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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Thomas Probst, A. Tschentscher | |||
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vom 26. Juli 1999 |
i.S. A. gegen Schweizerische Bundesanwaltschaft, Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement und Schweizerischen Bundesrat |
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 98 lit. a OG und Art. 100 Abs. 1 lit. a OG; Art. 6 Ziff. 1 EMRK; Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Einziehung von Propagandamaterial der Kurdischen Arbeiterpartei. |
Mit dem Ergehen des Einziehungsentscheids entfällt das Interesse an der Anfechtung der diesem vorangehenden Beschlagnahme (E. 2). |
Die Einziehung von Propagandamaterial aus Gründen der äusseren und inneren Sicherheit berührt zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK (E. 4b). |
Im Konfliktfall geht das Völkerrecht prinzipiell dem Landesrecht vor, insbesondere wenn die völkerrechtliche Norm dem Schutz der Menschenrechte dient. Gegen den Einziehungsentscheid des Bundesrats ist daher gestützt auf Art. 6 Ziff. 1 EMRK und entgegen Art. 98 lit. a und Art. 100 Abs. 1 lit. a OG die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht zulässig (E. 4c-e). |
Art. 55 BV und Art. 10 EMRK; Art. 102 Ziff. 8-10 BV; Art. 1 Abs. 2 des Bundesratsbeschlusses betreffend staatsgefährliches Propagandamaterial; Einziehung von Propagandamaterial aus Gründen der inneren und äusseren Sicherheit. |
Der Propagandabeschluss stellt zusammen mit Art. 102 Ziff. 8-10 BV eine genügende gesetzliche Grundlage für einen schweren Eingriff in die Meinungsäusserungs- und Pressefreiheit dar (E. 6). |
Die Einziehung von Schriften der Kurdischen Arbeiterpartei, die zur Durchsetzung ihrer Anliegen generell die Gewalt propagieren und auf in der Schweiz lebende Emigranten Druck erzeugen sollen, ist unter den gegebenen Umständen verhältnismässig (E. 7).![]() | |
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Die schweizerischen Zollbehörden stellten am 11. September 1997 in Riehen rund 88 kg Propagandamaterial der Kurdischen Arbeiterpartei PKK sicher, das an A. adressiert war. Das Material wurde der Schweizerischen Bundesanwaltschaft zur näheren Prüfung übergeben. Diese stellte fest, dass die sichergestellten Zeitschriften und Bücher die Gewalt als einzige Alternative gegen den "türkischen Terrorstaat" propagierten und darüber hinaus Mitglieder der türkischen Regierung diffamierten. Da die Verbreitung oder der Verkauf dieser Schriften die innere und äussere Sicherheit der Schweiz gefährden könnten, verfügte die Bundesanwaltschaft gestützt auf Art. 1 des Bundesratsbeschlusses betreffend staatsgefährliches Propagandamaterial vom 29. Dezember 1948 (Propagandabeschluss; SR 127, AS 1948 1282) am 15. Januar 1998 die Beschlagnahme des fraglichen Propagandamaterials.
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Diese Verfügung focht A. beim Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement an. Es entschied am 22. Juni 1998, das erhobene Rechtsmittel als Aufsichtsbeschwerde entgegenzunehmen und dieser keine Folge zu geben.
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Der Bundesrat ordnete am 26. Juni 1998 gestützt auf Art. 1 Abs. 2 des Propagandabeschlusses die Einziehung und damit die Vernichtung des beschlagnahmten Propagandamaterials an. Der als Rechtsgrundlage dienende Propagandabeschluss trat am 1. Juli 1998 ausser Kraft.
