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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: | |||
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1. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. und B. gegen X. Versicherungsgesellschaft AG (Beschwerde in Zivilsachen) |
4A_299/2008 vom 28. Oktober 2008 | |
Regeste |
Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG; Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung; Allgemeine Geschäftsbedingungen; Ungewöhnlichkeitsregel - Inhaltskontrolle. |
Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen (E. 2). |
Ungewöhnlichkeit einer Klausel bejaht, die das Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers ausschliesst, wenn das Versicherungsunternehmen den Vertrag aufgrund einer behördlichen Anordnung anpasst (E. 3). | |
Sachverhalt | |
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Die Laufzeit der Hausrat- und Privathaftpflichtversicherung von B. (Beschwerdeführer 2) begann am 12. September 2002. In der Police wurden die allgemeinen Geschäftsbedingungen 1996 als Vertragsgrundlage genannt. Aufgrund einer Adressänderung unterzeichnete der Beschwerdeführer 2 einen neuen Versicherungsantrag der Beschwerdegegnerin, worin die AGB 2005 als Vertragsgrundlage bezeichnet waren. Gemäss der Police dauert der Versicherungsvertrag bis zum 1. Oktober 2011; die Jahresprämie beträgt Fr. 317.90.
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Anfang November 2006 teilte die Beschwerdegegnerin den Beschwerdeführern mit, dass aufgrund einer Anordnung des Bundesamts für Privatversicherungen per 1. Januar 2007 deutlich höhere Haftungslimiten, angepasste Selbstbehalte und massvoll erhöhte Prämiensätze gelten würden.
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Mit Schreiben vom 16. November 2006 bzw. 21. Dezember 2006 kündigten die Beschwerdeführer die Versicherungsverträge je per 31. Dezember 2006. Die Beschwerdegegnerin lehnte beide Kündigungen unter Hinweis auf Ziffer 4 der AGB 2005 ab. Diese Bestimmung lautet wie folgt:
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"4. Änderung der Prämien, Selbstbehalte und Leistungsbegrenzungen
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Die X. kann eine Anpassung der Prämien und der Selbstbehalte auch für bestehende Verträge ab folgendem Versicherungsjahr verlangen. Die neuen Vertragsbestimmungen werden dem Versicherungsnehmer spätestens 25 Tage vor Ablauf des Versicherungsjahres bekannt gegeben. Ist der Versicherungsnehmer mit der Anpassung nicht einverstanden, kann er den gesamten oder den von der Änderung betroffenen Teil auf Ende des laufenden Versicherungsjahres kündigen. Die Kündigung ist rechtzeitig erfolgt, wenn sie spätestens am letzten Tag des Versicherungsjahres schriftlich bei der X. eintrifft.
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Schreibt eine Bundesbehörde bei einer gesetzlich geregelten Deckung (z.B. Elementarschäden) eine Änderung der Prämien, der Selbstbehalte, der Entschädigungsgrenzen oder des Deckungsumfanges vor, so kann die X. ab folgendem Versicherungsjahr eine entsprechende Anpassung des Vertrages vornehmen. In diesem Fall besteht kein Kündigungsrecht.
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Erhält die X. bis zum Ende des laufenden Versicherungsjahres keine Kündigung, gilt dies als Zustimmung zu den Vertragsänderungen."
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Mit Entscheid vom 15. April 2008 verneinte das Kreisgerichtspräsidium St. Gallen die objektive Ungewöhnlichkeit von Ziff. 4 Abs. 2 der AGB 2005 der Beschwerdegegnerin und wies die Klagen ab.
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C. Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragen die Beschwerdeführer dem Bundesgericht, den Entscheid des Kreisgerichtspräsidiums St. Gallen vom 15. April 2008 aufzuheben. Sie stellen die gleichen Rechtsbegehren wie vor der Vorinstanz.
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Die Beschwerdegegnerin beantragt, auf die Beschwerde nicht einzutreten, eventualiter sie abzuweisen. Die Vorinstanz beantragt die Abweisung der Beschwerde.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und hebt den angefochtenen Entscheid auf. Es stellt fest, dass die Hausrat- und Privathaftpflichtversicherungsverträge durch Kündigung aufgehoben worden sind.
