden" (BBl 1918 IV 333 ff., 352 f. Ziff. VII). Aufgrund der Materialien ergibt sich, dass ursprünglich die für die nach kanonalem Recht bewilligten bzw. ![]() | 21 |
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5.2.1 Das Verwaltungsverfahrensrecht hat sich später als das (Bundes-)Strafrecht und insbesondere das Lotteriegesetz ausgebildet; schweizweite verwaltungsaufsichtsrechtliche Zuständigkeiten zum Schutz von Märkten standen bei Erlass des Lotteriegesetzes noch nicht zur Diskussion (vgl. zur Entwicklung des Verwaltungsverfahrens: KÖLZ/HÄNER/BERTSCHI, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 3. Aufl. 2013, N. 282 ff.). Die ![]() | 23 |
5.2.2 Mit der Bewilligungskompetenz geht - neben der strafrechtlichen Sanktionsmöglichkeit (TSCHANNEN/ZIMMERLI/MÜLLER, a.a.O., § 32 Rz. 20 S. 322) - heute regelmässig die verwaltungsrechtliche Aufsichtskompetenz im Sinne der Befugnis einher, ein Unterstellungs- bzw. Qualifikationsverfahren, d.h. ein Verfahren zur Abklärung führen zu können, ob bei einer wirtschaftlichen Aktivität im Grenzbereich beaufsichtigter Materien ein aufsichts- bzw. bewilligungsrechtlich relevanter Tatbestand vorliegt oder nicht; die Verwaltungsbefugnis schliesst die Verfügungsbefugnis diesbezüglich mit ein. Wo die Bewilligung fehlt, bleibt die entsprechende Tätigkeit untersagt; wird sie trotzdem ausgeführt, schreitet die zuständige Behörde ein und trifft die nötigen Massnahmen (vgl. zu den Aufsichtsbefugnissen von Verwaltungsbehörden: TSCHANNEN/ZIMMERLI/MÜLLER, a.a.O., § 28 Rz. 19 S. 244, § 32 S. 315 ff., § 44 Rz. 28 S. 422; THIERRY TANQUEREL, Manuel de droit administratif, 2011, S. 385 ff.; HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN, Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Aufl. 2010, S. 577 Rz. 2527): Art. 106 Abs. 3 BV sieht in seiner Fassung vom 11. März 2012 ausdrücklich vor, dass die Kantone für die Bewilligung und die Beaufsichtigung der Geldspiele zuständig sind. Die entsprechende Regelung lege - so der Bundesrat - die kantonalen Vollzugszuständigkeiten im Bereich der Geldspiele fest und nehme damit ein zentrales Anliegen der Volksinitiative "Für Geldspiele im Dienste des Gemeinwohls" auf; die Kantone würden ![]() | 24 |
5.2.3 Die Bundesgesetzgebung bezweckt sowohl im Spielbanken- wie im Lotteriebereich (und damit generell bei den Geldspielen) eine zweckmässige und wirksame Aufsicht über die entsprechenden Aktivitäten; es sollen damit deren sozialschädliche Auswirkungen - den unterschiedlichen Merkmalen der Spiele sowie der Art und dem Ort des Spielangebots entsprechend - angemessen bekämpft bzw. reduziert werden (vgl. Art. 106 Abs. 5 BV [in der Fassung vom 11. März 2012]; vgl. zu den Zwecken des Aufsichtsrechts: GIOVANNI BIAGGINI, Aufsichtsrecht, Fachhandbuch Verwaltungsrecht, in: Biaggini/Häner/Saxer/Schott [Hrsg.], 2015, S. 781 ff., dort N. 19.17 f.). Von den Geldspielen ausgehende Gefahren bilden insbesondere die Spielsucht, die Geldwäscherei, die Beschaffungskriminalität und der Betrug (BBl 2010 7961, 8000 Ziff. 4.2). Diese Ziele können vorbeugend nur erreicht werden, wenn die jeweiligen verwaltungsrechtlichen Aufsichtsbehörden nicht nur befugt sind, bewilligten Marktteilnehmern gegenüber tätig zu werden, sondern auch Unterstellungs- bzw. Qualifikationsverfahren hinsichtlich anderer Marktteilnehmer zu führen, falls konkrete Hinweise dafür bestehen, dass ihr Handeln unter das gesetzliche Verbot fallen könnte. Das Bundesgericht hat die entsprechenden Kompetenzen der Spielbankenkommission - den modernen Verhältnissen im (Wirtschafts-)Verwaltungsrecht entsprechend (vgl. zur Bankenkommission in ihrem Bereich: BGE 130 II 351 E. 2 mit zahlreichen Hinweisen; WIEDERKEHR/RICHLI, a.a.O., Rz. 2857) - zum Schutz des Publikums in diesem Sinn weit ![]() | 25 |
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Erwägung 6 | |
6.1 Gemäss der Anzeige der Loterie Romande und der Angaben der Beschwerdeführerin selber ist sie im Umfeld der (bewilligten) Grosslotterie "EuroMillions" tätig. Diese wird in der Schweiz exklusiv über die von der Comlot beaufsichtigten Loterie Romande bzw. Swisslos vertrieben. Das von der Comlot eingeleitete Verfahren dient dazu, festzustellen, ob und inwiefern die Aktivitäten der Beschwerdeführerin in den Anwendungsbereich des Lotteriegesetzes fallen ![]() | 27 |
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7.2 Dies ist im Lotteriebereich der Fall: Die Beschwerdeführerin bietet Dienstleistungen um die Grosslotterie "EuroMillions" an, die in der Schweiz aufgrund der kantonalen Monopole in der Westschweiz nur durch die Loterie Romande und in der Deutschschweiz nur durch die Swisslos vertrieben werden darf (zur Zulässigkeit des entsprechenden Monopols: BGE 127 II 264 E. 2g S. 270; Urteil 2C_859/2010 vom 17. Januar 2012 E. 2-4; ZÜND/HUGI YAR, a.a.O., Rz. 10, 32 ff.). Die beiden Lotteriegesellschaften sind aufsichtsrechtlich der Comlot gegenüber für die korrekte Abwicklung der entsprechenden Lotterie verantwortlich. Sie haben über das Monopolsystem ein schutzwürdiges Interesse daran, dass ihre bewilligten Tätigkeiten nicht durch unzulässige, verbotene Aktivitäten Dritter beeinträchtigt werden. Ihnen kommt im Qualifikationsverfahren deshalb Parteistellung zu.
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7.3 Soweit die Beschwerdeführerin einwendet, sie sei gar keine Konkurrentin, da sie keine bewilligungspflichtigen Aktivitäten wahrnehme und nicht in unzulässiger Weise auf den Ablauf der bewilligten Lotterie einwirke, verkennt sie, dass diese Frage gerade Gegenstand des Unterstellungs- bzw. Qualifikationsverfahrens bildet. Nur wenn sich ihre Sicht der Dinge in diesem als zutreffend erweisen sollte, wäre sie nicht im Monopolbereich der beiden Lotteriegesellschaften aktiv und deshalb keine direkte Konkurrentin der ![]() | 32 |
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