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A. hat zunächst gegen den Aufsichtsentscheid des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements vom 22. Juni 1998 und hierauf auch gegen den Einziehungsentscheid des Bundesrats vom 26. Juni 1998 eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht eingereicht und beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheide. Das Bundesgericht tritt auf die Beschwerde gegen den Entscheid des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements vom 22. Juni 1998 nicht ein und weist jene gegen den Einziehungsentscheid des Bundesrats vom 26. Juni 1998 ab
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Auszug aus den Erwägungen: | |
aus folgenden Erwägungen:
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Erwägung 2 | |
2. Die erste Beschwerde richtet sich gegen die Beschlagnahme des von den Zollbehörden sichergestellten Propagandamaterials. Inzwischen ist an die Stelle der Beschlagnahme jedoch der Einziehungsentscheid des Bundesrats vom 26. Juni 1998 getreten. Das Interesse des Beschwerdeführers an der Anfechtung der Beschlagnahme ist damit entfallen. Eine allfällige Kritik hat sich ![]() ![]() | 6 |
Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Beschlagnahmeverfügung der Bundesanwaltschaft (Verfahren 1A.178/ 1998) ist daher mangels eines aktuellen Rechtsschutzinteresses nicht einzutreten.
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Erwägung 4 | |
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Nach Ansicht des Beschwerdeführers hat das Bundesgericht das erhobene Rechtsmittel gleichwohl zu beurteilen, da seinem aus Art. 6 Ziff. 1 EMRK folgenden Anspruch auf eine gerichtliche Beurteilung des Einziehungsentscheids nur auf diese Weise Genüge getan werden könne. Sollte die vorliegende Streitsache zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK berühren, so hätte der Beschwerdeführer in der Tat Anspruch auf eine Beurteilung durch ein unabhängiges und unparteiisches Gericht. Es ist daher zu prüfen, ob die umstrittene Einziehung in den Anwendungsbereich von Art. 6 Ziff. 1 EMRK fällt.
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Zur Zeit liegen -- soweit ersichtlich -- keine Entscheide der Strassburger Organe vor, die Massnahmen zur inneren und äusseren Sicherheit eines Staates generell vom Anwendungsbereich von Art. 6 Ziff. 1 EMRK ausschlössen. Vielmehr ist der Europäische Gerichtshof in einem Entscheid, der die Anordnung von Überwachungsmassnahmen aus Gründen der Staatssicherheit betraf, von der grundsätzlichen Anwendbarkeit von Art. 6 Ziff. 1 EMRK ausgegangen, wobei er allerdings offen liess, ob im konkreten Fall auf Art. 6 oder auf Art. 13 EMRK abzustellen war (Urteil i.S. Klass c. Deutschland vom 6. September 1978, Serie A, Band 28, Ziff. 68 f., 71 und 75). Wenn nach diesem Entscheid derjenige, der nachträg ![]() ![]() | 12 |
Im Übrigen besteht auch deshalb kein Grund, einen Ausschluss vom Anwendungsbereich von Art. 6 Ziff. 1 EMRK anzunehmen, weil nach heutiger Auffassung die Möglichkeit, präventive Massnahmen gegen die Verbreitung politischer Propagandaschriften ergreifen zu können, nicht mehr als Erfordernis des Staatsschutzes im engeren Sinn erscheint. Das am 1. Juli 1998 in Kraft getretene Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit vom 21. März 1997 (BWIS; SR 120) sieht keine entsprechenden Regelungen vor (vgl. Botschaft des Bundesrats vom 7. März 1994, BBl 1994 II 1127 ff.). Die strafrechtlichen und die allgemeinen polizeilichen Mittel werden als genügend erachtet. ![]() | 13 |
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Art. 6 Ziff. 1 EMRK ist demnach auf die vorliegende Streitsache anwendbar. Bei dieser Sachlage kommt der ebenfalls erhobenen Rüge der Verletzung von Art. 13 EMRK keine selbständige Bedeutung zu (Urteile des EGMR i.S. Brualla Gomez de la Torre c. Spanien vom 19. Dezember 1997, Rec. 1997-VIII S. 2945 ff., S. 2957 Ziff. 41, und i.S. Tinnely & Sons Ltd u.a. c. Vereinigtes Königreich vom 10. Juli 1998, Rec. 1998-IV, S. 1633 ff. Ziff. 77, S. 1662 in fine). Diese Rechtsfolge gilt jedenfalls insoweit, als der angefochtene Beschluss in die Eigentumsrechte eingreift. Der Beschwerdeführer macht allerdings auch eine Verletzung seines Anspruchs auf freie Meinungsäusserung (Art. 10 EMRK) geltend. Diese Rüge fällt -- für sich allein betrachtet -- nicht in den Anwendungsbereich von Art. 6 Ziff. 1 EMRK, sondern unter die Rechtsweggarantie gemäss Art. 13 EMRK. Ob deswegen die zuletzt genannte Bestimmung ebenfalls zum Zuge kommt, kann offen bleiben. Mit Blick auf die Anforderungen an den innerstaatlichen ![]() ![]() | 15 |
c) In seiner jüngsten Rechtsprechung hat das Bundesgericht verschiedentlich erklärt, dass sich die Eidgenossenschaft nicht unter Berufung auf inländisches Recht ihrer völkerrechtlichen Verpflichtungen entziehen könne. Das Landesrecht müsse daher in erster Linie völkerrechtskonform ausgelegt werden. Dementsprechend hat das Bundesgericht vereinzelt auch die Gesetzgebung über die Bundesrechtspflege auf ihre Vereinbarkeit mit den Garantien der EMRK überprüft und ihre Tragweite teilweise im Rahmen einer völkerrechtskonformen Auslegung neu bestimmt (BGE 120 Ib 136 E. 1 S. 138 ff.; vgl. auch BGE 118 Ib 277 E. 3 S. 280 f.).