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 1 | |
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1.2 Die Beschwerde in Zivilsachen ist gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen zulässig (Art. 75 Abs. 1 BGG). Dies setzt voraus, dass die vor Bundesgericht erhobenen Rügen mit keinem kantonalen Rechtsmittel hätten geltend gemacht werden können. Gemäss Art. 225 Abs. 1 ZPO/SG ist die Berufung an das Kantonsgericht ausgeschlossen, wenn der Streitwert - wie im vorliegenden Fall - weniger als Fr. 8'000.- beträgt. In diesen Fällen kann nach Art. 254 Abs. 1 ZPO/SG Rechtsverweigerungsbeschwerde beim Kantonsgericht erhoben werden. Da die Beschwerdeführer jedoch nicht rügen, die Kreisgerichtspräsidentin habe in Ausübung der Befugnisse willkürlich gehandelt (Art. 254 Abs. 1 lit. c ZPO/SG) und auch keinen ![]() | 15 |
Gemäss Art. 75 Abs. 2 BGG haben die Kantone grundsätzlich zwei Instanzen vorzusehen, denen mindestens die gleiche Kognition wie dem Bundesgericht zukommen muss (Art. 75 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 111 Abs. 3 BGG). Zur notwendigen Anpassung steht den Kantonen eine Übergangsfrist zu, die noch nicht abgelaufen ist (Art. 130 Abs. 2 BGG). Demnach ist für die Annahme der Letztinstanzlichkeit unerheblich, dass es sich beim Kreisgerichtspräsidium nicht um ein oberes Gericht im Sinne von Art. 75 Abs. 2 BGG handelt.
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1.3 In vermögensrechtlichen Angelegenheiten ist die Beschwerde in Zivilsachen grundsätzlich nur gegeben, wenn der Streitwert mindestens Fr. 30'000.- beträgt (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG). Erreicht der Streitwert den massgebenden Betrag nicht, ist sie dennoch zulässig, wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt (Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG). Dieser Begriff ist restriktiv auszulegen. Soweit es bei der aufgeworfenen Frage lediglich um die Anwendung von Grundsätzen der Rechtsprechung auf einen konkreten Fall geht, handelt es sich nicht um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (BGE 134 III 115 E. 1.2 S. 117; BGE 133 III 493 E. 1.1 und 1.2 S. 495 f.). Die Voraussetzung von Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG ist hingegen erfüllt, wenn ein allgemeines Interesse besteht, dass eine umstrittene Frage höchstrichterlich geklärt wird, um eine einheitliche Anwendung und Auslegung des Bundesrechts herbeizuführen und damit Rechtssicherheit herzustellen (BGE 133 III 645 E. 2.4 S. 648 f.). Eine neue Rechtsfrage kann vom Bundesgericht sodann beurteilt werden, wenn dessen Entscheid für die Praxis wegleitend sein kann, namentlich wenn von unteren Instanzen viele gleichartige Fälle zu beurteilen sein werden (vgl. Botschaft vom 28. Februar 2001 zur Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001 4309). Auch eine vom Bundesgericht bereits entschiedene Rechtsfrage kann unter der Voraussetzung von grundsätzlicher Bedeutung sein, dass sich die erneute Überprüfung aufdrängt. Dies kann zutreffen, wenn die Rechtsprechung nicht einheitlich oder in der massgebenden Lehre auf erhebliche Kritik gestossen ist (BGE 134 III 354 E. 1.5 S. 357 f. mit Bezug auf die Bestimmung der Kündigungsfrist gemäss Art. 336c Abs. 2 OR) oder wenn in der Zwischenzeit neue Gesetzesbestimmungen in Kraft ![]() | 17 |
