BGE 139 III 98 | |||
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14. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. Demokratische Juristinnen und Juristen Zürich (DJZ) und Mitb. gegen Kanton Zürich und Kantonsrat des Kantons Zürich (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
5C_2/2012 vom 17. Dezember 2012 | |
Regeste |
Art. 450 Abs. 1 ZGB; Beschwerde beim zuständigen Gericht; Regelung im Kanton Zürich. | |
Sachverhalt | |
Die Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB; SR 210) vom 19. Dezember 2008 betreffend Erwachsenenschutz, Personenrecht und Kindesrecht (nArt. 360 ff. ZGB; AS 2011 725) wird auf den 1. Januar 2013 in Kraft treten (AS 2011 767). Im Kanton Zürich regelt das Einführungsgesetz vom 25. Juni 2012 zum Kindes- und Erwachsenenschutzrecht (EG KESR; LS 232.3) die Organisation und die Zuständigkeit der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) und die Aufsicht über diese Behörde (§ 1 lit. a EG KESR) sowie das Verfahren vor der KESB und den gerichtlichen Beschwerdeinstanzen (§ 1 lit. d EG KESR). Im Einzelnen ist Folgendes vorgesehen:
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§ 13. Die vom Regierungsrat bezeichnete Direktion ist Aufsichtsbehörde über die KESB gemäss Art. 441 Abs. 1 ZGB.
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§ 14. Der Bezirksrat beaufsichtigt Wohn- und Pflegeeinrichtungen gemäss Art. 387 ZGB, soweit das Gesetz keine andere Behörde für zuständig erklärt.
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§ 62. 1 Beschwerden betreffend fürsorgerische Unterbringung (Art. 426 ff. ZGB) werden in erster Instanz vom Einzelgericht gemäss § 30 GOG beurteilt.
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2 Für Beschwerden gegen Entscheide der KESB richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach Art. 442 ZGB. Für Beschwerden gegen ärztlich angeordnete Unterbringungen und gegen Entscheide von Einrichtungen gemäss Art. 439 Abs. 1 ZGB ist das Einzelgericht am Ort der Einrichtung zuständig.
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§ 63. 1 Beschwerden gemäss Art. 450 Abs. 1 ZGB werden in erster Instanz vom Bezirksrat beurteilt. Zuständig ist
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a) die Bezirksratspräsidentin oder der Bezirksratspräsident bei Entscheiden, die ein einzelnes Mitglied der KESB getroffen hat,
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b) der Bezirksrat in den übrigen Fällen; er entscheidet in Dreierbesetzung.
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2 Vorbehalten bleiben die vom Einzelgericht gemäss § 30 GOG zu beurteilenden Beschwerden betreffend fürsorgerische Unterbringung.
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§ 64. Für Beschwerden gegen Entscheide des Bezirksrates und des Einzelgerichts gemäss § 30 GOG ist das Obergericht zuständig.
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Der Verein Demokratische Juristinnen und Juristen Zürich (DJZ), Y. und Z. (Beschwerdeführer) haben eine Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erhoben. Sie beantragen dem Bundesgericht, § 63 Abs. 1 EG KESR aufzuheben. Der Kanton Zürich, vertreten durch den Regierungsrat, hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. Der Kantonsrat des Kantons Zürich beantragt die Abweisung der Beschwerde. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
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(Zusammenfassung)
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Aus den Erwägungen: | |
3. Ab 1. Januar 2013 gilt gemäss nArt. 450 Abs. 1 ZGB, dass gegen Entscheide der Erwachsenenschutzbehörde Beschwerde beim zuständigen Gericht erhoben werden kann. Als Beschwerdeinstanz hat der kantonale Gesetzgeber den Bezirksrat eingesetzt. Zu prüfen ist, ob die Zuständigkeitsordnung mit der bundesgesetzlichen Regelung des Erwachsenenschutzes und dabei namentlich mit nArt. 450 Abs. 1 ZGB als vereinbar erscheint.