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Nach Art. 98 lit. a und Art. 100 Abs. 1 lit. a OG kann das Bundesgericht die von Art. 6 Ziff. 1 EMRK verlangte gerichtliche Kontrolle des angefochtenen Bundesratsentscheids nicht übernehmen. Es ist zwar denkbar, Art. 100 Abs. 1 lit. a OG restriktiver auszulegen als bisher (vgl. dazu BGE 121 II 248 E. 1a S. 251; 118 Ib 277 E. 2b S. 280; 104 Ib 129 E. 1 S. 131) und gegen Massnahmen, die nicht zum Staatsschutz im engeren Sinn (vgl. E. 4b) zählen, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zuzulassen. Doch entzieht sich Art. 98 lit. a OG, der die anfechtbaren Entscheide des Bundesrats abschliessend aufzählt, einer solchen völkerrechtskonformen Auslegung. Es liegt somit ein Konflikt zwischen einer Norm des nationalen Rechts und einer für die Schweiz verbindlichen staatsvertraglichen Regelung vor: Art. 98 lit. a OG schliesst die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die angefochtene Verfügung des Bundesrats aus, während Art. 6 Ziff. 1 EMRK eine gerichtliche Überprüfung gebietet.
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d) Art. 114bis Abs. 3, der gleich wie Art. 113 Abs. 3 BV die Bundesgesetzgebung und die von der Bundesversammlung genehmigten Staatsverträge für das Bundesgericht für massgebend erklärt, enthält keine Lösung für den vorliegenden Konfliktfall (vgl. auch Art. 191 der neuen Bundesverfassung vom 18. April 1999 [nBV]). Es ist ausgeschlossen, zwei sich widersprechende Normen -- seien sie bundesgesetzlicher oder staatsvertraglicher Natur -- zugleich anzuwenden. Der Konflikt ist vielmehr unter Rückgriff auf die allgemein anerkannten Grundsätze des Völkerrechts zu lösen (BGE 117 Ib 367 E. 2e S. 372 f.), die für die Schweiz als Völkergewohnheitsrecht verbindlich sind und zugleich geltendes Staatsvertragsrecht darstellen. So ist die Eidgenossenschaft gemäss Art. 26 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom ![]() ![]() | 18 |
Diese völkerrechtlichen Prinzipien sind in der schweizerischen Rechtsordnung unmittelbar anwendbar (BGE 117 Ib 337 E. 2a S. 340) und binden nicht nur den Gesetzgeber, sondern sämtliche Staatsorgane (vgl. die gemeinsame Stellungnahme des Bundesamtes für Justiz und der Direktion für Völkerrecht vom 26. April 1989, VPB 53/1989 Nr. 54 Ziff. 15 S. 420 ff.). Daraus ergibt sich, dass im Konfliktfall das Völkerrecht dem Landesrecht prinzipiell vorgeht (BGE 122 II 485 E. 3a S. 487; 122 II 234 E. 4e S. 239; 109 Ib 165 E. 7b S. 173; 100 Ia 407 E. 1b S. 410; BGE 125 III 209 E. 6e in fine). Dies hat zur Folge, dass eine völkerrechtswidrige Norm des Landesrechts im Einzelfall nicht angewendet werden kann. Diese Konfliktregelung drängt sich umso mehr auf, wenn sich der Vorrang aus einer völkerrechtlichen Norm ableitet, die dem Schutz der Menschenrechte dient. Ob in anderen Fällen davon abweichende Konfliktlösungen in Betracht zu ziehen sind (vgl. z.B. BGE 99 Ib 39 E. 4 S. 44 f.), ist vorliegend nicht zu prüfen. Dieses Ergebnis kann sich auf Präjudizien in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung stützen (BGE 106 Ib 16 E. 1 S. 17; 107 Ib 68 E. 2 S. 69; 119 V 171 E. 4b S. 178), die auch die Grundlage für Art. 5 Abs. 4 nBV bildete (vgl. BBl 1997 I, S. 134 f.).