1.3.1 Die Beschwerdeführer bilden eine einfache Streitgenossenschaft. Da sich ihre geltend gemachten Begehren nicht gegenseitig ausschliessen, werden sie zur Bestimmung des Streitwerts zusammengerechnet (Art. 52 BGG). Im vorliegenden Fall ist der Streitwert von Fr. 30'000.- dennoch nicht erreicht. Die Beschwerdeführer bringen vor, es stelle sich die Frage von grundsätzlicher Bedeutung, ob es der Grundsatz "pacta sunt servanda" zulasse, dass der Versicherer das Risiko einer Vertragsänderung einseitig auf den Versicherungsnehmer abwälzen könne, ohne diesem ein Korrektiv in Form des Kündigungsrechts einzuräumen. Zur Begründung führen die Beschwerdeführer aus, die Rechtslage im Zusammenhang mit Versicherungsverträgen sei seit längerer Zeit im Umbruch und von grosser Unsicherheit geprägt. Die Aufsichtsbehörde habe früher eine Prämienanpassungsregel ohne Kündigungsrecht nicht genehmigt. Im deregulierten Markt bestehe keine Genehmigungspflicht mehr. Art. 38 des Vorentwurfs vom 31. Juli 2006 zum Versicherungsvertragsgesetz (VE-VVG) wiederum sehe eine Prämienanpassungsklausel mit Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers vor und zwar unabhängig davon, ob die einseitige Vertragsanpassung durch den Versicherer behördlich motiviert oder nach Gutdünken erfolge. Aufgrund der Übergangsbestimmungen des VE-VVG wären diese Klauseln unter Umständen während einiger Zeit bis zum Ablauf der langjährigen Versicherungsverträge nach Inkrafttreten des VVG gültig. Neben der Beschwerdegegnerin hätten in der Zwischenzeit auch andere Versicherer das Kündigungsrecht für den Fall der behördlich motivierten einseitigen Vertragsanpassung ausgeschlossen. Die Auffassung der Vorinstanz, wonach eine behördlich motivierte Vertragsanpassung kein Fall einer einseitigen Vertragsanpassung sei und somit kein ausserordentliches Kündigungsrecht zur Folge habe, führe zu einer uneinheitlichen Anwendung von Bundesrecht. Schliesslich sei die Frage für eine Vielzahl von Personen relevant, weil die Kündigung etlichen Versicherungsnehmern verweigert werde. Mit diesen Ausführungen zeigen die Beschwerdeführer auf, weshalb ihres Erachtens eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, und kommen - entgegen der Ansicht ![]() | 18 |
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2. AGB-Klauseln sind, wenn sie in Verträge übernommen werden, grundsätzlich nach denselben Prinzipien auszulegen wie andere vertragliche Bestimmungen (BGE 133 III 607 E. 2.2 S. 610, BGE 133 III 675 E. 3.3 S. 681). Art. 4 Abs. 2 der in die Verträge der Parteien integrierten AGB 2005 der Beschwerdegegnerin schliesst das Kündigungsrecht der Beschwerdeführer für den Fall ausdrücklich aus, dass eine Bundesbehörde bei einer gesetzlich geregelten Deckung eine Änderung ![]() | 20 |
2.1 Die Geltung vorformulierter allgemeiner Geschäftsbedingungen wird durch die Ungewöhnlichkeitsregel eingeschränkt. Danach sind von der global erklärten Zustimmung zu allgemeinen Vertragsbedingungen alle ungewöhnlichen Klauseln ausgenommen, auf deren Vorhandensein die schwächere oder weniger geschäftserfahrene Partei nicht gesondert aufmerksam gemacht worden ist (BGE 119 II 443 E. 1a S. 446). Der Verfasser von allgemeinen Geschäftsbedingungen muss nach dem Vertrauensgrundsatz davon ausgehen, dass ein unerfahrener Vertragspartner ungewöhnlichen Klauseln nicht zustimmt. Die Ungewöhnlichkeit beurteilt sich aus der Sicht des Zustimmenden im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Die Beurteilung erfolgt bezogen auf den Einzelfall. Die fragliche Klausel muss zu einer wesentlichen Änderung des Vertragscharakters führen oder in erheblichem Masse aus dem gesetzlichen Rahmen des Vertragstypus fallen (BGE 119 II 443 E. 1a S. 446 mit Hinweisen). Je stärker eine Klausel die Rechtsstellung des Vertragspartners beeinträchtigt, desto eher ist sie als ungewöhnlich zu qualifizieren (BGE 119 II 443 E. 1a S. 446 mit Hinweis).