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3.2.1 In Übereinstimmung mit dem Wortlaut von nArt. 450 Abs. 1 ZGB verlangte der Vorentwurf (VE) in Art. 444, dass die Kantone die Aufsichtsbehörden bestimmen (Abs. 1), dass über Beschwerden ein Gericht entscheidet (Abs. 2) und dass der Bundesrat Bestimmungen über die Aufsicht erlässt (Abs. 3). Die Formulierung "Über Beschwerden entscheidet ein Gericht" (Art. 444 Abs. 2 VE) steht vor dem Hintergrund, dass nach der Idee der Expertenkommission bereits die Erwachsenenschutzbehörde ein "Fachgericht" (Art. 443 Abs. 1 VE) sein sollte und deshalb über Beschwerden gegen Entscheide der Erwachsenenschutzbehörde wiederum ein Gericht befinden sollte. Der Begriff des Gerichts wurde allerdings nicht im formellen, sondern im materiellen Sinn verstanden, wonach jedes auf Gesetz beruhende Organ, das unabhängig und nicht weisungsgebunden arbeitet sowie den Sachverhalt selber ermittelt, Gericht ist (Erwachsenenschutz, Bericht zum Vorentwurf, Juni 2003, S. 19 und 79 f.).
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3.2.3 Entgegen der Darstellung der Beschwerdeführer haben die Eidgenössischen Räte den vom Bundesrat vorgelegten Text nicht in Unkenntnis der Frage nach der richtigen Behördenorganisation verabschiedet. Die Regelung über die Erwachsenenschutzbehörde und damit die Behördenorganisation insgesamt war einer der kritischen Punkte - wie zuvor im Vorentwurf - auch der bundesrätlichen Vorlage. Im Ständerat als Erstrat wiesen die Kommissionssprecher auf die Vielfalt der kantonalen Lösungen hin, die es zu beachten gelte (vgl. insbesondere das Votum Bonhôte, AB 2007 S 821 f.). Den einschlägigen Bestimmungen (Art. 440 ff. E) wurde unter Hinweis auf die Autonomie der Kantone in der Behördenorganisation alsdann zugestimmt (AB 2007 S 840 f.). Vorab wegen der vorgeschlagenen Behördenorganisation und dem damit verbundenen Eingriff in einen kantonalen Zuständigkeitsbereich wurden im Nationalrat erfolglos ein Rückweisungsantrag (AB 2008 N 1510-1514) und mehrere Abänderungsanträge (AB 2008 N 1535-1539) gestellt, die bundesrätliche Vorlage zum Schluss aber angenommen. In praktisch sämtlichen Wortmeldungen von Befürwortern und Gegnern wurde dabei die Autonomie der Kantone in der Organisation ihrer Behörden hervorgehoben.
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3.4 Vom Schluss aus den Gesetzesmaterialien abzuweichen, besteht auch insoweit kein Grund, als das Bundesgericht für die Beurteilung der fürsorgerischen Freiheitsentziehung durch ein "Gericht" (Art. 397d ZGB in der Fassung von 1978/81) festgehalten hat, dass der Bundesgesetzgeber von einem materiellen Begriff des Gerichts ausgeht und dass es für die Frage, ob die Psychiatrische Gerichtskommission ein Gericht im Sinne des Bundesrechts ist, demnach ausschliesslich darauf ankommt, ob sie die erforderliche Unabhängigkeit besitzt (vgl. BGE 108 Ia 178 E. 4b S. 186 f.). Die Auslegungsregel gemäss Art. 54 Abs. 2 SchlT ZGB, dass die Kantone nur ein Gericht als zuständig bezeichnen dürfen, wo das Gesetz ausdrücklich von einem Gericht spricht (vgl. BGE 118 Ia 473 E. 5b S. 479), führt zu keinem anderen Ergebnis, da auch nach dem materiellen Begriff des Gerichts ein Gericht im Gesetzessinne vorliegt.