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In Fällen, in denen das kantonale Recht die gebotene gerichtliche Beurteilung einer Streitsache nicht vorsieht, weist das Bundesgericht die kantonalen Behörden an, direkt gestützt auf Art. 6 Ziff. 1 EMRK die zuständige Gerichtsinstanz zu bezeichnen (BGE 123 II 231 E. 7 S. 236; 121 II 219 E. 2c S. 222). Im vorliegenden Fall sind die Bundesbehörden verpflichtet, für die erforderliche richterliche Kontrolle zu sorgen. Dabei ist nicht ersichtlich, welche andere Behörde als das Bundesgericht diese Aufgabe übernehmen könnte. Umstände, die es nahe legen könnten, eine entsprechende Anpassung der Gesetzgebung abzuwarten, liegen nicht vor. Da das erwähnte neue Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit keine dem Propagandabeschluss entsprechende Regelung mehr vorsieht, entfällt von vornherein ein Anlass zu einer gesetzlichen Regelung des Rechtsschutzes in diesem Bereich. Das Bundes ![]() ![]() | 20 |
Es ist demzufolge die Zuständigkeit des Bundesgerichts zur Beurteilung der erhobenen Beschwerde zu bejahen. Da die genannte Konventionsbestimmung eine freie richterliche Überprüfung des Sachverhalts und der Rechtsfragen -- hingegen nicht eine Ermessenskontrolle -- voraussetzt (BGE 120 Ia 19 E. 4c S. 30), ist das eingereichte Rechtsmittel als Verwaltungsgerichtsbeschwerde entgegenzunehmen.
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f) Der Beschwerdeführer stellt im Verfahren vor dem Bundesgericht keinen Antrag auf Durchführung einer öffentlichen Verhandlung. Da nach der Rechtsprechung eine öffentliche Verhandlung ausdrücklich oder zumindest konkludent verlangt werden muss, wenn wie vor dem Bundesgericht normalerweise in einem schriftlichen Verfahren entschieden wird (vgl. Art. 112 OG), ist vorliegend von einem Verzicht auf dieses Recht auszugehen (BGE 121 I 30 E. 5f S. 37 f.; 122 V 47 E. 3a S. 55). Es sind auch keine wichtigen öffentlichen Interessen ersichtlich, welche die Durchführung einer öffentlichen Verhandlung gebieten würden.
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Erwägung 5 | |
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Der angefochtene Entscheid hat die Einziehung von Verschiedenem Propagandamaterial -- nicht nur von dem an den Beschwerdeführer adressierten -- zum Gegenstand und betrifft die innere Sicherheit der Schweiz. Er wurde daher gestützt auf Art. 27 Abs. 1 lit. a VwVG als vertraulich klassiert. Der Beschwerdeführer wurde jedoch nicht nur über den Entscheid des Bundesrates informiert, sondern es wurde ihm mit Schreiben vom 14. September 1998 auch ein Auszug aus der Entscheidbegründung bekannt gegeben. Die Lektüre der dem Bundesgericht vorliegenden Originalfassung des Einziehungsentscheids und des ihm zu Grunde liegenden Antrags des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements zeigt, dass dem Beschwerdeführer im Schreiben vom 14. September 1998 alle wesentlichen Entscheidgründe mitgeteilt wurden und der ![]() ![]() | 25 |
Erwägung 6 | |
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Nach Ansicht des Beschwerdeführers sind jedoch mit dem Ende des Kalten Krieges die Gründe für die im Propagandabeschluss vorgesehene Beschlagnahme und Einziehung entfallen. Es bestehe dafür keinerlei Notwendigkeit mehr, da von einer Gefahr einer kommunistischen Unterwanderung der Schweiz nicht mehr gesprochen werden könne. Die Kompetenz des Bundesrats erstrecke sich aber nur auf den Erlass von Verordnungen zur Bewältigung konkreter ernsthafter Gefahrenlagen.