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Als ungewöhnlich erachtete das Bundesgericht etwa eine im Rahmen vorformulierter allgemeiner Versicherungsbedingungen enthaltene Klausel, welche die Versicherungsdeckung für die Haftung gegenüber Temporärangestellten nur für leichtes, nicht jedoch für schweres Verschulden der Versicherungsnehmerin ausschloss (Urteil 4A_187/2007 vom 9. Mai 2008 E. 5.4). Sodann wurde der Ausschluss des Versicherungsschutzes einer Vollkaskoversicherung für den Fall einer einfachen Verkehrsregelverletzung als ungewöhnlich qualifiziert (BGE 119 II 443 E. 1b S. 446 f.) sowie eine Klausel, welche die Bank zur Auszahlung des Sparheftguthabens ohne Prüfung der Identität des Inhabers ermächtigte (BGE 116 II 459 E. 2a ![]() | 22 |
2.2 In der Lehre wird seit geraumer Zeit überwiegend gefordert, dass global in den Vertrag integrierte vorformulierte allgemeine Geschäftsbedingungen inhaltlich überprüft werden und ihnen die Geltung versagt werde, wenn sie zu Lasten der anderen Vertragspartei unangemessen bzw. geschäftsfremd sind, weil sie die Risiken und Lasten unbillig verteilen. Die Lehre sieht in der Rechtsprechung des Bundesgerichts zur AGB-Problematik eine verdeckte Inhaltskontrolle, die unter dem Deckmantel der Ungewöhnlichkeitsregel vorgenommen werde (THOMAS KOLLER, Einmal mehr: das Bundesgericht und seine verdeckte AGB-Inhaltskontrolle, AJP 2008 S. 943 ff.; INGEBORG SCHWENZER, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 4. Aufl. 2006, Rz. 45.12 f. und 46.07; EUGEN BUCHER, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, 4. Aufl. 2007, N. 63 f. zu Art. 1 OR; GUHL/KOLLER/SCHNYDER/DRUEY, Das Schweizerische Obligationenrecht, 9. Aufl. 2000, § 13 Rz. 53 f.; ERNST A. KRAMER, Berner Kommentar, 3. Aufl. 1991, N. 291 ff. zu Art. 19-20 OR und 3. Aufl. 1986, N. 208 zu Art. 1 OR; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, Bd. I, 9. Aufl. 2008, Rz. 1148 ff.; CLAIRE HUGUENIN, Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 3. Aufl. 2008, Rz. 431; STEPHAN FUHRER, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag, 2001, N. 229 ff. zu Art. 33 VVG; ALEXANDER BRUNNER, Die Kontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen in der aktuellen schweizerischen Lehre und Praxis, ZSR 118/1999 I S. 328 ff.; HELMUT HEISS, Der Vorentwurf einer "Gesamtrevision des BG über den Versicherungsvertrag [VVG]" im Lichte der europäischen Entwicklungen, HAVE 2007 S. 243, je mit zahlreichen Hinweisen; vgl. auch CLAIRE HUGUENIN, Allgemeine Geschäftsbedingungen in der Schweiz im Lichte der neuen EU-Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, recht 13/1995 S. 87 f.; PETER GAUCH, Die Vertragshaftung der Banken und ihre AVB, recht 24/2006 S. 83 f.; ROLF H. WEBER, Allgemeine Geschäftsbedingungen der Banken - zum Problem einer Grenzziehung, Schweizerische Aktiengesellschaft 1984 S. 152 ![]() | 23 |
Im VE-VVG wird vorgeschlagen, die AGB-Problematik mit einem neuen Art. 20a Abs. 1 OR zu regeln. Danach sollen Bestimmungen in vorformulierten allgemeinen Vertragsbedingungen missbräuchlich und unwirksam sein, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders unangemessen benachteiligen. Gemäss Absatz 2 ist eine unangemessene Benachteiligung namentlich dann anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundsätzen der gesetzlichen Regelung, von der zu Lasten des Vertragspartners abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Durch die Regelung im OR würde eine Inhaltskontrolle nicht nur allgemeine Versicherungsbedingungen, sondern auch andere allgemeine Geschäftsbedingungen betreffen (vgl. Eidgenössisches Finanzdepartement, Erläuternder Bericht zum Vorentwurf der Gesamtrevision des Bundesgesetzes über den Versicherungsvertrag [VVG] 2006, S. 94 f., abrufbar unter http://www.efd.admin.ch/dokumentation/zahlen/00578/01068/index.html?lang=de&print_style=yes ).