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4.1 Im Kapitel über die Behörden nennt die Verfassung des Kantons Zürich vom 27. Februar 2005 (KV; SR 131.211) nach dem Kantonsrat (Art. 50 ff.), dem Regierungsrat (Art. 60 ff.) und der Rechtspflege (Art. 73 ff.) als weitere Behörden die Statthalterin oder den Statthalter, den Bezirksrat und die gerichtlichen Instanzen des Bezirks, die von den Stimmberechtigten des Bezirks gewählt werden und die Aufgaben erfüllen, die ihnen das Gesetz überträgt, insbesondere solche der Aufsicht, der Rechtsprechung und der Verwaltung (Art. 80 KV). Der Bezirksrat und dessen Präsident, der Statthalter, sind Behörden, die auf Entwicklungen zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts zurückgehen und sich als alte Institutionen nur schlecht in die gewaltenteilige Welt des heutigen Rechtsstaats einfügen. Als Vertreter der Regierung im Bezirk kam dem Statthalter "namentlich die Vollziehung der Aufträge des Regierungsrates zu" (Art. 45 Abs. 2 der Verfassung von 1869). Er und der Bezirksrat überwachten vor Ort die Gemeinden und nahmen verschiedenste vorab öffentlich-rechtliche Aufsichts- und Entscheidfunktionen für den Kanton auf Bezirksebene wahr (vgl. HANS STRÄULI, Verfassung des eidgenössischen Standes Zürich vom 18. April 1869, 1902, S. 184 ff.). Weil der Statthalter bzw. der Bezirksrat stets auch Justizfunktionen ausgeübt hat und nach dem Willen des Gesetzgebers weiterhin ausüben soll, wurde das Verfahren vor seiner Instanz rechtsstaatlich zunehmend einwandfrei ausgestaltet und seine Unabhängigkeit von der Verwaltung zunehmend gestärkt. Grundlage ist heute das Bezirksverwaltungsgesetz vom 10. März 1985 (BezVG; LS 173.1). Statthalter und Bezirksrat sind danach beim Entscheid über ein Rechtsmittel an keine Weisungen gebunden, ausgenommen bei der Rückweisung durch eine höhere Instanz (§ 3 BezVG). Trotz der gesetzlich zuerkannten Unabhängigkeit in der Rechtsprechung geht die Lehre davon aus, dem Bezirksrat bzw. dem Statthalter komme die für eine gerichtliche Instanz erforderliche Unabhängigkeit kaum zu. Er nehme Verwaltungs- und Aufsichtsfunktionen wahr und sei in diesem Bereich weisungsgebunden. Die Kumulation von Kompetenzen könne zur Folge haben, dass der Bezirksrat bzw. der Statthalter in der gleichen Angelegenheit einerseits als unabhängige Rechtsmittelinstanz und andererseits als Aufsichtsbehörde tätig werde, was sich mit der gerichtlichen Unabhängigkeit im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK kaum vereinbaren lasse (vgl. KÖLZ/BOSSHART/RÖHL, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 2. Aufl. 1999, N. 26 zu § 4 und N. 82 zu § 19 VRG; EVI SCHWARZENBACH, in: Kommentar zur Zürcher Kantonsverfassung, Häner/Rüssli/Schwarzenbach [Hrsg.], 2007, N. 9 zu Art. 80 KV/ZH). Weil nArt. 450 ZGB als Beschwerdeinstanz ein Gericht verlange, dürfte die Bezeichnung des Bezirksrates als erste Beschwerdeinstanz bundesrechtswidrig sein (vgl. JAAG/RÜSSLI, Staats- und Verwaltungsrecht des Kantons Zürich, 4. Aufl. 2012, N. 2005a S. 149).