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Es trifft zu, dass die Veränderungen der weltpolitischen Lage in der letzten Zeit verschiedene Anpassungen der Bestimmungen über die innere und äussere Sicherheit der Eidgenossenschaft erforderten. Auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des bereits erwähnten neuen Bundesgesetzes über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicher ![]() ![]() | 29 |
b) Verordnungen, die der Bundesrat gestützt auf Art. 102 Ziff. 8-10 BV erlässt, bilden eine ausreichende Grundlage für Einschränkungen von Freiheitsrechten (BGE 100 Ib 318 E. 3 S. 320; SCHINDLER, a.a.O., Rz. 123 und 165). Die angefochtene Einziehung bewirkt freilich einen schweren Eingriff in die Meinungsäusserungs- (Art. 10 EMRK) und Pressefreiheit (Art. 55 BV), der nach der Rechtsprechung einer Grundlage in einem formellen Gesetz bedarf (BGE 124 I 40 E. 3b S. 42 f.). Der Propagandabeschluss stellt zwar für sich allein genommen kein solches Gesetz dar. Zusammen mit den Verfassungsbestimmungen, auf die er sich abstützt, bildet er jedoch eine genügende gesetzliche Grundlage für die umstrittene Massnahme. Dies ergibt sich zudem auch daraus, dass der Propagandabeschluss lediglich eine Konkretisierung der polizeilichen Generalklausel für bestimmte Gefährdungslagen bildet und gestützt auf die Letztere die Grundrechte auch ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage eingeschränkt werden dürfen (BGE 103 Ia 310 E. 3a S. 312; Entscheid der Europäischen Kommission für Menschenrechte vom 10. Oktober 1979 i.S. Rassemblement jurassien et Unité jurassienne c. Suisse, DR 17, S. 93 ff. Ziff. 6, auch publiziert in VPB 47/1983, Nr. 196 B, Ziff. 6 S. 594; s. auch Nr. 196 A, lit. b, S. 589-591). ![]() | 30 |
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Erwägung 7 | |
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Der Bundesrat hält diese Schriften für geeignet, zum Extremismus neigende Gruppierungen in der ausländischen und schweizerischen Bevölkerung zu radikalisieren. Daraus ergebe sich eine Gefährdung für das friedliche Zusammenleben und damit für die innere Sicher ![]() ![]() | 34 |
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Die Abwehr der angeführten Gefährdungen rechtfertigt nach der Rechtsprechung auch empfindliche Einschränkungen der Meinungsäusserungs- und Pressefreiheit (BGE 108 Ia 300 E. 3 S. 303; 107 Ia 292 E. 6 S. 300; zur Rechtsprechung der Strassburger Organe vgl. JOCHEN ABR. FROWEIN/WOLFGANG PEUKERT, EMRK-Kommentar, 2. Aufl. 1996, Art. 10, Rz. 29). Es ist auch nicht ersichtlich, dass vorliegend eine mildere Massnahme zur Vermeidung der Gefährdung der inneren und äusseren Sicherheit ausgereicht hätte, zumal der Aufruf zum bewaffneten Kampf die eingezogenen Schriften durchzieht und sich nicht nur auf einige wenige Stellen beschränkt, die allenfalls unkenntlich gemacht werden könnten. Der Vorwurf, die angefochtene Einziehung sei unverhältnismässig, erweist sich daher ebenfalls als unbegründet. ![]() | 36 |
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