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2.4 Verträge aus gültig zustande gekommenen Verträgen sind so zu erfüllen, wie sie vereinbart worden sind ("pacta sunt servanda"), soweit die Parteien nicht einvernehmlich eine neue Vertragsregelung treffen. Zwar ist nach der so genannten "clausula rebus sic ![]() | 26 |
2.5 Rechnen die Parteien bei Vertragsabschluss mit künftigen Ereignissen, können sie für diesen Fall eine Anpassung vertraglich vorsehen. Dadurch wird der einen Partei das (Gestaltungs-)Recht eingeräumt, vom Prinzip der Vertragstreue abzuweichen und einseitig die Vertragsbestimmungen zu ändern. Damit Anpassungsklauseln aber überhaupt gültig sind, müssen regelmässig sowohl das erwartete Ereignis als auch der Umfang der Anpassung vertraglich bestimmt werden; denn ein Vertrag kommt nur zustande, wenn Leistungsinhalt sowie -umfang mindestens bestimmbar sind und so auch erfüllt werden können (BGE 84 II 266 E. 2 S. 272; vgl. KRAMER, a.a.O., Allgemeine Einleitung, N. 74 f.; BUCHER, a.a.O., N. 22 ff. zu Art. 1 OR; VON TUHR/PETER, Allgemeiner Teil des Schweizerischen Obligationenrechts, Bd. I, 3. Aufl. 1979, S. 51 f.; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID, a.a.O., Rz. 344 ff.; ALFRED KOLLER, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, Bd. I, 2006, S. 101 ff.; HANS MERZ, Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, in: Schweizerisches Privatrecht, Bd. VI/1, 1984, S. 119 f.; vgl. auch BGE 118 II 32 E. 3a S. 33 zur Bestimmtheit des Vorvertrags sowie KRAMER, a.a.O., N. 87 f. zu Art. 22 OR und BUCHER, a.a.O., N. 33 zu Art. 22 OR). Ein undefiniertes Gestaltungsrecht zur einseitigen Abänderung vertraglicher Leistungspflichten widerspräche der Natur und dem Zweck des Vertrags, mit dem Rechte und Pflichten jeder Vertragspartei gerade definiert werden sollen.
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3.1 Die Vorinstanz verneinte die objektive Ungewöhnlichkeit von Ziff. 4 Abs. 2 AGB 2005. Sie erwog, dass zwingende behördliche Anordnungen über den vertraglichen Vereinbarungen stünden und in gleichem Masse für alle Beteiligten gelten würden, die Partei eines von der behördlichen Regelung betroffenen Versicherungsvertrags seien. Es ergebe sich keine Schlechterstellung aus dem Umstand, dass die Beschwerdeführer keine zusätzliche ausserordentliche Kündigungsmöglichkeit hätten; eine solche sei in Fällen behördlicher Anordnung einerseits nicht zu erwarten und anderseits sei den Beschwerdeführern bei Vertragsabschluss durchaus bewusst gewesen, welche Bindung sie eingingen. Als sich die Beschwerdeführer entschlossen hätten, den Versicherungsvertrag mit der Beschwerdegegnerin abzuschliessen, hätten sie damit rechnen müssen, dass während der Vertragsdauer ein anderer Versicherer ein für sie attraktiveres Angebot machen könnte oder sich die gesetzlichen ![]() | 30 |
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3.3 Die Beschwerdegegnerin sieht in Ziff. 4 Abs. 2 ihrer AGB 2005 nicht nur vor, dass sie den Versicherungsvertrag anpassen kann, sondern schliesst zugleich das Kündigungsrecht der Beschwerdeführer aus. Für die Beurteilung, ob der Ausschluss des ![]() | 32 |
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3.5 Die Vorinstanz hat Ziff. 4 Abs. 2 der AGB 2005 der Beschwerdegegnerin zu Unrecht nicht als ungewöhnlich qualifiziert. Die Beschwerdeführer müssen sich die Klausel somit nicht entgegenhalten lassen und konnten das Kündigungsrecht ausüben. Infolge der Ungewöhnlichkeit der Klausel stellt sich die Frage nicht, ob die bisherige Praxis zur Geltung global übernommener, ungewöhnlicher Klauseln auf eine von der herrschenden Lehre geforderte richterliche Inhaltskontrolle ausgedehnt werden soll. Ob es inhaltlich ![]() | 34 |
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