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4.2 Jede Person, deren Sache in einem gerichtlichen Verfahren beurteilt werden muss, hat gemäss Art. 30 Abs. 1 BV Anspruch auf ein durch Gesetz geschaffenes, zuständiges, unabhängiges und unparteiisches Gericht. Laut Art. 6 Ziff. 1 EMRK hat jede Person ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren verhandelt wird. Als Gericht im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK bzw. von Art. 30 Abs. 1 BV gilt eine Behörde, die nach Gesetz und Recht in einem justizförmigen, fairen Verfahren begründete und bindende Entscheidungen über Streitfragen trifft. Sie braucht nicht in die ordentliche Gerichtsstruktur eines Staates eingegliedert zu sein, muss jedoch organisatorisch und personell, nach der Art ihrer Ernennung, der Amtsdauer, dem Schutz vor äusseren Beeinflussungen und nach ihrem äusseren Erscheinungsbild sowohl gegenüber anderen Behörden als auch gegenüber den Parteien unabhängig und unparteiisch sein (vgl. BGE 126 I 228 E. 2a/bb S. 230 f.). Nebst den Merkmalen der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit gehört zu seinem Wesen, dass ein Gericht die rechtserheblichen Tatsachen selber erhebt, die Rechtssätze auf diesen in einem rechtsstaatlichen Verfahren ermittelten Sachverhalt anwendet und für die Parteien bindende Entscheidungen in der Sache fällt (vgl. BGE 118 Ia 473 E. 5a S. 478; BGE 124 II 58 E. 1c S. 63). Es muss über umfassende Kognition in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht verfügen (vgl. BGE 123 I 87 E. 3a S. 90; BGE 126 I 33 E. 2a S. 34 und 144 E. 3c S. 152).
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4.3.3 In tatsächlicher Hinsicht kann mit der Beschwerde die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gerügt werden (nArt. 450a Abs. 1 Ziff. 2 ZGB). Mit Bezug auf die Ermittlung des Sachverhalts wird eingewendet, der Bezirksrat sei nicht zur Einvernahme von Zeugen befugt und könne deshalb nicht als unabhängiges Gericht gelten. Der Hinweis auf § 26c des Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 24. Mai 1959 (VRG; LS 175.2) und dessen Entstehungsgeschichte ist indessen nicht stichhaltig. Das Verfahren vor den gerichtlichen Beschwerdeinstanzen richtet sich gemäss § 40 EG KESR zuerst nach den Bestimmungen des ZGB und dieses Gesetzes (Abs. 1), in zweiter Linie nach den Bestimmungen des GOG (LS 211.1; Abs. 2) und subsidiär nach den sinngemäss anwendbaren Bestimmungen der ZPO (Abs. 3). Laut Antrag und Weisung des Regierungsrates vom 31. August 2011 wurde ausdrücklich darauf verzichtet, zusätzlich die Bestimmungen des Verwaltungsrechtspflegegesetzes für anwendbar zu erklären (Amtsblatt [ABl] 2011 2611 f. und 2654 zu § 41 Abs. 3). Die Befugnis zur Einvernahme von Zeugen wurde dem Bezirksrat bereits mit der Revision des EG ZGB von 2000/2001 eingeräumt. Gemäss § 56a EG ZGB kann der Bezirksrat in familienrechtlichen Angelegenheiten (Art. 90-455 ZGB) Zeugen einvernehmen, wobei die entsprechenden Bestimmungen der Zivilprozessordnung sinngemäss anwendbar sind. Gemäss Antrag und Weisung des Regierungsrates vom 22. September 1999 wurde dem Bezirksrat dieses Beweismittel ausdrücklich und vorbehaltlos zur Verfügung gestellt, weil das Verwaltungsverfahren keine Möglichkeit der Zeugeneinvernahme vorsieht (ABl 1999 1216/1292). Der Einwand, der Bezirksrat sei ausserstande, Zeugen einzuvernehmen, überzeugt auch deshalb nicht, weil selbst von der KESB als der Verwaltung zugehöriger Fachbehörde gemäss § 53 EG KESR die Einvernahme von Zeugen erwartet wird (vgl. Antrag und Weisung des Regierungsrates vom 31. August 2011, ABl 2011 2663 zu § 54). Dass die gleiche Befugnis der im selben Gesetz vorgesehenen Beschwerdeinstanz nicht zukommen soll, bedürfte einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage, die hier fehlt.
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4.3.4 Gerichtsorganisatorisch steht der Bezirksrat als Beschwerdeinstanz gegenüber Entscheiden der KESB (§ 63 EG KESR) auf der gleichen Stufe wie das Einzelgericht als Beschwerdeinstanz im Bereich der fürsorgerischen Unterbringung (§ 62 EG KESR). Beide Instanzen fällen je in ihrem Sachgebiet verbindliche Beschwerdeentscheide, die der Weiterziehung an das Obergericht unterliegen (§ 64 EG KESR und § 50 GOG). Das Obergericht überprüft die angefochtenen Beschwerdeentscheide in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht frei (nArt. 450a ZGB; vgl. Antrag und Weisung des Regierungsrates vom 31. August 2011, ABl 2011 2669).
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4.4.2 Im öffentlich-rechtlichen Bereich nehmen Bezirksrat und Statthalteramt eine Vielzahl verschiedenster Vollzugs-, Aufsichts- und Rechtsprechungsfunktionen für den Kanton auf Bezirksebene wahr. Entsprechende Regelungen finden sich im Gemeindegesetz (GG; LS 131.1; vorab §§ 141 ff.), im Sozialhilfegesetz (SHG; LS 851.1; § 8), im Patientinnen- und Patientengesetz (LS 813.13; § 5 Abs. 1), im Landwirtschaftsgesetz (LG; LS 910.1; § 69 u.a.m.) sowie im Einführungsgesetz zum Bundesgesetz über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland (EG BewG; LS 234.1; § 4 lit. a). Zahlreich und vielfältig sind auch die Aufgaben des Statthalters gestützt auf kantonale öffentlich-rechtliche Erlasse und im Übertretungsstrafrecht (vgl. für einen Überblick: JAAG/RÜSSLI, a.a.O., N. 1605-1607, N. 1611 und 1615-1617 S. 124 ff.). In Anbetracht der Verflechtung von Aufgaben und Funktionen im Gesetzesvollzug, in der Aufsicht und in der Rechtsprechung erscheint es als nachvollziehbar, dass die Rechtsprechung im öffentlich-rechtlichen Bereich davon ausgeht, der Bezirksrat sei in die Verwaltung eingebunden und deshalb nicht als gerichtliche Instanz anzusehen (vgl. Urteil des Verwaltungsgerichts PB.2000.00007 vom 30. August 2000 E. 2, Rechenschaftsbericht [RB] 2000 Nr. 24 S. 70 f., betreffend öffentliches Personalrecht, und die seitherige Rechtsprechung, z.B. Urteil VB. 2007.00051 vom 5. April 2007 E. 1.2, betreffend Tarif für Feuerungskontrolle).
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4.4.3 Im zivilrechtlichen Bereich sind die dem Bezirksrat bzw. Statthalteramt zugewiesenen Aufgaben beschränkt. Sie bestehen noch in der Stiftungsaufsicht (§ 37 EG ZGB) und in der Zuständigkeit für das Begehren um Vollziehung einer vom Schenkgeber im Interesse des Bezirkes oder mehrerer Gemeinden desselben gemachten Auflage (§ 38 EG ZGB; vgl. JAAG/RÜSSLI, a.a.O., N. 1608-1610 S. 125). Die grosse Zahl von Funktionen des Bezirksrates und vereinzelt auch des Statthalteramtes in familienrechtlichen Angelegenheiten werden durch das EG KESR aufgehoben und eingeschränkt auf die Aufsicht über Wohn- und Pflegeeinrichtungen (§ 14), die Zuständigkeit für die erstinstanzliche Beurteilung von Beschwerden (§ 63) und die Aufbewahrung von Akten gewisser vormundschaftlicher Verfahren (§ 80 EG KESR). Rechtsprechungsfunktion und Verwaltungsaufgaben des Bezirksrates im zivilrechtlichen Bereich sind damit klar getrennt, so dass der Eindruck, der Bezirksrat sei blosser Teil der Verwaltung und keine eigenständige Gerichtsbehörde nicht entsteht. Unvereinbarkeiten sind mit Bezug auf die Beaufsichtigung von Wohn- und Pflegeeinrichtungen und der erstinstanzlichen Entscheidzuständigkeit über Beschwerden denkbar. Die Regelung ist indessen bundesrechtlich nicht ausgeschlossen, und dass sich aus dieser Doppelfunktion in seltenen Einzelfällen eine Unvereinbarkeit ergeben kann, rechtfertigt ein Eingreifen im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle nicht. Entsprechende Sachverhalte sind aus der Praxis bekannt und gegebenenfalls im Rechtsmittelverfahren zu bereinigen (für ein Beispiel: Urteil 5A_532/2007 vom 8. April 2008 E. 2.4 und 2.5).
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4.4.5 Insgesamt vermittelt auch das äussere Erscheinungsbild des Bezirksrates dessen Unabhängigkeit in der Rechtsprechung für den zivilrechtlichen Bereich. Die zum Beleg des Gegenteils angerufenen Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) und des Bundesgerichts unterscheiden sich doch in wesentlichen Punkten von dem hier zu beurteilenden Fall. Der Bezirksrat kann aufgrund seiner Funktionen und Zusammensetzung nicht dem aus dem Polizeidienst für richterliche Aufgaben abgestellten Juristen gleichgesetzt werden, der nach Beendigung seines richterlichen Mandats in den Polizeidienst zurückkehrt, was den Rechtsuchenden, der einen Bussgeldentscheid vor diesem Richter anficht, an dessen Unabhängigkeit zu zweifeln berechtigt (vgl. Urteil des EGMR Belilos gegen Schweiz vom 29. April 1988, Serie A Bd. 132 § 67). Ebenso wenig besteht der Bezirksrat teilweise aus Verwaltungsbeamten (vgl. Urteil des EGMR Sramek gegen Österreich vom 22. Oktober 1984, Serie A Bd. 84 § 42). Da dem Bezirksrat im zivilrechtlichen Bereich, in dem er seine Rechtsprechungsfunktion ausübt, "generelle und umfassende Aufsichtsbefugnisse" gerade nicht zustehen, kann er auch nicht der "Bündner Notariatskommission" gleichgestellt werden, der insbesondere deswegen der Charakter eines Gerichts im Disziplinarverfahren gegen Notare abgesprochen werden musste (vgl. BGE 123 I 87 E. 4e S. 93 f.). Im Übrigen ist auch die Gesamtheit des Verfahrens zu berücksichtigen und die Rolle, die dem Rechtsmittelverfahren im Rahmen des gesamten Verfahrens zukommt (FROWEIN/PEUKERT, a.a.O., N. 95 zu Art. 6 EMRK). Selbst wenn die Schlussfolgerung hätte gezogen werden müssen, das Statthalteramt bzw. der Bezirksrat sei kein Gericht, sondern eine überwiegend weisungsgebundene Verwaltungsbehörde, ist zu berücksichtigen, dass der Zugang zum Gericht im Sinne von Art. 6 EMRK gewährleistet ist, weil das Obergericht kompetent ist, alle Fragen tatbeständlicher und rechtlicher Natur zu untersuchen, die sich in Bezug auf den Einzelfall ergeben, und auch die Befugnis hat, die angefochtene Entscheidung aufzuheben (FROWEIN/PEUKERT, a.a.O., N. 56 ff. insb. N. 58 zu Art. 6 EMRK; vgl. auch BGE 138 V 271 E. 3.1 S. 278 und das zit. Urteil Belilos §§ 68 ff.).
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